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magazine - Das Virtuelle Fahrzeug

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REGELSYSTEME<br />

GEKOPPELTE<br />

SIMULATION<br />

ELEKTRISCHE<br />

ANTRIEBSSYSTEME<br />

Schwerpunkt-Thema:<br />

Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong><br />

Aktuelle Herausforderungen<br />

in Forschung und Entwicklung<br />

<strong>magazine</strong><br />

Nr. 11, I-2012<br />

ENERGIESPEICHER<br />

EMBEDDED<br />

SYSTEMS<br />

Bordnetz ■ Gesamtfahrzeug ■ Batterieintegration<br />

Aktive Sicherheitssysteme ■ Funktionale Sicherheit<br />

Elektrifizierter Antriebsstrang ■ Hybridsteuerung ■ Prototyping


Inhalt Nr.11, I. Quartal 2012<br />

4 7<br />

E/E im <strong>Fahrzeug</strong>: Mehr als Bits<br />

Neue Funktionalitäten, Eigenschaften und Features<br />

bestimmen den Innovationsgrad heutiger<br />

<strong>Fahrzeug</strong>e. Die steigende Anzahl und Vernetzung<br />

dieser Funktionen ist nur eine der vielen<br />

Herausforderungen in der <strong>Fahrzeug</strong>industrie.<br />

14 16<br />

E-Mobilität? Aber sicher!<br />

ISO 26262 ist der neue Standard für funktional<br />

sichere Elektrik und Elektronik. Systematisches<br />

Vorgehen bei der Entwicklung eines funktionalen<br />

Sicherheitskonzeptes ist Grundvoraussetzung<br />

für den Erfolg der E-Mobilität.<br />

HYBCONS steuert Hybrid<br />

<strong>Das</strong> Forschungsprojekt HYBCONS in Kooperation<br />

mit AVL befasst sich mit dem Design und<br />

der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware<br />

für Hybridfahrzeuge.<br />

2 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Komplexe Bordnetze beherrschen<br />

Mit der unabhängigen Co-Simulationsplattform<br />

ICOS und einer umfangreichen Modellbibliothek<br />

des VIRTUAL VEHICLE bleibt die verstärkte<br />

Elektrifizierung von Komponenten und das<br />

Bordnetz im <strong>Fahrzeug</strong> beherrschbar.<br />

Batterie: Kosten und Lebensdauer<br />

Elektromobilität wird sich nur im intelligenten<br />

Verbund von etablierten Technologien und<br />

elektrischem Antriebsstrang durchsetzen. <strong>Das</strong><br />

Verständnis der Alterungszusammenhänge von<br />

Energiespeichern ist ein wichtiger Baustein.<br />

Echtzeitsystem-Konfiguration<br />

Die Konfiguration von sicherheitsrelevanten<br />

verteilten Echtzeitsystemen stellt die <strong>Fahrzeug</strong>industrie<br />

vor neue Herausforderungen.<br />

Vor allem das Erstellen von robusten Konfigurationen<br />

ist manuell kaum noch beherrschbar.<br />

Neue Ansätze sind gefragt...<br />

10<br />

Gesucht: Mehrgrößenregelung<br />

Regelalgorithmen in Steuergeräten prägen<br />

entscheidend Ansprechverhalten, Vebrauch<br />

und Emissionen von modernen Verbrennungsmotoren.<br />

Ein Projekt zeigt innovative und leistungsfähige<br />

Mehrgrößenregelungen auf.<br />

22<br />

24 28 30<br />

SAFECONV: Vernetzte Sicherheit<br />

Die Vernetzung von aktiven und passiven Sicherheitssystemen<br />

- eine große Herausforderung<br />

sowohl in der Simulation und virtuellen<br />

Erprobung als auch in der <strong>Fahrzeug</strong>integration.<br />

<strong>Das</strong> Projekt SAFECONV liefert Lösungen.<br />

Testfallgenerierung<br />

Die Generierung von Testfällen aus Verhaltensmodellen<br />

ermöglicht die Funktionsabsicherung<br />

von vernetzten Steuergeräten. Neue Methoden<br />

und Werkzeuge sind hoch skalierbar und einfach<br />

in bestehende Toolketten zu integrieren.<br />

Illustration Titelseite: Dreamstime.com / ViF / Neuhold / Wachmann


E/E im <strong>Fahrzeug</strong>: Ars Electronica<br />

Die Beherrschung von Elektronik, Software und Embedded Systems<br />

in <strong>Fahrzeug</strong>en hat sich zu einer hoch komplexen Kunstform entwickelt.<br />

Zahlreiche Forschungsprojekte des VIRTUAL VEHICLE stellen sich<br />

der Herausforderung, um gemeinsam mit renommierten Industrie-<br />

und Forschungspartnern Lösungen auf die Vielzahl an brennenden<br />

Fragestellungen zu liefern.<br />

Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer<br />

Univ.-Doz. Dr. Daniel Watzenig, Bereichsleiter Area E - Vehicle E/E & Software<br />

Einparkassistent, Keyless Entry, Autonomes<br />

Fahren, Drive by Wire, Adaptive Light Control,<br />

Cornering Brake Control – die Liste der Innovationen<br />

im Automobilsektor ist lang. Obwohl<br />

die hohe Vernetzung und die enorme Anzahl an<br />

Steuergeräten, Sensoren und Aktuatoren kaum<br />

noch zu beherrschen ist, wird die Innovationsspirale<br />

immer weiter gedreht.<br />

Diese Ausgabe des VVM bündelt grundlagenorientierte<br />

und anwendungsnahe Beiträge führender<br />

Experten unserer Industriepartner, der<br />

TU Graz sowie des VIRTUAL VEHICLE zu den<br />

hochaktuellen Gebieten der <strong>Fahrzeug</strong>elektronik,<br />

Elektrifizierung und der eingebetteten Systeme<br />

(„embedded systems“).<br />

Funktionale Integrationsrolle<br />

Elektronische Systeme und eingebettete Software<br />

übernehmen zunehmend die funktionale<br />

Integrationsrolle in der <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung.<br />

In Zukunft werden Innovationen nur über hochvernetzte<br />

und komplexe Systeme zu realisieren<br />

sein. In modernen <strong>Fahrzeug</strong>en kommen Innovationen<br />

bereits heute zu über 80% aus der<br />

Elektronik. Und schon für 2015 werden bis zu<br />

40% der gesamten Kosten eines <strong>Fahrzeug</strong>s<br />

durch das E/E System prognostiziert.<br />

In diesem VVM spannen wir den weiten Bogen<br />

über aktuelle Forschungsaktivitäten, industrienahe<br />

Methodenentwicklung und begleitender<br />

Prozessadaption.<br />

Impressum:<br />

Medieninhaber, Herausgeber, Verleger:<br />

Kompetenzzentrum <strong>Das</strong> <strong>Virtuelle</strong> <strong>Fahrzeug</strong><br />

