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Verweigerte Zustimmung des Betriebsrats<br />
zum Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers ist<br />
gerichtlich überprüfbar<br />
LAG Schleswig-Holstein 4.10.2007, 4 Sa 242/07<br />
Verweigert der Betriebsrat im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts<br />
über die Lage der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs.1 Nr.2<br />
BetrVG seine Zustimmung zum Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers,<br />
so muss der Arbeitgeber dies zwar beachten und darf dem<br />
Teilzeitwunsch zunächst nicht entsprechen. Erhebt der Arbeitnehmer<br />
jedoch hiergegen Klage, kann das Arbeitsgericht die<br />
Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats im Lichte des § 8<br />
TzBfG überprüfen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Die Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt, die mehrere<br />
Baumärkte betreibt. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit<br />
im Frühjahr 2007, begehrte die Klägerin die Verringerung<br />
ihrer Arbeitszeit von 37,5 auf 30 Stunden pro Woche und äußerte<br />
den Wunsch, montags bis freitags von 08:30 Uhr bis 14:30 Uhr<br />
sowie nach Absprache ein- bis zweimal pro Monat am Samstag<br />
zu arbeiten. Zur Begründung machte sie geltend, dass sie alleinerziehende<br />
Mutter eines dreijährigen Kindes sei und dieses nur<br />
in der Zeit von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr im Kindergarten betreut<br />
werden könne.<br />
Die Beklagte war zwar mit der Reduzierung, nicht aber mit der<br />
gewünschten Verteilung der Arbeitszeit einverstanden. Aufgrund<br />
der Öffnungszeiten der Baumärkte von 08:00 bis 20:00 Uhr würden<br />
alle Arbeitnehmer flexibel eingesetzt und zwar so, dass jeder<br />
ungefähr gleich oft für die weniger begehrten Nachmittags– und<br />
Samstagsschichten eingeteilt würde. Mit diesem Organisationskonzept<br />
seien die von der Klägerin gewünschten „starren“<br />
Arbeitszeiten nicht vereinbar.<br />
Auch der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur gewünschten<br />
Lage der Arbeitszeit, da eine Ausnahme von der flexiblen<br />
Arbeitszeit für einzelne Arbeitnehmer den Betriebsfrieden<br />
erheblich stören würde.<br />
Die gegen die Ablehnung des Verteilungswunsches gerichtete<br />
Klage wies das ArbG ab. Auf die Berufung der Klägerin hob<br />
das LAG diese Entscheidung auf und gab der Klage statt. Die<br />
Beklagte hat hiergegen mittlerweile beim BAG unter dem Aktenzeichen<br />
9 AZR 893/07 Revision eingelegt.<br />
Die Gründe:<br />
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zustimmung<br />
zur gewünschten Verteilung der reduzierten Arbeitszeit.<br />
Betriebliche Gründe im Sinn von § 8 Abs.4 S.1,2 TzBfG stehen<br />
dem Verteilungswunsch nicht entgegen.<br />
Bei der Prüfung entgegenstehender betrieblicher Gründe ist<br />
zunächst zu fragen, ob ein betriebliches Organisationskonzept<br />
der vom Arbeitgeber für erforderlich gehaltenen Arbeitszeitregelung<br />
zugrunde liegt. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen,<br />
ob und inwieweit diese Arbeitszeitregelung dem Arbeitsverlangen<br />
des Arbeitnehmers entgegensteht. In einem dritten Schritt ist<br />
zu fragen, ob die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung<br />
besondere betriebliche Belange oder das Organisationskonzept<br />
wesentlich beeinträchtigen. Dabei müssen auch die Besonderheiten<br />
des konkreten Einzelfalls, wie etwa die Familiensituation<br />
des Arbeitnehmers, berücksichtigt werden.<br />
Der von der Beklagten für erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung<br />
liegt das Organisationskonzept zugrunde, den Bau-<br />
markt von 08:00 bis 20:00 Uhr zu öffnen und die Arbeitnehmer in<br />
diesem Arbeitszeitrahmen flexibel einzusetzen. Der Verteilungswunsch<br />
der Klägerin steht diesem Organisationskonzept zwar<br />
entgegen, weil sie nicht mehr flexibel, sondern zu bestimmten<br />
Arbeitszeiten eingesetzt werden möchte. Die dem Verteilungswunsch<br />
entgegenstehenden Gründe haben jedoch kein so großes<br />
Gewicht, dass hierdurch betriebliche Belange wesentlich beeinträchtigt<br />
würden.<br />
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Zustimmungsverweigerung<br />
des Betriebsrats. Der Betriebsrat muss ebenso wie der<br />
Arbeitgeber abwägen, ob der Verteilungswunsch des Arbeitnehmers<br />
die besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche<br />
Organisationskonzept wesentlich beeinträchtigt. Verweigert also<br />
der Betriebsrat – wie hier - die Zustimmung zum Verteilungswunsch,<br />
muss der Arbeitgeber dies zwar zunächst beachten und<br />
darf dem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers nicht entsprechen.<br />
Im Rahmen einer hiergegen gerichteten Klage ist die Zustimmungsverweigerung<br />
des Betriebsrats jedoch im Lichte des § 8<br />
TzBfG zu überprüfen.<br />
Diese Überprüfung fällt im Streitfall zugunsten der Klägerin aus.<br />
Weder die Beklagte noch der Betriebsrat haben die besondere<br />
familiäre Situation der Klägerin berücksichtigt und eine Einzelfallwürdigung<br />
vorgenommen, sondern sich starr auf das im<br />
Unternehmen bestehende Prinzip der flexiblen Arbeitszeit berufen.<br />
Linkhinweis:<br />
Für den auf den Webseiten des LAG Schleswig-Holstein veröffentlichten<br />
Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier<br />
(PDF-Datei).<br />
Sozialrecht<br />
Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften sind verfassungswidrig:<br />
Bund muss Betreuung von<br />
Leistungsempfängern neu regeln<br />
BVerfG 20.12.2007, 2 BvR 2433 u. 2434/04<br />
Die im Rahmen der Hartz-IV-Reform beschlossene Zusammenlegung<br />
von Aufgaben der Kommunen und der Bundesagentur<br />
für Arbeit in gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften („Argen“)<br />
ist verfassungswidrig. Eine solche Gemeinschaftseinrichtung<br />
ist im Grundgesetz nicht vorgesehen und verletzt die Kommunen<br />
in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs.2 GG. Der<br />
Gesetzgeber muss spätestens bis zum 31.12.2010 eine verfassungskonforme<br />
Neuregelung schaffen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
Mehrere Kommunen hatten sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde<br />
gegen die mit der Hartz-IV-Reform erfolgte neue Aufgabenverteilung<br />
bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen und bisherigen<br />
Sozialhilfeempfängern gewandt.<br />
Kernpunkt der Hartz-IV-Reform war die Zusammenlegung der<br />
Sozial- und Arbeitslosenhilfe zur neuen Grundsicherung für<br />
Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II). Nachdem sich Bundestag<br />
und Bundesrat nicht auf eine alleinige Aufgabenwahrnehmung<br />
entweder durch die Bundesagentur oder durch die kommunalen<br />
01/2008 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 8