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Prof. Dr. D. Zobl (Koordinator) PD Dr. A. von Ziegler ... - Simon Schlauri

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. D. <strong>Zobl</strong> (<strong>Koordinator</strong>)<br />

<strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. A. <strong>von</strong> <strong>Ziegler</strong><br />

<strong>Dr</strong>. R. Arpagaus<br />

<strong>Dr</strong>. B. Degrandi<br />

<strong>Dr</strong>. C. Lambert<br />

<strong>Dr</strong>. K. Langhard<br />

<strong>Dr</strong>. S. <strong>Schlauri</strong><br />

Zürich, im Februar 2005<br />

SS 2005 ÜBUNGEN IM HANDELS- UND WIRTSCHAFTSRECHT<br />

Zeit: Jeweils am Donnerstag 12.15 - 13.45 Uhr<br />

(vgl. S. 4 Gruppeneinteilung/Zeitplan).<br />

Ort: Siehe Anschlag am schwarzen Brett zu Beginn des Semesters<br />

bzw. Homepage des Lehrstuhls <strong>Zobl</strong>:<br />

http://www.rwi.unizh.ch/zobl/home.htm.<br />

Schriftliche Bearbeitung:<br />

Gruppeneinteilung: Gruppe A Initialen A - H<br />

Gruppe B Initialen I - Q<br />

Gruppe C Initialen R - Z<br />

(Die Gruppeneinteilung gilt nur als Richtlinie. Es ist zulässig, auch in anderen Gruppen<br />

mitzuwirken und Fälle zu lösen).<br />

Abgabetermin: Fälle 1 – 6: 14. März 2005 (massgebend: Datum<br />

Fälle 7 - 12: 25. April 2005 des Poststempels)<br />

Abgabeort: Die Arbeiten sind per Post (nicht eingeschrieben) direkt an die Do-<br />

zenten zu senden:


Fälle 1 und 7: <strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. Alexander <strong>von</strong> <strong>Ziegler</strong><br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19<br />

Postfach 6333<br />

8023 Zürich<br />

Fälle 2 und 8: <strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Bratschi Emch & Partner<br />

Bahnhofstrasse 106<br />

Postfach 7689<br />

8023 Zürich<br />

Fälle 3 und 9: <strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Bank Julius Baer<br />

Bahnhofstrasse 36<br />

Postfach<br />

8010 Zürich<br />

Fälle 4 und 10: <strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Homburger Rechtsanwälte<br />

Weinbergstrasse 56/58<br />

Postfach 338<br />

8035 Zürich<br />

Fälle 5 und 11: <strong>Dr</strong>. Kurt Langhard<br />

Roesle Frick & Partner<br />

Bleicherweg 18<br />

Postfach 2745<br />

8022 Zürich<br />

Fälle 6 und 12: <strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Oberassistenz für Handels- und Wirtschaftsrecht<br />

Freiestrasse 15, Büro FRD H5<br />

8032 Zürich<br />

2


Hinweise zur Fallbearbeitung:<br />

1. Die Arbeit umfasst:<br />

Das Deckblatt: Es enthält oben links die Angabe <strong>von</strong> Name, Vorname, Adresse, Telefonnummer,<br />

Semesterzahl und Studienrichtung (oec./iur.) des Verfassers. In der Mitte ist der Titel der Veranstaltung,<br />

die Nummer des bearbeiteten Falles und der Name des Dozenten anzugeben.<br />

Ein Inhalts-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis.<br />

Den Sachverhalt (Fotokopie des bearbeiteten Übungsfalles).<br />

Die Lösung des Falles.<br />

Datum und Unterschrift auf der letzten Seite.<br />

Die Arbeit darf den Umfang <strong>von</strong> 15 Schreibmaschinenseiten (keine enge Zeilenschaltung) nicht<br />

überschreiten. Es sind Seitenzahlen anzubringen.<br />

2. Die Blätter sollen nur auf einer Seite beschrieben werden; rechts ist ein breiter Rand (mindestens<br />

5 cm) für Korrekturen freizulassen.<br />

3. Die Arbeit ist durch Titel und Abschnitte klar zu gliedern. Der Aufbau soll den Gedankengang<br />

widerspiegeln.<br />

4. Die Sprache ist möglichst klar zu halten. Dem gut verständlichen Satzbau, der einwandfreien<br />

Orthographie und der sorgfältigen Interpunktion ist grosse Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

5. Die Zitierweise soll einheitlich und korrekt sein. Bsp.: GAUCH, PETER/SCHLUEP, WAL-<br />

TER R./SCHMID, JÖRG/REY, HEINZ: Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2 Bde.,<br />

8.A., Zürich 2003. Das vollständige Zitat eines Werkes hat nur im Literaturverzeichnis zu erfolgen.<br />

Innerhalb des Textes kann abgekürzt werden, sofern sich dadurch keine Verwechslungen ergeben.<br />

6. Das Literaturverzeichnis hat sämtliche zitierten Kommentare, Lehrbücher, Zeitschriftenaufsätze<br />

usw. in alphabetischer Reihenfolge der Verfassernamen zu enthalten. Nicht aufzuführen sind Gesetze<br />

und Gerichtsentscheide.<br />

7. Unnötige, verallgemeinernde und weitschweifige Ausführungen sind generell zu vermeiden. Bei<br />

der Lösung des Falles ist strikt vom vorgegebenen Sachverhalt auszugehen. Dieser darf nicht<br />

durch Hypothesen ergänzt werden. Es sollen keine Fragen beantwortet werden, die nicht in der<br />

Aufgabenstellung enthalten sind und nichts zur Lösung des Falles beitragen.<br />

8. Der Fall ist aufgrund des Gesetzes zu bearbeiten. Wo das Gesetz auslegungsbedürftig ist oder<br />

Lücken aufweist, müssen Literatur und Judikatur zu Hilfe gezogen werden.<br />

9. Ferner halte man sich an die Empfehlungen (insbesondere zum Plagiat!) in: FORSTMOSER, PE-<br />

TER/OGOREK, REGINA: Juristisches Arbeiten, 3.A., Zürich 2003.<br />

10. Eine individuelle Fallbearbeitung ist Bedingung. Gruppenarbeiten werden nicht akzeptiert.<br />

Ökonomen werden gebeten, den Seminarschein beizulegen.<br />

3


Gruppeneinteilung/Zeitplan SS 2005<br />

Do, 31. März 2005<br />

Do, 7. April 2005<br />

Do, 14. April 2005<br />

Do, 21. April 2005<br />

Do, 28. April 2005<br />

Do, 5. Mai 2005<br />

Do, 12. Mai 2005<br />

Do, 19. Mai 2005<br />

Do, 26. Mai 2005<br />

Do, 2. Juni 2005<br />

Do, 9. Juni 2005<br />

Do, 16. Juni 2005<br />

Do, 23. Juni 2005<br />

Do, 30. Juni 2005<br />

<strong>von</strong> <strong>Ziegler</strong> Arpagaus Degrandi<br />

(Fälle 1 + 7) (Fälle 2 + 8) (Fälle 3 + 9)<br />

C/1 A/2 B/3<br />

A/1 B/2 C/3<br />

4<br />

Lambert<br />

(Fälle 4 + 10)<br />

Langhard<br />

(Fälle 5 + 11)<br />

<strong>Schlauri</strong><br />

(Fälle 6 + l2)<br />

A/4 B/5 C/6<br />

B/6<br />

B/4 C/5 A/6<br />

Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt<br />

B/1 C/2 A/5<br />

C/7 A/3<br />

A/9 C/4 B/12<br />

B/9 A/10 C/12<br />

A/7 C/8 B/11<br />

A/8 C/9 B/10<br />

B/8 C/10 A/11<br />

B/7 C/11 A/12


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. Alexander <strong>von</strong> <strong>Ziegler</strong><br />

Fall Nr. 1<br />

Beschädigtes Frachtgut<br />

Die Olm Ltd. mit Sitz in London schloss mit der Licht und Form AG mit Sitz in Bern am<br />

10. Januar 2005 in Zürich einen Kaufvertrag über 500'000 Weihnachtskugeln, die <strong>von</strong> Bern<br />

nach London geliefert werden sollten.<br />

Nach erfolgreichem Abschluss der Kaufverträge, schloss die Licht und Form AG gegen den<br />

Willen der Olm Ltd. einen Vertrag mit Transporteur Troheim mit Sitz in Basel ab, der in der<br />

Branche für seine Unzuverlässigkeit bekannt war. Dieser sollte die Weihnachtskugeln per<br />

Lastwagen nach London transportieren. Die Olm Ltd. und Troheim vereinbarten schriftlich<br />

ein Umladeverbot, das jedoch keinen Niederschlag in den Frachtpapieren fand. Weiter vereinbarten<br />

sie eine Lieferung bis spätestens den 30. Juni 2005.<br />

Die Zahlung sollte zu 100% mittels unwiderruflichem Akkreditiv gegen Vorlage der Dokumente<br />

bis spätestens den 20. Juni 2005 erfolgen (Ablaufdatum des Akkreditivs 20. Juni 2005).<br />

