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Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand

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WOLFGANG WIEGAND*<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

I. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

A. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Mobiliarsicherheiten<br />

B. Historische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

II. Analyse der verschiedenen Erscheinungsformen<br />

A. Funktionelle Betrachtungsweise<br />

B. Strukturelle Betrachtungsweise<br />

III. Der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

A. Die gesetzliche Regelung <strong>und</strong> ihre Problematik<br />

1. Das <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

2. Die juristische Konstruktion<br />

a) Konstitutive oder deklaratorische Wirkung des Registereintrags?<br />

b) Suspensiv- oder resolutivbedingter Eigentumserwerb?<br />

c) Stellungnahme<br />

3. <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> Konkurs<br />

4. <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> guter Glaube<br />

B. Anwendungsbereich<br />

1. Traditioneller Anwendungsbereich<br />

a) Kreditkauf<br />

b) Abzahlungsverträge<br />

2. Ausweitungen<br />

a) <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> Drittfinanzierung<br />

b) Erweiterter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

3. Neuere Anwendungsformen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Probleme<br />

a) Verarbeitungsklauseln<br />

b) Zessionsklauseln<br />

IV. Die <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

A. Gesetzliche Ausgangslage<br />

B. Die juristische Konstruktion <strong>und</strong> die einzelnen Rechtsverhältnisse<br />

1. Die Sicherungsabrede<br />

2. Die Verfügung<br />

C. Rechtliche Konsequenzen<br />

1. Die unwirksame <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

2. Die wirksame <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

Unter Mitarbeit von BERNHARD BERGER. Fürsprecher.


76 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

V. Das <strong>Fahrnispfand</strong><br />

A. Pfandrechtliche Prinzipien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>begriffe<br />

1. Das «Pfandrecht»<br />

2. Bestimmtheit des Pfandobjekts<br />

3. Akzessorietät<br />

B. Die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> die möglichen Pfandgegenstände<br />

1. Art. 884 ZGB - Pfandrecht an körperlichen Sachen<br />

2. Art. 899 ZGB - Pfandrecht an Rechten<br />

C. Die Rechtsverhältnisse<br />

1. Der Pfand- oder Pfandbestellungsvertrag<br />

a) Rechtsnatur <strong>und</strong> Inhalt<br />

b) Auswirkungen der neueren b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung<br />

zum «generellen Forderungskreis»<br />

2. Die Verfügung<br />

3. Mögliche Konstellationen<br />

D. Verwendung <strong>und</strong> praktische Bedeutung des Pfandrechts<br />

E. Einzelfragen<br />

1. Übertragung der Forderung<br />

2. Übertragung des Pfandrechts bei mehreren Forderungen<br />

3. Weiterverpfändung (Art. 887 ZGB)<br />

a) Allgemeine Anwendung<br />

b) Besondere Bestimmungen im Bankbereich<br />

VI. Rechtspolitische Würdigung<br />

Anhang<br />

I. Gr<strong>und</strong>lagen<br />

A.Die verschiedenen Erscheinungsformen<br />

der Mobiliarsicherheiten<br />

Wie sich aus dem Begriff «Mobiliarsicherheiten» ergibt, geht es dabei prinzipiell<br />

um Sicherungsrechte an beweglichen Vermögenswerten (Mobilien). Damit<br />

sind die Mobiliarsicherheiten zunächst abzugrenzen von den Immobiliarsicherheiten.<br />

d.h. den Sicherungsrechten an Gr<strong>und</strong>stücken 1 ; zusammengefasst<br />

bilden Mobiliar- <strong>und</strong> Immobiharsicherheiten die sog. Realsicherheiten, die<br />

wiederum abzugrenzen sind von den Sicherungsinstrumenten, die durch persönliche<br />

Haftung eines Dritten, insb. durch Bürgschaft oder Garantie, begründet<br />

werden (sog. Personalsicherheiten) 2 .<br />

Vgl. dazu WIEGAND (Hrsg.). Theorie <strong>und</strong> Praxis der Gr<strong>und</strong>pfandrechte. Berner Bankrechtstag<br />

(BBT) Band 3. Bern 1996.<br />

Vgl. dazu WIEGAND (Hrsg.), Personalsicherheiten. Berner Bankrechtstag (BBT) Band 4 Bern<br />

1997.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Sicherungsübereignung</strong> begründen Sicherungsrechte<br />

an beweglichen Sachen. Für den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> ergibt sich dies<br />

bereits aus dem Wortlaut von Art. 715 Abs. 1 ZGB 3 , für die <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

dagegen durch die Abgrenzung zur Sicherungszession 4 . Demgegenüber<br />

fallen unter den Begriff des <strong>Fahrnispfand</strong>es sowohl die Verpfändung von<br />

beweglichen Sachen (Faustpfand, Art. 884 ff. ZGB) als auch Pfandrechte an<br />

Forderungen <strong>und</strong> anderen Rechten (Rechtspfand, Art. 899 ff. ZGB). Vielfalt<br />

<strong>und</strong> inhaltliche Ausprägung der einzelnen Institute sind Produkt der historischen<br />

Entwicklung 5 .<br />

Ziel dieses Beitrages ist es, die Konzeption der Mobiliarsicherheiten, wie<br />

sie sich aus dem System von ZGB <strong>und</strong> OR ergibt, mit der heutigen Realität zu<br />

vergleichen <strong>und</strong> auf ihre Zweckmässigkeit zu untersuchen. Dazu sind zunächst<br />

die Entstehungszusammenhänge aufzuzeigen, wozu sich ein Fall, der<br />

sich im Jahre 1880 im Kanton Bern zugetragen hat, besonders eignet 6 :<br />

«Durch Kaufvertrag vom 17. Juli 1877 hatte Wittwe L. Schlinke von ihrem Schwiegersohn<br />

Hofstetter das ganze Ameublement eines Hauses für Fr. 12 170.- erworben.<br />

Der Vertrag wurde schriftlich abgefaßt <strong>und</strong> enthielt eine genaue Aufzeichnung<br />

sämmtlicher Objekte, sowie die Bescheinigung zweier Zeugen, daß die letztern in ihrer<br />

Gegenwart von Hand zu Hand durch den Verkäufer an die Käuferin wirklich<br />

übergeben worden seien. Gleichzeitig wurde ein Miethvertrag errichtet, gemäß welchem<br />

Hofstetter die Sachen um Fr. 600.- jährlichen Miethzins sollte benutzen können.<br />

Als dann im November 1878 der Geldstag über H. verhängt wurde, befanden<br />

sich sämmtliche Objekte im Gewahrsam des Geldstagers <strong>und</strong> wurden zur Masse gezogen.»<br />

Die Vindikationsklage der Witwe Schlinke wurde in zweiter Instanz gestützt<br />

auf Satzung 432 des Bernischen Civilgesetzbuches abgewiesen. Nach<br />

dieser Bestimmung wurde der Eigentumsübergang durch constitutum possessorium,<br />

d.h. durch die Abrede zwischen Erwerber <strong>und</strong> Veräusserer, dass dieser<br />

im Besitz der Sache verbleiben solle, gr<strong>und</strong>sätzlich anerkannt; allerdings mit<br />

der Einschränkung, dass sich der Erwerber im Konkurs des Veräusserers nicht<br />

1 Art. 217 Abs. 2 OR, wonach beim Gr<strong>und</strong>stückkauf die Eintragung eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es<br />

ausgeschlossen ist. hat demnach nur deklaratorischen Charakter. Dem Verkäufer eines<br />

Gr<strong>und</strong>stücks steht zur Sicherung des kreditierten Kaufpreises ein anderes Sicherungsmittel zu:<br />

Er hat Anspruch auf Errichtung eines (mittelbaren) gesetzlichen Gr<strong>und</strong>pfandes (Art. 837<br />

Abs. 1 Ziff. 1 <strong>und</strong> Art. 837 ZGB).<br />

4 Die Sicherungszession könnte man auch als «<strong>Sicherungsübereignung</strong> von Forderungen»<br />

bezeichnen. Zur Sicherungszession vgl. den Beitrag von HANS PETER WALTER in diesem Band<br />

(S.43ff.).<br />

5 Vgl. dazu den Beitrag von HELMUT KOZIOL in diesem Band (S. 19 ff).<br />

6 ZBJV 17 (1881), 56 f. Dazu <strong>und</strong> zum Folgenden ausf. WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte.<br />

ZBJV 116 (1980). 537 ff. (545 ff.) m.w.H.


78 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

darauf berufen konnte 7 s . Diese Einschränkung sollte - wie den Anmerkungen<br />

des damaligen Redaktors der ZBJV. Prof. ZEERLEDER, ZU entnehmen ist 9 - «einer<br />

der beliebtesten Arten der sog. den Riegel schiebfen]».<br />

Das Obligationenrecht von 1881 enthielt in Art. 202 eine auf den ersten<br />

Blick ähnliche Bestimmung 1 ": sie hatte jedoch gegenüber der bernischen Lösung<br />

den entscheidenden Nachteil, dass der Dritte, der sich auf die Unwirksamkeit<br />

der Übereignung durch Besitzeskonstitut berufen wollte, dem Gegner<br />

im Prozess eine Benachteiligungsabsicht nachweisen musste. Dieser praktisch<br />

schwer zu erbringende Beweis führte dazu, dass das B<strong>und</strong>esgericht<br />

Übereignungen durch constitutum possessorium, selbst wenn sie zur Kreditsicherung<br />

erfolgten, als wirksam anerkannte". Allmählich setzte jedoch eine<br />

Trendwende ein. indem das B<strong>und</strong>esgericht bei den der <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Verträgen Simulation annahm <strong>und</strong> damit den (Konkurs-)Gläubigern<br />

auf andere Weise als durch Nachweis einer Benachteiligungsabsicht<br />

den Zugriff auf die umstrittenen Vermögenswerte ermöglichte 12 .<br />

Der Einwand, die Zulassung der <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Besitzeskonstitut<br />

Verstösse gegen das in Art. 210 aOR festgehaltene Faustpfandprinzip,<br />

wurde vom B<strong>und</strong>esgericht - trotz Kritik in der Lehre 11 - nicht zugelassen.<br />

Klarheit in dieser Frage wurde erst durch Art. 717 ZGB <strong>und</strong> dessen Interpretation<br />

durch die Rechtsprechung geschaffen 14 .<br />

Satzung 432 lautete: «Ausnahmsweise kann unter folgenden Bedingungen eine bewegliche<br />

Sache schon durch die Erklärung des bisher Berechtigten eigenthümlich übergeben werden:<br />

1) wenn derselbe denjenigen, der die Sache in seinem Namen inhat. anweist dieselbe in eigenem<br />

Namen zu besitzen: oder 2) wenn er sich erklärt, die Sache, die er bisher als Eigenthümer<br />

besessen, von nun an im Namen des Uebernehmers inhaben zu wollen. In diesem letztern Falle<br />

behalten jedoch die Gläubiger des Uebergebers das Recht, wenn derselbe in einen Geldstag<br />

fällt, die von ihm auf diese Weise Ubergebenen Sachen zur Masse zu ziehen (Gesetz über die<br />

Geldstage Art. 9).» Erste Kommentierung bei SAMUEL LUDWIG SCHNELL. Civilgesetzbuch für<br />

die Stadt <strong>und</strong> Republik Bern. Zweyter Theil: Sachenrecht. Bern 1827. 98 ff.<br />

» Als Vorbild für Satzung 432 diente - allerdings ohne die Einschränkung im Konkurs des Veräusserers<br />

- § 428 des Österreichischen ABGB von 1811: vgl. den rechtsvergleichenden Hinweis<br />

bei JOHANN JACOB LEUENBERGEK. Vorlesungen über das Bernische Privatrecht. Zweiter Band.<br />

Bern 1851.211. Das Luzernische Bürgerliche Gesetzbuch enthielt in § 288 eine der Satzung 432<br />

entsprechende Regelune.<br />

" ZBJV 17 (1881). 57.<br />

1,1 Art. 202 aOR lautete: «Ausnahmsweise kann der Veräusserer auch an einer Sache, welche er<br />

in Händen behält, den Besitz auf den Erwerber übertragen, wenn dieselbe infolge eines besonderen<br />

Rechtsverhältnisses, wie z.B. eines Mietvertrages, noch in seinem Gewahrsam zurückbleiben<br />

soll.<br />

Eine solche Besitzübertragung ist Dritten gegenüber unwirksam, falls eine Benachteiligung<br />

derselben beabsichtigt wurde. Der Richter entscheidet hierüber nach freiem Ermessen in Würdigung<br />

der Umstände.»<br />

11 BGE 19. 344 (347 ff.). Das B<strong>und</strong>esgericht hält hier sowohl die Einrede der Simulation als auch<br />

den Einwand, es liege wegen Verstosses gegen das Faustpfandprinzip eine Gesetzesumgehune<br />

vor. für unbegründet.<br />

i; BGE 24 II 576 (5X1) ff.) <strong>und</strong> BGE 30 II 550 (555 ff.).<br />

Vgl. die Nw. bei K \m OFTINGER. Zürcher Kommentar. Das <strong>Fahrnispfand</strong>. 2. Aufl. Zürich 1952.<br />

Art. 884. Rn. 276 (nachfolgend zit. ZK-[Kommentator]).<br />

14 BGE 39 || 691 (692 f.) <strong>und</strong> sodann gr<strong>und</strong>legend BGE 42 II 17 (24 ff.).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 79<br />

B. Historische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

1. Alle drei hier zu besprechenden Institute finden sich bereits im römischen<br />

Recht:<br />

a) Die Existenz des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es lässt sich aus Vereinbarungen<br />

ableiten, wonach die Sache dem Käufer bis zur Bezahlung des Kaufpreises<br />

vermietet (locatio conductio) oder geliehen (precarium; commodatum) sei 15 .<br />

b) Die <strong>Sicherungsübereignung</strong> (fiducia) war ursprünglich ein Geschäft, das<br />

der Veräusserer mit einer Vertrauensperson tätigte (fiducia cum amico contracta).<br />

Dabei bediente man sich zur Übertragung des Eigentums - da es sich<br />

i.d.R. um res mancipi handelte - der mancipatio oder in iure cessio 16 . Durch<br />

die damit verb<strong>und</strong>ene Treuabrede (pactum fiduciae) war der Erwerber verpflichtet,<br />

mit der Sache vereinbarungsgemäss zu verfahren, sie insb. nicht zu<br />

veräussern <strong>und</strong> sie dem Veräusserer zu gegebener Zeit wieder zurückzuübereignen.<br />

Später entwickelte sich die fiducia zum allgemeinen Kreditsicherungsmittel<br />

(fiducia cum creditore contracta), wobei die Übereignung häufig besitzlos<br />

erfolgte. Musste die Sicherheit in Anspruch genommen werden, war in früherer<br />

Zeit der Verfall an den Gläubiger die Regel 17 ; später trat als Alternative<br />

die Verkaufsabrede hinzu 18 .<br />

c) Durch das Pfandrecht (pignus) 19 erlangte der Gläubiger einer Forderung<br />

nicht das Eigentum, sondern ein beschränktes dingliches Recht am Pfandgegenstand.<br />

Er war berechtigt, sich bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aus<br />

dem Wert des Pfandes bezahlt zu machen. In der klassischen Zeit erfolgte dies<br />

regelmässig durch Pfandverfall. Die Zulassung des Verfallsvertrages führte jedoch<br />

dazu, dass sich die Kreditgeber in Zeiten herrschender Kreditnot im Vergleich<br />

zu den gewährten Darlehen unverhältnismässig wertvolle Pfänder bestellen<br />

liessen, was der Gr<strong>und</strong>idee des Pfandrechts, dem Gläubiger Sicherheit<br />

nur bis zur vollen Höhe seiner Forderung zu verschaffen, zuwiderlief. Erst in<br />

nachklassischer Zeit wurde der Verfallsvertrag verboten <strong>und</strong> damit der<br />

Rechtszustand geschaffen, der auch der heutigen Regelung des ZGB zugr<strong>und</strong>e<br />

liegt 20 . Ein Pfandrecht konnte als Besitzpfand (pignus datum) oder auch als<br />

15<br />

MAX KÄSER. Römisches Privatrecht. 16. Aufl. München 1992. § 24 IV.3.<br />

16<br />

Beide Übertragungsarten wirkten abstrakt, d.h. sie waren unabhängig von der Existenz eines<br />

gültigen Gr<strong>und</strong>geschäfts wirksam.<br />

17<br />

Verfall ist hier nicht im Sinne von Art. 894 ZGB zu verstehen, da der Gläubiger bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

Eigentum am Sicherungsgut erlangt <strong>und</strong> dem Schuldner (<strong>und</strong> bisherigen Eigentümer)<br />

gegenüber nur noch obligatorisch verpflichtet ist (insb. zur Rückübereignung bei<br />

vollständiger Tilgung der Schuld).<br />

18<br />

Vgl. zum Ganzen KÄSER, op.cit. (Fn. 15), § 31 I <strong>und</strong> II.<br />

" Vgl. zum Folgenden KÄSER, op.cit. (Fn. 15), § 31 III.<br />

20<br />

Nach Art. 891 ZGB ist der Gläubiger berechtigt, «sich aus dem Erlös des Pfandes bezahlt zu<br />

machen» (Hervorhebung durch den Verf.). Art. 894 ZGB verbietet den Verfallsvertrag.


80 WOLFGANG WIEÜAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

besitzloses Pfand (pignus obligatum) begründet werden; für letzteres kam allmählich<br />

die Bezeichnung als hypotheca auf. 21 Zentrale Voraussetzung für den<br />

Bestand des Pfandrechts war die Gültigkeit des zu sichernden Kreditverhältnisses<br />

oder genauer die Existenz der zu sichernden Forderung (Akzessorietät)".<br />

Als Pfandobjekte dienten neben beweglichen Sachen auch Forderungen<br />

<strong>und</strong> andere Rechte oder das ganze Vermögen (sog. Generalpfand); auch<br />

eine Pfandsache konnte verpfändet werden (pignus pignoris) 23 . Zulässig war<br />

schliesslich auch die Mehrfachverpfändung 24 .<br />

Trotz der Existenz der drei besprochenen Institute waren Personalsicherheiten<br />

(vor allem die Bürgschaft) im römischen Recht von weit grösserer Bedeutung,<br />

was wohl in erster Linie auf die Mängel im System der Realsicherheiten<br />

zurückzuführen war: Durch die Zulassung besitzloser Pfandrechte <strong>und</strong><br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong>en sowie durch die Zulässigkeit von Generalpfandrechten<br />

wurden Rechtsunsicherheiten geschaffen, die die Kreditgeber nicht in<br />

Kauf zu nehmen bereit waren.<br />

2. <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> Pfandrecht lassen sich in ihrer römisch-rechtlichen<br />

Form praktisch unverändert durch das ganze Mittelalter nachweisen,<br />

während die fiducia verschwindet <strong>und</strong> vollständig durch das Pfandrecht abgelöst<br />

wird. Durch die Rezeption findet das römische pignus <strong>und</strong> damit auch die<br />

Mobiliarhypothek gesamteuropäisch Verbreitung, daneben spielt aber auch<br />

das Faustpfandrecht eine wichtige Rolle 25 . Auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft<br />

26 wird sozusagen als Weiterentwicklung der Mobiliarhypothek die sog.<br />

Fahrnisverschreibung ausgebildet: Unter Mitwirkung eines Beamten wird der<br />

im Gewahrsam des Verpfänders verbleibende Gegenstand in ein öffentliches<br />

Register eingetragen. Auf diese Weise konnten in einigen Kantonen praktisch<br />

alle, in anderen immerhin bestimmte Arten von beweglichen Sachen verpfändet<br />

werden. Diese weit verbreitete Praxis wurde durch die Einführung des<br />

:l In der heutigen Terminologie wird ein besitzloses Pfandrecht an einer beweglichen Sache auch<br />

als Mobiliarhypothek bezeichnet: vgl. TUOR/SCHNYDER/SCHMID. Das Schweizerische Zivilgesetzbuch.<br />

II. Aufl. Zürich 1995. 891. ausf. dazu PETER ALTORFER. Die Mobiliarhypothek - Ein<br />

Beitrag zur Reform des <strong>Fahrnispfand</strong>rechts. Diss. Zürich 1980. Zürich 1981.<br />

:: Dazu ausf. unten S. 1 12 f.<br />

-' Vgl. Art. 887 ZGB. der verlangt, dass der Verpfänder (<strong>und</strong> Eigentümer) der Weiterverpfändung<br />

zustimmt. Dazu unten S. 12.3 ff.<br />

- J Dazu ausführlich MAX KÄSER. Über mehrfache Verpfändung im römischen Recht, in: Studi in<br />

onore di GIUSEPPE GROSSO. Torino 1968. vol. I. 27 ff. Zur heutigen Rechtslage vgl Art 886<br />

ZGB.<br />

:< Dazu DIETER ZOBL. Berner Kommentar. Systematischer Teil <strong>und</strong> Art. 884-887 ZGB. Bern<br />

1982. Syst. Teil. Rn. 95 m.w.Nw. (nachfolgend zit. BK-[Kommentator]). Zur Geschichte des<br />

Faustpfandes vgl. Woi FGANG HROMAOKA. Geschichtliche Beiträge zu Fragen des Faustpfandprinzips<br />

im Schweizerischen Zivilgesetzbuch. ZSR NF 89 I (1970). 117 ff. <strong>und</strong> allgemein HRO-<br />

MADKA. Die Entwicklung des Faustpfandprinzips im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. Forschungen zur<br />

neueren Privatrechtsgeschichte Bd. 17. Köln/Wien 1971.<br />

" Zur Geschichte des <strong>Fahrnispfand</strong>es in der Schweiz ausf. EUGEN HUBER, System <strong>und</strong> Geschichte<br />

des Schweizerischen Privatrechts. Band IV. Basel 1893. 816 ff.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 81<br />

Faustpfandprinzips im Obligationenrecht von 1881 beendet 27 : Fortan konnten<br />

Pfänder nur noch wirksam bestellt werden, wenn die Sache dem Pfandgläubiger<br />

tatsächlich übergeben wurde 28 . Dies führte insbesondere dazu, dass nunmehr<br />

Vermögenswerte, die für den Geschäftsbetrieb des Schuldners unentbehrlich<br />

waren 29 , nicht mehr durch Verpfändung mobilisiert werden konnten.<br />

Als Reaktion darauf gewann der im aOR nicht vorgesehene <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

zunehmende Bedeutung 30 <strong>und</strong> es wurde die <strong>Sicherungsübereignung</strong> «wiederentdeckt»<br />

31 , was auch erklärt, weshalb sich das B<strong>und</strong>esgericht in der Zeit<br />

zwischen 1881 <strong>und</strong> der Einführung des ZGB so oft mit der Zulässigkeit von<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong>en zu befassen hatte 32 .<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Ereignisse war man bei der Schaffung des<br />

ZGB bestrebt, bei den Mobiliarsicherheiten für «klare Verhältnisse» zu sorgen.<br />

Dem Publizitätsprinzip wurde im System der Realsicherheiten grösste<br />

Bedeutung beigemessen 33 : Niemand sollte sich in Zukunft mit ihm nicht gehörenden<br />

Vermögenswerten umgeben <strong>und</strong> damit insbesondere potentielle Kreditgeber<br />

über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit täuschen können. Aus<br />

diesen Überlegungen heraus sind die Artt. 715, 717 <strong>und</strong> 884 ZGB entstanden,<br />

die die Eckpfeiler des Mobiliarsicherheiten-Systems des ZGB <strong>und</strong> OR bilden.<br />

II. Analyse der verschiedenen Erscheinungsformen<br />

A. Funktionelle Betrachtungsweise<br />

1880 schrieb Prof. KÖNIG, damals Professor für vaterländisches Recht an der<br />

bernischen Hochschule 34 :<br />

«Mit den Prinzipien der Art. 227 <strong>und</strong> 235 [aORJ steht die in Art. 219 Abs. 2 [aOR]<br />

enthaltene Bestimmung insofern vollkommen im Einklang, als durch das sog. pactum<br />

reservati dominii im Gr<strong>und</strong>e genommen unter dem äußern Scheine des Eigenthums-<br />

27<br />

Art. 210 aOR. Rechtsvergleichende Hinweise bei STAUDINGER/WIEGAND. Kommentar zum<br />

BGB, 13. Bearb. Berlin 1996. Vorbem. zu §§ 1204 ff., Rn. 4 ff. Zu den Beweggründen in der<br />

Schweiz siehe BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 107 m.w.H.<br />

2S<br />

Von der Fahrnisverschreibung übriggeblieben ist die Viehverpfändung (Art. 885 ZGB). Für<br />

weitere (praktisch unbedeutende) Registerpfandrechte vgl. BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Svst.<br />

Teil, Rn. 363 ff.<br />

24<br />

Z.B. Maschinen, Fahrzeuge etc.<br />

-"' Dazu BK-ZOBL, op.cit. (Fn. 25), Syst. Teil, Rn. 108.<br />

31<br />

Eingehend dazu WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6), 542 ff.<br />

32<br />

Vgl. die in Fn. 12 <strong>und</strong> 13 zit. Entscheidungen: für w.Nw. vel. ZK-OFTINGER. op.cit. (Fn. 13).<br />

Art. 884, Rn. 276.<br />

13<br />

Bei den Gr<strong>und</strong>pfandrechten durch Einführung des Gr<strong>und</strong>buches: beim Pfandrecht durch Beibehaltung<br />

des Faustpfandprinzips (Art. 884 ZGB): in Art. 717 Abs. 1 ZGB durch das «Verbot»<br />

der <strong>Sicherungsübereignung</strong> mittels Besitzeskonstitut: beim Eigentumsvorhehalt durch Einführung<br />

des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregisters (Art. 715 Abs. 1 ZGB).<br />

34<br />

KARL GUSTAV KÖNIG. Civilgesetzbuch für den Kanton Bern. Zweiter Band: Sachenrecht. Bern<br />

1880. 181.


