magazine - Das Virtuelle Fahrzeug
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REGELSYSTEME<br />
GEKOPPELTE<br />
SIMULATION<br />
ELEKTRISCHE<br />
ANTRIEBSSYSTEME<br />
Schwerpunkt-Thema:<br />
Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong><br />
Aktuelle Herausforderungen<br />
in Forschung und Entwicklung<br />
<strong>magazine</strong><br />
Nr. 11, I-2012<br />
ENERGIESPEICHER<br />
EMBEDDED<br />
SYSTEMS<br />
Bordnetz ■ Gesamtfahrzeug ■ Batterieintegration<br />
Aktive Sicherheitssysteme ■ Funktionale Sicherheit<br />
Elektrifizierter Antriebsstrang ■ Hybridsteuerung ■ Prototyping
Inhalt Nr.11, I. Quartal 2012<br />
4 7<br />
E/E im <strong>Fahrzeug</strong>: Mehr als Bits<br />
Neue Funktionalitäten, Eigenschaften und Features<br />
bestimmen den Innovationsgrad heutiger<br />
<strong>Fahrzeug</strong>e. Die steigende Anzahl und Vernetzung<br />
dieser Funktionen ist nur eine der vielen<br />
Herausforderungen in der <strong>Fahrzeug</strong>industrie.<br />
14 16<br />
E-Mobilität? Aber sicher!<br />
ISO 26262 ist der neue Standard für funktional<br />
sichere Elektrik und Elektronik. Systematisches<br />
Vorgehen bei der Entwicklung eines funktionalen<br />
Sicherheitskonzeptes ist Grundvoraussetzung<br />
für den Erfolg der E-Mobilität.<br />
HYBCONS steuert Hybrid<br />
<strong>Das</strong> Forschungsprojekt HYBCONS in Kooperation<br />
mit AVL befasst sich mit dem Design und<br />
der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware<br />
für Hybridfahrzeuge.<br />
2 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Komplexe Bordnetze beherrschen<br />
Mit der unabhängigen Co-Simulationsplattform<br />
ICOS und einer umfangreichen Modellbibliothek<br />
des VIRTUAL VEHICLE bleibt die verstärkte<br />
Elektrifizierung von Komponenten und das<br />
Bordnetz im <strong>Fahrzeug</strong> beherrschbar.<br />
Batterie: Kosten und Lebensdauer<br />
Elektromobilität wird sich nur im intelligenten<br />
Verbund von etablierten Technologien und<br />
elektrischem Antriebsstrang durchsetzen. <strong>Das</strong><br />
Verständnis der Alterungszusammenhänge von<br />
Energiespeichern ist ein wichtiger Baustein.<br />
Echtzeitsystem-Konfiguration<br />
Die Konfiguration von sicherheitsrelevanten<br />
verteilten Echtzeitsystemen stellt die <strong>Fahrzeug</strong>industrie<br />
vor neue Herausforderungen.<br />
Vor allem das Erstellen von robusten Konfigurationen<br />
ist manuell kaum noch beherrschbar.<br />
Neue Ansätze sind gefragt...<br />
10<br />
Gesucht: Mehrgrößenregelung<br />
Regelalgorithmen in Steuergeräten prägen<br />
entscheidend Ansprechverhalten, Vebrauch<br />
und Emissionen von modernen Verbrennungsmotoren.<br />
Ein Projekt zeigt innovative und leistungsfähige<br />
Mehrgrößenregelungen auf.<br />
22<br />
24 28 30<br />
SAFECONV: Vernetzte Sicherheit<br />
Die Vernetzung von aktiven und passiven Sicherheitssystemen<br />
- eine große Herausforderung<br />
sowohl in der Simulation und virtuellen<br />
Erprobung als auch in der <strong>Fahrzeug</strong>integration.<br />
<strong>Das</strong> Projekt SAFECONV liefert Lösungen.<br />
Testfallgenerierung<br />
Die Generierung von Testfällen aus Verhaltensmodellen<br />
ermöglicht die Funktionsabsicherung<br />
von vernetzten Steuergeräten. Neue Methoden<br />
und Werkzeuge sind hoch skalierbar und einfach<br />
in bestehende Toolketten zu integrieren.<br />
Illustration Titelseite: Dreamstime.com / ViF / Neuhold / Wachmann
E/E im <strong>Fahrzeug</strong>: Ars Electronica<br />
Die Beherrschung von Elektronik, Software und Embedded Systems<br />
in <strong>Fahrzeug</strong>en hat sich zu einer hoch komplexen Kunstform entwickelt.<br />
Zahlreiche Forschungsprojekte des VIRTUAL VEHICLE stellen sich<br />
der Herausforderung, um gemeinsam mit renommierten Industrie-<br />
und Forschungspartnern Lösungen auf die Vielzahl an brennenden<br />
Fragestellungen zu liefern.<br />
Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer<br />
Univ.-Doz. Dr. Daniel Watzenig, Bereichsleiter Area E - Vehicle E/E & Software<br />
Einparkassistent, Keyless Entry, Autonomes<br />
Fahren, Drive by Wire, Adaptive Light Control,<br />
Cornering Brake Control – die Liste der Innovationen<br />
im Automobilsektor ist lang. Obwohl<br />
die hohe Vernetzung und die enorme Anzahl an<br />
Steuergeräten, Sensoren und Aktuatoren kaum<br />
noch zu beherrschen ist, wird die Innovationsspirale<br />
immer weiter gedreht.<br />
Diese Ausgabe des VVM bündelt grundlagenorientierte<br />
und anwendungsnahe Beiträge führender<br />
Experten unserer Industriepartner, der<br />
TU Graz sowie des VIRTUAL VEHICLE zu den<br />
hochaktuellen Gebieten der <strong>Fahrzeug</strong>elektronik,<br />
Elektrifizierung und der eingebetteten Systeme<br />
(„embedded systems“).<br />
Funktionale Integrationsrolle<br />
Elektronische Systeme und eingebettete Software<br />
übernehmen zunehmend die funktionale<br />
Integrationsrolle in der <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung.<br />
In Zukunft werden Innovationen nur über hochvernetzte<br />
und komplexe Systeme zu realisieren<br />
sein. In modernen <strong>Fahrzeug</strong>en kommen Innovationen<br />
bereits heute zu über 80% aus der<br />
Elektronik. Und schon für 2015 werden bis zu<br />
40% der gesamten Kosten eines <strong>Fahrzeug</strong>s<br />
durch das E/E System prognostiziert.<br />
In diesem VVM spannen wir den weiten Bogen<br />
über aktuelle Forschungsaktivitäten, industrienahe<br />
Methodenentwicklung und begleitender<br />
Prozessadaption.<br />
Impressum:<br />
Medieninhaber, Herausgeber, Verleger:<br />
Kompetenzzentrum <strong>Das</strong> <strong>Virtuelle</strong> <strong>Fahrzeug</strong><br />
Forschungsgesellschaft mbH (ViF)<br />
A-8010 Graz, Inffeldgasse 21/A<br />
Tel.: +43 (0)316-873-9001 Fax: ext 9002<br />
E-Mail: office@v2c2.at Web: www.v2c2.at<br />
Redaktion und Gestaltung:<br />
Wolfgang Wachmann, Lisa Pichler<br />
Fotos: ViF, Industriepartner, TU Graz<br />
FB: LG f. ZRS Graz, FN: 224755 Y<br />
UID: ATU54713500<br />
Bei der funktionalen System- und Sicherheitsanalyse<br />
eingebetteter Systeme dreht sich alles<br />
um den neuen ISO-Standard 26262 zur Sicherstellung<br />
der funktional sicheren Elektrik und<br />
Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong>. Zugleich stellen wir<br />
Ansätze vor, um durch modellbasierte Ansätze<br />
in Design und Test von eingebetteten Systemen<br />
die Entwicklungszeit von vernetzten Systemen<br />
deutlich zu verringern.<br />
Vernetzung und Interaktion<br />
Welche Hürden genommen werden müssen,<br />
um ein reibungsloses Zusammenwirken aller<br />
elektronischen Komponenten im <strong>Fahrzeug</strong> sicherzustellen,<br />
davon vermitteln die, in diesem<br />
Heft näher vorgestellten Forschungsprojekte<br />
zur Domänen-übergreifende Simulation (Co-Simulation),<br />
Echtzeitmodellierung und komplexe<br />
Mehrgrößenregelungen oder der Elektrifizierung<br />
im Antriebsstrang bis hin zur intelligenten<br />
Steuerung von Hybridfahrzeugen einen guten<br />
Eindruck.<br />
Starkes Partnernetzwerk<br />
Doch nicht nur das Netzwerk der <strong>Fahrzeug</strong>komponenten<br />
ist entscheidend - ausgewählte<br />
Fallbeispiele und Beiträge zeigen die intensiven<br />
und erfolgreichen Aktivitäten mit nationalen<br />
und internationalen Industriepartnern sowie die<br />
enge Vernetzung zu verschiedensten universitären<br />
Forschungseinrichtungen: Ein Portrait<br />
des Instituts für Technische Informatik (ITI) der<br />
TU Graz und seiner Forschungsschwerpunkte<br />
zu eingebetteten, verteilten und vernetzten<br />
Echtzeit-Systemen (Cyber-Physical Systems,<br />
ab Seite 18) steht stellvertretend für die enge<br />
Anbindung an führende Forschungsinstitute.<br />
<strong>Das</strong> K2-Forschungsprojekt „Modelling, Simulation<br />
and Integration of Active Safety Systems<br />
for a Safety Concept Vehicle (SAFECONV)“<br />
widerum ist ein weiterer Baustein im Rahmen<br />
der Kooperation der BMW Group und des VIR-<br />
TUAL VEHICLE zur durchgängigen Entwicklung,<br />
Optimierung und Absicherung vernetzter<br />
Sicherheitsfunktionen im Gesamtfahrzeug.<br />
Schließlich zeigen renommierte Experten unserer<br />
Industriepartner Audi und AVL im Inzerview<br />
unter anderem Trends im Bereich E/E und<br />
Funktionalität sowie Mess- und Testsystemen<br />
auf.<br />
Unser Dank für die spannenden Fachbeiträge<br />
dieser Ausgabe gilt einer großen Zahl an Autoren<br />
- allen voran jener unserer Partner Audi,<br />
AVL, BMW und der TU Graz. Wir freuen uns<br />
auf den zukünftigen Einsatz der neuartigen<br />
Methoden, Prozesse und Werkzeuge in der<br />
<strong>Fahrzeug</strong>elektronik und wünschen Ihnen, liebe<br />
Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre!<br />
Dr. Jost Bernasch Dr. Daniel Watzenig<br />
<strong>Das</strong> Kompetenzzentrum VIRTUAL VEHICLE wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies<br />
durch das Österreichische Bundesministerium für Verkehr und Technologie (BMVIT), das Österreichische Bundesministerium<br />
für Wirtschaft, Familie und Jugend, (BMWFJ), die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), das Land<br />
Steiermark sowie die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) gefördert. <strong>Das</strong> Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
3
Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong> –<br />
mehr als nur Bits und Bytes<br />
Neue Funktionalitäten, Eigenschaften und zusätzliche Features bestimmen den Innovationsgrad heutiger<br />
<strong>Fahrzeug</strong>e. Die steigende Anzahl und Vernetzung dieser Funktionen im <strong>Fahrzeug</strong>, die Erhöhung der<br />
Produktqualität und der Systemstabilität sowie die Reduktion von Prototypen und deren Kosten sind die<br />
aktuellen Herausforderungen in der <strong>Fahrzeug</strong>industrie. Der Bereich E/E am VIRTUAL VEHICLE stellt sich<br />
diesen Herausforderungen.<br />
Heutige <strong>Fahrzeug</strong>e sind ein Paradebeispiel an<br />
hochvernetzten Systemen, die über verschiedenste<br />
Kommunikationswege (CAN, FlexRay,<br />
Ethernet) Informationen zeitgerecht, sicher und<br />
zuverlässig zwischen Steuergeräten, Sensoren<br />
und Aktuatoren austauschen müssen.<br />
Gerade im Wettbewerb der Automobilhersteller<br />
werden Innovationsfähigkeit im Elektronikbereich<br />
und Beherrschung der Systemkomplexität<br />
zu zentralen Erfolgsfaktoren. Die ständig<br />
steigende Anzahl der Funktionen erstreckt sich<br />
mehr und mehr über alle Funktionsbereiche.<br />
Konzentrierte sich die Funktionserweiterung in<br />
der Vergangenheit vorwiegend auf die Bereiche<br />
Karosserieelektronik und Infotainment, erfordern<br />
neue Sicherheits- und Komfortfunktionen<br />
wie Keyless-Entry, Fahrwerkregelsysteme, Vernetzung<br />
von Infotainment-Komponenten, neue<br />
Fahrerassistenzsysteme und der rasante Anstieg<br />
der Elektrifizierung des Antriebsstranges<br />
und der beteiligten Nebenaggregate, eine stärkerer<br />
Vernetzung aller Funktionsbereiche. Die<br />
funktionalen Anforderungen werden - bedingt<br />
Abbildung 1: Forschungslandschaft des Bereiches E/E am VIRTUAL VEHICLE<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
4 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
durch die große Funktionsspanne zwischen<br />
Basis- und Premiumausstattung differieren sie<br />
stark - durch Anforderungen hinsichtlich Qualität,<br />
Diagnostizierbarkeit, Testbarkeit sowie<br />
Methoden und Prozessen zu <strong>Fahrzeug</strong>-übergreifenden<br />
Elektroniksystemen ergänzt.<br />
Der Bereich E/E am VIRTUAL VEHICLE erforscht<br />
und entwickelt neue Methoden und<br />
Werkzeuge, um die <strong>Fahrzeug</strong>industrie in einer<br />
Vielzahl von Problemstellungen – durchgängiger<br />
Entwurf eingebetteter Systeme, aktive<br />
und funktionale Sicherheit (ISO 26262), Echtzeitmodellierung<br />
und Echtzeitkopplung, moderne<br />
Regelstrategien, „Restfahrzeugsimulation“,<br />
Komponentenmodelle mit verbesserter Prognosefähigkeit<br />
(z.B. Zellalterung, elektrifiziertes<br />
Getriebe, Kupplung, Sensoren, Aktuatoren) –<br />
zu unterstützen. Abbildung 1 zeigt einen Überblick<br />
über die Bandbreite der Themen, die im<br />
Bereich E/E mit renommierten nationalen und<br />
internationalen Industriepartnern und Universitätsinstituten<br />
untersucht und erarbeitet werden.<br />
Sicherheit rückt in den Mittelpunkt<br />
Neue Aufgabenstellungen im Bereich der alternativen<br />
Antriebe, der funktionalen Sicherheit<br />
von eingebetteten Systemen und der integralen<br />
Sicherheit erhöhen die Komplexität der<br />
Systemauslegung. Der Bereich E/E am VIR-<br />
TUAL VEHICLE setzt entsprechende Akzente<br />
in der Erarbeitung von Methoden, Prozessen,<br />
Simulations- und Testumgebungen für heutige<br />
und zukünftige aktive Sicherheitssysteme,<br />
Hochvoltsysteme in alternativen Antriebskonfigurationen<br />
und zur Erfüllung funktionaler<br />
Sicherheitsvorgaben in der Entwicklung von<br />
intelligenten eingebetteten Systemen mit Bezug<br />
auf das Gesamtfahrzeug. Abbildung 2 zeigt<br />
eine mögliche Klassifizierung der Thematik<br />
„Sicherheit im <strong>Fahrzeug</strong>“ ausgehend von den<br />
etablierten Begriffen der aktiven und passiven<br />
<strong>Fahrzeug</strong>sicherheit.<br />
Die integrale Sicherheit ist ein interdisziplinäres<br />
Forschungs- und Entwicklungsgebiet.<br />
Dies zeigt sich an der Vielfalt notwendiger<br />
Methoden und Werkzeugen zur<br />
Auslegung und Integration solcher<br />
Systeme: Mechanik, numerische<br />
Methoden, Sensorik und<br />
Aktuatorik, Signalverarbeitung<br />
und Echtzeitregelung, mechanische/elektrische/elektronische<br />
Integration, Embedded Software<br />
sind nur einige der beteiligten<br />
Wissensfelder.<br />
Die Einführung des Sicherheitsstandards<br />
ISO 26262 im Jahr<br />
2011 unterstreicht die enorme<br />
Wichtigkeit der funktionalen Sicherheit<br />
im Bereich Software und<br />
Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong>. Die ISO<br />
26262 ermöglicht die Entwicklung<br />
von elektronischen Systemen, die<br />
das Auftreten von sicherheitskritischen<br />
Fehlern verhindern sollen.<br />
Speziell bei Lenksystemen,
Abbildung 2: Klassifizierung der Sicherheit in zukünftigen <strong>Fahrzeug</strong>en<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Rückhalte- oder <strong>Fahrzeug</strong>stabilitätssystemen<br />
könnten solche Fehler fatale Folgen haben.<br />
Modellbasierte Methodik – nicht<br />
nur auf die Software-Entwicklung<br />
beschränkt!<br />
In den letzten Jahren fand ein Paradigmenwechsel<br />
von traditionellen Entwicklungsmethoden<br />
zu modellbasierten Ansätzen in der<br />
Entwicklung von E/E Systemen statt. Diese unterstützen<br />
die ganzheitliche Sichtweise auf die<br />
Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung<br />
aller Phasen des Entwicklungsprozesses (Anforderungen,<br />
Konzept, Datenmodelle, Entwicklung,<br />
funktionale Absicherung, Produktion) und<br />
deren Optimierung.<br />
Modellbasierten Methoden unterstützen die<br />
gesamtheitliche, domänenübergreifende Modellierung<br />
komplexer Systeme bestehend<br />
aus elektrischen / elektronischen / mechatronischen<br />
Komponenten, Sensoren, Analog/Digital<br />
Umsetzung, Steuerungs- und Regelungsalgorithmen<br />
und dem (sicherheitskritisches)<br />
Kommunikationsnetzwerk (Abbildung 3). Auf<br />
diese Weise lässt sich das Design validieren,<br />
simulieren und optimieren – und jede Einzelfunktion<br />
auf ihre Anforderungen hin überprüfen<br />
sowie mit Test- und Verifikationsstrategien verknüpfen.<br />
Damit kann bereits in der frühen Phase<br />
sichergestellt werden, dass z.B. Regelungssysteme<br />
die gestellten Anforderungen an z.B.<br />
Regelgenauigkeit, Timings oder Regeldynamik<br />
auch wirklich erfüllen.<br />
In Zukunft werden Innovationen nur über hochvernetzte<br />
und komplexe Systeme zu realisieren<br />
sein. In modernen <strong>Fahrzeug</strong>en des Premiumsegments<br />
sind bereits ca. 60–80 Steuergeräte<br />
unterschiedlicher Zulieferer beteiligt, die über<br />
eine zweistellige Anzahl von Bussystemen miteinander<br />
kommunizieren. Innovationen kommen<br />
bereits heute zu 80-90% aus der Elektronik.<br />
2015 sollen bis zu 40% der gesamten<br />
Kosten eines <strong>Fahrzeug</strong>s durch das E/E System<br />
verursacht werden.<br />
Software im Antriebsstrang<br />
Gerade in der Entwicklung elektrifizierter und/<br />
oder alternativer Antriebskonfigurationen spielen<br />
eingebettete Systeme, modellbasierte Software-Entwicklung<br />
und funktionale Sicherheit<br />
eine entscheidende Rolle.<br />
Eingebettete Systeme und damit der Bereich<br />
E/E übernehmen zunehmend die funktionale<br />
Integrationsrolle in der <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung.<br />
Abbildung 4 zeigt, dass die Interaktion und<br />
Kommunikation elektrifizierter Antriebsstrangkomponenten<br />
nicht nur über eine mechanische<br />
Kopplung erfolgt, sondern in die Kommunikationsarchitektur<br />
eingebettet ist (z.B. über CAN).<br />
Die in den Steuergeräten (xCU) abgebildeten<br />
Funktionalitäten unterliegen einer ständig steigenden<br />
Komplexität. Dies begründet sich darin,<br />
dass die etablierten Steuergerätefunktionen<br />
stark erweitert und darüber hinaus vollständig<br />
neue Funktionalitäten im Zusammenspiel mit<br />
anderen Steuergeräten im Verbund (siehe Abbildung<br />
4) realisiert werden. Durch letzteres ergeben<br />
sich zahlreiche Abhängigkeiten, so dass<br />
heute ein komplexes Gesamtsystem nur mit<br />
verteilten Funktionen realisierbar ist. Darüber<br />
hinaus ergibt sich durch die unterschiedlichen<br />
Antriebsstrangtopologien und Kommunikationsarchitekturen<br />
in den verschiedenen Märkten<br />
der Welt die Notwendigkeit, Funktionen so zu<br />
gestalten, dass diese wiederverwendbar und<br />
skalierbar sind.<br />
Der Forschungsbereich E/E und Embedded<br />
Software erforscht und implementiert neue<br />
Methoden, Prozesse und Werkzeuge, um die<br />
zunehmende Komplexität sicherheitskritischer<br />
Systeme speziell in der Funktionsentwicklung<br />
alternativer Antriebe auch zukünftig beherrschen<br />
zu können.<br />
Der „HiL Boom“ – Kombination von<br />
Simulation und Versuch<br />
Obwohl in vielen Bereichen Gesamtfahrzeugprototypen<br />
aktuell noch nicht wegzudenken<br />
sind, dienen immer mehr Ersatzversuche bzw.<br />
sogenannte hybride Umgebungen (Kombination<br />
von Simulation und Versuch: hardware-inthe-loop,<br />
HiL) als Basis für den Gesamtfahrzeugversuch<br />
und -absicherung. HiL Systeme<br />
finden sich inzwischen in vielen Bereichen, z.B.<br />
Antriebsstrang, Infotainment, aktive Sicherheit,<br />
Thermalsysteme, Fahrwerk, Verbrauch oder bei<br />
Szenario-basierten Testläufen.<br />
Die Reduktion der Anzahl von Prototypen<br />
speziell in der Entwicklung von Derivaten<br />
und von alternativen Antriebskonzepten<br />
wird als die Herausforderung in den nächsten<br />
5 – 10 Jahren bei allen Automobilherstellern<br />
gesehen.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
5
Abbildung 3: Modellbasierter Zugang zur durchgängigen Entwicklung von sicherheitskritischen eingebetteten Systemen unter Einbeziehung der gekoppelten Simulation<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Die wesentliche Zielsetzung besteht dabei in der<br />
modellbasierten Entwicklung, Regelung, Systemidentifikation<br />
und Validierung ergänzt durch<br />
die Schnittstelle zu realen Systemen (HiL, ViL,<br />
Rapid Prototyping) zur Steigerung der Entwicklungseffizienz<br />
bei einer gleichzeitigen Verbesserung<br />
der Simulations- und Produktqualität.<br />
Mit der Kombination der virtuellen und realen<br />
Welt entstehen neue Herausforderungen an<br />
die Simulation. Echtzeitmodellierung, Modellreduktion<br />
und -approximation, Versuchsplanung<br />
(„Design of Experiments“), Modellgenauigkeit<br />
vs. Modellgeschwindigkeit, Restbus- und Restfahrzeugsimulation,<br />
Zeitsteuerung und Echzeitregelung<br />
sind Schlagworte die in den Fokus der<br />
<strong>Fahrzeug</strong>entwickler gerückt sind.<br />
6 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Es besteht kein Zweifel, dass Elektronik und<br />
insbesondere die eingebettete Software den<br />
Schlüssel für innovative und marktgerechte<br />
Funktionalität moderner <strong>Fahrzeug</strong>e darstellen.<br />
Gleichzeitig müssen jedoch die Zuverlässigkeit,<br />
die Sicherheit und die Qualität der <strong>Fahrzeug</strong>elektronik<br />
in hohem Maße gewährleistet werden.<br />
Der Bereich E/E und Embedded Software am<br />
VIRTUAL VEHICLE setzt seine Schwerpunkte<br />
in den nächsten Jahren auf die Themen alternative<br />
Antriebssysteme, aktive und funktionale<br />
Sicherheit, Batteriemodellierung und –test<br />
(thermische und mechanische Abuse-Szenarien)<br />
sowie Methoden und Werkzeuge zur Entwicklung<br />
und Absicherung sicherheitskritischer<br />
Abbildung 4: Der elektrifizierte Antriebsstrang. Der Hybridregler stellt das Zusammenspiel der einzelnen<br />
Teilkomponenten sicher. Die Kommunikation erfolgt über verschiedenste Wege: über CAN, analoge Signale,<br />
mechanische und elektrische Kopplung<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
eingebetteter Systeme und Kommunikationsarchitekturen<br />
speziell auch unter den Gesichtspunkten<br />
„Security“ und „Car-2-X“.<br />
Zudem wird der Bereich Control Systems<br />
massiv ausgebaut um die hochaktuellen Themenstellungen<br />
robuste und vorausschauende<br />
Regelung, echtzeitfähige Co-Simulation, Sensormodellierung<br />
und Datenfusion entsprechend<br />
zu verstärken. Großes Augenmerk liegt hier in<br />
der Verbesserung der Modellgüte aber auch in<br />
der frühen Integration von bereits vorhandener<br />
Hardware und Modellen aus anderen Fachdisziplinen.<br />
Durch die Kombination von grundlagenorientierter<br />
und angewandter Forschung sowie prototypischer<br />
Entwicklung ergänzen sich die Institute<br />
der TU Graz und das VIRTUAL VEHICLE<br />
optimal und können so die Automobilindustrie<br />
in zahlreichen Fragestellungen aus den Bereichen<br />
Elektrifizierung, eingebettete Systeme,<br />
modellbasierte Software-Entwicklung, Sensorik<br />
und Elektronik effizient unterstützen. ■<br />
Zu den Autoren<br />
Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />
Watzenig leitet den<br />
Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />
und Embedded<br />
Software am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
Dr. Jost Bernasch ist<br />
Geschäftsführer am<br />
VIRTUAL VEHICLE.
