Aufroller im Bogenoffset - Fachhefte grafische Industrie
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Zeitungsdruck<br />
Die letzte gedruckte Tageszeitung<br />
Marcel Weiss, Berlin – http://carta.info<br />
Prof. Dr. Klaus Meier hat sich die Entwicklung<br />
der Auflagenzahlen deutscher Tageszeitungen<br />
in den letzten 20 Jahren angeschaut,<br />
und kommt zu dem möglichen<br />
Ergebnis, dass 2034 Schluss mit Print ist:<br />
Im Jahr 1992 waren es noch 26 Millionen<br />
verkaufte Tageszeitungen, 2002 23,2 Millionen<br />
(minus 11%) und 2011 nur noch 18,8<br />
Millionen (minus 19%). Die Statistik sagt<br />
uns voraus: 2022 werden noch ca. 11 Millionen<br />
Exemplare verkauft – und 2034 ist<br />
dann Schluss.<br />
Falls diese einfache Interpolation, die natürlich<br />
viele Annahmen über einen langen<br />
Zeitraum macht, bereits alarmierend erscheint,<br />
dann Vorsicht. Es wird noch schl<strong>im</strong>mer:<br />
Der Verlauf wird nicht verhältnismässig<br />
gleichbleibend sinken. Die Gründe<br />
dafür liegen in der Besonderheit zweiseitiger<br />
Märkte, dem nicht linear verlaufenden<br />
Grenznutzen der Werbekunden, der<br />
Preissensitivät der Leser und einer auf<br />
Absatzrückgang allergisch reagierenden<br />
Kostenstruktur.<br />
Zweiseitige Märkte und der<br />
Grenznutzen der Werbekunden<br />
Journalistische Produkte, die zum (Gross-)<br />
Teil auf Werbefinanzierung setzen, also alle<br />
Tageszeitungen, sind zweiseitige Märkte.<br />
Wenn es jetzt einen Rückgang auf der einen<br />
Seite (Leser) gibt, dann sinkt der Nutzen für<br />
die andere Seite (Werbekunden) ebenfalls.<br />
Das Problem bei dieser Entwicklung: Der<br />
Verlauf des Grenznutzens (also der zusätz-<br />
liche Nutzen pro User auf der anderen Seite)<br />
ist nicht zwingend linear. Der Nutzen von<br />
Tageszeitungen für Werbekunden etwa<br />
steigt schneller pro Nutzer an, wenn 100 000<br />
statt 10 000 erreichbar sind als wenn die<br />
Leserschaft von 1 Mio. auf 1.1 Mio. steigt.<br />
Umgekehrt heisst das allerdings auch, dass<br />
der Nutzen für die Werbekunden <strong>im</strong>mer<br />
stärker pro verlorenen Leser fällt, je weiter<br />
die Reichweite zurückgeht. Ab einem best<strong>im</strong>mten<br />
Punkt schmerzt auch ein Reichweitenrückgang<br />
von 1–2% pro Jahr, weil die<br />
Reichweite ein Level erreicht, auf dem zwei<br />
weitere Prozent weniger dazu führen, dass<br />
der Werbekunde XY das Angebot als nicht<br />
mehr attraktiv empfindet.<br />
Betrachten wir zum Beispiel das Wochen-<br />
magazin Spiegel, das unter die gleichen<br />
Dynamiken zweiseitiger Märkte fällt wie<br />
Tageszeitungen: Wenn der Spiegel 50 000<br />
Euro pro Seite verlangt und damit bei einer<br />
Auflage von 1,3 Mio. einen Tausenderkontaktpreis<br />
(TKP) von 8,38 Euro erreicht, dann<br />
In 22 Jahren sind die deutschen Tageszeitungen Mediengeschichte, errechnete Klaus<br />
Meier. Diese Prognose könnte sich als zu opt<strong>im</strong>istisch erweisen.<br />
bezieht sich dieser TKP nicht nur auf die<br />
1000, sondern auf die gesamte Auflage. Der<br />
Werbekunde will die gesamte Reichweite.<br />
Was, wenn der Spiegel nur noch 130 000<br />
Leser, also nur noch ein Zehntel, erreicht?<br />
Werden die gleichen Werbekunden zu den<br />
gleichen Konditionen in dem Printmagazin<br />
weiterwerben? Unwahrscheinlich.<br />
Für den Werbekunden, der die 1,3 Millionen<br />
Menschen erreichen will, reicht der<br />
Spiegel nicht mehr aus. Er muss zusätzlich<br />
andere Wege beschreiten (Multihoming).<br />
Das steigert in der Regel den Aufwand auf<br />
der Seite der Werbekunden. Der Werbekunde<br />
kann die Preise des Spiegels direkt<br />
mit denen seiner Konkurrenten vergleichen<br />
und wird irgendwann komplett auf die<br />
