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Einführung in die Sozialwissenschaften - Jürgen Bellers

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unausgesprochene Sanktionsdrohung, <strong>die</strong> von der bloßen sozialen<br />

Ordnungsfunktion der Zweigeschlechtlichkeit ausgeht: Wenn du nicht<br />

lernst, e<strong>in</strong> richtiger Junge und später e<strong>in</strong> Mann oder e<strong>in</strong> richtiges Mädchen<br />

und später e<strong>in</strong>e Frau zu se<strong>in</strong>, wirst du weder den Erwachsenenstatus<br />

erlangen noch als anerkanntes Mitglied de<strong>in</strong>er Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Handlungsbereiche e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

Spätestens hier erhebt sich <strong>die</strong> Frage, was K<strong>in</strong>der und Heranwachsende <strong>in</strong><br />

westlichen Kulturen erlernen, um als Frauen und Männer erkannt und<br />

anerkannt zu werden? Welche Symbole, welche Darstellungspraktiken<br />

gelten und besitzen daher e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tersubjektiv hergestellten S<strong>in</strong>n, der<br />

Handeln sichert? Es ist anzunehmen, daß Geschlechtsidentität durch solche<br />

Symbole angezeigt wird, <strong>die</strong> <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>en Vorstellungen über Männer<br />

und Frauen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e leicht verstehbare Form br<strong>in</strong>gen. Sprachsymbole führen<br />

dabei sicherlich zu den e<strong>in</strong>deutigsten Aussagen. Auch der Aufbau e<strong>in</strong>es<br />

Gesprächs selbst kann geschlechtspezifische Vorstellungen transportieren.<br />

So müssen Frauen etwa mehr Fragen stellen, um belehrt werden zu können,<br />

Gesprächspausen schnell überbrücken, um gegenseitiges Verstehen zu<br />

dokumentieren, spannende Gesprächsanfänge wählen, um Gehör zu f<strong>in</strong>den<br />

(West und Zimmermann 1991: 25). Im allgeme<strong>in</strong>en präsentieren Frauen ihre<br />

Geschlechtsidentität, <strong>in</strong>dem sie sich um e<strong>in</strong>e rücksichtsvollere Wortwahl als<br />

Männer bemühen. Sie bevorzugen höflichere Wendungen und vermeiden<br />

e<strong>in</strong>en Gesprächsstil, der Wettbewerb oder Dom<strong>in</strong>anzverhalten signalisiert.<br />

Grundsätzlich sche<strong>in</strong>en sie nach kooperativen und harmonischen<br />

Kommunikationsbeziehungen zu streben, während sich Männer<br />

eigenwilliger und leistungsorientierter gebärden sowie ihre Positionen<br />

offensiver und autoritärer vertreten (Braun 1993: 199 f.).<br />

E<strong>in</strong>e Kennzeichnung von Männlichkeit und Weiblichkeit sche<strong>in</strong>t mit e<strong>in</strong>er<br />

bildhaften Symbolsprache allerd<strong>in</strong>gs am besten zu gel<strong>in</strong>gen. Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d<br />

Bilder genügend vage, wodurch sie der Alltagsmensch kaum e<strong>in</strong>er<br />

rationalen Kritik unterziehen kann. Zum anderen gel<strong>in</strong>gt es Bildern, <strong>die</strong><br />

ganze Person - auch <strong>in</strong> ihrer Körperlichkeit - zu erfassen, wodurch <strong>die</strong><br />

gesellschaftliche Wirklichkeit der Geschlechterordnung im wahren S<strong>in</strong>ne des<br />

Wortes "verkörpert" wird (Hirschauer 1994: 674). Zudem läßt sich <strong>die</strong><br />

Geschlechtersymbolik, wenn sie bildhaft durchgeführt und von der ganzen<br />

Person gezeigt wird, eher als natürlich, stabil und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geltung<br />

unbezweifelbar sozial durchsetzen. Aus <strong>die</strong>sem Grunde analysierte Goffman<br />

1979 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er klassischen Stu<strong>die</strong> über Praktiken der Geschlechtsdarstellung<br />

Werbebilder. Da Werbung <strong>die</strong> kulturellen Glaubensvorstellungen über das<br />

Wesen der Geschlechter sehr deutlich reflektiert, weil sie Geschlechtsvorstellungen<br />

besonders klischeehaft übertreibt, konnte er mit ihrer Hilfe plausibel<br />

herausarbeiten, welche Symbole Frauen und Männer <strong>in</strong> situativer Rout<strong>in</strong>e<br />

benutzen, um ihr Geschlecht darzustellen. Werbebilder lassen ke<strong>in</strong>e Zweifel<br />

zu, weil jedermann ihre Botschaft rasch verstehen muß, wenn sie ihren<br />

Werbezweck erfüllen sollen. Zwar s<strong>in</strong>d sie der Mode und auch dem sozialen<br />

Wandel unterworfen, gleichwohl bieten sie zu jeder Zeit e<strong>in</strong>en leicht<br />

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