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Kindertagespflege in Kassel - Serviceportal der Stadt Kassel

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<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagespflege</strong> <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Räumen<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> geben den Takt vor<br />

<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagespflege</strong> nach Maria Montessori<br />

Sieben K<strong>in</strong><strong>der</strong> sitzen im Kreis, unter sich<br />

gelbe, weiche Kissen. Zwei Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

haben zwischen den Jungen und<br />

Mädchen Platz genommen. E<strong>in</strong>e von<br />

ihnen reicht e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Korb herum,<br />

aus dem sich jedes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Glöckchen<br />

nimmt. Die Erzieher<strong>in</strong> stimmt an:<br />

„Bru<strong>der</strong> Jakob, Bru<strong>der</strong> Jakob, schläfst<br />

Du noch, schläfst Du noch? ... Are you<br />

sleep<strong>in</strong>g, are you sleep<strong>in</strong>g, brother<br />

John, brother John?“ Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>gen<br />

mit und läuten im Rhythmus mit ihren<br />

Glöckchen. Nachdem das Lied zu Ende<br />

ist, geht <strong>der</strong> Korb abermals herum. Die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> legen ihre Instrumente zurück.<br />

S<strong>in</strong>gen ist beendet, jetzt kommt etwas<br />

Neues: Fühlen! Die Erzieher<strong>in</strong> reicht e<strong>in</strong>en<br />

blauen Samtbeutel herum. Nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

greift jedes K<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und<br />

ertastet e<strong>in</strong>en Gegenstand: e<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong> Handtuch, e<strong>in</strong> Herz. „Beschreibe e<strong>in</strong>mal,<br />

was Du da herausgenommen hast,<br />

Phil“, for<strong>der</strong>t die Erzieher<strong>in</strong> den Jungen<br />

auf. „E<strong>in</strong>en Ball“, sagt dieser. „Wie fühlt<br />

sich <strong>der</strong> Ball denn an“, fragt die junge<br />

Frau weiter. Phil antwortet: „Weich!“<br />

„Maximilian, was hast Du herausgeholt?“<br />

Der Junge zögert. „Fühl mal da<br />

oben, das ist ganz spitz“, hilft die Erzieher<strong>in</strong><br />

nach. „Was ist das?“ „E<strong>in</strong> Kamm“,<br />

antwortet <strong>der</strong> Junge. Das nächste K<strong>in</strong>d<br />

zieht e<strong>in</strong>e Klammer aus dem Samtsack.<br />

„E<strong>in</strong>e Klammer! Was kann man mit e<strong>in</strong>er<br />

Klammer tun?“, fragt die Erzieher<strong>in</strong>.<br />

„An den Wäschestän<strong>der</strong> hängen“, sagt<br />

Julia, zieht e<strong>in</strong>en Puppenwäschestän<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> den Kreis und demonstriert, wie das<br />

geht.<br />

Seit Oktober 2009 gibt es die „<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagespflege</strong><br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Räumen“ <strong>in</strong> Kirchditmold.<br />

An <strong>der</strong> Fensterscheibe steht <strong>in</strong><br />

Regenbogenfarben „von M. Montessori<br />

<strong>in</strong>spiriert“. „Soweit ich weiß, gibt es<br />

ke<strong>in</strong>e zweite Gruppe <strong>in</strong> <strong>Kassel</strong>, die mit<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zwischen e<strong>in</strong>em Jahr und drei<br />

Jahren nach <strong>der</strong> Montessori-Pädagogik<br />

arbeitet“, berichtet Johanna Zerfaß.<br />

Bevor sich die ausgebildete Erzieher<strong>in</strong><br />

selbstständig gemacht hat, arbeitete<br />

sie im Montessori-K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten an <strong>der</strong><br />

