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Die protestantischen Pastorenfamilien Theune und Reimmann in ...

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hatte, wurde er e<strong>in</strong> Jahr später (ca. 1716) Hospital-Prediger am „Siechen=Hoffe“ (Krankenhaus)<br />

<strong>in</strong> Magdeburg für e<strong>in</strong> knappes Jahr. Noch e<strong>in</strong>mal verwandte sich <strong>Reimmann</strong> kurz<br />

vor se<strong>in</strong>em Wegzug von Magdeburg nach Hildesheim für den jungen <strong>Theune</strong>. Der damalige<br />

zweite Domprediger <strong>in</strong> Magdeburg empfahl ihn dem Domdechanten He<strong>in</strong>rich von Platen 26 .<br />

Erfolgreich: Von Platen verschaffte <strong>Theune</strong> die Pfarrstelle <strong>in</strong> Atzendorf <strong>und</strong> überwand alle<br />

Schwierigkeiten, die man <strong>Theune</strong> als e<strong>in</strong>em „Ausländer“ aus dem Lüneburgischen machte.<br />

<strong>Die</strong> Bestätigung der Pfarrstelle erfolgte am 05.10.1717 27 . Am 3. Sonntag nach Epiphanias<br />

1718, d.h. am 23. Januar 1718, wurde er als Pastor <strong>in</strong> Atzendorf südlich von Magdeburg von<br />

Kirchen<strong>in</strong>spektor Schiele aus Hadmersleben <strong>in</strong> das Amt e<strong>in</strong>geführt 28 . Drei Monate später, am<br />

26.04.1718 heiratete <strong>Theune</strong> <strong>in</strong> Hildesheim Anna Helena <strong>Reimmann</strong>, die Tochter se<strong>in</strong>es langjährigen<br />

väterlichen Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Gönners, des <strong>in</strong>zwischen zum Super<strong>in</strong>tendenten <strong>in</strong> Hildesheim<br />

berufenen Jakob Friedrich <strong>Reimmann</strong> (1668-1743; zu ihm s. näher unten). Verschiedene<br />

Angebote, <strong>in</strong> „ansehnlichere Pastorat=Stellen“ zu gehen, lehnte <strong>Theune</strong> <strong>in</strong> der Folge ab.<br />

Über die Atzendorfer Zeit des Paares haben wir e<strong>in</strong>e detailreiche, wenn auch nicht unproblematische<br />

Quelle: <strong>Die</strong> „Atzendorfer Chronik“ von <strong>Theune</strong>s Amtsnachfolger Samuel<br />

Benedikt Carsted (1716-1796) 29 . Carsted war e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> kluger, fortschrittlich ges<strong>in</strong>nter<br />

Mann 30 , e<strong>in</strong> scharfer Beobachter <strong>und</strong> talentierter Schriftsteller, so dass se<strong>in</strong>e Chronik heute -<br />

weit über dem Rang e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Ortsgeschichte - als Sittengemälde der dörflichen Verhältnisse<br />

im Preußen des 18. Jh. gilt, andererseits - ja, man muss es wohl <strong>in</strong> fast Carsted’scher<br />

Manier so deutlich sagen - e<strong>in</strong> begnadetes Läster- <strong>und</strong> Schandmaul. Vom Dorfpfarrer bis zum<br />

preußischen König, kaum e<strong>in</strong>er kommt bei ihm „ungeschoren“ davon 31 . Dass das Ehepaar<br />

26<br />

He<strong>in</strong>rich von Platen, Domdechant <strong>in</strong> Magdeburg von 1706 bis 1734, zit. nach Stegemann <strong>in</strong> Carsted 1928, S.<br />

152, Fn. 5.<br />

27<br />

Stegmann <strong>in</strong> Carsted 1928, S. 158 Fn. 1. Auf diese sog. „Konfirmation“ sche<strong>in</strong>t sich Zedler Bd. 43 (1745), Sp.<br />

1287 zu beziehen, wenn er als Beg<strong>in</strong>n der Amtszeit von <strong>Theune</strong> <strong>in</strong> Atzendorf das Jahr „1717“ angibt.<br />

28<br />

Carsted 1928, § 108 (S. 152). Der regional eigentlich zuständige Inspektor aus Egeln war erkrankt.<br />

29<br />

Carsted 1928. Zu Carsteds Leben s. ausführlich die E<strong>in</strong>leitung des Bearbeiters Eduard Stegmann, S. VII-XIII.<br />

