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052 Mo<strong>de</strong><br />
Schon seit Ewigkeiten in Mo<strong>de</strong><br />
DER TRENCHCOAT<br />
Ein Kleidungsstück zwischen Eleganz, Strenge, Seriosität und Schnöseltum.<br />
Mario Lasar über die Ambiguität eines Mantels, <strong>de</strong>n sich Thomas<br />
Burberry Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts während <strong>de</strong>s Fünfuhrtees ausdachte.<br />
Illustration: Elisabeth Moch.<br />
W hy<br />
won’t you wear your new trenchcoat?«<br />
fragten The Strokes auf ihrem Debütalbum<br />
»Is This It« aus <strong>de</strong>m Jahre 2001. Eine Frage,<br />
die darauf hin<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n<br />
Kleidungsstück ein gewisses Fetisch-Potenzial innewohnt.<br />
Was be<strong>de</strong>utet es, wenn eine Frau einen Trenchcoat trägt?<br />
Ursprünglich zur Zeit <strong>de</strong>s Ersten Weltkriegs als regenundurchlässige<br />
Schutzkleidung für die Soldaten in <strong>de</strong>n Schützengräben<br />
entworfen, ist <strong>de</strong>m Look <strong>de</strong>s Trenchcoats über die Jahre<br />
hinweg eine Nähe zu militärischer Strenge erhalten geblieben,<br />
zumin<strong>de</strong>st, sofern er nicht offen getragen wird. Eine Frau, die<br />
einen Trenchcoat trägt, strahlt eine gewisse Dominanz aus.<br />
Das Flair <strong>de</strong>r Unnahbarkeit för<strong>de</strong>rt dabei paradoxerweise die<br />
Anziehungskraft auf Männer. Die blon<strong>de</strong> Schwedin Virna Lindt<br />
wusste in <strong>de</strong>n 80ern genau diesen Stil auf die Spitze zu treiben:<br />
In <strong>de</strong>m Fake-autobiografi schen Song »The Dossier On Virna<br />
Lindt« gab sie ihre Blutgruppe mit »000« an, was ihre kühle<br />
Ausstrahlung sehr anschaulich auf <strong>de</strong>n Punkt brachte.<br />
An<strong>de</strong>rerseits lässt sich <strong>de</strong>r Schnitt <strong>de</strong>s Trenchcoats – die<br />
Tatsache, dass er mit einem Gürtel getragen wird – auch auf<br />
die Form <strong>de</strong>s klassischen Frauenkleids zurückführen. Diese<br />
Lesart rückt das Kleidungsstück eher in die Nähe weiblicher<br />
Eleganz <strong>de</strong>nn militärischer Strenge. Die kanadische<br />
Sängerin Feist kann als Repräsentantin dieses Stils gelten.<br />
Bei ihr wirkt <strong>de</strong>r Trenchcoat eher klassisch als streng, und ihre<br />
zerbrechliche Erscheinung erinnert mehr an Audrey Hepburn<br />
als an Diana Rigg (alias Emma Peel) aus »Mit Schirm,<br />
Charme und Melone«.<br />
Wird <strong>de</strong>r Trenchcoat von einem Mann getragen, ist er durch<br />
mediale Konditionierung für alle Zeiten mit <strong>de</strong>r Detektivfi -<br />
gur assoziiert. Da <strong>de</strong>r Detektiv in erster Linie einem Klienten<br />
dient, muss er nicht unbedingt gesetzestreu sein. Ein<br />
Umstand, <strong>de</strong>r eine gewisse outlawhafte Verwegenheit garantiert.<br />
Man <strong>de</strong>nkt an Robert Mitchum als Philip Marlowe<br />
in »Fahr zur Hölle, Liebling« o<strong>de</strong>r die Verfi lmung von Dennis<br />
Potters »The Singing Detective«. In allen Fällen steht <strong>de</strong>r<br />
Detektiv für einen isolierten Charakter, <strong>de</strong>r aus seinem Einzelgängerstatus<br />
Stolz und Wür<strong>de</strong> bezieht, auch wenn damit<br />
nur das Klischee <strong>de</strong>s einsamen, wortkargen Cowboys variiert<br />
wer<strong>de</strong>n mag. Dennoch: Der Detektiv trägt <strong>de</strong>n Mantel<br />
wie <strong>de</strong>r Ritter seine Rüstung, er macht ihn unverletzlich und<br />
undurchdringbar.<br />
Eine weitere, nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Eigenschaft <strong>de</strong>s<br />
Trenchcoats ist Schnöselhaftigkeit. In Hark Bohms epochalem<br />
Jugendfi lm »Moritz, lieber Moritz« trägt die pubertieren<strong>de</strong><br />
Titelfi gur einen Trenchcoat, <strong>de</strong>r die großbürgerliche Herkunft<br />
mit Wohnsitz an <strong>de</strong>r Elbchaussee zu versinnbildlichen<br />
scheint. Tatsächlich bricht die Figur <strong>de</strong>s Moritz jedoch mit<br />
allen Konventionen ihres Elternhauses, um sich statt<strong>de</strong>ssen<br />
einer proletarischen Rock’n’Roll-Band anzuschließen.<br />
Damit wird gezeigt, dass <strong>de</strong>r Trenchcoat nicht unbedingt Insignie<br />
<strong>de</strong>s angepassten Poppers sein muss, <strong>de</strong>r zur Zeit <strong>de</strong>r<br />
Entstehung <strong>de</strong>s Films in <strong>de</strong>n späten 70ern zu <strong>de</strong>n Ausprägungen<br />
<strong>de</strong>r Jugendkultur gehörte.<br />
Ein gelungenes aktuelles Beispiel, die althergebrachte<br />
Semantik zu pervertieren, bil<strong>de</strong>t Dirk von Lowtzow, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Trenchcoat mit nicht mehr ganz neuen Jeans kombiniert. Hier<br />
könnte sich ein neues nicht-elitäres Schnöseltum ankündigen,<br />
bei <strong>de</strong>m sich Eleganz an <strong>de</strong>m absolut zeitgemäßen Wissen<br />
um universal erhältliche Vergänglichkeit bricht.