Entwurf eines Zweispannungsbordnetzes<br />
mittels Co-Simulation<br />
und Modellbibliothek<br />
Die Forderung nach einer Reduktion des CO2-Ausstoßes bei Personenkraftfahrzeugen führt zu einer<br />
verstärkten Elektrifizierung von Komponenten im <strong>Fahrzeug</strong>. Am VIRTUAL VEHICLE kommen die unabhängige<br />
Co-Simulationsplattform ICOS sowie eine Modellbibliothek zum Einsatz, um die Komplexität moderner<br />
Bordnetzkonzepte beherrschen zu können.<br />
Trend hin zu einer verstärkten<br />
„Elektrifizierung“<br />
In der Automobilindustrie ist ein starker Trend<br />
hin zur Elektrifizierung zu erkennen. Dies gilt<br />
nicht nur für typische Antriebstrangkomponenten,<br />
wie z.B. in Hybrid- oder Elektrofahrzeugen<br />
eingesetzt, sondern auch immer mehr<br />
für Verbraucher wie Klimakompressor oder<br />
Servopumpe. Die Limitierung für eine weitere<br />
Elektrifizierung stellt das herkömmliche 14V<br />
Niederspannungsnetz dar. Die für den Betrieb<br />
der Komponenten notwendigen hohen elektrischen<br />
Leistungen (siehe Tabelle 1) und somit<br />
Ströme, führen zu einem deutlichen Anstieg der<br />
Leitungsverluste und zu größeren Drahtquerschnitten.<br />
Mit der Einführung einer zweiten Niederspannungsebene<br />
(
Teilsysteme aufgeteilt<br />
• Starke Interaktion zwischen den beteiligten<br />
Komponenten bzw. Funktionen<br />
• Integration einer/mehrerer Energiespeicher<br />
(Energieversorgung, Filtern bzw.<br />
Stützen von Spannungsspitzen)<br />
• Stabilität des elektrischen Systems<br />
• Sicherheit, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit<br />
In Abbildung 1 ist eine Beispielarchitektur für<br />
ein Zweispannungsbordnetz dargestellt. Zusätzlich<br />
zum konventionellen 14V Bordnetz<br />
ist ein weiteres Niederspannungsnetz mit 42V<br />
installiert. Die beiden Netze sind mittels eines<br />
Gleichspannungswandlers (DC/DC Converter)<br />
verbunden. Der 42V Starter/Generator (Alternator)<br />
ist für die Spannungsversorgung aller Komponenten,<br />
den Start des Verbrennungsmotors<br />
sowie für die Rekuperation zuständig. Es sind<br />
zwei Energiespeicher installiert, ein konventioneller<br />
Bleiakku im 14V Netz, für die Versorgung<br />
der Steuergeräte während des Motorstarts, sowie<br />
eine Lithium-Ionen-Batterie im 42V Netz für<br />
den Motorstart. Komponenten mit einem hohen<br />
mittleren Leistungsbedarf (etwa elektrischer<br />
Klimakompressor oder Lenkpumpe) können im<br />
42V Netz platziert werden, wofür ein entsprechender<br />
Anpassungsaufwand notwendig ist.<br />
Bestehende Komponenten, etwa Steuergeräte,<br />
können im 14V Netz betrieben werden.<br />
Die Aufgabe des Bordnetzentwicklers ist es, die<br />
optimale Aufteilung der Komponenten zu gewährleisten.<br />
Die Einführung dieser zusätzlichen<br />
Freiheitsgrade führt zu einem dramatischen<br />
Anstieg der Komplexität bei der Bordnetzentwicklung.<br />
Der Gestaltungsspielraum durch die<br />
mehreren Spannungsebenen erfordert eine<br />
verstärkte Zusammenarbeit zwischen den<br />
Abbildung 2: Spezifikation der Bordnetzarchitektur und Auswahl der Komponenten mittels<br />
Co-Simulationsframework und Modellbibliothek<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
8 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
im <strong>Fahrzeug</strong>entwicklungsprozess beteiligten<br />
Fachabteilungen, um eine optimale Konfiguration<br />
hinsichtlich Kosten, Energieverbrauch,<br />
Verdrahtungsaufwand, Kabelgewicht oder Leitungsverluste<br />
zu finden.<br />
Effiziente Entwicklung mit<br />
Co-Simulation und Modellbibliothek<br />
Seit mehreren Jahren widmet sich das VIRTU-<br />
AL VEHICLE der intensiven Erforschung der<br />
Themen Modellbibliothek und Co-Simulation.<br />
Die Modellbibliothek am VIRTUAL VEHICLE<br />
stellt eine zentrale Datenablage zur Verwaltung<br />
von Simulationsmodellen und –artefakten dar,<br />
welche die Entwicklungsdomänen und somit<br />
die Fachbereiche zusammenführt. Die von den<br />
jeweiligen Fachabteilungen zur Verfügung gestellten<br />
Modelle werden mit Metadaten versehen<br />
(z.B. Simulationswerkzeug inkl. Version,<br />
Beschreibung der Ein-/Ausgänge, Datenformat,<br />
usw.) und gemeinsam mit einer Dokumentation<br />
in einem Datenmanagementsystem abgelegt.<br />
Die entwickelten Co-Simulationsmethoden<br />
und -werkzeuge sind in der sogenannten „unabhängigen<br />
Co-Simulations-Plattform ICOS“<br />
professionell umgesetzt. <strong>Das</strong> so genannte<br />
„ICOS Framework“ verbindet die Simulationswerkzeuge<br />
(und damit die virtuelle Darstellung<br />
der Komponenten) aus den unterschiedlichen<br />
Disziplinen und führt komplexe Aufgaben wie<br />
Datenaustausch, Synchronisation, Extrapolation<br />
oder zentral die Fernsteuerung der Simulationstools<br />
aus.<br />
Die Einführung von Co-Simulation im modellbasierten<br />
Entwicklungsprozess wird von der<br />
steigenden Komplexität moderner mechatronischer<br />
Systeme getrieben. Es genügt nicht<br />
mehr, eine Komponente aus der Sicht des zuständigen<br />
Fachbereichs darzustellen. Stattdessen<br />
müssen komplexe Interaktionen, Lastfälle<br />
oder Randbedingungen aus unterschiedlichsten<br />
Domänen im Entwicklungsprozess berücksichtigt<br />
werden. Für eine virtuelle Darstellung<br />
bedeutet dies, dass nicht mehr nur ein Simulationswerkzeug<br />
zum Einsatz kommen kann, es<br />
muss bereits hier eine korrekte Abbildung des<br />
Gesamtsystems unter Einbeziehung der spezifischen<br />
Tools gewährleistet werden.<br />
Ein Co-Simulationsframework wie ICOS ermöglicht<br />
dies. Wie in Abbildung 2 dargestellt, wird<br />
dem Bordnetzentwickler auf Basis von ICOS<br />
in Kombination mit einer zentralen Verwaltung<br />
der Simulationsmodelle (Modellbibliothek) ein<br />
„virtuelles Restfahrzeug“, welches die für ihn<br />
relevanten dynamischen Effekte darstellen<br />
kann, zur Verfügung gestellt. Die Definition der<br />
Topologie und Architektur sowie die Dimensionierung<br />
der relevanten Bauteile (Generator,<br />
Batterie, ...) erfolgt auf einem ganzheitlichen<br />
Ansatz, welcher die Simulation aller relevanten<br />
Effekte aus den verschiedenen Bereichen<br />
berücksichtigt. Die Entwicklung von entsprechenden<br />
Regelungsstrategien auf Basis einer<br />
Kombination von mechanischen, thermischen<br />
und elektrischen Modellen gewährleistet die<br />
korrekte Funktionalität der Komponenten und<br />
Systeme, minimiert Auswirkungen von Lastschwankungen<br />
oder visualisiert den Einfluss<br />
von Lastanforderungen auf die Lebensdauer<br />
der Energiespeicher.<br />
Beispiel: Mildhybrid mit<br />
Zweiebenen-Bordnetz<br />
Hybridfahrzeuge (hybrid electric vehicles,<br />
HEVs) sind ein moderner Ansatz für umweltfreundliche<br />
Autos. Beim sogenannten Mildhybrid<br />
wird der Verbrennungsmotor durch einen<br />
relativ kleinen Elektroantrieb (etwa als Starter/Generator<br />
ausgeführt) mit typischerweise<br />
6-14kW elektrischer Leistung unterstützt.<br />
Anhand eines Beispiels wird die Eignung von<br />
Co-Simulation für die Entwicklung eines Zweiebenen-Bordnetzes<br />
für den Mildhybrid dargestellt.<br />
In Abbildung 3 ist die prinzipielle Struktur<br />
des virtuellen Prototypen dargestellt. Die<br />
Verbrennungskraftmaschine (VKM) und der<br />
Elektromotor/Generator (EM) sind mit dem<br />
Restantriebsstrang verbunden. Die zwei Spannungsebenen<br />
14V und 42V sind mittels eines<br />
DC/DC Converters verbunden. Entsprechende
elektrische Verbraucher und Energiespeicher<br />
sind vorgesehen. Der Kühlkreislauf verbindet<br />
die thermischen Modelle von VKM, EM, DC/<br />
DC Converter und Lithium-Ionen-Batterie. <strong>Das</strong><br />
zentrale Energiemanagement gewährleistet das<br />
optimale Zusammenspiel der mechanischen,<br />
elektrischen und thermischen Teilsysteme.<br />
Die entsprechende Repräsentation als Co-<br />
Simulationsmodell ist in Abbildung 4 zu sehen.<br />
Die einzelnen Komponenten sind als Modelle<br />
in den zugehörigen Simulationswerkzeugen<br />
modelliert und über ICOS miteinander verbunden.<br />
Aus Sicht des Bordnetzentwicklers ist das<br />
System als Modelle für die 14V- bzw. 42V-Bordnetzarchitektur<br />
und den Energiemanagementcontroller<br />
mit Verbindungen zu einer Restfahrzeugsimulation<br />
dargestellt. Diese Modelle mit<br />
den zugehörigen Simulationswerkzeugen sind<br />
am Entwicklercomputer installiert. Die weiteren<br />
Komponenten werden automatisch aus der<br />
Modellbibliothek geladen. Die Modelle für das<br />
Restfahrzeug werden dabei auf unterschiedlichen<br />
Computern im Netzwerk ausgeführt, auf<br />
denen die jeweilige Software inklusive der notwendigen<br />
Lizenzen installiert ist.<br />
<strong>Das</strong> resultierende, auf Co-Simulation basierende<br />
Modell eines Mildhybridfahrzeugs mit<br />
Zweispannungsbordnetz wird genutzt, um die<br />
transiente Wechselwirkungen zwischen Stromnetz<br />
und <strong>Fahrzeug</strong> in einer realistischen Art<br />
und Weise untersuchen zu können. Zahlreiche<br />
unterschiedliche Stromnetz-Konfigurationen<br />
können dargestellt und simuliert werden. Beliebige<br />
Erweiterungen, etwa um eine Hochspannungsebene<br />
für Vollhybridfahrzeuge sind<br />
einfach möglich.<br />
Abbildung 3: Strukturbild mit mechanischen Komponenten, Kühlkreislauf und Zweiebenen-Bordnetz für einen Mildhybrid<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Einführung einer zweiten Niederspannungsebene<br />
im KFZ wird zu einer weiteren<br />
Elektrifizierung der traditionellen mechanischen<br />
Komponenten in Pkws führen.<br />
Einerseits wird hiermit die Forderung nach Reduktion<br />
der CO2-Emissionen unterstützt, andererseits<br />
wird die Komplexität in der Entwicklung<br />
von Bordnetzen deutlich erhöht. Durch den<br />
Einsatz eines modernen Frameworks wie ICOS<br />
wird eine effiziente Entwicklung der künftigen<br />
Zwei-Spannungs-Bordnetze überhaupt erst<br />
Abbildung 4: Co-Simulationsdarstellung mit ICOS für den Mildhybrid mit Zweiebenen-Bordnetz<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
ermöglicht. Mittels des modularen Co-Simulationsansatzes,<br />
der anhand eines Beispiels<br />
dargestellt wurde, können unterschiedliche<br />
Stromnetzkonfigurationen auf ihre Effizienz und<br />
ihr Stabilitätsverhalten hin analysiert werden. ■<br />
Zu den Autoren<br />
Dr. Josef Zehetner leitet<br />
den Forschungsbereich<br />
Co-Simulation und Modellbibliothek.<br />
DI Wenpu Lu forscht im<br />
Bereich Bordnetzsimulation<br />
und Modellbibliothek.<br />
Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />
Watzenig leitet den<br />
Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />
und Embedded<br />
Software am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
9
Beherrschbare<br />
Mehrgrößenregelung<br />
Regelalgorithmen in Steuergeräten prägen entscheidend Ansprechverhalten, Vebrauch und Emissionen<br />
von modernen Verbrennungsmotoren. Eingrößen-PID-Regelungen bilden seit Verwendung elektronischer<br />
Motorsteuerungen den Kern der Luftpfadregelung von Dieselmotoren. Trotz bekannter Nachteile und vielfältiger<br />
neuer Vorschläge wurden diese einfachen Konzepte in der Praxis letztendlich bis heute nicht von neuen<br />
Regelstrategien verdrängt. Am Virtual Vehicle wird erforscht, wie man leistungsfähige Mehrgrößenregelungen<br />
gestalten kann, die sich in der Einfachheit ihrer Handhabung nicht wesentlich von den etablierten Regelungen<br />
unterscheiden, zugleich aber die Potentiale der Mehrgrößenregelung voll ausschöpfen.<br />
Luftpfadregelung beim Dieselmotor<br />
Die Luftpfadregelung in Dieselmotorsteuergeräten<br />
dient hauptsächlich der Senkung von NOX<br />
und Partikelemissionen, beeinflusst aber auch<br />
maßgeblich den Verlauf des Momentenaufbaus<br />
im transienten Betrieb. Neue Anforderungen<br />
in Form von strengeren Emissionslimits und<br />
gleichzeitig dynamischeren Tests zur Zertifizierung<br />
machen die Weiterentwicklung konventioneller<br />
Luftpfadregelungen nötig.<br />
Für stationäre Abgastests entwickelte Regelkonzepte,<br />
die meist nur als Störregelungen<br />
ausgeführt sind, können diese gesteigerten<br />
Anforderungen nach einer dynamischeren Regelung<br />
nur mehr schwer erfüllen, ohne schwerwiegende<br />
Nachteile in der Robustheit und/oder<br />
der Regelgeschwindigkeit in Kauf zu nehmen.<br />
Auch die Bedeutung der Verkoppelungen unter<br />
den zu regelnden Größen nimmt stetig zu, da<br />
es zum Erreichen der Emissionsziele notwen-<br />
10 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
dig wird, in größeren Betriebsbereichen des<br />
Motors mehrere Sollgrößen zugleich dynamisch<br />
zu regeln.<br />
Konventionelle Lösungen<br />
Die Luftpfadregelung basiert im Wesentlichen<br />
auf der Regelung der Luftladungsmenge und<br />
ihres Zustands. Die gewünschte Ladungsmenge<br />
und ihr Zustand wird in turboaufgeladenen<br />
Dieselmotoren über 2 Sollgrößen (z.B. Frischluftmasse<br />
und Ladedruck) festgelegt und über<br />
zumindest 2 Stellgrößen (meist Abgasrückführventil<br />
und Turboladersteller)<br />
eingestellt.<br />
Konventionell wird diese Aufgabe<br />
durch zwei dezentrale<br />
Regler realisiert. Die Reglerstruktur<br />
der beiden Regelkerne<br />
ist üblicherweise eine<br />
PID-Struktur (Standardregler in Motorsteuergeräten)<br />
mit Parametern, welche meist von Drehzahl,<br />
Einspritzmenge und manchmal auch von<br />
der Regelabweichung selbst abhängig sind. Die<br />
Abhängigkeiten werden der flexiblen Parametrierung<br />
wegen in sogenannten Kennfeldern abgelegt.<br />
Um Probleme durch Querkoppelungen<br />
zu vermeiden, sind bei solchen Umsetzungen<br />
mit zwei Eingrößen-PID-Reglern jedoch meist<br />
nur in Ausnahmefällen beide Regler zugleich<br />
aktiv.<br />
Entwicklungstrends<br />
Motorsteuerungen werden zunehmend leistungsfähiger<br />
und der Aufwand einer Motorabstimmung<br />
ist in der Vergangenheit stark<br />
angestiegen. Rund 15.000 bis 20.000 Einstellparameter<br />
in einer Motorsteuerung stellen heutzutage<br />
keine Seltenheit dar.<br />
Demgegenüber steht die Forderung nach einer<br />
gleichbleibenden oder wenn möglich sogar kürzeren<br />
Applikationszeit.<br />
Durch modellgestützte Ansätze kann einerseits<br />
erreicht werden, dass Teile der Motorapplikation<br />
durch Simulation vorab ohne Hardware<br />
durchgeführt werden können. Andererseits sind<br />
Datenstände aus bestehenden Motorapplikationen<br />
leichter übertragbar, weil die verwendeten<br />
Parameter in den Regel- und Steueralgorithmen<br />
eine physikalische Bedeutung bekommen.<br />
Bei den wichtigsten Herstellern für Motorsteuergeräte<br />
ist ein Schwerpunkt der Entwicklung<br />
der Luftpfadregelung die Bereitstellung von<br />
emissionsrelevanten Sollwerten und entsprechenden<br />
(virtuellen) Sensorwerten. Beide werden<br />
durch (nichtlineare) Modelle zur Laufzeit in<br />
der Motorsteuerung aus den verfügbaren Sensorwerten<br />
berechnet.