82 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

rechtes nur ein sehr weit gehendes Pfandrecht des Veräußerers an der im Besitz seines<br />

Schuldners befindlichen Sache bezweckt wird.»<br />

Mit dieser Auffassung, der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> sei lediglich eine besondere<br />

Form eines Pfandrechts, wird ein Gedanke zum Ausdruck gebracht, der in<br />

der Literatur immer wieder in ähnlicher Form zu finden ist: Eine Betonung der<br />

funktionellen Gleichheit der verschiedenen Kreditsicherungsinstrumente 35 .<br />

Dies zeigt sich ganz besonders in dem Versuch, die Pfandrechtsregeln auf die<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> anzuwenden. Richtig ist, dass sowohl der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

als auch das Pfandrecht der Kreditsicherung durch eine Sache dienen;<br />

insofern besteht funktionell oder wirtschaftlich betrachtet Zweckidentität.<br />

Trotzdem ist der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> dogmatisch gesehen kein (weitgehendes)<br />

Pfandrecht: Er unterscheidet sich vom Pfandrecht wesentlich<br />

dadurch, dass der Vorbehaltsverkäufer nicht durch eine fremde, sondern<br />

durch eine eigene Sache gesichert wird. Das Pfandrecht berechtigt den Pfandgläubiger,<br />

die fremde Sache zu verwerten <strong>und</strong> den Erlös zur Tilgung seiner<br />

Forderung zu verwenden. Anders beim <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>: Sofern der Käufer<br />

seine Zahlungspflicht nicht erfüllt, kann der Vorbehaltsverkäufer nicht seine<br />

eigene Sache verwerten <strong>und</strong> sich aus deren Erlös bezahlt machen. Die Geltendmachung<br />

des Sicherungsrechts erfolgt hier vielmehr dadurch, dass der<br />

Vorbehaltsverkäufer seine Sache zurücknimmt <strong>und</strong> man im Gegenzug die Forderung<br />

gegen den Käufer auf Bezahlung des Kaufpreises untergehen lässt 36 .<br />

Hat sich der Verkäufer das Eigentum vorbehalten <strong>und</strong> ist er später gezwungen,<br />

diese Sicherung in Anspruch zu nehmen, führt dies zu einer Rückabwicklung<br />

des Kaufvertrages.<br />

Diese funktionelle Gleichheit hat bei der Reform des Insolvenzrechts in<br />

Deutschland" eine erhebliche Rolle gespielt <strong>und</strong> zu einer vollstreckungsrechtlichen<br />

Annäherung, nicht aber zu einer (materiellrechtlichen) Angleichung<br />

der Sicherungsformen geführt. Eine solche ist weitgehend vollzogen im<br />

amerikanischen «Securities»-System.<br />

B. Strukturelle Betrachtungsweise<br />

Schon die historische Entwicklung zeigt, dass zwischen <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>,<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> Unterschiede sowohl in der Ausgangslage<br />

wie auch in der Zielsetzung bestehen:<br />

" So z.B. PETER LIVER. Schweizerisches Privatrecht. Band V/1. Basel/Stuttgart 1977. 340: «Der<br />

EV ist ein Mittel zur Sicherung der Kaufpreisforderung. Als solches hat er die gleiche Funktion<br />

wie das Pfandrecht.» Vgl. auch SCHERRER. in: ZK-HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBI Das Eieentum.<br />

Zürich 19:9-1977. Art. 715/16, Rn. 16.<br />

"• Abgesehen von einem angemessenen Mietzins <strong>und</strong> einer Entschädigung für Abnützung<br />

(Art. 71d Abs. I ZGB).<br />

Vgl. dazu STAUDINGER/WIEGAND. Kommentar zum BGB. 13. Bearb. Berlin 199S Anh zu<br />

55 929-931. Rn.36ff.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 83<br />

1. Der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> dient der Sicherung der Kaufpreisforderung<br />

bei einem Kreditkauf. Die Parteien vereinbaren, dass der Veräusserer Eigentümer<br />

der Kaufsache bleibt, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt ist: das Eigentumsrecht<br />

bleibt also beim Veräusserer, während die Sache bereits in den<br />

Besitz desjenigen übergeht, der sie gebrauchen <strong>und</strong> nutzen will. Wird der Käufer<br />

vor der Bezahlung des Kaufpreises insolvent, verhindert der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>,<br />

dass die Kaufsache zur Masse gezogen wird. Das eigentliche Ziel<br />

der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung ist jedoch auf die<br />

Übertragung des Kaufgegenstandes gerichtet 38 . Der Eigentumsübergang soll<br />

aber unterbleiben, solange der Kaufpreis noch nicht bezahlt ist; nach der herrschenden<br />

Lehre ist der Eigentumserwerb des Käufers suspensivbedingt 39 . was<br />

durch die Bezeichnung als «gestreckter Erwerbstatbestand» veranschaulicht<br />

wird. Die Veräusserung unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> stellt im Gr<strong>und</strong>e nichts anderes<br />

dar als die Vereinbarung einer Zug-um-Zug-Erfüllung des Kaufvertrages,<br />

wobei der Käufer bereits vor der Erfüllung seiner Vertragspflicht in den<br />

Besitz der Sache gelangt.<br />

2. Anders bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> beim <strong>Fahrnispfand</strong>: Das<br />

Ziel der Parteien ist hier nicht auf eine Transaktion gerichtet, sondern nur<br />

auf die Sicherung einer Forderung. Der Pfandsache bzw. dem sicherungsübereigneten<br />

Gegenstand kommt lediglich Sicherungsfunktion zu. Das Eigentum<br />

am Sicherungsgut soll bei vollständiger Rückzahlung des Kredites<br />

beim bisherigen Eigentümer verbleiben bzw. an diesen zurückfallen. Je nach<br />

Art des Sicherungsgutes entstehen vor allem für den Sicherungsgeber unterschiedliche<br />

Interessenlagen, indem es neben Vermögenswerten, die er problemlos<br />

für eine gewisse Zeit entbehren kann 4 ", auch solche gibt, die für die<br />

Existenz <strong>und</strong> Weiterführung seines Geschäftsbetriebs unentbehrlich sind<br />

(z.B. Warenlager, die gerade bei im Aufbau befindlichen Unternehmungen<br />

neben den K<strong>und</strong>enguthaben oft das einzige Aktivum darstellen). Für den ersten<br />

Fall, dass Gebrauch <strong>und</strong> Nutzung eines Gegenstandes entbehrlich sind,<br />

stehen prinzipiell sowohl Pfandrecht <strong>und</strong> <strong>Sicherungsübereignung</strong> zur Verfügung,<br />

da dann einer Übergabe an den Pfandgläubiger bzw. einer fiduziarischen<br />

Übereignung nichts im Wege steht. Allerdings wird man sich mit dem<br />

Pfandrecht begnügen: Dieses verschafft dem Pfandgläubiger nur ein beschränktes<br />

dingliches Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös<br />

der Pfandsache, während er durch die <strong>Sicherungsübereignung</strong> fiduziarischer<br />

Eigentümer wird <strong>und</strong> damit eine Rechtsposition erlangt, die den Sicherungs-<br />

• w ZK-SCHERRER. op.cit. (Fn. 35), Art. 715/16. Rn. 16.<br />

" Demgegenüber nimmt eine a.M. eine Resolutivbedingung an. vgl. LIVER. op.cit. (Fn. 35), 340 ff.<br />

Dazu unten S. 87 f.<br />

411 Zu denken ist etwa an Wertpapiere (sofern sie nicht von einem professionellen Anleger gehalten<br />

werden) <strong>und</strong> andere betriebsfremde Sachanlagen.


84 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

zweck übersteigt 41 . Wo jedoch für den Kreditschuldner Gebrauch <strong>und</strong> Nutzung<br />

des Sicherungsgutes weiterhin gewährleistet sein müssen, ist ein Pfandrecht<br />

durch das in Art. 884 ZGB verankerte Faustpfandprinzip ausgeschlossen.<br />

In diesen Fällen böte die <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Besitzeskonstitut<br />

eine Alternative zum Pfandrecht, wäre nicht gerade diese Konstruktion<br />

durch die Regelung von Art. 717 ZGB ausgeschlossen worden.<br />

Diese Überlegungen verdeutlichen, dass zwischen <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

<strong>und</strong> Pfandrecht trotz der Tatsache, dass es sich ihrer<br />

wirtschaftlichen Funktion nach um Sicherungsinstrumente handelt, mehr<br />

oder weniger grosse strukturelle Unterschiede bestehen. In jedem Einzelfall<br />

ist letztlich der Wille der Parteien massgebend <strong>und</strong> es muss die von den Parteien<br />

gewählte Struktur anerkannt werden, soweit <strong>und</strong> sofern Drittinteressen<br />

dies erlauben bzw. dem nicht entgegenstehen 42 . Eine solche Gefährdung der<br />

Interessen Dritter sah der Gesetzgeber sowohl bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

als auch beim <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, mit dem ich mich im folgenden zunächst<br />

befasse.<br />

III. Der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

A. Die gesetzliche Regelung <strong>und</strong> ihre Problematik<br />

Im aOR von 1881 war der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nicht vorgesehen, doch hatte<br />

er sich bis zur Einführung des ZGB in der Praxis etabliert <strong>und</strong> wurde auch vom<br />

B<strong>und</strong>esgericht ausdrücklich anerkannt 43 . In den Entwürfen zum ZGB war an<br />

beweglichen Sachen noch die Mobiliarhypothek in Form der Fahrnisverschreibung<br />

vorgesehen. Erst in den Beratungen setzte sich schliesslich vor allem<br />

aus Gründen der Publizität erneut das Faustpfandprinzip durch, das - wie<br />

bereits erwähnt - schon in Art. 210 aOR statuiert war. Mit diesem Entscheid<br />

war klar, dass sich die im Güterverkehr immer bedeutender werdende Kreditierung<br />

des Kaufpreises nicht durch ein Pfandrecht sichern liess. Gleichzeitig<br />

sah man aber in der Zulassung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es erneut die Gefahr,<br />

dass Dritte mangels Publizität getäuscht werden <strong>und</strong> dadurch zu Schaden<br />

kommen könnten.<br />

Publizität bedeutet Schaffung von Transparenz, damit Dritte vor dem<br />

Schein falscher (Rechts-)Verhältnisse bewahrt werden. Da man das Bedürfnis<br />

des kreditierenden Verkäufers nach einer Sicherheit für den Kaufpreis nicht<br />

Der Sicherungsnehmer erlangt eine über den Sicherungszweck hinausschiessende Rechtsmacht;<br />

vgl. WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn.fi). 543. Das B<strong>und</strong>esgericht<br />

spricht von • üherschiessender Rechtsmacht». BGE 119 II 33fi (338 m.w.H.).<br />

- Zur Konkretisierung dieser Maxime, die für ein am Verkehrsintercsse orientiertes Sachenrecht<br />

verallgemeinerungsfähig ist. vgl. WIEGAND, Die Entwicklung des Sachenrechts im Verhältnis<br />

zum .Schuldrecht. AcP 190 (1990) 112 ff. (135 ff.).<br />

J " BGE 14. III ff.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 85<br />

verkannte, gleichzeitig aber auf die Schaffung von Transparenz bedacht war,<br />

wurde die Wirksamkeit des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s vom Eintrag in einem Register<br />

abhängig gemacht. Dadurch sollten die Eigentumsverhältnisse gegen aussen<br />

sichtbar gemacht werden 44 .<br />

1. Das <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

Nach Art. 715 Abs. 1 ZGB ist ein <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nur dann wirksam,<br />

wenn er am jeweiligen Wohnort des Käufers in dem vom Betreibungsbeamten<br />

zu führenden <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister eingetragen ist.<br />

Damit stellt sich zunächst die Frage nach der «Lokalität» eines solchen Registers.<br />

Die Eintragung «am jeweiligen Wohnort» war schon beim Erlass des<br />

ZGB nicht geeignet, diesem Institut die Bedeutung zu verschaffen, die ihm eigentlich<br />

zufallen sollte, <strong>und</strong> sie ist es im heutigen Zeitalter enormer Mobilität<br />

erst recht nicht mehr. Dass allein die Verlegung des Wohnsitzes in den Zuständigkeitsbereich<br />

eines anderen Betreibungsamtes zur Unsichtbarkeit <strong>und</strong> damit<br />

zur Unwirksamkeit des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es gegenüber Dritten führt,<br />

macht dieses Sicherungsinstrument für den Vorbehaltsverkäufer uninteressant<br />

45 . Gerade im Geschäft mit Konsumgütern, wo mit einer grossen Zahl von<br />

Personen Verträge geschlossen werden, ohne dass zwischen den Parteien engere<br />

Beziehungen bestehen, erscheint der Aufwand, regelmässig Wohnsitzüberprüfungen<br />

durchzuführen, völlig unzumutbar. Dies erklärt unter anderem,<br />

weshalb der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> trotz ausdrücklicher Regelung im Gesetz in<br />

der Rechtswirklichkeit ein vergleichsweise bedeutungsloses Dasein fristet 46 .<br />

2. Die juristische Konstruktion<br />

a) Konstitutive oder deklaratorische Wirkung des Registereintrags?<br />

Nach einer weitverbreiteten <strong>und</strong> von der Rechtsprechung geduldeten Praxis 41<br />

erfolgt der Registereintrag nicht schon vor oder anlässlich der Sachübergabe.<br />

44 WIEGAND, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 555. Die dogmatisch entgegengesetzte<br />

Lösung wurde beim Viehandel getroffen: Da die Viehverpfändung durch Fahrnisverschreibung<br />

(Mobiliarhypothek. Art. 885 ZGB) erfolgt, kann hier ein kreditierter Kaufpreis<br />

durch ein Pfandrecht gesichert werden. Daher wurde der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> beim Viehandel<br />

ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 715 Abs. 2 ZGB). Andernfalls müssten Dritte zur Klärung<br />

einer Situation statt nur ein Register deren zwei konsultieren.<br />

45 Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nach Art. 3 Abs. 3 der VO des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

betreffend die Eintragung der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>e vom 19.12.1910 (EigVV. SR<br />

211.413.1) der frühere Eintrag bei einem Wohnsitzwechsel noch während drei Monaten wirksam<br />

bleibt.<br />

ih Eine gesamtschweizerische Statistik über die <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>e existiert nicht. Laut Auskunft<br />

der Dienststelle Bern des Betreibungskreises Bern-Mittelland werden jedoch für den<br />

Amtsbezirk Bern (ca. 2(X)(XX) Einwohner) monatlich nur gerade 30 bis 4(1 Neueinträge registriert.<br />

4 " LIVER. opcit. (Fn. 35). 332 f.; vgl. auch BGE 93 III 96 (1(14).


86 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

sondern es behält sich der Verkäufer im Vertrag bloss das Recht zur jederzeitigen<br />

Erwirkung des Registereintrags vor* 1 . Dadurch wird die Frage aufgeworfen,<br />

ob der Registereintrag konstitutiv oder bloss deklaratorisch wirkt 49 . Nach<br />

dem Wortlaut von Art. 715 Abs. 1 ZGB («... nur dann wirksam ...») scheint die<br />

Annahme einer konstitutiven Wirkung naheliegend 50 . Nach dieser auch vom<br />

B<strong>und</strong>esgericht 51 vertretenen Auffassung ist der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, solange<br />

er nicht eingetragen ist, «ohne jegliche rechtliche Bedeutung, weder Dritten<br />

gegenüber noch inter partes» 52 . Existiert bei Übergabe der Kaufsache kein<br />

Eintrag, so wird der Käufer ganz normal Eigentümer; ein späterer Registereintrag<br />

bewirkt dann den Rückfall des vorerst an den Erwerber übertragenen<br />

Eigentums.<br />

Die Annahme einer konstitutiven Wirkung des Registereintrags trägt indessen<br />

den Intentionen, die der Gesetzgeber mit der Einführung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregisters<br />

verfolgt hat, zu wenig Rechnung. Das Register sollte<br />

als Publizitätsmittel dienen <strong>und</strong> für vermehrte Transparenz sorgen. Publizität<br />

soll jedoch primär den unbeteiligten Dritten schützen; die Vertragspartner eines<br />

Kaufs unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> bedürfen dieses Schutzes nicht. Daher ist<br />

davon auszugehen, dass die Eintragung zumindest inter partes nur deklaratorische<br />

Wirkung hat: Der vereinbarte <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> ist inter partes auch<br />

ohne Registrierung voll wirksam. Der Vorbehaltskäufer bleibt Eigentümer<br />

der Kaufsache bis zur vollständigen Tilgung des Kaufpreises; sein Herausgabeanspruch<br />

gegen den Käufer darf m.a.W. nicht daran scheitern, dass der vereinbarte<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nicht eingetragen wurde. Dritten gegenüber<br />

kann sich der Vorbehaltsverkäufer jedoch nur dann auf den vereinbarten Vorbehalt<br />

berufen, wenn dessen Registrierung gültig erfolgt ist (konstitutive Wirkung).<br />

Mit dieser Auffassung wird im Gr<strong>und</strong>e für den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nur<br />

vertreten, was bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong> im allgemeinen nicht bezweifelt<br />

wird: Dass eine besitzlose <strong>Sicherungsübereignung</strong> inter partes voll wirksam<br />

ist 53 .<br />

4 " Eine häufig verwendete AGB-Klausel lautet: «Die X. AG ist berechtigt, den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

im Register am jeweiligen Wohnort/Domizil des Käufers eintragen zu lassen: der Käufer<br />

gibt mit seiner Unterschrift zu diesem Vertrag sein Einverständnis i.S.v. Art. 4 Abs. 3 EigVV,<br />

so dass die X. AG den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> ohne seine Mitwirkung eintragen lassen kann.»<br />

*> Das Eintragungserfordernis hat keine Auswirkungen auf die Vorbehaltsvera>ifta/wi£ (das Verpflichtungsgeschäft),<br />

sondern nur auf den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. Die von SUZETTE SANDOZ gestützt<br />

auf die französische Fassung von Art. 715 ZGB vertretene Auffassung, der Registereintrag<br />

stelle ein Form- <strong>und</strong> damit Gültigkeitserfordernis für die Vereinbarung eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es<br />

dar. ist abzulehnen (SANDOZ. L'inscription du pacte de reserve de propriete: une<br />

Solution «geniale»...diabolique. ZSR NF 106 11987] Band I 535 ff. [564 ff.]).<br />


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 87<br />

b) Suspensiv- oder resolutivbedingter Eigentumserwerb?<br />

In der Literatur wird - wie bereits angedeutet - auch darüber gestritten, ob der<br />

Eigentumserwerb durch den Vorbehaltskäufer resolutiv- oder suspensivbedingt<br />

erfolge 54 . Die Frage kann indessen nicht in abstrakter Weise <strong>und</strong> für alle<br />

Einzelfälle verbindlich entschieden werden. Vielmehr kommt es entscheidend<br />

darauf an, was die Parteien vereinbart haben. Liegt ein solcher Parteiwille vor,<br />

so ist er zweifellos zu respektieren, da das Gesetz selbst zu Fragen der juristischen<br />

Konstruktion des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s keinerlei Hinweise enthält. Es<br />

muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass es den Parteien freisteht, den<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> in aufschiebend oder auflösend bedingter Weise zu vereinbaren.<br />

Dabei muss die Vereinbarung des Verkaufs unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

im Kaufvertrag selbst erfolgen, während die Bedingung - sei sie aufschiebend<br />

oder auflösend gemeint - Teil des Verfügungsgeschäftes bildet, welches<br />

normalerweise stillschweigend bei der Sachübergabe geschlossen wird 55 .<br />

Schon hieraus ergibt sich, dass in aller Regel die Parteien ihre Vorstellungen<br />

über die Bedingtheit der Eigentumsübertragung nicht äussern werden. Infolgedessen<br />

sind diese nach den allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen der Auslegung zu ermitteln.<br />

Der Richter hat dabei alle diejenigen Umstände zu berücksichtigen,<br />

die ihm einen Schluss auf die Vorstellungen <strong>und</strong> damit den wirklichen Willen<br />

der Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages <strong>und</strong> dessen Vollzug ermöglichen.<br />

Dabei wird er in aller Regel zu dem Schluss kommen, dass es den Vorstellungen<br />

der Parteien entsprach, dass der Vorbehaltsverkäufer Eigentümer<br />

bleibe, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, dass der Eigentumserwerb des<br />

Käufers also suspensivbedingt sei. Die Annahme, die Parteien hätten konkludent<br />

vereinbart, dass der Vorbehaltskäufer bereits bei Übergabe der Sache Eigentümer<br />

werde, das Eigentum jedoch bei Zahlungsunfähigkeit an den Verkäufer<br />

zurückfallen solle, erscheint schon wegen der Kompliziertheit dieser<br />

Konstruktion schwer vorstellbar <strong>und</strong> entspricht schon gar nicht der Interessenlage<br />

der Parteien, einem der wesentlichsten Elemente bei der Ermittlung<br />

des Parteiwillens 56 . Ist dieser Parteiwille überhaupt nicht feststellbar, so liegt<br />

54 Nach der h.L. liegt eine Suspensivbedingung vor; a.A. LIVER, op.cit. (Fn. 35). 340 ff. m.w.H.:<br />

KARL NEUMAVER, Dogmatische Unebenheiten um den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nach schweizerischem<br />

Recht, SJZ 66 (1970). 349 ff. (352 ff). Überhaupt gegen die Annahme einer Bedingung<br />

ZK-SCHERRER. op.cit. (Fn. 35). Art. 715/16. Rn. 48. Ohne Stellungnahme EITEL, op.cit. (Fn. 50).<br />

247.<br />

55 Für die hier zu behandelnde Frage spielt die rechtliche Konstruktion des Verfügungsgeschäfts,<br />

die nicht nur umstritten, sondern auch nicht hinreichend klar analysiert ist. keine entscheidende<br />

Rolle. Folgt man der Konzeption des Übereignungsvertrages durch sogenannte dingliche Einigung,<br />

so ist die Bedingung dieser beizufügen. Folgt man der wohl überwiegenden Auffassung,<br />

dass die Eigentumsübertragung den rechtsgeschäftlichen Teil der traditio bildet, so ist die Bedingung<br />

hieran zu knüpfen.<br />

* Vgl. zur Vertragsausleaung WIEGAND, in: HONSEI.L/VOGT/WIEGAND (Hrsg.). Kommentar zum<br />

Schweizerischen Privatrecht. OR I. 2. Aufl. Basel 1996. Art. 18. Rn. 7 ff. (nachfolgend zit. OR-<br />

[Kommentator]).


88 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

eine Vertragslücke vor, die nach den Regeln über die Vertragsergänzung zu<br />

füllen ist 57 . Infolgedessen ist danach zu fragen, was die Parteien vereinbart<br />

hätten, wenn sie sich dieser Vertragslücke bewusst gewesen wären. Auch hier<br />

liegt es wiederum am nächsten, eine Suspensivwirkung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s<br />

anzunehmen. Der Richter wird sich nämlich fragen, was vernünftige Parteien<br />

vereinbart hätten, wenn sie eine Sache übergeben <strong>und</strong> die Sicherstellung<br />

des Kaufpreises durch eine bedingte Übereignung gewährleisten wollten 58 .<br />

Abzustellen ist auf den Parteiwillen aber nicht nur für die Wirkungen eines<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es, sondern überhaupt für dessen wirksames Zustandekommen:<br />

Ein <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> im Sinne von Art. 715 ZGB kann nur bis<br />

zur Übergabe der Sache gültig vereinbart werden 59 . Ein nachträglich, d.h. nach<br />

erfolgter Übereignung des Kaufgegenstandes vereinbarter Vorbehalt ist dagegen<br />

dogmatisch-strukturell als <strong>Sicherungsübereignung</strong> zu qualifizieren 60 :<br />

Wurde bis zur Übergabe kein <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> angebracht, erwirbt der<br />

Käufer vorbehaltlos Eigentum. Die vorbehaltlose Verfügung bewirkt eine<br />

Veränderung im Bestand der subjektiven Rechte 61 ; diese Änderung erfolgt<br />

unmittelbar <strong>und</strong> endgültig 62 , kann somit nicht widerrufen werden 61 . Die nachträgliche<br />

Einräumung eines Sicherungsrechts an der veräusserten Sache kann<br />

daher nicht durch Änderung des Kaufvertrags konstruiert werden, sondern<br />

bedarf des Abschlusses eines neuen Vertrages, in welchem sich der Käufer verpflichtet,<br />

dem Verkäufer die in sein Eigentum übergegangene Kaufsache zurückzuübereignen,<br />

bis der Kaufpreis bezahlt ist; verbleibt der Käufer dabei im<br />

Besitz der Sache, greift Art. 717 Abs. 1 ZGB.<br />

c) Stellungnahme<br />

Für die hier vertretene Konzeption des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es sprechen folgende<br />

Gründe:<br />

Zum einen entspricht sie dem historischen Verständnis des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s<br />

<strong>und</strong> seinem Zweck: Es war eine Selbstverständlichkeit, dass nur die<br />

Vereinbarung der Zurückbehaitimg des Eigentums (pactum reservati dominii)<br />

die diesem Institut zugedachte Funktion erfüllen konnte. Zum anderen entspricht<br />

die oben erläuterte relative Wirksamkeit des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s.<br />

51 Zur Vertragsergänzung vgl. OR-WIF:GAND. op.cii. (Fn. 56). Art. 18. Rn. 61 ff.<br />

58 Die Gefahrtragung richtet sich - ungeachtet oh suspensiv- oder resolutivbedingter Erwerb vereinbart<br />

wurde - nach den allgemeinen Regeln des Kaufrechts. Art. 185 Abs. 3 OR ist auf den<br />

Kauf unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> nicht anwendbar, da dadurch nicht etwa der Kaufvertrag<br />

selbst, sondern nur die Eigentumsühertragung unter eine Suspensivbedingung gestellt wird.<br />

Vgl. da/u BK-GIGER. Kauf <strong>und</strong> Tausch - Die Schenkung. 2. Aufl. Bern 1980. Art. 185, Rn. 54 f.<br />

w LIVER, op.cit. (Fn. 35). 332: a.M. ZK-SCHERRER. op.cit. (Fn. 35). Art. 715/16 Rn 50 f <strong>und</strong><br />

Art. 717. Rn. 63.<br />

"" STAUDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 37). § 950.<br />

"' EUGEN BUCHER. Obligationenrecht - Allgemeiner Teil. 2. Aufl. Zürich 1988.42.<br />

" : PETER GAUCH/WALTER R. SCHEUEP. Schweizerisches Obligationenrecht - Allgemeiner Teil<br />

6. Aufl. Zürich 1995. Band I Rn. 137.<br />

"' BUCHER. OR AT. op.cit. (Fn. 61). 42 Anm. 46a.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 89<br />

d.h. seine sofortige <strong>und</strong> andauernde Wirkung interpartes <strong>und</strong> die von der Eintragung<br />

abhängige Wirkung gegenüber Dritten dem vom Gesetzgeber bei der<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> verfolgten Modell 64 <strong>und</strong> fügt sich nahtlos in das Kreditsicherungssystem<br />

des ZGB ein. Zudem hat diese Konzeption den Vorteil,<br />

dass sie die mit dem <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister verfolgten Publizitätsinteressen<br />

wahrt, ohne dabei den Parteiwillen zu vernachlässigen. Dies führt zum<br />

gewichtigsten Argument:<br />

Die hier vertretene Auffassung entspricht dem modernen Verständnis des<br />

Sachenrechts, dessen Entwicklung ich in anderem Zusammenhang eingehend<br />

beschrieben habe 65 . Danach ist dem Parteiwillen in grösstmöglichem Masse<br />

Rechnung zu tragen, «sofern <strong>und</strong> soweit nicht schützenswerte Dritt- oder höherwertige<br />

Allgemeininteressen entgegestehen» 66 . Die hier vorgeschlagene<br />

Lösung geht genau diesen Mittelweg.<br />

3. <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> Konkurs<br />

Dem soeben erwähnten Umstand, dass es entscheidend auf den Parteiwillen<br />

bei Vertragsschluss ankommt, entspricht auch, dass es in bezug auf die Rechtslage<br />

inter partes - wie oben ausgeführt - keine Rolle spielt, ob der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

in das Register eingetragen ist oder nicht. Die Eintragung hat vielmehr<br />

nur Auswirkungen gegenüber Dritten, indem die mit einem <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

belasteten Sachen bei Insolvenz nicht zur Masse gezogen werden<br />

können 67 .<br />

Das Register sagt dementsprechend auch nichts aus über die Rechtsverhältnisse<br />

an der Sache, sondern nur, dass ein <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> vereinbart<br />

wurde. Aus der Konsultation des Registers lässt sich daher für einen Dritten<br />

auch kein Gutglaubensschutz bei Rechtsgeschäften mit dem (angeblichen) Eigentümer<br />

ableiten: Das <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister geniesst keinen «öffentlichen<br />

Glauben» 68 . Durch die Zulassung der nachträglichen Eintragung besteht<br />

zudem für keinen Einsichtnehmer eine Garantie, dass die Eintragung<br />

nicht schon am nächsten Tag erfolgt <strong>und</strong> er daher unter falschen Vorstellungen<br />

mit dem Schuldner kontrahiert 6 ''.<br />

M<br />

Dazu ausf. unten S. 108 f.<br />

h5<br />

WIEGAND. Entwicklung des Sachenrechts, op.cit. (Fn. 42). 131 ff<br />


90 WOLFGANG WIEGAND: Eigentunisvorbehalt, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Eine viel diskutierte Frage ist, ob der Eintrag im <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

auch noch nach der Konkurseröffnung wirksam erfolgen kann. Das<br />

B<strong>und</strong>esgericht hat die Frage verneint 70 , indem es annimmt, dass der Käufer<br />

(resolutivbedingter) Eigentümer wird, solange kein Registereintrag erfolgt, so<br />

dass unter nicht eingetragenem <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> verkaufte Gegenstände<br />

im Zeitpunkt der Konkurseröffnung gemäss Art. 197 Abs. 1 SchKG zur Masse<br />

gehören. Aus Art. 197 <strong>und</strong> 204 SchKG leitet das B<strong>und</strong>esgericht sodann ab,<br />

«dass Gegenstände, die zur Zeit der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner<br />

gehörten, dem Konkursbeschlag auch nicht durch Handlungen Dritter entzogen<br />

werden können» 71 .<br />

Zum gleichen Ergebnis kommt man. wenn man von der beabsichtigten<br />

Wirkung des Registereintrags ausgeht: Im Verhältnis zu Drittpersonen soll das<br />

Register für die nötige Publizität sorgen, weshalb ihnen gegenüber von einer<br />

konstitutiven Wirkung des Registereintrags auszugehen ist. Ist der Käufer<br />

zahlungsunfähig <strong>und</strong> wird über ihn der Konkurs eröffnet, erwerben seine<br />