Dabei wurde vereinbart und im Akkreditiv vermerkt, dass in den Frachtpapieren festgehalten<br />

wird, dass die Ware spätestens am 15. Juni 2004 verladen sein müsse.<br />

Die Weihnachtskugeln wurden am 13. Juni 2005 unter Beisein <strong>von</strong> Transporteur Troheim<br />

sicher und fachgerecht in den Lastwagen verladen und erreichten ohne Zwischenfälle Basel.<br />

Am 15. Juni 2005 verlud Troheim die Ware in Basel auf die MS Helvetia, um sie nach London<br />

zu verschiffen.<br />

In London angekommen wurde die Ware am 20. Juni 2005 gelöscht und auf einen neuen<br />

Transporter geladen. Im Werk angekommen, wurde die Ware am 25. Juni 2005 vom Vertreter<br />

der Olm Ltd. ohne Kontrolle der Anzahl Kartons gegengezeichnet. Beim Auspacken der Ware<br />

am 30. Juni 2005 im Lager der Olm Ltd. wurde festgestellt, dass nicht wie vereinbart<br />

500’000, sondern bloss 473’000 Weihnachtskugeln geliefert worden waren. In den unversehrten<br />

Kartons fehlten nämlich jeweils einige Innenkartons. Dementsprechend war es weder<br />

beim Löschen der Ware im Hafen noch bei der Abnahme im Werk <strong>von</strong> aussen erkennbar gewesen,<br />

dass ein Teil der Ware fehlte. Aufgrund <strong>von</strong> Stichproben wurde weiter festgestellt,<br />

dass mindestens 120 Kartons beschädigt und dementsprechend mindestens 12'000 Kugeln<br />

zerbrochen waren. Grund hiefür waren einerseits die <strong>von</strong> aussen gut erkennbare unsachgemässe<br />

Verpackung <strong>von</strong>seiten der Licht und Form AG und zum anderen falscher Umgang mit<br />

der Ware beim Umladen auf das Schiff durch Troheim. Mit Meldung vom 12. Juli 2005 hielt<br />

die Olm Ltd. den Transporteur Troheim und die Licht und Form AG haftbar.<br />

Am 20. Juni 2005 versuchte der Vertreter der Licht und Form AG das Akkreditiv bei der avisierenden<br />

Bank einzulösen und stellte fest, dass der Name und die Anschrift des Empfängers<br />

bei Frachtbrief und Akkreditiv nicht übereinstimmten. Statt Kaufhaus des Nordens, lautete der<br />

Name auf dem Akkreditiv Kaufhaus des Westens. Die avisierende Bank leistete Zahlung unter<br />

Vorbehalt.<br />

5


Alle Verträge unterstehen Schweizer Recht, sollte dennoch nationales ausländisches Recht zur<br />

Anwendung kommen, so ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass es dem Schweizer Recht entspricht.<br />

Fragen<br />

a) Welche Ansprüche hat die Olm Ltd. gegenüber der Licht und Form AG und dem Transporteur<br />

Troheim?<br />

b) Welche Ansprüche hat die Licht und Form AG gegen Transporteur Troheim?<br />

c) Was könnte die Licht und Form AG tun, wenn die avisierende Bank die Leistung verweigert<br />

hätte, obwohl ihr bekannt war, dass die Ware an den richtigen Empfänger abgeliefert<br />

worden war.<br />

6


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Fall Nr. 2<br />

Gut gemeinte Hilfe?<br />

Die Fast-Advertising AG ist eine 1990 gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz in Wattwil<br />

(SG), welche die Erbringung <strong>von</strong> Mediendienstleistungen, den Betrieb <strong>von</strong> Verlagsgeschäften<br />

sowie die Herstellung und den Vertrieb <strong>von</strong> Produkten der Werbebranche bezweckt. Die<br />

Mango Directory AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich, welche die Produktion<br />

und Herausgabe <strong>von</strong> Adressverzeichnissen bezweckt. Sie existiert seit 1979.<br />

Beide Gesellschaften akquirieren über ein Aussendienstmitarbeiter-Netz in der ganzen<br />

Schweiz Inseratekunden. Zwischen der Mango Directory AG und der Fast-Advertising AG<br />

herrscht ein rauher Wettbewerb um jeden Kunden.<br />

Gestützt auf eine im September 2000 mit der Mangoworld AG, einer Tochtergesellschaft eines<br />

grossen und bekannten börsenkotierten Unternehmens in der Schweiz, abgeschlossene<br />

Vereinbarung sollte deren Internetportal www.mangoworld.ch exklusiv das Fast-Advertising<br />

Branchenverzeichnis aufschalten. Gemäss dieser Vereinbarung mit der Mangoworld AG wurde<br />

der Fast-Advertising zudem das Recht eingeräumt, bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit als<br />

Partner der Mangoworld AG bzw. deren sehr bekannten und börsenkotierten Muttergesellschaft<br />

aufzutreten und in ihren Werbeunterlagen auf diese Partnerschaft hinzuweisen.<br />

Fast-Advertising schloss in den Jahren 2000 bis 2002 zahlreiche Insertionsverträge mit einer<br />

festen Laufzeit <strong>von</strong> 5 Jahren ab. Gemäss dem Standard-Insertionsvertrag mit ihren Kunden<br />

verpflichtete sich Fast-Advertising unter anderem, ihre Datenbank und Infrastruktur dem<br />

Kunden entgeltlich zur Verfügung zu stellen, indem Fast-Advertising die ihr vom Kunden<br />

übergebenen Daten speichert und für Online-Benutzer im World Wide Web exklusiv auf der<br />

URL www.mangoworld.ch zum Abruf bereit hält. Gemäss dem Vertrag ist Fast-Advertising<br />

zudem ermächtigt, die Daten der Kunden an <strong>Dr</strong>itte weiter zu geben, insbesondere die Fast-<br />

Advertising Datenbank in zusätzliche Daten- und Kommunikationsnetze einzuspeisen oder<br />

eine solche Einspeisung nach eigenem Ermessen einzustellen.<br />

Im Dezember 2001 kündigte die Mangoworld AG ihre Vereinbarung mit Fast-Advertising per<br />

30. Juni 2002. Im März 2002 publizierte die Mangoworld AG zudem eine Pressemitteilung,<br />

wonach sie ihr Web-Portal einstelle.<br />

Im Frühjahr 2002 gingen bei der Fast-Advertising zahlreiche sehr ähnlich lautende Schreiben<br />

ein, mit welchen Kunden ihren Insertionsvertrag wegen Willensmängeln anfochten bzw. kündigten.<br />

Es stellte sich heraus, dass diese Kunden <strong>von</strong> Aussendienstmitarbeitern der Mango<br />

Directory AG folgenden Musterbrief zur Auflösung des Insertionsvertrages erhalten hatten:<br />

7


„Einschreiben<br />

Fast Advertising AG<br />

Haltenstrasse 1<br />

…. Wattwil<br />

(Ort/Datum)<br />

Kündigung Insertionsvertrag Nr. […]<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Ich habe am (Datum) mit Ihrem Mitarbeiter (Vorname/Name) einen Insertionsvertrag<br />

unterschrieben, und zwar mit der festen Absicht und nach ausdrücklicher<br />

Rückbestätigung durch Ihren Verkäufer, auf dem Portal<br />

www.mangoworld.ch zu erscheinen. Nach der Pressemitteilung der Mangoworld<br />

AG vom 10. März 2002, wonach diese ankündigt, das Portal einzustellen,<br />

stelle ich nun fest, dass die <strong>von</strong> Ihrer Verkaufsorganisation vorgebrachte<br />

Argumentation, welche mich zur Unterschrift des Vertrages veranlasste, unzutreffend<br />

ist.<br />

Da der Verkäufer wusste bzw. wissen musste, dass meine Firmenpräsenz gar<br />

nicht mehr auf dem Portal www.mangoworld.ch erscheinen konnte, wurde<br />

ich durch Vorenthalten <strong>von</strong> korrekten Informationen willentlich getäuscht.<br />

Gestützt auf Art. 23 ff., insbesondere Art. 28 OR fechte ich deshalb hiermit<br />

den Vertragsschluss an, trete per sofort vom Insertionsvertrag Nr. … vom<br />

(Datum) zurück und distanziere mich in aller Form <strong>von</strong> derartigen Verkaufspraktiken.<br />

Ich behalte mir sämtliche weiteren Rechte ausdrücklich vor.<br />

Freundliche Grüsse<br />

(Kunde)“<br />

Insgesamt lösten über 100 Kunden, welche ihren Vertrag mit der Fast-Advertising AG in der<br />

Zeit zwischen Januar 2001 und Juni 2002 abgeschlossen hatten, den Vertrag mittels dieses<br />

