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D u zeigst mehr Gesicht auf <strong>de</strong>m Albumcover<br />
<strong>de</strong>ines Soloprojekts Fever Ray als in Artwork<br />
und Vi<strong>de</strong>os <strong>de</strong>iner Band The Knife«, sage<br />
ich zu Beginn unseres Gesprächs zu Karin<br />
Dreijer An<strong>de</strong>rson. Gemeinsam begutachten wir dabei das<br />
nach ihrem Abbild gemalte Schwarz-Weiß-Porträt einer<br />
gefährlich wirken<strong>de</strong>n Lady. Die schwedische Pop-Sängerin<br />
gibt sich entsetzt, als hätte sie die Zeichnung nie zuvor<br />
gesehen: »Das bin ich nicht, diese Frau.«<br />
»Diese Frau« ist aber auch nicht einfach die neueste Verkleidung<br />
<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>rson. Sie ist vielmehr ein Zwischending<br />
aus Horror-affiner Maskera<strong>de</strong> und exzentrischer Neuerfindung,<br />
trägt <strong>de</strong>utlich die Gesichtszüge <strong>de</strong>r Musikerin, mit<br />
einer Mimik allerdings, von <strong>de</strong>r die sich eilfertig distanziert:<br />
Das Bildnis, das so viel Grusel bei ihr auslöst, wen<strong>de</strong>t ein<br />
grimmiges Lächeln nach innen. »Diese Frau« schaut ein<br />
fiktives Gegenüber an – einen Baum vielleicht? Blatt- und<br />
Blütenknospen je<strong>de</strong>nfalls spiegeln sich in ihrer riesigen<br />
Sonnenbrille. <strong>Als</strong> wäre sie ein Monster, das nach außen<br />
nicht sehen kann. O<strong>de</strong>r zu viel sieht. Krallenartige Finger,<br />
wüste Naturlandschaft, <strong>de</strong>r Himmel grollt.<br />
Karin Dreijer An<strong>de</strong>rson, die besagtes Maskera<strong>de</strong>-Cover<br />
in Auftrag gegeben hat, wirkt <strong>de</strong>nnoch heiter an diesem<br />
Interviewtag; ist konzentriert, nett und gänzlich ungeschminkt.<br />
In unauffällige hell-schwarze Jeans und einen<br />
schwarzen Sweater geklei<strong>de</strong>t, das lange blon<strong>de</strong> Haar zurückgekämmt,<br />
hat sie nicht gera<strong>de</strong> die Aura einer morbi<strong>de</strong>n<br />
Gruftgöttin. Unruhig zeigt sie erneut auf das Albumcover:<br />
»Und ich wohne hier nicht, in diesen Häusern.« Schon<br />
klar. Diese abgründigen Welten wer<strong>de</strong>n nur von Fever Ray,<br />
ihrem neuesten Alter Ego, bewohnt. Wobei Fever Ray weniger<br />
ein Mensch ist als »eine psychische Verfassung«. Eine<br />
Ästhetik wie in Charles Burns-Comics sei die Vorgabe<br />
für <strong>de</strong>n Grafiker gewesen. »Der malt sonst sehr schöne<br />
Schwarz-Weiß-Bil<strong>de</strong>r von Skateboards, und ich dachte,<br />
<strong>de</strong>r ist genau <strong>de</strong>r Richtige, mein Cover zu gestalten«, erzählt<br />
sie. Licht und Schatten, prägnant schraffiert, illustrieren<br />
gleichermaßen Horror wie Hoffnung.<br />
Und es sind exakt diese bei<strong>de</strong>n Pole in blinken<strong>de</strong>r Reinform,<br />
die auch die Musik so erschütternd düster und luzi<strong>de</strong><br />
machen: so wirklich kalt und wirklich warm. Wie glühen<strong>de</strong><br />
Schneeberge im Winter, wenn die Wolken in vielen Farben<br />
leuchten und man von seinem kleinen Häuschen am<br />
Fluss aus keinen einzigen Menschen sehen kann. Songs, so<br />
schleppend weich und milchig wie das Licht von Straßenlampen,<br />
die im Winter auch tagsüber in Betrieb gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n. »Ob Musik o<strong>de</strong>r Grafik, es ist immer wichtig, eine<br />
Dynamik zu schaffen, die aus Kontrasten besteht. Wenn<br />
etwas nur kalt ist, dann kannst du die Kälte nicht fühlen.<br />
Du brauchst ein warmes Element, um es sogar noch kälter<br />
wirken zu lassen. Das ist etwas, was man auf Kunstschulen<br />
im Fach Malerei lernt: Wenn du etwas Schwarzes darstellen<br />
willst, dann musst du farbenfroh malen.«<br />
Die eigenwillige und Ergebnis-offene Musikerin hat in<br />
<strong>de</strong>n letzten zehn Jahren reichlich Farbpaletten und Synthie-Sounds<br />
aufeinan<strong>de</strong>r losgelassen und eine so radikalkünstlerische<br />
Inszenierung hingelegt, dass nun tatsächlich<br />
kaum jemand ihr »echtes« Gesicht kennt. Dafür aber<br />
je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n man fragt, Tracks o<strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>os von The Knife –<br />
diesem stilsicheren, düsteren und zugleich knallbunten<br />
Techno-Pop-Bombast-Act, <strong>de</strong>n sie gemeinsam mit ihrem<br />
sechs Jahre jüngeren Bru<strong>de</strong>r Olof in immer schwin<strong>de</strong>lfreiere,<br />
theatralischere Höhen trieb, bis man im November<br />
2006 beschloss, eine Auszeit zu nehmen.<br />
»Anfang 2007 bekam ich mein zweites Kind. Trotz<strong>de</strong>m<br />
bin ich sieben Monate später ins Studio gegangen und habe<br />
versucht herauszufin<strong>de</strong>n, in welche Richtung meine eigenen<br />
Songs gehen könnten. Ich war furchtbar mü<strong>de</strong> ≥<br />
Charles Burns<br />
Musik 031<br />
Karin Dreijer An<strong>de</strong>rson ist Fever Ray. Vor allem aber ist sie bislang die eine Hälfte <strong>de</strong>r<br />
Avantgar<strong>de</strong>popband The Knife, die hinter Rabenmasken, Ganzkörperbemalungen und<br />
Mäusekostümen weltweit für Furore gesorgt hat. Sandra Grether traf die Schwedin nun<br />
anlässlich ihres Soloprojekts, um über selbiges, das Kin<strong>de</strong>rkriegen und vor allem die<br />
modisch-visuellen Aspekte ihrer Projekte zu sprechen. Fotos: Johan Renck.<br />
Fever Ray<br />
Wenn Der<br />
Himmel grollt<br />
Comiczeichner und Autor aus Washington.<br />
Bekannt wur<strong>de</strong> er vor allem durch seine<br />
zwölfbändige Comicserie »Black Hole«, die<br />
von 1995 bis 2004 erschien. Auch Karin<br />
Dreijer An<strong>de</strong>rson bezieht sich mit Fever<br />
Ray explizit auf die Grunge-affine Reihe,<br />
die z. T. in Seattle spielt. Burns ist sowohl<br />
für seine kühle Ästhetik als auch für seine<br />
Bezugnahme auf die Horror-Comics <strong>de</strong>r<br />
amerikanischen 1950er bekannt. Sein<br />
Erkennungszeichen ist ein schnörkellos<br />
schraffieren<strong>de</strong>r Zeichenstil in Schwarz-<br />
Weiß.