Forschungsgesellschaft mbH (ViF)<br />

A-8010 Graz, Inffeldgasse 21/A<br />

Tel.: +43 (0)316-873-9001 Fax: ext 9002<br />

E-Mail: office@v2c2.at Web: www.v2c2.at<br />

Redaktion und Gestaltung:<br />

Wolfgang Wachmann, Lisa Pichler<br />

Fotos: ViF, Industriepartner, TU Graz<br />

FB: LG f. ZRS Graz, FN: 224755 Y<br />

UID: ATU54713500<br />

Bei der funktionalen System- und Sicherheitsanalyse<br />

eingebetteter Systeme dreht sich alles<br />

um den neuen ISO-Standard 26262 zur Sicherstellung<br />

der funktional sicheren Elektrik und<br />

Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong>. Zugleich stellen wir<br />

Ansätze vor, um durch modellbasierte Ansätze<br />

in Design und Test von eingebetteten Systemen<br />

die Entwicklungszeit von vernetzten Systemen<br />

deutlich zu verringern.<br />

Vernetzung und Interaktion<br />

Welche Hürden genommen werden müssen,<br />

um ein reibungsloses Zusammenwirken aller<br />

elektronischen Komponenten im <strong>Fahrzeug</strong> sicherzustellen,<br />

davon vermitteln die, in diesem<br />

Heft näher vorgestellten Forschungsprojekte<br />

zur Domänen-übergreifende Simulation (Co-Simulation),<br />

Echtzeitmodellierung und komplexe<br />

Mehrgrößenregelungen oder der Elektrifizierung<br />

im Antriebsstrang bis hin zur intelligenten<br />

Steuerung von Hybridfahrzeugen einen guten<br />

Eindruck.<br />

Starkes Partnernetzwerk<br />

Doch nicht nur das Netzwerk der <strong>Fahrzeug</strong>komponenten<br />

ist entscheidend - ausgewählte<br />

Fallbeispiele und Beiträge zeigen die intensiven<br />

und erfolgreichen Aktivitäten mit nationalen<br />

und internationalen Industriepartnern sowie die<br />

enge Vernetzung zu verschiedensten universitären<br />

Forschungseinrichtungen: Ein Portrait<br />

des Instituts für Technische Informatik (ITI) der<br />

TU Graz und seiner Forschungsschwerpunkte<br />

zu eingebetteten, verteilten und vernetzten<br />

Echtzeit-Systemen (Cyber-Physical Systems,<br />

ab Seite 18) steht stellvertretend für die enge<br />

Anbindung an führende Forschungsinstitute.<br />

<strong>Das</strong> K2-Forschungsprojekt „Modelling, Simulation<br />

and Integration of Active Safety Systems<br />

for a Safety Concept Vehicle (SAFECONV)“<br />

widerum ist ein weiterer Baustein im Rahmen<br />

der Kooperation der BMW Group und des VIR-<br />

TUAL VEHICLE zur durchgängigen Entwicklung,<br />

Optimierung und Absicherung vernetzter<br />

Sicherheitsfunktionen im Gesamtfahrzeug.<br />

Schließlich zeigen renommierte Experten unserer<br />

Industriepartner Audi und AVL im Inzerview<br />

unter anderem Trends im Bereich E/E und<br />

Funktionalität sowie Mess- und Testsystemen<br />

auf.<br />

Unser Dank für die spannenden Fachbeiträge<br />

dieser Ausgabe gilt einer großen Zahl an Autoren<br />

- allen voran jener unserer Partner Audi,<br />

AVL, BMW und der TU Graz. Wir freuen uns<br />

auf den zukünftigen Einsatz der neuartigen<br />

Methoden, Prozesse und Werkzeuge in der<br />

<strong>Fahrzeug</strong>elektronik und wünschen Ihnen, liebe<br />

Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre!<br />

Dr. Jost Bernasch Dr. Daniel Watzenig<br />

<strong>Das</strong> Kompetenzzentrum VIRTUAL VEHICLE wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies<br />

durch das Österreichische Bundesministerium für Verkehr und Technologie (BMVIT), das Österreichische Bundesministerium<br />

für Wirtschaft, Familie und Jugend, (BMWFJ), die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), das Land<br />

Steiermark sowie die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) gefördert. <strong>Das</strong> Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

3


Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong> –<br />

mehr als nur Bits und Bytes<br />

Neue Funktionalitäten, Eigenschaften und zusätzliche Features bestimmen den Innovationsgrad heutiger<br />

<strong>Fahrzeug</strong>e. Die steigende Anzahl und Vernetzung dieser Funktionen im <strong>Fahrzeug</strong>, die Erhöhung der<br />

Produktqualität und der Systemstabilität sowie die Reduktion von Prototypen und deren Kosten sind die<br />

aktuellen Herausforderungen in der <strong>Fahrzeug</strong>industrie. Der Bereich E/E am VIRTUAL VEHICLE stellt sich<br />

diesen Herausforderungen.<br />

Heutige <strong>Fahrzeug</strong>e sind ein Paradebeispiel an<br />

hochvernetzten Systemen, die über verschiedenste<br />

Kommunikationswege (CAN, FlexRay,<br />

Ethernet) Informationen zeitgerecht, sicher und<br />

zuverlässig zwischen Steuergeräten, Sensoren<br />

und Aktuatoren austauschen müssen.<br />

Gerade im Wettbewerb der Automobilhersteller<br />

werden Innovationsfähigkeit im Elektronikbereich<br />

und Beherrschung der Systemkomplexität<br />

zu zentralen Erfolgsfaktoren. Die ständig<br />

steigende Anzahl der Funktionen erstreckt sich<br />

mehr und mehr über alle Funktionsbereiche.<br />

Konzentrierte sich die Funktionserweiterung in<br />

der Vergangenheit vorwiegend auf die Bereiche<br />

Karosserieelektronik und Infotainment, erfordern<br />

neue Sicherheits- und Komfortfunktionen<br />

wie Keyless-Entry, Fahrwerkregelsysteme, Vernetzung<br />

von Infotainment-Komponenten, neue<br />

Fahrerassistenzsysteme und der rasante Anstieg<br />

der Elektrifizierung des Antriebsstranges<br />

und der beteiligten Nebenaggregate, eine stärkerer<br />

Vernetzung aller Funktionsbereiche. Die<br />

funktionalen Anforderungen werden - bedingt<br />

Abbildung 1: Forschungslandschaft des Bereiches E/E am VIRTUAL VEHICLE<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