Ein weiterer Trend ist in der Verwendung nichtlinearer<br />
Modelle zur Vorsteuerung in Abhängigkeit<br />
der Sollwerte zu erkennen. Speziell die<br />
Adaption der Vorsteuerung auf geänderte Umgebungsbedingungen<br />
wird dadurch erheblich<br />
vereinfacht und birgt ein enormes Potential,<br />
den Entwicklungsaufwand zu reduzieren und<br />
zu beschleunigen.<br />
Trotz vielfältiger erfolgversprechender Vorschläge<br />
zu Mehrgrößenregelungen werden<br />
immer noch zum überwiegenden Großteil<br />
konventionelle Eingrößenregelungen in Seriensteuergeräten<br />
eingesetzt. Dies ist unter anderem<br />
darin begründet, dass die Einstellung<br />
eines Eingrößen-PID-Reglers intuitiv erfolgen<br />
kann und das Feinjustieren der Regelung im<br />
Betrieb sehr leicht möglich ist. Im Unterschied<br />
dazu erfordert die Parametrierung einer Mehrgrößenregelung<br />
meist ein sehr hohes Maß an<br />
Spezialwissen und die Zuhilfenahme von speziellen<br />
Werkzeugen.<br />
Forschungsschwerpunkt<br />
Um Mehrgrößenregelungen des Luftpfades<br />
auch für den Serieneinsatz attraktiver zu machen,<br />
wird im Rahmen eines Kooperationsprojektes<br />
mit dem Industriepartner AVL List<br />
GmbH daran gearbeitet, die Vorteile der Mehrgrößenregelung<br />
zu nutzen und gleichzeitig die<br />
bekannten Vorteile der etablierten Eingrößenregler<br />
zu erhalten.<br />
<strong>Das</strong> Projekt behandelt folgende Forschungsschwerpunkte:<br />
1. Eine modulare Reglerarchitektur soll<br />
Anforderungen bezüglich Testbarkeit,<br />
Änderbarkeit, Übertragbarkeit sowie Benutzbarkeit<br />
erfüllen und zugleich eine<br />
schrittweise Parametrierung ermöglichen.<br />
2. Eine spezielle Reglerstruktur und die Verwendung<br />
gemeinsamer Parameter für unterschiedliche<br />
Reglermodule soll die Anzahl<br />
notwendiger Parameter reduzieren.<br />
3. Die Regelung soll während des Betriebs<br />
leicht einstellbar sein.<br />
4. Die echtzeitfähigen Berechnungsschritte<br />
der Regelalgorithmen sollen wenig Speicherplatz<br />
und Rechenzeit benötigen.<br />
Modellbasierte Reglerentwicklung<br />
Üblicherweise werden bei modellbasierter Entwicklung<br />
(mathematische) Modelle der zu regelnden<br />
Strecke für die Simulation und zur Einstellung<br />
der Reglerparameter verwendet. Oft ist<br />
die Abhängigkeit der Reglerparameter von den<br />
Modellparametern und Entwurfsfreiheitsgraden<br />
sehr komplex und eine Trennung nicht effizient<br />
möglich.<br />
Im aktuellen Forschungsprojekt konnte im Anwendungsfall<br />
der Luftpfadregelung innerhalb<br />
der Regelstruktur eine Trennung zwischen<br />
Modellparametern und Entwurfsfreiheitsgraden<br />
erreicht werden. <strong>Das</strong> bedeutet, dass die Einstellung<br />
der Regelung in zwei separaten Schritten<br />
erfolgen kann. Zuerst wird das Modell der<br />
Strecke parametriert, was durch geeignete<br />
Werkzeuge unterstützt und automatisiert werden<br />
kann. In einem zweiten Schritt werden nur<br />
mehr die verbleibenden Entwurfsfreiheitsgrade<br />
eingestellt.<br />
Die Trennung der Parameter bringt die notwendige<br />
Vereinfachung in der Handhabbarkeit,<br />
welche entscheidend für die Akzeptanz des<br />
Konzepts und die praktische Anwendung ist.<br />
Erfolgreicher Nachweis durch<br />
Simulation und Erprobung<br />
<strong>Das</strong> Konzept wurde für die Regelung eines Dieselmotormodells<br />
eingesetzt.<br />
Durch Simulation und Analyse verschiedener<br />
Betriebssituationen sowie ganzer Prüfläufe<br />
konnte in diesem ersten Schritt die notwendige<br />
hohe Reife der Algorithmen erreicht werden. In<br />
einem zweiten Schritt erfolgte die Erprobung<br />
der fertig getesten Regelung im realen Betrieb.<br />
Für den Betrieb der Regelung steht eine<br />
echtzeitfähige Entwicklungshardware zur<br />
Verfügung, welche die Schnittstellen zur Motorsteuerung<br />
bildet und die Berechnung der<br />
Regelalgorithmen durchführt.<br />
Simulationsvergleich Eingrößemregelung (SISO) mit<br />
Mehrgrößenregelung (MIMO), Ausschnitt eines transienten Testzyklus (NRTC)<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Die speziellen Vorteile der neuen Reglerarchitektur<br />
konnten erfolgreich unter Beweis gestellt<br />
werden. Die methodische Applikation (Einstellung)<br />
des Reglers am Prüfstand ermöglichte<br />
in kurzer Zeit den transienten Betrieb eines<br />
Diesel-Motors für Nutzfahrzeuge und die einfache<br />
nachträgliche Einstellung unterstützt die<br />
Verbrennungsentwicklung bei der Einhaltung<br />
der Entwicklungsziele.<br />
Weitere Einsatzgebiete<br />
Ein weiteres Einsatzgebiet der erstellten Regelung<br />
kann neben der Regelung eines realen<br />
Dieselmotors auch die Regelung eines Simulationsmodells<br />
sein. Für die Auslegung von Motor,<br />
Verbrennung und Abgasnachbehandlung<br />
werden derzeit schon in sehr frühen Entwicklungsstadien<br />
Motormodelle eingesetzt.<br />
Die Regelung eines Simulationsmodells mit einer<br />
virtuellen Motorsteuerung spielt dabei eine<br />
immer größere Rolle, wenn man zusätzlich zum<br />
stationären auch das dynamische Verhalten in<br />
der Simulation untersuchen möchte.<br />
Die erstellte Reglerarchitektur liefert somit<br />
auch einen wertvollen Beitrag zum Aufbau einer<br />
sogenannten Soft-ECU – einer virtuellen<br />
Motorsteuerung. ■<br />
Zum Autor<br />
DI Michael Stolz ist Leiter<br />
des Lead Themas „Regelungstechnik“<br />
am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
11
Modellreduktion:<br />
Komplexe Systeme vereinfachen<br />
Reduzierte Modelle beschreiben qualitativ das angenäherte Systemverhalten. Dennoch sind sie ein<br />
Kompromiss zwischen dem Grad der Modellreduktion und der resultierenden Genauigkeit. Die am VIRTUAL<br />
VEHICLE entwickelten kombinierten Methoden helfen, eine sinnvolle Balance herzustellen.<br />
Die virtuelle <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung mit Hilfe<br />
von spezialisierten Computerprogrammen ist<br />
eine Gratwanderung: Einerseits dominieren<br />
ausgereifte Simulationswerkzeuge die facettenreichen<br />
Ingenieur-Disziplinen und bieten<br />
zugeschnittene Modellierungssprachen sowie<br />
Lösungsalgorithmen. Typischerweise werden<br />
hochdetaillierte Modelle entwickelt, um das<br />
System und dessen Verhalten zu analysieren<br />
– ohne teure Prototypen erstellen zu müssen.<br />
Andererseits fordern steigende Produktanforderungen<br />
umfassendere Analysen und diese<br />
führen zwangsläufig zu komplexeren Modellen.<br />
Diese sind Voraussetzung, um exaktere Aussagen<br />
über das Systemverhalten zu erzielen.<br />
Gesucht: Vereinfachte Modelle<br />
Aufgrund der meist hohen Komplexität der Teilmodelle<br />
führen Gesamt- bzw. Teilsimulationen<br />
zu erheblichen Rechenzeiten. Dem Einbinden<br />
von virtuellen Teilmodellen am Prüfstand (HiL<br />
- Hardware in the Loop) sind Grenzen gesetzt.<br />
Kürzere Simulationszeiten auf Echtzeitplattformen<br />
sind durch leistungsfähigere Hardware<br />
kaum erreichbar. Es werden also schnellere<br />
und einfachere Modelle benötigt.<br />
Die folgenden methodischen Ansätze zur Modellreduktion<br />
sind erst durch die Kombination<br />
der am VIRTUAL VEHICLE entwickelten<br />
12 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Methoden realisierbar und weisen einen systematischen<br />
Weg in Richtung Echtzeitmodelle.<br />
Erste Anwendungen der Methodik in unterschiedlichen<br />
Kooperationsprojekten zeigen<br />
vielversprechende Ergebnisse und öffnen neue<br />
Perspektiven zur Verhaltensmodellierung von<br />
komplexen Systemen.<br />
Reduzierte Modelle weisen die wesentlichen<br />
und charakteristischen Merkmale der komplexen<br />
Modelle auf und gewährleisten qualitative<br />
Aussagen über das Systemverhalten. Sie<br />
werden auch zwingend für modellbasierende<br />
Regelungsstrategien, multidisziplinäre Optimierung<br />
und für frühzeitige Entscheidungen im<br />
Produktentwicklungsprozess benötigt (Abb.1).<br />
Methoden zur Annäherung<br />
Selbstverständlich steht die Frage nach dem<br />
günstigen Grad der Reduktion im Mittelpunkt.<br />
Bislang wird dieser empirisch oder basierend<br />
auf a-priori Expertenwissen gewählt. Eine generell<br />
anwendbare Lösung existiert nicht.<br />
Eine grobe Einteilung in der Modellreduktion erfolgt<br />
in modellbasierende, datenbasierende und<br />
hybride Ansätze (Abb.2). Hier werden mathematische<br />
Zusammenhänge und Messdaten zur<br />
Approximation herangezogen. Schwierig bei<br />
diesen Methoden ist die Bewertung der Qua-<br />
Abbildung 1: Verhaltensmodellierung im Entwicklungsprozess<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
lität bzw. Güte des resultierenden einfachen<br />
Modells. Einerseits interessiert, ob stationäre<br />
Werte in einem bestimmten Toleranzbereich<br />
liegen. Im Fall von dynamischen Systemen ob<br />
ist wiederum maßgeblich, ob transiente Übergänge<br />
ausreichend genau abgebildet sind.<br />
Bei datengetriebenen Methoden ist neben der<br />
Wahl geeigneter Messdaten die zugrundeliegende<br />
und beschreibende Modellstruktur interessant.<br />
Abbildung 2: Ansätze Modellreduktion<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Zum Bestimmen möglichst „guter“ Datensätze<br />
mit einem hohen Informationsgehalt bieten sich<br />
Methoden aus der optimalen Versuchsplanung<br />
(DoE - Design of Experiments) an, mit deren<br />
Hilfe sinnvolle Eingangs- und Ausgangsdaten<br />
effizient bestimmt werden können. Eventuelle<br />
Prüfstandkosten werden dabei minimiert.<br />
Screening: Die Analyse des Systems<br />
<strong>Das</strong> sog. „Screening“ stellt eine ausgiebige<br />
Analyse eines Systems dar und beinhaltet das<br />
Erfassen von Expertenwissen sowie eine Sensitivitätsanalyse.<br />
Dabei werden basierend auf<br />
Eingangs- und Ausgangsdaten des Systems<br />
Modelleigenschaften (z.B. lineare Zusammenhänge)<br />
erörtert und statistisch belegt. Im Zuge<br />
dessen sind also über statistische Maße wesentliche<br />
Modelleigenschaften bekannt und die<br />
Modellqualität kann beurteilt werden (Abb.3).<br />
Beantwortet werden damit die noch offenen<br />
Fragen nach dem Grad der Modellreduktion<br />
oder einer geeigneten Modellstruktur. Darüber<br />
hinaus wird die Modellqualität basierend auf
statistischen Auswertungen quantifiziert. Die<br />
Sensitivitätsanalyse als Werkzeug zur Modellanalyse<br />
sowie zur Modellbewertung ermöglicht<br />
eine automatisierte Reduktion bzw. Annäherung<br />
von komplexen Modellen.<br />
Beispiel aus der Praxis<br />
Ein typisches Resultat einer solchen Sensitivitätsanalyse<br />
ist in Abbildung 3 dargestellt. Dabei<br />
wurde ein komplexes Modell eines elektrifizierten<br />
Getriebes anhand der Eingangs- und<br />
Ausgangsgrößen über zwei unterschiedliche<br />
Methoden analysiert. Vorerst waren stationäre<br />
Ein-/Ausgangsbeziehungen von Interesse. Im<br />
oberen Balkendiagramm ist die Abhängigkeit<br />
der Ausgangsgröße von den fünf Eingangsgrößen<br />
ersichtlich. Zur Modellierung des Ein-/<br />
Ausgangsverhaltens sind im Prinzip nur die Eingangsgrößen<br />
1 und 3 interessant. Alleine diese<br />
Information reduziert den Approximationsaufwand<br />
erheblich und bietet Platz für gezielte<br />
Analysen. Ein Histogramm zeigt die Verteilung<br />
der gewählten Ausgangsgröße und gibt Aufschluss<br />
über den möglichen Wertebereich. Ein<br />
zusätzliches Fehlermaß beschreibt die Aussagekräftigkeit<br />
der Sensitivitätsanalyse und bildet<br />
somit eine theoretisch fundierte Basis. Auf vage<br />
Vermutungen oder Schätzung der Zusammenhänge<br />
kann verzichtet werden.<br />
Am VIRTUAL VEHICLE werden derzeit neuartige<br />
Ansätze zur Betrachtung der Sensitivität<br />
einzelner Einflussfaktoren erarbeitet. Abbildung<br />
4 zeigt die Resultate einer zeitabhängigen<br />
Sensitivitätsanalyse wobei die wesentlichen<br />
Dynamiken des untersuchten Systems ersichtlich<br />
werden.<br />
Vorteile der neuen Betrachtungsweise:<br />
• Einblick in die dynamischen Zusammenhänge<br />
• Verbesserung der Systemanalyse<br />
• Unterstützung bei der Reduktion von Gleichungen<br />
mathematischer Modelle bzw.<br />
dem Ansetzen zugrundeliegender Modellstrukturen.<br />
Dadurch sind Aussagen über den dynamischen<br />
Einfluss von Systemteilen möglich.<br />
Methodischer Ansatz<br />
Aus den Ingenieur-Disziplinen stammen unterschiedliche<br />
Modelle mit fachspezifischen<br />
Systemeigenschaften. Aber nicht nur die<br />
Systemeigenschaften sondern auch Modellierungssprache<br />
und Simulationsumgebung<br />
unterscheiden sich stark voneinander. <strong>Das</strong><br />
Anwenden einer Methode zur Modellvereinfachung<br />
ist nur problemspezifisch möglich. Die<br />
wesentlichen Hürden stellen dabei folgende<br />
Punkte dar:<br />
• unterschiedliche Schnittstellen<br />
• vielfältige Modellarten<br />
Nach der Idealvorstellung einer vollautomatisierten<br />
Modellreduktion mit statistisch fundierter<br />
Bewertung müssen die oben genannten<br />
Probleme gelöst werden. Aktuelle Forschungsergebnisse<br />
am VIRTUAL VEHICLE in Kooperation<br />
mit renommierten OEM‘s zeigen die<br />
Lösbarkeit.<br />
Über die am VIRTUAL VEHICLE entwickelte<br />
Co-Simulations-Plattform ICOS kann eine einheitliche<br />
Schnittstelle zu den sorgfältig model-<br />
Abbildung 3: Effekt der fünf Eingangsgrößen auf eine Ausgangsgröße anhand<br />
unterschiedlicher Methoden mittels (statischen) Sensitivitätsanalyse.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Abbildung 4: Effekt der fünf Eingangsgrößen auf eine Ausgangsgröße anhand<br />
unterschiedlicher Methoden mittels zeitabhängiger Sensitivitätsanalyse.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
lierten Modellen geschaffen werden. In Kombination<br />
mit universellen Approximatoren, wie<br />
z. B. neuronalen Netzen oder Fuzzy-Ansätzen<br />
sind zusätzlich Methoden gegeben, die die<br />
Modellcharakteristiken Domänen-unabhängig<br />
annähern. Die Bewertung der Modellqualität ist<br />
dabei über eine Sensitivitätsanalyse integriert.<br />
Statistische Maße ermöglichen dabei Domänen-unabhängig,<br />
einen sinnvollen Kompromiss<br />
zwischen Reduktionsgrad und Modellqualität<br />
zu finden. ■<br />
Zum Autor<br />
DI Martin Benedikt ist<br />
Senior Researcher und<br />
Projektleiter am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
13
Neue Sicherheitskonzepte<br />
für die E-Mobilität<br />
Die ISO 26262 ist der neue Standard für funktional sichere Elektrik und Elektronik (E/E). Speziell die<br />
Entwicklung von Elektrofahrzeugen ist davon betroffen. Systematisches Vorgehen für die Entwicklung eines<br />
funktionalen Sicherheitskonzeptes ist die Bedingung an die Zukunft.<br />
Damit <strong>Fahrzeug</strong>e für die E-Mobilität von morgen<br />
den Sicherheitserwartungen der Kunden<br />
und des Gesetzgebers entsprechen, sind sowohl<br />
gesetzliche Richtlinien für Zulassung<br />
dieser <strong>Fahrzeug</strong>e als auch aktuelle technische<br />
Richtlinien einzuhalten.<br />
Dabei sind unter anderem folgende Sicherheitsaspekte<br />
zu beachten:<br />
• Sicherheit durch organisatorische Maßnahmen<br />
• aktive Sicherheitseinrichtungen<br />
• passive Sicherheitseinrichtungen<br />
• funktionale Sicherheit (E/E-Systeme)<br />
Immer wichtiger werden Entwicklungsnormen<br />
zur funktionalen Sicherheit. Im Automobilbereich<br />
ist dies die brandneue „ISO 26262 – Road<br />
vehicles — Functional safety“. Der Sicherheitsaspekt<br />
wird dabei durch die „sichere Funktion“<br />
von E/E-Systemen im <strong>Fahrzeug</strong> erreicht, wobei<br />
kritische Fehler erkannt und beherrscht werden<br />
sollen, um das <strong>Fahrzeug</strong> in einen sicheren Betriebszustand<br />
bringen zu können.<br />
14 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Durch die im November 2011 veröffentlichte<br />
und rechtlich bindende ISO 26262 wird also ein<br />
systematisches Vorgehen für die Entwicklung<br />
von sicherheitskritischen Systemen notwendig,<br />
um eine sichere Funktion für alle Verkehrsteilnehmer<br />
zu gewährleisten. Notwendig wurde die<br />
Einführung dieses Standard, da die Richtlinie<br />
„IEC 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogenerelektrischer/elektronischer/programmierbarer<br />
elektronischer Systeme“ für das<br />
moderne automotive Umfeld nicht ausreichend<br />
anwendbar ist.<br />
Die ISO 26262 ist kein gesetzlich vorgeschriebenes<br />
Regelwerk, das die Hersteller verpflichtet,<br />
ihre Produkte gemäß der Norm zu entwickeln.<br />
Sie stellt eine technische Empfehlung<br />
an die Sicherheit von Produkten dar. Der Inverkehrbringer<br />
ist aus Sicht der Produkthaftung<br />
rechtlich verpflichtet, die notwendige Sorgfaltspflicht<br />
einzuhalten. Erst mit der Erfüllung der<br />
Anforderungen der ISO 26262 und einem vollständigen<br />
Sicherheitsnachweis kann der Stand<br />
der Technik für das Produkt belegt werden.<br />
Abbildung 1: Möglicher „Blue-Screen“ in einem Elektrofahrzeug?! - Mit der ISO 26262 soll das nicht eintreten.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Damit wird indirekt die enorme Bedeutung der<br />
funktionalen Sicherheit durch die Einführung<br />
der ISO 26262 definiert.<br />
Kritische Fehler in der Elektronik<br />
Die Funktion von Elektrofahrzeugen ist in einem<br />
viel stärkeren Maß an den Einsatz von Elektronik<br />
gebunden als in konventionellen <strong>Fahrzeug</strong>en.<br />
Dabei werden mechanische Komponenten<br />
durch elektrische Systeme ersetzt oder ergänzt<br />
und der Energiefluss im <strong>Fahrzeug</strong> elektronisch<br />
gesteuert. So können zum Beispiel in einem<br />
Elektrofahrzeug Bremsvorgänge um intelligente<br />
Energierückgewinnung ergänzt werden.<br />
Ein sogenannter „Blue-Screen“ (siehe Abbildung<br />
1) in der IT-Welt ist eine Beschreibung<br />
einer bestimmten Kategorie von Fehlermeldungen.<br />
Dabei kommt es ohne Vorwarnung zum<br />
Absturz des Systems. Ein derartiges Ereignis<br />
will sich wohl niemand während der Benutzung<br />
eines <strong>Fahrzeug</strong>s vorstellen. Gefährdungen für<br />
Personen müssen also auf ein vertretbares
und gesellschaftlich akzeptiertes Restrisiko<br />
reduziert werden. Mit der stetig wachsenden<br />
Komplexität elektronischer Komponenten in<br />