Schreibens auf.<br />

Am 28. Juni 2002 versandte die Fast-Advertising AG ein Rundschreiben an alle ihre Kunden,<br />

worin sie diese darüber informierte, dass aus www.mangoworld.ch neu www.bingo24.ch<br />

werde, da die Mangoworld AG das Portal www.mangoworld.ch schliessen werde. Die Kunden<br />

würden deshalb ab 1. Juli 2002 neu in verschiedenen namhaften Portalen aufgeschaltet<br />

sein.<br />

Die Fast-Advertising ist der Meinung, dass das Verhalten der Mango Directory-Mitarbeiter<br />

widerrechtlich sei; die Mango Directory AG bestreitet dies.<br />

1) Versetzen Sie sich als Rechtsanwalt nach Ihrer Wahl in die Position <strong>von</strong> Fast-<br />

Advertising oder <strong>von</strong> Mango Directory und begründen Sie ihre Klage bzw. ihre Klageantwort.<br />

2) Wie beurteilen Sie die Erfolgschancen der beiden Parteien aus neutraler Optik? Begründen<br />

Sie Ihre Einschätzung.<br />

8


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Fall Nr. 3<br />

Treuhandkonto<br />

Regina Treulich, eine erfolgreiche und wohlhabende Industrielle, unterhält bei der Bank<br />

Scheffel ein zu ihrem Privatvermögen gehörendes grösseres Wertschriftendepot samt Kontokorrenten<br />

in verschiedenen Währungen. Um die Verfügbarkeit dieser Vermögenswerte im<br />

Falle einer Handlungsunfähigkeit oder –verhinderung sicherzustellen, beschliesst sie, Depot<br />

und Konten treuhänderisch auf ihren langjährigen Berater Rechtsanwalt X. Ander zu übertragen.<br />

Dieser eröffnet deshalb bei der Bank Scheffel ein Wertschriftendepot und entsprechende<br />

Konten unter der einheitlichen Stammnummer „20TRUST05“ und mit der Bezeichnung „RA<br />

X. Ander, Treuhandkonto R. Treulich“. Als wirtschaftlich an den Vermögenswerten berechtigt<br />

bezeichnet Ander gegenüber der Bank auf dem so genannten Formular A (gemäss Sorgfaltspflichtvereinbarung<br />

der Banken) Regina Treulich. Auf dieses Treuhandkonto lässt Regina<br />

Treulich in der Folge sämtliche <strong>von</strong> ihr bei der Bank Scheffel gehaltenen Werte übertragen.<br />

Das auf ihren eigenen Namen lautende Konto wird schliesslich gelöscht.<br />

Vor der Eröffnung des Treuhandkontos schliesst Ander mit Treulich einen schriftlichen Treuhandvertrag,<br />

welcher vollumfänglich den Anforderungen gemäss dem Merkblatt „Treuhandverhältnisse“<br />

der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom Oktober 1967, Nachdruck 1993,<br />

entspricht. Insbesondere wird in dem Vertrag festgehalten, dass Ander eine jährliche Treuhandkommission<br />

<strong>von</strong> 0.2 Prozent vom jeweiligen Konto- und Depotwert zusteht, welche jeweils<br />

zum Ende eines Kalenderquartals pro rata temporis dem Treuhandkonto zu belasten ist.<br />

In der Folge lässt Ander regelmässig per Quartalsende die Kommission dem Konto belasten.<br />

Den schriftlichen Treuhandvertrag kennt die Bank Scheffel nicht.<br />

Nach einiger Zeit verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Regina Treulich und Rechtsanwalt<br />

Ander, weil erstere vermutet, letzterer vermische das Treugut in unzulässiger Weise<br />

mit eigenem Gut. Es kommt schliesslich zum offenen Zerwürfnis zwischen den beiden. Regina<br />

Treulich kündigt deshalb mit eingeschriebenem Brief (LSI) vom 30. März das Treuhandverhältnis<br />

mit sofortiger Wirkung und verlangt <strong>von</strong> Ander Rechenschaft sowie Herausgabe<br />

der Vermögenswerte. Ander erhält den Brief am 31. März.<br />

Gleichzeitig teilt Regina Treulich der Bank Scheffel, mit welcher sie seit der Schliessung ihres<br />

früheren Kontos persönlich keinen Kontakt mehr hatte, schriftlich mit, sie habe das Treuhandverhältnis<br />

mit Rechtsanwalt Ander mit sofortiger Wirkung gekündigt und beanspruche<br />

„meine Vermögenswerte“; jedenfalls verbiete sie der Bank unter Vorbehalt rechtlicher Schritte,<br />

irgendwelche Instruktionen Anders auszuführen. Das Schreiben geht am 1. April bei der<br />

Adressatin ein. Die Bank bittet Rechtsanwalt Ander um Stellungnahme. Dieser widersetzt sich<br />

der Forderung Treulichs und beharrt gegenüber der Bank Scheffel auf seiner Stellung als Vertragspartner<br />

und Kontoinhaber. Zudem verbietet er der Bank ausdrücklich, mit Treulich über<br />

das Konto und Depot zu korrespondieren. Die pro-rata-Treuhandkommission wurde mit Valuta<br />

31.3. dem Treuhandkonto belastet und auf das Bankkonto Rechtsanwalt Anders bei einer<br />

anderen Bank überwiesen. Die Wertschriften des Treuhanddepots wurden seit der Eröffnung<br />

mehrfach umgesetzt, und bei den Konten wurde mehrmals der Saldo gezogen.<br />

9


Aufgabe<br />

Beantworten Sie die folgenden Fragen und begründen Sie Ihre Antworten:<br />

1. Wem stehen die Vermögenswerte bei der Bank Scheffel zu, d.h. wer kann <strong>von</strong> dieser die<br />

Herausgabe der Depotwerte und die Erfüllung der Forderungen verlangen?<br />

2. Welche Risiken hat die Bank Scheffel, und was kann sie zu ihrem Schutz tun?<br />

3. Variante 1: Wie verhält es sich, wenn Treulich sich zu Quartalsbeginn ohne vorherige<br />

Kündigung des Treuhandvertrages gegenüber Ander direkt an die Bank Scheffel wendet<br />

und <strong>von</strong> dieser ohne Wissen Anders die Herausgabe und Vergütung der Vermögenswerte<br />

verlangt?<br />

4. Variante 2: Wie verhält es sich, wenn die Bank Scheffel Treulich bezüglich der Strukturierung<br />

ihrer Bankbeziehung berät, ihr die Treuhandkonto-Konstruktion und Ander als<br />

Treuhänder empfiehlt, ihr dabei zusichert, man werde „ein Auge auf das Treuhandkonto<br />

werfen und schauen, dass alles ordnungsgemäss abgewickelt“ werde, und Treulich<br />

schliesslich bis zum Zerwürfnis mit Ander regelmässig (mit dessen Zustimmung) bei der<br />

Bank Scheffel vorspricht, um in das Treuhandkonto Einblick zu nehmen?<br />

10


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Fall Nr. 4<br />

Gute Zeiten, schlechte Zeiten<br />

Huber ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma „Huber comestibles“.<br />

Neben Huber ist auch seine Tochter Anna im elterlichen Geschäft in Zürich tätig und als einzelunterschriftsberechtigt<br />

im Handelsregister eingetragen. Anna ist daneben auch Verwaltungsrätin<br />

verschiedener Aktiengesellschaften, die im Bereich des Detailhandels tätig sind.<br />

Als solche ist sie ebenfalls im Handelsregister eingetragen. Hubers jüngere Tochter Elsa arbeitet<br />

nicht im elterlichen Geschäft. Sie hat schon früh einen anderen Weg gewählt: sie hat<br />

sämtliche Schulen im Welschland absolviert und hat soeben ihr juristisches Studium an der<br />

Uni Genf mit Bravour abgeschlossen.<br />

Wegen des äusserst gut gelaufenen Weihnachtsgeschäftes im Jahr 2003, entschied sich Huber<br />

für das Weihnachtsgeschäft 2004 mit einem neuen, modernen Standort in der Innenstadt die<br />

immer grösser werdende Kundschaft zu bedienen. Anfangs Januar 2004 schloss Huber als<br />

Mieter einen Geschäftsmietvertrag betreffend eines neuen Ladenlokals an der Fischgasse ab.<br />

Unter grossem Zeitdruck handelte Huber danach mit der Finanz AG einen Darlehensvertrag<br />

aus, den er vor Ende Januar abschoss, um die dringend anstehende Geschäftserweiterung zu<br />

finanzieren. Gleichzeitig unterzeichnete er eine Schuldanerkennung für die zu bezahlenden<br />