4 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

durch die große Funktionsspanne zwischen<br />

Basis- und Premiumausstattung differieren sie<br />

stark - durch Anforderungen hinsichtlich Qualität,<br />

Diagnostizierbarkeit, Testbarkeit sowie<br />

Methoden und Prozessen zu <strong>Fahrzeug</strong>-übergreifenden<br />

Elektroniksystemen ergänzt.<br />

Der Bereich E/E am VIRTUAL VEHICLE erforscht<br />

und entwickelt neue Methoden und<br />

Werkzeuge, um die <strong>Fahrzeug</strong>industrie in einer<br />

Vielzahl von Problemstellungen – durchgängiger<br />

Entwurf eingebetteter Systeme, aktive<br />

und funktionale Sicherheit (ISO 26262), Echtzeitmodellierung<br />

und Echtzeitkopplung, moderne<br />

Regelstrategien, „Restfahrzeugsimulation“,<br />

Komponentenmodelle mit verbesserter Prognosefähigkeit<br />

(z.B. Zellalterung, elektrifiziertes<br />

Getriebe, Kupplung, Sensoren, Aktuatoren) –<br />

zu unterstützen. Abbildung 1 zeigt einen Überblick<br />

über die Bandbreite der Themen, die im<br />

Bereich E/E mit renommierten nationalen und<br />

internationalen Industriepartnern und Universitätsinstituten<br />

untersucht und erarbeitet werden.<br />

Sicherheit rückt in den Mittelpunkt<br />

Neue Aufgabenstellungen im Bereich der alternativen<br />

Antriebe, der funktionalen Sicherheit<br />

von eingebetteten Systemen und der integralen<br />

Sicherheit erhöhen die Komplexität der<br />

Systemauslegung. Der Bereich E/E am VIR-<br />

TUAL VEHICLE setzt entsprechende Akzente<br />

in der Erarbeitung von Methoden, Prozessen,<br />

Simulations- und Testumgebungen für heutige<br />

und zukünftige aktive Sicherheitssysteme,<br />

Hochvoltsysteme in alternativen Antriebskonfigurationen<br />

und zur Erfüllung funktionaler<br />

Sicherheitsvorgaben in der Entwicklung von<br />

intelligenten eingebetteten Systemen mit Bezug<br />

auf das Gesamtfahrzeug. Abbildung 2 zeigt<br />

eine mögliche Klassifizierung der Thematik<br />

„Sicherheit im <strong>Fahrzeug</strong>“ ausgehend von den<br />

etablierten Begriffen der aktiven und passiven<br />

<strong>Fahrzeug</strong>sicherheit.<br />

Die integrale Sicherheit ist ein interdisziplinäres<br />

Forschungs- und Entwicklungsgebiet.<br />

Dies zeigt sich an der Vielfalt notwendiger<br />

Methoden und Werkzeugen zur<br />

Auslegung und Integration solcher<br />

Systeme: Mechanik, numerische<br />

Methoden, Sensorik und<br />

Aktuatorik, Signalverarbeitung<br />

und Echtzeitregelung, mechanische/elektrische/elektronische<br />

Integration, Embedded Software<br />

sind nur einige der beteiligten<br />

Wissensfelder.<br />

Die Einführung des Sicherheitsstandards<br />

ISO 26262 im Jahr<br />

2011 unterstreicht die enorme<br />

Wichtigkeit der funktionalen Sicherheit<br />

im Bereich Software und<br />

Elektronik im <strong>Fahrzeug</strong>. Die ISO<br />

26262 ermöglicht die Entwicklung<br />

von elektronischen Systemen, die<br />

das Auftreten von sicherheitskritischen<br />

Fehlern verhindern sollen.<br />

Speziell bei Lenksystemen,


Abbildung 2: Klassifizierung der Sicherheit in zukünftigen <strong>Fahrzeug</strong>en<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Rückhalte- oder <strong>Fahrzeug</strong>stabilitätssystemen<br />

könnten solche Fehler fatale Folgen haben.<br />

Modellbasierte Methodik – nicht<br />

nur auf die Software-Entwicklung<br />

beschränkt!<br />

In den letzten Jahren fand ein Paradigmenwechsel<br />

von traditionellen Entwicklungsmethoden<br />

zu modellbasierten Ansätzen in der<br />

Entwicklung von E/E Systemen statt. Diese unterstützen<br />

die ganzheitliche Sichtweise auf die<br />

Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung<br />

aller Phasen des Entwicklungsprozesses (Anforderungen,<br />

Konzept, Datenmodelle, Entwicklung,<br />

funktionale Absicherung, Produktion) und<br />

deren Optimierung.<br />

Modellbasierten Methoden unterstützen die<br />

gesamtheitliche, domänenübergreifende Modellierung<br />

komplexer Systeme bestehend<br />

aus elektrischen / elektronischen / mechatronischen<br />

Komponenten, Sensoren, Analog/Digital<br />

Umsetzung, Steuerungs- und Regelungsalgorithmen<br />

und dem (sicherheitskritisches)<br />

Kommunikationsnetzwerk (Abbildung 3). Auf<br />

diese Weise lässt sich das Design validieren,<br />

simulieren und optimieren – und jede Einzelfunktion<br />

auf ihre Anforderungen hin überprüfen<br />

sowie mit Test- und Verifikationsstrategien verknüpfen.<br />

Damit kann bereits in der frühen Phase<br />

sichergestellt werden, dass z.B. Regelungssysteme<br />

die gestellten Anforderungen an z.B.<br />

Regelgenauigkeit, Timings oder Regeldynamik<br />

auch wirklich erfüllen.<br />

In Zukunft werden Innovationen nur über hochvernetzte<br />

und komplexe Systeme zu realisieren<br />

sein. In modernen <strong>Fahrzeug</strong>en des Premiumsegments<br />

sind bereits ca. 60–80 Steuergeräte<br />

unterschiedlicher Zulieferer beteiligt, die über<br />

eine zweistellige Anzahl von Bussystemen miteinander<br />

kommunizieren. Innovationen kommen<br />

bereits heute zu 80-90% aus der Elektronik.<br />

2015 sollen bis zu 40% der gesamten<br />

Kosten eines <strong>Fahrzeug</strong>s durch das E/E System<br />

verursacht werden.<br />

Software im Antriebsstrang<br />

Gerade in der Entwicklung elektrifizierter und/<br />

oder alternativer Antriebskonfigurationen spielen<br />

eingebettete Systeme, modellbasierte Software-Entwicklung<br />

und funktionale Sicherheit<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

Eingebettete Systeme und damit der Bereich<br />

E/E übernehmen zunehmend die funktionale<br />

Integrationsrolle in der <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung.<br />