<strong>Fahrzeug</strong>en steigt auch die Wahrscheinlichkeit<br />
möglicher Fehlfunktionen. Ist eine sicherheitsrelevante<br />
Komponente von einer solchen Fehlfunktion<br />
betroffen, so könnten dadurch Menschen<br />
zu Schaden kommen.<br />
Neue Herausforderungen in der<br />
Automobilentwicklung<br />
Was ändert sich durch die ISO 26262 für die<br />
bisherigen Phasen der Automobilentwicklung?<br />
Neu ist die Einführung einer eigenständigen<br />
Konzeptphase vor dem Start der System-Entwicklung.<br />
Die Ausarbeitung eines funktionalen<br />
Sicherheitskonzepts für die Umsetzung von<br />
Sicherheitszielen wurde bisher nicht in dieser<br />
Form durchgeführt. In ISO 26262 ist beschrieben,<br />
welche Anforderungen für eine standardkonforme<br />
Umsetzung nachzuweisen sind. Wie<br />
die Norm mit allen zu erfüllenden Vorgaben an<br />
das Management, an die Entwicklungs- und<br />
Analysemethodik bis hin zur Verifikation und<br />
Validierung in die bestehende Prozesslandschaft<br />
eingeführt werden kann, stellt derzeit<br />
die Autohersteller als auch deren Zulieferer vor<br />
eine besondere Herausforderung.<br />
Ausarbeitung des geforderten<br />
Sicherheitskonzepts<br />
Spezifikation des Systems<br />
Zu Beginn der Konzeptphase erfolgt eine detaillierte<br />
Beschreibung des Entwicklungsgegenstandes,<br />
für den der Sicherheitsnachweis zu<br />
erbringen ist. In diesem Dokument sollen alle<br />
bekannten Eigenschaften und Einschränkungen<br />
enthalten sein. Diese sogenannte „Item-Definition“<br />
ist notwendig, damit für jedes Teil-System<br />
die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen<br />
belegt werden kann. Dieser Teilnachweis muss<br />
als Beitrag zum Sicherheitsnachweis des Gesamtsystems<br />
(<strong>Fahrzeug</strong>) bestehen und hierzu<br />
integriert werden können.<br />
Für die Sicherheitsbetrachtung eines Batteriesystems<br />
müssen somit Informationen und<br />
fundierte Testergebnisse vorliegen, mit denen<br />
das Verhalten der Energiespeicherzellen über<br />
deren zulässigen Betriebsgrenzen hinaus analysiert<br />
werden kann. Anhand dieser Daten ist<br />
es dann für ein Batteriesystem möglich, eine<br />
erste aussagekräftige Erhebung der Gefähr-<br />
dungen vorzunehmen, die im Fehlerfall auftreten<br />
könnten.<br />
Gefährdungsanalyse und Risikoeinschätzung<br />
(G&R)<br />
Durch Fehlfunktionen der Betrachtungseinheit<br />
können Gefährdungen für den Menschen<br />
auftreten. Diese werden in der G&R erhoben,<br />
wobei kritische Situationen analysiert werden,<br />
die Kombinationen aus Gefährdungen und bestimmten<br />
Betriebs-/Fahrsituationen darstellen.<br />
<strong>Das</strong> auftretende Risiko wird dabei mit einem<br />
bestimmten „Automotive Safety Integrity Level“<br />
(ASIL) eingestuft. Alle nachfolgenden Anforderungen<br />
der Entwicklungsphasen der ISO 26262<br />
sind von diesem festgelegten ASIL abhängig.<br />
Mit steigendem ASIL steigen auch die Aufwände<br />
für die Entwicklung von sicherheitsrelevanten<br />
E/E-Systemen. Umso mehr Relevanz<br />
erhält somit die Konzeptphase.<br />
Betrachtet man eine Situation in der eine Überladung<br />
eines Batteriesystems auftreten könnte,<br />
so ist dies etwa im Lademodus möglich. <strong>Das</strong><br />
<strong>Fahrzeug</strong> wird dabei von einer externen Ladeeinheit<br />
versorgt. Diese Situation muss nun mit<br />
den in der Norm definierten Faktoren bewertet<br />
werden und daraus kann der resultierende<br />
ASIL direkt abgeleitet werden. Für jede Gefahrensituation<br />
ist ein Sicherheitsziel festzulegen,<br />
das den entsprechenden ASIL erbt. Dieses Sicherheitsziel<br />
ist so zu formulieren, dass damit<br />
in jeder Situation eine Gefährdung durch das<br />
Energiespeichersystems verhindert werden<br />
kann. Diese Sicherheitsziele stellen die oberste<br />
Sicherheitsanforderung in der Entwicklung dar.<br />
Abwenden der Gefährdungen im funktionalen<br />
Sicherheitskonzept<br />
Mit der Ausarbeitung des funktionalen Sicherheitskonzeptes<br />
erfolgt die Formulierung von<br />
funktionalen Sicherheitsanforderungen und deren<br />
Zuordnung an die Hauptelemente der Betrachtungseinheit.<br />
Jedes Sicherheitsziel, das<br />
durch eine E/E-Sicherheitsfunktion umgesetzt<br />
werden soll, wird dabei als funktionale Kette<br />
(Sensorik, Verarbeitungseinheit, Aktuatorik)<br />
zusammengesetzt. Jedes dieser Elemente erbt<br />
den ASIL des Sicherheitszieles. Die Funktion<br />
wird dabei so definiert, dass der sichere Zustand<br />
der Betrachtungseinheit für das Sicherheitsziel<br />
jederzeit gewährleistet wird. Am Ende<br />
der System-Entwicklung ist eine Sicherheits-<br />
Validierung durchzuführen. Dazu müssen zum<br />
Nachweis der Erfüllung der Sicherheitsziele,<br />
Endabnahmekriterien bereits im funktionalen<br />
Sicherheitskonzept formuliert werden.<br />
Freigabe für die Entwicklung<br />
Den Abschluss der Konzeptphase stellt die<br />
Prüfung der G&R und des funktionalen Sicherheitskonzeptes<br />
durch eine externe Organisation<br />
(z.B. TÜV) dar. Auf Basis des geprüften<br />
funktionalen Sicherheitskonzeptes erfolgt die<br />
weitere Entwicklung auf der Systemebene mit<br />
der Erstellung eines technischen Sicherheitskonzeptes.<br />
Am Ende der Entwicklung ist eine<br />
belastbare Argumentation mit entsprechenden<br />
Nachweisen zu dokumentieren, um die angewandten<br />
Methoden und das Vorgehen in den<br />
einzelnen Entwicklungsschritten ausreichend<br />
zu belegen.<br />
Forschungsthema Funktionale<br />
Sicherheit<br />
Funktionale Sicherheit ist für die zukünftige<br />
<strong>Fahrzeug</strong>industrie von enormer Bedeutung.<br />
<strong>Das</strong> stetige Wachstum der Komplexität mit<br />
der Einführung der E-Mobilität wird damit beherrschbar.<br />
Auch am ViF hat daher das Thema Funktionale<br />
Sicherheit einen besonderen Stellenwert<br />
erlangt und wird im Rahmen von Projekten mit<br />
internationaler Beteiligung erforscht. Schwerpunkte<br />
liegen auf den Gebieten der Konzeptphase,<br />
Sicherheitsanalysen, Integration der<br />
Sicherheit in bestehende Entwicklungsprozesse<br />
sowie Sicherheitszertifizierung von E/E-<br />
Systemen. ■<br />
Zu den Autoren<br />
DI Helmut Martin ist<br />
Senior Researcher am<br />
VIRTUAL VEHICLE;<br />
Forschungsthema: Funktionale<br />
Sicherheit<br />
DI Joachim Hillebrand<br />
leitet die Gruppe für<br />
Embedded Systems am<br />
VIRTUAL VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
15
Batteriemodelle:<br />
Kosten und Lebensdauer<br />
Die Themen Kosten und Sicherheit dominieren die Einführung der Elektromobilität. Die Erkenntnis, dass die<br />
reinen Elektrofahrzeuge nicht die CO 2-Emmisionsproblematik lösen werden, ist in der Fachwelt als „Common<br />
Sense“ verstanden worden. Elektromobilität wird sich also in einem intelligenten Verbund von etablierten<br />
Technologien und einer Erweiterung um den elektrischen Antriebsstrang durchsetzen. Damit steigen die<br />
Anforderungen an das Verständnis der Alterungszusammenhänge von Energiespeichern.<br />
Die anstehende Elektrifizierung<br />
Die zunehmende Elektrifizierung der individuellen<br />
Mobilität bringt neue Komponenten ins<br />
<strong>Fahrzeug</strong>, die das technische Spannungsfeld<br />
und die damit verbundenen Herausforderungen<br />
für diese Produkte erhöhen. Die Antriebsstrangkomponenten<br />
wie elektrische Maschinen, die<br />
notwendige Stromrichtertechnologie und die<br />
Energiespeichertechnologien werden derzeit<br />
als Produkt formuliert oder sind bereits in ersten<br />
Lösungen am Markt erhältlich. Neben der<br />
Variante der Hybride (in diesem Zusammenhang<br />
sind hybride Technologien aus Verbrennungskraftmaschine<br />
und elektrischem Antrieb<br />
gemeint), wie sie bereits gut am Markt erhältlich<br />
sind, bringen die Hersteller erste <strong>Fahrzeug</strong>e mit<br />
einem höheren Grad an Elektrifizierung auf den<br />
Markt. Diese Technologien werden als PlugIn-<br />
Varianten mit größerem Energiespeicher für<br />
erste praktikable Reichweiten (in etwa 30 bis 50<br />
km) im rein elektrischen Fahrmodus bezeichnet,<br />
bis hin zu rein elektrischen <strong>Fahrzeug</strong>en,<br />
die derzeit noch ein Nischendasein fristen.<br />
Batteriemodelle - Status und<br />
Erwartungen<br />
Die Modellierungsansätze von elektroche-<br />
Abbildung 1: Prinzipieller Aufbau und Funktion einer Lithium-Ionen Zelle<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
16 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
mischen Zellen sind so vielfältig wie die Variantenvielfalt<br />
der möglichen Zusammensetzung<br />
verschiedener Elektroden- und Elektrolytmaterialien.<br />
Die folgende Aufzählung umfasst Modellierungsansätze,<br />
die das Spannungs- und<br />
Stromzeitverhalten widerspiegeln.<br />
Folgende Ansätze werden in der Fachwelt für<br />
Spannungs- und Strommodelle als Ausgangs-<br />
und Eingangsgrößen verfolgt:<br />
• Impedanzmodelle (Resistiv- kapazitive-<br />
induktive Netzwerke):<br />
• Empirische Approximationsmodelle<br />
• Elektrochemische (mechanistische)<br />
Modelle<br />
Impedanz- und empirische Modelle basieren<br />
nicht auf den mechanistischen Vorgängen in<br />
der Zelle selbst, sondern behandeln diese<br />
als Black-Box. Hierbei wird das Zellverhalten<br />
über Parameterfitting für eine vorher gewählte<br />
(Schaltungs-) Topologie ausgeführt. Diese beiden<br />
Verfahren haben gemeinsam, dass sie nur<br />
in dem der Testmatrix entsprechenden Parameterraum<br />
gültig sein können. Damit steigt die Unsicherheit<br />
in der Modellierung von Betriebszuständen,<br />
die nicht vorher exakt definiert wurden<br />
und bereits in die Erstellung der Testmatrix mit<br />
eingeflossen sind. Die Modellgattung der mechanistischen<br />
Modellierung ist von der Know-<br />
How-Tiefe um ein Vielfaches anspruchsvoller,<br />
bietet demgegenüber Möglichkeiten, auf die tatsächlichen<br />
Vorgänge in der Zelle rückzuschließen.<br />
Und genau dieser Umstand rechtfertigt<br />
den Aufwand der detailreichen Modellierung<br />
in den elektrochemischen Zusammenhängen,<br />
speziell in der Produktentwicklung von Zellen<br />
und Batteriesystemen und der Lebensdauerabschätzung.<br />
Über die Reduktion der Modelldimension auf<br />
eine Dimension ergibt sich eine starke Vereinfachung<br />
des Modellansatzes und Komplexität<br />
der Modellierung. Damit lassen sich grundsätzliche<br />
Modellansätze erproben und vereinfachte<br />
Modelle verifizieren. Leider kann eine<br />
Modellierungstiefe in nur einer Dimension nur<br />
ein Zwischenschritt hin zum 3D- Modell der<br />
realen Zelle sein. Final muss die Modellierung<br />
der Zelle in der realen drei-dimensionalen Geometrie<br />
mit inkludierten Alterungsmechanismen<br />
möglich sein. An diesem Punkt scheitert derzeit<br />
die Fachwelt, da sowohl eine umfassende<br />
Modellierung als auch die damit verbundenen<br />
Rechenzeiten fernab von einer praktikablen<br />
Einsetzbarkeit sind.<br />
Der Weg von 1D zu 3D - das Abbilden<br />
einer realen Zelle im Modell<br />
Ein Ansatz, der speziell in diesem Projekt gewählt<br />
wurde, ist die Homogenisierung der Geometrie.<br />
Hierbei werden die Basisgleichungen<br />
jeweils auf eine Dimension eingeschränkt.<br />
Während der Implementierung in eine numerische<br />
Lösung werden diese Gleichungen der<br />
Dimensionseinschränkung entsprechend diskretisiert.<br />
Der Vorteil dieses Verfahrens: Jede<br />
der Gleichungen muss nur in einer Dimension<br />
gelöst werden. Damit kann das reale Verhalten<br />
der Zelle abgebildet und vor allem der Modellansatz<br />
mit gewissen Einschränkungen verifiziert<br />
werden. Die Bezeichnung 1,5D (ein Zwi-
Abbildung 2: Alterungsprognose, der traditionelle<br />
Pfad und die Erweiterung mittels Modell<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
schenschritt zwischen 1D und 2D) bezieht sich<br />
auf den Umstand, dass jede Gleichung zwar<br />
nur in einer Dimension gelöst wird, aber unterschiedliche<br />
Gleichungen und deren Dimensionen<br />
normal aufeinander ausgerichtet sind.<br />
Damit können im Modell beide Dimensionen<br />
abgebildet werden.<br />
Final kann also festgestellt werden, dass ein<br />
elektrochemisches Modell reale Vorgänge in<br />
einem Modell vereinfacht abbildet. Damit entsteht<br />
ein Werkzeug, das sogar unter Last der<br />
Zelle oder des Batteriesystems eine Aussage<br />
auf Vorgänge in der Zelle zulässt. Ein spezieller<br />
Anwendungsfall ist die Verbindung der Lebensdauerprognose<br />
mit diesem detaillierten Modellierungsansatz.<br />
Hierbei werden schädigende<br />
Vorgänge bewertet und als Information in die<br />
Prognose mit eingebunden.<br />
„Elektro-Chemisches Modell“ - eine<br />
Definition<br />
Die Grundelemente einer Batteriezelle sind die<br />
Ableiter. Dies sind Folien aus Kupfer und Aluminium,<br />
welche die Verbindung des chemisch aktiven<br />
Materials mit dem jeweiligen Pol der Zelle<br />
bilden und die mechanische Stabilität gewährleisten.<br />
Die Längskoordinate des Modellgebiets<br />
verläuft also von einer Ableiterfolie zur anderen.<br />
Die Aktivmaterialschichten der Zelle (positive<br />
und negative Elektrode) sind von poröser<br />
Natur. Die Feststoffe dieser<br />
Struktur bestehen aus den<br />
aktiven Substanzen (Interkalationsmaterial,Hostmaterial),<br />
elektrisch leitendem und<br />
zum Teil ebenfalls aktivem<br />
Material (Leitruß) und klebendem<br />
Material (Binder). In<br />
den Hohlräumen des Materials<br />
befindet sich eine flüssige<br />
Phase, die dem Ionentransport<br />
zwischen den Elektroden<br />
dient, der Elektrolyt. In<br />
Abbildung 1 wird die feste<br />
Phase durch Kreise symbolisiert,<br />
der Leitruß sowie Binder<br />
sind nicht eingezeichnet.<br />
Sie befinden sich zwischen<br />
den Kreisen und verbinden<br />
diese. Die tatsächliche Form<br />
der aktiven Substanzen variiert<br />
zwischen Flakes bis zu<br />
annähernd Kugelform, die<br />
Größe der Partikel (1 Partikel<br />
= 1 Kreis) von wenigen Nanometern bis zu<br />
einigen Mikrometern. Interkalationsmaterialien<br />
sind kristalline Stoffe, welche Lithiumatome in<br />
Zwischengitterplätze aufnehmen (interkalieren)<br />
und dort unter Ausbildung eines chemischen<br />
Potentials speichern können. Diese Komponenten<br />
finden sich im Modell und werden vereinfacht<br />
mechanistisch abgebildet.<br />
Verbindung zwischen elektro-<br />
chemischem Modell und Alterungsproblematik<br />
Der Stand der Technik in der Lebensdauerprognose<br />
von Batteriesystemen ist in Abbildung<br />
2 in der linken Bildhälfte beschrieben. Hierbei<br />
werden mittels vorab definierter Testmatrizen,<br />
die auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten<br />
sind, Alterungsexperimente gestartet. Diese Alterungsexperimente<br />
laufen je nach Anwendung<br />
bis zu mehrere Jahre. Zudem sind derzeit noch<br />
keine Raffungsmechanismen bekannt, die diese<br />
Testzeit signifikant verkürzen würden. Der<br />
parallele Pfad der elektrochemischen (EC)-<br />
Modellerweiterung bringt ein zweites Standbein<br />
in diese Prognose ein. Üblicherweise wird<br />
in den Kundenanforderungen für Batteriesysteme<br />
eine Lebensdauer von zehn oder mehr<br />
Jahren festgeschrieben. Im Vergleich dazu<br />
beträgt die Entwicklungszeit eines Batteriesystems<br />
zum fertigen Produkt in etwa zwei bis<br />
drei Jahre. Diese Entwicklungszeiten sind dann<br />
realistisch, wenn bereits auf einer freigeprüften<br />
Einzelzelle, dem Kernstück eines Batteriesystems,<br />
aufgebaut werden kann.<br />
Daher ist es von grundlegendem Interesse, die<br />
Streuung der Vorhersage in engen Grenzen zu<br />
halten. <strong>Das</strong> ist mit rein empirischen Methoden<br />
schwierig bis unmöglich.<br />
Hier bietet die Verschränkung mit dem elektrochemischen<br />
Modell die Möglichkeit, die<br />
Streuung zu reduzieren. Neben der erhöhten<br />
Prognosefähigkeit bietet diese Verschränkung<br />
einen weiteren Vorteil. Sollte sich während<br />
der Entwicklung die Notwendigkeit ergeben,<br />
grundsätzliche Eigenschaften der Basiszelle<br />
und auch des Batteriesystems zu ändern,<br />
müsste eigentlich das gesamte Alterungsexperiment<br />
wiederholt werden. Als Beispiel sei hier<br />
die Schichtdicke der Elektroden der Lithium-<br />
Ionen Zelle genannt. <strong>Das</strong> elektrochemische<br />
Modell bietet hier die Möglichkeit, den Trend<br />
der Alterungsprognose abzuschätzen und<br />
die bestehenden Daten neu zu interpretieren.<br />
Kombiniert mit neu gestarteten Testläufen wird<br />
diese Prognose abgesichert. Aus dem elektrochemischen<br />
Modell lassen sich damit die für<br />
die Alterung kritischen Betriebszustände abschätzen<br />
und das Alterungsexperiment weniger<br />
breit, trotzdem mit ausreichender Aussagekraft<br />
auslegen.<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> Batteriesystem ist heute das technische<br />
und wirtschaftliche Nadelöhr in der Umsetzung<br />
der Elektromobilität. Eine zuverlässige und robuste<br />
Alterungsprognose im komplexen Umfeld<br />
des Automobils ist die Grundvoraussetzung,<br />
um das System effizient nutzen zu können.<br />
Damit kann verhindert werden, dass Systeme<br />
überdimensioniert und damit zu teuer am Markt<br />
platziert werden. Dem gegenüber steht eine zu<br />
kleine Dimensionierung des Energiespeichers<br />
und damit einhergehend entweder verringerte<br />
Kundenfunktion, wie zum Beispiel zu geringe<br />
Reichweite, oder zu wenig Treibstoffersparnis.<br />
Sollte es im schlechtesten Fall zu gehäuften<br />
Ausfällen des <strong>Fahrzeug</strong>s beim Endkunden<br />
kommen, wird die Elektromobilität nicht ihr inhärentes<br />
Potential aufzeigen können und sich<br />
deswegen möglicherweise nicht durchsetzen. ■<br />
Zum Autor<br />
Dr. Alex Thaler leitet die<br />
Batterie-Gruppe am<br />
VIRTUAL VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
17
Technische Informatik<br />
an der TU Graz<br />
Der Forschungsschwerpunkt des Instituts für Technische Informatik (ITI) der TU Graz liegt in der Untersuchung<br />
von eingebetteten, verteilten und vernetzten Echtzeit-Systemen (Cyber-Physical Systems), das heißt im Entwurf,<br />
