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Einführung in die Sozialwissenschaften - Jürgen Bellers

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Andere Theorien, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e biologische Grundlage für unterschiedliche<br />

Handlungsweisen - oder auch Persönlichkeitsstrukturen - bei Frauen und<br />

Männern annehmen, gehen mehr oder weniger von e<strong>in</strong>er genetisch oder<br />

hormonell unterschiedlichen Programmierung des geschlechtsspezifischen<br />

Verhaltens aus. Allerd<strong>in</strong>gs müßte sich hiernach im <strong>in</strong>terkulturellen Vergleich<br />

zeigen, daß entsprechende Handlungsmuster <strong>in</strong> allen bekannten<br />

Gesellschaften universell vorf<strong>in</strong>dbar und unveränderlich s<strong>in</strong>d, und daß<br />

zudem solche Gleichheit oder Ähnlichkeit biologisch verursacht ist<br />

(Hagemann-White 1984: 41). Inhaltlich überall gleiche Handlungs- und<br />

Persönlichkeitscharakteristika bei Frauen und Männern lassen sich jedoch <strong>in</strong><br />

den verschiedenen Kulturen nicht erkennen. Die Variation des<br />

geschlechtsspezifischen, jeweils als "männlich" oder "weiblich" apostrophierten<br />

Handelns s<strong>in</strong>d viel zu groß, als daß e<strong>in</strong>deutige Muster ausgemacht<br />

werden können. Die wenigen universell vorf<strong>in</strong>dbaren Gesetzmäßigkeiten<br />

wiederum s<strong>in</strong>d davon ableitbar, daß menschliches Handeln eben nicht<br />

biologisch oder hormonell fixiert ist, daß Menschen im Gegensatz zum Tier<br />

ke<strong>in</strong>e genetisch vorgegebenen Handlungsziele, Handlungsformen oder auch<br />

Situationsdeutungen kennen. Universell s<strong>in</strong>d deshalb sozio-kulturelle<br />

Arrangements, <strong>die</strong> das Handeln der Geschlechter leiten, <strong>die</strong> es <strong>in</strong>tersubjektiv<br />

s<strong>in</strong>nvoll und nachvollziehbar machen und dadurch das Überleben von<br />

Frauen und Männern als <strong>in</strong>teragierende Menschen sichern.<br />

Nicht unerwähnt bleiben soll zuletzt <strong>die</strong> These von der natürlichen<br />

Ursprünglichkeit geschlechtlicher Arbeitsteilung, <strong>die</strong> unter anderen schon<br />

Marx und Engels von der Teilung der Arbeit im Geschlechtsakt - genauer <strong>in</strong><br />

der Fortpflanzung - ableiteten. Durch <strong>die</strong> natürlichen Anlagen von Mann<br />

und Frau ergäbe sich <strong>die</strong>se Arbeitsteilung quasi von selbst und könne somit<br />

als naturwüchsige Grundlage für weitgefächerten Handlungsbereiche der<br />

Menschen <strong>die</strong>nen (MEW 1969: 3, 31; 21, 155; Beer 1984: 40 ff.; kritisch: Krais<br />

1993: 221 ff.). Verwoben werden hier <strong>die</strong> biologisch nur der Frau mögliche<br />

Gebärfähigkeit und <strong>die</strong> nur dem Manne mögliche Zeugungsfähigkeit mit<br />

e<strong>in</strong>er generativen gesellschaftlichen Reproduktion, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> hierarchisches<br />

Verhältnis der Geschlechter als Grundlage für privates und unentgeltliches<br />

Erbr<strong>in</strong>gen von Versorgungsleistungen voraussetzt. In <strong>die</strong>sem Rahmen läßt<br />

sich e<strong>in</strong>e geschlechtlichen Arbeitsteilung begründen, <strong>die</strong> den Frauen alle<br />

Tätigkeiten zuweist, <strong>die</strong> sich mit der Pflege von K<strong>in</strong>dern vere<strong>in</strong>baren läßt,<br />

während der Mann für deren Schutz im unmittelbaren wie auch mittelbaren<br />

Bezug verantwortlich ist - wobei der mittelbare Bezug sich auf alle kreativen,<br />

prestigeträchtigen oder E<strong>in</strong>fluß erbr<strong>in</strong>genden Tätigkeiten <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gesellschaftsbereichen ausweiten läßt.<br />

Welche Unsicherheit und Fragen e<strong>in</strong>e solche Ableitung von geschlechtlicher<br />

Arbeitsteilung offenläßt, zeigen <strong>die</strong> <strong>in</strong> vielen Kulturen üblichen<br />

Initiationsriten im Zusammenhang mit der Pubertät. Ihr S<strong>in</strong>n ist es, über <strong>die</strong><br />

nur vermutbare Gebär- und Zeugungsfähigkeit h<strong>in</strong>aus, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige und<br />

unumkehrbare Geschlechtszugehörigkeit vorzunehmen. Solche<br />

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