Darlehenszinsen. Kurz vor Unterzeichnung verlangte die Finanz AG, dass ausser Vater Huber<br />

die beiden Töchter Anna und Elsa den Darlehensvertrag und die Schuldanerkennung als Solidarschuldnerinnen<br />

bzw. solidarisch zu unterzeichnen hätten, was in einer Wochenendaktion<br />

auch geschah. Die Schuldanerkennung gibt den Wortlaut <strong>von</strong> Artikel 143, 144 und 147 OR<br />

wieder.<br />

In der Folge erwies sich, dass der Verlauf der Geschäfte im Jahre 2004 nicht den Erwartungen<br />

entsprach und Huber nicht mehr in der Lage war, die Darlehenszinsen zu bezahlen.<br />

Die Finanz AG kommt nun zu Ihnen und möchte wissen, gegen wen sie welche Ansprüche<br />

hat. Mit welchen Risken diese behaftet sind und wie sie am besten durchzusetzen sind.<br />

11


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Kurt Langhard<br />

Fall Nr. 5<br />

Arabia Felix<br />

In der Anwaltskanzlei Friedli, bei der Sie als Substitut beschäftigt sind, trifft am 25. Juli 2005<br />

folgendes mit "dringend" markiertes E-Mail der Saladin Bank aus Abu Dhabi ein.<br />

"Wir teilen Ihnen mit, dass wir auftrags unserer Kundin, der Arabia Felix in Dubai, im<br />

Zusammenhang mit Lieferungen <strong>von</strong> Schafen in die Golfstaaten Akkreditive im Gesamtumfang<br />

<strong>von</strong> über US$ 30 Mio. eröffnet haben. Mitte Mai 2005 wurden wir erstmals auf<br />

gewisse Unregelmässigkeiten aufmerksam. Wie wir heute <strong>von</strong> der Arabia Felix und der<br />

Staatsanwaltschaft Abu Dhabi erfahren, sind hochrangige Angestellte der Arabia Felix in<br />

umfangreiche Betrugsmanöver verwickelt. Die für die Machenschaften Verantwortlichen<br />

haben sich nach Pakistan abgesetzt.<br />

Die erwähnten Angestellten der Arabia Felix haben mit ungetreuen Angestellten verschiedener<br />

Exporteure umfangreiche Scheingeschäfte inszeniert, indem gefälschte Warenpapiere<br />

über nichtexistente Lieferungen ausgestellt wurden, wobei die Zahlung dieser fiktiven<br />

Lieferungen über Akkreditive erfolgte. Die Zahlungen durch die bestätigenden Banken<br />

wurden <strong>von</strong> den Mittätern bei den Exporteuren hälftig für sich behalten und hälftig den<br />

für den Betrug verantwortlichen Angestellten der Arabia Felix auf Konten in Pakistan<br />

vergütet.<br />

<strong>Dr</strong>ei noch pendente unwiderrufliche Akkreditive mit aufgeschobener Zahlung wurden <strong>von</strong><br />

Schweizer Banken bestätigt. Wir lassen Ihnen per Kurier die entsprechende Dokumentation<br />

zukommen und bitten Sie, unverzüglich sämtliche Massnahmen zu treffen, um Auszahlungen<br />

oder Bevorschussungen zu verhindern. Sollten bereits solche erfolgt sein, bitten<br />

wir Sie um Ihren Rat, wie wir die Regressansprüche unserer Korrespondenzbanken erfolgreich<br />

abwehren können."<br />

Gleichentags geht per Kurier die Dokumentation über die drei Akkreditive ein. Partner Friedli<br />

behändigt die Akten und markiert die ihm wichtig erscheinenden Passagen. Dann übergibt er<br />

die Unterlagen Ihnen mit dem Auftrag, bis morgen eine Auslegeordnung vorzunehmen, die<br />

Rechtslage zu analysieren und Lösungsvorschläge zu präsentieren.<br />

Alle drei Dossiers enthalten den gleichen Standardbrief der Saladin Bank vom 17. Mai 2005<br />

an die bestätigenden Banken, der unter Bezugnahme auf das jeweilige Akkreditiv wie folgt<br />

lautet:<br />

12


"Wir verfügen über Anhaltspunkte, dass Ihnen gefälschte Dokumente vorgelegt werden<br />

könnten, und ersuchen Sie um die gebotene Aufmerksamkeit."<br />

In den Dossiers der drei Akkreditive hat Rechtsanwalt Friedli folgendes markiert:<br />

1. Akkreditiv Nr. 123:<br />

Bestätigende Bank: Bank Aquila, Chiasso<br />

Begünstigte: Pecora Gran Sasso, Sulmona<br />

Betrag: US$ 2 Mio.<br />

Vorlegung der Dokumente: spätestens am 30. Mai 2005<br />

Fälligkeit: 31. Juli 2005<br />

Brief Bank Aquila an Saladin Bank vom 26. Mai 2005:<br />

"Wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens vom 17. Mai 2005 und senden Ihnen in<br />

der Beilage die am 23. Mai 2005 aufgenommenen Dokumente. Bei Fälligkeit werden<br />

wir ohne konkrete Hinweise Ihrerseits das Akkreditiv honorieren, da unsere Verpflichtung<br />

abstrakt vom Grundgeschäft ist."<br />

Brief Bank Aquila an Saladin Bank vom 21. Juli 2005:<br />

"Auf unser Schreiben vom 26. Mai 2005 haben wir <strong>von</strong> Ihnen keine Nachricht mehr<br />

erhalten. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass das Akkreditiv 123 am 31. Juli<br />

2005 fällig wird."<br />

2. Akkreditiv Nr. 456:<br />

Bestätigende Bank: Bank Wolf, Zürich<br />

Begünstigte: Down Under Lamb, Sidney<br />

Betrag: US$ 3 Mio.<br />

Vorlegung der Dokumente: spätestens am 31. Juli 2005<br />

Fälligkeit: 31. Oktober 2005<br />

Brief Bank Wolf an Saladin Bank vom 26. Juni 2005:<br />

"Wir bestätigen Ihnen den Eingang Ihres Schreibens vom 17. Mai 2005. Wie uns unsere<br />

Kundin Down Under Lamb auf Rückfrage versichert, hat sie die Ware ordnungsgemäss<br />

verschifft. Wir werden deshalb die Dokumente bei Präsentation aufnehmen<br />

und das Akkreditiv bei Verfall honorieren."<br />

Brief Saladin Bank an Bank Wolf vom 29. Juni 2005:<br />

"Wir ersuchen Sie dringend, keine Ansprüche unter Akkreditiv 456 zu honorieren. Der<br />

Verdacht hat sich erhärtet, dass Angestellte unserer Auftraggeberin Arabia Felix zu-<br />

13


sammen mit Angestellten verschiedener Akkreditivbegünstigter, zu denen nach unseren<br />

Informationen an vorderster Stelle solche bei der Down Under Lamb gehören, ein<br />

Betrugsmanöver <strong>von</strong> grösstem Umfang ausgeführt haben. Die Ermittlungen der Strafuntersuchungsbehörden<br />

in Dubai und Abu Dhabi sind im vollen Gange. Sollten Sie<br />

das Akkreditiv dennoch honorieren, müssten wir Ihnen den Regress verweigern."<br />

Brief Bank Wolf an Saladin Bank vom 5. Juli 2005:<br />

"Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir ungeachtet Ihres Schreibens vom<br />

29. Juni 2005 nicht umhin kommen, unsere Akkreditiv-Verpflichtung gegenüber unserer<br />

Kundin Down Under Lamb nach Vorlegung akkreditivkonformer Dokumente bei<br />

Fälligkeit zu erfüllen. Wie Sie als international tätige Bank wissen, ist die Verpflichtung<br />

einer Bank unter einem Akkreditiv 'nicht abhängig <strong>von</strong> Gegenansprüchen oder<br />

Einreden des Auftraggebers, die sich aus seinen Beziehungen zur eröffnenden Bank<br />

oder zum Begünstigten ergeben'. Um solche unzulässigen Einreden würde es sich<br />

handeln, wenn wir Ihre Vorbringen der Begünstigten bei Verfall entgegenhielten.<br />

3. Akkreditiv Nr. 789:<br />

Bestätigende Bank: Banque Renard, Genf<br />

Begünstigte: Live Stock, Chicago<br />

Betrag: US$ 8 Mio.<br />

Vorlegung der Dokumente: spätestens am 30. Mai 2005<br />

Fälligkeit: 29. August 2005<br />

Brief Banque Renard an Saladin Bank vom 21. Mai 2005:<br />

"Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 17. Mai 2005 und teilen Ihnen mit, dass wir<br />

die Dokumente unter dem Akkreditiv 789 bereits am 14. Mai 2005 aufgenommen und<br />

das Akkreditiv gleichentags gegenüber unserer Kundin bevorschusst haben. Wir erwarten<br />

deshalb Ihre Vergütung des Akkreditivbetrages per 29. August 2005."<br />

Sie greifen reflexartig zum OR. Zu Ihrer Erleichterung rutscht aus einem der drei Dossiers das<br />

