01.09.2013 Aufrufe

149-158 (2718 KB)

149-158 (2718 KB)

149-158 (2718 KB)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

142 Rechtsprechung recht 1990 Heft 4<br />

setzt 40 . Dieser besagt, dass bei der Überprüfung<br />

der Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht<br />

auf die individuellen Eigenschaften des konkreten<br />

Schuldners, sondern auf den durchschnittlichen<br />

Schuldner in dieser Situation abzustellen<br />

sei. Dieserobjektivierte und typisierte<br />

Fahrlässigkeitsmassstab deckt sich nun weitgehend<br />

mit der vertraglich geschuldeten Sorgfaltspflicht,<br />

die - wie oben dargelegt - ebenfalls<br />

nach objektiven Kriterien bemessen wird.<br />

b) Geht man von diesem Fahrlässigkeitsbegriff<br />

aus, so kann der Schuldner nur in den seltensten<br />

Fällen einen Exkulpationsbeweis führen.<br />

Vor diesem Hintergrund sind Tendenzen zu<br />

verstehen, die darauf zielen, den Entlastungsbeweis<br />

zu erleichtern und den Verschuldensmassstab<br />

wieder stärker nach subjektiven Kriterienzu<br />

bestimmen 41 . Es ist nicht Absicht dieser<br />

Urteilsbesprechung, zu diesem Thema<br />

Stellung zu nehmen, sondern aufzuzeigen,<br />

dass es sich dabei wiederum nicht um ein<br />

rechtsdogmatisches, sondern um ein rein<br />

rechtspolitisches Problem handelt. Ob und inwieweit<br />

man den Exkulpationsbeweis zulässt,<br />

hängt davon ab, wie man sich generell zurTendenz<br />

der Haftungsverschärfung stellt. Je stärker<br />

man den Verschuldensmassstab subjektiviert,<br />

um so mehr Wertungsspielräume werden<br />

dem Richter eröffnet, um die Haftung letztlich<br />

trotz Vorliegen aller Haftungsvoraussetzungen<br />

abzulehnen. Hält man dagegen die<br />

strikte Haftung für Dienstleistungen, aberauch<br />

für sonstige Nebenpflichtverletzungen im Bereich<br />

der übrigen Vertragsverhältnisse für<br />

sachgerecht, so kommt eine Subjektivierung<br />

des Verschuldensmassstabes nicht in Betracht.<br />

8. Ansätze für ein Konzept<br />

Um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen,<br />

muss man sich auf das zurückbesinnen,<br />

was oben als Funktion der Nebenpflichten und<br />

der auftragsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflichten<br />

beschrieben worden ist. Sie dienen<br />

dem Richter dazu, die Risikosphären von Gläubiger<br />

und Schuldner gegeneinander abzugrenzen<br />

und teils nach sozialen Kriterien (Kompensation<br />

von Ungleichgewichtslagen), teils<br />

nach allgemeinen Interessenabwägungen<br />

40 Dazu grundlegend OWnger. Haftpflichtrecht I, 4Aufl Zürich<br />

1975. 45. und Fellmann. Der Verschuldensbegriff im Deliktsrecht.<br />

ZSR 1987 I 339<br />

41 Vor allem Fellmann (Fn 40).<br />

dem einen oder anderen durch Begründung<br />

oder Ablehnung von Nebenpflichten Risiken<br />

zuzuweisen. Durch die Verknüpfung mit der<br />

Lehre von der culpa in contrahendo und der<br />

positiven Vertragsverletzung ist damit eine<br />

Konzeption entstanden, die eine differenziertere<br />

und in der Regel sachgerechte Lösung der<br />

Probleme ermöglicht. Wenn dies aber richtig<br />

ist, so ergibt sich daraus auch, wohin die Entwicklung<br />

inZukunft gesteuert werden muss: Je<br />

geringer das personale Elementar* der Dienstleistung<br />

ist, je weniger diese durch die Beteiligung<br />

individueller Personen geprägt wird, um<br />

so mehr nähert sie sich einem Produkt an. Liegen<br />

diese Voraussetzungen vor, wie das bei<br />

Leistungen von Banken, Treuhandgesellschaften<br />

und anderen Dienstleistungsgewerben der<br />

Fall ist, so ist es gerechtfertigt, deren Sorgfaltsund<br />

Treuepflichten auszuweiten und ihnen insbesondere<br />

die Exkulpation durch Berufung auf<br />

individuelle Eigenschaften zu verwehren; denn<br />

es handelt sich eben nicht um Leistungen von<br />

Individuen, sondern von Institutionen. Je mehr<br />

aber Dienstleistungen durch personale Elemente<br />

geprägt sind, um so mehr muss dem bei<br />

Beurteilung der Interessenlage Rechnung getragen<br />

werden. Dies führt meines Erachtens<br />

nicht notwendig dazu, dass die Treue- und<br />

Sorgfaltspflichten weniger weitgehend formuliert<br />

werden, obwohl auch dies im Einzelfall<br />

sein kann. Entscheidend ist jedoch, dass bei<br />

der Exkulpation hier in stärkerem Masse die Individualität<br />

berücksichtigt werden kann und<br />

muss 42 ; denn es handelt sich eben noch um individuelle<br />

Leistungen und nicht um Dienstleistungsprodukte.<br />

Auf diese Weise sind sachgerechte Differenzierungen<br />

möglich, die im übrigen weitgehend<br />

auch auf die Behandlung der Nebenpflichten<br />

im allgemeinen zutreffen und sich<br />

nahtlos in das System der Leistungsstörungen<br />

einfügen Zugleich ist es auf diese Weise möglich,<br />

rechtspolitische Zielsetzungen systematisch<br />

und dogmatisch in angemessener Form<br />

zu verwirklichen.<br />

IV. Schlussbetrachtung<br />

Die Besprechung des Entscheides hat gezeigt,<br />

dass Schuldrechtsdogmatik und Haftungsrecht<br />

sich in einer entscheidenden Umbruchsphase<br />

befinden.<br />

42 So schon Wiegand (Fn.29). 110f.: in diesem Sinne auch<br />

Weber (Fn 18). 56f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!