Programmbroschüre musikfest berlin 10 - Berliner Festspiele
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Ich spürte, dass die Songlines nicht unbedingt ein australisches, sondern ein<br />
universales Phänomen waren: ein Mittel, mit dessen Hilfe der Mensch sein<br />
Territorium absteckte und sein gesellschaftliches Leben organisierte. Alle<br />
nachfolgenden Systeme waren Varianten – oder Perversionen – dieses Urmodells.<br />
… Ich habe eine Vision von den Songlines, die sich über Kontinente<br />
und Zeitalter erstrecken; dass, wo immer Menschen gegangen sind, sie die<br />
Spur eines Liedes hinterließen (von dem wir hin und wieder ein Echo auffangen<br />
können) und dass diese Spuren in Zeit und Raum zu isolierten Inseln in der<br />
afrikanischen Savanne zurückführen, wo der erste Mensch den Mund öffnete,<br />
den ihn umgebenden Schrecken zum Trotz, und die erste Strophe des<br />
Weltenliedes sang: »ICH BIN!«<br />
Ich will noch einen Schritt weitergehen. Stellen wir uns vor, wie Urvater Adam<br />
(Homo sapiens) durch das irdische Paradies wandelt. Er setzt den linken Fuß<br />
auf und benennt eine Blume. Er setzt den rechten Fuß auf und benennt einen<br />
Stein. Das Verb führt ihn zur nächsten Strophe des Liedes… Chomskys rätselhafte<br />
»angeborene Satzstruktur« wird ganz einfach, wenn man sie sich als<br />
menschliche Triangulation vorstellt, Subjekt – Verb – Objekt.<br />
Bruce Chatwin<br />
One morning last February, during a very bad bout of malaria, the post brought<br />
a most intriguing letter from a South African composer I had never heard of:<br />
Kevin Volans. ‘I have been meaning to write to you for some time, but the temptation<br />
of adding some presumptuous invitation … to come with me on a recording<br />
trip to Lesotho … held me back.’ His titles were wonderful: White Man<br />
Sleeps, She Who Sleeps with a Small Blanket, Cover him with Grass, Studies in Zulu<br />
History, Kneeling Dance, Leaping Dance… I was too feverish to play Volans’s<br />
tape at once but finally summoned the strength to put it on the tape deck. It was<br />
a dazzling, frosty day and my bedroom, with its white walls and white Venetian<br />
blinds, was slatted with sunlight. It was boiling hot. I lay back and could not<br />
believe my ears… It was a music I had never heard before or could have imagined.<br />
It derived from nothing and no one. It had arrived. It was free and alive. I<br />
heard the sounds of thorn-scrub Africa, the insects and the swish of wind<br />
through grass. But there was nothing that would have been foreign to Debussy<br />
or Ravel.<br />
Bruce Chatwin, Kevin Volans, 1988<br />
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