Handexemplar der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive,<br />

ERA 500, Revision 1993, <strong>von</strong> Rechtsanwalt Friedli, das er offenbar bei der Sichtung der Akten<br />

benutzt hatte. Sie setzen sich hinter die Akten, Bücher und BGE und bereiten sich auf eine<br />

lange Nacht im Büro vor.<br />

14


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Fall Nr. 6<br />

Kapitalerhöhung<br />

Die Stiftung A besitzt 4'500 Namenaktien der B AG, einer Produzentin <strong>von</strong> Stickereimaschinen,<br />

im Nennwert <strong>von</strong> je 1'000 Franken. Auf den 10. Juli 2004 berief der Verwaltungsrat der<br />

B AG eine Generalversammlung ein. Der Einladung hatte der Verwaltungsrat einen schriftlichen<br />

Bericht beigefügt, in dem es u. a. hiess:<br />

„Der Verwaltungsrat beantragt die Aufnahme einer genehmigten Kapitalerhöhung in die Statuten.<br />

Grundsätzlich geht er da<strong>von</strong> aus, den Aktionären zu gegebener Zeit ein Bezugsrecht<br />

einzuräumen. Es sind jedoch, insbesondere im Zusammenhang mit der Erweiterung der Aktivitäten<br />

im Ausland, Fälle denkbar, die es angezeigt erscheinen lassen, dem Verwaltungsrat im<br />

Interesse der Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, das Bezugsrecht - ganz oder teilweise –<br />

auszuschliessen. Dies seien insbesondere Übernahmen <strong>von</strong> Unternehmen, Unternehmensteilen,<br />

Beteiligungen oder Aktienplatzierungen für die Finanzierung derartiger Transaktionen.<br />

Der Verwaltungsrat wird der Generalversammlung nach Inanspruchnahme genehmigten Kapitals<br />

über die Gründe der hinsichtlich des Bezugsrechts getroffenen Entscheidung und über<br />

den festgesetzten Ausgabepreis berichten."<br />

Gestützt auf den Bericht beantragte der Verwaltungsrat der Generalversammlung, § 4 der Statuten<br />

wie folgt zu ändern:<br />

„Der Verwaltungsrat ist ermächtigt, bis zum 30. Juni 2006 durch Ausgabe neuer Aktien, gegebenenfalls<br />

auch unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, das Aktienkapital durch<br />

Ausgabe <strong>von</strong> voll zu liberierenden Namenaktien <strong>von</strong> je 1'000.- Fr. Nennwert <strong>von</strong> 75‘000'000<br />

auf 100'000'000 Fr. gegen Bar oder Sacheinlage zu erhöhen. Eine Erhöhung in Teilbeträgen<br />

ist gestattet. Der Ausgabepreis wird durch den Verwaltungsrat bestimmt. Die Aktien sind zur<br />

Platzierung bei den bisherigen Aktionären vorgesehen. Der Verwaltungsrat ist jedoch berechtigt,<br />

das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschliessen und <strong>Dr</strong>itten zuzuweisen. Aktien, für die<br />

Bezugsrechte eingeräumt, aber nicht ausgeübt werden, stehen zur Verfügung des Verwaltungsrats,<br />

der diese im Interesse der Gesellschaft verwendet.“<br />

Die Generalversammlung beschloss am 10. August 2004 zu diesem Punkt mit 14'030 gegen<br />

4'633 Stimmen wie beantragt. Gegen den Beschluss hatte unter anderem der Vertreter der A<br />

gestimmt.<br />

Frage 1<br />

Der Stiftungsrat der Stiftung A ist der Auffassung, der Verwaltungsrat der B habe es versäumt,<br />

einen den Anforderungen des Gesetzes genügenden schriftlichen Bericht über den<br />

Grund für den Bezugsrechtsausschluss vorzulegen. Auch habe er mit der Formulierung der<br />

Statutenbestimmung den in Rechtsprechung und Literatur aufgestellten materiellen Voraussetzungen<br />

für einen solchen Ausschluss nicht Genüge getan. Was raten Sie dem Stiftungsrat,<br />

nachdem Sie am 4. September 2004 kontaktiert worden sind?<br />

15


Frage 2<br />

Angenommen, der Stiftungsrat der A hätte damals beschlossen, vorläufig nichts zu unternehmen.<br />

Am 16. Februar 2005 entscheidet der Verwaltungsrat der B AG nun mit 2:1 Stimmen, das<br />

Aktienkapital in Ausübung seiner im letzten Jahr geschaffenen statutarischen Kompetenz um<br />

15'000'000 Fr. zu erhöhen, um eine Annexion der Erdölhandelsgesellschaft C zu finanzieren.<br />

Hierzu entzieht der Verwaltungsrat allen bisherigen Aktionären die Bezugsrechte. Die C befindet<br />

sich bis anhin in der Hand der D AG, die wiederum dem X gehört, der Mehrheitsaktionär<br />

der B AG ist und auch in deren Verwaltungsrat sitzt.<br />

Der Stiftungsrat, der seinerseits durch sein Mitglied Y im Verwaltungsrat der B AG vertreten<br />

ist (der den Beschluss im Übrigen als einziger abgelehnt hat), erfährt <strong>von</strong> dem Beschluss. Er<br />

ist zusammen mit Y der Meinung, die C AG sei rund acht Prozent überbewertet, weshalb <strong>von</strong><br />

dieser Transaktion mit dem vorgesehenen Austauschverhältnis unbedingt abgesehen werden<br />

müsse. Im Weiteren sei nicht einzusehen, weshalb sich die B AG nun plötzlich auch im Erdölhandel<br />

betätigen solle.<br />

Welche Möglichkeiten hat der Stiftungsrat, die Interessen der Stiftung A zu wahren?<br />

16


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>PD</strong> <strong>Dr</strong>. Alexander <strong>von</strong> <strong>Ziegler</strong><br />

Fall Nr. 7<br />

Schwieriger Kabeltransport<br />

Für diverse Grossprojekte in der Schweiz orderte die Gleiss AG mit Sitz in Zug, 20’000 Meter<br />

Glasfaserkabel bei der Steel Ltd., mit Sitz in New York, zum Weiterverkauf. Der Preis<br />

wurde auf CHF 10'200'000 festgelegt.<br />

Dabei vereinbarten die Parteien, dass die Kabel in fünf Teillieferungen geliefert werden sollten.<br />

Die erste Teillieferung <strong>von</strong> 10’000 Meter sollte spätestens am 23. Januar 2005, die restlichen<br />

4 Teillieferungen zu je 2’500 Meter sollten jeweils im Monatstakt erfolgen. Auch die<br />

Zahlungen wurden in 5 Raten aufgeteilt. Die erste Rate betrug CHF 2'200'000 und war mit der<br />

ersten Teillieferung fällig, die übrigen Raten sollten jeweils am Datum der jeweiligen Teillieferung<br />

erfolgen.<br />

Weiter vereinbarten sie eine CIF-Lieferung (INCOTERMS 2000) und<br />

„Der Vertrag untersteht Schweizer Recht, Gerichtsstand ist Zug.“.<br />

Daraufhin beauftragte die Steel Ltd. die Pacifsca Shipping GmbH mit Sitz Basel, deren Schiffe<br />

unter Schweizer Flagge segeln, mit dem Transport der Kabel <strong>von</strong> New York nach Rotterdam.<br />

Von Rotterdam sollten die Kabel direkt an die Gleiss AG nach Zug geliefert werden, wo<br />

sie noch auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft werden sollten. Die Kabel wurde <strong>von</strong> Mitarbeitern<br />

der Pacifsca Shipping GmbH unter der Aufsicht <strong>von</strong> Spezialisten der Steel Ltd. in New<br />

York verladen.<br />

Nachdem die erste Teillieferung rechtzeitig geliefert werden konnte, erreichte die zweite Teillieferung<br />

Rotterdam am 2. März 2005 mit einer Woche Verspätung. Ursache hiefür waren<br />

Navigationsfehler der Besatzung, die dazu führten, dass der Kurs in einen Sturm auf hoher<br />

See führte, der verschiedene Defekte am Schiff nach sich zog. Aufgrund <strong>von</strong> Verzögerungen<br />

beim Bau zweier Projekte und des hohen Lagerbestands bei der Gleiss AG, war die verspätete<br />

Lieferung ganz in ihrem Sinne. Nach Lieferung der Ware unterzog sie die Gleiss AG der vereinbarten<br />

Funktionsprüfung. Dabei unterlief Herrn Meier <strong>von</strong> der Gleiss AG jedoch ein Messfehler<br />

und es wurde nicht bemerkt, dass bloss 2’200 Meter statt 2'500 Meter Kabel geliefert<br />

worden waren.<br />

So wurden rechtzeitig am 5. März statt 2'500 Meter 2'200 Meter Kabel an die FLAGG AG<br />

mit Sitz in Cressier, welche Glasfaserkabel bei der Gleiss AG geordert hatte, geliefert.<br />

