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Muss das bisherige Rechtsberatungsgesetz<br />
überhaupt reformiert werden?<br />
Henssler: Dass das derzeitige Rechtsberatungsgesetz<br />
von der Struktur her<br />
und von der Gesamtkonzeption her<br />
reformbedürftig ist, das war auf dem Juristentag<br />
unbestritten. Es geht nur darum,<br />
inhaltlich das Ganze zunächst auf<br />
eine bessere Gesamtkonzeption zu stellen<br />
und sich dann in einem zweiten<br />
Schritt die Frage zu stellen, in welchen<br />
Bereichen tatsächlich eine Deregulierung<br />
und Liberalisierung angezeigt ist.<br />
Insofern würde ich sagen, dass der Diskussionsentwurf<br />
durchaus einige bemerkenswerte<br />
Öffnungen enthält, aber<br />
sicherlich vor der ganz großen Öffnung<br />
im Sinne eines reinen Informationsmodells<br />
zurückschreckt.<br />
Hat das Informationsmodell Zukunft,<br />
wonach auch Nichtjuristen Verbraucher<br />
außergerichtlich beraten dürfen, wenn<br />
sie über ihre Minderqualifikation aufklären?<br />
Henssler: Also zunächst einmal muss<br />
ich deutlich sagen, dass ich kein Anhänger<br />
des Informationsmodells bin. Meines<br />
Erachtens geht diese radikale Lösung<br />
bei dem derzeitigen Zustand des deutschen<br />
Rechtsberatungsmarktes nicht.<br />
Die Konzeption, Verbraucherschutz rein<br />
über ein Informationsmodell zu verwirklichen,<br />
ist eigentlich unserem Verbraucherschutzrecht<br />
fremd. Beim Verbraucherschutzrecht<br />
hat sich vielmehr schon<br />
seit längerem die Erkenntnis durchgesetzt,<br />
dass ein hinreichender Schutz des<br />
– wenn auch nicht entmündigten, aber<br />
doch mit Informationsdefiziten kämpfenden<br />
– Verbrauchers durch Information<br />
nicht hinreichend sichergestellt<br />
werden kann. Sondern wir brauchen<br />
hier etwa im Bereich des Vertragsrechts<br />
eine gewisse Inhaltskontrolle oder auch<br />
im Bereich der Rechtsberatungsleistungen<br />
eine gewisse staatliche Kontrolle<br />
über die Qualität im Sinne der rechtsuchenden<br />
Bevölkerung. Das schließt aber<br />
„Liberalisierung geht zu Lasten<br />
des kleinen <strong>Anwalt</strong>s“<br />
natürlich durchaus nicht aus, dass wir<br />
etwa größere Bereiche der unentgeltlichen<br />
Tätigkeit doch in Verbindung mit<br />
einem solchen Informationsmodell<br />
freigeben können – möglicherweise aber<br />
auch Bereiche der entgeltlichen Rechtsdienstleistungen.<br />
Darüber sollte nachgedacht<br />
werden.<br />
Banken rein, Rechtsschutzversicherungen<br />
raus – Läuft der derzeitige Entwurf<br />
des BMJ nicht Gefahr, spätestens vom<br />
Bundesverfassungsgericht wieder einkassiert<br />
zu werden?<br />
Henssler: Auch nach meiner Auffassung<br />
gibt es eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten<br />
in dem Entwurf. Ich<br />
möchte aber ausdrücklich betonen, dass<br />
mir der Entwurf von der Grundkonzeption<br />
her sehr gut gefällt. Zu den Bereichen,<br />
in denen Widersprüche bestehen,<br />
zählt insbesondere die Rechtsberatung<br />
durch Banken im Rahmen von Testamentsvollstreckungen.<br />
Gerade wenn<br />
man auf der anderen Seite berücksichtigt,<br />
dass die Rechtsschutzversicherungen<br />
weiterhin völlig von Rechtsdienstleistungen<br />
ausgeklammert werden sollen.<br />