Abbildung 4 zeigt, dass die Interaktion und<br />

Kommunikation elektrifizierter Antriebsstrangkomponenten<br />

nicht nur über eine mechanische<br />

Kopplung erfolgt, sondern in die Kommunikationsarchitektur<br />

eingebettet ist (z.B. über CAN).<br />

Die in den Steuergeräten (xCU) abgebildeten<br />

Funktionalitäten unterliegen einer ständig steigenden<br />

Komplexität. Dies begründet sich darin,<br />

dass die etablierten Steuergerätefunktionen<br />

stark erweitert und darüber hinaus vollständig<br />

neue Funktionalitäten im Zusammenspiel mit<br />

anderen Steuergeräten im Verbund (siehe Abbildung<br />

4) realisiert werden. Durch letzteres ergeben<br />

sich zahlreiche Abhängigkeiten, so dass<br />

heute ein komplexes Gesamtsystem nur mit<br />

verteilten Funktionen realisierbar ist. Darüber<br />

hinaus ergibt sich durch die unterschiedlichen<br />

Antriebsstrangtopologien und Kommunikationsarchitekturen<br />

in den verschiedenen Märkten<br />

der Welt die Notwendigkeit, Funktionen so zu<br />

gestalten, dass diese wiederverwendbar und<br />

skalierbar sind.<br />

Der Forschungsbereich E/E und Embedded<br />

Software erforscht und implementiert neue<br />

Methoden, Prozesse und Werkzeuge, um die<br />

zunehmende Komplexität sicherheitskritischer<br />

Systeme speziell in der Funktionsentwicklung<br />

alternativer Antriebe auch zukünftig beherrschen<br />

zu können.<br />

Der „HiL Boom“ – Kombination von<br />

Simulation und Versuch<br />

Obwohl in vielen Bereichen Gesamtfahrzeugprototypen<br />

aktuell noch nicht wegzudenken<br />

sind, dienen immer mehr Ersatzversuche bzw.<br />

sogenannte hybride Umgebungen (Kombination<br />

von Simulation und Versuch: hardware-inthe-loop,<br />

HiL) als Basis für den Gesamtfahrzeugversuch<br />

und -absicherung. HiL Systeme<br />

finden sich inzwischen in vielen Bereichen, z.B.<br />

Antriebsstrang, Infotainment, aktive Sicherheit,<br />

Thermalsysteme, Fahrwerk, Verbrauch oder bei<br />

Szenario-basierten Testläufen.<br />

Die Reduktion der Anzahl von Prototypen<br />

speziell in der Entwicklung von Derivaten<br />

und von alternativen Antriebskonzepten<br />

wird als die Herausforderung in den nächsten<br />

5 – 10 Jahren bei allen Automobilherstellern<br />

gesehen.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

5


Abbildung 3: Modellbasierter Zugang zur durchgängigen Entwicklung von sicherheitskritischen eingebetteten Systemen unter Einbeziehung der gekoppelten Simulation<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Die wesentliche Zielsetzung besteht dabei in der<br />

modellbasierten Entwicklung, Regelung, Systemidentifikation<br />

und Validierung ergänzt durch<br />

die Schnittstelle zu realen Systemen (HiL, ViL,<br />

Rapid Prototyping) zur Steigerung der Entwicklungseffizienz<br />

bei einer gleichzeitigen Verbesserung<br />

der Simulations- und Produktqualität.<br />

Mit der Kombination der virtuellen und realen<br />

Welt entstehen neue Herausforderungen an<br />

die Simulation. Echtzeitmodellierung, Modellreduktion<br />

und -approximation, Versuchsplanung<br />

(„Design of Experiments“), Modellgenauigkeit<br />

vs. Modellgeschwindigkeit, Restbus- und Restfahrzeugsimulation,<br />

Zeitsteuerung und Echzeitregelung<br />

sind Schlagworte die in den Fokus der<br />

<strong>Fahrzeug</strong>entwickler gerückt sind.<br />

6 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Es besteht kein Zweifel, dass Elektronik und<br />

insbesondere die eingebettete Software den<br />

Schlüssel für innovative und marktgerechte<br />

Funktionalität moderner <strong>Fahrzeug</strong>e darstellen.<br />

Gleichzeitig müssen jedoch die Zuverlässigkeit,<br />

die Sicherheit und die Qualität der <strong>Fahrzeug</strong>elektronik<br />

in hohem Maße gewährleistet werden.<br />

Der Bereich E/E und Embedded Software am<br />

VIRTUAL VEHICLE setzt seine Schwerpunkte<br />

in den nächsten Jahren auf die Themen alternative<br />

Antriebssysteme, aktive und funktionale<br />

Sicherheit, Batteriemodellierung und –test<br />

(thermische und mechanische Abuse-Szenarien)<br />

sowie Methoden und Werkzeuge zur Entwicklung<br />

und Absicherung sicherheitskritischer<br />

Abbildung 4: Der elektrifizierte Antriebsstrang. Der Hybridregler stellt das Zusammenspiel der einzelnen<br />

Teilkomponenten sicher. Die Kommunikation erfolgt über verschiedenste Wege: über CAN, analoge Signale,<br />

mechanische und elektrische Kopplung<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

eingebetteter Systeme und Kommunikationsarchitekturen<br />

speziell auch unter den Gesichtspunkten<br />

„Security“ und „Car-2-X“.<br />

Zudem wird der Bereich Control Systems<br />

massiv ausgebaut um die hochaktuellen Themenstellungen<br />

robuste und vorausschauende<br />

Regelung, echtzeitfähige Co-Simulation, Sensormodellierung<br />

und Datenfusion entsprechend<br />

zu verstärken. Großes Augenmerk liegt hier in<br />

der Verbesserung der Modellgüte aber auch in<br />

der frühen Integration von bereits vorhandener<br />

Hardware und Modellen aus anderen Fachdisziplinen.<br />

Durch die Kombination von grundlagenorientierter<br />

und angewandter Forschung sowie prototypischer<br />

Entwicklung ergänzen sich die Institute<br />

der TU Graz und das VIRTUAL VEHICLE<br />

optimal und können so die Automobilindustrie<br />

in zahlreichen Fragestellungen aus den Bereichen<br />

Elektrifizierung, eingebettete Systeme,<br />

modellbasierte Software-Entwicklung, Sensorik<br />

und Elektronik effizient unterstützen. ■<br />

Zu den Autoren<br />

Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />

Watzenig leitet den<br />

Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />

und Embedded<br />

Software am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Dr. Jost Bernasch ist<br />

Geschäftsführer am<br />

VIRTUAL VEHICLE.