Bei der dritten Ladung, die am 23. März rechtzeitig im Hafen <strong>von</strong> Rotterdam gelöscht werden<br />

konnte, hatten sich während der Überfahrt <strong>von</strong> New York nach Rotterdam die Waren auf dem<br />

Schiff verschoben. Ein Teil der Kabel wurde dabei beschädigt. Untersuchungen ergaben, dass<br />

die Ursache für das Verschieben und die dadurch verursachte Beschädigungen die falsche<br />

Sicherung der Ware auf dem Schiff war.<br />

17


Als die Ware am 25. März bei der Gleiss AG angeliefert wurde, konnten die Kabel zunächst<br />

nicht geprüft werden, weil die neue Testanlage noch nicht vollständig installiert worden war.<br />

Diese konnte erst am 2. April 2005 in Betrieb genommen werden. Die Prüfung der <strong>von</strong> der<br />

Steel Ltd. gelieferten Kabel verzögerte sich weiter, weil aufgrund der verspäteten Inbetriebnahme<br />

der Prüfstation andere Prüfvorgänge vorrangig behandelt werden mussten. Als die<br />

Kabel schliesslich am 6. April getestet werden konnten, wurde der Schaden festgestellt und<br />

sofort per Fax bei der Steel Ltd. gerügt. Zwei Tage später erhielt die Gleiss AG Meldung <strong>von</strong><br />

der FLAGG AG, dass das gelieferte Kabel zu kurz sei. Im Anschluss an diese Meldung erklärte<br />

die Gleiss AG der Steel Ltd. per e-mail, dass sie die weiteren Raten nicht leisten werde.<br />

Am 3. März 2006 teilte die FLAGG AG der Gleiss AG mit, dass das gelieferte Kabel fehlerhaft<br />

sei. Beim praktischen Einsatz war festgestellt worden, dass die Aussenhülle Haarrisse<br />

aufwies, was insbesondere aufgrund starker Regengüsse zu Schäden geführt hatte.<br />

(Alle Verträge unterstehen Schweizer Recht, sollte dennoch nationales ausländisches Recht<br />

zur Anwendung kommen, so ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass es dem Schweizer Recht entspricht.)<br />

Fragen:<br />

a) Was kann die Steel Ltd. tun und welche Fristen sind zu beachten?<br />

b) Prüfe die Ansprüche der FLAGG AG gegenüber der Gleiss AG und innerhalb welcher<br />

Zeit sind diese geltend zu machen.<br />

c) Welche Ansprüche hat die Gleiss AG und wie verhält es sich mit der Verjährung allfälliger<br />

Forderungen?<br />

18


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Fall Nr. 8<br />

Der gute Geschäftsfreund<br />

Helmut König, ein Deutscher Staatsangehöriger, gründete 1958 in Deutschland die Einzelunternehmung<br />

„König Seminartechnik“. Seine Unternehmung spezialisierte sich auf die technische<br />

Durchführung <strong>von</strong> Konferenzen und Seminarien und war sehr erfolgreich.<br />

In den 80er-Jahren lernte Helmut König den Schweizer Geschäftsmann Max Fuchs kennen,<br />

der in der Schweiz mehrere Gesellschaften, darunter auch zu 100% die Fuchs Consulting AG,<br />

besass. Helmut König und Max Fuchs wurden sowohl geschäftlich wie private gute Freunde.<br />

1988 gründete Helmut König zusammen mit Max Fuchs die König Seminartechnik (Schweiz)<br />

AG mit Sitz in Solothurn. Die König Seminartechnik (Schweiz) AG wurde mit einem Aktienkapital<br />

<strong>von</strong> CHF 100'000, eingeteilt in 100 Inhaberaktien à CHF 1'000 in das Handelsregister<br />

des Kantons Solothurn eingetragen. Als Gründer traten Helmut König, die Fuchs Consulting<br />

AG und der Schweizer André Studhalter, der Treuhänder <strong>von</strong> Max Fuchs, auf. Verwaltungsräte<br />

waren Max Fuchs (Präsident), Helmut König und André Studhalter.<br />

Helmut König zeichnete 79 Aktien, die Fuchs Consulting 20 Aktien und Studhalter (treuhänderisch<br />

für Helmut König) eine Aktie. Max Fuchs erklärte Helmut König, dass Inhaberaktien<br />

<strong>von</strong> schweizerischen Gesellschaften am Sitz der Gesellschaft aufbewahrt werden müssten.<br />

Aus diesem Grund blieben die Aktien <strong>von</strong> Helmut König in den Händen <strong>von</strong> Max Fuchs; einen<br />

schriftlichen Vertrag darüber gibt es nicht.<br />

Im Frühjahr 1990 wurde das Aktienkapital <strong>von</strong> CHF 100'000 auf CHF 200'000 erhöht, wobei<br />

die Erhöhung wiederum zu 80% <strong>von</strong> Helmut König und zu 20% durch die Fuchs Consulting<br />

gezeichnet wurde. Auch diese neu geschaffenen Aktien blieben bei Max Fuchs.<br />

1992 kaufte die König Seminartechnik (Schweiz) AG 80% des Aktienkapitals der dänischen<br />

KTS Konferenztechnik A/S, Kopenhagen. Die KTS entwickelte sich immer mehr zu einer<br />

sehr profitablen Gesellschaft, welche mit der Zeit mehr als 60% des Gewinnes der König Seminartechnik<br />

(Schweiz) AG ausmachte. Max Fuchs sass seit dem Zeitpunkt der Akquisition<br />

als Vertreter der König Seminartechnik (Schweiz) AG im Verwaltungsrat der KTS.<br />

Am 17. Dezember 1997 übertrug Helmut König seine deutsche Einzelunternehmung auf seinen<br />

Sohn, Roland König. Am 8. Januar 2001 verstarb Helmut König. Gemäss seinem Testament<br />

gingen die sich in seinem Nachlass befindenden Aktien der König Seminartechnik<br />

(Schweiz) AG auf seinen Sohn Roland über. Dieser brachte am 30. August 2001 sowohl die<br />

Einzelunternehmung als auch die Aktien der König Seminartechnik (Schweiz) AG als Sacheinlage<br />

in die <strong>von</strong> ihm gegründete König Seminartechnik Deutschland GmbH ein.<br />

Am 10. Februar 2003 unterzeichnete Max Fuchs ein Aktionärsverzeichnis, welches die König<br />

Seminartechnik Deutschland GmbH als Eigentümerin <strong>von</strong> 160 Inhaberaktien (inkl. die treuhänderisch<br />

<strong>von</strong> Studhalter gehaltene Aktie) an der König Seminartechnik (Schweiz) ausweist.<br />

Nach dem Tod <strong>von</strong> Helmut König waren Roland König und Max Fuchs schon bald unterschiedlicher<br />

Auffassung über die allgemeine Ausrichtung der König Seminartechnik<br />

19


(Schweiz) AG. Roland König war zudem erstaunt darüber, dass er über die Aktivitäten der<br />

schweizerischen Gesellschaft nur sporadisch und immer nur im Nachhinein orientiert wurde.<br />

Er verlangte deshalb <strong>von</strong> Max Fuchs, dass dieser ihm die Jahresrechnungen, Generalversammlungs-<br />

und Verwaltungsratsprotokolle der letzten 5 Jahre zustellte, was dieser aber nicht<br />

tat.<br />

Am 14. Oktober 2004 bestätigt ein Notar Walser aus Solothurn, dass er „auf Wunsch des Präsidenten<br />

des Verwaltungsrates der König Seminartechnik (Schweiz) AG“ sämtliche Aktien<br />

dieser Gesellschaft in seinem Notariatstresor aufbewahre und dass damit „die gesamten Aktien<br />

der Gesellschaft ordnungsgemäss hinterlegt sind“. Eine Kopie dieser Bestätigung übermittelte<br />

die König Seminartechnik (Schweiz) AG an die König Seminartechnik Deutschland<br />

GmbH.<br />

1. Frage:<br />

Roland König kommt – mittlerweile ziemlich verzweifelt – zu Ihnen und fragt Sie als Anwalt,<br />

was er tun könne. Was raten Sie ihm?<br />

Kurz darauf gelangt Roland König in den Besitz des Protokolls des Verwaltungsrates der dänischen<br />

ITS vom 8. Januar 2005, in welchem folgendes festgehalten ist:<br />

"The board discussed a request of its board member Max<br />

Fuchs to accept the company FUMAG as new shareholder<br />

of KTS. The board decided that FUMAG, Switzerland,<br />

can enter as shareholder of KTS by transfer of<br />

shares from König Seminartechnik (Schweiz) AG, Switzerland,<br />

to FUMAG.<br />

Gemäss den Abklärungen <strong>von</strong> Roland König ist die FUMAG eine schweizerische Aktiengesellschaft,<br />

die zu 100% <strong>von</strong> Max Fuchs kontrolliert ist.<br />

2. Frage:<br />

Was empfehlen Sie Roland König?<br />

20


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Fall Nr. 9<br />

Patt<br />

Zögerlich und Blass halten je zu 50 % das Aktienkapital der vor Jahren gegründeten Homemade<br />