Analyse und in der Entwicklung von performance-, energie-, sicherheits-, und zuverlässigkeitsorientierten<br />
Rechnerarchitekturen für industrielle Anwendungen.<br />
<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik wurde<br />
im März 1987 an der Fakultät für Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik der Technischen<br />
Universität Graz eingerichtet und versteht sich<br />
als Bindeglied zwischen der Elektrotechnik und<br />
Informatik. Seit seiner Gründung durch O.Univ.-<br />
Prof. Dr. Reinhold Weiß hat das Institut eine beachtliche<br />
Entwicklung genommen. So arbeiten<br />
am Institut derzeit 21 wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
und 3 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter.<br />
Lehre<br />
<strong>Das</strong> Angebot für eine forschungsorientierte<br />
Lehre wurde im Lauf der Jahre ständig erweitert<br />
und an die aktuellen Entwicklungen<br />
angepasst. Mehr als 300 Studenten/innen der<br />
Studienrichtungen Elektrotechnik, Telematik<br />
und Informatik entschieden sich bisher, ihre Diplomarbeit<br />
am Institut für Technische Informatik<br />
durchzuführen, 75 Studenten haben am Institut<br />
für Technische Informatik promoviert und es<br />
gab 2 Habilitationen.<br />
Design-Flow im ViF-Projekt MEPAS für sicherheitsgerichtete<br />
automotive Anwendungen.<br />
Quelle: TU Graz, ITI<br />
Forschung<br />
18 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Im Fokus unserer Aktivitäten ist die ständige<br />
Verbesserung der Forschungsleistungen des<br />
Instituts. Diese Leistung misst sich an der<br />
Anzahl von Publikationen auf internationaler<br />
Ebene (Journalen, Büchern, Konferenzen), an<br />
unserem Drittmittelaufkommen und der Anzahl<br />
der Promotionen.<br />
Der Forschungsschwerpunkt des Instituts für<br />
Technische Informatik liegt in der Untersuchung<br />
von eingebetteten, verteilten und vernetzten<br />
Echtzeit-Systemen, d.h. im Entwurf, Analyse<br />
und in der Entwicklung von performance-, energie-,<br />
sicherheits-, und Zuverlässigkeitsorientierten<br />
Rechnerarchitekturen (Hardware und<br />
Software) für industrielle Anwendungen. Dieser<br />
Schwerpunkt setzt sich aus den Bereichen<br />
Hardware/Software Codesign, Pervasive and<br />
Sensorbased Computing, Industrial Informatics<br />
– Model-based Architectures und Real-<br />
Time Systems zusammen. (siehe http:\\www.iti.<br />
tugraz.at)<br />
Hardware/Software Codesign<br />
beschäftigt sich mit Methodiken<br />
für die Entwicklung von optimierten<br />
Systemen. Dabei wird<br />
die Funktionalität auf der Systemebene<br />
modelliert, analysiert<br />
und partitioniert (Funktion in<br />
Hardware oder Software - Untersuchung<br />
des Entwurfsraumes).<br />
Danach wird eine Abschätzung<br />
der Systemparameter durchgeführt.<br />
Die FIT-IT Forschungsprojekte<br />
LOWSOM, CoCoon und<br />
DAVID (Industriepartner NXP)<br />
forschen an optimierter Hardware und Software<br />
für zukünftige Smart Cards. Hardware/<br />
Software Cosimulation, eine Kernkomponente<br />
im HW/SW Codesign, ist heutzutage eines<br />
der Schlüsselgebiete bei der Entwicklung heterogener<br />
Systeme. Allerdings kann mit den<br />
bisher gängigen Simulationsmethoden (eine<br />
Modellierungssprache, ein Simulator) die hohe<br />
Zahl an beteiligten unterschiedlichen Domä-<br />
nen (z.B. Mechanik, Elektronik, Software) mit<br />
ihren vielfältigen Anforderungen nicht mehr<br />
vernünftig beherrscht werden. Dadurch gewinnt<br />
Cosimulation auch im Automobilbereich immer<br />
mehr an Bedeutung. In mehreren Projekten<br />
wurde ein Cosimulationsframework geschaffen<br />
welches eine sprachunabhängige Modellierung<br />
für heterogene Systeme ermöglicht und daraus<br />
automatisch eine Co-Verifikationsplattform<br />
generiert. Diese wurde dann im ViF-Projekt<br />
TEODACS für die Simulation eines FlexRay<br />
Netzwerkes angewendet und weiterentwickelt.<br />
Pervasive und sensorbased Computing beschäftigt<br />
sich mit Rechnerarchitekturen und energieeffizienter<br />
Middleware für Wireless Sensor<br />
Networks sowie RFID-Systeme unter besonderer<br />
Berücksichtigung von Zuverlässigkeit und<br />
Fehlertoleranz. Energieeffiziente Middleware<br />
stellt spezielle Funktionen eines Netzwerkes,<br />
wie zum Beispiel Routing und Scheduling, für<br />
Applikationen zur Verfügung. Somit werden<br />
verteilte Aufgaben sowohl schnell, als auch<br />
energieeffizient abgearbeitet. Durch Energy<br />
Harvesting wird Energie aus der Umwelt für die<br />
notwendige Betriebsautonomie der Netzwerkknoten<br />
gewonnen. Um eine möglichst hohe Energieeffizienz<br />
zu gewährleisten, müssen Hardware-<br />
und Softwarekomponenten aufeinander<br />
abgestimmt werden. Durch hardwarenahe<br />
Simulation wird dieser Prozess entscheidend<br />
vereinfacht.<br />
Im Bereich Power Aware Computing, welcher<br />
sich mit der Entwicklung energieeffizienter<br />
System beschäftigt, ist die Abschätzung des<br />
Stromverbrauchs, des Leistungsverbrauchs<br />
und der Energieaufnahme, sehr schwierig, da<br />
diese Werte stark durch die Software (Middleware,<br />
Betriebssystem, Applikation) beeinflusst<br />
werden. Die FIT-IT Forschungsprojekte PowerHouse,<br />
PowerModes und METASEC (Industriepartner<br />
Infineon) konzentrieren sich auf<br />
diesen Bereich, wie zum Beispiel der Entwicklung<br />
einer Power-Emulations Plattform, welche<br />
Informationen zur Leistungsanalyse von neuen<br />
Prozessoren zur Verfügung stellt.
Durch die Problematik der großen Stromaufnahme<br />
von Prozessoren (durch die hohen Taktraten)<br />
und der damit verbundenen Erwärmung<br />
(Kühlung, Zunahme der Fehler) ist seit einigen<br />
Jahren großer Forschungsbedarf im Bereich<br />
von Multi- und Many-Core Prozessoren, einem<br />
weiteren Schwerpunkt am Institut für Technische<br />
Informatik.<br />
<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik beschäftigt<br />
sich im Kontext Modellbasierte Architekturen<br />
mit multidisziplinären industriellen Software-<br />
und Systemarchitekturen für innovative<br />
Lösungen in den Bereichen für prozessgekoppelte<br />
und eingebettete Systeme unter spezieller<br />
Betrachtung der Themen funktionale Sicherheit<br />
und Zuverlässigkeit, aber auch Effizienz und<br />
Effektivität im Entwicklungsprozess. Dies wird<br />
derzeit beispielsweise im Projekt HI-PASE<br />
(Industriepartner Andritz Hydro GmbH) für die<br />
Steuerung von Wasserkraftwerksanlagen bearbeitet.<br />
Mit einem Schwerpunkt auf Product Line Engineering<br />
wird die Entwicklungsmethodik für derartige<br />
multi-disziplinäre Systeme unterstützt.<br />
Explizite Modellierung von Variabilität in Software<br />
führen mit der entsprechenden Werkzeugunterstützung<br />
zu systematischer Wiederverwendung<br />
im Sinne einer Plattformstrategie, für<br />
sich ein Thema mit hoher praktischer Relevanz.<br />
Diese Ansätze werden unter anderem im ViF-<br />
Projekt HybConS (Software Product Lines für<br />
automotive Systeme mit AVL) und SafEUr (EUweites<br />
Life-Long-Learning Projekt im Bereich<br />
Entwurf von sicherheitskritischen Systemen)<br />
abgedeckt.<br />
Forschungskooperationen<br />
Durch die vorgegebenen Rahmenbedingungen<br />
an den Universitäten ist natürlich die Akquirierung<br />
von Drittmitteln durch Firmenkooperation<br />
und Förderungen sehr wichtig. <strong>Das</strong> nun<br />
fast 25-jährige Bestehen des Instituts für<br />
Technische Informatik war geprägt durch eine<br />
intensive Kooperation zwischen Hochschule,<br />
Wirtschaft und Industrie.<br />
Wichtig, aus der Sicht des Institutes ist die<br />
Einwerbung neuer Drittmittel, Anstellung neuer<br />
Dissertanten und die Publikation der resultierenden<br />
Ergebnisse auf internationaler Ebene.<br />
Für die Industrie entstehen neue Methoden<br />
bzw. Prototypen, die in neuen Produkten und<br />
Systemen Anwendung finden.<br />
Diese Kooperationen ergeben eine Win-Win<br />
Situation für alle beteiligten Partner, für die<br />
Projektmitarbeiter im Sinne einer interessanten<br />
und praxisrelevanten Ausbildung. Aber auch<br />
für die Universität im Sinne industrierelevanter<br />
Themen für Forschung und Lehre und für das<br />
Unternehmen im Sinne technischen Knowhows<br />
und Mitarbeiterrekrutierung.<br />
Wissenschaftlicher Partner des<br />
VIRTUAL VEHICLE im K2-COMET<br />
<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik ist wissenschaftlicher<br />
Partner der ersten Stunde im<br />
COMET K2-Forschungsprogramm „K2-Mobility<br />
- Sustainable Vehicle Technologies“.<br />
Die Projekte TEODACS (abgeschlossen), HYB-<br />
CONS und MEPAS haben in den letzten fünf<br />
Jahren die Zusammenarbeit mit dem VIRTU-<br />
AL VEHICLE und den Firmen austriamicrosystems,<br />
AVL, CISC Semiconductors und Magna<br />
geprägt. In diesem Rahmen arbeiten drei Dissertanten<br />
und 8 Diplomanden an ihren wissenschaftlichen<br />
Arbeiten. Die Ergebnisse wurden<br />
auf internationalen Kongressen publiziert.<br />
<strong>Das</strong> Projekt TEODACS (Test, Evaluation and<br />
Optimization of Dependable Automotive Communication<br />
Systems) erforschte Bordnetzwerke<br />
der Zukunft durch die Analyse von realen Prototypen<br />
und Co-Simulationsumgebungen, am<br />
Beispiel von FlexRay. <strong>Das</strong> Ziel des Projektes<br />
HYBCONS (Generic Hybrid vehicle control<br />
software) ist die Entwicklung und die Implementierung<br />
einer generischen, wiederverwendbaren<br />
Hybrid-Software für Mild- und Vollhybridfahrzeuge<br />
basierend auf den Einsatz moderner<br />
Software-Entwicklungsprozesse. MEPAS (Methods<br />
and processes for automotive embedded<br />
software development, verification and<br />
validation) beschäftigt sich mit dem Entwurf,<br />
Implementierung und Evaluierung einer durchgängigen<br />
Entwicklungsumgebung für sicher-<br />
Unterstützung von Software-Variablität im ViF-Projekt HYBCONS durch Software<br />
Product Lines im Entwicklungszyklus für automobile Steuerungssoftware.<br />
Quelle: TU Graz, ITI<br />
heitsrelevante Automotive Anwendungen. Ein<br />
weiterer Schwerpunkt neben der Architektur<br />
liegt in der Methode, die zum Nachweis der Sicherheitsintegrität<br />
erforderlich ist.<br />
Die Erfahrung hat gezeigt, dass man als wissenschaftlicher<br />
Partner des VIRTUAL VEHI-<br />
CLE nicht nur Auftragnehmer ist, sondern als<br />
Partner „auf Augenhöhe“ wahrgenommen wird.<br />
<strong>Das</strong> nächste Vierteljahrhundert<br />
Die Forschungsausrichtung des Institut für<br />
Technische Informatik hat sich sowohl im Umfeld<br />
der TU Graz, mit den Firmen im Bereich<br />
der Halbleiterherstellung (austriamicrosystems<br />
AG, Infineon Technologies Austria AG, NXP<br />
Semiconductors Austria GmbH) und Automobilindustrie<br />
(AVL List GmbH, MAGNA STEYR AG<br />
& Co KG), als auch auf internationaler Ebene<br />
(IMEC-Eindhoven, University College Dublin,<br />
…) bestens bewährt. Diese ist auch weiterhin<br />
ein Garant für erfolgreiche Kooperationen, auch<br />
für neue Anwendungsgebieten wie z.B. Steuerungssysteme<br />
für Smart Grids oder E-Mobility.<br />
Besonderer Dank gilt unserem Emeritus,<br />
O.Univ.-Prof. Dr. Reinhold Weiß. Ihm ist es zu<br />
verdanken, dass das Institut für Technische Informatik<br />
einen ausgezeichneten Ruf auf nationaler<br />
und internationaler Ebene besitzt. ■<br />
Zum Autor<br />
Ass.-Prof. Dr. Christian<br />
Steger leitet die Arbeitsgruppe<br />
Hardware/Software<br />
Codesign am Institut für<br />
Technische Informatik der<br />
TU Graz.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Forschungs-Partner<br />
19
E-VECTOORC: E-<strong>Fahrzeug</strong>e<br />
sicherer und besser machen<br />
<strong>Das</strong> neu gestartete EU-Projekt E-VECTOORC vereint europäische <strong>Fahrzeug</strong>hersteller und Universitäten, um<br />
Elektrofahrzeuge sicherer und komfortabler zu machen und ganz nebenbei auch gleich den Fahrspaß erhöhen.<br />
<strong>Das</strong> VIRTUAL VEHICLE Forschungszentrum bringt seine umfassende Expertise im Bereich Simulation und<br />
Modellierung ein.<br />
Quelle: http://e-vectoorc-eu<br />
Für das EU-Projekt E-VECTOORC (Electric-<br />
VEhicle Control of individual wheel Torque<br />
for On- and Off-Road Conditions), welches im<br />
7. EU-Rahmenprogramm mit 3 Mio. Euro geförderte<br />
wird, hat sich ein europäisches Forschungskonsortium<br />
von Automobilherstellern<br />
und Universitäten zusammengeschlossen. Ziel<br />
des Projekts ist es, Sicherheit, Komfort und<br />
Fahrspaß von Elektrofahrzeugen sowohl unter<br />
Onroad- als auch Offroad-Bedingungen zu erhöhen.<br />
Erreicht werden soll dies durch eine individuelle<br />
Momentenregelung der im <strong>Fahrzeug</strong><br />
verbauten Elektromotoren.<br />
Reduktion von Energieverbrauch<br />
und Bremsweg<br />
Zentrale Themen des Projektes sind die Reduktion<br />
von Energieverbrauch und Bremsweg bei<br />
gleichzeitig verbessertem Beschleunigungsverhalten<br />
von Elektrofahrzeugen. Die Entwicklungsansätze,<br />
die hierbei verfolgt werden,<br />
zielen auf eine gezielte Beeinflussung der <strong>Fahrzeug</strong>längs-<br />
und -querdynamik in allen Fahrsituationen<br />
ab. Die radindividuelle Momentenvorgabe<br />
durch die vier im <strong>Fahrzeug</strong> verbauten,<br />
unabhängigen Elektromotoren beeinflusst das<br />
Steuerverhalten mittels Längs- und Quer-Torque-Vectoring.<br />
Eine neuartige, hochfrequente<br />
20 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Modulation der Radmomente verbessert das<br />
Verhalten des Antiblockiersystems (ABS) und<br />
der Traktionskontrolle (TC). Die Kombination<br />
dieser Technologien im Verbund mit einem<br />
neuartigen Energiemanagement ermöglicht ein<br />
deutlich verbessertes Rekuperationsverhalten<br />
(Energierückgewinnung beim Bremsen).<br />
Versuchfahrzeug<br />
Land Rover Freelander<br />
Zur Überprüfung der Entwicklungsziele wird<br />
beim Konsortialpartner Jaguar / Land Rover ein<br />
entsprechendes Versuchsfahrzeug aufgebaut.<br />
Mit Jaguar / Land Rover und Škoda bringen<br />
zwei renommierte europäische Automobilhersteller<br />
ein weites Spektrum an verschiedenen<br />
<strong>Fahrzeug</strong>typen in dieses Forschungsprojekt<br />
ein – von Luxusklasse-Limousinen über Geländefahrzeuge<br />
bis zu <strong>Fahrzeug</strong>en im breiten<br />
Massensegment. Auf diese Weise sind die erzielten<br />
Projektergebnisse auf eine Vielzahl von<br />
<strong>Fahrzeug</strong>kategorien anwendbar.<br />
Forschungsschwerpunkte beim<br />
VIRTUAL VEHICLE<br />
Ein zentrales Entwicklungsziel von E-VEC-<br />
TOORC ist der Entwurf eines echtzeitfähigen<br />
Optimierungsverfahrens, welches erstmals die<br />
direkte Verbindung der Systeme Energiemanagement<br />
und Fahrdynamikregelung im <strong>Fahrzeug</strong><br />
ermöglicht. Dieser Task wird federführend<br />
vom VIRTUAL VEHICLE betreut.<br />
Weitere Forschungsthemen für das ViF im Projekt<br />
sind:<br />
• Methoden zur automatisierten<br />
Abstimmung der Regelungssysteme<br />
• Modellierung der Fahrereingaben<br />
• Integration der Buskommunikation<br />
(CAN, FlexRay)<br />
• Entwurf für eine neuartige Regelung für<br />
ABS, TC und Torque-Vectoring<br />
<strong>Das</strong> E-VECTOORC Konsortium<br />
Die Konsortialpartner des VIRTUAL<br />
VEHICLE im Projekt E-VECTOORC sind:<br />
• University of Surrey (UK, Lead)<br />
• Technische Universität Ilmenau (D)<br />
• Jaguar Cars Ltd. (UK)<br />
• Land Rover (UK)<br />
• Flanders‘ DRIVE cvba-so (B)<br />
• Inverto N.V. (B)<br />
• Fundación CIDAUT (E)<br />
• Instituto Tecnológico de Aragón (E)<br />
• Škoda Auto, a.s. (CZ)<br />
• Lucas Varity GmbH (D)<br />
<strong>Das</strong> Projekt wurde am 1. September 2011 gestartet,<br />
die Laufzeit beträgt 3 Jahre. ■<br />
Zum Autor<br />
Dr. Josef Zehetner leitet<br />
das Projekt E-VECTOORC<br />
am VIRTUAL VEHICLE.<br />
http://e-vectoorc-eu
Im Interview: Dr. Michael Paulweber, AVL<br />
Trends im Bereich ITS<br />
VVM: Welche Forschungsbereiche, Trends und<br />
Herausforderungen sehen Sie mittelfristig bis<br />
2017 als relevant an?<br />
Paulweber: Die “Instrumentation and Test Systems“<br />
(ITS) Division der AVL List GmbH ist der<br />
größte unabhängige Hersteller von Mess- und<br />
Testsystemen, die in der Automobilindustrie in<br />
Forschung, Entwicklung und Qualitätsprüfung<br />
von Antriebssträngen und deren Komponenten<br />
wie Verbrennungsmotoren, Batterien, eMotoren,<br />
Getrieben, Kupplungen eingesetzt werden.<br />
In ITS Research & Technology beschäftigen<br />
wir uns mit zukunftsweisenden Ideen und<br />
Trends, um für die Automobilindustrie innovative<br />
Messinstrumente und Testeinrichtungen zu<br />
entwickeln, die sie für ihre Projekte in 3 bis 7<br />
Jahren brauchen werden.<br />
Als wichtigsten Forschungsbereich erachte ich<br />
die Mess- und Testherausforderungen, die mit<br />
alternativen Antriebsstrangkonzepten („Powertrain“)<br />
und den zugehörigen Komponenten derzeit<br />
neu entstehen. Die Einführung der neuen<br />
Powertrain-Konzepte in den <strong>Fahrzeug</strong>en wird<br />
von der Notwendigkeit einer signifikanten Verbrauchssenkung<br />
und CO 2 -Reduktion getrieben,<br />
um unseren Nachkommen eine lebenswerte<br />
Welt zu erhalten. Ein Bespiel sind die neuartigen<br />
Messaufgaben, die mit der Einführung<br />
hybrider Antriebssysteme entstanden sind.<br />
Hybrid-Systeme sind eine Kombination von<br />
Verbrennungskraftmaschinen oder Brennstoffzellen<br />
mit Batterien als schnelle elektrische<br />
Speicher, Elektromotoren als (zusätzliche) Antriebe.<br />
Dabei können verschiedenste Kombinationen<br />
aus den Komponenten gebildet werden.<br />
Hybride Antriebsstränge sind daher wesentlich<br />
komplexer als herkömmliche Antriebskonzepte,<br />
sie erfordern unter anderem das genaue Messen,<br />
Regeln und Testen von mechanischen,<br />
thermischen, chemischen und elektrischen<br />
Größen.<br />
Um diese Komplexität beherrschen zu können,<br />
bieten funktions- und modellbasierte Entwicklungsmethoden<br />
vielversprechende Ansätze, die<br />
die bis jetzt getrennten Simulations- und Testaufgaben<br />
zusammenwachsen lassen. Damit<br />
entsteht ein projektübergreifender einheitlicher<br />
