Vorlesung Strafrecht Allg. Teil I WS 1996/97 - Studentenverbindung ...
Vorlesung Strafrecht Allg. Teil I WS 1996/97 - Studentenverbindung ...
Vorlesung Strafrecht Allg. Teil I WS 1996/97 - Studentenverbindung ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Proff. K.-L. Kunz und G. Jenny <strong>WS</strong> <strong>1996</strong>/<strong>97</strong><br />
(Falsch wäre die Lösung dieses Falles mit Hilfe des dolus generalis: (A) wollte einen<br />
Menschen erschiessen und er hat einen Menschen erschossen.)<br />
Das der error in objecto unbeachtlich ist, gilt nur solange beide Objekte dieselbe<br />
Rechtsgutsqualität aufweisen. Anders wenn (A) beispielsweise eine Sachbeschädigung<br />
begehen will (indem er den Hund des Nachbarn erschiesst) und dabei irrtümlich eine<br />
Menschen tötet (weil das Kind des Nachbarn statt des Hundes in der Hütte sass); dann<br />
fehlt es am Vorsatz, eine Tötung begehen zu wollen. Es käme allenfalls Fahrlässigkeit in<br />
Frage.<br />
Aberratio ictus [STRATENWERTH AT 1: 177-178]<br />
(A) schiesst auf (B), trifft aber (C), der neben (B) geht.<br />
In diesem Fall trifft (A) nicht diejenige Person, auf die er zielt, auf die sich sein Vorsatz<br />
bezieht. Ihm ist versuchte vorsätzliche Tötung und fahrlässige Tötung (oder<br />
Eventualvorsatz) vorzuwerfen.<br />
(In diesem Fall zeigt sich besonders die falsche Argumentationsweise des dolus generalis:<br />
(A) wollte töten und hat getötet. Diese Generalisierung entspricht nicht dem effektiven<br />
Vorsatz des (A).)<br />
8. Kapitel: Die Rechtswidrigkeit<br />
[STRATENWERTH AT 1: 1<strong>97</strong>-253]<br />
§22 Unrechtsbegründende Funktion<br />
Indem der Gesetzgeber einen Straftatbestand schafft, fällt er gleichzeitig ein Werturteil<br />
über eine bestimmte Handlung, denn der erfüllte Tatbestand indiziert zumeist schon die<br />
Rechtswidrigkeit, d.h. die Bezeichnung als unwerte, gesetzlich verpönte Handlung.<br />
Die Regel, dass ein erfüllter Tatbestand die Rechtswidrigkeit indiziert, kennt Ausnahmen,<br />
insbesondere dann, wenn der Tatbestand offen, d.h. relativ unbestimmt umschrieben<br />
wird. Es können dann Verhaltensweisen unter den Tatbestand z.B. der Nötigung fallen,<br />
die sozial toleriert sind, wie Streiks, Demonstrationen oder <strong>Vorlesung</strong>en. Dann ist es<br />
desto ungewisser, welche Verhaltensweisen unter den Tatbestand subsumiert werden<br />
sollen (z.B. Art. 181, 260 ter StGB). In solchen Fällen wird die Rechtswidrigkeit ausnahmsweise<br />
positiv formuliert (positive Unrechtsbegründung), die Rechtswidrigkeit ergibt sich<br />
nicht allein schon der Tatbestandserfüllung.<br />
§23 Rechtfertigungsgründe<br />
[STRATENWERTH AT 1: 1<strong>97</strong>-245]<br />
I. Unrechtsaufhebende Funktion<br />
Die Rechtswidrigkeit einer Handlung folgt aus der Erfüllung eines entsprechenden<br />
Straftatbestandes, jedoch unter Berücksichtigung der im einzelnen Fall vorliegenden<br />
speziellen Gründe und besonderen Umstände, die die Rechtswidrigkeit ausschliessen<br />
können. Solche Rechtfertigungsgründe (z.B. Notwehr) können ein tatbestandsmässiges<br />
Verhalten ausnahmsweise erlaubt machen (Ausschluss des Tatunrechts).<br />
Diese starke Wirkung von Rechtfertigungsgründen verlangt eine genaue Umschreibung<br />
und Abgrenzung, da ja immerhin ein Straftatbestand erfüllt, eine an sich unwerte<br />
Handlung geschehen ist.<br />
18