Programmbroschüre musikfest berlin 10 - Berliner Festspiele
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Schließlich habe ich einen persönlichen Grund, dem Phänomen Rhythmik<br />
soviel Bedeutung beizumessen. Ich glaube, die Musik muss kollektive<br />
Hochspannung und kollektiver Bann sein, beides auf zuhöchst aktuelle Weise,<br />
der Anleitung von Antonin Artaud entsprechend und nicht im Sinne der bloßen<br />
ethnographischen Wiederherstellung nach dem Bilde einer von uns mehr<br />
oder weniger entfernten Zivilisation. Aber auch hier habe ich einen Horror<br />
davor, das in Worten abzuhandeln, was man so hübsch das ästhetische Problem<br />
nennt. Pierre Boulez, 1948<br />
Für mich war die nichteuropäische Kultur wirklich eine Entdeckung. Ich empfand<br />
sie gleich als willkommenes Gegengift zur europäischen Kultur. Der theoretische<br />
Aspekt der Zweiten Wiener Schule hatte mich damals sehr beeindruckt;<br />
da er aber so sehr an die westliche Tradition gebunden ist, bedeutete er<br />
für mich damals und erst recht heute ein Ende. Die außereuropäischen Stile,<br />
die ich kenne, haben mich erst einmal in klanglicher Hinsicht fasziniert, weil sie<br />
nicht auf den durch unsere Musikinstrumente bestimmten Klangtraditionen<br />
beruhen. Bali zum Beispiel ist besonders mit Metallinstrumenten verbunden,<br />
Afrika mit Holzinstrumenten, Japan mit Blasinstrumenten. … Was für mich<br />
bei der Begegnung mit japanischer Musik ebenso wichtig war, ist der Zeitbegriff.<br />
Das trifft auch auf Indien und Bali zu. Denken Sie nur an das Phänomen<br />
der Konzeption langer Perioden. Ich kann mir meine eigene Entwicklung nicht<br />
vorstellen ohne diese Erfahrungen, die mir außereuropäische Kulturen vermittelt<br />
haben. Pierre Boulez, 1976<br />
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