Entwurf eines Zweispannungsbordnetzes<br />

mittels Co-Simulation<br />

und Modellbibliothek<br />

Die Forderung nach einer Reduktion des CO2-Ausstoßes bei Personenkraftfahrzeugen führt zu einer<br />

verstärkten Elektrifizierung von Komponenten im <strong>Fahrzeug</strong>. Am VIRTUAL VEHICLE kommen die unabhängige<br />

Co-Simulationsplattform ICOS sowie eine Modellbibliothek zum Einsatz, um die Komplexität moderner<br />

Bordnetzkonzepte beherrschen zu können.<br />

Trend hin zu einer verstärkten<br />

„Elektrifizierung“<br />

In der Automobilindustrie ist ein starker Trend<br />

hin zur Elektrifizierung zu erkennen. Dies gilt<br />

nicht nur für typische Antriebstrangkomponenten,<br />

wie z.B. in Hybrid- oder Elektrofahrzeugen<br />

eingesetzt, sondern auch immer mehr<br />

für Verbraucher wie Klimakompressor oder<br />

Servopumpe. Die Limitierung für eine weitere<br />

Elektrifizierung stellt das herkömmliche 14V<br />

Niederspannungsnetz dar. Die für den Betrieb<br />

der Komponenten notwendigen hohen elektrischen<br />

Leistungen (siehe Tabelle 1) und somit<br />

Ströme, führen zu einem deutlichen Anstieg der<br />

Leitungsverluste und zu größeren Drahtquerschnitten.<br />

Mit der Einführung einer zweiten Niederspannungsebene<br />

(


Teilsysteme aufgeteilt<br />

• Starke Interaktion zwischen den beteiligten<br />

Komponenten bzw. Funktionen<br />

• Integration einer/mehrerer Energiespeicher<br />

(Energieversorgung, Filtern bzw.<br />

Stützen von Spannungsspitzen)<br />

• Stabilität des elektrischen Systems<br />

• Sicherheit, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit<br />

In Abbildung 1 ist eine Beispielarchitektur für<br />

ein Zweispannungsbordnetz dargestellt. Zusätzlich<br />

zum konventionellen 14V Bordnetz<br />

ist ein weiteres Niederspannungsnetz mit 42V<br />

installiert. Die beiden Netze sind mittels eines<br />

Gleichspannungswandlers (DC/DC Converter)<br />

verbunden. Der 42V Starter/Generator (Alternator)<br />

ist für die Spannungsversorgung aller Komponenten,<br />

den Start des Verbrennungsmotors<br />

sowie für die Rekuperation zuständig. Es sind<br />

zwei Energiespeicher installiert, ein konventioneller<br />

Bleiakku im 14V Netz, für die Versorgung<br />

der Steuergeräte während des Motorstarts, sowie<br />

eine Lithium-Ionen-Batterie im 42V Netz für<br />

den Motorstart. Komponenten mit einem hohen<br />

mittleren Leistungsbedarf (etwa elektrischer<br />

Klimakompressor oder Lenkpumpe) können im<br />

42V Netz platziert werden, wofür ein entsprechender<br />

Anpassungsaufwand notwendig ist.<br />

Bestehende Komponenten, etwa Steuergeräte,<br />

können im 14V Netz betrieben werden.<br />

Die Aufgabe des Bordnetzentwicklers ist es, die<br />

optimale Aufteilung der Komponenten zu gewährleisten.<br />

Die Einführung dieser zusätzlichen<br />

Freiheitsgrade führt zu einem dramatischen<br />

Anstieg der Komplexität bei der Bordnetzentwicklung.<br />

Der Gestaltungsspielraum durch die<br />

mehreren Spannungsebenen erfordert eine<br />

verstärkte Zusammenarbeit zwischen den<br />

Abbildung 2: Spezifikation der Bordnetzarchitektur und Auswahl der Komponenten mittels<br />

Co-Simulationsframework und Modellbibliothek<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