Gläubiger im Zeitpunkt der Konkurseröffung ein Verwertungsrecht an seinem<br />

gesamten Vermögen. Ob dieses Verwertungsrecht auch an einer unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

verkauften Sache begründet wird, hängt davon ab, ob der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

registriert ist oder nicht. Existiert kein Eintrag, gilt der Gemeinschuldner<br />

den Konkursgläubigern gegenüber im Zeitpunkt der Begründung<br />

ihres Verwertungsrechts als Eigentümer. Ein nach Konkurseröffnung<br />

erfolgter Registereintrag kann daher den Konkursgläubigern nicht entgegengehalten<br />

werden; ihr Verwertungsrecht an der Sache entstand zu einem Zeitpunkt,<br />

da der Schuldner mangels Offenk<strong>und</strong>igkeit ihnen gegenüber als deren<br />

Eigentümer galt.<br />

4. <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> guter Glaube<br />

Wer mit dem Vorbehaltskäufer einen Kaufvertrag über einen im Register eingetragenen<br />

Gegenstand abschliesst. muss sich diesen Eintrag vom Vorbehaltsverkäufer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht entgegenhalten lassen. Das Gesetz statuiert -<br />

anders beim Gr<strong>und</strong>buch 72 - nirgends die Fiktion, dass der Dritte das Register<br />

kennt. Der Dritte wird demnach - sofern er gutgläubig ist - auch dann Eigentümer,<br />

wenn sein Vertragspartner nicht verfügungsberechtigt war, sobald er<br />

nach den Besitzesregeln im Besitz der Sache geschützt ist (Art. 714 Abs. 2<br />

ZGB). Letzteres ist u.a. der Fall, wenn die Sache dem Veräusserer im Sinne<br />

von Art. 933 ZGB anvertraut war. was bei einer Übereignung unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

ausnahmslos der Fall ist 73 .<br />

'" BGF. 93 III 9h (105 ff.) m.Nw. zum Schrifttum.<br />

71 BGE93 III 109 (E.b).<br />

Art. 970 Abs. 3 ZGB: dazu IXJOR/SCHNYDER/SCHMID, op.cit. (Fn. 21). 644 f.<br />

'-' LIVFR. op.cit. (Fn. 35). 335.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 91<br />

Der gute Glaube im Sinne von Art. 3 Abs. 1 ZGB wird allgemein definiert<br />

als fehlendes Unrechtsbewusstsein trotz Vorliegens eines Rechtsmangels 1 *. Wie<br />

Art. 3 ZGB beim Rechtserwerb vom Nichtberechtigten zu interpretieren ist,<br />

hat das B<strong>und</strong>esgericht vor kurzem exemplarisch wie folgt umschrieben 75 :<br />

«Der Erwerber einer Sache gilt gr<strong>und</strong>sätzlich als gutgläubig (Art. 3 Abs. 1 ZGB).<br />

Der Gutglaubensschutz versagt indessen, wenn die Unkenntnis des gutgläubigen Erwerbers<br />

vom Rechtsmangel darauf zurückzuführen ist, dass er beim Erwerb der Sache<br />

jene Aufmerksamkeit vermissen Hess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden<br />

durfte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Die Unaufmerksamkeit zieht somit die gleichen<br />

Rechtsfolgen nach sich wie die Bösgläubigkeit.»<br />

Nach Art. 3 Abs. 1 ZGB wird der gute Glaube vermutet, wo das Gesetz<br />

eine Rechtswirkung an dessen Vorhandensein knüpft. Es handelt sich um eine<br />

von Art. 8 ZGB abweichende Verteilung der Beweisführungslast 76 ; gleichzeitig<br />

wird damit auch über die Folgen der Beweislosigkeit entschieden: Der<br />

Richter hat solange von der Gutgläubigkeit auszugehen, als nicht der Beweis<br />

des Gegenteils erbracht ist. Ob von dieser Vermutung auch die nach Art. 3<br />

Abs. 2 ZGB verlangte Beobachtung der gebotenen Aufmerksamkeit umfasst<br />

wird, ist hingegen umstritten. Die Frage wurde früher bejaht 77 , von der neueren<br />

Lehre dagegen verneint; das B<strong>und</strong>esgericht hat die Frage bisher offen gelassen<br />

79 .<br />

In seiner neueren Rechtsprechung zum gutgläubigen Eigentumserwerb<br />

vom Nichtberechtigten hat das B<strong>und</strong>esgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten<br />

des Käufers schrittweise <strong>und</strong> branchenspezifisch verschärft.<br />

Zwar geht es nach wie vor davon aus. es bestehe «keine allgemeine Erk<strong>und</strong>igungspflicht»<br />

80 in bezug auf das Vorliegen der Verfügungsmacht des Veräusserers,<br />

doch gebe es Geschäftszweige, in denen sich Nachforschungen nicht<br />

erst bei konkretem Verdacht eines Rechtsmangels aufdrängen, sondern bereits<br />

dann, «wenn aufgr<strong>und</strong> der Umstände Anlass zu Misstrauen besteht»* 1 . In<br />

zwei früheren Entscheidungen 82 ging es um den Handel mit Occasionsautomobilen:<br />

So wurde zunächst entschieden, dass sich ein Händler nicht auf den<br />

74<br />

BK-JAGOI, Einleitung <strong>und</strong> Personenrecht. Bern 1966. Art. 3, Rn. 16 ff. <strong>und</strong> BGE 99II131 (147):<br />

kritisch THEO MAVER-MALV. in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht. ZGB I. Basel<br />

1996. Art. 3, Rn. 9 ff. (nachfolgend zit. ZGB-[Kommentator]).<br />

75<br />

BGE 121 111345(348).<br />

7<br />

* BGE 107 II 440 (456); ZGB-MAYER-MALY. op.cit. (Fn. 74). Art. 3. Rn. 29 m.Nw. zu a.M.<br />

77<br />

BGE 70 II 106: BK-JÄGGI. op.cit. (Fn. 74). Art. 3. Rn. 117.<br />

78<br />

ALFRED KOLLER, Der gute <strong>und</strong> der böse Glaube im allgemeinen Schuldrecht. Freiburg 1994.<br />

Rn. 180.<br />

79<br />

BGE 113 II 397 (399 E.b).<br />

80<br />

Nach richtiger Auffassung ist die Vernachlässigung der gebotenen Aufmerksamkeit nicht<br />

Pflicht-, sondern Obliegenheitsverletzung, vgl. ZGB-MAYER-MALY. op.cit. (Fn. 74) Art. 3.<br />

Rn. 36 a.E.<br />

»' BGE 122 III 1 (3).<br />

« BGE 107 II 41 <strong>und</strong> BGE 113 II 397.


92 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

guten Glauben berufen kann, wenn er trotz ungewöhnlich tiefem Preis darauf<br />

verzichtet hat, sich vor dem Kauf durch Einsicht ins <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

davon zu überzeugen, dass der Verfügungsbefugnis des Verkäufers kein<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> entgegensteht 83 - S4 . Dann entschied das B<strong>und</strong>esgericht,<br />

dass einem Kaufmann, dem ein aus dem Ausland stammendes - <strong>und</strong> wie sich<br />

nachträglich herausstellte gestohlenes - Fahrzeug der Luxusklasse zum Kauf<br />

angeboten wird, eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich der mitgelieferten<br />

Wagenpapiere obliegt, <strong>und</strong> zwar mit der Begründung, es sei zum Allgemeinwissen<br />

zu rechnen, «dass gut organisierte internationale Banden sich gewerbsmässig<br />

mit dem Diebstahl <strong>und</strong> der Hehlerei von Luxusautos <strong>und</strong> deren<br />

Absatz im europäischen Raum» befassen <strong>und</strong> dass «die begehrten Fahrzeuge<br />

der Luxusklasse sogar auf Bestellung gestohlen» würden 85 .<br />

In einem neusten Entscheid 86 hat das B<strong>und</strong>esgericht schliesslich seine bereits<br />

in BGE 113 II397 (399 f.) geäusserte Ansicht bestätigt, dass in Geschäftsbereichen,<br />

in denen oft Waren zweifelhafter Herkunft angeboten werden, generell<br />

hohe Anforderungen an die zu verlangende Aufmerksamkeit zu stellen<br />

sind <strong>und</strong> dass dies beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall sei. Das<br />

Gericht kommt in einem Fall einer gestohlenen Waffensammlung zum<br />

Schluss. dass dies auch für den Antiquitätenhandel zutreffe. 87<br />

Die beschriebene Entwicklung im Bereich des gutgläubigen Erwerbs ist<br />

keine schweizerische Besonderheit, sondern typisch für dieses Rechtsinstitut.<br />

Eingeführt als Teil des sogenannten «Verkehrsrechts» des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts 88 ,<br />

um die Zirkulation von Waren zu erleichtern, hat die Rechtsprechung lange<br />

Zeit den Verkehrsschutz höher bewertet als die Individualinteressen des<br />

83 BGE 107 II 42 ff. Keine besondere Erk<strong>und</strong>ungspflicht besteht jedoch nach B<strong>und</strong>esgericht,<br />

wenn der Kaufpreis im Rahmen des unter Occasionshändlern gebräuchlichen Eurotax-Tarifes<br />

liegt (BGE 121 III 349). Die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz (BGE 121 III348). es entspreche<br />

einer branchenüblichen Usanz, dass Autos von Occasionshändlern ohne die Übergabe<br />

des Originalfahrzeugausweises gehandelt würden, konnte vom B<strong>und</strong>esgericht nicht überprüft<br />

werden. Der daraus gezogene Schluss. der Händler habe keinen Verdacht schöpfen müssen, als<br />

ihm kein Fahrzeugausweis im Original vorgelegt wurde, überzeugt jedoch nicht. Sollte eine solche<br />

Usanz tatsächlich existieren, ist damit nämlich nicht automatisch gesagt, dass diese auch<br />

den Anforderungen genügt, die an den gutgläubigen Erwerb gestellt werden. Warum es genügen<br />

soll, den Fahrzeugausweis nur in Kopie oder ggf. gar nicht zu übergeben, leuchtet nicht ein.<br />

zumal doch das Original stets im Auto mitzuführen ist. Zudem wäre es für den Käufer ein leichtes,<br />

via den im Fahrzeugausweis aufgeführten Halter die Verfügungsberechtigung des Verkäufers<br />

zu überprüfen, wenn dieser nicht mit dem Halter identisch ist.<br />

w Vgl. auch BGE 79 II59 (62). wo das B<strong>und</strong>esgericht noch zugunsten des Händlers annahm, dass<br />

«im Auto-Occasionshandel die Käufe rasch <strong>und</strong> gelegentlich zu für den Händler sehr günstigen<br />

Konditionen abgeschlossen werden».<br />

1,5 BGE 113 II 401.<br />

» BGE 122 III 1: vgl. auch BGE 123 II 134 (E. 6a <strong>und</strong> b).<br />

Unerheblich ist nach B<strong>und</strong>esgericht auch, ob der Erwerb durch einen Händler oder durch eine<br />

nicht gewerbsmässig handelnde Person erfolgt. Entscheidend ist allein, dass der Erwerber über<br />

einschlägige Branchenkenntnisse verfügte.<br />

•" Zur Funktion des gutgläubigen Erwerbs als Teil des Verkehrsrechts vgl. WIEGAND. Sachenrecht<br />

im Obligationenrecht, in: Pio CARONI (Hrsg.). Das Obligationenrecht 1883-1983 Bern/Stuttgart<br />

1984. 107 ff. (121 ff.).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 93<br />

durch den gutgläubigen Erwerb betroffenen Eigentümers oder sonstiger Berechtigter.<br />

Im Zuge der generellen Tendenz einer Rematerialisierung des<br />

Privatrechts ist die Judikatur auch in anderen europäischen Ländern dazu<br />

übergegangen, zwischen Verkehrsinteressen <strong>und</strong> Individualinteressen differenzierter<br />

abzuwägen. Dies erfolgt überall in der gleichen Weise: Die Anforderungen<br />

an den gutgläubigen Erwerb werden erhöht, wobei dies zunächst in<br />

Teilbereichen 89 geschieht, bevor dann die dort angestellten Überlegungen in<br />

einem zweiten Schritt verallgemeinert werden. Das rechtstechnische Mittel<br />

zur Erhöhung dieser Anforderung ist die Ausdehnung der Nachforschungs<strong>und</strong><br />

Erk<strong>und</strong>igungsobliegenheiten. Die Problematik eines solchen Vorgehens<br />

liegt auf der Hand, soll jedoch hier nicht vertieft diskutiert werden 90 . Für die<br />

hier erörterte Rechtsfigur des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s ist lediglich folgendes<br />

festzuhalten: Selbst wenn man tendenziell für eine Verschärfung der Erk<strong>und</strong>igungsobliegenheiten<br />

eintritt, ist die vom B<strong>und</strong>esgericht vertretene Auffassung,<br />

dass der Käufer unter Umständen das <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister zu<br />

konsultieren habe, nicht haltbar. Dieses Register sagt - aus den oben dargelegten<br />

Gründen - kaum je etwas über den wirklichen Rechtszustand aus. Hinzu<br />

kommt ein weiterer Umstand: Die Tatsache, dass z.B. ein Fahrzeug zu einem<br />

günstigen Preis angeboten wird, kann vielerlei Gründe haben: im allerseltensten<br />

Fall wird es deswegen sein, weil der Veräusserer das Fahrzeug unter<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> erworben hat.<br />

B. Anwendungsbereich<br />

/. Traditioneller Anwendungsbereich<br />

a) Kreditkauf<br />

Der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> hat - wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt<br />

- seinen traditionellen Anwendungsbereich beim Kreditkauf. Die Vertragsparteien<br />

vereinbaren die Übergabe der Kaufsache vor der Bezahlung des<br />

Kaufpreises (Vorleistungspflicht des Verkäufers): gleichzeitig behält sich der<br />

Verkäufer zur Sicherung des Kaufpreises das Eigentum an der übergebenen<br />

Sache vor. Gerät der Käufer mit der Preiszahlung in Verzug, enthält das Kaufrecht<br />

für den Kreditkauf eine spezialrechtliche Regelung: Nach Art. 214<br />

Abs. 3 OR kann der Verkäufer nur dann wegen Verzuges des Käufers vom<br />

Vertrag zurücktreten <strong>und</strong> die übergebene Sache zurückfordern, wenn er sich<br />

dies ausdrücklich vorbehalten hat. Die Vorschrift bezweckt, den Käufer im<br />

Vertrauen darauf zu schützen, er dürfe mangels Rückforderungsvorbehalt des<br />

Verkäufers frei <strong>und</strong> nach Belieben über die Sache verfügen <strong>und</strong> müsse nicht<br />

m<br />

Beispiele <strong>und</strong> Nachweise im einzelnen hierzu etwa bei STAUDINGER/WIFGAND. op.cit (Fn. 37).<br />

§932. Rn. 138 ff.<br />

'*' Dazu WIEGAND. Entwicklung des Sachenrechts, op.cit. (Fn. 42). 121 ff.


94 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

damit rechnen, diese später dem Verkäufer wieder herauszugeben 91 . Nach<br />

herrschender Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung gilt auch der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

als ausdrücklicher Rückforderungsvorbehalt im Sinne von Art. 214 Abs. 3<br />

OR 92 . Dies ergibt sich jedoch mit Selbstverständlichkeit, wenn nach dem Willen<br />

der Parteien mit dem <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> eine suspensivbedingte Eigentumsübertragung<br />

vereinbart wurde 93 : Art. 214 knüpft nämlich unzutreffend<br />

nur an den Übergang des Besitzes auf den Käufer an, während es nach richtiger<br />

Auffassung allein auf den mit der Besitzübertragung verb<strong>und</strong>enen Übergang<br />

des Eigentums ankommt 94 . Weiss der Käufer, dass er bis zur Bezahlung<br />

noch gar nicht Eigentümer ist, kann er gerade nicht - wie dies in anderen Fällen<br />

dem Sinn <strong>und</strong> Zweck von Art. 214 Abs. 3 entspricht - darauf vertrauen, er<br />

müsse die Sache dem Verkäufer nicht mehr herausgeben 95 .<br />

b) Abzahlungsverträge<br />

Lediglich eine besondere Form des Kreditkaufs stellt der Abzahlungsvertrag<br />

dar, <strong>und</strong> zwar in dem Sinne, dass der Kaufpreis nicht durch einmalige Zahlung,<br />

sondern durch periodisch geschuldete Teilzahlungen zu begleichen ist 96 . Der<br />

Abzahlungsvertrag bedarf seit der aus Gründen des Sozialschutzes erfolgten<br />

Revision von 1962 97 der Schriftform, selbst wenn er als singuläres Geschäft unter<br />

Privaten geschlossen wird (Art. 226« Abs. 2 Satz 1 OR). Kontrahiert der<br />

Käufer mit einem gewerbsmässigen Anbieter, schreibt das Gesetz genau vor,<br />

welche Angaben diesem Formerfordernis genügen müssen (Art. 226a Abs. 2<br />

Ziff. 1-11 OR) 9S . Nach Ziff. 9 muss u.a. auch die Vereinbarung eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es<br />

ausdrücklich im schriftlich abgefassten Vertrag erwähnt werden.<br />

Mit der Revision des Abzahlungsrechts erfolgte daher seinerzeit auch<br />

eine Ergänzung der EigVV": Seither hat der Betreibungsbeamte neben den<br />

" BUCHER, Obligationenrecht - Besonderer Teil. 3. Aufl. Zürich 1988. 65: OR-A. KOLLER, op.cit.<br />

(Fn. 56). Art. 214. Rn. 20. Der Verkäufer kann bei fehlendem Rückforderungsvorbehalt lediglich<br />

weiterhin Erfüllung bzw. wenn immer noch nicht bezahlt wird, Schadensersatz wegen<br />

Nichterfüllung <strong>und</strong> Ersatz des Verspätungsschadens geltend machen (Art. 107 Abs. 2 OR). Bei<br />

der Berechnung des Schadensersatzes wird durch Art. 214 Abs. 3 OR die heute anerkannte<br />

Wahl zwischen Austausch- <strong>und</strong> Differenztheorie (dazu OR-WIEGAND. op.cit. [Fn. 56]. Art. 97,<br />

Rn. 54 f. m.w.H.) ausgeschlossen; der Verkäufer kann nur nach der Austauschtheorie vorgehen<br />

(OR-A. KOLLER, op.cit. |Fn. 56), Art. 214, Rn. 4).<br />

"-' BC.E 90 II 285 (291 ff.) m.w.H. zur Lit. <strong>und</strong> Rspr.<br />

"' Dazu oben S. 87 f.<br />

*• OR-A. Kot i ER, op.cit. (Fn. 56). Art. 214. Rn. 20.<br />

Nicht entscheidend ist dabei, ob der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> im Register eingetragen wurde oder<br />

nicht, denn interpartes gilt die Vorbehaltsvereinbarung unabhängig vom Registereintrag (vgl.<br />

oben S. 85 f.): a.A. OR-A. Koi LER, op.cit. (Fn. 56). Art 214. Rn. 22'Abs. 1 a.E.<br />

* OR-Sru DFR. op.cit. (Fn. 56). Art. 226


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 95<br />

allgemein zu beachtenden Anmeldungsvorschriften zusätzlich die in Art. 4<br />

Abs. 5 EigVV aufgeführten Voraussetzungen zu prüfen, sobald die Eintragung<br />

eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es aufgr<strong>und</strong> eines Abzahlungsvertrages verlangt<br />

wird.<br />

Da den Abzahlungsverträgen der Effekt eines Zahlungsaufschubes immanent<br />

ist, fallen sie gr<strong>und</strong>sätzlich immer auch in den Anwendungsbereich des<br />

am 1.4.1994 in Kraft getretenen Konsumkreditgesetzes 100 lul : Nach Art. 1<br />

KKG liegt ein Konsumkreditvertrag u.a. vor, wenn eine kreditgebende Person<br />

102 einem Konsumenten 103 einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs<br />

gewährt 104 . Abzahlungsrecht <strong>und</strong> Konsumkreditrecht enthalten teilweise dekkungsgleiche<br />

Bestimmungen, da man beim Erlass des KKG auf eine Revision<br />

der Art. 226a ff. OR verzichtete. So auch im hier interessierenden Fall des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es:<br />

Konsumkreditverträge bedürfen der Schriftform (Art. 8<br />

Abs. 1 KKG), <strong>und</strong> Art. 8 Abs. 2 KKG enthält ebenso wie Art. 226a OR einen<br />

Katalog von Minimalangaben; darin enthalten sind u.a. «die allfällig verlangten<br />

Sicherheiten» 105 , worunter auch die Vereinbarung eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es<br />

fällt 106 . Schliesslich statuiert Art. 9 KKG weitere Inhaltsangaben für<br />

Konsumkreditverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Waren oder<br />

Dienstleistungen dienen. Soll dabei nach dem Willen der Vertragspartner der<br />

Eigentümerwechsel nicht unmittelbar bei Übergabe der Sache erfolgen, hat<br />

die Urk<strong>und</strong>e den Namen des Eigentümers sowie die Bedingungen zu nennen.<br />

unter welchen der zukünftige Eigentumserwerb des Konsumenten erfolgt<br />

(Art. 9 lit. d KKG) 107 . Selbst wenn seit dem Inkrafttreten des KKG die EigVV<br />

nicht entsprechend ergänzt wurde, sind Art. 8 Abs. 1 lit. i <strong>und</strong> Art. 9 lit. d<br />

111(1 B<strong>und</strong>esgesetz über den Konsumkredit (KKG) vom 8.10.1993. SR 221.214.1. Zur Entstehungsgeschichte<br />

des KKG vgl. FELIX SCHÖBI. Das B<strong>und</strong>esgesetz vom 8. Oktober 1993 über den Konsumkredit<br />

- Entstehungsgeschichte sowie Verhältnis zum Obligationenrecht <strong>und</strong> zur kantonalen<br />

Gesetzgebung, in: WIEGAND (Hrsg.). Das neue Konsumkreditgesetz (KKG). Berner Bankrechtstag<br />

(BBT) Band 1, Bern 1994,25 ff.: OR-KOLLER-TUMLER. op.cit. (Fn. 57). Vorbem. zum<br />

KKG. Rn. 1 ff. Zum heutigen Verhältnis zwischen Abzahlungsrecht <strong>und</strong> KKG insb. OR-STAU-<br />

DER. op.cit. (Fn. 56). Vorbem. zu Art. 226o-226m. Rn. 15 ff.<br />

1111 Zu den Ausnahmen vgl. OR-STAUDER, op.cit. (Fn. 56), Art. 226a. Rn. 20.<br />

102 «Kreditgebende Person» ist. wer in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit<br />

einen Kredit gewährt (Art. 2 KKG).<br />

163 «Konsument» ist jede natürliche Person, die den Vertrag nicht in Ausübung ihrer beruflichen<br />

oder gewerblichen Tätigkeit abschliesst (Art. 3 KKG).<br />

i Zum kreditbegriff des KKG vgl. OR-KOLLER-TUMLER. op.cit. (Fn. 56). Art. 1 KKG. Rn. 2 ff.<br />

"« Art. 8 Abs. 2 lit. i KKG.<br />

'* OR-KOLLER-TUMLER, op.cit. (Fn. 56), Art. 8 KKG, Rn. 22.<br />

107 Da der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> in der Schweiz aus den oben erwähnten Gründen (S. 85) vergleichsweise<br />

geringe Bedeutung hat, ist der Anwendungsbereich von Art. 9 lit. d KKG begrenzt;<br />

vgl. WIEGAND. Die zentralen Elemente des Konsumkreditgesetzes, in: WIEGAND (Hrsg.).<br />

Das neue Konsumkreditgesetz (KKG). Berner Bankrechtstag (BBT) Band 1. Bern 1994. 37 ff.<br />

(44); a.A. OR-KOLLER-TUMLER. op.cit. (Fn. 56), Art. 9 KKG. Rn. 12. die von einer funktionalwirtschaftlichen<br />

Optik ausgeht.


% WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

KKG vom Betreibungsbeamten zu beachten, sofern ein Abzahlungsvertrag<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Eintragung eines <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>es bildet 108 .<br />

Werden in Abzahlungsverträgen die im OR bzw. im KKG aufgestellten<br />

Formvorschriften missachtet, ist festzustellen, dass die Rechtsfolgen unterschiedlich<br />

geregelt sind: Während Art. 226a Abs. 3 OR nur für das Fehlen<br />

bestimmter Angaben die Ungültigkeit (d.h. Nichtigkeit) des Vertrages vorsieht<br />

<strong>und</strong> für das Fehlen der übrigen (u.a. die hier interessierende Ziff. 9) die<br />

Frage offen lässt, statuiert Art. 11 KKG generell die Nichtigkeit des Konsumkreditvertrages<br />

<strong>und</strong> regelt in Abs. 2 <strong>und</strong> 3 die Nichtigkeitsfolgen abweichend<br />

vom allgemeinen Obligationenrecht 101 *. Da die Rechtsfolgen des KKG<br />

klarer <strong>und</strong> strenger sind <strong>und</strong> damit dem Schutz des Konsumenten besser<br />

dienen, ist diesen der Vorzug zu geben 110 : dies gilt jedenfalls soweit, als eine<br />

Bestimmung des Abzahlungsrechts deckungsgleich mit einer solchen in<br />

Art. 8-10 KKG ist" 1 .<br />

Art. 716 ZGB statuiert schliesslich für Abzahlungsverträge, die unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

geschlossen wurden, ein Verbot für sogenannte Verfallklauseln<br />

1 '-: Eine Abrede, die dem Verkäufer die Vindikation ermöglicht <strong>und</strong><br />

gleichzeitig die bereits geleisteten Teilzahlungen für verfallen erklärt, ist nichtig<br />

(Art. 20 Abs. 1 OR). Der Verkäufer kann die unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

verkaufte Sache nur Zug um Zug gegen Erstattung der vom Käufer bereits geleisteten<br />

Anzahlungen zurückverlangen. Immerhin darf er davon einen angemessenen<br />

Mietzins <strong>und</strong> eine Entschädigung für Abnützung abziehen. Eine<br />

Präzisierung dazu enthält nunmehr Art. 226/ Abs. 1 OR, indem dort von ausserordentlicher<br />

Abnützung gesprochen wird. Damit wird deutlich, dass die<br />

normale Abnützung vollumfänglich durch den Mietzinsabzug gedeckt wird,<br />

die Entschädigung für Abnützung somit nur zur Kompensation von Schäden<br />

dient, die nicht der normalen Amortisation zugerechnet werden können 113 .<br />

Zudem bestimmt Art. 226/ Abs. 1 OR. dass Mietzins <strong>und</strong> Abnützungsentschädigung<br />

zusammen den vereinbarten Kaufpreis für die zurückgegebene Sache<br />

nicht übersteigen dürfen 114 .<br />

i OR-KOLLER-TUMLER, op.cit. (Fn. 56). Art. X KKG, Rn. 22.<br />

"" Eingehend dazu THOMAS KOLLER. Das Sanktionensystem des Konsumkreditrechts, in: WIEGAND<br />

(Hrsg.). Das neue Konsumkreditgesetz (KKG). Berner Bankrechtstag (BBT) Band 1. Bern<br />

1994,81 ff. (93 ff.).<br />

ii" Vgl. Art. 7 KKG. der den Gr<strong>und</strong>satz des Vorbehalts des strengeren Rechts enthält: dazu OR-<br />

STAUDER. op.cit. (Fn. 5b). Vorbem. zu Art. 226a-226m, Rn. 16 <strong>und</strong> Art. 226a. Rn. 21; OR-KOLtER-ri<br />

Ml ER, op.cit. (Fn. 56). Vorbem. zum KKG. Rn. 14 <strong>und</strong> eingehend Art. 7. Rn. 5 ff.<br />

111 OR-SIAI DER. op.cit. (Fn. 56). Art. 226


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 97<br />

2. Ausweitungen<br />

a) <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> <strong>und</strong> Drittfinanzierung<br />

In der Praxis kommt es oft vor, dass bei einem Kaufgeschäft die Kreditierung<br />

des Kaufpreises erst durch Einschaltung eines Dritten, in der Regel einer<br />

Bank, ermöglicht wird. Dies kann im Wege der Absatzfinanzierung oder der<br />

K<strong>und</strong>enfinanzierung geschehen 115 :<br />

aa) Bei der Absatzfinanzierung gewährt die Bank dem Verkäufer einen<br />

Kredit, der durch fiduziarische Abtretung von K<strong>und</strong>enguthaben gesichert<br />

wird 116 . Die Bank wird damit als Zessionarin neue Gläubigerin des Käufers.<br />

Hat sich der Verkäufer bei Vertragsschluss das Eigentum am Kaufgegenstand<br />

vorbehalten, stellt sich die Frage, ob mit der Zession der Kaufpreisforderung<br />

auch der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> «abgetreten» wurde 117 . Nach Art. 170 OR gehen<br />

mit der Forderung auch die Vorzugs- <strong>und</strong> Nebenrechte über. Ob auch der<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> ein solches Nebenrecht darstellt, ist umstritten 118 . Eine<br />

rein funktionelle Betrachtung führt zum Ergebnis, dass der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

analog dem Pfandrecht ein der Forderung anhaftendes Sicherungsrecht<br />

darstellt <strong>und</strong> daher mit der Zession der Kaufpreisforderung kraft Art. 170<br />

Abs. 1 OR ohne Zutun der Parteien 119 auf den Zessionar übergeht. Geht man<br />

dagegen von einer strukturellen Betrachtungsweise aus, folgt aus der Auffassung<br />

des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s als suspensivbedingte Eigentumsübertragung,<br />

dass es sich dabei nicht um ein Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR<br />

handeln kann: Denn wie LIVER zutreffend bemerkt, ist der Verkäufer nicht<br />

bloss dinglich berechtigter Gläubiger, sondern eben (nach wie vor) Eigentümer<br />

der verkauften Sache 12 ". Daher ist eine «Übertragung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s»<br />

121 auf den Zessionar nur dann als erfolgt zu betrachten, wenn dies<br />

zwischen Zedent <strong>und</strong> Zessionar entsprechend vereinbart wurde 122 . Durch eine<br />

Revision der EigVV von 1932 wurde Art. 4 bis eingefügt, nach welchem die Abtretung<br />

der Kaufpreisforderung auf Gesuch von Zedent oder Zessionar im <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

vermerkt werden kann.<br />

115 Zu dieser Unterscheidung OR-STAUDER. op.cit. (Fn. 56). Art. 226m. Rn. 63 ff.<br />

1 " Regelmässig wird es sich dabei um Globalzessionen handeln; vgl. dazu den Beitrag von WALTER<br />

(S. 43 ff.) in diesem Band.<br />

117 Gr<strong>und</strong>sätzlich zur Zulässiekeit einer Abtretung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s BGE 46 II 45 (47/<br />

48).<br />

118 Bejahend BGE 46 II 45 (47); verneinend v. TUHR/ESCHER. Allgemeiner Teil des Schweizerischen<br />

Obligationenrechts. 3. Aufl. Zürich 1974. Band II. 355. sich anschliessend BLCHER. Kreditsicherung<br />

durch Zession, in: WIEGAND (Hrsg.). Probleme der Kreditsicherung. Berner Tage<br />

für die juristische Praxis (BTJP). Bern 1981.9 ff. (14). Weitere Nw. bei BLICHER. OR AT. op.cit.<br />

(Fn. 61). 571, Anm. 137.<br />

"' Art. 170 Abs. 1 OR ist nicht als Legalzession aufzufassen (so OR-GIRSBERGF.R. op.cit. [Fn. 56],<br />

Art. 17(1. Rn. 6). sondern, wie BÜCHER (a.a.O. 570) schreibt, als Vermutung.<br />

1211 LIVER. op.cit. (Fn. 35), 340.<br />

1:1 Genauer sollte man von der «Übertragung des vorbehaltenen Eigentums» sprechen.<br />

'" Sachenrechtlich liegt Besitzanweisung vor (Art. 924 Abs. 1 ZGB).