Werbeschaltung <strong>im</strong> vergleichsweise teuren<br />
Print verzichten. (Oder die Preise erfolgreich<br />
drücken. Das Problem der Tageszeitungen<br />
ist keine Kostenloskultur, sondern<br />
eine neue Konkurrenzkultur <strong>im</strong> Web.)<br />
Neue Werbeformen von Google und<br />
Facebook und das online sehr viel grössere<br />
Repertoire drücken die Preise für viele<br />
Werbeformen nach unten. Print ist davor<br />
nicht <strong>im</strong>mun. Besonders, da Multihoming<br />
für Werbekunden <strong>im</strong>mer einfacher (und vor<br />
allem notwendiger) wird.<br />
Preissensitivität der Leser<br />
Jetzt lassen sich aber die wegbrechenden<br />
Werbeeinnahmen über höhere Stückpreise<br />
kompensieren, oder? Man verlangt einfach<br />
mehr vom Leser.<br />
Das Problem bei diesem Vorgehen ist<br />
Folgendes: Leser sind in der Regel preissensitiver<br />
als Werbekunden, was man unter<br />
anderem daran sehen kann, dass der Inhalt<br />
von Tageszeitungen fast kostenlos abgegeben<br />
wird. Der Verkaufspreis, mit dem die<br />
Einheiten an den Grossisten abgegeben<br />
werden, deckt in der Regel kaum mehr als<br />
die Distributionskosten.<br />
Steigt der Verkaufspreis jetzt, sinkt die<br />
Auflage und mit ihr der Gesamtumsatz, weil<br />
jeder eingenommene Euro durch höhere<br />
Preise auf Leserseite mehr als einen verlorenen<br />
Euro auf Werbekundenseite bedeuten<br />
wird.<br />
Eine auf Absatzverlust allergisch<br />
reagierende Kostenstruktur<br />
Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die<br />
Kostenstruktur von Tageszeitungen sieht so<br />
aus wie bei allen <strong>im</strong>materiellen Gütern:<br />
Hohe Erstellungskosten des eigentlichen<br />
Gutes (Texte, Nachrichten), extrem niedrige<br />
Vervielfältigungs- und Verbreitungskosten<br />
der Informationsträger (bedrucktes Papier).<br />
Die relativ hohen Kosten der Erstellung<br />
werden logischerweise auf die verkauften<br />
Einheiten verteilt. Diese Kostenstruktur ist<br />
super, wenn man hohe Absatzzahlen zu verzeichnen<br />
hat. Denn jede weitere verkaufte<br />
Einheit bedeutet praktisch fast nur Gewinn<br />
aufgrund sehr geringer zusätzlicher Kosten.<br />
Diese Kostenstruktur wird aber problematisch,<br />
wenn die Absatzzahlen zurückgehen,<br />
denn die relativ hohen Kosten der Erstellung<br />
der Texte, die auf eine verkaufte<br />
Einheit umgelegt werden müssen, werden<br />
eher früher denn später zu einem negativen<br />
Deckungsbeitrag führen.<br />
Warum? Weil ein exorbitant hoher Fixkostenanteil<br />
verschwindend geringen variablen<br />
Kosten gegenübersteht. Der Verlustbe-<br />
«Was ist eine Tageszeitung?<br />
Ein iPad, das nicht funktioniert»<br />
reich pro verkaufter Einheit wird deshalb<br />
bei Tageszeitungen schneller erreicht als<br />
bei Unternehmen, die nicht <strong>im</strong>materielle<br />
Güter produzieren, weil die aufzuwendenden<br />
Kosten für Tageszeitungen weniger<br />
bei geringerer Produktionsauslastung zurückgehen.<br />
Ein Beispiel: Ein Autohersteller produziert<br />
Autos, die in der Produktion 9000 Euro<br />
pro Stück kosten. Er hat Fixkosten (Verwaltung,<br />
R&D, Buchhaltung, Managergehälter<br />
usw.) von, sagen wir, 1000 Euro pro Stück<br />
bei einer aktuellen Stückmenge von 50000<br />
verkauften Autos. Die gesamten Kosten pro<br />
Auto belaufen sich also auf 10000 Euro. Er<br />
muss also mindestens 10000 Euro pro Auto<br />
verlangen, um mindestens seine Kosten<br />
wieder hereinzubekommen.<br />
Wenn jetzt der Absatz der Autos auf die<br />
Hälfte einbricht, belaufen sich die gesamten<br />
Kosten pro Auto auf 11000 Euro. Denn die<br />
umgelegten Fixkosten von 50 Millionen<br />
Euro (von irgendetwas muss ein Manager<br />
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