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Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand

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92 WOLFGANG WIEGAND: <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>, <strong>Sicherungsübereignung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fahrnispfand</strong><br />

guten Glauben berufen kann, wenn er trotz ungewöhnlich tiefem Preis darauf<br />

verzichtet hat, sich vor dem Kauf durch Einsicht ins <strong>Eigentumsvorbehalt</strong>sregister<br />

davon zu überzeugen, dass der Verfügungsbefugnis des Verkäufers kein<br />

<strong>Eigentumsvorbehalt</strong> entgegensteht 83 - S4 . Dann entschied das B<strong>und</strong>esgericht,<br />

dass einem Kaufmann, dem ein aus dem Ausland stammendes - <strong>und</strong> wie sich<br />

nachträglich herausstellte gestohlenes - Fahrzeug der Luxusklasse zum Kauf<br />

angeboten wird, eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich der mitgelieferten<br />

Wagenpapiere obliegt, <strong>und</strong> zwar mit der Begründung, es sei zum Allgemeinwissen<br />

zu rechnen, «dass gut organisierte internationale Banden sich gewerbsmässig<br />

mit dem Diebstahl <strong>und</strong> der Hehlerei von Luxusautos <strong>und</strong> deren<br />

Absatz im europäischen Raum» befassen <strong>und</strong> dass «die begehrten Fahrzeuge<br />

der Luxusklasse sogar auf Bestellung gestohlen» würden 85 .<br />

In einem neusten Entscheid 86 hat das B<strong>und</strong>esgericht schliesslich seine bereits<br />

in BGE 113 II397 (399 f.) geäusserte Ansicht bestätigt, dass in Geschäftsbereichen,<br />

in denen oft Waren zweifelhafter Herkunft angeboten werden, generell<br />

hohe Anforderungen an die zu verlangende Aufmerksamkeit zu stellen<br />

sind <strong>und</strong> dass dies beim Handel mit Gebrauchtwaren aller Art der Fall sei. Das<br />

Gericht kommt in einem Fall einer gestohlenen Waffensammlung zum<br />

Schluss. dass dies auch für den Antiquitätenhandel zutreffe. 87<br />

Die beschriebene Entwicklung im Bereich des gutgläubigen Erwerbs ist<br />

keine schweizerische Besonderheit, sondern typisch für dieses Rechtsinstitut.<br />

Eingeführt als Teil des sogenannten «Verkehrsrechts» des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts 88 ,<br />

um die Zirkulation von Waren zu erleichtern, hat die Rechtsprechung lange<br />

Zeit den Verkehrsschutz höher bewertet als die Individualinteressen des<br />

83 BGE 107 II 42 ff. Keine besondere Erk<strong>und</strong>ungspflicht besteht jedoch nach B<strong>und</strong>esgericht,<br />

wenn der Kaufpreis im Rahmen des unter Occasionshändlern gebräuchlichen Eurotax-Tarifes<br />

liegt (BGE 121 III 349). Die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz (BGE 121 III348). es entspreche<br />

einer branchenüblichen Usanz, dass Autos von Occasionshändlern ohne die Übergabe<br />

des Originalfahrzeugausweises gehandelt würden, konnte vom B<strong>und</strong>esgericht nicht überprüft<br />

werden. Der daraus gezogene Schluss. der Händler habe keinen Verdacht schöpfen müssen, als<br />

ihm kein Fahrzeugausweis im Original vorgelegt wurde, überzeugt jedoch nicht. Sollte eine solche<br />

Usanz tatsächlich existieren, ist damit nämlich nicht automatisch gesagt, dass diese auch<br />

den Anforderungen genügt, die an den gutgläubigen Erwerb gestellt werden. Warum es genügen<br />

soll, den Fahrzeugausweis nur in Kopie oder ggf. gar nicht zu übergeben, leuchtet nicht ein.<br />

zumal doch das Original stets im Auto mitzuführen ist. Zudem wäre es für den Käufer ein leichtes,<br />

via den im Fahrzeugausweis aufgeführten Halter die Verfügungsberechtigung des Verkäufers<br />

zu überprüfen, wenn dieser nicht mit dem Halter identisch ist.<br />

w Vgl. auch BGE 79 II59 (62). wo das B<strong>und</strong>esgericht noch zugunsten des Händlers annahm, dass<br />

«im Auto-Occasionshandel die Käufe rasch <strong>und</strong> gelegentlich zu für den Händler sehr günstigen<br />

Konditionen abgeschlossen werden».<br />

1,5 BGE 113 II 401.<br />

» BGE 122 III 1: vgl. auch BGE 123 II 134 (E. 6a <strong>und</strong> b).<br />

Unerheblich ist nach B<strong>und</strong>esgericht auch, ob der Erwerb durch einen Händler oder durch eine<br />

nicht gewerbsmässig handelnde Person erfolgt. Entscheidend ist allein, dass der Erwerber über<br />

einschlägige Branchenkenntnisse verfügte.<br />

•" Zur Funktion des gutgläubigen Erwerbs als Teil des Verkehrsrechts vgl. WIEGAND. Sachenrecht<br />

im Obligationenrecht, in: Pio CARONI (Hrsg.). Das Obligationenrecht 1883-1983 Bern/Stuttgart<br />

1984. 107 ff. (121 ff.).

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