98 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Die Kreditwirtschaft hat aufgr<strong>und</strong> dieser Rechtslage folgendes Verfahren<br />

entwickelt: Banken kaufen in einem umfangreichen Vertragswerk eigentumsvorbehaltsgesicherte<br />

Forderungen <strong>und</strong> lassen sich dabei in der Regel den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

(trotz Art. 170 Abs. 1 OR) noch zusätzlich ausdrücklich<br />

übertragen. Anschliessend werden die erworbenen Forderungen gegenüber<br />

den Vorbehaltskäufern <strong>und</strong> nunmehrigen Schuldnern der Bank verzinslich gestellt<br />

<strong>und</strong> allfällige Einreden aus dem Kaufvertrag ausgeschlossen. Mit der legislatorischen<br />

Konzeption des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s hat diese Konstruktion<br />

nicht mehr viel gemeinsam. Vielmehr liegt vom Ergebnis her eine besitzlose<br />

<strong>und</strong> damit gegen Art. 717 ZGB verstossende <strong>Sicherungsübereignung</strong> zugunsten<br />

der Bank vor, da die Kaufpreisforderung durch den Einredeausschluss<br />

praktisch zu einer Darlehensforderung wird. Ausgehend von der gesetzgeberischen<br />

Konzeption des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s müsste man deshalb solche Vereinbarungen<br />

für unzulässig halten. In der Literatur bestehen dagegen jedoch<br />

keine gr<strong>und</strong>sätzlichen Bedenken 121 . Wenn man das beschriebene Geschäft lediglich<br />

als Versuch behandelt, die sich aus der Unzulässigkeit der besitzlosen<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> ergebenden, vor allem für die Kreditsuchenden misslichen<br />

Konsequenzen abzufedern, wird man sich dieser Meinung - wenn auch<br />

mit Bedenken - anschliessen können 124 .<br />

bb) Bei der K<strong>und</strong>enfinanzierung entsteht neben dem Kaufgeschäft ein<br />

zweites Vertragsverhältnis zwischen K<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kreditgeber in Form eines<br />

Darlehensvertrages. Das Darlehen ermöglicht dem K<strong>und</strong>en die Tilgung des<br />

Kaufpreises, so dass rein logisch betrachtet zwischen Verkäufer <strong>und</strong> K<strong>und</strong>e<br />

kein Kredit- oder Abzahlungskauf sowie zwischen Kreditgeber <strong>und</strong> K<strong>und</strong>e<br />

nur ein einfacher Darlehensvertrag vorliegt. Wenn jedoch Verkäufer <strong>und</strong> Kreditgeber<br />

zusammenwirken 125 , um dem Käufer den Erwerb der Sache durch<br />

nachträgliche Leistung des Kaufpreises in Teilzahlungen zu ermöglichen, ist<br />

der wirtschaftliche Zweck der ganzen Konstruktion mit einem Abzahlungsgeschäft<br />

identisch. Es bestehen dadurch für den Käufer <strong>und</strong> Kreditnehmer die<br />

gleichen Schutzbedürfnisse wie dort, so dass gemäss Art. 226m Abs. 2 OR die<br />

Vorschriften über den Abzahlungsvertrag sinngemäss auf den Darlehensvertrag<br />

Anwendung finden 126 . Dass die Vorschriften des Abzahlungvertrages dabei<br />

auch auf den Kaufvertrag anzuwenden sind, wird vom Gesetz stilischwei-<br />

:<br />

' ZK-OFTINGER/BÄR. Das <strong>Fahrnispfand</strong>. 3. Aufl. Zürich 1981. Syst Teil Rn 180' BK-ZOBI<br />

op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 1714.<br />

I:a<br />

So schon WIEGAND, Akzessorietät <strong>und</strong> Spezialität - Zum Verhältnis zwischen Forderung <strong>und</strong><br />

Sicherungsgegenstand, in: WIEGAND (Hrsg.). Probleme der Kreditsicherung. Berner Tage für<br />

die juristische Praxis (BTJP). Bern 1982. 35 ff. (52 f.).<br />

'•' Zum Zusammenwirken vgl. neuerdings BGE 122 III 160 <strong>und</strong> da/u WIEGAND ZBJV n4(l998)<br />

208 ff.<br />

-" Zum Ganzen OR-STAUDER. op.cit. (Fn. 56). Art. 226m. Rn. 64.68 ff. m.w.H.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 99<br />

gend vorausgesetzt 127 . Seit 1994 wird das Abzahlungsrecht auch hier durch die<br />

Regeln des KKG überlagert, die kraft Art. 1 KKG auf den Darlehensvertrag<br />

anwendbar sind 128 .<br />

Dies hat zunächst zur Folge, dass in bezug auf einen <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

der Darlehensvertrag den bereits erwähnten 129 Formvorschriften zu genügen<br />

hat. Die eigentliche Problematik besteht jedoch darin, dass wenn das Darlehen<br />

tatsächlich zur Tilgung des Kaufpreises verwendet wird, der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

durch Erfüllung untergeht <strong>und</strong> damit das Darlehen ungesichert ist.<br />

Deshalb wird in der Praxis durch Zusammenwirken von Verkäufer <strong>und</strong> Kreditgeber<br />

folgende Konstruktion gewählt: Im Kaufvertrag mit dem K<strong>und</strong>en behält<br />

sich der Verkäufer das Eigentum vor; die kreditgebende Bank lässt sich<br />

sodann im Auftrag des K<strong>und</strong>en gegen Bezahlung des Kaufpreises die Kaufpreisforderung<br />

samt <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> abtreten 130 . Damit entsteht funktionell<br />

betrachtet die gleiche Situation wie bei der oben behandelten Absatzfinanzierung<br />

<strong>und</strong> ist damit den gleichen Bedenken ausgesetzt.<br />

b) Erweiterter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

Ein sog. erweiterter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> 131 liegt vor, wenn zwischen Verkäufer<br />

<strong>und</strong> Käufer vereinbart wird, dass der unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> tradierte<br />

Kaufgegenstand nicht nur die Kaufpreisforderung, sondern beliebige weitere<br />

Forderungen (z.B. alle gegenwärtigen <strong>und</strong> zukünftigen Forderungen aus dem<br />

Geschäftsverkehr) sichern soll. Eine solche Konstruktion geht jedoch weit<br />

über den Zweck des «gewöhnlichen» <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s - nämlich der Sicherung<br />

der Kaufpreisforderung durch die Aufrechterhaltung der Erfüllung<br />

Zug um Zug - hinaus. Wenn auch strukturell gesehen keine <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

vorliegt, da eine Eigentumsübertragung vom Käufer <strong>und</strong> Sicherungsgeber<br />

auf den Sicherungsnehmer nie stattfindet, muss doch funktionell betrachtet<br />

eine solche angenommen werden; denn diese «horizontale» Erweiterung<br />

des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s führt ebenso zu einer publizitätslosen Siche-<br />

127 Dazu gr<strong>und</strong>legend BGE 122 III 160 (164 ff.). Nach Art. 226m Abs. 3 OR untersteht der Kaufvertrag<br />

nur dann nicht dem Abzahlungsrecht, wenn ein Barkauf vereinbart ist. die Barzahlung<br />

anlässlich des Verlragsschlusses ohne Zuschlag bezahlt wird <strong>und</strong> beim Darleiher die gesetzliche<br />

Mindestanzahlung geleistet wurde (ein Fünftel des Barkaufpreises: Art. 226


100 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

rung wie die <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Besitzeskonstitut <strong>und</strong> verstösst daher<br />

gegen Art. 717 Abs. 1 ZGB 132 .<br />

3. Neuere Anwendungsformen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Probleme<br />

a) Verarbeitungsklauseln<br />

Wird die unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> verkaufte Sache durch den Käufer verarbeitet<br />

oder umgebildet, verbleibt das Eigentum an der neuen Sache nach<br />

Art. 726 Abs. 1 ZGB beim Vorbehaltsverkäufer, es sei denn, dass die Arbeit<br />

kostbarer war als die verarbeitete Sache selbst.<br />

Das Risiko des Untergangs des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s durch Verarbeitung<br />

versucht man in der Praxis abzusichern, indem durch eine sog. Verarbeitungskausel<br />

bestimmt wird, dass der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> an der neuen Sache fortbestehen<br />

soll. Ob eine solche Klausel zulässig ist, hängt davon ab, ob man<br />

Art. 726 Abs. 1 ZGB für abdingbar hält oder nicht 1 ". Dabei ist vom Gr<strong>und</strong>gedanken<br />

des Gesetzgebers auszugehen, mit der Zuweisung des Verfügungsrechts<br />

an den neuen Eigentümer, sei es der Verarbeiter oder der Stoffeigentümer,<br />

die Voraussetzung zu schaffen, dessen Vermögen unter seinen Gläubigern<br />

neu zu verteilen. Klauseln, mit denen schon zum vornherein diese Neuverteilung<br />

ausgeschlossen wird, sind daher nicht geeignet, den <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

auch an der spezifizierten Sache in jedem Fall fortbestehen zu lassen 134 .<br />

b) Zessionsklauseln<br />

Auch Zessionsklauseln gehören in die Kategorie der «vertikalen» Erweiterungen.<br />

Dabei lässt sich der Lieferant (Vorbehaltsverkäufer) von seinem Abnehmer<br />

die Forderungen, die bei letzterem aus den Weiterverkäufen der vorbehaltsbelasteten<br />

Waren entstehen, vorausabtreten 135 . Gegen diese Sicherungsart<br />

bestehen keine Bedenken, sofern die Voraussetzungen für die<br />

Wirksamkeit einer Sicherungszession erfüllt sind 136 .<br />

,i; Vgl. zum Ganzen STAUDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 37). Anh. zu §§929-931. Rn. 12 ff.<br />

m.w.Nw. zur umfangreichen Diskussion im deutschen Recht, wo diese Konzeption trotz mancher<br />

Bedenken für zulassig erachtet wird.<br />

'•" Nach ZOBI ist die Zulässigkeit von Verarbeitungsklauseln zu verneinen, weil es sich bei der verarbeiteten<br />

Sache um eine neue Sache handle <strong>und</strong> dingliche Surrogation nur in den vom Gesetz<br />

genannten Fallen erfolge: um an der neuen Sache einen neuen <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> zu begründen,<br />

fehle es hingegen am erforderlichen Erwerbstitel (Kaufvertrag). ZK-ZOBL. op.cit.<br />

(Fn. 35). Art. 726, Rn. 47 ff. (Rn. 58): ablehnend für die Schweiz auch ERICH BÜRGI. Theorie<br />

<strong>und</strong> Praxis des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s, in: WIEGAND (Hrsg.). Probleme der Kreditsicherung. Berner<br />

Tage für die juristische Praxis (BTJP). Bern 19X1. 111 ff. (119 ff.): Zur Kontroverse in<br />

Deutsehland vgl. STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 37). § 950. Rn. 18-30;<br />

,!4 STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 37). § 950. Rn. 30.<br />

'•" Vgl. LIVER. op.cit. (Fn. 35). 338: vgl. auch STAUDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 37) Anh. zu<br />

§§ 929-931. Rn. 15 ff.<br />

1 '" Dazu in diesem Band WAI TER (S. 5(1 ff.) <strong>und</strong> Koziot. (S. 24 ff).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 101<br />

IV. Die <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

A. Gesetzliche Ausgangslage<br />

Der Gesetzgeber hat die <strong>Sicherungsübereignung</strong> nur «indirekt» in Art. 717<br />

<strong>und</strong> Art. 884 ZGB geregelt. Nach Art. 717 Abs. 1 ZGB sind Eigentumsübertragungen<br />

durch Besitzeskonstitut Dritten gegenüber unwirksam, wenn damit<br />

ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfand<br />

beabsichtigt worden ist. In Art. 884 Abs. 3 ZGB ist das für das <strong>Fahrnispfand</strong>recht<br />

zentrale Faustpfandprinzip geregelt 137 .<br />

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber gr<strong>und</strong>sätzlich davon ausgeht, dass<br />

die Eigentumsübertragung zu Sicherungszwecken möglich <strong>und</strong> rechtlich zulässig<br />

ist 138 . Der konkrete Anwendungsbereich der <strong>Sicherungsübereignung</strong> ergibt<br />

sich somit durch Auslegung von Art. 717 Abs. 1 ZGB, m.a.W. durch die<br />

Beantwortung der Frage, wann eine Umgehung der Bestimmungen über das<br />

Faustpfand anzunehmen ist 139 . Das B<strong>und</strong>esgericht hat diesbezüglich schon<br />

früh entschieden, dass es dabei nicht auf die Vorstellungen der Vertragsschliessenden<br />

ankommt, sondern dass Art. 717 Abs. 1 ZGB objektiv, d.h. aus<br />

der Sicht eines unbeteiligten Dritten nach dem Vertrauensprinzip, auszulegen<br />

sei 140 . Daraus folgt, dass jede <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Besitzeskonstitut<br />

als Versuch, die Pfandrechtsvorschriften zu umgehen, gewertet werden muss.<br />

Damit knüpft die von Rechtsprechung <strong>und</strong> Lehre 141 vertretene Linie praktisch<br />

wieder an den Rechtszustand des bernischen Zivilrechts im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

an 142 .<br />

Mit den Regeln in Art. 717 <strong>und</strong> 884 ZGB hat der Gesetzgeber aber nur eine<br />

Konstellation der <strong>Sicherungsübereignung</strong>, nämlich diejenige mit Besitzeskonstitut,<br />

geregelt. Die <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Tradition entspricht indessen<br />

nicht den Bedürfnissen der Marktteilnehmer: Für diejenigen, die überhaupt<br />

in der Lage wären, bewegliche Sachen (z.B. Fahrzeuge. Warenlager. Maschinen<br />

etc.) als Kreditunterlage zu verwenden, sind diese Gegenstände für<br />

die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes in der Regel unentbehrlich. Deshalb<br />

ist die Bedeutung der <strong>Sicherungsübereignung</strong> in der Schweiz beschränkt auf<br />

sicherungshalber an Kreditgeber übereignete Wertpapiere, insbesondere<br />

Schuldbriefe 143 .<br />

117 Zur <strong>Sicherungsübereignung</strong> vgl. BK-ZOBL, op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 1299-1505. Zur<br />

Rechtslage in Deutsehland vgl. STAUDINGERAVIFGAND. op.cit. (Fn. 37). Anh. zu Sä 929-911.<br />

138 Dazu ausf. WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 549 f.<br />

139 WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 551.<br />

I4 " BGE 39 II 691 (692 f.) <strong>und</strong> sodann gr<strong>und</strong>legend BGE 42 II 17 (24 ff.).<br />

141 Vgl. die Übersichten bei ZK-OFLINGFR/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 884. Rn. 28(1 ff.: BK-ZOBL.<br />

op.cit. (Fn. 25). Art. 884, Rn. 719 f.; LIVER. op.cit. (Fn. 35). 322 f.<br />

142 Dazu oben S. 77 f.<br />

143 Dazu aus dem vergangenen Jahrzehnt BGE 119 II 326 <strong>und</strong> BGE 115 II 349.


102 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

B. Die juristische Konstruktion <strong>und</strong> die einzelnen<br />

Rechtsverhältnisse<br />

/. Die Sicherungsabrede<br />

Die Verpflichtung, eine Sicherheit zu bestellen, gehört zu den typischen Begleiterscheinungen<br />

jeder Kreditgewährung. Wegen der Vielfalt der Kreditgeschäfte<br />

einerseits <strong>und</strong> der möglichen Sicherungsgegenstände andererseits<br />

weist jedoch diese Verpflichtung eine ebenso grosse Vielfalt auf. Dessen<br />

ungeachtet ist allen diesen Verpflichtungen eines gemeinsam: Sie sind als<br />

rechtsgeschäftliche Typen im Gesetz selbst nicht geregelt, es handelt sich deshalb<br />

in allen Fällen um Innominatkontrakte, die aber gewisse, je nach der Art<br />

des Sicherungsgeschäftes variierende Merkmale aufweisen. Die im folgenden<br />

näher zu behandelnde Abrede, die der <strong>Sicherungsübereignung</strong> zugr<strong>und</strong>e liegt,<br />

wird üblicherweise als Sicherungsabrede bezeichnet <strong>und</strong> hat fiduziarischen<br />

Charakter. Ihr Inhalt lässt sich wie folgt umschreiben:<br />

Der Sicherungsgeber verpflichtet sich zur fiduziarischen Eigentumsübertragung:<br />

der Sicherungsnehmer verpflichtet sich, die Sache vereinbarungsgemäss<br />

zu behandeln <strong>und</strong> das Eigentum zurückzuübertragen, sobald die zu sichernde<br />

Forderung getilgt ist.<br />

Auffällig daran sind zwei Besonderheiten: Erstens steht der Leistungspflicht<br />

des Sicherungsgebers keine eigentliche Gegenleistung gegenüber (d.h.<br />

es liegt nur ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag vor), <strong>und</strong> zweitens ist die<br />

Eigentumsübertragung von den Parteien nicht auf Dauer gewollt, sondern nur<br />

solange, als die zu sichernde Forderung nicht durch Rückzahlung oder auf andere<br />

Weise getilgt wird. Beides gab Anlass daran zu zweifeln, ob die Sicherungsabrede<br />

überhaupt einen gültigen Rechtsgr<strong>und</strong> 144 für die Eigentumsübertragung<br />

darstelle: u.a. wurde diskutiert, ob die <strong>Sicherungsübereignung</strong> nicht<br />

ein bloss simuliertes Rechtsgeschäft sei, weil die Eigentumsübertragung von<br />

den Parteien ja eigentlich «gar nicht richtig gewollt» sei 145 . Diese Theorien<br />

sind heute überw<strong>und</strong>en: Es ist legitim <strong>und</strong> kann den Parteien nicht verwehrt<br />

werden. Eigentum nur zu einem vorübergehenden Zweck zu übertragen 146 .<br />

Mit dieser treuhänderischen (fiduziarischen) Übertragung können nicht nur<br />

Aus Art. 714 Abs. 1 ZGB geht nicht hervor, ob die Eigentumsübertragung an Fahrnis einer gültigen<br />

causa bedarf oder nicht. Das B<strong>und</strong>esgericht hat in Anlehnung an das für die Übertragung<br />

von Gründstücken geltende Kausalitätsprinzip (vgl. Art. 974 Abs. 2 ZGB) entschieden, dass<br />

auch der Erwerb des Fahrniseigentums kausal zu erfolgen hat: BGE 5? II 302 (306 ff.) bestätigt<br />

u.a. in 72 II 23? (240). 78 II 207 (210) <strong>und</strong> zuletzt in BGE 121 III 345 (347).<br />

Vgl. dazu die Nw. bei WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 549. In BGE<br />

72 II 235 (238 ff.) wurde die Einrede der Simulation im Zusammenhang mit einer Sichcrungsübereignung<br />

ausdrücklich verworfen.<br />

Zur Sicherungsabrede als gültiger Rechtsgr<strong>und</strong>: BGE 72 II 235. 78 II 412 (416). 85 II 97.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 103<br />

Sicherungszwecke, sondern auch andere Ziele verfolgt werden (z.B. die sog.<br />

Verwaltungstreuhand) 147 .<br />

Was die Frage der Gegenleistung angeht, kann seitens des Fiduziars bei einer<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> zumindest untechnisch oder indirekt von einer<br />

«Gegenleistung» in Form des gewährten Darlehens <strong>und</strong> damit von einem Austauschverhältnis<br />

gesprochen werden 148 . Die Konsequenz besteht darin, dass<br />

dem Sicherungsgeber im Konkurs des Sicherungsnehmers kein Aussonderungsrecht<br />

zusteht 149 ; allenfalls kann er die Tilgung seiner Schuld davon abhängig<br />

machen, dass ihm Zug um Zug das Sicherungsgut wieder herausgegeben<br />

wird (Art. 82 OR). Bei der Verwaltungstreuhand kann demgegenüber<br />

auch untechnisch nicht von einem Austauschverhältnis gesprochen werden.<br />

denn sie hat sozusagen nur die äusserliche Erscheinung mit der <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

gemeinsam. Ob dem Treugeber deswegen im Konkurs des Treuhänders<br />

ein Aussonderungsrecht zuzugestehen sei, ist umstritten. Das Recht<br />

des einfachen Auftrages, welches nach Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung auf die Verwaltungstreuhand<br />

zumindest teilweise anwendbar ist 150 , enthält aber in<br />

Art. 401 Abs. 3 OR eine Bestimmung, die dem Auftraggeber ein Aussonderungsrecht<br />

hinsichtlich der Fahrnis, die der Beauftragte in eigenem Namen,<br />

aber auf Rechnung des Auftraggebers erworben hat. gewährt 151 . Diese Vorschrift<br />

ist entgegen der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung 152 analog auf diejenigen<br />

Vermögenswerte anzuwenden, die der Treuhänder vom Auftraggeber<br />

erworben hat 153 . Immerhin werden die Konsequenzen der gegenteiligen, auch<br />

147<br />

Vgl. dazu ROLF WATTER, Die Treuhand im Schweizer Recht. ZSR NF 114 (1995) Band II, 179 ff.<br />

(insb. 219 ff.) <strong>und</strong> rechtsverglcichend WIEGAND, Trau, schau, wem - Bemerkungen zur Entwicklung<br />

des Treuhandrechts in der Schweiz <strong>und</strong> in Deutschland, in: FS Coing zum 70. Geburtstag.<br />

München 1982, Band II, 565 ff. Für Deutschland vgl. CLAUS-WILHELM CANARIS. Die Verdinglichung<br />

obligatorischer Rechte, in: FS Flume, Köln 1978, Band I, 371 ff. (410 ff.). Allgemein zu<br />

den Problemen, die sich bei der fiduziarischen Übereignung ohne Sicherungszweck ergeben,<br />

vgl. STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 37), Anh. zu § 929-931. Rn. 312 ff.<br />

14s<br />

Daraus resultieren z.B. Gewährleistungspflichten wie bei der Sicherungszession (Art. 171 ff.<br />

OR).<br />

'"» Vgl. statt aller BUCHER, OR AT. op.cit. (Fn. 61), 50.<br />

150<br />

BGE 99 II 393 <strong>und</strong> dazu GEORG GAUTSCHI. Subrogation <strong>und</strong> Aussonderung von beweglichem<br />

Treuhandvermögen, SJZ 72 (1976), 317 ff.: vgl. auch HEINRICH HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht<br />

- Besonderer Teil. 4. Aufl. Bern 1997. 277.<br />

151<br />

Es handelt sich um ein irreguläres Aussonderungsrecht, da der Auftraggeber keinen dinglichen,<br />

sondern bloss einen obligatorischen Herausgabeanspruch hat: die indirekte Stellvertretung<br />

wird dadurch mit Wirkungen ausgestattet, die sonst nur der direkten Stellvertretung zukommen.<br />

Vgl. BK-FELLMANN, Der einfache Auftrag. Bern 1992. Art. 401. Rn. 131.<br />

152<br />

Vgl. BGE 39 II 800 <strong>und</strong> zuletzt BGE 117 II 429 mit zustimmendem Kommentar von HANS<br />

MERZ. ZBJV 129 (1993). 255. Kritisch HEINRICH HONSELL, Treuhand <strong>und</strong> Trust in Schuldbetreibung<br />

<strong>und</strong> Konkurs, recht 1993, 73 ff.<br />

153<br />

WIEGAND. Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 565 f.. ders.. Treuhandrecht, op.cit.<br />

(Fn. 147). 589 ff.: HONSELL, op.cit. (Fn. 150). 290 m.w.Nw.; EITEL, op.cit. (Fn. 50). 264 ff.: indirekt<br />

auch KRAMFR. in: BK-KRAMER/SCHMIDLIN, Kommentar zu Art. 1-18 OR. Art. 18. Rn. 120.<br />

A.M. GUHL/KOI LER/DRULY. Das Schweizerische Obligationenrecht. 8. Aufl. Zürich 1991, 127<br />

sowie BK-FELLMANN. op.cit. (Fn. 151), Art. 40. Rn. 116. die eine analoge Anwendung ablehnen<br />

<strong>und</strong> für die Lösung des Problems eine ausdrückliche gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage für erforderlich<br />

halten.