Entwicklungsprozess, in dem Anforderungen<br />
in funktionellen Modellen abgebildet werden.<br />
Damit kann die Systemarchitektur neuer Fahr-<br />
zeuge entwickelt werden. Die Modelle können<br />
aber auch zur Testfallgenerierung eingesetzt<br />
werden. Modelle werden auch in Verifikation<br />
und Validierung dazu verwendet, noch fehlende<br />
<strong>Fahrzeug</strong>komponenten zu simulieren, um die<br />
real vorhandenen Teile unter möglichst wirklichkeitsnahen<br />
Bedingungen testen zu können.<br />
Ein wichtiger Aspekt ist die Abstraktion und<br />
Harmonisierung von Entwicklungsschritten im<br />
Entwicklungsprozess eines Antriebsstrangs.<br />
Sie ist eine Voraussetzung, dass generalisierte<br />
Modelle in verschiedenen Stufen der Entwicklung<br />
(im V-Prozess) verwendet werden können.<br />
Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt<br />
ist die Reduktion der Entwicklungszeit in der<br />
<strong>Fahrzeug</strong>industrie. Wesentlich besser automatisierte<br />
Test- und Optimierungswerkzeuge zum<br />
Finden optimaler Einstellungen der Steuergeräteparameter<br />
helfen dieses Ziel zu erreichen.<br />
Auch hier ist ein firmenübergreifender Einsatz<br />
von Entwicklungs- und Testmethoden mit den<br />
dazu benötigten Funktions- und Simulationsmodellen<br />
einer der Schlüssel zum Erfolg.<br />
Der rasche Einzug der Fahrerassistenzsysteme<br />
und der zunehmende Einfluss von Internet und<br />
Unterhaltungselektronik in modernen <strong>Fahrzeug</strong>en<br />
führt zu ähnlichen Herausforderungen.<br />
Car-2-Car und Car-2-Infrastructure Kommunikation<br />
erlauben eine effizientere Nutzung des<br />
kostbaren Platzes auf den Straßen besonders<br />
in den Megacities. Großer Forschungsbedarf<br />
besteht hier in Teststrategien, um Regel- und<br />
Steuersysteme und -algorithmen in diesen sehr<br />
komplexen und sich dynamisch dauernd verändernden<br />
Netzwerken entwickeln zu können.<br />
VVM: Welche besonderen Kompetenzen und<br />
Fähigkeiten sind dabei wichtig?<br />
Paulweber: Die wichtigsten Technologiefelder<br />
zu den Forschungsthemen sind (Nano-)Physik,<br />
Elektrochemie und Verfahrenstechnik für die<br />
Entwicklung präziserer Sensoren für Batterien,<br />
Umrichter, eMotoren, Brennstoffzellen, Katalysatoren,<br />
Verbrennungsmotoren, in der Mess-<br />
und Steuergeräteentwicklung Embedded Software<br />
Engineering , model based development,<br />
Simulation und Modellbildung, Anforderungsmanagement<br />
sowie moderne Testtechnologien.<br />
Dazu kommt Internettechnik kombiniert mit<br />
Steuergeräte-Know-How, Testmethoden.<br />
VVM: Welches Potential sehen Sie für das ViF<br />
in diesem Umfeld? Welche Randbedingungen<br />
sind zu beachten?<br />
Paulweber: Potential für das ViF sehe ich vor<br />
allem in forschungs- und vorentwicklungsrelevanten<br />
Aspekten, da das COMET Konzept<br />
in sehr guter Weise die Zusammenarbeit von<br />
Forschern im ViF mit unterschiedlichen Automobilfirmen<br />
an schwierigen praxisrelevanten<br />
und zukunftsweisenden Forschungsthemen<br />
mit einer interessanten Förderquote erlaubt.<br />
Die Evaluierung potentieller Konzepte und die<br />
Untersuchung von technologischen Risiken<br />
sind dabei besonders wichtig. Die Erstellung<br />
von Prototypen samt dem zugehörigen Know-<br />
How-Transfer in die Industrie ist bedeutsam,<br />
aber auch die entstehende Kommunikation mit<br />
Experten aus unterschiedlichen Firmen im Automotive<br />
Bereich hat sich als essentiell herausgestellt.<br />
Besonders beim Know-How-Transfer<br />
kann ich mir eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit<br />
zwischen dem ViF und AVL vorstellen.<br />
Natürlich ist auch der Kontakt mit anderen<br />
Universitäten und Forschungsinstituten wichtig,<br />
um die Kompetenzen auf einer breiten Basis<br />
auszubauen.<br />
VVM: Welche Alleinstellungsmerkmale sehen<br />
Sie am ViF bzw. welche sollen verstärkt aufgebaut<br />
werden?<br />
Paulweber: <strong>Das</strong> ViF hat großes Wissen in Simulationsmodellen<br />
für Komponenten eines Gesamtfahrzeug,<br />
aber auch in der Co-Simulation<br />
und in <strong>Fahrzeug</strong>netzwerken aufgebaut. Daneben<br />
ist in den letzten Jahren wichtiges Wissen<br />
in der funktionsorientierten Modellierung entstanden.<br />
Zu nennen sind aber sicher auch Spezialfelder<br />
wie Sicherheit, Elektrik/Elektronik,<br />
Batterie, Material, NVH, Energiemanagement,<br />
HVAC, Verbrennung. ■<br />
Dr. Michael Paulweber<br />
ist Director Global ITS<br />
Research & Technology<br />
der AVL List GmbH.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Industrie-Partner<br />
21
SAFECONV: Erlebbarkeit von<br />
vernetzten Sicherheitsfunktionen<br />
Die Vernetzung von aktiven und passiven Sicherheitssystemen stellt eine große Herausforderung sowohl in<br />
der Simulation und virtuellen Erprobung als auch in der <strong>Fahrzeug</strong>integration dar. <strong>Das</strong> K2 Forschungsprojekt<br />
„Modelling, Simulation and Integration of Active Safety Systems for a Safety Concept Vehicle (SAFECONV)“ ist ein<br />
weiterer Baustein im Rahmen der Kooperation der BMW Group und des VIRTUAL VEHICLE zur durchgängigen<br />
Entwicklung, Optimierung und Absicherung vernetzter Sicherheitsfunktionen im Gesamtfahrzeug.<br />
Integrale <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit<br />
In den letzten Jahren führte die Weiterentwicklung<br />
der Sensorik im Bereich der Objekterkennung<br />
zu wesentlichen Fortschritten bei der<br />
integralen <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit. Die wesentliche<br />
Zielsetzung der Integralen Sicherheit ist die<br />
Vermeidung von Unfällen und die Reduktion<br />
der Schwere der Unfälle, sowie eine weitere<br />
Senkung des Verletzungsrisikos durch Aus-<br />
Phasen einer Kollision; Quelle: BMW Group<br />
schöpfen von Potentialen, die sich durch die Integration<br />
ergeben. Hierzu werden Systeme der<br />
aktiven und der passiven Sicherheit kombiniert<br />
und neuartige Funktionen wie Fahrerassistenzsysteme<br />
(z.B. innovative Bremsassistenten),<br />
Pre-Crash-Funktionen oder adaptive Sicherheitssysteme,<br />
deren Funktionsweisen und Wirkung<br />
sich der Art und Schwere des Unfalls anpassen,<br />
eingesetzt. Dies erfordert eine immer<br />
stärkere Vernetzung der Sicherheitsfunktionen<br />
im <strong>Fahrzeug</strong>, was jedoch auch eine immer höhere<br />
Komplexität im Entwicklungs- und Integrationsprozess<br />
dieser Sicherheitsfunktionen<br />
bedeutet. Diese Komplexität stellt während der<br />
Entwicklung von neuen Funktionen eine große<br />
Herausforderung dar, weil diese mit herkömm-<br />
Sensorik zur Unfallfrüherkennung; Quelle: BMW Group<br />
22 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
lichen Methoden oft nur einzeln und nicht als<br />
Vernetzung betrachtet werden können. Dadurch<br />
sinkt dann das gesamte Systemverständnis.<br />
Die Integration der unterschiedlichen Funktionen<br />
erfordert eine entsprechende disziplinübergreifende<br />
Betrachtung. Ein wesentliches<br />
Werkzeug stellt die Co-Simulation dar. Dabei<br />
werden unterschiedliche Tools und Modelle<br />
verschiedenster Disziplinen von Fahrdynamik<br />
bis Crashsimulation kombiniert, um die Eigenschaften<br />
des vernetzten Gesamtsystems darzustellen.<br />
Dadurch können disziplinübergreifende<br />
Fragestellungen beantwortet werden, sowie<br />
Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen<br />
den einzelnen Teilgebieten aufgezeigt werden.<br />
Vernetzte Entwicklungsmethodik und<br />
Absicherung im Gesamtfahrzeug<br />
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird<br />
ein neuer Ansatz für die durchgängige Betrachtung<br />
und Validierung von vernetzten Sicherheitsfunktionen<br />
im <strong>Fahrzeug</strong> untersucht um<br />
deren Erlebbarkeit zu ermöglichen. Die Forschungsschwerpunkte<br />
umfassen:<br />
• Darstellung der Vernetzung der aktiven<br />
und passiven Sicherheit<br />
• Validierung der Simulationsumgebung<br />
und Erprobung vernetzter Sicherheitsfunktionen<br />
unter Berücksichtigung variabler<br />
Parameter<br />
• Integration von in Entwicklung befindlichen<br />
Sicherheitsfunktionen und Absicherung<br />
im Gesamtfahrzeug<br />
• Nachweis der Integrierbarkeit im verfügbaren<br />
Bauraum und im Bordnetz<br />
• Ableitung von System- und Komponentenzielen<br />
zur Umsetzung eines feldrelevanten<br />
Sicherheitspotentials<br />
<strong>Das</strong> übergeordnete Ziel ist die durchgängige<br />
Darstellung der Entwicklung vernetzter Funktionen<br />
vom Konzept, Simulation, Integration bis<br />
hin zur Erprobung und Validierung. Die Effektivität<br />
der entwickelten Methodik wird anhand der<br />
Integration ausgewählter Sicherheitsfunktionen<br />
in einem Versuchsträger (Safety Konzeptfahrzeug)<br />
demonstriert.<br />
Die fachübergreifende Zusammenarbeit (Elektrik/Elektronik<br />
und <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit) in der<br />
effizienten Entwicklung zukünftiger <strong>Fahrzeug</strong>sicherheitssysteme<br />
spiegelt den interdisziplinären<br />
Charakter dieses Forschungsvorhabens<br />
wider. ■<br />
Zu den Autoren<br />
Dipl.-Ing. Christian<br />
Gruber leitet das Team<br />
„Konzepte Aktive und Integrale<br />
Sicherheit“ der BMW<br />
Group in München.<br />
Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />
Watzenig leitet den<br />
Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />
und Embedded<br />
Software am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
Dr. Andreas Rieser ist<br />
Bereichsleiter der Area<br />
„Mechanics“ am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
Markus Schratter ist<br />
Projektmitarbeiter am<br />
VIRTUAL VEHICLE und<br />
unterstützt das Projekt bei<br />
der BMW Group vor Ort.
Im Interview: Dr. Maximilian Miegler, Audi AG<br />
Trends in E/E und Funktionalität<br />
Hardware-in-the-Loop (HiL) Systeme können einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung der Güte und<br />
Wirtschaftlichkeit der physischen <strong>Fahrzeug</strong>erprobung leisten. Dr. Daniel Watzenig befragte Dr. Maximilian<br />
Miegler (Audi AG) zu aktuellen Trends in den Bereichen Elektrik, Elektronik und Funktionalität.<br />
VVM: Wohin gehen Ihrer Meinung nach die<br />
Trends in der Automobilindustrie im Bereich<br />
Elektrik/Elektronik/Funktionalität und welche<br />
Randbedingungen für die Entwicklung sehen<br />
Sie als relevant an?<br />
Miegler: <strong>Das</strong> Thema „Funktionale Sicherheit“<br />
ist eine Herausforderung für die Testmethodik<br />
und den Testprozess. Die Güte der Fehlererkennung<br />
und Fehlerzuordnung spielt eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
Gleichzeitig sind aber die Verkürzung von<br />
Produktentwicklungszyklen und die notwendige<br />
weitere Steigerung der Effizienz in der<br />
Entwicklung aus wirtschaftlichen Gründen<br />
unverzichtbar. So muss die Reduktion von<br />
kostenintensiven Erprobungsfahrten mit Gesamtfahrzeugprototypen<br />
weiter vorangetrieben<br />
werden. Hardware-in-the-Loop (HiL) Systeme<br />
können einen entscheidenden Beitrag dazu<br />
leisten, die Güte und Wirtschaftlichkeit der physischen<br />
<strong>Fahrzeug</strong>erprobung zu steigern.<br />
HIL-Tests können unter kontrollierten Laborbedingungen<br />
beliebig oft durchgefahren werden<br />
und entlasten damit die Tests im Realfahrzeug<br />
erheblich.<br />
VVM: Wie stehen Sie zu HiL-Tests zur funktionalen<br />
Absicherung im E/E-Bereich?<br />
Miegler: Der Trend zu HiL-Tests als Entlastung<br />
für <strong>Fahrzeug</strong>tests gerade im Bereich der vernetzten<br />
Elektronik ist weltweit bei allen OEMs<br />
zu beobachten und zieht sich durch alle Bereiche<br />
der Entwicklung. Gerade beim Thema<br />
Elektrifizierung ist die Erprobung auf Gesamtfahrzeugebene<br />
schwierig und kostenintensiv.<br />
Der Grund dafür ist die stark anwachsende<br />
Komplexität der Funktionen und deren starke<br />
Vernetzung. Gerade bei der funktionalen Absicherung<br />
von Derivaten können HiL-Tests<br />
aufgrund der hohen Regressionsfähigkeit Realfahrzeugtests<br />
massiv reduzieren. Weiterführend<br />
ist es auch ein Ziel, virtuelle Probefahrten<br />
darstellen zu können – bis hin zu einer virtuellen<br />
Abnahmefahrt.<br />
VVM: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt<br />
werden, damit beispielsweise für Derivate teure<br />
Prototypen eingespart werden können?<br />
Miegler: Die Anforderungen an Genauigkeit<br />
und Echtzeitfähigkeit der Modelle, die auf HiL-<br />
Systemen laufen, sind hierbei entscheidend.<br />
Dies hängt natürlich von den jeweiligen Prüfanforderungen<br />
ab. Allgemein kann aber gesagt<br />
werden, dass der Weg zum Ziel über eine Kombination<br />
von genaueren Modellen, Echtzeitansätzen<br />
und Modelldaten führt. Mit steigender<br />
Prozessorleistung können komplexere Modelle<br />
am HiL-System und komplexere Algorithmen<br />
im Steuergerät laufen. Gleichzeitig müssen die<br />
Plausibilität der Modelle und deren Gültigkeitsbereiche<br />
bekannt sein. <strong>Das</strong> verlangt nach klar<br />
definierten Schnittstellen und Standards bei<br />
der Modellierung. Um die Genauigkeitsanforderungen<br />
erfüllen zu können, ist in den meisten<br />
Fällen neben den reinen Streckenmodellen<br />
auch eine Modellierung von Sensoren und Aktuatoren<br />
notwendig. In ein vollständiges Streckenmodell<br />
muss auch der Einfluss der „Restphysik“<br />
bzw. des „Restfahrzeuges“ eingehen.<br />
VVM: Wie geht man bei der Audi AG an den<br />
Einsatz von modellbasierten Methoden zur<br />
Funktionsabsicherung heran?<br />
Wir haben einen Prozess etabliert, über den<br />
miteinander verzahnt die Güte der Simulationsmodelle<br />
und Tests verbessert werden. Es<br />
gibt hier eine Reihe von Methoden, um die<br />
Testeffizienz an HiL-Systemen zu steigern wie<br />
zum Beispiel Benutzermodelle, probabilistische<br />
Methoden oder „Kritischer-Pfad-Tests“. Eine<br />
prozesssichere Simulationsinfrastruktur zur<br />
Verwaltung, Bedatung, Verifikation und Validierung<br />
von Modellen wird immer wichtiger. Nur<br />
so erreichen wir die erforderliche Testgüte zur<br />
realistischen Beurteilung und Absicherung der<br />
<strong>Fahrzeug</strong>funktionen und -eigenschaften.<br />
VVM: Wie beurteilen Sie den Einfluss der ISO<br />
26262 zur Sicherstellung der funktionalen Sicherheit?<br />
Miegler: Die funktionale Sicherheit ist ein<br />
wesentlicher Schwerpunkt, der die gesamte<br />
Entwicklung beeinflusst. Auftretende Fehler<br />
müssen klar nachvollziehbar sein, um deren<br />
mögliche Auswirkungen bzw. Gefahren beurteilen<br />
zu können. Durch die rapide wachsende<br />
Vernetzung entstehen z. B. hohe Anforderungen<br />
an das Signal-Timing. Timing-Fehler sind in<br />
der Fehleranalyse oft nur schwer zu entdecken.<br />
Wir sehen in der Kombination von Sensor- und<br />
Fehlermodellen, der Wirkkettenmodellierung<br />
und der Entwicklung von robuster Mechatronik<br />
einen geeigneten Lösungsansatz.<br />
VVM: Die Verbindung von bisher getrennten<br />
Entwicklungsbereichen wie z.B. Elektrik und<br />
Mechanik verlangt nach unterschiedlichen Modellen.<br />
Wie wollen Sie die dadurch entstehende<br />
Vielzahl an Modellen verwalten bzw. miteinander<br />
verbinden?<br />
Miegler: Die große Anzahl an Möglichkeiten<br />
ist nur durch Standardisierung in den Griff zu<br />
bekommen – von Protokollen über Kommunikationsarchitekturen<br />
und Modellierwerkzeuge bis<br />
zu Modellstandards. Darüber hinaus müssen<br />
auch die Metadaten zu den Modellen standardisiert<br />
und zentral verwaltet werden. Wir versuchen<br />
dies innerhalb des VW Konzerns zu<br />
realisieren. ■<br />
Dr. Maximilian Miegler<br />
ist in der Technischen<br />
Entwicklung der Audi<br />
AG tätig und leitet den<br />
Bereich „Hardware-inthe-LoopFunktionserprobung“.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Industrie-Partner<br />
23
Hybridsteuerung - Serienentwicklung<br />
Die wachsende Marktdurchdringung von Hybridfahrzeugen erhöht die Anforderungen an serientaugliche<br />
Steuerungsplattformen. Unterschiedliche <strong>Fahrzeug</strong>konfigurationen und Funktionsanforderungen stellen dabei<br />
eine besondere Herausforderung dar. <strong>Das</strong> Forschungsprojekt HYBCONS befasst sich in Kooperation mit AVL<br />
mit dem Design und der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware für Hybridfahrzeuge.<br />
Die Automobilhersteller verfolgen bei der<br />
Elektrifizierung von Antriebssträngen unterschiedlichste<br />
Strategien. Bei Hybridfahrzeugen<br />
ergeben sich dabei zum einen verschiedene<br />
Elektrifizierungslevels (Micro-, Mild-, Vollhybrid)<br />
und zum anderen variieren die Topologien<br />
von Hybridantriebssträngen mitunter stark.<br />
Daraus ergeben sich unterschiedliche Randbedingungen<br />
für die Betriebsstrategie und somit<br />
auch an die Steuerungsalgorithmen. Zusätzlich<br />
gehen marktspezifische Einflüsse in den Spezifikationsprozess<br />
ein.<br />
Die steigende Marktdurchdringung von serienreifen<br />
Hybridfahrzeugen am Automobilsektor<br />
führt zu besonderen, serienspezifischen Anforderungen<br />
an die Steuerungssoftware. Hier<br />
müssen einerseits relevante Monitoring - und<br />
Diagnosekonzepte realisiert werden. Andererseits<br />
muss speziell auf die eingesetzte<br />
Steuergeräteplattform eingegangen werden.<br />
Nur durch Berücksichtigung aller relevanten<br />
Aspekte wird die Qualität der Hybridfahrzeugsteuerung<br />
auf ein leistungs- und wettbewerbsfähiges<br />
Niveau angehoben.<br />
Strukturierte Entwicklungsmethodik<br />
Eine systematische Beschreibung der grundlegenden<br />
Hybridfunktionalitäten dient als Basis<br />
zur Entwicklung einer generischen Plattform.<br />
Mit deren Hilfe können Steuerungen für verschiedenste<br />
Varianten von Hybridfahrzeugen<br />
verwirklicht werden. Der Fokus liegt dabei auf<br />
der Wiederverwendbarkeit von Software-Komponenten<br />
und Funktionen.<br />
HYBCONS befasst sich mit dem Design und<br />
der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware<br />
für Hybridfahrzeuge für unterschiedlichen<br />
Elektrifizierungslevels und<br />
Antriebsstrangtopologien. Um die Wettbewerbsfähigkeit<br />