Stamp AG. Diese betreibt eine Fabrik, welche Stempel und verwandte Produkte herstellt.<br />

Zögerlich und Blass sind auch die einzigen Mitglieder des Verwaltungsrats der Gesellschaft,<br />

welchen Blass präsidiert. Die Geschäftsführung besorgen sie gemeinsam. Als Blass<br />

sich seinem 60. Geburtstag nähert, möchte er sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurückziehen.<br />

Er verkauft seinen Anteil an der Homemade Stamp AG deshalb an <strong>Dr</strong>eist, welcher<br />

Alleinaktionär, einziger Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Stamp Trade Ltd. ist. Diese<br />

betreibt einen landesweiten Handel mit Stempelprodukten und anderen Büroartikeln, welche<br />

sie bei Produzenten im In- und Ausland einkauft oder herstellen lässt.<br />

Nach dem Kauf des 50 % Aktienanteils and der Homemade Stamp AG nimmt <strong>Dr</strong>eist in deren<br />

Verwaltungsrat Einsitz. Zudem übernimmt er dessen Präsidium. Zögerlich, welcher sich <strong>von</strong><br />

der Transaktion zunächst eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Stamp Trade Ltd.<br />

und damit Synergieeffekte zu Gunsten der Homemade Stamp AG erhofft, hat dieser Wahl <strong>von</strong><br />

<strong>Dr</strong>eist zugestimmt. Der Verwaltungsrat der Homemade Stamp AG besteht nun aus Zögerlich<br />

und <strong>Dr</strong>eist, welche beide statutengemäss auf 3 Jahre gewählt sind und Einzelunterschrift führen.<br />

Ihre erste dreijährige Amtsperiode läuft mit der ordentlichen Generalversammlung im<br />

Frühjahr 2005 aus. Weitere Zeichnungsberechtigte hat die Gesellschaft nicht.<br />

Bereits ein Jahr nach der Neubestellung des Verwaltungsrats kommt es zwischen Zögerlich<br />

und <strong>Dr</strong>eist zu Differenzen. Während <strong>Dr</strong>eist die Produktion immer mehr zu ihm bekannten<br />

Zulieferern verlagern oder durch den Ankauf fertiger Artikel ersetzen will, befürchtet Zögerlich,<br />

dass damit der Gesellschaft die Existenzgrundlage entzogen wird. Schliesslich widersetzt<br />

sich Zögerlich immer öfters den Anträgen <strong>von</strong> <strong>Dr</strong>eist im Verwaltungsrat der Homemade<br />

Stamp AG, so dass keine wichtigeren operativen und strategischen Entscheide mehr gefasst<br />

werden können. Insbesondere verhindert Zögerlich so die vollständige Aufgabe der Produktion<br />

durch die Homemade Stamp AG und deren Transformation in eine reine Immobiliengesellschaft.<br />

Obwohl die Homemade Stamp AG weiter produziert, bricht ihr Umsatz ein, weil<br />

<strong>Dr</strong>eist Kundenbestellungen zunehmend über die <strong>von</strong> ihm allein beherrschte Stamp Trade Ltd.<br />

leitet. Anfangs 2005 sind Zögerlich und <strong>Dr</strong>eist derart zerstritten, dass Zögerlich sämtliche<br />

Anträge und Vorschläge <strong>von</strong> <strong>Dr</strong>eist im Verwaltungsrat der Homemade Stamp AG ablehnt. An<br />

der ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft im April 2005 scheitert der Versuch<br />

einer Verwaltungsratswahl, weil Zögerlich und <strong>Dr</strong>eist sich je weigern, ihre Aktienstimmen für<br />

den anderen abzugeben; auch die Wahl einer <strong>Dr</strong>ittperson kommt nicht zu Stande. Schliesslich<br />

wird auch kein Entlastungsbeschluss gefasst.<br />

Noch vor der Generalversammlung, im März 2005, hat <strong>Dr</strong>eist den Rechtsanwalt Flink namens<br />

der Homemade Stamp AG beauftragt und bevollmächtigt, gegen Zögerlich beim zuständigen<br />

Gericht eine Verantwortlichkeitsklage einzureichen. Gleichzeitig hat er namens der Homemade<br />

Stamp AG bei der Bank Goldschimmer sämtliche Kontokorrentkreditlimiten der Homemade<br />

Stamp AG gekündigt. Nach der Generalversammlung droht Rechtsanwalt Flink dem Zögerlich<br />

namens der Homemade Stamp AG mit der Verantwortlichkeitsklage, falls dieser nicht<br />

einlenke. Die Bank Goldschimmer verlangt Rückzahlung der ausstehenden, durch die Kündi-<br />

21


gung fällig gewordenen Kontokorrent-Sollsalden plus vertragsgemässe Kreditzinsen <strong>von</strong> 8 %<br />

jährlich und die üblichen Kreditkommissionen ab Kündigung, beides quartalsweise berechnet<br />

und belastet.<br />

Aufgabe<br />

Beantworten Sie die folgenden Fragen und begründen Sie Ihre Antworten:<br />

1. Kann Rechtsanwalt Flink gegen Zögerlich eine Verantwortlichkeitsklage einreichen, obwohl<br />

die Homemade Stamp AG bei Klageerhebung keine vertretungsbefugten Organe<br />

mehr hat, weil kein Verwaltungsrat mehr bestellt wurde?<br />

2. Hat eine Verantwortlichkeitsklage gegen Zögerlich in materieller Hinsicht Aussicht auf<br />

Erfolg? Worauf kommt es dabei an?<br />

3. Kann die Bank Goldschimmer <strong>von</strong> der Homemade Stamp AG mit Aussicht auf Erfolg zusätzlich<br />

zu den nach der Kündigung ausstehenden Kontokorrentsalden die für die Kreditlinien<br />

vereinbarten Kreditzinsen <strong>von</strong> 8 % jährlich plus Kreditkommissionen verlangen?<br />

22


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Fall Nr. 10<br />

„Gute“ Geschäftspraktiken<br />

Die A-AG ist 100%-ige Aktionärin der B-Bank AG, einer kleinen auf Vermögensverwaltung<br />

spezialisierten Bank. Im Zuge der Konzentrationsbewegung im Privatbankenbereich kam die<br />

A-AG mit der C-Bank AG überein, die Aktivitäten der beiden Institute zusammenzulegen.<br />

Die C-Bank ist bezüglich Bilanzsumme und verwaltetem Vermögen wesentlich grösser als die<br />

B-Bank und hat etwa 100 Aktionäre, welche alle irgendwie miteinander verwandt sind. Es ist<br />

geplant, in besseren Zeiten die C-Bank an die Börse zu bringen, weshalb die A-AG interessiert<br />

war, sich am Aktienkapital der C-Bank zu beteiligen.<br />

Am 17. Januar 2005 schlossen die A-AG und die C-Bank eine Vereinbarung ab, wonach die<br />

A-AG ihre sämtlichen Aktien an der B-Bank als Sacheinlage in die C-Bank einbringen und<br />

die C-Bank neue Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts ihrer Aktionäre an die A-AG ausgeben<br />

werde und zwar 50'000 Namensaktien zu je CHF 100 nominal zum Ausgabepreis <strong>von</strong><br />

CHF 1'000 pro Aktie. Die Parteien bewerten die B-Bank mit CHF 50'000'000 und die Revisionsstelle<br />

der C-Bank bestätigte diese Bewertung anlässlich der Kapitalerhöhung. Am 31. Januar<br />

2005 wurde diese Vereinbarung mit der Erhöhung des Aktienkapitals der C-Bank vollzogen<br />

(sog. Closing).<br />

Im März 2005 gelangten Kunden der B-Bank an die Geschäftsleitung der C-Bank und beschwerten<br />

sich, dass Direktor X der B-Bank ihr Vermögen in den Jahren 2003 und 2004 hoch<br />

spekulativ angelegt hatte und dabei grosse Verluste bewirkte, den Kunden aber durch falsche<br />

mündliche und schriftliche Angaben diese Verluste verheimlichte. Die weiteren Abklärungen<br />

ergaben folgenden Sachverhalt:<br />

- Direktor X hatte bereits im Jahre 2003 Probleme mit ähnlichen Kundenbeschwerden,<br />

welche die B-Bank damals mit vergleichsweisen Zahlungen <strong>von</strong> insgesamt<br />

CHF 800'000 beilegte. Diese Vorfälle wurden <strong>von</strong> der A-AG der C-Bank in deren Due<br />

Diligence-Prüfung über die B-Bank offengelegt und als erledigt erklärt.<br />

- Anfangs Januar 2005 machten vier Kunden der B-Bank schriftlich Forderungen gegen<br />

die Bank wegen schlechter Vermögensverwaltung des X im Gesamtbetrag <strong>von</strong><br />