Konrad-Adenauer-Straße im <strong>Stadt</strong>teil<br />

Brasselsberg. Der Unterschied: Dort gab<br />

es altersgemischte Gruppen, <strong>in</strong> denen<br />

die jüngsten K<strong>in</strong><strong>der</strong> drei und die ältesten<br />

sechs Jahre alt waren. „Ich wollte<br />

mich auf K<strong>in</strong><strong>der</strong> unter drei Jahren e<strong>in</strong>lassen“,<br />

sagt Johanna Zerfaß. „Gerade<br />

<strong>in</strong> diesem Alter kann man die Montessori-<br />

Pädagogik gut anwenden.“<br />

Die italienische Ärzt<strong>in</strong> und Pädagog<strong>in</strong><br />

Maria Montessori (siehe Infokasten) for<strong>der</strong>te<br />

von den Erwachsenen, K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

ihrem natürlichen Antrieb, sich selbst zu<br />

bilden und selbstständig zu agieren, zu<br />

unterstützen. Ihre Methode ist weltweit<br />

verbreitet und wird sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorschulischen<br />

als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen<br />

Bildung angewendet.<br />

Der Morgenkreis hat sich aufgelöst. In<br />

dem 50 Quadratmeter großen Raum<br />

riecht es nach exotischen Früchten. Ariane<br />

Sattler, ebenfalls Montessori-Pädagog<strong>in</strong>,<br />

hat e<strong>in</strong>e Ananas aufgeschnitten.<br />

Mit drei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n sitzt sie um den großen<br />

ovalen Tisch, <strong>der</strong> von e<strong>in</strong>em gelben<br />

Wachstuch überspannt wird. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> holt e<strong>in</strong>en Tischmülleimer herbei,<br />

e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es stellt Teller h<strong>in</strong>, legt<br />

Besteck daneben. E<strong>in</strong> etwa zwei Jahre<br />

altes Mädchen hält Messer und Gabel <strong>in</strong><br />

Händen, um damit ihre Frucht <strong>in</strong> mundgerechte<br />

Stücke zu schneiden. „Ananas“,<br />

sagt e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

wie<strong>der</strong>holt das schwere Wort. Die<br />

übrigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> spielen mit Bauklötzen,<br />

bauen Türme, lachen, wenn diese ebenso<br />

hoch s<strong>in</strong>d wie sie selbst. Sie streichen<br />

mit den Händen über ihr Werk. Manchmal<br />

werfen sie es um und freuen sich,<br />

wenn alles wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelteilen vor ihnen<br />

liegt. Dann beg<strong>in</strong>nen sie von vorne.<br />

E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> älteren Mädchen hat damit<br />

begonnen, das Geschirr abzuwaschen.<br />

Vertieft <strong>in</strong> ihre Aufgabe sche<strong>in</strong>t sie die<br />

Welt um sich vergessen zu haben. Die<br />

übrigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> wechseln zwischen Ess-<br />

tisch und Spielecke: Wer zu Ende gegessen<br />

hat, geht spielen, wer hungrig ist,<br />

geht essen.<br />

Bei Johanna Zerfaß und Ariane Sattler<br />

ist ke<strong>in</strong> Tag wie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, aber es<br />

gibt feste Strukturen, aber auch Rituale.<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Morgenkreis und das<br />

geme<strong>in</strong>same Essen. Inhalt und Rhythmus<br />

bestimmen ansonsten die K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Ihr Antrieb, ihr Interesse, ihr Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

entscheidet über das, was stattf<strong>in</strong>det<br />

o<strong>der</strong> entfällt. „Hier kann ich das tun,<br />

was den Bedürfnissen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> entspricht“,<br />

sagt Johanna Zerfaß. „Ich achte<br />

darauf, dass ich me<strong>in</strong>en Tagesk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

die Entwicklungsmöglichkeiten biete,<br />

die ihren Potenzialen entsprechen. Darum<br />

komme ich morgens auch nicht mit<br />

e<strong>in</strong>em vorgefertigten Plan <strong>in</strong> die Gruppe.“<br />

Das Rezept sche<strong>in</strong>t so e<strong>in</strong>fach und<br />

f<strong>in</strong>det sich doch so selten im normalen<br />

Kita-Alltag an<strong>der</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>: Die Neugier<br />

<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>en nutzen für spontane Ausflüge,<br />

Spiele und Experimente.<br />

Es wun<strong>der</strong>t daher nicht, dass die Kirchditmol<strong>der</strong><br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dgruppe <strong>der</strong>zeit ausgebucht<br />

ist. E<strong>in</strong>e maximale Gruppenstärke<br />

ist mit 10 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n erreicht. Mehr<br />

geht nicht, soll das professionelle und<br />

anspruchsvolle Konzept durchgehalten<br />

werden. sus

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