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Einführung in die Sozialwissenschaften - Jürgen Bellers

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S<strong>in</strong>nfunktion der Geschlechtertrennung deutlich. Frauen und Männer lassen<br />

sich als Getrennte s<strong>in</strong>nhaft-komplementär aufe<strong>in</strong>ander beziehen, so daß des<br />

e<strong>in</strong>en Se<strong>in</strong> und Handeln ohne das Se<strong>in</strong> und Handeln des anderen "s<strong>in</strong>nlos"<br />

ist, d. h. ke<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tersubjektiv verstehbaren S<strong>in</strong>n ergibt.<br />

Diese S<strong>in</strong>nfunktion der Geschlechtertrennung hat man sich als e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche kulturelle Leistung vorzustellen, <strong>die</strong> dazu führt, daß mit den<br />

Mitteln von Identitäts- und Differenzkategorien <strong>die</strong> gesellschaftliche<br />

Integration der Menschen erleichtert wird. Niemand kann Frau se<strong>in</strong> oder als<br />

Frau handeln, ohne von Männern zu wissen - und umgekehrt -, weil<br />

Weiblichkeit und weibliches Handeln <strong>in</strong> Unterscheidung zu Männlichkeit<br />

und männlichem Handeln def<strong>in</strong>iert wird. Dies hat zur Folge, daß das<br />

geschlechtlich geschiedene Personal e<strong>in</strong>er Gesellschaft aufe<strong>in</strong>ander<br />

verwiesen ist - nun aber mittels e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nhaft nachvollziehbaren Ordnung,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>er diffusen B<strong>in</strong>dung von Menschen weit überlegen ist. Sosehr auch<br />

der Unterschied zwischen den Geschlechtern im Vordergrund des<br />

gesellschaftlichen Wissens stehen mag, Geschlechterdifferenzierung macht<br />

nur S<strong>in</strong>n vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es Wissens um Zusammengehörigkeit -<br />

als Menschen. Deshalb haben sich Männer, auch wenn sie sich als das<br />

stärkere Geschlecht def<strong>in</strong>ierten oder sich gar als Mensch absolut setzten, bei<br />

aller Selbstüberschätzung immer nur <strong>in</strong> Gegensatz zu Frauen gesetzt und zu<br />

nichts sonst - nicht zu Gott und nicht zu den Tieren (Tyrell 1986: 464).<br />

Die Zusammengehörigkeit der Menschen kann auf vielerlei Weise durch<br />

Segregation untermauert werden, denn Segregation von Menschen bedeutet<br />

immer auch <strong>die</strong> Steigerung ihrer Abhängigkeit vone<strong>in</strong>ander. Auch bei der<br />

Geschlechtertrennung gründet <strong>die</strong> gegenseitige Verbundenheit auf<br />

Abhängigkeit, <strong>die</strong> <strong>in</strong> allen Gesellschaften gefestigt wird durch explizit<br />

ausgearbeitete Gleichheitstabus (Rub<strong>in</strong> 1975) und Zuganssperren zu den<br />

Handlungsbereiche, <strong>die</strong> kulturell jeweils dem anderen Geschlecht<br />

zugewiesen worden s<strong>in</strong>d. Diese Tabus und Zugangssperren machen<br />

deutlich, daß es sozio-kultureller Vorkehrungen bedarf, wenn <strong>die</strong><br />

Geschlechter ordentlich geschieden werden sollen. Die Polarisierung der<br />

Geschlechter muß über den biologischen Unterschied - der, wie <strong>die</strong><br />

Forschung nachweist, nicht besonders trennscharf ist (Bischof und<br />

Preuschoft 1980; Hagemann-White 1984: 29 ff.; Pomata 1983) -<br />

h<strong>in</strong>ausgetrieben werden. Wie erwähnt, nimmt man <strong>in</strong> vielen Kulturen <strong>die</strong><br />

primären Geschlechtsmerkmale auch nur zum Anlaß, <strong>in</strong> ausgefeilten Initiationsriten<br />

das "wirkliche" Geschlecht erst herzustellen.<br />

Der Funktionalitätsaspekt geschlechtspezifischer Differenzierung soll nicht<br />

bedeuten, daß es sich hierbei um e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Notwendigkeit<br />

menschlicher Vergesellschaftung handelt. Es lassen sich Alternativen für <strong>die</strong><br />

kulturelle Regelung von gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Interaktion<br />

denken. Zw<strong>in</strong>gend notwendig ist der Geschlechtsunterschied nur beim<br />

zeugenden Geschlechtsakt, ansonsten b<strong>in</strong>det er noch nicht e<strong>in</strong>mal sexuelles<br />

Handeln, wenn man an Homosexualität, Autoerotik oder <strong>die</strong> zahlreichen<br />

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