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Werth, BVerfG zur Rückwirkung im Steuerrecht DStZ 2010 Nr. 19 713<br />

anteilen 3) und zur Kürzung der Entlastung von Entschädigungen<br />

für entgangene oder entgehende Einnahmen<br />

4) haben insoweit eine Klärung gebracht.<br />

1. Verlängerung der Spekulationsfrist 5)<br />

a) Zur Überprüfung gestellte Regelung<br />

Nach der bis zum 31. 12. 1998 geltenden Rechtslage unterlagen<br />

die Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften<br />

nur der Einkommensteuer, wenn<br />

der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung<br />

weniger als zwei Jahre betrug (sog. Spekulationsgeschäfte).<br />

Durch das am 31. 3. 1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz<br />

1999/2000/2002 wurde die Spekulationsfrist<br />

auf zehn Jahre verlängert (§ 23 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1 EStG). Die neue Frist galt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum<br />

1999 (§ 52 Abs. 39 Satz 1 EStG), bezog<br />

aber auch – rückwirkend – Grundstücke ein, die zum<br />

Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits erworben waren,<br />

sofern der Vertrag über die Veräußerung erst im<br />

Jahr 1999 (oder später) geschlossen wurde.<br />

b) Entscheidung des BVerfG<br />

Das BVerfG folgt im Ergebnis der Vorlage des BFH. Danach<br />

ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i. V.m. § 52 Abs. 39<br />

Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes<br />

1999/2000/2002 wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen<br />

Grundsätze des Vertrauensschutzes<br />

insoweit verfassungswidrig, als ein im Zeitpunkt der<br />

Verkündung des Gesetzes bereits eingetretener Wertzuwachs<br />

der Besteuerung unterworfen wird, der nach<br />

der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerfrei realisiert<br />

worden ist oder zumindest bis zur Verkündung<br />

steuerfrei hätte realisiert werden können, weil die Spekulationsfrist<br />

bereits abgelaufen war. Denn insoweit sei<br />

bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden,<br />

die durch die rückwirkende Verlängerung der<br />

Spekulationsfrist nachträglich entwertet werde. Dagegen<br />

begegnet die Verlängerung der Veräußerungsfrist<br />

auf zehn Jahre keinen verfassungsrechtlichen Bedenken,<br />

soweit die früher geltende zweijährige Spekulationsfrist<br />

im Zeitpunkt der Verkündung noch nicht abgelaufen<br />

war. Das gleiche gilt, soweit die alte Frist bereits<br />

abgelaufen war, sich der Zugriff aber auf die erst nach<br />

der Verkündung der Neuregelung eintretenden Wertsteigerung<br />

beschränkt. Auch die Dauer der Frist von<br />

zehn Jahren ist verfassungsgemäß. Es verstößt ferner<br />

nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass Gewinne<br />

aus Grundstücksveräußerungen nicht dem für<br />

außerordentliche Einkünfte geltenden ermäßigten Tarif<br />

nach § 34 EStG unterliegen.<br />

c) Begründung<br />

aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit<br />

Der Auffassung eines der Kläger des Ausgangsverfahrens,<br />

dass das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002<br />

nicht formell verfassungsgemäß zustande gekommen<br />

sei, da der umfangreiche und schwer überschaubare<br />

Gesetzentwurf im Plenum und den Ausschüssen des<br />

Bundestages sowie im Bundesrat mit großer Eile behandelt<br />

worden sei, erteilt das BVerfG eine klare Absage.<br />

Es handele sich diesbezüglich um eine Beanstandung<br />

politischer Art, über die das Bundesverfassungsgericht<br />

nicht im Verfahren der konkreten Normenkontrolle zu<br />

entscheiden habe, da Konsequenzen hieraus nur die<br />

beteiligten Gesetzgebungsorgane ziehen könnten. Soweit<br />

Oppositionsfraktionen mit ihrer Kritik weder im Finanzausschuss<br />

noch bei der anschließenden Beratung<br />

im Deutschen Bundestag durchdringen könnten, sei<br />

das als Ausdruck des Mehrheitsprinzips bei der Bildung<br />

eines einheitlichen politischen Willens hinzunehmen.<br />

Eine Verletzung wesentlicher verfassungsrechtlich vorgeschriebener<br />

Förmlichkeiten sei nicht festzustellen.<br />

bb) Entscheidungsmaßstab<br />

Der zweite Senat hält bei seiner Maßstabsbildung<br />

nicht nur an der klassischen Unterscheidung von<br />

Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung)<br />

und tatbestandlicher Rückanknüpfung (unechte<br />

Wirkung) fest, sondern entgegen aller Kritik auch an<br />

der Veranlagungszeitraum bezogenen Betrachtungsweise<br />

bei Steuergesetzen. Danach liegt eine unechte<br />

Rückwirkung vor, wenn die Änderung von Normen<br />

mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum<br />

erfolgt, was bei der vorliegend zur Überprüfung gestellten<br />

Regelung des am 31. 3. 1999 verkündeten § 23<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetz<br />

1999/2000/2002 der Fall ist, da diese<br />

nur Veräußerungsgeschäfte erfasst, die ab dem Veranlagungszeitraum<br />

1999 getätigt wurden.<br />

Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird durch<br />

die Entscheidung des BVerfG jedoch dadurch weiter<br />

eingeschränkt, als die Anforderungen an die verfassungsrechtliche<br />

Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung<br />

gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des<br />

BVerfG deutlich erhöht werden. Zwar betont das<br />

BVerfG, dass die „unechte“ Rückwirkung – im Gegensatz<br />

zur „echten“ Rückwirkung – nicht grundsätzlich<br />

unzulässig sei. Das BVerfG erklärt sie aber auch nicht<br />

mehr im Sinne eines Regel Ausnahme-Verhältnisses für<br />

grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, soweit<br />

nicht das schützwürdige Vertrauen des Betroffenen in<br />

den Fortbestand der Rechtslage der vom Gesetzgeber<br />

vorzunehmenden Abwägung den öffentliche Belangen<br />

vorgeht, die dieser für die Veränderung der Rechtslage<br />

geltend macht6) . Vielmehr ist erforderlich, dass die Enttäuschung<br />

des Vertrauens des Normadressaten in die<br />

alte Rechtslage auf Grund besonderer, gerade die Rückanknüpfung<br />

rechtfertigender öffentlicher Interessen<br />

unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertig<br />

ist. Wäre dies nicht der Fall, so fehlte den Normen des<br />

Einkommensteuerrechts als Rahmenbedingung wirtschaftlichen<br />

Handelns ein Mindestmaß an grundrechtlich<br />

und rechtsstaatlich gebotener Verlässlichkeit. Allgemeine<br />

öffentliche Belange für die Gesetzesänderung<br />

sind danach für eine Rechtfertigung der unechten<br />

Rückwirkung nicht mehr ausreichend.<br />

cc) Vertrauenstatbestand<br />

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Das Bundesverfassungsgericht sieht nicht den Erwerb<br />

des Grundstücks und das Vertrauen auf die gesetzli-<br />

3) BVerfG v. 7. 7. 2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/<br />

05.<br />

4) BVerfG v. 7. 7. 2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06.<br />

5) BVerfG v. 7. 7. 2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05.<br />

6) BVerfGE 97, 271 (289); 101, 239 (263), 103, 392 (403); 109, 96<br />

(122); Jarass in Jarass/Pieroth, 10. Aufl. 2009, Art. 20 GG<br />

Rz. 73; Sachs in Sachs, 5. Aufl. 2009, Art. 20 GG Rz. 136.

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