des Produkts sicherzustellen,<br />
bedient man sich modernster Methodiken zur<br />
Erstellung von serientauglicher Software.<br />
Entwicklungsprozess<br />
In der Automobilindustrie wird für die Entwicklung<br />
von Seriensoftware sehr oft das V-Modell<br />
24 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
verwendet. Spezifische Anforderungen an einen<br />
modernen Entwicklungsprozess erfordern<br />
den Einsatz einer modifizierten Variante des<br />
Modells im Rahmen des HYBCONS Projekts.<br />
Durch eine Auftrennung in Konzept- (Prototypenphase)<br />
und Serienentwicklungsphase<br />
wird einerseits zwischen Fließkomma- und<br />
Festkommaarithmetik unterschieden. Andererseits<br />
wird als Abschluß der Konzeptphase<br />
die Zielerreichungsdemonstration (Concept<br />
Verifciation / Validation) durchgeführt. Daraus<br />
ergibt sich ein W-Modell welches in Abbildung<br />
1 dargestellt ist. Dieser maßgeschneiderte Prozess<br />
bietet auf intuitive Art und Weise die Möglichkeit<br />
serienspezifische Aspekte wie z.B. eine<br />
Analyse der Prototypensoftware für Speicherabschätzung<br />
oder Laufzeitanalyse durchzuführen<br />
und das Resultat in das System einfließen<br />
zu lassen.<br />
Anforderungsdefinition und<br />
Konzeptimplementierung<br />
Basierend auf den, von den Stakeholdern definierten,<br />
Randbedingungen werden zuerst Systemanforderungen<br />
definiert. Aus diesem Schritt<br />
geht die Systemarchitektur hervor welche unter<br />
Abbildung 1: Entwicklungsprozess im HYBCONS Projekt – W-Modell zur Abbildung<br />
von Konzept- und Serienentwicklungsphase innerhalb eines Projekts.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
anderem die Aufteilung von Software und Hardware<br />
beschreibt. Basierend auf den Anforderungen<br />
an die Software wird im zweiten Schritt<br />
das Softwaresystem spezifiziert. Mit diesen<br />
kann eine Softwarearchitektur gebildet werden.<br />
Im Unterschied zu einem gewöhnlichen Serienentwicklungsprozess<br />
sind im HYBCONS<br />
Projekt auch generische Systemeigenschaften<br />
eingeflossen, womit die Softwarearchitektur<br />
universell einsetzbar wird. Besonderes Augenmerk<br />
wurde auf Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit<br />
gelegt. Im Wesentlichen bedeutet dies,<br />
dass mit der vorliegenden Architektur neben<br />
Micro-, Mild-, Voll- und Plugin-Hybrid auch unterschiedliche<br />
Antriebsstrangkonfigurationen<br />
berücksichtigt werden. Bei der Auslegung der<br />
Architektur wird auf eine einfache Parametrierbarkeit<br />
der Regelalgorithmen geachtet. Weiters<br />
fließen Aspekte zur effizienteren Integration<br />
der Steuerungssoftware in den Hardware/<br />
Software-Verbund der Steuerungsarchitektur<br />
ein. Nach Definition der Architektur werden<br />
Anforderungen an die einzelnen Softwarekomponenten<br />
spezifiziert. In dieser Phase werden<br />
die Steuerungsalgorithmen auf bereits sehr detailliertem<br />
Niveau beschrieben. Abschließend
findet die Implementierung der beschriebenen<br />
Softwarekomponenten statt, womit man am unteren<br />
Ende des ersten Zweiges des beschriebenen<br />
W-Prozesses angelangt ist.<br />
Testen und Konzeptüberprüfung<br />
(Model-in-the-loop)<br />
Ausgehend von der Softwarespezifikation werden<br />
Testszenarien abgeleitet, welche im ersten<br />
Schritt zur Validierung der Softwarekomponenten<br />
eingesetzt werden. Nach der Integration<br />
der Softwarekomponenten werden gleichermaßen<br />
Tests auf Systemebene durchgeführt.<br />
Den Abschluss der Konzeptphase bildet eine<br />
Zielerreichungsdemonstration. Im Rahmen des<br />
HYBCONS Projekts wurde dies auf Basis eines<br />
Prototypenfahrzeugs mit Parallelhybrid-Architektur<br />
(siehe Abbildung 2) durchgeführt.<br />
Serienspezifische Adaptionen<br />
Im Anschluss an eine erfolgreiche Konzeptvalidierung,<br />
fließen serienspezifische Randbedingungen<br />
zuerst auf Systemanforderungsebene<br />
und in weiterer Folge auf Komponentenebene<br />
ein. Basierend auf der Zielarchitektur (z.B. 32-<br />
Abbildung 2: Hybrid-P2-Typologie: ein Elektromotor (EM) wird auf die Kurbelwelle zwischen einer<br />
automatisierten Kupplung und einem Getriebeeingang (Gearbox, GbX) platziert, und daher kann er<br />
von der Verbrennungskraftmaschine (internal combustion engine, ICE) entkoppelt werden.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Bit Mikrocontroller) müssen sowohl die Laufzeit,<br />
als auch der Speicherbedarf der Softwarekomponenten<br />
analysiert werden. Zusätzlich<br />
schränkt die Zielarchitektur die Genauigkeit<br />
von Variablen und Berechungsoperationen ein.<br />
All diese serienspezifischen Aspekte, müssen<br />
während der Verfeinerung der Softwarekomponenten<br />
einfließen, um eine Anforderungsgerechte<br />
Implementierung zu erreichen.<br />
Testen der Seriensoftware bis zur<br />
Kundenakzeptanz<br />
Die implementierte Seriensoftware wird zuerst<br />
mit den angepassten, von der Spezifikation<br />
abgeleiteten, Testfällen überprüft (Softwarein-the-Loop).<br />
Nach sukzessiver Integration der<br />
SW Komponenten in das SW System, werden<br />
die darauf folgenden Systemtests, aufgrund der<br />
hohen Komplexität mit Hilfe von <strong>Fahrzeug</strong>modellen<br />
durchgeführt. Nach der Integration der<br />
Die Verifikation und Validierung der<br />
Software erfolgt mittels MiL, SiL, HiL<br />
sowie im Rahmen von Testfahrten<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
Software auf die Zielhardware wird das System<br />
mittels Hardware-in-the-Loop (HiL) Tests auf<br />
Funktionsfähigkeit überprüft.<br />
Ergebnis<br />
<strong>Das</strong> Ergebnis des skizzierten Entwicklungsprozesses<br />
ist eine generische Plattform für Hybridfahrzeugsteuerungen.<br />
Zur Demonstration der<br />
Skalierbarkeit dieser Software werden zum einen<br />
eine Mild-Hybrid Variante und zum anderen<br />
eine Voll-Hybrid Variante umgesetzt. Letztere<br />
stellt wesentlich höhere Anforderungen an das<br />
Energiemanagement sowie an einzelne Funktionalitäten<br />
und vor allem an die Übergänge<br />
zwischen einzelnen Betriebsarten. Zur Sicherstellung<br />
der Kompatibilität mit weiteren Hybridfahrzeugvarianten<br />
wurde der Spezifikationsprozess<br />
unter Berücksichtigung von Grundsätzen<br />
aus dem Themengebiet Variantenmanagement<br />
durchgeführt. ■<br />
Zu den Autoren<br />
DI (FH) Wolfgang Ebner<br />
leitet das Projekt<br />
HYBCONS am<br />
VIRTUAL VEHICLE.<br />
DI Petr Micek forscht im<br />
Bereich Optimierung von<br />
Betriebsstrategien von<br />
Hybridfahrezugen am<br />
VIRTUAL VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
DI Bernhard Knauder<br />
ist Senior Researcher<br />
am VIRTUAL VEHICLE.<br />
25
Der elektrifizierte Antriebsstrang<br />
Elektrifizierte Antriebsstränge rücken zunehmend in den Fokus der Entwicklung in der Automobilindustrie. Die<br />
zusätzlichen Komponenten verursachen dabei Kosten, bieten aber auch neue Möglichkeiten. In Zusammenarbeit<br />
mit dem renommierten Industriepartner AVL List GmbH wird am VIRTUAL VEHICLE erforscht, wie sich mit der<br />
Elektrifizierung des Antriebsstranges durch geeignete Regelalgorithmen neue Potentiale ausschöpfen lassen.<br />
Unter dem Einfluss der Endlichkeit fossiler<br />
Energieträger sowie der Gesetzgebung in Bezug<br />
auf Emissionen und Verbrauch gewinnen<br />
hybrid-elektrische Antriebsstrangkonzepte zunehmend<br />
Bedeutung in der Automobilindustrie.<br />
Ein Elektromotor wird dabei als zusätzliche<br />
Momentenquelle im Antriebsstrang eingesetzt,<br />
um Funktionen wie elektrisches (An-)Fahren<br />
und Boosten zu ermöglichen. Zum Laden des<br />
Energiespeichers werden Funktionen wie Rekuperieren<br />
oder Generieren benötigt. Daneben<br />
sind klassische Herausforderungen für die<br />
Funktionsentwicklung im Antriebsstrang weiterhin<br />
aktuell:<br />
• Reduktion von Komponentenkosten<br />
• Verbesserung der Fahrbarkeit<br />
• Reduktion von Entwicklungskosten<br />
Die hybrid-elektrischen Antriebsstrangkonzepte<br />
bieten neue Möglichkeiten im Umgang<br />
mit diesen Herausforderungen.<br />
Reduktion von Komponentenkosten<br />
Eine Reduktion von Komponentenkosten kann<br />
aufgrund hoher Stückzahlen einen signifikanten<br />
wirtschaftlichen Vorteil bedeuten. Selbst bei<br />
Einsparung günstiger Sensoren ist ein zusätzlicher<br />
Funktionsentwicklungsaufwand ge-<br />
Abbildung 1: Layout eines DCT mit<br />
integriertem Elektromotor<br />
Quelle: AVL List GmbH<br />
26 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
rechtfertigt. Gesetzgebung und ökologische<br />
Gesichtspunkte rücken trotz der zusätzlichen<br />
Kosten hybrid-elektrische Antriebsstrangkonzepte<br />
in den Fokus der Entwicklung. Umso<br />
höher ist die Herausforderung, die Potentiale<br />
dieser Konzepte über die hybride Systemfunktionalität<br />
hinaus zu nutzen, um auch anderweitig<br />
im Antriebsstrang Hardwarekosten einzusparen.<br />
Aktuelles Entwicklungsbeispiel<br />
Vor allem Elektromotor und Energiespeicher<br />
verursachen Hardwarekosten und Bauraumprobleme.<br />
Diesen wird seitens der Industrie in<br />
unterschiedlicher Weise Rechnung getragen.<br />
AVL untersucht aktuell die volle Integration<br />
des Elektromotors in ein Doppelkupplungsgetriebe<br />
(DCT) mit modularer Schnittstelle zum<br />
Verbrennungsmotor. Dieses Konzept zeichnet<br />
sich durch die direkte Kopplung des Elektromotors<br />
über ein Planetengetriebe an beide Wellen<br />
sowie durch geringen zusätzlichen Platzbedarf<br />
gegenüber einem konventionellen DCT aus.<br />
Der Elektromotor bietet in dieser Konfiguration<br />
die Möglichkeit, eine Getriebeeingangswelle auf<br />
eine gewünschte Drehzahl zu regeln. Damit ist<br />
es möglich, den Elektromotor – neben dessen<br />
Hauptaufgabe als zusätzliche Leistungsquelle<br />
im Antriebsstrang – auch dazu zu nutzen, die<br />
im konventionellen Getriebe vorhandenen mechanischen<br />
Reib-Synchronisierungen durch<br />
Klauenkupplungen zu ersetzen; das bietet neben<br />
einer Wirkungsgrad-Verbesserung auch<br />
Vorteile hinsichtlich Kosten, Bauraum und Gewicht.<br />
Verbesserung der Fahrbarkeit<br />
Neben der Darstellung von Hybridfunktionen<br />
kann mit Hilfe eines Elektromotors im Antriebsstrang<br />
die Fahrbarkeit bei Anfahr- und Schaltvorgängen<br />
verbessert werden.<br />
Getriebe mit einer Eingangswelle und ohne<br />
Wandler schalten mit Zugkraft-Unterbrechung,<br />
was als störend empfunden wird. Hier kann ein<br />
während des Schaltvorganges mit dem Abtrieb<br />
verbundener Elektromotor Abhilfe schaffen und<br />
den Drehmomenteinbruch schon mit geringem<br />
funktionalen Aufwand zumindest teilweise kompensieren.<br />
Ein DCT kann konstruktionsbedingt ohne Zugkraft-Unterbrechung<br />
schalten. Aber auch bei<br />
einem DCT kann ein Elektromotor die Schaltqualität<br />
noch verbessern, wenn es gelingt, den<br />
Elektromotor so zu regeln, dass die langsamere<br />
Dynamik des Verbrennungsmotors bzw. ein<br />
nicht idealer Drehmomentverlauf ausgeglichen<br />
wird. Von zentraler Bedeutung bei diesem Vorgang<br />
ist die Schnittstelle zwischen Motor- und<br />
Getriebe-Steuergerät. Nach dem Stand der<br />
Technik werden über diese Schnittstelle aktuelle<br />
Mess- und Stellgrößen übertragen (v.a.<br />
Drehmomente), aber keine Kenngrößen, die<br />
das dynamische Verhalten an sich beschreiben.<br />
Es wird also ein Modell benötigt, das die Dynamik<br />
des Drehmomentes des Verbrennungsmotors<br />
aus dem aktuellen Zustand heraus modellbasiert<br />
vorhersagen kann.<br />
Ein Lösungsansatz ist es, im Motorsteuergerät<br />
eine Übertragungsfunktion zu modellieren und<br />
deren Parameter auf die Schnittstelle zu legen.<br />
Aus den Parametern der Übertragungsfunktion<br />
kann das Getriebesteuergerät mit Hilfe des gewünschten<br />
Drehmomentverlaufes beim Schaltvorgang<br />
das erwartete Drehmoment des Verbrennungsmotors<br />
berechnen und die Differenz<br />
über den Elektromotor kompensieren.
Beispiel zur Kostenreduktion in<br />
Varianten-Parametrierung<br />
<strong>Das</strong> Modell für die Vorhersage des dynamischen<br />
Drehmomentverlaufs kann darüber<br />
hinaus dazu genutzt werden, die Effizienz in<br />
der Varianten-Parametrierung zu steigern: <strong>Das</strong><br />
dynamische Verhalten des Verbrennungsmotors<br />
hat Einfluss auf den Schaltvorgang. Daher<br />
hängt die Parametrierung der Schaltvorgänge<br />
im Getriebesteuergerät vom jeweiligen Verbrennungsmotor<br />
ab. Derzeit erfolgt die Parametrierung<br />
der Schaltvorgänge üblicherweise<br />
für jede Verbrennungsmotorvariante separat<br />
(Variante in Bezug auf Hardware, aber auch<br />
Parametrierung bei gleicher Hardware). <strong>Das</strong><br />
dynamische Drehmomentvorhersagemodell erlaubt<br />
dagegen eine Berücksichtigung der Dynamik<br />
in der Funktionalität des Schaltvorganges<br />
und damit eine weitgehend unabhängige und<br />
dadurch unveränderte Parametrierung des<br />
Schaltvorganges. Hiermit kann ein hoher Beitrag<br />
zur Steigerung der Effizienz in der Varianten-Parametrierung<br />
geliefert werden.<br />
Steigerung der Effizienz in der<br />
Entwicklung<br />
Neben Kostenreduktion in der Varianten-Parametrierung<br />
(siehe oben) verlangen verkürzte<br />
Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie<br />
nach einer weiteren Steigerung der Effizienz<br />
in der Funktionsentwicklung, Funktionsparametrierung<br />
und auch Variantenabsicherung.<br />
Ein wichtiger Trend ist hier die Absicherung<br />
von Variantenfahrzeugen über Simulationen<br />
anstelle von aufwändigen und kostenintensiven<br />
<strong>Fahrzeug</strong>tests. Dafür werden entsprechend validierte<br />
Streckenmodelle benötigt, die speziell<br />
auch den Einfluss der geänderten Komponenten<br />
abbilden.<br />
Modellbasierte<br />
Funktionsentwicklung<br />
VIRTUAL VEHICLE und AVL setzen bei der<br />
Reglerentwicklung, der Funktionsentwicklung<br />
und erster Funktionsverifikation auf eine modellbasierte<br />
Entwicklung, bei der ebenfalls<br />
Streckenmodelle entwickelt und angewandt<br />
werden. Anders als bei Streckenmodellen für<br />
Absicherungssimulationen liegt hier der Fokus<br />
auf möglichst mathematisch-analytischer<br />
Modellierung der wichtigsten Einflüsse. Die<br />
Modelle müssen die dynamischen Vorgänge<br />
genau abbilden, speziell für die Reglerentwicklung<br />
möglichst analytisch dargestellt und sehr<br />
schnell sein. Dies ist aufgrund der häufig wie-<br />
Abbildung 2: Schematische Darstellung eines DCT mit Elektromotor und math. Modellierung über Bewegungsgleichungen<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
derholten Tests für die Funktionsentwicklung<br />
und Funktionsverifikation notwendig. Darüber<br />
hinaus müssen die Modelle für Hardware-inthe-Loop<br />
(HiL) Verifikationen echtzeitfähig<br />
sein. Aus diesen Randbedingungen ergibt sich,<br />
dass weniger dominante Einflüsse gezielt vernachlässigt<br />
werden. In der Funktionsentwicklung<br />
wird das Modell außer für das Training des<br />
Systemverständnisses sowie für die Erstellung<br />
von Funktionsanforderungen auch für schnelle<br />
Model/Software-in-the-Loop Tests der entwickelten<br />
Funktionen eingesetzt.<br />
Software-Wiederverwendbarkeit<br />
<strong>Das</strong> für jede Antriebsstrangkonfiguration vorliegende<br />
analytische Modell bildet die Basis<br />
für einen modellbasierten Reglerentwurf sowie<br />
für den Entwurf generischer Funktions-Module.<br />
Die Funktions-Module werden gezielt auf Wiederverwendbarkeit<br />
hin ausgelegt und entsprechend<br />
verwaltet. Gleichzeitig müssen sie alle<br />
Anforderungen zur funktionalen Sicherheit erfüllen.<br />
Basis ist dabei eine geeignete Software-<br />
Architektur.<br />
Aufgaben der Funktionsentwicklung<br />
im elektrifizierten Antriebsstrang<br />
Die Herausforderungen für die Funktionsentwicklung<br />
im automobilen Antriebsstrang<br />
steigen mit dessen Elektrifizierung. Die Entwicklung<br />
von Steuergerätesoftware muss die<br />
Wiederverwendbarkeit von SW-Modulen, die<br />
Darstellung funktionaler Sicherheit und die<br />
Einhaltung von gesetzlichen Randbedingungen<br />
bei einer Reduktion von Entwicklungskosten<br />
gewährleisten. Darüber hinaus wird von Steuergerätesoftware<br />
erwartet, die Fahrqualität zu<br />
steigern und den Einsatz kostengünstigerer<br />
Hardware zu ermöglichen. ■<br />
Aktuelle Projekte<br />
Modellbasierte Regelung des Drehmoments<br />
für elektronisch angesteuerte<br />
Getriebe in Kooperation mit<br />
• AVL List GmbH<br />
• TU Graz, Institut für Regelungstechnik<br />
und Prozessautomatisierung<br />
Transmission with New Technology for<br />
low cost & low weight & high efficient<br />
hybrid powertrains in Kooperation mit<br />
• AVL List Gmbh<br />
• TU Graz, Institut für Maschinenelemente<br />
und Entwicklungsmethodik<br />
Zu den Autoren<br />
DI Markus Bachinger ist<br />
Senior Researcher und<br />
Projektleiter am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
Dr. Klaus Küpper leitet<br />
den Bereich Systementwicklung<br />
in der AVL<br />
List GmbH und ist als<br />
Executive Chief Engineer<br />
verantwortlich für die<br />
Bereiche System, Vehicle<br />
und Software.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Industrie-Partner<br />
27
Konfiguration von Echtzeitsystemen<br />
Die Konfiguration von sicherheits-relevanten verteilten Echtzeitsystemen stellt die <strong>Fahrzeug</strong>industrie vor neue<br />
Herausforderungen. Vor allem das Erstellen von robusten Konfigurationen ist manuell kaum noch beherrschbar.<br />
Neue Ansätze sind gefragt.<br />
Neue <strong>Fahrzeug</strong>e brauchen neue<br />
Funktionen...<br />
Seit Jahren nehmen sowohl die Anzahl als auch<br />
die Komplexität von Funktionen im Automobil<br />
zu, um den steigenden Bedarf an Sicherheit<br />
und Komfort erfüllen zu können. Diese Funktionen<br />
werden überwiegend in Software implementiert.<br />
Aufgrund begrenzter Rechenleistung<br />
aktueller Micro-Controller sind somit immer<br />
mehr Steuergeräte nötig. Dies führt zu ver-<br />
teilten Systemen.<br />
Viele Funktionen (wie z.B. aktive Sicherheit)<br />
müssen nicht nur korrekt arbeiten, sondern<br />
