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Vorlesung Strafrecht Allg. Teil I WS 1996/97 - Studentenverbindung ...

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Proff. K.-L. Kunz und G. Jenny <strong>WS</strong> <strong>1996</strong>/<strong>97</strong><br />

II. Rechtfertigender Notstand [STRATENWERTH AT 1: 213-221]<br />

Es wird ein Delikt begangen und ein Rechtsgut verletzt, zugleich jedoch wird durch<br />

dieses Delikt ein höherwertiges Rechtsgut geschützt. Der rechtfertigende Notstand wird<br />

folgendermassen geprüft:<br />

a) Notstandslage: 1. Es muss ein individuelles Rechtsgut bedroht sein.<br />

(Die Anerkennung von überindividuellen Rechtsgütern, z.B.<br />

staatlichen, hätte eine Unterhöhlung des Rechtsstaates zur Folge.<br />

Beispielsweise bräuchte es zur Rechtfertigung willkürlichen staatlichen<br />

Eingreifens nur mehr den Verweis auf den Staatsnotstand.)<br />

2. Die Bedrohung muss durch eine Gefahr bestehen, die<br />

a) unmittelbar und<br />

(d.h. akut vorhanden, weder künftig noch vergangen)<br />

b) nicht anders abwendbar ist als durch eine tatbestandsmässige<br />

Handlung (Subsidiaritätsprinzip).<br />

(d.h. Wahl des konkret möglichst mildesten Mittels)<br />

b) Notstandshandlung: Wahrung des deutlich höherstehenden, höherwertigen<br />

Interesses.<br />

(Deutlich höherstehend meint in diesem Zusammenhang<br />

offensichtlich, „von Auge“ sichtbar höherstehend. Nicht nur<br />

der Stellenwert des Rechtsgutes in der Rechtsguthierarchie ist<br />

zu beachten, sondern es geht auch um die Schwere des Eingriffs<br />

und die Grösse der abzuwendenden Gefahr.)<br />

Der Art. 34 StGB kennt keine Unterscheidung zwischen rechtfertigendem und<br />

entschuldigendem Notstand (der erst bei der Schuld zu klären ist). Die Aufzählung der<br />

Rechtsgüter ist nur beispielhaft und nicht abschliessend.<br />

Zudem ist die Konsequenz des rechtfertigenden Notstandes nicht richtig beschrieben:<br />

Eine Handlung ist dann nicht nur straflos, sondern gerechtfertigt.<br />

Des weiteren spielt es keine Rolle, ob der Täter schuld an der Notstandssituation ist.<br />

In höchstpersönliche Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit, Leben usf.) darf in keinem<br />

Fall ohne die Zustimmung des Betroffenen eingegriffen werden. Vgl. dazu z.B. die<br />

zwangsweise Blut- oder Organentnahme.<br />

III. Notwehr [STRATENWERTH AT 1: 228-240]<br />

Die Notwehr ist prinzipiell ein Spezialfall des rechtfertigenden Notstandes, der die<br />

Grundlage für alle Rechtfertigungsgründe bildet. Bei der Notwehr geht es aber immer nur<br />

um die Abwehr von unrechtmässigen Angriffen. Notwehr ist Gegenwehr eines Einzelnen,<br />

um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, eines Einzelnen, der das Recht „im<br />

Rücken“ hat. Da aber die Herstellung der rechtlichen Ordnung die Aufgabe des Staates<br />

(Gewaltmonopol) ist, entsteht auch hier, wie in allen Fällen der privaten Unrechtsabwehr,<br />

ein Spannungsverhältnis. Wo immer der Staat akut eingreifen kann, ist private Initiative<br />

zur Unrechtsabwehr nicht erlaubt. Die Notwehr ist subsidiär zur staatlichen<br />

Unrechtsabwehr.<br />

Zwei Grundgedanken stehen hinter der Notwehr: Erstens kann die Notwehr verstanden<br />

werden als Verteidigung der eigenen individuellen Rechtsgüter oder, zweitens, als<br />

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