Neue Kooperationen - hülswitt druck und medien
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6 Gesellschaft eternity juni 2012<br />
Trauer oder Depression?<br />
Psychiater-Vereinigung debattiert über Klassifikationssystem<br />
1 Der Tod eines Angehörigen ruft fast immer intensive<br />
<strong>und</strong> schmerzhafte Reaktionen hervor, doch<br />
meistens werden danach erfolgreich Bewältigungsprozesse<br />
in Gang gesetzt, die zu einem<br />
neuen seelischen Gleichgewicht führen. Manche<br />
Menschen entwickeln jedoch schwerwiegende<br />
psychische Probleme.<br />
"Im Normalfall bedarf Trauer keiner klinischen<br />
Intervention", weiß die Diplompsychologin<br />
Hildegard Willmann. Als Redakteurin<br />
ist sie am Newsletter-Projekt "Trauerforschung<br />
im Fokus" beteiligt, das von der Ver-<br />
Seebestattung<br />
Nordsee · Ostsee · Weltweit<br />
braucherinitiative Aeternitas gefördert wird.<br />
Zwar ist der Tod eines Angehörigen fast<br />
immer ein belastendes Ereignis, welches intensive<br />
<strong>und</strong> schmerzhafte Reaktionen hervorruft.<br />
Doch meistens werden danach<br />
erfolgreich Bewältigungsprozesse in Gang<br />
gesetzt, die zu einem neuen seelischen<br />
Gleichgewicht führen. Einige der Betroffenen<br />
entwickeln jedoch so schwerwiegende <strong>und</strong><br />
anhaltende psychische Probleme, dass diese<br />
sorgfältig diagnostiziert <strong>und</strong> entsprechend<br />
behandelt werden müssen.<br />
Ab wann normale Trauer zur psychischen Erkrankung<br />
wird, darüber diskutieren derzeit<br />
amerikanische Experten im Hinblick auf die<br />
für 2013 geplante Neuausgabe des DSM<br />
("Diagnostic and Statistical Manual of Mental<br />
Disorders"). Beim DSM handelt es sich<br />
um ein 1952 zum ersten Mal von der amerikanischen<br />
Psychiater-Vereinigung APA herausgegebenes<br />
Klassifikationssystem für<br />
Krankheiten. Damit sollen Diagnosen reproduzierbar<br />
sein <strong>und</strong> Diagnose <strong>und</strong> Heilung<br />
erleichtert werden. Kliniken <strong>und</strong> Versicherungsgesellschaften<br />
berufen sich darauf. Das<br />
DSM legt damit fest, "wann das Normalsein<br />
aufhört <strong>und</strong> wann die Krankheit beginnt", wie<br />
es Spiegel Online kürzlich beschrieben hat.<br />
Bisher durfte nach dem geltenden DSM-4 in<br />
einem Trauerfall eine Depression erst dann<br />
diagnostiziert werden, wenn die Symptome<br />
länger als zwei Monate anhielten. Diese<br />
"Trauer-Ausschluss-Klausel" soll in der<br />
neuen Ausgabe DSM-5 gestrichen werden.<br />
Bei Trauernden könnte dann schon kurz nach<br />
dem Todesfall eine Depression diagnostiziert<br />
werden. Eine weitere Diskussion betrifft die<br />
Aufnahme von "Komplizierter Trauer" in das<br />
DSM-5 als eigenständige psychische Störung.<br />
Kritiker dieser Änderungen sehen dabei<br />
die Gefahr der Pathologisierung <strong>und</strong> Medikalisierung<br />
von Trauer – dass Trauernde also<br />
unnötigerweise als krank eingestuft <strong>und</strong> mit<br />
Medikamenten behandelt werden. Befürworter<br />
hingegen weisen darauf hin, dass es im<br />
zweiten großen Diagnosekatalog, dem internationalen<br />
Klassifikationssystem der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />
der Vereinten<br />
Nationen ("International Statistical Classification<br />
of Diseases and Related Health<br />
Problems", ICD-10) noch nie eine Trauer-<br />
Ausschluss-Klausel gegeben habe. Dennoch<br />
habe dies nicht zur befürchteten Pathologisierung<br />
trauernder Menschen geführt.<br />
Zwischen "normaler" Trauer oder einer Depression<br />
sei gut zu unterscheiden. Auch<br />
könnten in der Praxis nicht alle Probleme der<br />
Psychiatrie über Diagnosekataloge entschieden<br />
werden. Hildegard Willmann bekräftigt<br />
dies: "Entscheidend ist, dass Fachkräfte, wie<br />
zum Beispiel Hausärzte, die Unterscheidungsmerkmale<br />
kennen <strong>und</strong> genau hinhören,<br />
bevor sie vorschnell eine Diagnose<br />
vergeben oder aber eine behandlungsbedürftige<br />
Störung übersehen." Der Newsletter<br />
"Trauerforschung im Fokus" können Interessierte<br />
unter www.trauerforschung.de kostenfrei<br />
abonnieren. Ein Archiv stellt sämtliche<br />
bereits erschienen Newsletter zur Verfügung.<br />
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