104 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

vom B<strong>und</strong>esgericht vertretenen Auffassung seit dem 1.1.1997 im Bankbereich<br />

entschärft, nachdem durch die SchKG-Revision 154 folgende Bestimmungen in<br />

das Bankengesetz 155 aufgenommen wurden 156 :<br />

Art. 16 BaG:<br />

Als Depotwerte im Sinne von Art. 376 des Gesetzes gelten:<br />

1. bewegliche Sachen <strong>und</strong> Effekten der Depotk<strong>und</strong>en;<br />

2. bewegliche Sachen, Effekten <strong>und</strong> Forderungen, welche die Bank für Rechnung <strong>und</strong><br />

Depotk<strong>und</strong>en fiduziarisch innehat:<br />

3. frei verfügbare Lieferansprüche der Bank gegenüber Dritten aus Kassageschäften,<br />

abgelaufenen Termingeschäften, Deckungsgeschäften oder Emissionen für Rechnung<br />

der Depotk<strong>und</strong>en.<br />

Art. 37fe BaG:<br />

1 Depotwerte gemäss Art. 16 werden im Konkurs der Bank nicht zur Konkursmasse<br />

gezogen, sondern unter Vorbehalt sämtlicher Ansprüche der Bank gegenüber dem<br />

Deponenten zu dessen Gunsten abgesondert.<br />

: Ist die konkursite Bank selber Deponentin bei einem Dritten, so werden die Depotwerte<br />

als Bestände ihrer Depotk<strong>und</strong>en vermutet <strong>und</strong> gemäss Absatz 1 abgesondert.<br />

'Die Konkursverwaltung der Bank muss deren Depotverpflichtungen gegenüber<br />

einem Drittverwahrer sowie Verpflichtungen aus Geschäften gemäss Art. 16 Ziff. 3<br />

erfüllen.<br />

Trotz dieser sondergesetzlichen Regelung für den Bankbereich 157 ist daran<br />

festzuhalten, dass langfristig auf die Anerkennung der Sonderstellung von<br />

Treuhandeigentum nicht verzichtet werden kann. Es handelt sich auch hierbei<br />

um eine Konsequenz, die sich aus dem veränderten Verständnis der Funktionen<br />

des Sachenrechts <strong>und</strong> des Schuldrechts ergibt. Auch hier ist es notwendig,<br />

dem Parteiwillen nach Massgabe der oben bereits erwähnten Gr<strong>und</strong>sätze in<br />

grösstmöglichem Umfang Rechnung zu tragen, sofern <strong>und</strong> soweit es die<br />

Schutzinteressen Dritter erlauben.<br />

Unabhängig von der Frage der sachenrechtlichen Sonderstellung des Treuhandeigentums<br />

<strong>und</strong> der mit ihr korrespondierenden Sonderbehandlung in der<br />

Insolvenz ist dagegen die Rechtsnatur der Sicherungsabrede zu beurteilen.<br />

1


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 105<br />

Aus ihrem Zweck ergibt sich mit Selbstverständlichkeit, dass diese jedenfalls<br />

nicht als Auftrag qualifiziert werden kann, da dies dazu führen würde, dass der<br />

Sicherungsgeber wegen des nicht abdingbaren Art. 404 Abs. 1 OR den Auftrag<br />

jederzeit widerrufen oder kündigen könnte. Würde man dann auch noch<br />

eine Auflösung des Vertrages mit Wirkung ex tunc annehmen, könnte der Sicherungsgeber<br />

dadurch sogar noch im Konkurs durch einseitigen Widerruf<br />

das Eigentum am Sicherungsgut zurückfallen lassen. Die herrschende Meinung<br />

nimmt daher an, die Sicherungsabrede sei ein Vertrag sui generis. Wesentliches<br />

Element seitens des Fiduzianten ist die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung.<br />

Demgegenüber hat der Fiduziar die Rückgabepflicht, was<br />

bedeutet, dass in der Sicherungsabrede bereits auch die causa zur Rückübereignung<br />

enthalten ist. Im Hinblick auf eine allfällige Rückgabe ergeben sich<br />

darüber hinaus Sorgfaltspflichten, <strong>und</strong> zwar an der «eigenen» Sache!<br />

Wie der Sicherungsnehmer mit der Sache umzugehen hat <strong>und</strong> welche<br />

Rechte ihm daran zustehen, wird durch das Gesetz nicht geregelt <strong>und</strong> steht damit<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich zur Disposition der Parteien. Wurde ein strittiger Punkt<br />

nicht geregelt, stellt sich die Frage nach einer analogen Anwendung der<br />

Pfandrechtsvorschriften auf die <strong>Sicherungsübereignung</strong>. Meines Erachtensist<br />

dies nur bedingt hilfreich, in anderen Fällen gar unpassend (etwa das Weiterverpfändungsverbot<br />

in Art. 887 ZGB, dazu unten S. 123 ff.). Eine wichtige Bestimmung,<br />

die analog auch auf die <strong>Sicherungsübereignung</strong> anwendbar sein<br />

muss, ist das Verbot des Verfallsvertrages (Art. 894 ZGB; sog. lex commissoria).<br />

Bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong> geht es dabei natürlich nicht um die Abrede,<br />

dass dem Sicherungsnehmer bei Nichtbefriedigung das Eigentum «verfallen»<br />

soll, denn durch die fiduziarische Rechtsübertragung ist er ja bereits<br />

Eigentümer geworden. Vielmehr geht es darum, dass der Fiduziar dem Fiduzianten<br />

den Wert, um den das Sicherungsgut seine Forderung übersteigt, herauszugeben<br />

hat 158 . Entweder vereinbaren die Parteien, dass die Verwertung<br />

des Sicherungsguts durch Verkauf zu geschehen hat (sog. Verkaufsabrede),<br />

oder sie verabreden, um welchen Preis der Fiduziar die Sache definitiv behalten<br />

kann; wichtig ist jedoch, dass ein allfälliger Mehrwert herauszugeben ist.<br />

Dies entspricht dem Gr<strong>und</strong>gedanken, dass ein Gläubiger durch die Verwertung<br />

einer Sicherheit nicht mehr erhalten soll, als wenn die gesicherte Forderung<br />

getilgt worden wäre <strong>und</strong> er das Pfand bzw. die sicherungsübereignete Sache<br />

hätte zurückgeben müssen. Daneben soll die lex commissoria aber auch<br />

den Schuldner davor bewahren, nur um des Kredites willen für ihn ungünstige<br />

Klauseln in Kauf zu nehmen 159 .<br />

Durch die <strong>Sicherungsübereignung</strong> wird nach ganz herrschender Auffassung<br />

eine nicht akzessorische, d.h. nicht von der Existenz der zu sichernden<br />

>« Vgl. dazu ZK-OFTINGER/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 894. Rn. 20 ff. (insb. Rn. 22).<br />

159 ZK-OFTINGER/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 894. Rn. 4. Diese Gr<strong>und</strong>sätze gelten-dies sei nur am<br />

Rande vermerkt - in gleicher Weise auch für die Sicherungszession.


106 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Forderung abhängige Sicherheit begründet 1 " 0 . Daher ist an sich eine beliebige<br />

Umschreibung der Sicherungsforderung bzw. des zu sichernden Forderungskreises<br />

zulässig. Anders verhält es sich mit der Frage, ob <strong>und</strong> inwieweit das<br />

Sicherungsgut bestimmt sein muss. Hier ist nicht das Akzessorietätsprinzip,<br />

sondern das das gesamte Sachenrecht beherrschende Spezialitätsprinzip<br />

massgebend. Nach dem Spezialitätsprinzip können dingliche Rechte nur an<br />

bestimmten, individualisierten Sachen begründet werden; ein Rechtsübergang<br />

findet somit nur statt, wenn die Sache im Zeitpunkt der Verfügung bestimmt<br />

<strong>und</strong> individualisiert ist 161 . Erfolgt die <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Tradition<br />

(d.h. Übergabe «von Hand zu Hand»), ergeben sich insofern keine weiteren<br />

Probleme, weil durch die Übergabe automatisch eine Individualisierung<br />

erfolgt. Problematischer sind dagegen Sicherungsabreden, durch die dem Fiduziar,<br />

d.h. der Bank, sämtliche gegenwärtig oder künftig bei ihr liegenden<br />

Vermögenswerte sicherheitshalber übereignet werden. Wie bei der Sicherungszession<br />

nach der Bestimmtheit der durch Vorauszession abgetretenen Forderungen<br />

gefragt wird, stellt sich bei solchen Sicherungsabreden die Frage nach<br />

der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Sicherungsgegenstände. Da die<br />

gleiche Problematik auch beim <strong>Fahrnispfand</strong> existiert, wird dazu auf die dortigen<br />

Ausführungen verwiesen (vgl. unten S. 110 f.). Immerhin braucht für die<br />

Schweiz wegen Art. 717 Abs. 1 ZGB nicht weiter verfolgt zu werden, ob <strong>und</strong><br />

inwieweit besitzlose <strong>Sicherungsübereignung</strong>en mit dem Bestimmtheitsgr<strong>und</strong>satz<br />

zu vereinbaren sind lw .<br />

2. Die Verfügung<br />

Die Verfügung erfolgt aufgr<strong>und</strong> des sog. Verfügungsgeschäfts, das nach herrschender<br />

Meinung als ein vom Verpflichtungsgeschäft zu unterscheidendes<br />

Rechtsgeschäft verstanden wird 10 '. Erforderlich ist die Einigung der Parteien<br />

bezüglich der Besitzverschaffung <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Eigentumsübertragung,<br />

d.h. es liegt ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, ein Vertrag vor 154 .<br />

Die einseitige Betrachtung der Verfügung aus der Sicht des Verfügenden darf<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese der (meist stillschweigend erfolgenden)<br />

Annahme durch den Erwerber bedarf (Erwerbswille) 165 .<br />

'"• Vgl. zur Akzessorietätsproblematik STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. T7) Anh zu §§929-<br />

931. Rn. 4. 1X7 ff.<br />

"•' TVOR/SOIM DER/SCHMID. op.cit. (Fn. 21). 595.<br />

s; Anders in Deutschland, wo besitzlose .<strong>Sicherungsübereignung</strong>en zugelassen <strong>und</strong> weit verbreitet<br />

sind. Zur dortigen Rechtslage in bezug auf das Erfordernis der Bestimmtheit der Sicherungsgegenstande<br />

STAUDTNGERAVIEGAND. op.cit. (Fn. 37). Anh. zu §§ 929-931. Rn. 95 ff.<br />

'' Zum Unterschied zwischen Verpflichtungs- <strong>und</strong> Verfügungsgeschäft vgl. BUCHER. OR AT.<br />

op.cit. (Fn. 611.42 ff.<br />

,M Ein Überblick zu den verschiedenen Auffassungen bezüglich der Rechtsnatur der Tradition findet<br />

sich bei BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 643 ff. Zur Lehre vom «dinglichen Vertrag»<br />

vgl. LIVTR. op.cit. (Fn. 35). 318 ff. m.w.Nw.<br />

'"* BITIIFR. OR AT. op.cit. (Fn. 61). 43.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 107<br />

Die Eigentumsübertragung erfolgt prinzipiell unbedingt, es sei denn, die<br />

Parteien hätten ausdrücklich eine bedingte Sicherungsübertragung vereinbart.<br />

Allerdings ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Verfügungsgeschäfte<br />

bedingt abgeschlossen werden können. Das Immobiliarsachenrecht lässt bedingte<br />

Verfügungen nicht zu 166 . Im Mobiliarsachenrecht ergibt sich die Zulässigkeit<br />

einer suspensivbedingten Verfügung direkt aus Art. 715 ZGB. Ob<br />

hingegen auch resolutivbedingte Verfügungen über bewegliche Sachen zulässig<br />

sind, ist umstritten 167 . Meines Erachtens ergibt sich die Zulässigkeit der<br />

Resolutivbedingung schon daraus, dass Eigentum zu bestimmten Zwecken<br />

auch nur vorübergehend übertragen werden kann (dazu oben S. 102). Einer<br />

<strong>Sicherungsübereignung</strong> immanent ist stets die Ungewissheit, ob das Sicherungsgut<br />

dereinst zurückzuübereignen ist. Nicht anders verhält es sich, wenn<br />

die <strong>Sicherungsübereignung</strong> mit einer Resolutivbedingung verknüpft wird,<br />

nur dass dann mit dem Eintritt der Bedingung ein automatischer Rückfall erfolgt.<br />

Durch die Vereinbarung einer bedingten <strong>Sicherungsübereignung</strong> kann der<br />

Eigentumserwerb wie bei den akzessorischen Sicherungsrechten von der Existenz<br />

der zu sichernden Forderung abhängig gemacht werden: Eine Suspensivbedingung<br />

bewirkt, dass die Eigentumsübertragung erst im Moment der<br />

Forderungsentstehung erfolgt; bei einer resolutivbedingten <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

bewirkt der Untergang der zu sichernden Forderung den automatischen<br />

Rückfall des Eigentums am Sicherungsgut. Mit Hilfe der Bedingung<br />

lässt sich somit im wesentlichen der Effekt der Akzessorietät auch bei der <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

herbeiführen 168 . Zudem bestimmt Art. 152 Abs. 3 OR<br />

für Suspensivbedingungen, dass Verfügungen während der Schwebezeit im<br />

Zeitpunkt des Bedingungseintritts unwirksam werden. Diese Regelung gilt<br />

nach herrschender Meinung analog für Resolutivbedingungen 169 . Die Unwirksamkeit<br />

der Verfügung gilt auch gegenüber Dritten, wird jedoch im Mobiliarsachenrecht<br />

durch den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten<br />

(Art. 714 Abs. 2 ZGB) stark eingeschränkt 170 .<br />

Das Hauptproblem der Verfügung besteht darin, dass ihre Wirkung<br />

Dritten gegenüber unwirksam ist, wenn der Eigentumsübergang durch Besitzeskonstitut<br />

erfolgt <strong>und</strong> damit ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der<br />

Pfandrechtsvorschriften beabsichtigt ist (Art. 717 Abs. 1 ZGB). Wie bereits<br />

166 Dazu im einzelnen GUHL/KOLLER/DRUEY. op.cit. (Fn. 153), 52 f.<br />

I " 7 Ablehnend u.a. BUCHER (OR AT. op.cit. (Fn. 61], 510) mit der Begründung, dies widerspreche<br />

dem Traditionsprinzip. Zustimmend EITEL, der jedoch ohne zwischen suspensiver <strong>und</strong> resolutiver<br />

Bedingung zu unterscheiden von der Zulässigkeit bedingter Verfügungen ausgeht (op.cit.<br />

[Fn. 50], 263).<br />

IW DIETER MEDICUS (Die Akzessorietät im Zivilrecht, JuS 1971. 497 ff.) spricht in diesem Zusammenhang<br />

auch von «Akzessorietätsersatz» (503 f.); vgl. zum Ganzen STALDINGER/WIEGAND.<br />

op.cit. (Fn. 37). Anh. zu S§ 929-931. Rn. 196 ff.<br />

1 "' Vgl. statt vieler OR-EHRAT. op.cit. (Fn. 56). Art. 154. Rn. 5 m.w.Nw.<br />

"» BUCHER. OR AT. op.cit. (Fn. 61), 511 f.


108 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

erwähnt, bewirkt die durch Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung vertretene Interpretation<br />

von Art. 717, dass eine Umgehung bzw. Benachteiligung immer gegeben<br />

ist, wenn die besitzlose Übereignung zu Sicherungszwecken erfolgt. Es macht<br />

wenig Sinn, über diese Interpretation zu streiten; festzuhalten bleibt, dass damit<br />

die <strong>Sicherungsübereignung</strong> als Kreditsicherungsmittel für die Schweiz<br />

praktisch ausgeschaltet ist. Dies bedeutet aber auch, dass infolgedessen enormes<br />

Kreditsicherungspotential «brachliegt».<br />

Dies ist, wenn auch nicht der alleinige, so doch einer der ganz wesentlichen<br />

Faktoren, die zu den Finanzierungsproblemen der kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmungen<br />

(KMU) geführt haben. Dieser Aspekt ist in der Debatte um die<br />

Finanzierungsproblematik der KMU bisher nicht hinreichend gewürdigt worden;<br />

ihm kommt meines Erachtens mindestens die gleiche Bedeutung zu wie<br />

der vielfach kritisierten Kreditgewährungspraxis der Banken, die eben nicht<br />

zuletzt ihre Ursache in dem unzureichenden rechtlichen Instrumentarium hat.<br />

das zur Kreditsicherung zur Verfügung steht.<br />

C. Rechtliche Konsequenzen<br />

/. Die unwirksame Sichenmgsübereigmmg<br />

Die <strong>Sicherungsübereignung</strong> durch Besitzeskonstitut hat keine «Drittwirkung»,<br />

aber sie ist inter partes voll anerkannt 171 . Dies lässt sich sehr schön an<br />

einem mir durch den zuständigen Richter anvertrauten Streitfall illustrieren:<br />

In einer Ehescheidungssache vor einem bernischen Gericht entstand Streit<br />

über die Frage, wem das Eigentum an dem sich im Besitz des Ehemannes befindlichen<br />

Auto zustehe. Letzterer hatte bei seiner Ehefrau Geld aufgenommen<br />

<strong>und</strong> ihr zur Sicherung ihrer Ansprüche das in die Ehe gebrachte Fahrzeug<br />

ohne Übergabe des Besitzes sicherungshalber übereignet. Ohne auf die güterrechtlichen<br />

Fragen dieses Falls einzugehen, können im übrigen keine Zweifel<br />

bestehen, dass hier eine wirksame <strong>Sicherungsübereignung</strong> zustande gekommen<br />

ist: Die Ehefrau ist fiduziarische Eigentümerin des Fahrzeugs geworden<br />

<strong>und</strong> kann sich an dieses halten, wenn die gesicherte Forderung nicht getilgt<br />

wird. Nur wenn von Dritten - sei es in der Betreibung auf Pfändung oder im<br />

Konkurs - auf das sich weiterhin beim Fiduziar (Ehemann) befindliche Auto<br />

gegriffen wird, kommt Art. 717 Abs. 1 ZGB zum Zug.<br />

2. Die wirksame Sicherlingsübereignung<br />

Die «zulässige», d.h. auch Dritten gegenüber wirksame <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

erfordert die tatsächliche Übergabe des Sicherungsguts vom Sicherungs-<br />

"' ZK-SCHFRRFR. op.cit. (Fn. 35), Art. 717. Rn. 51. 62 <strong>und</strong> 6b. Vgl. auch BGE 5b II 444 (451) <strong>und</strong><br />

BGE70II 199(204).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 109<br />

geber an den Sicherungsnehmer; sie spielt jedoch - wie bereits erwähnt - in<br />

der Praxis kaum eine Rolle, weil der Sicherungsgeber in der Regel Gebrauch<br />

<strong>und</strong> Nutzung der Sache behalten will. Ist für ihn der unmittelbare Besitz des<br />

Sicherungsguts entbehrlich, dürfte nach wie vor nicht eine <strong>Sicherungsübereignung</strong>,<br />

sondern die Bestellung eines Pfandrechts im Vordergr<strong>und</strong> stehen.<br />

V. Das <strong>Fahrnispfand</strong><br />

A. Pfandrechtliche Prinzipien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>begriffe<br />

1. Das «Pfandrecht»<br />

Das schweizerische Recht kennt keine Legaldefinition des Pfandrechts (anders<br />

§ 1204 Abs. 1 BGB <strong>und</strong> § 447 ABGB). In der Systematik des ZGB werden<br />

die Pfandrechte zusammen mit den Dienstbarkeiten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lasten den<br />

beschränkten dinglichen Rechten zugeordnet. Nach herrschender Meinung ist<br />

das Pfandrecht ein der Sache anhaftendes dingliches Sicherlings- <strong>und</strong> Verwertungsrecht'<br />

72 . Pfandrechte können jedoch nicht nur an Sachen, sondern auch<br />

an Rechten bestellt werden (Art. 899 ZGB; § 1273 BGB 171 ). Damit stellt sich<br />

die Frage, ob auch das «Recht an einem Recht» als ein dingliches Recht bezeichnet<br />

werden kann 174 . Trotz mancher terminologischer Unklarheiten besteht<br />

heute über folgende Punkte Einigkeit: Das Pfandrecht teilt den rechtlichen<br />

Charakter des Pfandobjekts, d.h. ein Pfandrecht an einer Sache ist ein sachenrechtliches,<br />

das Pfandrecht an einem Recht 1 dagegen ein obligatorisches<br />

Recht. Trotzdem ist das Pfandrecht an einem Recht als Recht mit dinglicher<br />

Wirkung zu bezeichnen, weil der Pfandgläubiger vor Eingriffen Dritter geschützt<br />

ist, bei Übertragungen des Rechts das Pfandrecht bestehen bleibt<br />

(Sukzession) <strong>und</strong> der Pfandgläubiger in der Zwangsvollstreckung unter Ausschluss<br />

der übrigen Gläubiger aus dem Wert des Pfandobjekts befriedigt wird<br />

(Art. 219 Abs. 1 SchKG) 175 .<br />

172 Vgl. die Nw. bei BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil, Rn. 148 f. <strong>und</strong> STAUDINGERAVIEGAND<br />

op.cit. (Fn. 27) Vorbem. zu § 1204 ff.. Rn. 14.16.<br />

171 Zum österreichischen Recht vgl. KOZIOL (S. 22) in diesem Band.<br />

174 Bejahend CANARIS. op.cit. (Fn. 147). 375.<br />

175 Vgl. zum Ganzen STAUDINGERAVIEGAND. op.cit. (Fn. 27). Vorbem. zu §§1273 ff.. Rn.4ff<br />

m.w.Nw.: ZK-OFTINGER/BÄR, op.cit. (Fn. 123). Art. 899. Rn. 5 ff. Allgemein zur rechtlichen Erfassung<br />

des Pfandrechts im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert WIEGAND. Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorien<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. ZNR 3 (1981). 1 ff. <strong>und</strong> dm., Die Gr<strong>und</strong>pfandrechte - Die Konzeption<br />

des ZGB <strong>und</strong> ihre Entwicklung in der Praxis, in: WIEGAND (Hrsg.). Theorie <strong>und</strong> Praxis der<br />

Gr<strong>und</strong>pfandrechte. Berner Bankrechtstag (BBT) Band 3. Bern 1996. 63 ff. (S. 68 ff.).


1 lü WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

2. Bestimmtheit des Pfandobjekts<br />

Das Erfordernis der Bestimmtheit des Pfandobjekts (Spezialitätsprinzip 176 )<br />

lässt sich dogmatisch daraus ableiten, dass die Pfandbestellung durch ein Verfügungsgeschäft<br />

erfolgt. Eine Verfügung über Sachen oder Rechte setzt aber<br />

notwendigerweise voraus, dass Gewissheit darüber besteht, worauf sich die<br />

Verfügung bezieht. Allen Verfügungsgeschäften ist daher gemeinsam, dass die<br />

Verfügung nur über bestimmte, individualisierte Sachen getroffen werden<br />

kann. Das Spezialitätsprinzip ist insofern ein Gr<strong>und</strong>prinzip des Sachenrechts,<br />

welches bestimmt, dass dingliche Rechte nur an bestimmten, individualisierten<br />

Sachen begründet werden können 177 .<br />

Für die Begründung von Gr<strong>und</strong>pfandrechten ist das Spezialitätsprinzip in<br />

Art. 796 Abs. 1 <strong>und</strong> 797 Abs. 1 ZGB ausdrücklich festgehalten, während beim<br />

<strong>Fahrnispfand</strong> eine entsprechende Regelung fehlt. Seine Geltung für das <strong>Fahrnispfand</strong>recht<br />

folgt aber aus den erwähnten allgemeinen Überlegungen sowie<br />

aus der gesetzlichen Konzeption als Besitzpfand (Faustpfandprinzip, Art. 884<br />

Abs. 3 ZGB), denn anlässlich der Tradition erfolgt zwingend <strong>und</strong> automatisch<br />

eine Individualisierung der Pfandobjekte 178 .<br />

Aus dem Bestimmtheitserfordernis folgt, dass Sachgesamtheiten (z.B. Warenlager,<br />

Briefmarkensammlung. Bibliothek) oder Rechtsgesamtheiten (z.B.<br />

die Unternehmung, das Vermögen) nicht durch einen einheitlichen Verpfändungsakt<br />

verpfändet werden können 179 : Zwar kann sich der Verpfänder zur<br />

Verpfändung einer Sach- oder Rechtsgesamtheit verpflichten, doch wird das<br />

Pfandrecht erst begründet, wenn die vom Gesetz verlangten Voraussetzungen,<br />

insb. die Publizitätsvorschriften, bezüglich jedes einzelnen Teils der Gesamtheit<br />

gegeben sind 1811 . Wohl kann für die Bezeichnung der zu verpfändenden<br />

Gegenstände ein im Verkehr üblicher Sammelbegriff verwendet werden (z.B.<br />

«die Bibliothek» für sämtliche im Eigentum des Verpfänders stehenden Bücher);<br />

von der Pfandhaft erfasst werden jedoch nur diejenigen Teile der Gesamtheit,<br />

die tatsächlich in den Besitz des Pfandgläubigers gelangen. Diese<br />

bilden zusammen ein sog. Gesamtpfandrecht 181 , d.h. es haften mehrere Pfandgegenstände<br />

für die gleiche Forderung.<br />

Eine Abschwächung erfährt diese strikte Auffassung, indem die Bezeichnung<br />

der Pfandobjekte auch durch einen im Verkehr üblichen Sammelbegriff<br />

erfolgen kann 182 . Die Schranken ergeben sich dabei mehr aus tatsächli-<br />

'" Zu den verschiedenen Zusammenhängen, in denen der Begriff der «Spezialität» verwendet<br />

wird vgl. WIEGAND, Akzessorietät, op.cit. (Fn. 124). 40 ff.<br />

'" TUOR/SCHNYDER/SCHMID, op.cit. (Fn. 21). 595.<br />

|7S ZK-OIINGF.R/BAR. op.cit. (Fn. 123). Art. 884. Rn. 18 mit Hinweisen zur Rspr.<br />

r " STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 27). Vorbem. zu §§ 121)4 ff., Rn. 22.<br />

'•"' BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 259.<br />

"" Zum Gesamtpfandrecht vgl. BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Svst. Teil. Rn. 499 ff.<br />

" : Vgl. zum Folgenden ausführlich STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 27). §1204. Rn. 35 ff.<br />

m.w.Nw.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 111<br />

chen Gründen, indem die Pfandbestellung in der Regel am Faustpfandprinzip<br />

scheitern wird. Denkbar wäre aber z.B. die Verpfändung «der<br />

Bibliothek», wenn sich diese in einem Raum befindet, zu dem der Verpfänder<br />

keinen Zugang mehr hat oder allenfalls noch Zugang unter Mitwirkung<br />

<strong>und</strong> Zustimmung des Pfandgläubigers 183 . Im Ergebnis lassen sich auf diese<br />

Weise auch Sach- <strong>und</strong> Rechtsgesamtheiten verpfänden (sog. generelles<br />

Pfandrecht 184 ). Ist die Pfandhaftung im Zeitpunkt der Begründung des<br />

Pfandrechts lediglich generell umschrieben, kann durch Parteiabrede auch<br />

künftigen Wechseln im Bestand Rechnung getragen werden 185 : Die Parteien<br />

können vereinbaren, dass Wechsel im Bestand der Gesamtheit zu berücksichtigen<br />

sind, so dass sich der genaue Umfang der Pfandhaft erst im Zeitpunkt<br />

der Verwertung herausstellt; erst in diesem Moment erfolgt somit die<br />

Individualisierung.<br />

Die «Allgemeinen Pfandverträge» sowie die AGB-Pfandrechte der Banken<br />

stellen demgegenüber nicht generelle Pfandrechte im soeben umschriebenen<br />

Sinn dar. Nach ZOBL handelt es sich dabei lediglich um einen «Anwendungsfall<br />

des generellen Faustpfandrechts» 186 . In solchen Verträgen wird<br />

in der Regel formularmässig vereinbart, dass der Bank sämtliche gegenwärtig<br />

oder künftig bei ihr liegenden oder auf ihren Namen bei Dritten deponierten<br />

Vermögenswerte verpfändet sind. Damit gilt quasi durch stillschweigende<br />

Vereinbarung, dass laufend Vermögenswerte aus der Pfandhaftung ausscheiden<br />

<strong>und</strong> andere, der Bank zugehende, ohne weiteres sofort vom Pfandrecht<br />

erfasst werden. Bei derartigen Globalverfügungen fragt sich nun. ob sie mit<br />

dem Spezialitätsprinzip überhaupt noch vereinbar sind. In der Literatur versucht<br />

man das Problem zu lösen, indem auf der Ebene des Verpflichtungsgeschäfts<br />

geprüft wird, ob die Klausel vor Art. 27 ZGB standhält <strong>und</strong> man im<br />

übrigen das Pfandrecht erst mit der Besitzerlangung durch die Bank entstehen<br />

lässt, wodurch gleichzeitig dem SpeziaHtäts- <strong>und</strong> dem Publizitätsprinzip<br />

genügt wird 187 . Es dürfte in der Tat zutreffen, dass solche Klauseln rein formal<br />

betrachtet nicht gegen sachenrechtliche Prinzipien Verstössen 188 . Trotzdem<br />

ist ihre Verwendung zumindest rechtspolitisch nicht unproblematisch,<br />

führen sie doch in der Insolvenz des Verpfänders zu einer massiven zusätzlichen<br />

Risikoverschiebung von den gesicherten auf die ungesicherten Gläubiger.<br />

183<br />

Sog. Mitverschluss; dazu BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 542 ff. <strong>und</strong> STAUUINGER/WIE-<br />

GAND, op.cit. (Fn. 27) § 1206. Rn. 1 ff.<br />

,M<br />

Dazu BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 512.<br />

185<br />

Dazu eingehend STALIDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 27). § 1204, Rn. 36.<br />

186<br />

BK-ZOBL, op.cit. (Fn. 25). Syst. Teil. Rn. 514<br />

IS7<br />

BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 379 ff.<br />

188<br />

Immerhin erscheint zweifelhaft, ob der zur Besitzerlangung der Bank stets erforderliche Besitzerwerbswille<br />

in jedem Einzelfall vorhanden ist. dazu WIEGAND. Kreditsicherung <strong>und</strong><br />

Rechtsdogmatik, in: BUCHER/SALADIN, Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979.<br />

Bern/Stuttgart 1979. 283 ff. (303).


