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Die Zukunft der Erziehung - Interessengemeinschaft Kleine Heime ...

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werden, bis sie lesen konnten. Es gab<br />

Anlaß, sich zu schämen. Nun ist das Zeitalter<br />

<strong>der</strong> Scham vorbei, das Zeitalter <strong>der</strong><br />

Unverschämtheit hat begonnen; es ist das<br />

Zeitalter <strong>der</strong> verschwundenen Kindheit.<br />

Das so entstandene Erwachsenen- Kind<br />

bzw. sein Pendant <strong>der</strong> Kind-Erwachsene:<br />

Wo und wie erfahren sie, daß sie wertvoll<br />

sind? Ihr Wert – so scheint es – liegt darin,<br />

daß sie in diesem gigantischen Amüsierbetrieb<br />

perfekt funktionieren. Und das<br />

heißt im Klartext: Sie sind als unverwechselbare,<br />

auf ihren Wert bedachte Individuen<br />

absolut wertlos, ja geradezu störend<br />

und gefährlich.<br />

Wenn die Gesellschaft zu einem Vergnügungspark<br />

gigantischen Ausmaßes geworden<br />

ist, dann hat die nicht mehr vorhandene<br />

Kindheit auch keinen Bedarf<br />

mehr an familiären Bindungen. Dann müßten<br />

die Kind-Erwachsenen die Erwachsenen-Kin<strong>der</strong><br />

(o<strong>der</strong> umgekehrt?) nur noch<br />

versorgen mit Bett, Bad, Schrank und<br />

Tisch, und mit <strong>der</strong> Bezahlbarkeit solcher<br />

neutralen Betreuung hätte man nicht solche<br />

Probleme; denn solcherlei Versorgung<br />

wäre zu rationalisieren und billig zu haben,<br />

– und nur in einer volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtrechnung würde deutlich, daß sie<br />

uns teuer zu stehen kommt.<br />

Helmut Klages12 aus Speyer und sein<br />

Forschungsteam beschäftigt nicht so sehr<br />

die Frage: Wo ist <strong>der</strong> Ort, wo sind die Bedingungen,<br />

unter denen ein Kind erfahren<br />

kann: „Ich bin wertvoll“. Und doch gibt es<br />

im Zusammenhang seiner Überlegungen<br />

zum Wertewandel Antworten auf diese<br />

Frage, die vielleicht zum Schluß einige<br />

Hoffnung und vielleicht sogar Handlungsstrategien<br />

beisteuern können.<br />

32<br />

Klages unterscheidet zwischen alten und<br />

neuen Werten. Alte Werte sind Akzeptanzwerte<br />

wie Pflichtbewußtsein, Unterordnung,<br />

Treue, Gehorsam, Fleiß, Pünktlichkeit<br />

und Zuverlässigkeit. Neue Werte sind<br />

Selbstentfaltungswerte wie Spontaneität,<br />

Kreativität, Emanzipation, Abenteuer und<br />

Erlebnis, Ungebundenheit, Spannung,<br />

kurzum: Selbstverwirklichung13 .<br />

Klages konstatiert: Es hat in <strong>der</strong> BRD<br />

wie in den USA einen Wertewandelschub<br />

gegeben: In <strong>der</strong> gesellschaftlichen Wertschätzung<br />

sind die alten Pflichtwerte zwar<br />

nicht verschwunden, aber ihnen an die<br />

Seite gerückt sind die neuen Selbstentfaltungswerte.<br />

Sie erfreuen sich ebenso großer<br />

gesellschaftlicher Beliebtheit wie die<br />

alten Akzeptanzwerte. <strong>Die</strong>ser Wertewandel<br />

ist ein zeitgeschichtliches Ereignis, an<br />

dem überhaupt nicht zu rütteln und zu deuten<br />

ist. Es hat stattgefunden, und die Zeit<br />

ist nicht mehr zurückzudrehen, sie kann<br />

nur noch die Zeit nach diesem Wertewandel<br />

sein. Der Wertewandel ist ein zeitgeschichtliches,<br />

und er ist ein gesamtgesellschaftliches<br />

Ereignis; keine Schicht <strong>der</strong><br />

Gesellschaft ist vor ihm verschont o<strong>der</strong> von<br />

ihm ausgenommen.<br />

Unter diesen Bedingungen unterscheidet<br />

Klages vier mögliche Verhaltens- bzw.<br />

Wertetypen 14 : Den Konventionalisten, <strong>der</strong><br />

nur die alten Werte favorisiert, den Idealisten,<br />

<strong>der</strong> nur die neuen Werte favorisiert,<br />

den Perspektivlosen, <strong>der</strong> null Bock auf null<br />

Werte hat, und den aktiven Realisten, <strong>der</strong><br />

die gesellschaftlich wünschenswerte Wertesynthese<br />

leistet, <strong>der</strong> also an <strong>der</strong> Stelle<br />

höchster Wertschätzung Pflicht- und<br />

Selbstentfaltungswerte mit gleicher Punktzahl<br />

rangieren läßt.

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