Bergisch Gladbach diskutiert!
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www.GLVerlag.de GL KOMPAKT Nr. 07<br />
30<br />
RentneR<br />
Pubertät<br />
Von Karl Feldkamp<br />
Da behauptete mein schon länger Altersrente<br />
empfangender Mitruheständler<br />
und Freund Werner neulich, die Pubertät<br />
beende jemand erst, wenn er entscheide,<br />
sich nicht mehr lächerlich zu machen sondern<br />
über sich selbst zu lachen. Nun ist die<br />
Pubertät gewöhnlich bekannt als Alterphase<br />
zwischen Wahn und Sinn, in der Kinder<br />
älter und reifer sein wollen, als sie sich<br />
in Wahrheit fühlen und Eltern und deren<br />
jugendlicher Nachwuchs aneinander verzweifeln.<br />
Werner fordert mich nun einmal gern als<br />
Konkurrenten um Weisheit im Alter heraus<br />
und hat allein deswegen schon mehr Grund<br />
zum Lachen, weil er eine höhere Rente bezieht<br />
als ich. Ja, ich habe tatsächlich noch<br />
Angst, mich lächerlich zu machen. Wenn<br />
ich allein bedenke, wie schusselig Senioren<br />
mit zunehmendem Alter werden können.<br />
Ich - zum Beispiel – vergesse den Haustürschlüssel,<br />
bekleckere mich beim Essen und<br />
spreche unsere langjährige Nachbarin mit<br />
falschem Namen an. Das Getriebe meines<br />
Autos protestiert krachend gegen meine<br />
Art zu schalten. Und neulich habe ich sogar<br />
versucht, mich mit der elektrischen Zahnbürste<br />
zu rasieren. Und darüber soll ich<br />
lachen können? Allerdings liebe ich zudem<br />
- ganz und gar pubertierend – den Widerspruch<br />
um seiner selbst willen. Es macht<br />
mir diebischen Spaß, wenn sich mein um<br />
Altersmilde bemühter Mitsenior über meine<br />
absolut unvernünftigen Gegenargumente<br />
aufregt. Immerhin hält alles, was Spaß<br />
macht, jung. Und jugendlichen Menschen<br />
sagt man per se vor allem Unvernunft nach.<br />
Letztlich tue ich meinem älteren Freund<br />
damit nur einen Gefallen. Denn Streitlust<br />
erhöht die Leidenschaft, während milde<br />
lächelnde Altersweise eher schlaff und leidenschaftslos<br />
daherkommen. Tun sich doch<br />
im Alter ohnehin genügend andere Leidenschaftsdefizite<br />
auf.<br />
Wenn ich ehrlich bin, entzündet sich mancher<br />
Streit an unserem beiderseitig nicht<br />
eingestandenen Altersstarrsinn. Jeder ver-<br />
teidigt seine vergangene Lebensart als die<br />
einzig wahre, so, als kämpften wir um den<br />
Sinn unseres ganzen bisherigen Daseins.<br />
Das mag auch Überlebenskampf sein, da<br />
wir im Grunde nicht mehr in der Lage sind,<br />
mit allen Zeiterscheinungen souverän umzugehen.<br />
Allerdings, wenn gewisse gesellschaftliche<br />
und ökologische Entwicklungen<br />
nicht gestoppt werden, könnte die Menschheit<br />
wirklich daran zu Grunde gehen. Zum<br />
Beispiel an jener gierigen Wirtschaftswachstumsideologie<br />
und ihren Folgen für<br />
Umwelt und mernschliches Zusammenleben.<br />
Jonathan Swift (irischer Satiriker, 1667 –<br />
1745) meinte: Alte Herren und Kometen<br />
werden aus dem gleichen Grund verehrt:<br />
Wegen langer Bärte und der Behauptung,<br />
dass sie Ereignisse voraussagen können.<br />
Vermutlich wird die Welt dennoch nicht<br />
durch jene Katastrophen untergehen, die<br />
ängstliche Altersweise gern vorhersagen.<br />
Trotzig pubertär hoffe ich, dass auch einsichtige<br />
Junge das Ungemach verhindern<br />
werden.<br />
Mein Freund Werner glaubt, über sich und<br />
seine Alterserscheinungen lachen zu können.<br />
Über die Vernunft der Jugend kann<br />
er allerdings nicht mehr lachen und schon<br />
gar nicht über deren pubertäres Verhalten.<br />
Ich hingegen, empfinde meine spätpubertären<br />
Tendenzen als zunehmend lustvoller<br />
und kann durchaus immer häufiger darüber<br />
lachen.<br />
!<br />
Karl Feldkamp, 1943 in Lübeck geboren,<br />
lebt seit 1989 in <strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong><br />
und arbeitet als selbstständiger Supervisor<br />
und freier Autor.<br />
Er schreibt Gedichte, Geschichten und<br />
Satiren und hat schon 5 Bücher und<br />
ein Hörspiel veröffentlicht. 2009 erhielt<br />
er den Preis des Stadtverbandes Kultur<br />
<strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong> „Der Bopp“.<br />
Feldkamp gehört dem Verband Deutscher<br />
Schriftsteller (VS) an sowie dem<br />
Wort & Kunst e.V., einer <strong>Gladbach</strong>er<br />
Autorenvereinigung, die gleichzeitig Förderverein<br />
für Literatur & Kunst der Stadt-<br />
und Kreisbücherei <strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong> ist.<br />
www.karl-feldkamp.de<br />
Anthologie „Zwischen Wahn und Sinn“<br />
Aufruf an alle bergische Autorinnen und Autoren<br />
reichen Sie Ihre Gedichte oder Prosatexte bis<br />
zum 15. September ein.<br />
Nähere Infos unter:<br />
www.bergischgladbach.de/wahnundsinn.aspx<br />
oder Mail an: guenter.helmig@web.de