112 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

3. Akzessorietät<br />

Anders als <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> Sicherungszession ist das Pfandrecht<br />

wie die Bürgschaft 181 ' als akzessorisches Sicherungsrecht ausgestaltet. Akzessorietät<br />

bedeutet zunächst <strong>und</strong> allgemein Abhängigkeit eines Rechts von einem<br />

anderen Recht, wobei das akzessorische Recht regelmässig als Nebenrecht,<br />

das andere als Hauptrecht bezeichnet wird 190 . Im Bereich der Kreditsicherung<br />

bedeutet Akzessorietät, dass das Sicherungsrecht in Entstehung,<br />

Bestand <strong>und</strong> Untergang abhängig ist von der Existenz der zu sichernden Forderung,<br />

dass das Sicherungsrecht bei der Übertragung des gesicherten Rechts<br />

mitübertragen wird 191 <strong>und</strong> dass der Durchsetzbarkeit des Sicherungsrechts die<br />

gleichen Einreden entgegenstehen wie dem gesicherten Recht 192 .<br />

Historisch betrachtet beruht die dogmatische Figur der Akzessorietät auf<br />

dem Bestreben. Umfang <strong>und</strong> Dauer der Haftung zu begrenzen. Exemplarisch<br />

dafür ist eine bereits beschriebene Entwicklung im römischen Recht: Die Entstehung<br />

des pignus aus der früheren <strong>und</strong> weitergehenden fiducia <strong>und</strong> deren<br />

allmähliche Verdrängung. Diese Tendenz der zunehmenden Bindung des Sicherungsrechts<br />

an die zu sichernde Forderung wurde erst im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

wieder durchbrochen, als im Zuge der Industrialisierung <strong>und</strong> des damit verb<strong>und</strong>enen<br />

hohen Kapitalbedarfs neue, nicht akzessorische Kreditsicherungsformen<br />

wie etwa die <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> die Sicherungszession neu<br />

entdeckt oder geschaffen wurden.<br />

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hat der Akzessorietätsgr<strong>und</strong>satz<br />

im Bereich des Pfandrechts zwar nur bei der Gr<strong>und</strong>pfandverschreibung erfahren<br />

(Art. 824 Abs. 1 ZGB). Nach allgemeiner Auffassung gilt diese Bestimmung<br />

jedoch analog für alle Pfandrechte 193 .<br />

Akzessorietät bedeutet, wie erwähnt. Abhängigkeit des Pfandrechts von<br />

der zu sichernden Forderung. Dies setzt voraus, dass diese Forderung bestimmt<br />

oder zumindest bestimmbar ist: insofern ist dieses Bestimmtheitserfordernis<br />

lediglich eine Konsequenz des Akzessorietätsgr<strong>und</strong>satzes 194 . Allerdings<br />

ist die Umschreibung der zu sichernden Forderung im Bereich des Pfandrechts<br />

sehr offen formuliert: Nach Art. 824 Abs. 1 ZGB «kann eine beliebige,<br />

gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forderung pfandrechtlich<br />

sichergestellt werden». In den bereits erwähnten «Allgemeinen Pfandverträgen»<br />

<strong>und</strong> AGB-Pfandrechten der Kreditwirtschaft finden sich oft Klauseln.<br />

""' Zur Akzessorietät im Bürgschaftsrecht vgl. WIEGAND, Die Bürgschaft im Bankgeschäft, in:<br />

WIEGAND (Hrsg.). Personalsicherheiten. Berner Bankrechtstag (BBT) Band 4 Bern 1997.<br />

175 ff. (187 ff).<br />

" Vgl. da/u v. TUHR/PETER. Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts. Band I.<br />

Zürich 1979.21.<br />

1,1 Sog. Sukzession, vgl. Art. 170 Abs. I OR.<br />

'" ; Vgl. insb. die Regelung im Bürgschaftsrecht (Art. 502 Abs. 1 OR).<br />

'• ZK-OFTINGER/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 884. Rn. 149 f.: BK-ZOBI,. op.cit. (Fn. 25). Svst. Teil<br />

Rn. 245 ff.<br />

1 " 4 BK-ZOBI . opcit. (Fn. 25). Art. S.X4. Rn. 388: WIEGAND. Akzessorietät, op.cit. (Fn. 124). 41.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 113<br />

wonach das Pfand der Bank für sämtliche bestehenden <strong>und</strong> künftigen Forderungen<br />

gegen den K<strong>und</strong>en, gleichgültig auf welchem Rechtsgr<strong>und</strong> sie beruhen,<br />

haften soll (sog. genereller Forderungskreis). Theorie <strong>und</strong> Praxis haben die<br />

Gültigkeit einer solchen Umschreibung der zu sichernden Forderungen nie<br />

ernsthaft in Zweifel gezogen 195 . Trotzdem muss festgestellt werden, dass durch<br />

die Zulassung solcher Vereinbarungen der Akzessorietätsgr<strong>und</strong>satz ausgehöhlt<br />

wird, indem die durch die Akzessorietät bezweckte Verknüpfung des Sicherungsrechts<br />

mit der zu sichernden Forderung weitgehend aufgehoben<br />

wird. In Kombination mit der oben beschriebenen Tendenz zu einer weiten<br />

Umschreibung des Sicherungsgegenstandes führt dies im Ergebnis zu einer<br />

Art Dauerpfandrecht 196 , das wenigstens fallweise Züge einer (unzulässigen)<br />

Generalhypothek annimmt. Daher ist zumindest zu fordern, dass das zu sichernde<br />

Forderungs- oder Rechtsverhältnis bei Abschluss des Pfandbestellungsvertrages<br />

in der Weise umschrieben wird, dass jederzeit festgestellt werden<br />

kann, ob eine bestimmte Forderung entstanden ist <strong>und</strong> ob sie noch existiert<br />

(z.B. indem vereinbart wird, dass das Pfand für alle gegenwärtigen <strong>und</strong><br />

zukünftigen Forderungen aus dem Geschäftsverkehr haften soll) 197 .<br />

B. Die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> die<br />

möglichen Pfandgegenstände<br />

1. Art. 884 ZGB - Pfandrecht an körperlichen Sachen<br />

Art. 884 Abs. 1 ZGB nennt als wichtigste Voraussetzung für die Begründung<br />

des Pfandrechts an Fahrnis die Übertragung des Besitzes an der Pfandsache<br />

auf den Pfandgläubiger. Solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt<br />

über die Sache behält, ist nach Art. 884 Abs. 3 ZGB das Pfandrecht nicht begründet.<br />

Der Gesetzgeber wollte damit den Besitzerwerb durch Besitzeskonstitut<br />

(Art. 924 Abs. 1 ZGB) ausschalten; es gilt das Faustpfandprinzip bzw.<br />

das Verbot der Mobiliarhypothek.<br />

Gegenstand des Faustpfandrechts ist nach Gesetz «Fahrnis» (Art. 884<br />

Abs. 1 ZGB). Gemeint sind körperliche Sachen im Sinne von Art. 713 ZGB:<br />

Rechte fallen als Pfandobjekte unter die Art. 899 ff. ZGB. Aus dem Spezialitätsprinzip<br />

folgt, dass nur eine bestimmte, individualisierte Sache verpfändbar<br />

195<br />

BK-ZOBL. op-cit. (Fn. 25), Art. 884. Rn. 445 ff. (453 ff.).<br />

I%<br />

So schon WIEGAND. Kreditsicherung, op.cit. (Fn. 188). 304. WIEGAND. Akzessorietät, op.cit.<br />

(Fn. 124), 47.<br />

,g7<br />

Vgl. BGE 108 II 47. Das B<strong>und</strong>esgericht entschied dort, dass ein Gr<strong>und</strong>pfand nicht für eine Forderung<br />

in Anspruch genommen werden kann, die aus einer unerlaubten Handlung herrührte.<br />

Die Klausel lautete: ...«zur Sicherstellung aller Ansprüche irgendwelcher An. die der Schweizerischen<br />

Bankgesellschaft. Davos. gegenüber B. zur Zeit schon zustehen oder in Zukunft erwachsen<br />

werden» (Hervorhebung durch den Verf.): vgl. auch BGE 51 II 273 (Fahrnisverpfändung<br />

durch Schuldbrief).


114 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

ist. Schliesslich muss es sich auch um eine selbständige Sache handeln 198 . Entscheidendes<br />

Kriterium - wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt 199<br />

- ist jedoch die Verwertbarkeit des Pfandgegenstandes.<br />

Zur Begründung des beschränkten dinglichen Rechts am Pfandobjekt bedarf<br />

es neben der Besitzübertragung auch der Verfügungsbefugnis (Verfügungsmacht)<br />

des Verpfänders. Diese fliesst entweder direkt aus dem Eigentum<br />

oder steht einem Nichteigentümer durch Rechtsgeschäft oder Gesetz<br />

zu 2 " 11 . Schliesslich kann ein Pfandrecht auch von einem nicht zur Verfügung<br />

Berechtigten erworben werden (Art. 884 Abs. 2 ZGB) 201 . Dies ist dann der<br />

Fall, wenn die in den Art. 933-936 ZGB geregelten Voraussetzungen gegeben<br />

sind, auf die Art. 884 Abs. 2 ZGB verweist. Nach Art. 933 ZGB wird, wer eine<br />

bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten<br />

dinglichen Recht übertragen erhält, in seinem Erwerb auch dann geschützt,<br />

wenn die Sache dem Veräusserer ohne Ermächtigung zur Übertragung anvertraut<br />

war 2 " 2 . Die Wendung «... soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze<br />

zustehen,...» (Art. 884 Abs. 2 ZGB) bezieht sich auf die Rechte, die dem<br />

Besitzer einer wider seinen Willen abhanden gekommenen Sache aus Art. 934<br />

ZGB zustehen 2 " 1 .<br />

2. Art. 899 ZGB - Pfandrecht an Rechten<br />

Pfandrechte können nicht nur an körperlichen Sachen, sondern auch an Rechten<br />

bestellt werden 2 " 4 . Art. 899 Abs. 1 ZGB nennt als Oberbegriff das Pfandrecht<br />

an Rechten, als Unterbegriff <strong>und</strong> Hauptanwendungsfall das Pfandrecht<br />

an Forderungen 2 " 5 . Weitere Anwendungsfälle des Art. 899 Abs. 1 ZGB sind<br />

z.B. die Verpfändung von Immaterialgüterrechten, Erbanteilen, GmbH-Anteilen<br />

etc. 2 "


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 115<br />

bar. Für die Übertragbarkeit von Forderungen gelten bei der Forderungsverpfändung<br />

die gleichen Gr<strong>und</strong>sätze wie bei der Zession (Art. 164 Abs. 1 OR).<br />

Nach Art. 899 Abs. 2 ZGB steht die Rechtsverpfändung, sofern nicht eine<br />

gesonderte Regelung erfolgt ist, unter den Bestimmungen über das Faustpfand.<br />

Eine solche war insbesondere für die Pfandbestellung erforderlich, weil<br />

die diesbezüglichen Regeln des Faustpfandes auf den Besitz abstellen <strong>und</strong> daher<br />

auf die Verpfändung von (unkörperlichen) Rechten nicht anwendbar sind.<br />

Durch die in Art. 900 ff. ZGB aufgestellten Formvorschriften soll die Rechtsverpfändung<br />

letztlich in gleichem Masse gegenüber Dritten offenk<strong>und</strong>ig gemacht<br />

werden, wie dies bei der Sachverpfändung durch das Faustpfandprinzip<br />

geschieht. Art. 900 ff. ZGB statuieren hierfür im wesentlichen die gleichen<br />

Regeln, die auch für die Übertragung des entsprechenden Rechts gelten 2 " 7 .<br />

Dadurch wird auch die Struktur der Verpfändung als teilweise Rechtsübertragung<br />

sichtbar gemacht: Gegenstand dieses übertragenen (Teil-)Rechts ist die<br />

Verwertungsbefugnis 2m .<br />

Der Wortlaut von Art. 899 Abs. 1 ZGB setzt prinzipiell ein bestehendes<br />

Recht voraus. Allerdings wird die Verpfändung eines erst künftig entstehenden<br />

Rechts im gleichen Umfang anerkannt wie die Übertragung solcher Rechte 2 " 1 ';<br />

die bei der Zession zukünftiger Forderungen entwickelten Gr<strong>und</strong>sätze sind<br />

somit analog auf die Forderungsverpfändung anwendbar 210 . Im gleichen Umfang<br />

wie das B<strong>und</strong>esgericht Globalzessionen anerkennt 2 ", sind demzufolge<br />

auch globale Forderungsverpfändungen zulässig.<br />

C. Die Rechtsverhältnisse<br />

/. Der Pfand- oder Pfandbestellungsvertrag<br />

a) Rechtsnatur <strong>und</strong> Inhalt<br />

Art. 884/899 ZGB enthalten lediglich Regelungen, die die Ebene des Verfügungsgeschäfts<br />

betreffen. Jedes Verfügungsgeschäft, mit welchem die Parteien<br />

207 Bei der Forderungsverpfändung genügt jedoch die schriftliche Abfassung des Pfandvertrages<br />

<strong>und</strong>-sofern vorhanden-Übergabe des Schuldscheins (Art. 900 Abs. 1 ZGB). Anders die Zession,<br />

bei der die Abtretung - nicht jedoch das pactum de cedendo - schriftlich zu erfolgen hat<br />

(Art. 165 OR).<br />

208 STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 27), Vorbem. zu SS 1273 ff.. Rn. 8.<br />

-"" STAUDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 27). S 1273. Rn. 14 ff.<br />

: '" Das B<strong>und</strong>esgericht verlangt, dass die abzutretende Forderung hinsichtlich Rechtsgr<strong>und</strong>. Höhe<br />

<strong>und</strong> Person des dehilor cessio* bestimmt oder wenigstens bestimmbar sei (gr<strong>und</strong>legend BGE 57<br />

II 537. bestätigt u.a. in BGE 113 II 163).<br />

-" Dazu BGE 113 II 163: zustimmend ZOBL, Die Globalzession im Lichte der neueren Lehre <strong>und</strong><br />

Rechtsprechung - eine Standortbestimmung. SJZ 85 (1989). 349 ff.: ablehnend BUCHER. Zur<br />

Gültigkeit von Globalzessionen, recht 1989. 12 ff. Vgl. auch BGE 122 III 361 <strong>und</strong> dazu WIE­<br />

GAND. ZBJV 134 (1998). 213 ff.


116 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

die Begründung von dinglichen Rechten an Fahrnis beabsichtigen, bedarf jedoch<br />

in der Schweiz nach Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung zusätzlich eines gültigen<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>es 212 ; der Verfügung über das Pfandobjekt muss ein gültiges Verpflichtungsgeschäft<br />

zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />

Dieses obligatorische Gr<strong>und</strong>geschäft, auf dem die Pfandrechtsbegründung<br />

beruht, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Art. 900 Abs. 1 ZGB spricht<br />

jedoch von der «schriftlichen Abfassung des Pfandvertrages» <strong>und</strong> deutet damit<br />

immerhin an, dass es dieses Gr<strong>und</strong>geschäft gibt; seine Existenz wird vom<br />

ZGB als allgemein bekannt vorausgesetzt, eine ausdrückliche Regelung hielt<br />

man ähnlich wie in Deutschland für entbehrlich.<br />

In Anlehnung an Art. 900 Abs. 1 ZGB wird das der Pfandbestellung zugr<strong>und</strong>eliegende<br />

Verpflichtungsgeschäft in der schweizerischen Literatur als<br />

«Pfandvertrag» bezeichnet 21 '. Im folgenden wird in Anlehnung an die lateinische<br />

Bezeichnung «pactum de pignore dando» der Begriff «Pfandbestellungsvertrag»<br />

verwendet 214 . Der Pfandbestellungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass sich der Verpfänder gegenüber seinem Gläubiger verpflichtet, zur Sicherung<br />

einer Forderung des Gläubigers ein Pfandrecht zu bestellen. Eine<br />

besondere Form ist für diesen Vertrag - ausser bei der Forderungsverpfändung<br />

(Art. 900 Abs. 1 ZGB) - nicht vorgeschrieben. Nach der schuldrechtlichen<br />

Terminologie handelt es sich um einen unvollkommen zweiseitigen Vertrag,<br />

denn wie bereits bei der Sicherungsabrede 215 steht auch hier der stipulierten<br />

Leistung des Verpfänders keine Gegenleistung des Gläubigers gegenüber,<br />

die ein Synallagma zu erzeugen vermöchte 216 . In der Literatur wird der Pfandbestellungsvertrag<br />

als Innominatkontrakt bezeichnet 217 , wobei diese Bezeichnung<br />

nicht ganz genau ist: Innominatkontrakte sind Verträge, die keinem gesetzlichen<br />

Vertragstypus zuzuordnen sind. Für den Pfandbestellungsvertrag<br />

sagt das Gesetz zwar nirgends, welches die essentialia negotii dieses Verpflichtungsgeschäfts<br />

sind, doch entsteht mit Abschluss der Pfandbestellung (d.h.<br />

nach erfolgter Einigung <strong>und</strong> Übergabe) unabhängig vom Parteiwillen ein ge-<br />

Vgl. zum Kausalitätsprinzip im Mobiliarsachenrecht oben S. 102 <strong>und</strong> Fn. 144.<br />

-'" ZK-OFTINGER/BÄR, op.cit. (Fn. 123). Art. 884. Rn.88; BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884.<br />

Rn. 32h.<br />

:u<br />

Zur Terminologie eingehend STAUDINGERAVIEGAND, op.cit. (Fn. 27), Vorbem. zu §§ 1204 ff.,<br />

Rn. 21.<br />

;<br />

" Vgl. oben S. 103.<br />

* Auch beim Pfandbestellungsvertrag ist aber zumindest untechnisch von einer entgeltlichen Gegenleistung<br />

in Form des Darlehens auszugehen; es handelt sich also nicht um eine Schenkung,<br />

so dass das Formerfordernis von Art. 243 OR nicht zur Anwendung kommt. Diese Aussage gilt<br />

zumindest für das Eigenpfand. Beim Drittpfand kann von einer solchen «untechnischen» Gegenleistung<br />

dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Drittpfandeigentümer gleichzeitig<br />

als Verpfänder auftritt: Denn diesfalls wird der Pfandbestellungsvertrag zwischen Drittpfandeigentümer<br />

<strong>und</strong> Pfandgläubiger geschlossen, die Eröffnung des Kredits erfolgt aber zugunsten<br />

eines Dritten (d.h. zugunsten des persönlichen SchuldneVs des Pfandgläubigers). Allenfalls<br />

könnte man hier die «Entgeltlichkeit.. des Pfandbestellungsvertrages über den «Vertrag zugunsten<br />

eines Dritten» konstruieren.<br />

;r BK-ZOBI. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 342.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 117<br />

setzliches Schuldverhältnis: Das ZGB regelt die wesentlichsten Pflichten, die<br />

sich aus der Überlassung des Pfandgegenstands ergeben, so z.B. die Rückgabepflicht<br />

(Art. 889 ZGB) oder die Haftung des Pfandgläubigers für Wertminderung<br />

bzw. bei Untergang der Pfandsache (Art. 890 ZGB).<br />

b) Auswirkungen der neueren b<strong>und</strong>esgerichtlichen Rechtsprechung<br />

zum «generellen Forderungskreis»<br />

Es bleibt weiter zu untersuchen, ob BGE 120 II 35 218 auch Auswirkungen auf<br />

Pfandbestellungsverträge hat. Das B<strong>und</strong>esgericht hatte dort eine Klausel zu<br />

beurteilen, wonach sich der Bürge zur Bezahlung aller Forderungen verpflichtete,<br />

die der Hauptschuldner ...<br />

... «doit actuellement et pourra devoir ä l'avenir ä [la banque]. quelle qu'en soit la<br />

cause, y compris toute creance d'interets, contractuels ou legaux. commissions et frais<br />

ajoutes au capital lors du bouclement des comptes, jusqu'ä concurrence du montant total<br />

de 120 000francs» 2l ' ) .<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht entschied, eine derartige Umschreibung der Verpflichtung<br />

des Bürgen (m.a.W. ein in dieser Form bloss generell umschriebener<br />

Kreis gesicherter Forderungen) Verstösse gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB <strong>und</strong> sei<br />

daher nichtig. Es hält die Klausel in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR aber<br />

insoweit aufrecht, als sie sich auf bestimmbare Forderungen bezieht, indem es<br />

den Passus «et pourra devoir ä l'avenir ä [la banque], quelle qu'en soit la cause»<br />

einfach abtrennt («ampute»).<br />

In seiner Begründung geht das B<strong>und</strong>esgericht vom Begriff der Bestimmtheit<br />

oder Bestimmbarkeit der zu sichernden Forderungen aus, den es im Ergebnis<br />

aus dem Akzessorietätsprinzip <strong>und</strong> aus persönlichkeitsrechtlichen Argumenten<br />

ableitet. Ich habe bereits eingehend dargelegt 220 , dass eine solche<br />

Klausel schon wegen der im Bürgschaftsrecht zwingenden summenmässigen<br />

Begrenzung der Bürgenhaftung (Art. 493 Abs. 1 OR) nicht gegen Art. 27<br />

Abs. 2 ZGB Verstössen kann 221 . Dies deshalb, weil das Akzessorietätsprinzip.<br />

dessen zentrale Funktion in der Begrenzung von Dauer <strong>und</strong> Umfang der Haftung<br />

besteht, durch die summenmässige Begrenzung zumindest eine seiner<br />

Aufgaben verloren hat, nämlich die Bewahrung des Sicherungsgebers vor ei-<br />

218 Pra 84 Nr. 146. Eingehend zu dieser Entscheidung EUGEN BUCHER. Gr<strong>und</strong>probleme des Kontokorrentrechts,<br />

recht 1994.168 ff. (180 ff.). Vgl. auch ERNST A. KRAMER. AJP 1994.1042 ff. <strong>und</strong><br />

WIEGAND. ZBJV 132 (1996). 334 ff.<br />

2 " D.h. alle Beträge, welche diese «gegenwärtig schuldet <strong>und</strong> künftig schulden kann, was auch der<br />

Rechtsgr<strong>und</strong> hiezu sei. eingeschlossen jegliche Forderung von Zinsen, vertragliche oder gesetzliche,<br />

der Kapitalforderung zugeschlagene Kommissionen <strong>und</strong> Kosten bis zum Gesamtbetrag<br />

von Fr. 120 000. — »; Übersetzung zit. nach BUCHER. a.a.O.. 180.<br />

220 WIEGAND. Die Bürgschaft im Bankgeschäft, op.cit. (Fn. 189). 199 ff.: für das Gr<strong>und</strong>pfandrecht,<br />

wo aufgr<strong>und</strong> von Art. 794 Abs. 2 ZGB (Maximalhypothek) eine vergleichbare Rechtslage besteht,<br />

vgl. WIEGAND. Die Gr<strong>und</strong>pfandrechte, op.cit. (Fn. 175). 82 ff.<br />

221 Vgl. zum Persönlichkeitsschutz auch die Bemerkungen zu diesem Entscheid von BÜCHER.<br />

a.a.O.. 185 f.


118 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

ner in ihrer Höhe unüberschaubaren Belastung. An den übrigen Funktionen<br />

des Akzessorietätsprinzips ist selbstverständlich festzuhalten, was für Klauseln,<br />

die auch künftige Forderungen in den zu sichernden Forderungskreis einbeziehen,<br />

bedeutet, dass der Bürgschaftsvertrag zumindest das zu sichernde<br />

Forderungs- oder Rechtsverhältnis umschreiben muss 222 .<br />

Auf das <strong>Fahrnispfand</strong>recht sind diese Überlegungen jedoch nicht übertragbar,<br />

denn hier fehlt es - anders als im Bürgschafts- <strong>und</strong> auch im Gr<strong>und</strong>pfandrecht<br />

- an einer bei Abschluss des Pfandbestellungsvertrages festzusetzenden<br />

summenmässigen Begrenzung der Pfandhaftung. Daher ist hier um so strikter<br />

am Akzessorietätsgr<strong>und</strong>satz festzuhalten, damit der Verpfänder vor für ihn<br />

nicht mehr überschaubaren Belastungen bewahrt bleibt; denn es ist zu bedenken,<br />

dass heute durch Klauseln, wie man sie in den oben erwähnten «Allgemeinen<br />

Pfandverträgen» der Banken vorfindet, weite Teile des Schuldnervermögens<br />

blockiert werden.<br />

Ein weiterer Aspekt der b<strong>und</strong>esgerichtlichen Begründung betrifft die Teilnichtigkeit.<br />

Dieses Ergebnis ist insofern problematisch, als es sich bei den zur<br />

Diskussion stehenden Klauseln um formularmässig, d.h. einseitig <strong>und</strong> zu Gunsten<br />

der Bank aufgestellte Klauseln handelt. Diese sind nach allgemeiner Lehre<br />

<strong>und</strong> Rechtsprechung zu behandeln wie Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

223 . Nimmt man in solchen Fällen Teilnichtigkeit an <strong>und</strong> «amputiert» den<br />

für unwirksam gehaltenen Inhalt, läuft derjenige, der die Klausel verwendet,<br />

nie ernsthaft in Gefahr, die Sicherheit zu verlieren. Er wird im Gegenteil immer<br />

versuchen, für ihn möglichst vorteilhafte Klauseln zu entwerfen, im Wissen<br />

darum, dass schlimmstenfalls eine richterliche «Reduktion auf das zulässige<br />

Mass» erfolgen wird. Daher sprechen bei der Beurteilung von AGB gewichtige<br />

Gründe gegen die Annahme der Teilnichtigkeit. In Deutschland wird<br />

deshalb eine Teilunwirksamkeit von AGB-Klauseln von der herrschenden<br />

Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung abgelehnt mit der Begründung, dass der Verwender<br />

solcher Klauseln in der Regel bewusst eine Benachteiligung seines Kontrahenten<br />

anstrebe, was er nicht tun dürfe, ohne das Risiko einzugehen, dass<br />

hinterher die ganze Klausel <strong>und</strong> nicht gewissermassen nur ihr überschiessender<br />

Teil für unwirksam erklärt werde 224 . Eine Anlehnung des B<strong>und</strong>esgerichts<br />

an diese Theorie vom «Verbot der geltungserhaltenden Reduktion» hätte erhebliche<br />

Konsequenzen: Unterstellt man nämlich dem Verwender einer unwirksamen<br />

Klausel eine Benachteiligungsabsicht, wäre das Kriterium der «Irreführung»<br />

gemäss Art. 8 UWG in jedem Fall erfüllt. Nachdem das B<strong>und</strong>esgericht<br />

in BGE 119II 443 225 den Art. 8 UWG - wenn auch bloss hypothetisch<br />

,;<br />

In BGE 120II35warein Kontokorrentkredit zusichern, was sich aus der Bürgschaftsurk<strong>und</strong>e<br />

eindeutig ergab.<br />

--' Statt vieler BUCHER. OR AT. op.cit. (Fn. 61). 153.<br />

4<br />

Vgl. zu diesem «Verbot der geltungserhaltenden Reduktion» WALTER F. LINDACHER. in: WOLF/<br />

HORN/LINDACHER. Kommentar zum AGB-Gesetz. 2. Aufl. München 1989. 5 6. Rn. 26 ff.<br />

-'-'* Vgl. dazu WIEGAND. ZBJV 131 (1995), 348 ff.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 119<br />

- geprüft hat, sind Schritte in diese Richtung in Zukunft zumindest nicht auszuschliessen.<br />

2. Die Verfügung<br />

Nach Art. 884 Abs. 1 ZGB erfolgt die Pfandbestellung dadurch, dass dem<br />

Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird. Die Besitzübertragung<br />

bildet somit das Verfügungsgeschäft 226 , dessen Vollzug konstitutive<br />

Wirkung für die sachenrechtliche Begründung des Pfandrechts zukommt 227 .<br />

Dieses Verfügungsgeschäft wird nach heute herrschender Auffassung als<br />

Rechtsgeschäft verstanden 228 , das sich aus einer rechtsgeschäftlichen Einigung<br />

<strong>und</strong> der anschliessenden realen Übergabe der Pfandsache zusammensetzt. Die<br />

Einigung als rechtsgeschäftlicher Teil der Verfügung untersteht damit den allgemeinen<br />

Regeln des Obligationenrechts 229 . Im einzelnen bedeutet dies, dass<br />

die Parteien handlungsfähig sein müssen, dass sie sich vertreten lassen können,<br />

dass ihre Erklärungen wegen Willensmängeln anfechtbar sind, dass die<br />

Einigung gr<strong>und</strong>sätzlich keiner besonderen Form bedarf etc.<br />

Die Besitzübertragung kann sowohl durch Tradition als auch durch Traditionssurrogate<br />

erfolgen 230 . Ausgeschlossen ist jedoch aufgr<strong>und</strong> des Faustpfandprinzips<br />

(Art. 884 Abs. 3 ZGB) der Besitzesübergang durch Besitzeskonstitut.<br />

3. Mögliche Konstellationen 231<br />

In jedem Pfandrechtsverhältnis sind folgende Funktionen auseinanderzuhalten,<br />

die z.T. in einer Person vereinigt, aber auch auf mehrere Personen verteilt<br />

sein können (dazu sogleich im Text <strong>und</strong> im Anhang):<br />

Auf der Aktivseite:<br />

- Der Pfandgläubiger als diejenige Person, die sich zur Sicherung einer Forderung<br />

ein Pfandrecht bestellen lässt; der Pfandgläubiger ist zugleich Gläubiger<br />

der zu sichernden Forderung.<br />

Auf der Passivseite:<br />

- Yier persönliche Schuldner als derjenige, der aus dem zu sichernden Kreditverhältnis<br />

gegenüber dem Gläubiger verpflichtet ist;<br />

"" In Deutschland wird für dieses Verfügungsgeschäft überwiegend die Bezeichnung «Pfandvertrag»<br />

verwendet, vgl. STAUDINGER/WEEGANLI. op.cit. (Fn. 27). Vorbem. zu SS 1204 ff.. Rn. 22.<br />

227 BK-ZOBE. op.cit. (Fn. 25). Art. 884, Rn. 630.<br />

228 Vgl. dazu die oben (Fn. 164) aufgeführten Nw.<br />

229 STAUDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 27). § 1205, Rn. 2.<br />

: -"> Zu den Einzelheiten vgl. BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 673 ff.<br />

2,1 Vgl. zum Folgenden auch die Zusammenstellungen bei BK-ZOBE. op.cit. (Fn. 25). Art. 884.<br />

Rn. 922 ff. <strong>und</strong> bei STAIIDINGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 27). Vorbem. zu SS 1204 ff.. Rn. 20 sowie<br />

die Schemata im Anhang (unten S. 132 ff).