Der § 4 des Diskussionsentwurfs ist<br />
eine Lex-Anti-Rechtsschutz – so könnte<br />
man sagen. Dass auch die Banken<br />
selbstverständlich im Bereich von Testamentsvollstreckungen<br />
mit dem Problem<br />
der Interessenkollision konfrontiert<br />
werden, ist ganz evident. Bei Testamentsvollstreckungen<br />
geht es sehr<br />
häufig um Vermögensanlagen. Es liegt<br />
dann für die Bank natürlich nahe, solche<br />
Fonds beispielsweise zu empfehlen,<br />
die auch der Bank im weitesten Sinne<br />
zugute kommen.<br />
Die Rechtsschutzversicherungen versuchen<br />
mit dem Syndikusmodell doch wieder<br />
rein zu kommen. Hat das Aussicht<br />
auf Erfolg?<br />
Henssler: Das Syndikusmodell ist ganz<br />
sicherlich ein Modell, über das man<br />
weiter nachdenken sollte. Es führt allerdings<br />
zu einer Reihe von Folgepro-<br />
THEMA<br />
Nachgefragt bei Professor Martin Henssler, Direktor des<br />
Dokumentationszentrums für Europäisches <strong>Anwalt</strong>s- und<br />
Notarrecht an der Universität Köln und Vorsitzender des<br />
Ausschusses Rechtsberatung beim 65. Deutschen<br />
Juristentag<br />
blemen. Ich habe schon auf dem Juristentag<br />
darauf hingewiesen, dass das Syndikusmodell<br />
selbstverständlich bedingt,<br />
dass der § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />
der derzeit die Tätigkeitsmöglichkeiten<br />
der Syndikusanwälte regelt,<br />
ebenfalls reformiert werden muss.<br />
Sehen Sie weitere Erosionen im Rechtsberatungsmarkt?<br />
Henssler: Also solche Erosionen könnten<br />
ja nicht aus dem nationalen Markt<br />
entstehen, da wir ja hier weiterhin das<br />
sehr restriktive Rechtsberatungsgesetz<br />
haben. Sie könnten allenfalls aus Europa<br />
kommen, wenn tatsächlich über<br />
die neue Dienstleistungsrichtlinie das<br />
Herkunftslandsprinzip eingeführt werden<br />
würde. Das war zwar eine Zeit lang<br />
in der Diskussion, ist aber nach meinen<br />
Informationen auch von Brüssel aus<br />
derzeit nicht vorgesehen. Vielmehr sollen<br />
die Rechtsdienstleistungen aus dem<br />
Herkunftslandprinzip ausdrücklich ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Wird der Rechtsberatungsmarkt nicht<br />
letztlich auf Kosten der kleinen Kanzleien<br />
geöffnet?<br />
Henssler: Auch ich bin in der Tat der<br />
Auffassung, dass die Liberalisierungen,<br />
die derzeit im Bereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />
angedacht werden,<br />
primär zu Lasten des kleinen <strong>Anwalt</strong>s,<br />
des Einzelkämpfer-<strong>Anwalt</strong>s gehen werden.<br />
Er wird künftig noch mehr Probleme<br />
haben, wenn Interessenverbände,<br />
wie etwa der ADAC, nun auch in<br />
dem Brot-und-Butter-Geschäft der Verkehrsangelegenheiten<br />
Rechtsberatung<br />
betreiben dürfen. Selbst wenn der<br />
ADAC diese Rechtsdienstleistung etwa<br />
in Verbindung mit einem <strong>Anwalt</strong>snetzwerk<br />
erbringt, dann bedeutet es doch,<br />
dass die anderen Rechtsanwälte hier<br />
ausgeschlossen werden. Das heißt, wir<br />
müssen darüber nachdenken, wie denn<br />
der Rechtsberatungsmarkt auch für die<br />
kleineren Anwälte in der Großstadt und<br />
auf dem Lande attraktiv bleibt.<br />
6 / 2004 anwaltsreport<br />
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