Ausgabe 8/2006 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
Ausgabe 8/2006 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
Ausgabe 8/2006 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SACHVERHALT<br />
Kollege X wurde im Zuge einer Amtshandlung<br />
von einem Unbekannten am<br />
Knie schwer verletzt. Nach Operation<br />
und stationärer Behandlung war er<br />
mehrere Wochen wegen Krankheit vom<br />
<strong>Dienst</strong> abwesend. Im Antrag auf einmalige<br />
Geldaushilfe als Ausgleichsmaßnahme<br />
für entgangenes Schmerzengeld wurde<br />
vorgebracht, dass sich aufgrund der den<br />
<strong>Dienst</strong>unfallfolgen folgenden Schmerzperioden<br />
ein Schmerzengeldbetrag in der<br />
Höhe von 18.580 Euro ergibt und dieser<br />
„weit über den Höchstbetrag gemäß § 83c<br />
GehG liege“. Die <strong>Dienst</strong>behörde erster<br />
Instanz sprach mit Bescheid aus, dass<br />
dem Kollegen als Ausgleichsmaßnahme<br />
für entgangenes Schmerzengeld eine<br />
einmalige Geldaushilfe von 1000 Euro<br />
gebühre. Dieser Betrag sei nicht zuletzt<br />
im Hinblick auf die vom Gesetzgeber<br />
eingeführten Obergrenzen dieser Ausgleichsmaßnahme<br />
gerechtfertigt.<br />
In der mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz<br />
eingebrachten Berufung vertrat<br />
Kollege X den Standpunkt, dass ihm der<br />
Höchstbetrag nach § 83c GehG zustehe,<br />
da sich aufgrund der Schmerzperioden<br />
jedenfalls ein „Schmerzengeldbetrag von<br />
weit mehr als 20.000 Euro“ ergibt. Die<br />
Berufungsbehörde gab der Berufung teilweise<br />
Folge und änderte den angefochtenen<br />
Bescheid dahingehend ab, dass dem<br />
Kollegen eine Geldaushilfe in der Höhe<br />
von 1989 Euro zuerkannt wurde.<br />
AUSGLEICHSMASSNAHME<br />
§ 83c des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl.<br />
Nr. 54, eingeführt durch die <strong>Dienst</strong>rechts-<br />
§<br />
SCHMERZENGELD<br />
Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzengeld<br />
(§ 83c GehG). Erfolg beim VwGH: Rechtsanspruch<br />
auf volles Schmerzengeld bis Höchstgrenze<br />
(€ 6126,90) für Exekutivbeamte. TEXT: MAG. ERNST BASSLER<br />
Novelle 2002, BGBl. I Nr. 87, anzuwenden<br />
auf <strong>Dienst</strong>- und Arbeitsunfälle, die sich<br />
ab dem 1. 9. 2001 ereignet haben, lautet in<br />
der Fassung der 2. <strong>Dienst</strong>rechts-Novelle<br />
2003, BGBl. I Nr. 130: „Ausgleichsmaßnahme<br />
für entgangenes Schmerzengeld,<br />
§ 83c: Die Beamten des Exekutivdienstes,<br />
der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z<br />
1 und 2 des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes,<br />
BGBl. Nr. 177/1992, erfüllt,<br />
kann, wenn eine gerichtliche Entscheidung<br />
über den geltend gemachten<br />
Schmerzengeldbetrag nicht zulässig ist<br />
oder nicht erfolgen kann, eine einmalige<br />
Geldaushilfe bis zur Höhe des dreifachen<br />
Gehaltes (einschließlich allfälliger<br />
Teuerungszulagen) der Gehaltsstufe 2<br />
der <strong>Dienst</strong>klasse V der Beamten der Allgemeinen<br />
Verwaltung gewährt werden.<br />
Abweichend von § 1 gilt dies auch für im<br />
Exekutivdienst verwendete Vertragsbedienstete.“<br />