120 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

- als Verpfänder wird die Person bezeichnet, die mit dem Pfandgläubiger den<br />

Pfandbestellungsvertrag (das Verpflichtungsgeschäft) abschliesst. Zwischen<br />

den gleichen Parteien wird anschliessend die Besitzübertragung (das<br />

Verfügungsgeschäft) vorgenommen;<br />

- als Pfandeigentümer bezeichnet man schliesslich den Eigentümer des<br />

Pfandobjektes.<br />

Diese Funktionen sind im Normalfall auf zwei Personen verteilt. Es ist aber<br />

auch denkbar, dass an einem Pfandrechtsverhältnis drei oder sogar vier Personen<br />

beteiligt sind. Auf der Aktivseite ist zwingend, dass Gläubiger der zu sichernden<br />

Forderung <strong>und</strong> Pfandgläubiger identisch sind. Dies ergibt sich zwar<br />

nicht direkt aus dem Gesetz 232 , ist jedoch eine Konsequenz des Akzessorietätsprinzips:<br />

Aus der Bindung des Pfandrechts an die zu sichernde Forderung<br />

(vgl. Art. 170 Abs. 1 OR) ergibt sich, dass die Rechtszuständigkeit für beides<br />

stets in einer Person vereinigt sein muss 233 . Auf Seiten des Sicherungsgebers<br />

(d.h. auf der Passivseite) ist dagegen eine Aufteilung der obenerwähnten<br />

Funktionen auf verschiedene Personen möglich. Dies folgt aus der Tatsache,<br />

dass das <strong>Fahrnispfand</strong> zur Sicherung einer persönlichen Schuld bestellt wird<br />

<strong>und</strong> somit Eigentum am Pfandgegenstand <strong>und</strong> Schuldnerschaft in bezug auf<br />

die zu sichernde Forderung auseinanderfallen können 234 . Dadurch entsteht<br />

ein sog. Drittpfandverhältnis, das sich dadurch auszeichnet, dass persönlicher<br />

Schuldner <strong>und</strong> Pfandeigentümer nicht ein <strong>und</strong> dieselbe Person sind. Drittpfandverhältnisse<br />

können nicht nur bei der Pfandrechtsbegründung, sondern<br />

auch nachträglich entstehen, so z.B. wenn der persönliche Schuldner nachträglich<br />

das Eigentum am Pfandgegenstand an einen Dritten veräussert. Somit<br />

können sich auf der Passivseite, ausgehend vom Verpfänder, folgende Konstellationen<br />

ergeben:<br />

- Der Verpfänder ist zugleich persönlicher Schuldner <strong>und</strong> Pfandeigentümer,<br />

d.h. er verpfändet eine eigene Sache für eine eigene Schuld; dies ist der Normalfall<br />

des sog. Eigenpfandes (vgl. Anhang Fall 1).<br />

- Der persönliche Schuldner ist Pfandeigentümer, als Verpfänder tritt jedoch<br />

ein Dritter in eigenem Namen auf; dieser verpfändet somit eine fremde Sache<br />

für eine fremde Schuld. Hier liegt nur scheinbar ein Drittpfandverhältnis<br />

vor, denn Pfandeigentümer <strong>und</strong> Schuldner sind identisch 235 (vgl. Anhang<br />

Fall 2).<br />

»- Anders $ 1205 Abs. 1 Satz I BGB: «Zur Bestellung des Pfandrechts ist erforderlich, daß der<br />

Eigentümer die Sache dem Gläubiger übergibt <strong>und</strong> beide darüber einig sind, dass dem Gläubiger<br />

das Pfandrecht zustehen soll.» (Hervorhebung durch den Verf.)<br />

-'" STAUDINGER/WIEGAND, op.cit. (Fn. 27). § 1204. Rn. 28.<br />

"' J Gleiches gilt für die Gr<strong>und</strong>pfandverschreibung <strong>und</strong> den Schuldbrief. Art. 824 Abs. 2 ZGB. wonach<br />

das verpfändete Gr<strong>und</strong>stück nicht Eigentum des Schuldners zu sein braucht, dient somit<br />

lediglich der Klarstellung. Anders bei der Gült, durch die eine reine Sachhaftung begründet<br />

wird. Vgl. dazu TUOR/SCHNYDER/SCHMID. op.cit. (Fn. 21). 837 f. <strong>und</strong> 868.<br />

-'" Vgl. BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 927.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 121<br />

- Der Verpfänder ist Pfandeigentümer, jedoch nicht persönlicher Schuldner;<br />

er verpfändet somit eine eigene Sache für eine fremde Schuld. Diese Konstellation<br />

kann als Normalfall des Drittpfandes bezeichnet werden (vgl.<br />

Anhang Fall 3).<br />

- Der Verpfänder ist persönlicher Schuldner, nicht aber Pfandeigentümer; er<br />

verpfändet eine fremde Sache für eine eigene Schuld. Dieser Fall ergibt sich<br />

einerseits dann, wenn der persönliche Schuldner bereits im Besitz der<br />

Pfandsache ist <strong>und</strong> vom Pfandeigentümer zur Verpfändung in eigenem Namen<br />

ermächtigt wird, was im besonderen für die Weiterverpfändung zutrifft<br />

(dazu unten S. 123 ff.). Andererseits liegt diese Konstellation auch<br />

dann vor, wenn der persönliche Schuldner die in seinem Besitz befindliche<br />

fremde Sache ohne Zustimmung des Pfandeigentümers verpfändet, sofern<br />

das Pfandrecht durch gutgläubigen Erwerb des Pfandgläubigers trotzdem<br />

entsteht 236 (vgl. Anhang Fall 4).<br />

- Der persönliche Schuldner ist nicht Pfandeigentümer <strong>und</strong> als Verpfänder<br />

tritt ein Dritter in eigenem Namen auf. Dieser verpfändet eine fremde Sache<br />

für eine fremde Schuld. In diesem extremsten Beispiel sind vier verschiedene<br />

Personen in das Pfandverhältnis verwickelt (vgl. Anhang Fall 5).<br />

D. Verwendung <strong>und</strong> praktische Bedeutung des Pfandrechts<br />

Die hier dargestellte Konzeption des Pfandrechts hat sich in der Praxis im wesentlichen<br />

bewährt. Infolge der strikten Durchführung des Faustpfandprinzips<br />

spielt das <strong>Fahrnispfand</strong> allerdings - wie bereits mehrfach erwähnt - in der gewerblichen<br />

Wirtschaft nur eine geringe Rolle, weil die als Sicherheit zur Verfügung<br />

stehenden Gegenstände vom Kreditnehmer selbst benötigt <strong>und</strong> deshalb<br />

nicht ausgehändigt werden können. Dagegen hat es im Bankgeschäft einen<br />

breiten Anwendungsbereich, den ROTH in seinem Beitrag in diesem<br />

Bande darlegt- 17 . Infolgedessen beschränke ich mich abschliessend auf kurze<br />

Bemerkungen zu Einzelfragen, die einerseits praktisch wichtig, andererseits<br />

aber auch dogmatisch interessant sind.<br />

E. Einzelfragen<br />

/. Übertragung der Forderung<br />

Dass bei Abtretung der pfandgesicherten Forderung das Pfandrecht dieser als<br />

Nebenrecht folgt, ergibt sich aus Art. 170 OR. Nicht geregelt sind dagegen die<br />

236 Art. 8X4 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB.<br />

-" Siehe insbes. S. 146 ff.


122 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Konsequenzen, die sich für das Pfand daraus ergeben. Von besonderer Bedeutung<br />

ist diese Frage bei Sachverpfändungen; denn hier ist zu entscheiden, wie<br />

die sachenrechtlichen Verhältnisse am Pfandgegenstand sich nach der Abtretung<br />

gestalten. Man wird davon ausgehen müssen, dass der Besitz am Pfandgegenstand<br />

kraft Gesetzes auf den neuen Pfandgläubiger übergeht. Diese im<br />

BGB in § 1251 ausdrücklich vorgesehene Rechtsfolge wird in Literatur <strong>und</strong><br />

Rechtsprechung einhellig als selbstverständlich angenommen. Daraus ergibt<br />

sich zugleich auch das Recht des neuen Pfandgläubigers, vom bisherigen die<br />

Herausgabe des Pfandes zu verlangen. Dabei kann der neue Pfandgläubiger<br />

aber nur die Einräumung derjenigen Besitzform verlangen, die der bisherige<br />

Pfandgläubiger an der Pfandsache hatte, also etwa nur Einräumung von Mitbesitz,<br />

wenn dies zwischen dem Verpfänder <strong>und</strong> dem Pfandgläubiger vereinbart<br />

war 238 . Erfolgt nur eine teilweise Abtretung der Pfandforderung, so wird<br />

auch das Pfandrecht geteilt. Es entsteht ein gleichrangiges Pfandrecht der beiden<br />

Gläubiger an der Sache, an der sie auch dementsprechend Mitbesitz haben.<br />

Die gleiche Rechtsfolge soll auch dann eintreten, wenn ein Pfandrecht für<br />

mehrere bestimmte Forderungen eines Pfandgläubigers begründet <strong>und</strong> eine<br />

dieser Forderungen abgetreten wird; auch hier teilt sich das Pfandrecht <strong>und</strong> es<br />

entsteht für jede Teilforderung ein Pfandrecht im gleichen Range 239 .<br />

2. Übertragung des Pfandrechts bei mehreren Forderungen<br />

Wird dagegen durch eine der oben geschilderten Pfandklauseln eine Vielzahl<br />

von Forderungen, ein sogenannter Forderungskreis, sichergestellt <strong>und</strong> nunmehr<br />

eine einzelne Forderung daraus abgetreten, kommt eine Teilung des<br />

Pfandrechts aus sachlichen Gründen nicht in Betracht. Vielmehr sind zwei<br />

Möglichkeiten denkbar: Durch ausdrückliche Erklärung oder durch Umstände,<br />

die auf einen solchen Willen schliessen lassen, kann angenommen werden,<br />

dass mit der abgetretenen Forderung das Pfandrecht übergehen soll. Dies<br />

führt freilich für die Bank zu der nachteiligen Folge, dass der bei ihr verbleibende<br />

Forderungskreis nicht mehr gesichert ist. Infolgedessen wird bei Fehlen<br />

einer ausdrücklichen Vereinbarung in aller Regel angenommen, dass die abgetretene<br />

Einzelforderung aus dem Kreis der gesicherten Rechte ausscheidet<br />

<strong>und</strong> ungesichert auf den neuen Gläubiger übergeht. In der Sache bedeutet dies<br />

einen Ausschluss der Rechtswirkung von Art. 170 OR. wogegen keine dogmatischen<br />

Bedenken bestehen. Während aber im Normalfall des Ausschlusses<br />

des Übergangs des Pfandrechts dieses erlischt, bleibt es in der hier vorliegen-<br />

w Zu all dem ausführlich BK-ZOBI . op.cit (Fn. 25). Art. 884. Rn. 279 ff; zum deutschen Recht<br />

eingehend STAUCHNGER/WIEGAND. op.cit. (Fn. 27). § 1250. Rn. I ff. <strong>und</strong> 1251, Rn. 1 ff.)<br />

'" BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 285 unter Bezugnahme auf die deutsche Kommentarliteratur.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 123<br />

den Konstellation bei der Bank bestehen zur Sicherung des bei ihr verbleibenden<br />

Forderungskreises 240 .<br />

3. Weiterverpfändung (Art. 887 ZGB)<br />

Weiterverpfändung liegt vor, wenn der Pfandgläubiger den Pfandgegenstand<br />

verwendet, um damit eine gegen ihn gerichtete Forderung eines Dritten<br />

pfandrechtlich sicherzustellen. Die Weiterverpfändung setzt voraus, dass der<br />

Weiterverpfänder in eigenem Namen <strong>und</strong> auf eigene Rechnung handelt; andernfalls<br />

liegt Stellvertretung vor. So gesehen ist die Verpfändung durch den<br />

Pfandgläubiger nichts anderes als ein Anwendungsfall des Drittpfandrechts<br />

241 , denn Eigentümer des Pfandobjekts ist <strong>und</strong> bleibt der Erstverpfänder.<br />

a) Allgemeine Anwendung<br />

Nach Art. 887 ZGB kann die Pfandsache nur mit Zustimmung des Erstverpfänders<br />

weiterverpfändet werden. Diese Bestimmung ist nach allgemeiner<br />

Auffassung rein deklaratorischer Natur, da es eine Selbstverständlichkeit ist.<br />

dass niemand über fremdes Recht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers<br />

verfügen kann 242 . Infolgedessen verändert diese Bestimmung die sachenrechtliche<br />

Lage nicht. In schuldrechtlicher Hinsicht wird gelegentlich angenommen,<br />

dass durch die erteilte Zustimmung ein weiteres Rechtsverhältnis<br />

begründet werde, das als Leihe qualifiziert wird 243 . Meines Erachtens ist eine<br />

solche Annahme eher gekünstelt <strong>und</strong> entspricht nicht den Vorstellungen der<br />

Parteien. Vielmehr handelt es sich wohl nur um eine Modifikation der zwischen<br />

dem Verpfänder <strong>und</strong> dem Pfandgläubiger bestehenden Rechtsbeziehung,<br />

die oben bereits beschrieben <strong>und</strong> als gesetzliches Schuldverhältnis<br />

qualifiziert wurde. Mit seiner Zustimmung befreit der Verpfänder den Pfandgläubiger<br />

von der dem Pfandrechtsverhältnis immanenten Verwahrungspflicht<br />

nach Massgabe der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung. Der<br />

Erstverpfänder erlangt, sofern er Eigentümer des Pfandobjektes ist, die Stellung<br />

eines Drittpfandeigentümers. In dieser Eigenschaft steht ihm insbesondere<br />

das sog. ins offerendi zu. d.h. er kann die für eine fremde Schuld 244 verpfändete<br />

Sache durch Befriedigung des zweiten Pfandgläubigers einlösen.<br />

:4 ,:<br />

° So BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 884. Rn. 285 unter Bezugnahme auf STAUDINGER/WIEGAND .<br />

§ 1250, Rn. 6.<br />

241<br />

BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 887. Rn. 4. Vgl. dazu auch Fall 4 hinten im Anhang.<br />

- 4: So z.B. ZK-OFTINGER/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 887. Rn. 2. BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 887.<br />

Rn. 11.<br />

3<br />

« BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 887. Rn. 27 m.w.Nw.<br />

:44<br />

Sc. der Forderung des zweiten Pfandgläubigers gegen den Weiterverpfänder.


124 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

wodurch dessen Rechte kraft Legalzession auf ihn übergehen (Art. 110<br />

Ziff. 1 OR) 245 .<br />

Handelt der Weiterverpfänder dagegen ohne die erforderliche Zustimmung,<br />

fehlt ihm die zur Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts nötige<br />

Verfügungsmacht. Es kann somit gr<strong>und</strong>sätzlich kein weiteres Pfandrecht<br />

an der bereits verpfändeten Sache begründen werden, es sei denn, der Vertragspartner<br />

des Weiterverpfänders sei gutgläubig <strong>und</strong> erwerbe daher das<br />

Pfandrecht gestützt auf Art. 884 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB.<br />

In bezug auf die an der Sache bereits bestehenden Rechte ändert sich natürlich<br />

nichts, <strong>und</strong> zwar unabhängig davon, ob die Weiterverpfändung mit oder<br />

ohne Zustimmung des Erstverpfänders erfolgt ist: Letzterer bleibt Eigentümer,<br />

der Weiterverpfänder behält sein Pfandrecht 246 . Nach Art. 893 Abs. 2<br />

ZGB bestimmt sich der Rang der Pfandrechte nach dem Zeitpunkt ihrer Errichtung,<br />

d.h. das ältere geht dem jüngeren Pfandrecht vor (Alterspriorität) 247 .<br />

Die Anwendung dieses Prinzips auf die Weiterverpfändung ist jedoch nicht<br />

sachgerecht. Art. 893 Abs. 2 ZGB ist nicht zwingendes Recht 248 , so dass in der<br />

Weiterverpfändung konkludent der Verzicht des Weiterverpfänders auf den<br />

Vorrang seines Pfandrechts zu erblicken ist 249 . Resultiert aus der Verwertung<br />

des vorrangigen Pfandrechts ein Überschuss, tritt dieser als Surrogat an die<br />

Stelle des Pfandes.<br />

b) Besondere Bestimmungen im Bankbereich<br />

Im Bereich der Banken bestehen im Interesse des K<strong>und</strong>enschutzes besondere<br />

Vorschriften betreffend Weiterverpfändung 25 ":<br />

Art. 17BaG 25 '<br />

1 Eine Bank, welche das Recht zur Weiterverpfändung eines Faustpfandes oder zu<br />

dessen Hingabe in Report beanspruchen will, hat sich die Ermächtigung dazu in einer<br />

besonderen Urk<strong>und</strong>e vom Verpfänder geben zu lassen.<br />

2 Die Bank darf das Faustpfand für keinen höhern Betrag weiter verpfänden oder<br />

in Report geben, als sie selbst von ihrem Pfandschuldner zu fordern berechtigt ist.<br />

* Eis bleibt die Frage, ob ihm nunmehr ein «Pfandrecht an der eigenen Sache» (analog zum Eigentümerschuldbrief)<br />

zusteht, denn als ein der Forderung anhaftendes Nebenrecht müsste<br />

auch das Pfandrecht übergehen (Art. 170 Abs. 1 OR). BK-ZOBI. (op.cit. [Fn. 25], Art. 884.<br />

Rn. 968) nimmt dazu sachenrechtliche Konsolidation an.<br />

' 4 " BK-ZOBL. op.cit. (Fn. 25). Art. 887. Rn. 28.<br />

:r Vgl. ZK-OFTINGER/BÄR. op.cit. (Fn. 123). Art. 893. Rn. 11 ff.<br />

:4V ZK-OKTINGER/BAR. op.cit. (Fn. 123). Art. 893. Rn. 24.<br />

:4 " So wohl auch BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 25). Art. 887. Rn. 28.<br />

" Vgl. dazu BEAT KI UM R. in: BODMER/KI EINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz.<br />

Zürich 1976. Art. 17. Rn. 2 ff.<br />

' ! B<strong>und</strong>esgesetz über die Banken <strong>und</strong> Sparkassen vom 8.11.1934 (SR 952.0).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 125<br />

Sie hat dafür zu sorgen, dass auch sonst keine Rechte Dritter für einen höhern Betrag<br />

an dem Faustpfand begründet werden.<br />

Art. 33 BaV 2 «<br />

1 Die zur Weiterverpfändung eines Faustpfandes ermächtigte Bank hat gemäss Artikel<br />

17 Absatz 2 des Gesetzes dafür zu sorgen, dass an den weiterverpfändeten Titeln<br />

keine Rechte Dritter, namentlich keine Retentionsrechte, für einen höheren<br />

Betrag entstehen, als sie von ihrem Pfandschuldner zu fordern hat. Sie ist verpflichtet,<br />

nach vertragsgemässer Bezahlung der Pfandschuld die Pfandtitel dem Verpfänder<br />

sofort freizugeben.<br />

2 Die Ermächtigung zur Verwendung eines Faustpfandes für Reportgeschäfte der<br />

Bank muss die Angabe des Zeitpunktes enthalten, auf den die Bank dem Verpfänder<br />

für die reportierten Pfandtitel das Eigentum an gleichen Titeln (nicht notwendigerweise<br />

mit den gleichen Nummern) wieder zu übertragen hat.<br />

'Die gesamte Weiterverpfändung verschiedener Faustpfanddepots ist unzulässig.<br />

4 Lässt sich eine Bank von ihrem Schuldner für ihre Forderung zusätzlich Wechsel<br />

unterzeichnen, so hat sie bei der Verpfändung oder Rediskontierung dieser Wechsel<br />

dafür zu sorgen, dass gegenüber ihrem Schuldner keine höheren Forderungen begründet<br />

werden, als sie ihm gegenüber selber hat.<br />

Bei den Sondervorschriften, die für den Bankbereich getroffen wurden,<br />

handelt es sich um (sehr frühe) Konsumentenschutznormen. Durch die Formvorschrift<br />

von Art. 17 Abs. 1 BaG will der Gesetzgeber erreichen, dass dem<br />

Bankk<strong>und</strong>en durch die gesonderte Zustimmungserklärung bewusst gemacht<br />

wird, dass mit dieser Zustimmung seine Sache zur Sicherung eines fremden<br />

Kredites verwendet werden soll. Art. 17 Abs. 2 BaG <strong>und</strong> die diesen fortführenden<br />

Regeln der Bankenverordung dienen der Sicherstellung des generellen<br />

legislatorischen Zweckes dadurch, dass sie einerseits die Höchstbelastung<br />

festlegen <strong>und</strong> andererseits die umgehende Rückabwicklung nach der Tilgung<br />

vorschreiben 251 .<br />

Ausgehend von dieser ratio legis wird in der Literatur allgemein die Auffassung<br />

vertreten, dass Art. 887 ZGB <strong>und</strong> demzufolge wohl auch die entsprechenden<br />

Bestimmungen des BaG <strong>und</strong> der BaV analog auf die <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

<strong>und</strong> die Sicheningszession anzuwenden seien. Das ist dogmatisch<br />

nicht begründbar. Der Sicherungsnehmer hat nach der in der Schweiz herrschenden<br />

Treuhandtheorie (dazu oben S. 102 f.) das Vollrecht erworben <strong>und</strong><br />

selbstverständlich auch die Macht, über dieses Recht zu verfügen. Eine Zustimmung<br />

zu einer solchen Verfügung hätte sachenrechtlich - im Gegensatz zu<br />

3,2 Verordnung über die Banken <strong>und</strong> Sparkassen vom 17.5.1972 (SR 952.02).<br />

253 In der Praxis kommt diesen Vorschriften eher geringe Bedeutung zu. da Weiterverpfändungen<br />

nach meinen Feststellungen nicht eben häufig sind <strong>und</strong> die Hingabe in Report noch seltener<br />

vorkommt.


