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Christian Joy ICH BIN EIN PUNK Die schrillen Bühnenoutfi ts von Karen O, <strong>de</strong>r Sängerin <strong>de</strong>r Yeah Yeah Yeahs, passen so gut zu ihr, dass viele <strong>de</strong>nken, sie hätte sie selbst genäht. Man kann also sagen, dass Christiane Joy Hultquist ihren Job gut gemacht hat. Nur lei<strong>de</strong>r freut das die Brooklyner Kostüm<strong>de</strong>signerin überhaupt nicht, wie Kathrin Leist zu berichten weiß. Foto: Eva Tuerbl. W enn es um Klei<strong>de</strong>r geht, möchte ich im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen«, gibt die Mittdreißigerin ziemlich bestimmt zu verstehen. Deswegen grün<strong>de</strong>te sie 2007 auch ihr eigenes Label und nannte es passen<strong>de</strong>rweise Christian Joy. Details ihrer Entwürfe erinnern an die Bühnenoutfi ts ihrer prominentesten Kundin, doch in letzter Konsequenz sind die Klei<strong>de</strong>r etwas mil<strong>de</strong>r als die wil<strong>de</strong>n Kostüme angelegt: Bündchenhosen, weiße Doppelkragen-Hem<strong>de</strong>n und Riesenschleifen. Was aber nicht heißen soll, dass hier nichts gewagt wür<strong>de</strong>. Statt einer regulären vierten Kollektion entwarf Joy beispielsweise Klei<strong>de</strong>r für imaginäre weibliche Charaktere aus <strong>de</strong>m Material, das sich die letzten neun Jahre in ihrem Wohnatelier im Brooklyner Stadtteil Greenpoint angesammelt hatte. In ebenjenem empfängt sie auch <strong>Intro</strong>: Kannst du Karen O anziehen, was du willst? Es kam bis jetzt nur einmal vor, dass Karen ein Kostüm nicht mochte – aber sie hat es trotz<strong>de</strong>m angezogen. Sie lässt mich machen, was ich will, weil sie mir vertraut. Wie hast du Karen kennengelernt? Sie war Filmstu<strong>de</strong>ntin und kam oft bei Daryl K vorbei, wo ich damals als Verkäuferin arbeitete. Und ich fragte mich: Wer ist dieses verrückte Mädchen? Wir sind über Männer ins Gespräch gekommen, wir fan<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Beck toll. Erst sollte ich Kostüme für einen Film von ihr entwerfen. Aber dann kam sie plötzlich mit einer CD von ihrer neuen Band herein. Was gefällt ihr an <strong>de</strong>inen Kostümen? Dass sie so kompliziert und aufwendig verarbeitet sind, wie es nur geht. Am Pastakleid knotete ich drei Wochen lang fünf verschie<strong>de</strong>ne Sorten zusammen und malte je<strong>de</strong> Nu<strong>de</strong>l einzeln an. Wie ist Karen so? Seid ihr euch ähnlich? Auf <strong>de</strong>n Konzerten schreit sie herum, aber in Wirklichkeit ist sie ganz schüchtern. Wir sind bei<strong>de</strong> verrückt und haben oft gleiche Einfälle. Manchmal artet die seltsame Energie, die zwischen uns fl ießt, aus, und wir prügeln uns. Ich gewinne immer, weil ich Karen hochheben kann und sie auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n werfe. Obwohl sie groß ist, ist sie sehr leicht. Das müssen ihre Knochen sein. Habt ihr euch gestritten, als ihr euch das letzte Mal gesehen habt? Nein, wir haben friedlich mit Freun<strong>de</strong>n in unserem Lieblingsrestaurant gegessen, <strong>de</strong>m Bacaro in Chinatown. Wie hat sich eure Freundschaft mit <strong>de</strong>m Erfolg verän<strong>de</strong>rt? Wir sind voneinan<strong>de</strong>r abhängige Partnerinnen gewor<strong>de</strong>n, aber sie ist immer noch meine beste Freundin. Sie auf <strong>de</strong>r Bühne in meinen Kostümen ausfl ippen zu sehen, das ist das Größte. Seid ihr Geschäftsfrauen gewor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Punks geblieben? Ich re<strong>de</strong> mit Karen nicht übers Business. Deshalb weiß ich nicht, ob sie so schlecht im Geschäfte-Machen ist wie ich. Ich habe nie Pläne gemacht. Anstatt mich ausbil<strong>de</strong>n zu lassen, brachte ich mir alles selbst bei, nahm Klei<strong>de</strong>r auseinan<strong>de</strong>r und schaute mir Designbücher an. Die Technik lerne ich auch von meinen Praktikanten, die Mo<strong>de</strong><strong>de</strong>sign studieren. Ich bin ein Punk. Stört es dich, dass Karen als erfolgreiche Sängerin immer im Mittelpunkt steht? Mich verletzt, dass viele Leute <strong>de</strong>nken, dass Karen ihre Klei<strong>de</strong>r selbst näht, weil sie vor lauter Bewun<strong>de</strong>rung blind sind. Aber Karen kann nichts dafür, im Gegenteil. Auf Konzerten ruft sie immer in die Menge: »Wisst ihr, wer die coolen Outfi ts macht? Christian Joy!« Dann wollen die Leute die Wahrheit nicht hören? Das Publikum liebt das Gesamtkonzept, die Untergrundi<strong>de</strong>e. Und die Journalisten schreiben, dass Karen ihre Klei<strong>de</strong>r selbst entwirft, weil sie es ihr zutrauen wür<strong>de</strong>n. Noch schlimmer als dieses Massenphänomen ist, wenn ich neben Karen zweitklassig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>. Hast du <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>in eigenes Mo<strong>de</strong>label gegrün<strong>de</strong>t? Das Dekonstruieren von Ballklei<strong>de</strong>rn langweilte mich. Es war einfach Zeit, Frauen jenseits <strong>de</strong>r Bühne anzuziehen. Ich hatte Angst, dass die Leute meine Mo<strong>de</strong> nicht mögen wür<strong>de</strong>n, weil sie ganz an<strong>de</strong>rs ist als das wil<strong>de</strong> Kostüm<strong>de</strong>sign: schlicht, damenhaft und konservativ. So wie ich mich selbst klei<strong>de</strong>. Zum Glück kam bis jetzt alles gut an. Trägt Karen O auch privat Christian Joy? Ja. Aber meine Mo<strong>de</strong> soll auch für die Frauen sein, die mir auf <strong>de</strong>r Straße gefallen. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Männern – sie sehen ganz schrecklich aus in ihren engen Röhrchenhosen – sind alle New Yorkerinnen gut angezogen, und das, ohne dass es nach Arbeit aussähe. Wie hat man Erfolg als Mo<strong>de</strong><strong>de</strong>signerin? Man muss sich sichtbar machen und gut re<strong>de</strong>n können. Der Stu<strong>de</strong>nt, <strong>de</strong>r im Moment für mich arbeitet, ist unglaublich gut darin. Er kann sich so gut mit einer Kanne unterhalten, dass sie ihn zum Tee mit Anna Wintour einlädt. www.christianjoy.us Mo<strong>de</strong> 047