CHF 1'000'000 geltend. Die A-AG wusste um diese Fälle, erwähnte aber gegenüber der<br />

C-Bank nichts, obschon diese in der Due Diligence Request List Auskunft über sämtliche<br />

hängigen oder angedrohten Verfahren sowie über Beschwerden <strong>von</strong> Kunden Auskunft<br />

verlangte.<br />

- Im Februar und März 2005 machten 15 weitere Kunden Forderungen gegen die B-Bank<br />

wegen schlechter Vermögensverwaltung des X in den Jahren 2003 und 2004 und Irreführung<br />

<strong>von</strong> insgesamt CHF 19'000'000 geltend.<br />

23


Die Vereinbarung vom 17. Januar 2005 enthält folgende in diesem Zusammenhang relevante<br />

Bestimmungen:<br />

a) Die A-AG sichert der C-Bank zu, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und des<br />

Closing keine gegen die B-Bank hängigen oder drohenden Gerichtsverfahren bestehen,<br />

die der C-Bank nicht offengelegt worden sind.<br />

b) Die Gewährleistungsansprüche der C-Bank sind innert 12 Monaten seit dem Closing<br />

gegen die A-AG geltend zu machen, ansonsten sie als verwirkt gelten.<br />

c) Gewährleistungsansprüche gegen die A-AG bestehen nur, soweit ausdrücklich im Vertrag<br />

vorgesehen.<br />

Die C-Bank kommt am 4. April 2005 zu Ihnen für rechtliche Beratung. Sie erwähnt, dass sie<br />

mit fünf der 19 Kunden eine vergleichsweise Regelung getroffen und dafür CHF 1'500'000<br />

bezahlt habe, da<strong>von</strong> insgesamt CHF 500'000 an zwei Kunden, die vor dem 31. Januar 2005<br />

reklamiert hatten. Mit den restlichen 14 Kunden werde noch verhandelt. Das maximale Risiko<br />

werde mit CHF 16'000'000 beurteilt, man hoffe aber, dass man mit weniger als<br />

CHF 10'000'000 wegkomme. Die A-AG habe sich geweigert, eine Schadenersatzpflicht für<br />

diese Fälle zu anerkennen.<br />

Erstellen Sie für die C-Bank eine Expose über die Frage, ob die C-Bank gegen die A-AG unter<br />

allen möglichen rechtlichen Aspekten einen Anspruch bezüglich dieser Schadensfälle hat<br />

und unter welchen Titeln, wie und wann gegebenenfalls gegen die A-AG vorzugehen ist.<br />

24


Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. Kurt Langhard<br />

Fall Nr. 11<br />

Mezzogiorno<br />

Nardo Esposito aus Salandra in der Basilicata verfügte zusammen mit seiner Gattin Rosella<br />

Esposito bei der Bank Falk in Zürich über ein Wertschriftendepot, über das die beiden je einzeln<br />

verfügen konnten. Diese Regelung hatten sie, beraten durch die Bank Falk, für den Fall<br />

des Todes <strong>von</strong> Nardo Esposito getroffen. Der Inhalt des Depots gehörte Nardo Esposito. Die<br />

Korrespondenz der Bank wurde auf Anweisung der Deponenten banklagernd bei der Bank<br />

Falk zurückbehalten. Die im Depot liegenden Werte wurden in Italien nicht versteuert.<br />

1999 starb Nardo Esposito und hinterliess als Erben seine Frau Rosella sowie die minderjährigen<br />

Töchter Liccarda und Fenizia. Die Bank führte in der Folge das Depot allein auf Rosella<br />

Esposito weiter. Entsprechend den traditionellen Familienvorstellungen im süditalienischen<br />

Hinterland masste sich alsbald der Bruder des verstorbenen Nardo, Cola Esposito, die verwaiste<br />

Rolle als Oberhaupt der Familie seiner Schwägerin an und es gelang ihm, Rosella unter<br />

dem Hinweis darauf, auch ihr könne unvermutet etwas zustossen, zu überreden, ihm eine<br />

Vollmacht über das Depot bei der Bank Falk zu erteilen. Nur so könne sichergestellt werden,<br />

dass im Falle ihres Ablebens ohne erbrechtliche Formalitäten der Depotinhalt auf die beiden<br />

Töchter übertragen werden könne. Rosella Esposito willigte ein und erteilte Cola Esposito<br />

gegenüber der Bank Falk eine umfassende, über den Tod hinaus gültige Vollmacht, die ihn<br />

zur Verfügung über den Depotinhalt auch zugunsten <strong>Dr</strong>itter und zu eigenen Gunsten ermächtigte.<br />

Der Depotinhalt wurde wie bis anhin in Italien nicht versteuert und sämtliche Korrespondenz<br />

der Bank Falk wurde weiterhin banklagernd zurückbehalten.<br />

In der Folge liessen Rosella und Cola Esposito das Depot bei der Bank Falk vorerst unberührt.<br />

Als Rosella Esposito indessen Masuccio Brunetti aus Grassano kennenlernte und ihre Absicht<br />

erkennen liess, diesen zu ehelichen, machte Cola Esposito geltend, er müsse die Interessen<br />

seiner Nichten Liccarda und Fenizia wahren. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit<br />

Rosella Esposito über die Rolle der Frauen im Allgemeinen und <strong>von</strong> Witwen mit minderjährigen<br />

Töchtern im Besonderen eröffnete er bei der Bank Falk ein neues Depot auf seinen eigenen<br />

Namen und übertrug gestützt auf seine Vollmacht den Inhalt des Depots seiner Schwägerin<br />

darauf, ohne diese zu informieren.<br />

Als Rosella Esposito bei einem Besuch bei der Bank Falk in Zürich feststellt, dass der gesamte<br />

Depotinhalt <strong>von</strong> ihrem Schwager Cola auf dessen eigenes Depot übertragen worden war,<br />

wendet sie sich an Rechtsanwalt Peter Studer und bittet ihn, dafür zu sorgen, dass sie wiederum<br />

in den Besitz des Depotinhaltes gelange.<br />

Sie sind Rechtsanwalt Studer. Was kehren Sie vor?<br />

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Übungen im Handelsrecht SS 2005 <strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Fall Nr. 12<br />

Günstiger Kauf<br />

Arnold, Bucher und Cornelius waren als Verwaltungsratsmitglieder der XTP AG im Handelsregister<br />

eingetragen. Alle verfügten über Kollektivzeichnungsberechtigung. Zweck der XTP<br />

AG war unter anderem das Halten <strong>von</strong> Beteiligungen aller Art. Im September 2003 verkaufte<br />

die XTP AG die Aktien ihrer Tochter ZyTec AG an die Innoventure GmbH. Die Innoventure<br />

GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich in der Hand <strong>von</strong> Zehnder-Arnold, der<br />

über die Verhältnisse in der X AG wohlinformierten Tochter des Arnold, die zusammen mit<br />

Horcher auch die Geschäftsführung der Innoventure GmbH innehatte.<br />

Arnold, Cornelius, Eiffel, Friedrich und Gehrer waren am Verkauf des Aktienpaktes und an<br />

der Vorbereitung des Verkaufs beteiligt. Eiffel, Friedrich und Gehrer hatten an den Verwaltungsratssitzungen<br />

beratende Stimme. Insbesondere Eiffel wurde dabei aufgrund seiner fachlichen<br />

Kompetenz sehr geschätzt. Eiffel und Friedrich waren im Weiteren seit 2002 als für die<br />

XTP AG kollektivzeichnungsberechtigt im Handelsregister eingetragen, Gehrer als einzelzeichnungsberechtigter<br />

geschäftsführender Direktor der XTP AG. Eiffel und Gehrer amteten<br />

ferner seit Februar 2003 als Verwaltungsratsmitglieder der ZyTec AG.<br />

Seitens der XTP AG unterzeichneten schliesslich Arnold und Friedrich den Kaufvertrag. Dabei<br />

wurden beide als Verwaltungsratsmitglieder bezeichnet. Auf Seiten der Innoventure<br />

GmbH wurde der Kaufvertrag durch Horcher unterzeichnet, der erst ganz am Ende der Verhandlungen<br />

an der Stelle <strong>von</strong> Zehnder-Arnold die Vertretung der Innoventure GmbH übernommen<br />

hatte.<br />

Bucher hatte aufgrund einer langen schweren Krankheit keine Möglichkeit, am Entscheid<br />

über den Verkauf der ZyTec AG vom September 2003 mitzuwirken.<br />

Im Juni 2004 klagte Bucher Junior, zwischenzeitlich Alleinerbe des Bucher, gegen Arnold,<br />

Cornelius, Eiffel, Friedrich, Gehrer und die Innoventure GmbH auf Zahlung <strong>von</strong> 380'000<br />

Franken an die XTP AG. Dies weil die Beteiligung an der ZyTec AG offenbar versehentlich<br />

zu einem um diesen Betrag zu tiefen Preis verkauft worden war.<br />

Hat er Recht bekommen?<br />

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