Anwaltsreport - Anwalt-Suchservice
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8<br />
THEMA<br />
gerichtliche Rechtsberatung vollständig<br />
frei zu geben. Der Verbraucher<br />
könne durchaus selbst entscheiden, ob<br />
er einen qualifizierten oder weniger qualifizierten<br />
Rechtsrat wünsche, vorausgesetzt,<br />
er werde nur von dem jeweiligen<br />
Anbieter ausreichend über die vorhandene<br />
oder fehlende Qualifikation<br />
und Haftung informiert. Einer der beiden<br />
Referenten der Abteilung Rechtsberatung,<br />
der Hammer Kammerpräsident<br />
Dieter Finzel, bezeichnete dieses<br />
Informationsmodell „als akademische<br />
Antwort auf das, was man gemeinhin<br />
als Lebensfremdheit bezeichnet“.<br />
Er wundere sich schon, dass diese<br />
Theorie ausgerechnet von einem Institut<br />
verbreitet werde, das die <strong>Anwalt</strong>schaft<br />
selbst über einen Förderverein<br />
finanziell unterstützt. Richtigerweise<br />
machte ihn der Ausschussvorsitzende,<br />
Martin Henssler, darauf aufmerksam,<br />
dass die Wissenschaft frei von einseitiger<br />
Interessenvertretung ist. Dennoch:<br />
Der Stich saß. Am Ende waren<br />
nur 5 abstimmungsberechtigte Mitglieder<br />
für das Informationsmodell.<br />
Die große Mehrheit von 164 Stimmen<br />
bei 2 Enthaltungen erteilte ihm eine<br />
eindeutige Abfuhr. Und das mit Recht.<br />
Wenn künftig etwa Versicherungsvermittler<br />
ihren Kunden an der Haustür<br />
Arbeits- oder Darlehensverträge ausformulieren<br />
oder Rechtstipps zur Kündigung<br />
des Mietvertrages geben dürfen,<br />
würde sich jeder Volljurist fragen,<br />
warum er zwei Staatsexamina über sich<br />
hat ergehen lassen müssen.<br />
Kleiner Rechtsrat<br />
Umstritten ist derzeit auch die<br />
Definition des Begriffs<br />
„Rechtsdienstleistung“.<br />
Nach § 2 Abs. 1 E-RDG<br />
unterliegt nur die umfassende<br />
rechtliche Beratung<br />
dem Erlaubnisvorbehalt.<br />
Gegen diese Formulierung<br />
hat etwa die BRAK Bedenken<br />
angemeldet. Was soll<br />
denn dann im Umkehrschluss<br />
ein „kleiner<br />
Rechtsrat“ sein?<br />
Rechtsanwalt<br />
Niko Härting<br />
aus Berlin kritisierte<br />
denn<br />
auch, dass dies<br />
zu einer nicht<br />
hinnehmbarenerlaubnisfreien<br />
Z o n e<br />
anwaltsreport 6 / 2004<br />
führe: „Nach derzeitigem Stand des<br />
BMJ-Entwurfs sind <strong>Anwalt</strong>shotlines<br />
und der Rechtsrat per Internet nicht<br />
erfasst. Es kann aber nicht sein, dass<br />
jedermann am Telefon Rechtsrat erteilen<br />
darf. Hier muss das BMJ nachbessern.“<br />
Ähnlich sieht das der Präsident<br />
der RAK Freiburg, Michael Krenzler:<br />
„Die Unterscheidung in ‚einfacher<br />
Rechtsrat‘ und ‚umfassender Rechtsrat‘<br />
führt zu einer Spaltung des Gemeinschaftsguts<br />
‚Recht‘“. Oft sind die schwierigsten<br />
Fälle die Rechtsfälle des täglichen<br />
Lebens. Jede Frage ist wichtig zu<br />
nehmen, insbesondere weil dem<br />
Rechtsuchenden seine Frage ohnehin<br />
als die Wichtigste erscheint". Die sich<br />
aus dem Diskussionsentwurf ergebende<br />
Ausklammerung der telefonischen<br />
Beratung, soweit keine Sachverhaltsprüfung<br />
stattfindet, sei nicht akzeptabel.<br />
„Gerade die Ermittlung des Sachverhalts<br />
ist eine entscheidende Aufgabe<br />
des <strong>Anwalt</strong>s. Der Begriff ‚umfassend‘<br />
ist daher untragbar“, kritisierte<br />
Krenzler. Unterstützung erhielt die<br />
<strong>Anwalt</strong>schaft jüngst in diesem Punkt<br />
vom rheinland-pfälzischen Justizminister<br />