126 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

dem in Art. 887 ZGB geregelten Fall - keinerlei Bedeutung. Die Zustimmung<br />

könnte sich also nur darauf beziehen, dass der Sicherungsgeber durch seine<br />

Zustimmung sein Einverständnis zu einer Modifikation der Treuhandabrede<br />

(pactum fiduciae) gibt. Dass eine solche Veränderung der fiduziarischen Abrede<br />

der Zustimmung des Fiduzianten bedarf, ist eine obligationenrechtliche<br />

Selbstverständlichkeit <strong>und</strong> erfordert keine gesetzliche Regelung. Eine analoge<br />

Anwendung von Art. 887 ist deshalb schuldrechtlich betrachtet überflüssig<br />

<strong>und</strong> sachenrechtlich gegenstandslos. Im Gr<strong>und</strong>e wird die an sich schon sachenrechtlich<br />

überflüssige Vorschrift des Art. 887 ZGB, der - wie beschrieben -<br />

keine materielle Funktion zukommt, auf eine Rechtsfigur analog angewandt,<br />

wo sie noch weniger Sinn macht.<br />

Fraglich kann deshalb allein sein, ob die Sonderbestimmung des Bankengesetzes<br />

auf derartige Geschäfte Anwendung finden soll. Juristisch-dogmatische<br />

Gründe dafür gibt es nicht. Geht man indessen vom rechtspolitischen<br />

Zweck dieser Sondervorschrift aus. die den Bankk<strong>und</strong>en vor einer Risikoerweiterung<br />

durch Einfügen einer Formvorschrift schützen will, so macht es<br />

im Hinblick auf den Schutzzweck natürlich keinen Unterschied, ob er der<br />

Erweiterung seiner Haftung bei einem Pfandrecht oder bei einer <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

zustimmt. Infolgedessen wird beim heutigen Verständnis des<br />

Konsumentenschutzes wohl davon auszugehen sein, dass Art. 17 BaG <strong>und</strong><br />

die entsprechenden Verordnungsbestimmungen auch dann Anwendung finden,<br />

wenn die Bank für sich das Recht beanspruchen möchte, die ihr sicherungsübereigneten<br />

Gegenstände zur Sicherung eigener Verbindlichkeiten<br />

weiter zu verpfänden.<br />

Klarstellend ist indessen hinzuzufügen, dass dies alles selbstverständlich<br />

dann keine Rolle spielt, wenn die Bank als Pfandgläubigerin die gesicherte<br />

Forderung auf einen neuen Gläubiger überträgt. Hier geht - wie oben dargelegt<br />

- das Sicherungsrecht mit der Forderung über, so dass sich auch an der<br />

Belastung des Pfandgegenstandes nichts ändert <strong>und</strong> dem Verpfänder keine<br />

zusätzlichen Risiken auferlegt werden. Das gleiche muss selbstverständlich<br />

auch dann gelten, wenn die Bank Forderungen auf einen neuen Gläubiger<br />

überträgt, zu deren Sicherung Gegenstände zur Sicherheit übertragen worden<br />

sind. Derartige fiduziarische Sicherheiten (Forderungen, Schuldbriefe<br />

oder aber auch bewegliche Sachen) gehen zwar nicht nach Art. 170 OR mit<br />

der Forderung über, werden aber in der Praxis in einem gesonderten Rechtsakt<br />

auf den neuen Gläubiger übertragen. Da das Resultat eines solchen Vorgangs<br />

völlig identisch ist mit demjenigen, der sich hei der Zession der Forderung<br />

mit dem gesetzlichen Übergang des Pfandrechts ergibt, kann auf diesen<br />

Fall weder Art. 887 ZGB noch Art. 17 BaG angewendet werden.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 127<br />

VI. Rechtspolitische Würdigung<br />

Überblickt man die hier dargestellte Situation der Mobiliarsicherheiten, so ergibt<br />

sich folgendes Bild: Das einzige Rechtsinstitut, das problemlos den Bedürfnissen<br />

der Praxis genügt, ist die hier nicht behandelte Sicherungszession,<br />

die zwar dogmatisch konstruktive Schwierigkeiten bereitet, im übrigen aber<br />

ein brauchbares <strong>und</strong> wirksames Mittel der Kreditsicherung darstellt. Dagegen<br />

ist bei der Kreditsicherung durch bewegliche Sachen ein erhebliches Defizit<br />

festzustellen. Zum einen ist durch die strikte Einhaltung des Faustpfandprinzips<br />

<strong>und</strong> die flankierenden Massnahmen in Art. 717 ZGB die Verwendung beweglicher<br />

Sachen zur Kreditsicherung gerade für diejenigen Kreise weitgehend<br />

ausgeschlossen worden, die sie sehr dringend benötigen würden. Zum<br />

anderen hat der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> aus den dargelegten Gründen nie die<br />

Bedeutung erlangt, die ihm zukommen könnte <strong>und</strong> sollte.<br />

Gerade die Kreditprobleme der KMU in den vergangenen Jahren haben<br />

erneut mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass das zu Beginn dieses Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

konzipierte System der Mobiliarsicherheiten die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit<br />

erreicht hat <strong>und</strong> nicht mehr in der Lage ist, den heutigen Bedürfnissen<br />

der Verkehrswirtschaft zu genügen. Damit ist schon angedeutet, dass eine<br />

rechtspolitische Würdigung der schweizerischen Regelung zum Ergebnis führen<br />

muss, dass die damalige Entscheidung des Gesetzgebers den heutigen Verhältnissen<br />

nicht mehr gerecht wird.<br />

Ein richtig verstandenes Privatrecht soll den Privatrechtssubjekten grösstmögliche<br />

Freiheiten gewähren, so auch bei der Wahl der als Kreditunterlage<br />

zu verwendenden Sachen <strong>und</strong> Rechte. Der Parteiwille ist bei der Ausgestaltung<br />

von Verträgen wenn immer möglich zu berücksichtigen <strong>und</strong> zu respektieren,<br />

sofern <strong>und</strong> soweit durch die Parteiabrede nicht gleich- oder höherwertige<br />

Drittinteressen tangiert werden 254 . Erst in diesen Grenzbereichen soll der Gesetzgeber<br />

regelnd eingreifen, wobei es in den meisten Fällen zwei Möglichkeiten<br />

geben wird: Verbotsgesetzgebung oder den Drittschutz berücksichtigende<br />

Erlaubnisgesetzgebung. Bevor eine Tätigkeit verboten wird, sollte man sich<br />

stets genaustens über die Konsequenzen dieses Verbots Rechenschaft geben.<br />

Besteht nämlich für eine die Interessen Dritter gefährdende Handlung trotzdem<br />

ein starkes Bedürfnis, müssen Mittel <strong>und</strong> Wege gef<strong>und</strong>en werden, um diese<br />

unter gleichzeitiger Verwirklichung eines effektiven Drittschutzes dennoch<br />

zu ermöglichen.<br />

Auf die Kreditsicherung übertragen ergibt sich aus diesem Konzept: Seit<br />

der Einführung des ZGB sind besitzlose (beschränkte) dingliche Rechte an<br />

beweglichen Sachen mehr oder weniger verboten. Am strengsten ausgestaltet<br />

ist dieses Verbot beim Faustpfand, wo aufgr<strong>und</strong> von Art. 884 Abs. 3 <strong>und</strong><br />

Art. 888 ZGB davon auszugehen ist. dass selbst interpartes ohne traditio kein<br />

WIEGAND. Entwicklung des Sachenrechts, op.cit. (Fn. 42), 134 f.


128 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, Sichcrungsübereignung <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Pfandrecht begründet wird 255 . Bei der besitzlosen <strong>Sicherungsübereignung</strong> ergibt<br />

sich eine wenigstens relative Wirksamkeit derselben direkt aus Art. 717<br />

Abs. 1 ZGB 256 . Der <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> erlangt zwar mit der Eintragung im<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister Wirksamkeit auch gegenüber Dritten 257 , ist jedoch<br />

aus den dargelegten Gründen 2 kein taugliches Kreditsicherungsmittel.<br />

was faktisch einem Verbot gleichkommt. Trotzdem ist ein (wohl seit jeher bestehendes)<br />

<strong>und</strong> in den letzten Jahren noch aktueller gewordenes Interesse<br />

feststellbar, bewegliche Sachen für Kreditsicherungszwecke zu mobilisieren.<br />

Dass dies nur über die Zulassung besitzloser Sicherheiten erreicht werden<br />

kann, liegt auf der Hand: Der weitaus grösste Teil der zum Vermögen eines<br />

Geschäfts gehörenden beweglichen Sachen muss mittel- oder unmittelbar zur<br />

Verfolgung des Geschäftszwecks gebraucht <strong>und</strong> genutzt werden können, z.B.<br />

Warenlager. Vorräte, Maschinen, Fahrzeuge etc. Demzufolge hat sich der Gesetzgeber<br />

zu überlegen, wie die Zulassung besitzloser Kreditsicherheiten unter<br />

gleichzeitiger Berücksichtigung der durch die mangelnde Offenk<strong>und</strong>igkeit<br />

berührten Drittinteressen verwirklicht werden kann.<br />

Bevor man jedoch über Reformen des Kreditsicherungsrechts diskutieren<br />

kann, müssen nochmals die Überlegungen vor Augen geführt werden, die seinerzeit<br />

zur Entstehung des geltenden Systems geführt haben.<br />

Die gesamte um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende geführte Diskussion drehte sich um<br />

die Schaffung umfassender Publizität; insbesondere auch die Diskussionen<br />

um das Faustpfandprinzip <strong>und</strong> die Fahrnisverschreibung sind unter diesem<br />

Blickwinkel geführt worden 25 " 1 . Dabei ging es dem Gesetzgeber vor allem darum,<br />

diejenigen Sicherungsmöglichkeiten auszuschalten, die geeignet erschienen.<br />

Dritte aufgr<strong>und</strong> des Rechtsscheins des Besitzes über die wahren Vermögensverhältnisse<br />

eines potentiellen Schuldners zu täuschen. Besonders deutlich<br />

zum Ausdruck kommt dieser Gedanke des sog. Drittschutzes in Art. 717<br />

Abs. 1 ZGB. wo es wörtlich heisst. dass der Eigentumserwerb durch Besitzeskonstitut<br />

«Dritten gegenüber unwirksam» ist, wenn damit deren Benachteili-<br />

; " Vgl. dazu BGE 43 II 15 (24) <strong>und</strong> BGE 99 II 34. Trotzdem könnte man sich auch hier auf den<br />

Standpunkt stellen, diesen Vorschriften komme lediglich Drittschutzwirkung zu, so dass gegen<br />

die relative Wirksamkeit eines besitzlosen <strong>Fahrnispfand</strong>es - analog zu Art. 717 ZGB - keine<br />

Einwände bestünden. BGE 99 II 34 (37) wäre auch bei Annahme einer Wirksamkeit inier partes<br />

nicht anders zu entscheiden gewesen. Der in der Literatur (vgl. BK-ZOBL. op.cit. [Fn. 25],<br />

Art. 8K4. Rn. 4S9 ff. m.w.Nw.) betonte Schutz des Pfandgläubigers ist jedenfalls nicht höher einzustufen<br />

als der Schutz des Sicherungsnehmers bei der Sieherungsübereignung, so dass sich<br />

auch aus dieser Überlegung die Annahme der absoluten Unwirksamkeit eines besitzlosen<br />

<strong>Fahrnispfand</strong>es nicht rechtfertigt. Zu Fragen der Wirkung der Rückgabe der Pfandsache an den<br />

Pfandgeber vgl. HROMADKA, op.cit. (Fn. 25). 122 f. <strong>und</strong> 156 f. je m.w.Nw.<br />

" , " Da/u oben S. 108 f.<br />

" Wobei er nach der oben (S. 85 f.) vertretenen Auffassung bereits vor der Eintragung relativ<br />

wirksam ist. weil dies dem Willen der Parteien entspricht <strong>und</strong> dadurch - wie bei Art. 717 ZGB<br />

- keine Drittinteressen gefährdet werden.<br />

: '~ Vgl. oben S. 85.<br />

' Vgl. da/u die ausführliche Darstellung bei HROMADKA. op.cit. (Fn. 25), 151 ff.


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 129<br />

gung oder eine Umgehung des <strong>Fahrnispfand</strong>rechts beabsichtigt worden ist; damit<br />

wurde die <strong>Sicherungsübereignung</strong>, wie oben erörtert, als leistungsfähiges<br />

Sicherungsmittel praktisch ausgeschaltet. Beim <strong>Fahrnispfand</strong> hat der Gesetzgeber<br />

zur Durchsetzung des Drittschutzes die strikte Durchführung des Faustpfandprinzips<br />

vorgesehen <strong>und</strong> sich beim <strong>Eigentumsvorbehalt</strong> zur Einführung<br />

des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregisters entschieden.<br />

Die damaligen Überlegungen vermögen aus heutiger Sicht nicht mehr zu<br />

überzeugen. Hinter dem Faustpfandprinzip steht die Gr<strong>und</strong>idee der «Identität<br />

von Besitz <strong>und</strong> Eigentum», die durch das Gesetz in Art. 930 ZGB in Form einer<br />

Vermutung konkretisiert wird. Aus dem Vertrauen in diese Vermutung,<br />

nach der der Besitzer einer beweglichen Sache als ihr Eigentümer gilt, lässt<br />

sich der erwähnte Drittschutzgedanke überhaupt erst erklären. Fraglich ist<br />

somit, ob diese Vorstellung der Einheit von Besitz <strong>und</strong> Eigentum nach wie<br />

vor mit der Rechtswirklichkeit übereinstimmt, so dass (vor allem im Zusammenhang<br />

mit der Prüfung der Kreditwürdigkeit) von einem berechtigten Vertrauen<br />

in den Schutz dieser Vermutung ausgegangen werden kann. Meines Erachtens<br />

ist dies heute nicht mehr der Fall <strong>und</strong> es ist fraglich, ob die sich hinter<br />

dem Faustpfandprinzip verbergenden Überlegungen nicht bereits bei Erlass<br />

des ZGB überholt waren. Man denke nur, wie ausserordentlich verbreitet im<br />

Bereich der Beschaffung von Wirtschaftsgütern heute das Leasing <strong>und</strong> ähnliche<br />

Finanzierungsformen sind, die gerade darauf abzielen, dem Schuldner<br />

zwar den Besitz <strong>und</strong> damit den Gebrauch <strong>und</strong> die Nutzung der Sache, nicht jedoch<br />

das Eigentum daran zu verschaffen; zu erinnern ist auch an die Konstellation,<br />

die bei Kreditkäufen <strong>und</strong> Abzahlungsverträgen unter <strong>Eigentumsvorbehalt</strong><br />

durch die geltende Praxis zum Registereintrag entsteht: Da der Eintrag<br />

nach Vertragsschluss auf unbestimmte Zeit hinausgezögert werden kann, gibt<br />

dem Dritten niemand Gewähr, dass nicht bereits am Tag nach erfolgter Prüfung<br />

der Kreditwürdigkeit Einträge erfolgen <strong>und</strong> damit im Insolvenzfall Teile<br />

des Schuldnervermögens (nachträglich) dem Zugriff ungesicherter Gläubiger<br />

entzogen werden. Schliesslich würde durch das oben (S. 103 f.) wiederholte Postulat<br />

für die Anerkennung der Sonderstellung von Treuhandeigentum die<br />

Vermutung von Art. 930 ZGB in ganz massiver Weise in Frage gestellt.<br />

All diese Beispiele zeigen, dass das strikte Festhalten am Faustpfandprinzip<br />

heute nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil der Besitz seine Funktion als Publizitätsmittel<br />

weitgehend verloren hat. Vielmehr ist zu fordern, dass nach<br />

neuen Publizitätsformen gesucht wird, die der heutigen Realität besser entsprechen<br />

<strong>und</strong> im Bereich der Mobiliarsicherheiten gleichzeitig die Begründung<br />

besitzloser Sicherheiten ermöglichen sollen.<br />

Man wird nach dem Gesagten - nicht zuletzt auch aus wirtschaftspolitischen<br />

Überlegungen - früher oder später nicht darum herumkommen, besitzlose<br />

Sicherheiten in der einen oder anderen Form zuzulassen. Wenn dadurch<br />

nicht Verhältnisse riskiert werden sollen, wie sie etwa in Deutschland durch<br />

die Ausuferung <strong>und</strong> Überwucherung der verschiedenen Kreditsicherungsfor-


130 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

men entstanden sind 260 , dann müssen andere Wege eingeschlagen werden. Jedenfalls<br />

wird es unumgänglich sein, entweder das Faustpfandprinzip zu lokkern<br />

oder aber - als radikalere Methode - das bisherige System der Sicherungsrechte<br />

an beweglichen Sachen durch ein moderneres, umfassenderes<br />

Sicherungssystem abzulösen. Hierfür in Betracht kommt vor allem das in den<br />

USA 261 entwickelte System eines einheitlichen Sicherungsrechts verb<strong>und</strong>en<br />

mit einem Register, in welchem dieses Recht in all seinen Erscheinungsformen<br />

aufgenommen werden kann 262 .<br />

Für die Erweiterung des <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregisters in ein Register, das<br />

sämtliche dinglichen Sicherungsrechte an Sachen aufnehmen könnte, habe ich<br />

mich schon vor beinahe zwanzig Jahren ausgesprochen 263 . Mag der Vorschlag<br />

eines elektronischen Registers damals noch etwas «revolutionär» gewesen<br />

sein, so ist er heute ohne Probleme umsetzbar: Die seitherigen gewaltigen<br />

Entwicklungssprünge in der Computerbranche <strong>und</strong> bei der Softwareherstellung<br />

würden es heute ohne weiteres ermöglichen, ein zentral geführtes<br />

«Schweizerisches Register für Mobiliarsicherheiten» aufzubauen; durch die<br />

nach wie vor rasch wachsende Computer- Vernetzung wäre es meines Erachtens<br />

zudem ein leichtes, den gesamten Verkehr mit der Registerbehörde (Eintragungen,<br />

Einsichtnahmen etc.) online abzuwickeln, ggf. sogar über das Me-<br />

260 In Deutschland sind <strong>Sicherungsübereignung</strong>en durch Besitzeskonstitut sowie <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>e<br />

mit allen Verlängerungsformen praktisch uneingeschränkt zugelassen. Durch die Kombination<br />

dieser Sicherungsformen mit der Sicherungs- <strong>und</strong> Vorauszession ist eine Lückenlosigkeit<br />

des Kreditsicherungssystems entstanden, die für ungesicherte Gläubiger im Insolvenzfall<br />

praktisch kein verwertbares Substrat übriglässt. In diesem Zusammenhang wurde auch vom<br />

«Konkurs des Konkurses» gesprochen, womit das Phänomen gemeint war, dass immer häufiger<br />

die Konkurseröffnung mangels verwertbarer Aktiven abgelehnt werden musste. weil sämtliche<br />

verwertungsfähigen Sachen <strong>und</strong> Rechte von bevorzugten Kreditgebern in Anspruch genommen<br />

wurden. Hinzu kam. dass durch die Überlagerung verschiedener Sicherungsformen immer<br />

wieder Kollisionen provoziert wurden: besonders häufig geschah dies durch das Zusammentreffen<br />

eines durch Vorausabtretung verlängerten <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>s mit der Globalzession.<br />

Diese Zustände haben den Gesetzgeber nach langem Ringen schliesslich zu einer Reform des<br />

Insolvenzrechts bewogen, durch die die verschiedenen Kreditsicherungsformen einander wenigstens<br />

vollstreckungsrechtlich angeglichen wurden. Vgl. zum Ganzen eingehend STAUDIN-<br />

GFTR/WIEGAND. op.cit. (Fn. 37), Anhang zu §8 929-931. Rn. 10 ff.<br />

:hl Art. 9 des US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC).<br />

; " : Nach dem amerikanischen Modell richten sich unter anderem auch die neusten Vereinheitlichungsbestrebungen<br />

auf internationaler Ebene, namentlich diejenigen des Römer Instituts für<br />

die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT). Vgl. dazu INTERNATIONAL INSTITUTE FOR<br />

THE UNIFICATION OF PRIVATE LAW: First Set of Draft Articles of a Future UNIDROIT Convention<br />

on International Interests in Mobile Equipment (established by the Drafting Group of the<br />

Sub-committee on 19 December 1995 as revised by the same on 4 March 1996, UNIDROIT<br />

1996 Study LXXII - Doc. 24). Aktueller Stand: Preliminary Draft UNIDROIT Convention on<br />

International Interests in Mobile Equipment (as established by the Study Group at the conclusion<br />

of its fourth session. held in Rome from 3 to 7 November 1997).<br />

: "' WIEGAND, Fiduziarische .Sicherungsgeschäfte, op.cit. (Fn. 6). 557 ff; vgl. auch ALTORFER. op.cit.<br />

(Fn. 21). 211 ff. (229 f.). Für die Einführungeines Registers für Mobiliarsicherheiten jetzt auch<br />

DANIEL GIRSBFRGER. Ist das Faustpfandprinzip noch zeitgemäss? SJZ 93 (1997) 97 ff. <strong>und</strong> THEO­<br />

DOR Bim ER. Sicherungsmittel im Zahlungsverkehr. Zürich 1997, 200 ff.


WOLFGANG WIEGAND: Eigentumsvorbehall, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 131<br />

dium «Internet» 264 . Ein solches elektronisches Register hätte - wirksame<br />

Schutzvorrichtungen <strong>und</strong> Zutrittsschranken vorausgesetzt - gegenüber konventionellen<br />

Registern auch den Vorteil eines hohen Datenschutzes: Unter<br />

der Voraussetzung, dass die Einsichtnahme von der Zustimmung des kreditsuchenden<br />

Schuldners abhängig sein muss, bestünde darüber hinaus Gewähr,<br />

dass nur genau die erbetene Information freigegeben wird. Zudem bin ich<br />

überzeugt, dass der früher oft gehörte Einwand der hohen Kosten heute infolge<br />

des technischen Fortschritts weitgehend entkräftet ist <strong>und</strong> sich ein solches<br />

elektronisches Register kostengünstig führen Hesse, zumindest teilweise finanzierbar<br />

über die Erhebung von Eintragungs- <strong>und</strong> Einsichtsgebühren.<br />

Neben der Einführung eines solchen Registers sollten an der bisherigen gesetzlichen<br />

Regelung keine wesentlichen Änderungen vorgenommen, m.a.W.<br />

das Faustpfandprinzip nicht angetastet werden. Denn für kleinere, vor allem<br />

private Kreditgeschäfte muss das traditionelle Pfandrecht nach wie vor zur<br />

Verfügung stehen, <strong>und</strong> in diesen Bereichen macht es auch Sinn, aus den bisherigen<br />

Überlegungen (Drittschutz <strong>und</strong> Schutz des Pfandgläubigers) am Erfordernis<br />

festzuhalten, dem Pfandgläubiger den unmittelbaren Besitz an der<br />

Sache verschaffen zu müssen.<br />

Die bisherigen Ausführungen zu <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> haben gezeigt, dass im Bereich der Kreditsicherung<br />

durch bewegliche Sachen in der Schweiz grosse Defizite bestehen, die besser<br />

früher als später behoben werden sollten. Die Schweiz muss versuchen, die<br />

Modernisierung ihres Mobiliarsicherheitensystems an die Hand zu nehmen<br />

<strong>und</strong> deren Umsetzung entweder selbständig anzustreben oder - mit Blick auf<br />

Bestrebungen auf internationaler Ebene - ggf. in eine grössere internationale<br />

Entwicklung einzufügen.<br />

Erwähnt sei nur. dass der Verkehr zwischen Banken <strong>und</strong> ihren K<strong>und</strong>en zunehmend auf diesem<br />

Wege abgewickeil wird. Nachdem die K<strong>und</strong>en bereits seit geraumer Zeit den Service «Telebanking»<br />

in Anspruch nehmen konnten, ist nunmehr auch «Internetbanking» möglich: bei letzterem<br />

wird die Verbindung zwischen K<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bank über das World-Wide-Web (WWW) hergestellt.<br />

Dabei sorgen aufwendige Verschlüsselungs-Software <strong>und</strong> Zutrittsüberprüfungen für<br />

einen hohen Schutz bei der Datenübermittlung <strong>und</strong> vor dem Eindringen Unbefugter.


132 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>. <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Anhang<br />

Die Rechtsverhältnisse beim <strong>Fahrnispfand</strong><br />

I. Die möglichen Konstellationen beim Eigenpfand<br />

Ein Eigenpfand liegt vor, wenn der Schuldner der zu sichernden Forderung<br />

gleichzeitig Eigentümer des Pfandgegenstandes ist.<br />

Fall 1: Normalfall<br />

• • Pfandgläubiger<br />

CD ©<br />

Verpfänder<br />

= Persönlicher Schuldner<br />

= Pfandeigentümer<br />

Rechtsverhältnisse:<br />

© Pfandgläubiger/Persönlicher Schuldner:<br />

Kreditverhältnis, aus dem die zu sichernde<br />

Forderung erwächst, von deren Bestand die<br />

spätere Existenz des Pfandrechts abhängt<br />

(Akzessorietät).<br />

© Pfandgläubiger/Verpfänder:<br />

Pfandbestellungsvertrag, wodurch sich der<br />

Verpfänder verpflichtet, für eine eigene<br />

Schuld ein Pfandrecht zu bestellen (Verpflichtungsgeschäft).<br />

Der Pfandbestellungsvertrag<br />

bildet zugleich die causa für die<br />

anschliessende Besitzübertragung (Verfügungsgeschäft;<br />

in den nachfolgenden Bsp.<br />

nicht mehr erwähnt).<br />

Fall 2: Mit einer Drittperson als Verpfänder (indirekte Stellvertretung)<br />

Pfandgläubiger<br />

Persönlicher Schuldner<br />

= Pfandeigentümer<br />

Verpfänder<br />

Rechtsverhältnisse:<br />

© Pfandgläubiger/Persönlicher Schuldner:<br />

Kreditverhältnis (vgl. oben Fall 1).<br />

© Pfandgläubiger/Verpfänder:<br />

Pfandbestellungsvertrag, durch den sich der<br />

Verpfänder verpflichtet, eine fremde Sache<br />

für eine fremde Schuld in eigenem Namen zu<br />

verpfänden. (Handelt er im Namen des persönlichen<br />

Schuldners, liegt Stellvertretung<br />

gem. Art. 32 OR vor.)<br />

® Pfandeigentümer/Verpfänder<br />

Z.B. ein einfacher Auftrag (Art. 394 ff. OR).


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 133<br />

II. Die möglichen Konstellationen beim Drittpfand 265<br />

Ein Drittpfand liegt vor, wenn das Eigentum am Pfandgegenstand nicht dem<br />

Schuldner der zu sichernden Forderung, sondern einem Dritten zusteht.<br />

Fall 3: Der Pfandeigentümer als Verpfänder (Normalfall)<br />

Pfandgläubiger<br />

Persönlicher Schuldner Pfandeigentümer<br />

= Verpfänder<br />

Fall 4: Der Persönliche Schuldner als Verpfänder<br />

Pfandgläubiger<br />

Persönlicher Schuldner<br />

= Verpfänder<br />

Rechtsverhältnisse:<br />

© Pfandgläubiger/Persönlicher<br />

Schuldner:<br />

Kreditverhältnis (vgl. oben Fall 1).<br />

© Pfandgläubiger/Verplander:<br />

Pfandbestellungsvertrag. durch<br />

den sich der Verpfänder verpflichtet,<br />

eine eigene Sache für eine<br />

fremde Schuld zu verpfänden.<br />

Persönlicher Schuldner/Pfandeigentümer:<br />

Z.B. ein einfacher Auftrag.<br />

Rechtsverhältnisse:<br />

® Pfandgläubiger/Persönlicher<br />

Schuldner:<br />

Kreditverhältnis (vgl. oben Fall 1).<br />

© Pfandgläubiger/Verplander:<br />

Pfandbestellungsvertrag. durch<br />

den sich der Verpfänder verpflichtet,<br />

eine fremde Sache für eine eigene<br />

Schuld zu verpfänden.<br />

Pfandeigentümer © Pfandeigentümer/Persönlicher<br />

Schuldner:<br />

Z.B. ein einfacher Auftrag oder allenfalls<br />

Gebrauchsleihe, wenn ein<br />

Fall der Weiterverpfändung vorliegt<br />

(Art. 887 ZGB: dazu vorne<br />

im Text S. 123 ff).<br />

Vgl. zu den nachfolgenden Darstellungen auch BK-ZOBI . op.cit. (Fn. 2?), Art. 884. Rn. 922 ff.


134 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

Die Konstellation gemäss Fall 4 ist immer dann gegeben, wenn der persönliche<br />

Schuldner (z.B. aufgr<strong>und</strong> eines Miet- oder Hinterlegungsvertrages) bereits<br />

im Besitz der zu verpfändenden Sache ist <strong>und</strong> vom Pfandeigentümer zur<br />

Verpfändung in eigenem Namen ermächtigt wird (andernfalls liegt Stellvertretung<br />

vor). Fehlt ihm mangels Zustimmung die erforderliche Verfügungsmacht,<br />

entsteht das Pfandrecht trotzdem, wenn der Pfandgläubiger gutgläubig<br />

war <strong>und</strong> der Pfandeigentümer die Sache dem Verpfänder anvertraut hatte<br />

(Art. 884 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB).<br />

Fall 5: Drittpfandrecht mit einer Drittperson als Verpfänder<br />

Persönlicher<br />

Schuldner<br />

Rechtsverhältnisse:<br />

Pfandgläubiger<br />

Verpfänder<br />

© Pfandgläubiger/Persönlicher Schuldner<br />

Kreditverhältnis (vgl. oben Fall 1).<br />

Pfandeigentümer<br />

© Pfandgläubiger/Verpfänder<br />

Pfandbestellungsvertrag, durch den sich der Verpfänder verpflichtet, eine<br />

fremde Sache für eine fremde Schuld in eigenem Namen zu verpfänden.<br />

(Handelt er im Namen des Pfandeigentümers, liegt Fall 3 vor; handelt er im<br />

Namen des persönlichen Schuldners, liegt Fall 4 vor.)<br />

® Persönlicher Schuldner/Verpfänder<br />

In der Regel wird hier ein einfacher Auftrag vorliegen. Denkbar ist aber<br />

auch, dass zwischen diesen Personen keine vertraglichen Beziehungen be-


WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong> 135<br />

stehen, so wenn der persönliche Schuldner mit seiner Bitte, für ihn ein<br />

Pfand zu bestellen, direkt an den Pfandeigentümer gelangt <strong>und</strong> dieser dann<br />

den Verpfänder beauftragt, z.B. eine verliehene Sache in eigenem Namen<br />

zu verpfänden.<br />

© Pfandeigentümer/Verpfänder<br />

Z.B. ein einfacher Auftrag; denkbar ist aber auch, dass der Verpfänder<br />

ohne Ermächtigung durch den Pfandeigentümer handelt, was ggf. Schadensersatzansprüche<br />

begründen kann.<br />

© Pfandeigentümer/Persönlicher Schuldner<br />

Denkbar ist auch hier ein Auftragsverhältnis. Bestehen im Zeitpunkt der<br />

Pfandbestellung keine Rechtsbeziehungen, werden solche erst durch die<br />

Verwertung oder durch die Einlösung der verpfändeten Sache (Art. 110<br />

Ziff. 1 OR) begründet.<br />

© Pfandgläubiger/Drittpfandeigentümer<br />

Hier bestehen im Zeitpunkt der Pfandbestellung keine Vertragsbeziehungen.<br />

Immerhin ist zu beachten, dass der Pfandgläubiger die Kündigung der<br />

gesicherten Forderung auch gegenüber dem Pfandeigentümer auszusprechen<br />

hat (Art. 831 ZGB analog).

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