29.08.2013 Aufrufe

Frauenfragen - GEW Landesverband Bayern

Frauenfragen - GEW Landesverband Bayern

Frauenfragen - GEW Landesverband Bayern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Vom Stammtisch zur Kampagne<br />

Wie Medien gegen Gleichstellungspolitik Stimmung machen<br />

Ein Bericht im »Spiegel« polemisierte<br />

2007 über Gender Mainstreaming –<br />

und attackierte ein Geschlechterforschungsinstitut.<br />

Nicht nur dem Hamburger Herrenmagazin<br />

passt die ganze Richtung<br />

nicht.<br />

von Thomas Gesterkamp<br />

Den publizistischen Alpha-Tieren der Republik war das<br />

spröde Wortpaar »Gender Mainstreaming« bislang höchstens<br />

ein Witzchen am Stammtisch wert. Jetzt aber machen Meinungsführer<br />

ernst und treten aus der Deckung. Unter dem<br />

Beifall der rechtsextremen Presse legen sie auf engagierte<br />

Geschlechterpädagogen an. Worüber regen sich die Schreiber<br />

auf und was bezwecken sie?<br />

Schon im Jahr 2005 verspottete der Stern den komplizierten<br />

Anglizismus als »neue Geschlechtergefühligkeit« und<br />

lästerte darüber, wie »Bürokraten angestrengt über den kleinen<br />

Unterschied nachdenken«. Die ironische Schlagzeile »Ich<br />

Mann, du Frau« war damals illustriert durch eine Filmszene<br />

mit Johnny Weismüller als »Tarzan, der Affenmensch«. In<br />

der Frankfurter Allgemeinen wetterte immer wieder Volker<br />

Zastrow gegen ein »angewandtes Kaderprinzip der feministischen<br />

Lobby«, die angeblich eine »politische Geschlechtsumwandlung«<br />

plane.<br />

Seine Verschwörungstheorien verbreitete der FAZ-Autor<br />

auch in einem schmalen Bändchen des Versandhauses<br />

Manufactum. Dort gab es, neben den »guten Dingen« wie<br />

Gänsekielen, Weinkrawatten oder Schuhen aus Känguruh-<br />

Leder, zusätzlich die passende Ideologie im Angebot. In<br />

Leinen gebundene Aufsätze mit rückwärts gewandtem Inhalt<br />

ergänzten das Kuriositäten-Kabinett für den sich alternativ<br />

gebenden Mittelstand.<br />

Da mochten die Herren vom Spiegel, die sich zum sechzigsten<br />

Geburtstag des Nachrichtenmagazins auf Erinnerungsfotos<br />

als rein männliche Konferenzrunde präsentierten,<br />

nicht nachstehen. Gender Mainstreaming, lautete ihr<br />

Vorwurf, sei ein »Erziehungsprogramm für Männer und<br />

Frauen«. Mit Rundumschlägen und aus dem Zusammenhang<br />

gerissenen Zitaten zeichnete Redakteur René Pfister<br />

ein düsteres Bild autoritärer Pädagogik, das Jungen »früh<br />

zu Kritikern des eigenen Geschlechts« mache.<br />

Ins Visier des Gender-Bashing geriet vor allem das Berliner<br />

Forschungsinstitut Dissens, das in den letzten Jahren<br />

moderne und in Fachkreisen anerkannte Konzepte der Jungenpädagogik<br />

entwickelt hat. Diese stellen traditionelle<br />

Geschlechterrollen in Frage, stärken aber zugleich die Persönlichkeit<br />

von Jungen. Einfach formuliert, zeigen die Pädagogen<br />

den verunsicherten Jugendlichen auf, wie sie auch<br />

ohne Gewalt und Sexismus richtige Männer sein können.<br />

17 DDS März 2008<br />

Dieses Ziel hält auch Familienministerin Ursula von der<br />

Leyen für förderungswürdig – was sie zur bevorzugten Angriffsfläche<br />

der Anti-Gender-Polemiker machte. Die rechte<br />

Junge Freiheit warf der CDU-Politikerin vor, einer »totalitären<br />

Ideologie« anzuhängen, die »durch eine auserwählte<br />

Truppe Linientreuer von oben nach unten durchgesetzt<br />

werden soll«. Als Kronzeugen zitierte das Blatt den Bremer<br />

Geschlechterforscher Gerhard Amendt, der im Internet<br />

verbreitete, die pädagogische Arbeit von Dissens sei »Identitätszerstörung«.<br />

In Sprache wie Inhalt übernahmen die<br />

Rechtsradikalen den Tenor der bürgerlichen Leitmedien.<br />

Es ging hier keineswegs um ein Vermittlungsproblem,<br />

um eine lediglich missverständliche Interpretation des in der<br />

Tat nicht besonders eingängigen Begriffes »Gender Mainstreaming«.<br />

Es handelte sich um eine Kampagne, um beharrliches<br />

Trommeln, das gleichstellungspolitische Anliegen<br />

pauschal diskreditieren sollte. Bereits 2006 hatten sich FAZ-<br />

Herausgeber Frank Schirrmacher und seine medialen Trittbrettfahrer<br />

mit einer neokonservativen Sicht auf die Geschlechterfrage<br />

profiliert. Zur Seite standen ihnen Intellektuelle<br />

wie Udo Di Fabio, Norbert Bolz oder Paul Nolte: Die<br />

Frauen, so der einhellige Ruf, seien schuld an den niedrigen<br />

Geburtenzahlen in Deutschland. Assistenzdienste leistete<br />

die frühere Tagesschau-Sprecherin Eva Herman mit ihrem<br />

Appell an die Mütter, zur natürlichen Bestimmung des Weibes<br />

am heimischen Herd zurückzukehren.<br />

In einer Zeit, in der eine Frau Bundeskanzlerin ist und<br />

sich selbst die CDU von der Hausfrauenehe verabschiedet,<br />

glaubt offenbar nicht nur die Junge Freiheit, auf seriöse Recherche<br />

beim Thema Gender gänzlich verzichten zu können.<br />

Der gedruckte Unmut über die »unerklärliche und<br />

letztlich anonyme Strömung des Zeitgeistes«, wie FAZ-Autor<br />

Zastrow raunte, deutet auf massive Irritationen hin. Den<br />

Herren passt schlicht die ganze Richtung nicht – und ihre<br />

nostalgischen Positionen stoßen in rechten Kreisen auf<br />

wachsende Zustimmung.<br />

Die NPD verdankte ihre Wahlerfolge etwa in Vorpommern<br />

den deklassierten jungen Kerlen ohne Job und Perspektive<br />

und schon immer haben Männer überdurchschnittlich<br />

häufig rechtsradikale Parteien unterstützt. Der Geschlechter-Kulturkampf,<br />

in dem Neokonservative und<br />

Rechtsextreme gemeinsam alte Rollenideale beschwören,<br />

liefert einen ersten Vorgeschmack.<br />

Thomas Gesterkamp lebt als Journalist, Buchautor und Referent in Köln.<br />

Folgende Bücher sind zuletzt von ihm erschienen:<br />

Thomas Gesterkamp: »Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere. So<br />

kann die Balance gelingen«,<br />

Verlag Herder, Freiburg i. Br., 8,90 Euro<br />

Thomas Gesterkamp: »Die Krise der Kerle«,<br />

Lit-Verlag, Münster, Hamburg, Berlin, Wien, London, 17,90 Euro

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!