zusätzlich innerhalb von genau definierten<br />
Zeiten auf Inputs reagieren. Reagieren sie zu<br />
langsam, kann das zu schwerwiegenden Konsequenzen<br />
führen. Derartige Systeme nennt<br />
man Echtzeitsysteme.<br />
Modulare Software-Komponenten mit definierten<br />
Interfaces und eine Software-Plattform<br />
(wie z.B. AUTOSAR), welche die einfache<br />
28 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
Portierung von Software-Komponenten auf<br />
unterschiedliche Hardware ermöglicht, sind<br />
zwingend notwendige Voraussetzungen für<br />
die Entwicklung derartiger verteilter Echtzeit-<br />
systeme.<br />
...aber in welcher Konfiguration?<br />
Die Konfiguration eines verteilten Echtzeit-<br />
systems wird in folgende Phasen untergliedert:<br />
• Verteilung von Software-Komponenten<br />
auf Steuergeräte<br />
• Konfiguration der Bus-Systeme, welche<br />
die Kommunikation zwischen Steuergeräten<br />
ermöglichen<br />
• Konfiguration der Software-Plattform<br />
(middleware), inkl. Betriebssysteme<br />
Auf dem Weg zum neuen Echtzeitsystem...<br />
… sind folgende Szenarien denkbar:<br />
• Konfiguration eines neuen Echtzeitsystems<br />
„auf der grünen Wiese“: Hierbei<br />
hat man sehr viele Freiheitsgrade. Allerdings<br />
kommt dieses Szenario in Realität<br />
äußerst selten vor.<br />
• Erweiterung eines bestehenden Echtzeitsystems:<br />
Zusätzliche Komponenten werden<br />
in ein bestehendes Echtzeitsystem<br />
integriert. Für das resultierende System<br />
muss eine Konfiguration gefunden werden,<br />
welche allen Anforderungen gerecht<br />
wird und zusätzlich kompatibel zu der<br />
Konfiguration des ursprünglichen Systems<br />
ist.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass<br />
• Systeme im Automobil meist in mehreren<br />
Baureihen verwendet werden. Dies stellt<br />
zusätzliche Anforderungen an die Kompatibilität<br />
von Komponenten und Konfigurationen.<br />
• Safety Anforderungen, die aus der Hazard<br />
and Risk Analysis abgeleitet werden,<br />
können zusätzliche Anforderungen an die<br />
Entwicklung und Konfiguration von verteilten automotiven Echtzeitsystemen gemäß der AUTOSAR design methodology: Innerhalb mehrerer komplexer Entwicklungsschritte werden Software-<br />
Komponenten auf Steuergeräte verteilt, und sowohl Bus-Systeme als auch die middleware aller Steuergeräte konfiguriert. Als Input hierzu dienen Modelle der Software, Hardware und Constraints.<br />
Quelle: AUTOSAR Konsortium
Konfiguration (z.B. Software-Verteilung)<br />
stellen.<br />
<strong>Das</strong> führt dazu, dass eine manuelle Konfiguration<br />
sehr zeitaufwendig und fehleranfällig ist.<br />
Daher wird meist nur eine sehr geringe Anzahl<br />
an möglichen/potentiellen Konfigurationen erstellt<br />
und evaluiert. Will man jedoch eine robuste<br />
und ausbaufähige Konfiguration finden,<br />
ist die Evaluierung einer Vielzahl potentieller<br />
Konfigurationen nötig. Dies ist nur durch eine<br />
automatisierte Erstellung und Evaluierung von<br />
Konfigurationen möglich.<br />
„Zu Fuß“ oder automatisiert?<br />
Zur Automatisierung der Konfiguration sind folgende<br />
Aspekte notwendig:<br />
• Formalisiertes Model des zu konfigurierenden<br />
Echtzeitsystems. Der AUTOSAR<br />
Standard stellt hier geeignete Beschreibungsformate<br />
bereit.<br />
• Model der zu berücksichtigenden Anforderungen<br />
und Constraints. Auch hier stellt<br />
der AUTOSAR Standard Beschreibungsformate<br />
bereit.<br />
• Methoden, um das zeitliche Verhalten des<br />
Echtzeitsystems (welches einer gewissen<br />
Konfiguration unterliegt) zu analysieren.<br />
In der Literatur zu „real-time systems“<br />
finden sich geeignete „timing analysis“-<br />
Methoden.<br />
Ausgerüstet mit diesen Modellen und Werkzeugen<br />
kann man sich der Entwicklung von<br />
Such-Algorithmen widmen, die eine automatisierte<br />
Erstellung und Evaluierung von Konfigurationen<br />
ermöglichen. Genau hier setzt das<br />
VIRTUAL VEHICLE einen Forschungsschwerpunkt<br />
im Bereich Vehicle Electrics/Electronics<br />
& Software.<br />
Nicht suchen, sondern finden lassen!<br />
Es gibt etliche Such-Algorithmen, die grundsätzlich<br />
verwendet werden können. Beliebte<br />
Kandidaten sind „genetic algorithm“ und „simulated<br />
annealing“. Aufgrund der vielen Anforderungen<br />
und Constraints an die Konfiguration ist<br />
die Performanz dieser Algorithmen allerdings<br />
nicht besonders gut. Im Laufe der automatisieren<br />
Erstellung und Evaluierung von Konfigurationen<br />
wird eine Vielzahl von ungültigen<br />
Konfigurationen generiert. Hauptgrund ist die<br />
Verletzung von Constraints.<br />
Zur effizienten Automatisierung der Konfigurationserstellung<br />
nutzen wir folgenden Ansatz:<br />
Durch eine detaillierte Analyse der Constraints<br />
ist es möglich, eine Vielzahl von ungültigen<br />
Konfigurationen zu identifizieren. Dies kann<br />
man durchführen bevor die automatisierte<br />
Suche beginnt. Schließt man nun diese identifizierten<br />
ungültigen Konfigurationen aus dem<br />
Such-Raum aus, kann sich der Such-Algorithmus<br />
auf die Evaluierung der übrigen – potentiell<br />
gültigen – Konfigurationen konzentrieren.<br />
Dadurch erreicht man eine bedeutend höhere<br />
Abdeckung des Such-Raums, und erhöht somit<br />
die Wahrscheinlichkeit, dass die bestmögliche<br />
Konfiguration gefunden wird.<br />
Résumé<br />
Die Entwicklung von Methoden zur automatisierten<br />
Konfiguration von verteilten Echtzeitsystemen<br />
stellt eine umfangreiche Forschungsaufgabe<br />
dar. Folgende Teilaspekte davon<br />
haben wir bereits umgesetzt:<br />
• Methodik zur Analyse und Aufbereitung<br />
der Constraints in Form einer Pre-Processing<br />
Phase<br />
• Methodik zur automatisierten Erstellung<br />
von Konfigurationen basierend auf effizienter<br />
design space exploration<br />
• Methodik zur Bandbreiten-optimierten<br />
Konfiguration der Bus-Systeme<br />
Der aktuelle Forschungsfokus liegt auf:<br />
• Methodik zur automatisierten Erstellung<br />
von Konfigurationen durch evolutionäre<br />
Verbesserung und Erweiterung bestehender<br />
Konfigurationen (System-Upgrade)<br />
• Integration von Safety-Anforderungen<br />
(z.B. aus ISO 26262)<br />
Wohin geht die Reise...<br />
Der Einsatz von multi-core CPUs im Automobil<br />
wird in Zukunft notwendig sein, um den<br />
steigenden Anforderungen an Rechenleistung<br />
genügen zu können. Dadurch ergeben sich zusätzliche<br />
Herausforderungen: Software-Komponenten,<br />
welche auf unterschiedlichen cores<br />
ausgeführt werden, beeinflussen sich gegenseitig<br />
(z.B. via shared memory). D.h. eine 100%<br />
Entkopplung der cores ist zurzeit nicht möglich.<br />
Dies ist besonders relevant, wenn sicherheitskritische<br />
Software-Komponenten, welche den<br />
Anforderungen der ISO 26262 genügen müssen,<br />
auf multi-core CPUs ausgeführt werden<br />
sollen.<br />
Effiziente Suche nach optimaler Konfigurationen durch<br />
intelligente Beschränkung des Suchraums:<br />
I: gesamter design space<br />
II: Identifikation und Ausschluss von ungültigen Konfiguration<br />
(a-priori)<br />
III: Exploration des verbleibenden design space<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
...und wer ist dabei?<br />
Um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />
zu meistern, kooperieren wir sowohl mit<br />
lokalen als auch mit international renommierten<br />
wissenschaftlichen Institutionen (siehe Box). ■<br />
Zum Autor<br />
Forschungspartner<br />
TU Graz,<br />
Institut für Technische Informatik<br />
University of York,<br />
Department of Computer Science,<br />
Real-Time Systems Research Group<br />
DI Florian Pölzlbauer<br />
erforscht Methoden zur Optimierung<br />
von sicherheitsrelevanten<br />
Echtzeitsystemen<br />
am VIRTUAL VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
29
Modellbasierte Testfallgenerierung<br />
Die Generierung von Testfällen aus Verhaltensmodellen ist eine geeignete Methode zur Funktionsabsicherung<br />
von vernetzten Steuergeräten. Die am VIRTUAL VEHICLE entwickelten Methoden und Werkzeuge erreichen<br />
eine hohe Skalierbarkeit und können einfach in bestehende Toolketten integriert werden.<br />
Stark steigender Testaufwand<br />
Die umfangreiche Weiterentwicklung von komplexen<br />
Elektrik/Elektronik Systemen in der<br />
Automobilindustrie bringt große Herausforderungen<br />
entlang des gesamten Entwicklungsprozesses<br />
– von der Systemspezifikation bis hin<br />
zur Funktionsabsicherung – mit sich. Der Grund<br />
dafür ist die starke Vernetzung der Funktionen<br />
untereinander und die dadurch entstehenden<br />
Abhängigkeiten.<br />
<strong>Das</strong> korrekte Zusammenspiel der Komponenten<br />
unter Berücksichtigung dieser Abhängigkeiten<br />
muss bei der Funktionsabsicherung durch Integrationstests<br />
verifiziert bzw. nachgewiesen<br />
werden. Dabei steigt der benötigte Testaufwand<br />
exponentiell mit der Anzahl an interagierenden<br />
Funktionen.<br />
Aufgrund der wachsenden Anforderungen die<br />
bei engem Kostenrahmen erfüllt werden müssen,<br />
ist die Steigerung der Effizienz durch weitere<br />
Automatisierung unumgänglich. Dieses<br />
Ziel kann durch den Einsatz von Methoden zur<br />
automatisierten Testfallgenerierung und deren<br />
vollständige Integration in die bestehende Testlandschaft<br />
erreicht werden.<br />
Testfallgenerierung - der Schlüssel<br />
zur weiteren Testautomatisierung<br />
Die manuelle Erstellung von Testfällen ist<br />
aufgrund der benötigten Anzahl und den zu<br />
Abbildung 1: Testfallgenerierungsprozess bei Verwendung von Verhaltensmodellen<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
30 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
berücksichtigenden Abhängigkeiten der Funktionen<br />
untereinander aufwendig und dadurch<br />
kostenintensiv. Vor allem bei der Entwicklung<br />
von Integrationstests sind die Auflösung dieser<br />
Abhängigkeiten und das Bestimmen der Eingabeparameter<br />
bzw. der Verifikationsdaten ein<br />
aufwändiges und fehleranfälliges Unterfangen.<br />
Die am VIRTUAL VEHICLE entwickelte Methode<br />
automatisiert diesen Schritt und ermöglicht<br />
die automatische Berechnung dieser Werte auf<br />
Basis von Verhaltensmodellen wie in Abbildung<br />
1 dargestellt. Dabei beschreiben Verhaltensmodelle<br />
das reaktive Verhalten der kommunizierenden<br />
Steuergeräte und können durch den<br />
Einsatz geeigneter Werkzeuge zur Simulation<br />
des Steuergeräteverhaltens verwendet werden.<br />
Zur Erstellung der Verhaltensmodelle werden<br />
Zustandsmaschinen der Unified Modeling Language<br />
(UML) verwendet, die sich in den letzten<br />
Jahren als de facto Industriestandard durchgesetzt<br />
hat. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl<br />
an kommerziellen verfügbaren UML Modellierungswerkzeugen<br />
wie Enterprise Architect oder<br />
Rhapsody wieder, die eine professionelle Modellentwicklung<br />
ermöglichen.<br />
Die Testfallgenerierung kann anhand eines vorgegebenen<br />
Testziels oder zufallsbasiert erfolgen.<br />
<strong>Das</strong> Testziel wird von einem Testingenieur<br />
innerhalb der UML Zustandsmaschinen durch<br />
die Auswahl von Transitionen und Zuständen<br />
definiert, die dann vom generierten Testfall ga-<br />
rantiert durchlaufen bzw. erreicht werden. Die<br />
zufallsbasierte Generierung erfolgt vollautomatisch,<br />
wobei durch die Definition von Wahrscheinlichkeiten<br />
eine Möglichkeit zur Steuerung<br />
bzw. zur Fokussierung auf bestimmte Modellbereiche<br />
besteht.<br />
Herausforderungen in der automatisierten<br />
Testfallerstellung<br />
Der limitierende Faktor bei der Generierung von<br />
Testfällen ist die sogenannte Zustandsraumexplosion.<br />
Dabei ist die vom verwendeten Modell<br />
abhängige exponentiell wachsende Anzahl<br />
an Systemzuständen gemeint, die während<br />
der Testfallgenerierung berücksichtigt werden<br />
müssen. Ein Systemzustand beschreibt den<br />
konkreten Status bzw. die Eigenschaften des<br />
Systems zu einem definierten Zeitpunkt.<br />
Die Anzahl an möglichen Systemzuständen<br />
eines mit Verhaltensmodellen beschriebenen<br />
Systems hängt im Wesentlichen von den folgenden<br />
drei Einflussfaktoren ab:<br />
• Modellgröße<br />
• Verwendung von Daten<br />
• Kommunikation<br />
Zur Bestimmung der Modellgröße wird die Anzahl<br />
der möglichen Kombinationen der in den<br />
verschiedenen Verhaltensmodellen enthaltenen<br />
Zustände herangezogen.<br />
Die Verwendung von Daten in Form von Vari-
Abbildung 4: Systemarchitektur bestehend aus drei kommunizierenden Verhaltensmodellen, die über einen Bus wie z.B. CAN oder MOST verbunden sind.<br />
Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />
ablen in den Zustandsmaschinen bzw. als Parameter<br />
zum Datenaustausch zwischen den<br />
Modellen intensiviert die Situation erheblich.<br />
Der Grund dafür ist, dass jede mögliche Wertekombination<br />
der vorhandenen Variablen einen<br />
zusätzlichen Systemzustand beschreibt.<br />
Abhängig von der Architektur des Systems,<br />
kann die Kommunikation zwischen den Steuergeräten<br />
bzw. den Verhaltensmodellen einen<br />
erhebliche Komplexitätssteigerung bedeuten.<br />
Dies resultiert aus der asynchronen Kommunikation<br />
wie sie bei Bussystemen wie CAN oder<br />
MOST üblich sind, da jede mögliche Sendereihenfolge<br />
von Busnachrichten mit zusätzlichen<br />
Systemzuständen berücksichtigt werden muss.<br />
Eine Systemarchitektur ist beispielhaft in Abbildung<br />
2 dargestellt.<br />
Erhöhte Skalierbarkeit durch fokussierte<br />
Generierungsalgorithmen<br />
Die Sicherstellung der Anwendbarkeit der<br />
Testfallgenerierungsmethoden im industriellen<br />
Umfeld wurde durch Algorithmen zur Verbesserung<br />
der Skalierbarkeit erreicht. Diese Algorithmen<br />
ermöglichen eine Fokussierung der<br />
Generierung auf den jeweils benötigten Teil des<br />
Zustandsraumes und können so die Anzahl der<br />
Möglichkeiten massiv reduzieren.<br />
Des Weiteren ist es dem Testingenieur möglich,<br />
gezielt Rahmenbedingungen für die Fokussierung<br />
vorzugeben, um die Generierung optimal<br />
auf die verwendeten Modelle abzustimmen.<br />
Diese Techniken werden zusätzlich durch<br />
die symbolische Verarbeitung von Daten unterstützt,<br />
bei der logische Ausdrücke anstatt<br />
konkreter Werte zur Berechnung von Eingabeparametern<br />
verwendet werden. Durch die<br />
Kombination dieser Methoden ist es möglich,<br />
automatisiert Testfälle für komplexe verteilte<br />
Systeme zu generieren.<br />
Integration in bestehende Prozesse<br />
und Werkzeuge<br />
Ein wichtiges Kriterium für die Einführung einer<br />
modellbasierten Testfallgenerierung ist die<br />
nahtlose Integration der Generierungswerkzeuge<br />
in die bestehende Testlandschaft. Die<br />
Durchgängigkeit der Toolkette wird durch die<br />
Einbindung der Schnittstellen der bestehenden<br />
Testautomatisierung in die Verhaltensmodelle<br />
erreicht.<br />
Die Schnittstellen der Testautomatisierung<br />
werden vor der Ausführung mit den generierten<br />
Testfällen verknüpft. Dies geschieht anhand<br />
der durchlaufenen Pfade der Testfälle im Verhaltensmodell,<br />
die eine eindeutige Abbildung<br />
auf die zu verwendenden Schnittstellen ermöglicht.<br />
Schlussfolgerung<br />
Abbildung 3: Zustandsabdeckung Abbildung 2: Transitionsabdeckung<br />
Die Verwendung von modellbasierten Testgenerierungsmethoden<br />
basierend auf Verhaltensmodellen<br />
ermöglicht durch die maschinelle<br />
Berechnung von Eingabeparametern und Verifikationswerten<br />
eine weitere Automatisierung in<br />
der Funktionsabsicherung. Die hier vorgestellte<br />
Methodik erlaubt eine effiziente Modellierung<br />
und ermöglicht die einfache Integration einer<br />
bestehenden Testlandschaft. Die dadurch entstehende<br />
integrierte Toolkette ermöglicht eine<br />
schnelle Erreichung der geforderten Testziele.<br />
Mit den entwickelten Methoden zur Testfallgenerierung<br />
unterstützt das VIRTUAL VEHICLE<br />
die Industrie mit neuen Konzepten und Werkzeugen,<br />
um den steigenden Anforderungen an<br />
die Funktionsabsicherung gerecht zu werden.<br />
■<br />
Zum Autor<br />
DI Christian Schwarzl ist<br />
Senior Researcher und<br />
Projektleiter am VIRTUAL<br />
VEHICLE.<br />
<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />
31
IC S<br />
Independent Co-Simulation<br />
Fahrdynamik<br />
Antriebsstrang<br />
Batterie Elektrisches<br />
Bordnetz<br />
Thermisches<br />
Netzwerk<br />
ICOS - die unabhängige Co-Simulationsplattform<br />
ICOS, eine innovative, am VIRTUAL VEHICLE entwickelte<br />
unabhängige Co-Simulationsplattform ermöglicht<br />
die einfache Integration von CAE Modellierungstools<br />
aus verschiedenen Fachdisziplinen auf<br />
Basis modernster Kopplungs-Algorithmen. Dadurch<br />
<strong>magazine</strong><br />
Nr. 11, I-2012<br />
Kompetenzzentrum <strong>Das</strong> virtuelle <strong>Fahrzeug</strong> Forschungsgesellschaft mbH (ViF) ■ A-8010 Graz, Inffeldgasse 21/A<br />
Tel.: +43 (0)316-873-9001 ■ Fax: +43 (0)316-873-9002 ■ E-Mail: office@v2c2.at ■ Internet: www.v2c2.at<br />
NVH<br />
Integrierte<br />
Sicherheit<br />
MULTI-TOOL SYSTEM DESIGN<br />
Domänenübergreifende Co-Simulation<br />
Energieerhaltende Kopplungsalgorithmen<br />
Integrationsplattform zur virtuellen Gesamtfahrzeugauslegung<br />
können die komplexen Interaktionen der einzelnen<br />
Sub-Systeme vorhergesagt und das Gesamtfahrzeug<br />
optimiert werden.<br />
ICOS unterstützt durchgängig den gesamten Entwicklungsprozess<br />
ICOS unterstützt den virtuellen Entwicklungsprozess<br />
durchgängig. Dies ermöglicht die frühzeitige<br />
Analyse von Interaktionen der Sub-Systeme, was<br />
eine vorzeitige Systemverifikation erlaubt. Abhängig<br />
von vorhandenen Daten kann die Gesamtfahrzeugsimulation<br />
mittels der unabhängigen Co-Simulationsplattform<br />
modular aufgesetzt werden.<br />
RELEASE 2.0<br />
•Neue Kopplungsmethodik<br />
•Neues Framework<br />
•Tool-Integration Neue Wrapper<br />
•<br />
Noch einfacheres<br />
Erstellen von<br />
System-Modellen<br />
•Unterstützung von<br />
Lizenzservern<br />
•Anbindung an<br />
Modellbibliothek<br />
Weitere Informationen unter: www.v2c2.at / IC S