8 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

im <strong>Fahrzeug</strong>entwicklungsprozess beteiligten<br />

Fachabteilungen, um eine optimale Konfiguration<br />

hinsichtlich Kosten, Energieverbrauch,<br />

Verdrahtungsaufwand, Kabelgewicht oder Leitungsverluste<br />

zu finden.<br />

Effiziente Entwicklung mit<br />

Co-Simulation und Modellbibliothek<br />

Seit mehreren Jahren widmet sich das VIRTU-<br />

AL VEHICLE der intensiven Erforschung der<br />

Themen Modellbibliothek und Co-Simulation.<br />

Die Modellbibliothek am VIRTUAL VEHICLE<br />

stellt eine zentrale Datenablage zur Verwaltung<br />

von Simulationsmodellen und –artefakten dar,<br />

welche die Entwicklungsdomänen und somit<br />

die Fachbereiche zusammenführt. Die von den<br />

jeweiligen Fachabteilungen zur Verfügung gestellten<br />

Modelle werden mit Metadaten versehen<br />

(z.B. Simulationswerkzeug inkl. Version,<br />

Beschreibung der Ein-/Ausgänge, Datenformat,<br />

usw.) und gemeinsam mit einer Dokumentation<br />

in einem Datenmanagementsystem abgelegt.<br />

Die entwickelten Co-Simulationsmethoden<br />

und -werkzeuge sind in der sogenannten „unabhängigen<br />

Co-Simulations-Plattform ICOS“<br />

professionell umgesetzt. <strong>Das</strong> so genannte<br />

„ICOS Framework“ verbindet die Simulationswerkzeuge<br />

(und damit die virtuelle Darstellung<br />

der Komponenten) aus den unterschiedlichen<br />

Disziplinen und führt komplexe Aufgaben wie<br />

Datenaustausch, Synchronisation, Extrapolation<br />

oder zentral die Fernsteuerung der Simulationstools<br />

aus.<br />

Die Einführung von Co-Simulation im modellbasierten<br />

Entwicklungsprozess wird von der<br />

steigenden Komplexität moderner mechatronischer<br />

Systeme getrieben. Es genügt nicht<br />

mehr, eine Komponente aus der Sicht des zuständigen<br />

Fachbereichs darzustellen. Stattdessen<br />

müssen komplexe Interaktionen, Lastfälle<br />

oder Randbedingungen aus unterschiedlichsten<br />

Domänen im Entwicklungsprozess berücksichtigt<br />

werden. Für eine virtuelle Darstellung<br />

bedeutet dies, dass nicht mehr nur ein Simulationswerkzeug<br />

zum Einsatz kommen kann, es<br />

muss bereits hier eine korrekte Abbildung des<br />

Gesamtsystems unter Einbeziehung der spezifischen<br />

Tools gewährleistet werden.<br />

Ein Co-Simulationsframework wie ICOS ermöglicht<br />

dies. Wie in Abbildung 2 dargestellt, wird<br />

dem Bordnetzentwickler auf Basis von ICOS<br />

in Kombination mit einer zentralen Verwaltung<br />

der Simulationsmodelle (Modellbibliothek) ein<br />

„virtuelles Restfahrzeug“, welches die für ihn<br />

relevanten dynamischen Effekte darstellen<br />

kann, zur Verfügung gestellt. Die Definition der<br />

Topologie und Architektur sowie die Dimensionierung<br />

der relevanten Bauteile (Generator,<br />

Batterie, ...) erfolgt auf einem ganzheitlichen<br />

Ansatz, welcher die Simulation aller relevanten<br />

Effekte aus den verschiedenen Bereichen<br />

berücksichtigt. Die Entwicklung von entsprechenden<br />

Regelungsstrategien auf Basis einer<br />

Kombination von mechanischen, thermischen<br />

und elektrischen Modellen gewährleistet die<br />

korrekte Funktionalität der Komponenten und<br />

Systeme, minimiert Auswirkungen von Lastschwankungen<br />

oder visualisiert den Einfluss<br />

von Lastanforderungen auf die Lebensdauer<br />

der Energiespeicher.<br />

Beispiel: Mildhybrid mit<br />

Zweiebenen-Bordnetz<br />

Hybridfahrzeuge (hybrid electric vehicles,<br />

HEVs) sind ein moderner Ansatz für umweltfreundliche<br />

Autos. Beim sogenannten Mildhybrid<br />

wird der Verbrennungsmotor durch einen<br />

relativ kleinen Elektroantrieb (etwa als Starter/Generator<br />

ausgeführt) mit typischerweise<br />

6-14kW elektrischer Leistung unterstützt.<br />

Anhand eines Beispiels wird die Eignung von<br />

Co-Simulation für die Entwicklung eines Zweiebenen-Bordnetzes<br />

für den Mildhybrid dargestellt.<br />

In Abbildung 3 ist die prinzipielle Struktur<br />

des virtuellen Prototypen dargestellt. Die<br />

Verbrennungskraftmaschine (VKM) und der<br />

Elektromotor/Generator (EM) sind mit dem<br />

Restantriebsstrang verbunden. Die zwei Spannungsebenen<br />

14V und 42V sind mittels eines<br />

DC/DC Converters verbunden. Entsprechende


elektrische Verbraucher und Energiespeicher<br />

sind vorgesehen. Der Kühlkreislauf verbindet<br />

die thermischen Modelle von VKM, EM, DC/<br />

DC Converter und Lithium-Ionen-Batterie. <strong>Das</strong><br />

zentrale Energiemanagement gewährleistet das<br />

optimale Zusammenspiel der mechanischen,<br />

elektrischen und thermischen Teilsysteme.<br />

Die entsprechende Repräsentation als Co-<br />

Simulationsmodell ist in Abbildung 4 zu sehen.<br />

Die einzelnen Komponenten sind als Modelle<br />

in den zugehörigen Simulationswerkzeugen<br />

modelliert und über ICOS miteinander verbunden.<br />

Aus Sicht des Bordnetzentwicklers ist das<br />

System als Modelle für die 14V- bzw. 42V-Bordnetzarchitektur<br />

und den Energiemanagementcontroller<br />

mit Verbindungen zu einer Restfahrzeugsimulation<br />

dargestellt. Diese Modelle mit<br />

den zugehörigen Simulationswerkzeugen sind<br />

am Entwicklercomputer installiert. Die weiteren<br />

Komponenten werden automatisch aus der<br />

Modellbibliothek geladen. Die Modelle für das<br />

Restfahrzeug werden dabei auf unterschiedlichen<br />

Computern im Netzwerk ausgeführt, auf<br />

denen die jeweilige Software inklusive der notwendigen<br />

Lizenzen installiert ist.<br />

<strong>Das</strong> resultierende, auf Co-Simulation basierende<br />

Modell eines Mildhybridfahrzeugs mit<br />

Zweispannungsbordnetz wird genutzt, um die<br />

transiente Wechselwirkungen zwischen Stromnetz<br />

und <strong>Fahrzeug</strong> in einer realistischen Art<br />

und Weise untersuchen zu können. Zahlreiche<br />

unterschiedliche Stromnetz-Konfigurationen<br />

können dargestellt und simuliert werden. Beliebige<br />

Erweiterungen, etwa um eine Hochspannungsebene<br />

für Vollhybridfahrzeuge sind<br />

einfach möglich.<br />

Abbildung 3: Strukturbild mit mechanischen Komponenten, Kühlkreislauf und Zweiebenen-Bordnetz für einen Mildhybrid<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die Einführung einer zweiten Niederspannungsebene<br />

im KFZ wird zu einer weiteren<br />

Elektrifizierung der traditionellen mechanischen<br />

Komponenten in Pkws führen.<br />

Einerseits wird hiermit die Forderung nach Reduktion<br />

der CO2-Emissionen unterstützt, andererseits<br />

wird die Komplexität in der Entwicklung<br />

von Bordnetzen deutlich erhöht. Durch den<br />

Einsatz eines modernen Frameworks wie ICOS<br />

wird eine effiziente Entwicklung der künftigen<br />

Zwei-Spannungs-Bordnetze überhaupt erst<br />

Abbildung 4: Co-Simulationsdarstellung mit ICOS für den Mildhybrid mit Zweiebenen-Bordnetz<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

ermöglicht. Mittels des modularen Co-Simulationsansatzes,<br />

der anhand eines Beispiels<br />

dargestellt wurde, können unterschiedliche<br />

Stromnetzkonfigurationen auf ihre Effizienz und<br />

ihr Stabilitätsverhalten hin analysiert werden. ■<br />

Zu den Autoren<br />

Dr. Josef Zehetner leitet<br />

den Forschungsbereich<br />

Co-Simulation und Modellbibliothek.<br />

DI Wenpu Lu forscht im<br />

Bereich Bordnetzsimulation<br />

und Modellbibliothek.<br />

Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />

Watzenig leitet den<br />

Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />

und Embedded<br />

Software am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

9


Beherrschbare<br />

Mehrgrößenregelung<br />

Regelalgorithmen in Steuergeräten prägen entscheidend Ansprechverhalten, Vebrauch und Emissionen<br />

von modernen Verbrennungsmotoren. Eingrößen-PID-Regelungen bilden seit Verwendung elektronischer<br />