Herbert Mertin: Rechtsberatung<br />
müsse in den Händen qualifizierter<br />
Anwälte bleiben. Mertin äußerte sich<br />
kritisch gegenüber den Plänen des Bundes,<br />
Tätigkeiten erlaubnisfrei zuzulassen,<br />
die keine umfassende rechtliche<br />
Beratung oder Prüfung erfordern. „Die<br />
Erlaubnispflicht garantiert, dass sich<br />
der Rechtsrat suchende Bürger auf eine<br />
professionelle und umfassende rechtliche<br />
Beratung durch einen Rechtsanwalt<br />
verlassen kann. Eine unprofessionelle<br />
und oberflächliche Beratung<br />
soll gerade vermieden werden. Eine<br />
größere Erlaubnisfreiheit kann die<br />
Qualität der rechtlichen Beratung<br />
gefährden. Daher darf es eine oberflächliche<br />
und den Anschein der<br />
Unverbindlichkeit vermittelnde Rechtsdienstleistung<br />
nicht geben“, so der<br />
Minister.<br />
Familiärer und karitativer<br />
Rechtsrat<br />
Befürwortet wurde von den DJT-Teilnehmern,<br />
den einfachen und allgemein<br />
gehaltenen Rechtsrat erlaubnisfrei<br />
zu stellen. Allerdings wurde hier<br />
eine gegenüber der Fassung des Diskussionsentwurfs<br />
stärkere Präzisierung<br />
verlangt. Die unentgeltliche Rechtsberatung<br />
soll künftig nur dann erlaubnisfrei<br />
sein, wenn sie entweder im Rahmen<br />
von familiärer oder ähnlich enger<br />
persönlicher Beziehung oder aber<br />
durch gemeinnützige, karitative oder<br />
soziale Einrichtungen erbracht wird.<br />
Bei Letzteren sollen jedoch nur Volljuristen<br />
beraten dürfen, die eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung<br />
abgeschlossen haben. Ob der<br />
DJT-Beschluss allerdings hält, ist mehr<br />
als fraglich. Denn diese sehr restriktive<br />
Lösung tritt noch hinter die Vorgaben<br />
des BVerfG in einer aktuellen Entscheidung<br />
zurück.<br />
Deregulierung abgelehnt<br />
Im Übrigen wurde eine weitergehende<br />
Deregulierung des Rechtsberatungsmarktes<br />
mit meist deutlichen<br />
Mehrheiten abgelehnt. Ablehnende<br />
Voten betrafen etwa die Rechtsberatung<br />
durch an Fachhochschulen ausgebildete<br />
Wirtschaftsjuristen oder<br />
Sozialjuristen oder die rechtliche Beratung<br />
der eigenen Mitglieder durch<br />
Interessenvereinigungen, wie etwa<br />
große Automobilclubs. Abgelehnt<br />
wurden auch die im Diskussionsentwurf<br />
vorgesehenen Erweiterungen der<br />
Betätigungsmöglichkeiten im Bereich<br />
so genannter Nebenleistungen und der<br />
geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung<br />
etwa durch Banken, Steuerberater<br />
oder Wirtschaftsprüfer. Insgesamt<br />
verlief die Diskussion und<br />
Beschlussfassung aus <strong>Anwalt</strong>ssicht sehr<br />
erfreulich. Das BJM wird die zahlreichen<br />
Anregungen des DJT aufgreifen<br />
und seinen Entwurf daran messen und<br />
überarbeiten. Die Neufassung wird für<br />
das kommende Frühjahr erwartet. Das<br />
neue RDG könnte sogar noch in dieser<br />
Legislaturperiode in Kraft treten.<br />
Bis dahin aber muss die <strong>Anwalt</strong>schaft<br />
noch weiter um den Erhalt ihres Beratungsmonopols<br />
bangen.<br />
Links zum Thema:<br />
Entwurf des Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />
nebst Begründung:<br />
www.bundesjustizministerium.de<br />
Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer<br />
www.brak.de<br />
Stellungnahme des Deutschen<br />
<strong>Anwalt</strong>vereins<br />
www.dav.de<br />
Stellungnahme der<br />
Rechtsschutzversicherer<br />
www.gdv.de/presseservice/index.html