BESCHWERDE<br />
NEWS der Rechtsabteilung<br />
Der Verwaltungsgerichtshof hat über<br />
die mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz<br />
eingebrachte Beschwerde erwogen:<br />
1. Mangels einer dem Gesetz entnehmbaren<br />
Ermessensrichtlinie ist davon auszugehen,<br />
dass die Entscheidung, ob dem<br />
Grunde nach eine Geldaushilfe nach<br />
§ 83c GG gebührt, keine Ermessensentscheidung<br />
ist. Vielmehr besteht ein<br />
Anspruch auf Geldaushilfe dem Grunde<br />
nach, wenn die Einstiegsvoraussetzungen<br />
(Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und<br />
2 WHG: Körperverletzung bzw. Minderung<br />
der Erwerbsfähigkeit als Folge eines<br />
in unmittelbarer Ausübung der exekutivdienstlichen<br />
Pflichten erlittenen <strong>Dienst</strong>-<br />
oder Arbeitsunfalles) erfüllt sind.<br />
2. Was die Höhe der Geldaushilfe<br />
be trifft, kann nicht davon ausgegangen<br />
werden, dass das Tatbestandsmerkmal<br />
„bis zur Höhe des dreifachen Gehaltes“<br />
dahinge hend zu verstehen sei, dass der<br />
Höchstbetrag nur dann in Betracht komme,<br />
wenn der zugrunde liegende <strong>Dienst</strong>unfall<br />
in seiner Schwere einen Leidensgehalt<br />
aufweise, der einer Blindheit oder<br />
einer ähnlichen Verletzungsfolge gleichzuhalten<br />
sei bzw. mit dem schwere medizinische<br />
Eingriffe wie Amputation von<br />
Gliedern oder schwere Operationen an<br />
inneren Organen verbunden seien oder<br />
wenn eine Ruhestandsversetzung wegen<br />
<strong>Dienst</strong>unfähigkeit die Folge sei.<br />
3. Ausgehend von der in den Gesetzesmaterialien<br />
betonten Ausgleichsfunktion<br />
des § 83c GehG für entgangenes Schmerzengeld<br />
ist das Tatbestandsmerkmal „bis<br />
zur Höhe des dreifachen Gehalts“ dahingehend<br />
auszulegen, dass bei Erfüllung<br />
der Einstiegsvoraussetzungen die Geldaushilfe<br />
ihrer Höhe nach im Sinne eines<br />
effektiven Ausgleichs für entgangenes<br />
Schmerzengeld X in gleicher Weise zu<br />
bemessen ist wie Schmerzengeld bei der<br />
Geltendmachung (gegen den Schädiger)<br />
im ordentlichen Rechtsweg bemessen<br />
werden würde – höchstens jedoch mit<br />
dem im Gesetz genannten „Deckel“.<br />
Nach der Rechtsprechung der ordentlichen<br />
Gerichte soll der Geschädigte durch<br />
das Schmerzengeld Genugtuung für alles<br />
Ungemach wegen seiner Verletzungen<br />
und deren Folgen erlangen. Maßgeblich<br />
sind die Dauer und die Intensität der<br />
Schmerzen nach deren Gesamtbild, die<br />
Schwere der Verletzung sowie die Schwere<br />
der Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes.<br />
Die Ermittlung dieser<br />
Umstände erfordert regelmäßig die Einholung<br />
eines Gutachtens eines ärztlichen<br />
Sachverständigen.<br />
Wieder einmal konnte mit gewerkschaftlichem<br />
Rechtsschutz für eine<br />
be sonders exponierte Berufsgruppe im<br />
öffentlichen <strong>Dienst</strong> eine höchstgerichtliche<br />
Leitentscheidung herbeigeführt<br />
werden, die den <strong>Dienst</strong>geber zwingt,<br />
seine Verwaltungspraxis zugunsten des<br />
Bediens teten zu ändern. ■<br />
GÖD_<strong>Ausgabe</strong> 8_<strong>2006</strong> 39