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Ausgabe 8/2006 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

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■ Was ist in Südkorea passiert?<br />

Die Wissenschafter haben das Personal<br />

missbraucht. Bei Bedarf mussten<br />

die Frauen, die dort im Labor gearbeitet<br />

haben, Eizellen spenden. Ein anderes<br />

Beispiel ist das, was man jetzt bei der IVF<br />

(In-vitro-Fertilisation, Anm. d. Red.) in<br />

manchen Ländern sieht: Es gibt ganze<br />

Flüge von Osteuropa nach Spanien, wo<br />

diesen Frauen dann Eizellen entnommen<br />

und teuer verkauft werden. Das heißt,<br />

man muss bei dieser Thematik vorsichtig<br />

sein und sich vor Extremen schützen. Es<br />

ist aber nicht so, dass wir jetzt akut durch<br />

eine gewisse vorsichtige Haltung den<br />

internationalen Anschluss verlieren.<br />

■ Bahnt sich eine europäische Lösung an?<br />

Ja, letzten Endes wird eine europäische<br />

Lösung die einzig mögliche sein.<br />

Wobei eine solche innerhalb der einzelnen<br />

Länder gar nicht so stark diskutiert<br />

wird. Unser Problem ist, ob der Schutz<br />

des Individuums, den wir in Europa<br />

als unser Kulturgut vertreten, auch auf<br />

der globalen Börse so hält. Denn in der<br />

asiatischen Welt wird das Wohl des Kollektivs<br />

wesentlich höher eingeschätzt als<br />

das Wohl des Individuums.<br />

■ Der rasante Fortschritt in der medizinischen<br />

Versorgung führt auch zu einer<br />

Kostenexplosion. Eine gleichwertige bestmögliche<br />

Behandlung aller Individuen<br />

scheint daher auch in unseren Breiten<br />

stark gefährdet …<br />

Ja, da muss man aufpassen. Denn wir<br />

haben heute schon Medikamente, die<br />

so teuer sind, dass sie das öffentliche<br />

System stark belasten. Und hier neue<br />

Gedanken zu entwickeln und das Thema<br />

anzusprechen, ist sicher hoch an<br />

der Zeit. Andererseits möchte ich schon<br />

sagen, dass unser Gesundheitssystem<br />

im internationalen Vergleich immer<br />

noch zu den besten gehört. Sicher auch<br />

ein Verdienst einer funktionierenden<br />

Sozialpartnerschaft. Das ist nicht das<br />

Erbe von wenigen Jahren. Da stecken<br />

Jahrzehnte österreichischer Kultur<br />

dahinter.<br />

■ Können Sie das erläutern?<br />

Unsere Kultur ist sicher getragen von<br />

einem Verständnis für die Probleme des<br />

Anderen, von dem Wissen, dass man für<br />

sozial Schwache Verantwortung über-<br />

nehmen muss – solange man das kann.<br />

Die große Gefahr ist aber, dass durch<br />

diese Hochpreispräparate finanzielle<br />

Belastungen auf uns zukommen, die die<br />

Gesellschaft nicht mehr tragen kann.<br />

■ Gibt es dazu Lösungsansätze?<br />

Es ist die Frage, ob die Gewinnlatte<br />

von den neuen onkologischen Präparaten<br />

wirklich so hoch sein muss, wie sie<br />

ist. Das ist ein Faktum, über das man<br />

laut nachdenken könnte. Da habe ich<br />

zwar eine persönliche Meinung, aber<br />

da bin ich nicht so kompetent. (Lacht)<br />

Aber glücklicherweise wird mittlerweile<br />

ohnedies vermehrt laut darüber nachgedacht.<br />

■ Haben Sie eigentlich gejubelt, als das<br />

Klonschaf Dolly präsentiert wurde?<br />

Na ja, die wirkliche Botschaft von Dolly<br />

ist ja leider den Menschen verborgen<br />

geblieben. Es ging nicht um die Frage,<br />

ob man identische Individuen erzeugen<br />

kann, sondern dass es zum ersten Mal<br />

INTERVIEW<br />

TITELGESCHICHTE<br />

gelungen ist, die biologische Uhr nach<br />

rückwärts zu drehen. Das hat auf die<br />

Altersforschung und die Möglichkeiten,<br />

Körper zu regenerieren, eine enorme<br />

Bedeutung. Und das ist die wirkliche<br />

Botschaft.<br />

■ Wo liegt bei Ihnen die Grenze zum<br />

ethisch nicht mehr Vertretbaren?<br />

Wenn ich Leben retten kann, dann<br />

werde ich alles dafür tun. Damit schließe<br />

ich mich etwas der jüdischen Theologie<br />

an, die auf dem Standpunkt steht,<br />

wenn es um Leben und Tod geht, dann<br />

ist klar alles erlaubt, um das Leben zu<br />

retten. Die Organtransplantation ist ja<br />

Gott sei Dank möglich in Österreich.<br />

Eine Stammzellentransplantation wäre<br />

genauso vorstellbar.<br />

■ Und beim Pflegedienst?<br />

Wie gesagt: In jedem Berufs-, aber<br />

auch Lebensbereich kommt es besonders<br />

auf die Sekundärtugenden an. Auch<br />

der Umgang mit dem Patienten ist von<br />

diesen Tugenden geprägt. Ich kann beispielsweise<br />

einem Menschen sagen: „Sie<br />

haben Krebs und werden noch ein halbes<br />

Jahr leben.“ Punkt.<br />

Oder ich nehme mir eine halbe Stunde<br />

Zeit und versuche, ihm die Wahrheit<br />

so näher zu bringen, dass er nicht von<br />

ihr überfahren wird und in eine Depression<br />

fällt. Das hängt letzten Endes von<br />

den Tugenden ab. Die Heilkraft einer<br />

intakten Umwelt, einer einfühlsamen<br />

Zuwendung – egal durch wen –, heilt<br />

viel stärker als ein Medikament.<br />

■ Herr Professor, danke für das Gespräch.<br />

GÖD_<strong>Ausgabe</strong> 8_<strong>2006</strong> 23

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