Motorsteuerungen den Kern der Luftpfadregelung von Dieselmotoren. Trotz bekannter Nachteile und vielfältiger<br />

neuer Vorschläge wurden diese einfachen Konzepte in der Praxis letztendlich bis heute nicht von neuen<br />

Regelstrategien verdrängt. Am Virtual Vehicle wird erforscht, wie man leistungsfähige Mehrgrößenregelungen<br />

gestalten kann, die sich in der Einfachheit ihrer Handhabung nicht wesentlich von den etablierten Regelungen<br />

unterscheiden, zugleich aber die Potentiale der Mehrgrößenregelung voll ausschöpfen.<br />

Luftpfadregelung beim Dieselmotor<br />

Die Luftpfadregelung in Dieselmotorsteuergeräten<br />

dient hauptsächlich der Senkung von NOX<br />

und Partikelemissionen, beeinflusst aber auch<br />

maßgeblich den Verlauf des Momentenaufbaus<br />

im transienten Betrieb. Neue Anforderungen<br />

in Form von strengeren Emissionslimits und<br />

gleichzeitig dynamischeren Tests zur Zertifizierung<br />

machen die Weiterentwicklung konventioneller<br />

Luftpfadregelungen nötig.<br />

Für stationäre Abgastests entwickelte Regelkonzepte,<br />

die meist nur als Störregelungen<br />

ausgeführt sind, können diese gesteigerten<br />

Anforderungen nach einer dynamischeren Regelung<br />

nur mehr schwer erfüllen, ohne schwerwiegende<br />

Nachteile in der Robustheit und/oder<br />

der Regelgeschwindigkeit in Kauf zu nehmen.<br />

Auch die Bedeutung der Verkoppelungen unter<br />

den zu regelnden Größen nimmt stetig zu, da<br />

es zum Erreichen der Emissionsziele notwen-<br />

10 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

dig wird, in größeren Betriebsbereichen des<br />

Motors mehrere Sollgrößen zugleich dynamisch<br />

zu regeln.<br />

Konventionelle Lösungen<br />

Die Luftpfadregelung basiert im Wesentlichen<br />

auf der Regelung der Luftladungsmenge und<br />

ihres Zustands. Die gewünschte Ladungsmenge<br />

und ihr Zustand wird in turboaufgeladenen<br />

Dieselmotoren über 2 Sollgrößen (z.B. Frischluftmasse<br />

und Ladedruck) festgelegt und über<br />

zumindest 2 Stellgrößen (meist Abgasrückführventil<br />

und Turboladersteller)<br />

eingestellt.<br />

Konventionell wird diese Aufgabe<br />

durch zwei dezentrale<br />

Regler realisiert. Die Reglerstruktur<br />

der beiden Regelkerne<br />

ist üblicherweise eine<br />

PID-Struktur (Standardregler in Motorsteuergeräten)<br />

mit Parametern, welche meist von Drehzahl,<br />

Einspritzmenge und manchmal auch von<br />

der Regelabweichung selbst abhängig sind. Die<br />

Abhängigkeiten werden der flexiblen Parametrierung<br />

wegen in sogenannten Kennfeldern abgelegt.<br />

Um Probleme durch Querkoppelungen<br />

zu vermeiden, sind bei solchen Umsetzungen<br />

mit zwei Eingrößen-PID-Reglern jedoch meist<br />

nur in Ausnahmefällen beide Regler zugleich<br />

aktiv.<br />

Entwicklungstrends<br />

Motorsteuerungen werden zunehmend leistungsfähiger<br />

und der Aufwand einer Motorabstimmung<br />

ist in der Vergangenheit stark<br />

angestiegen. Rund 15.000 bis 20.000 Einstellparameter<br />

in einer Motorsteuerung stellen heutzutage<br />

keine Seltenheit dar.<br />

Demgegenüber steht die Forderung nach einer<br />

gleichbleibenden oder wenn möglich sogar kürzeren<br />

Applikationszeit.<br />

Durch modellgestützte Ansätze kann einerseits<br />

erreicht werden, dass Teile der Motorapplikation<br />

durch Simulation vorab ohne Hardware<br />

durchgeführt werden können. Andererseits sind<br />

Datenstände aus bestehenden Motorapplikationen<br />

leichter übertragbar, weil die verwendeten<br />

Parameter in den Regel- und Steueralgorithmen<br />

eine physikalische Bedeutung bekommen.<br />

Bei den wichtigsten Herstellern für Motorsteuergeräte<br />

ist ein Schwerpunkt der Entwicklung<br />

der Luftpfadregelung die Bereitstellung von<br />

emissionsrelevanten Sollwerten und entsprechenden<br />

(virtuellen) Sensorwerten. Beide werden<br />

durch (nichtlineare) Modelle zur Laufzeit in<br />

der Motorsteuerung aus den verfügbaren Sensorwerten<br />

berechnet.