Der folgende Abschnitt ist von Bernhard Pabst für die vorliegende Neuaufl. e<strong>in</strong>gefügt worden. Etwaige (Fehl-)<br />

Urteile s<strong>in</strong>d also diesem, nicht dem Autor Ruprecht Ziemssen zuzurechnen.<br />

30<br />

Als solcher hat er wohl nicht wenig an der „Dumpfheit“ <strong>und</strong> Enge der ihn umgebenden dörflichen<br />

Verhältnisse gelitten. Bezeichnend <strong>in</strong>soweit folgender Ausschnitt aus dem Kapitel „Uhrsachen, warum die<br />

Leute immer bey der alten Gewohnheit ihrer Vorfahren bleiben“, S. 13, wo es ausgehend von der Frage, wie<br />

die verschlammten Dorfstraßen gepflastert werden sollten, heisst: „Auf dem Lande f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> guter Vorschlag<br />

die meiste Schwürigkeit. <strong>Die</strong> Vorgesezte e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de, als hir Richter <strong>und</strong> Schöppen, haben nicht Ansehen<br />

<strong>und</strong> Gewalt genug, wenn sie auch gerne wollten, das Anbefohlene durchzutreiben. Sie s<strong>in</strong>d hir erzogen, nie aus<br />

den Dorfe als auf Reisen gekommen. Fuhrleute <strong>und</strong> Pferde s<strong>in</strong>d ihre Gesellschafter, <strong>und</strong> Schencken <strong>und</strong> Gasthofe<br />

ihre Qua[r]tire gewesen, wo sie nur ihresgleichen angetroffen <strong>und</strong> dadurch ihre Sitten wohl verschlimmern,<br />

aber nie zu verbeßern Gelegenheit gehabt. In dem Dorfe werden sie nun der Geme<strong>in</strong>de vorgesezt,<br />

die sich dabey die Freyheit nimt, allen, was sie vortragen, e<strong>in</strong>e lange Weile zu widersprechen. Sehen sie<br />

endlich, daß sie der Obrigkeit doch gehorchen müssen, so thun sie es endlich, nachdem sie Grobheiten genug<br />

wider den ausgespien, der ihnen den Befehl der Obrigkeit nur bekant gemacht, <strong>und</strong> das alles bleibt ganz<br />

unbestraft. <strong>Die</strong> Obrigkeit kan es nicht bestrafen. Der Vorgesezte klagt es nicht; er fürchte sich vor neue Unruhe<br />

<strong>und</strong> muß das Läßtern der Weiber <strong>und</strong> Verwandten mit besorgen, wenn er das Verfahren der Männer zur<br />

billigen Bestrafung der Obrigkeit anzeigen wollte. Dadurch behelt der unbändige E<strong>in</strong>wohner die schedliche<br />

Freyheit, es bey der nechsten Gelegenheit wieder so zu machen. [Folgen Vorschläge zur Erziehung ‚Wie die<br />

Leute klüger zu machen, als ihre Väter gewesen’].“ <strong>Die</strong> Macht- <strong>und</strong> Hilfslosigkeit des klarsichtigen<br />

Absolventen der Universität Halle, ehemaligen Hauslehrers bei Generalmajor von Kalckste<strong>in</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

Militärpfarrers angesichts der Ignoranz se<strong>in</strong>er ländlichen Abgeschiedenheit mag nicht wenig zur Schärfe se<strong>in</strong>er<br />

Urteile beigetragen haben. Andererseits war er wohl auch recht „nonkonformistisch“: „<strong>Die</strong>ser Dorfgarten ist<br />

nicht weit, <strong>und</strong> ob ich gleich zwar, anfänglich zur Verw<strong>und</strong>erung der Leute, hir die Mode e<strong>in</strong>führte,<br />

ungekleidet im Nachthabit, als Schlafrock oder Couteysche, [durchs Dorf] <strong>in</strong> diesen Garten zu gehen, so liegt<br />

mir jener viel bequemer ...“ (S. 25).<br />

31<br />

E<strong>in</strong> schönes Beispiel liefert § 141, wo er Reichenbach, Präsident des Kurmärkischen Konsistoriums,<br />

Vizepräsident aller Konsistorien <strong>und</strong> Mitglied des „geistlichen Departements“, mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en hochrangigen<br />

Beamten charakterisiert: „[Reichenbach] studirte <strong>und</strong> lernte just soviel, als er zu dieser ihm aufgetragenen<br />

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