Ein weiterer Trend ist in der Verwendung nichtlinearer<br />

Modelle zur Vorsteuerung in Abhängigkeit<br />

der Sollwerte zu erkennen. Speziell die<br />

Adaption der Vorsteuerung auf geänderte Umgebungsbedingungen<br />

wird dadurch erheblich<br />

vereinfacht und birgt ein enormes Potential,<br />

den Entwicklungsaufwand zu reduzieren und<br />

zu beschleunigen.<br />

Trotz vielfältiger erfolgversprechender Vorschläge<br />

zu Mehrgrößenregelungen werden<br />

immer noch zum überwiegenden Großteil<br />

konventionelle Eingrößenregelungen in Seriensteuergeräten<br />

eingesetzt. Dies ist unter anderem<br />

darin begründet, dass die Einstellung<br />

eines Eingrößen-PID-Reglers intuitiv erfolgen<br />

kann und das Feinjustieren der Regelung im<br />

Betrieb sehr leicht möglich ist. Im Unterschied<br />

dazu erfordert die Parametrierung einer Mehrgrößenregelung<br />

meist ein sehr hohes Maß an<br />

Spezialwissen und die Zuhilfenahme von speziellen<br />

Werkzeugen.<br />

Forschungsschwerpunkt<br />

Um Mehrgrößenregelungen des Luftpfades<br />

auch für den Serieneinsatz attraktiver zu machen,<br />

wird im Rahmen eines Kooperationsprojektes<br />

mit dem Industriepartner AVL List<br />

GmbH daran gearbeitet, die Vorteile der Mehrgrößenregelung<br />

zu nutzen und gleichzeitig die<br />

bekannten Vorteile der etablierten Eingrößenregler<br />

zu erhalten.<br />

<strong>Das</strong> Projekt behandelt folgende Forschungsschwerpunkte:<br />

1. Eine modulare Reglerarchitektur soll<br />

Anforderungen bezüglich Testbarkeit,<br />

Änderbarkeit, Übertragbarkeit sowie Benutzbarkeit<br />

erfüllen und zugleich eine<br />

schrittweise Parametrierung ermöglichen.<br />

2. Eine spezielle Reglerstruktur und die Verwendung<br />

gemeinsamer Parameter für unterschiedliche<br />

Reglermodule soll die Anzahl<br />

notwendiger Parameter reduzieren.<br />

3. Die Regelung soll während des Betriebs<br />

leicht einstellbar sein.<br />

4. Die echtzeitfähigen Berechnungsschritte<br />

der Regelalgorithmen sollen wenig Speicherplatz<br />

und Rechenzeit benötigen.<br />

Modellbasierte Reglerentwicklung<br />

Üblicherweise werden bei modellbasierter Entwicklung<br />

(mathematische) Modelle der zu regelnden<br />

Strecke für die Simulation und zur Einstellung<br />

der Reglerparameter verwendet. Oft ist<br />

die Abhängigkeit der Reglerparameter von den<br />

Modellparametern und Entwurfsfreiheitsgraden<br />

sehr komplex und eine Trennung nicht effizient<br />

möglich.<br />

Im aktuellen Forschungsprojekt konnte im Anwendungsfall<br />

der Luftpfadregelung innerhalb<br />

der Regelstruktur eine Trennung zwischen<br />

Modellparametern und Entwurfsfreiheitsgraden<br />

erreicht werden. <strong>Das</strong> bedeutet, dass die Einstellung<br />

der Regelung in zwei separaten Schritten<br />

erfolgen kann. Zuerst wird das Modell der<br />

Strecke parametriert, was durch geeignete<br />

Werkzeuge unterstützt und automatisiert werden<br />

kann. In einem zweiten Schritt werden nur<br />

mehr die verbleibenden Entwurfsfreiheitsgrade<br />

eingestellt.<br />

Die Trennung der Parameter bringt die notwendige<br />

Vereinfachung in der Handhabbarkeit,<br />

welche entscheidend für die Akzeptanz des<br />

Konzepts und die praktische Anwendung ist.<br />

Erfolgreicher Nachweis durch<br />

Simulation und Erprobung<br />

<strong>Das</strong> Konzept wurde für die Regelung eines Dieselmotormodells<br />

eingesetzt.<br />

Durch Simulation und Analyse verschiedener<br />

Betriebssituationen sowie ganzer Prüfläufe<br />

konnte in diesem ersten Schritt die notwendige<br />

hohe Reife der Algorithmen erreicht werden. In<br />

einem zweiten Schritt erfolgte die Erprobung<br />

der fertig getesten Regelung im realen Betrieb.<br />

Für den Betrieb der Regelung steht eine<br />

echtzeitfähige Entwicklungshardware zur<br />

Verfügung, welche die Schnittstellen zur Motorsteuerung<br />

bildet und die Berechnung der<br />

Regelalgorithmen durchführt.<br />

Simulationsvergleich Eingrößemregelung (SISO) mit<br />

Mehrgrößenregelung (MIMO), Ausschnitt eines transienten Testzyklus (NRTC)<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Die speziellen Vorteile der neuen Reglerarchitektur<br />

konnten erfolgreich unter Beweis gestellt<br />

werden. Die methodische Applikation (Einstellung)<br />

des Reglers am Prüfstand ermöglichte<br />

in kurzer Zeit den transienten Betrieb eines<br />

Diesel-Motors für Nutzfahrzeuge und die einfache<br />

nachträgliche Einstellung unterstützt die<br />

Verbrennungsentwicklung bei der Einhaltung<br />

der Entwicklungsziele.<br />

Weitere Einsatzgebiete<br />

Ein weiteres Einsatzgebiet der erstellten Regelung<br />

kann neben der Regelung eines realen<br />

Dieselmotors auch die Regelung eines Simulationsmodells<br />

sein. Für die Auslegung von Motor,<br />

Verbrennung und Abgasnachbehandlung<br />

werden derzeit schon in sehr frühen Entwicklungsstadien<br />

Motormodelle eingesetzt.<br />

Die Regelung eines Simulationsmodells mit einer<br />

virtuellen Motorsteuerung spielt dabei eine<br />

immer größere Rolle, wenn man zusätzlich zum<br />

stationären auch das dynamische Verhalten in<br />

der Simulation untersuchen möchte.<br />

Die erstellte Reglerarchitektur liefert somit<br />

auch einen wertvollen Beitrag zum Aufbau einer<br />

sogenannten Soft-ECU – einer virtuellen<br />

Motorsteuerung. ■<br />

Zum Autor<br />

DI Michael Stolz ist Leiter<br />

des Lead Themas „Regelungstechnik“<br />

am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

11


Modellreduktion:<br />

Komplexe Systeme vereinfachen<br />

Reduzierte Modelle beschreiben qualitativ das angenäherte Systemverhalten. Dennoch sind sie ein<br />

Kompromiss zwischen dem Grad der Modellreduktion und der resultierenden Genauigkeit. Die am VIRTUAL<br />

VEHICLE entwickelten kombinierten Methoden helfen, eine sinnvolle Balance herzustellen.<br />

Die virtuelle <strong>Fahrzeug</strong>entwicklung mit Hilfe<br />

von spezialisierten Computerprogrammen ist<br />

eine Gratwanderung: Einerseits dominieren<br />

ausgereifte Simulationswerkzeuge die facettenreichen<br />

Ingenieur-Disziplinen und bieten<br />

zugeschnittene Modellierungssprachen sowie<br />

Lösungsalgorithmen. Typischerweise werden<br />

hochdetaillierte Modelle entwickelt, um das<br />

System und dessen Verhalten zu analysieren<br />

– ohne teure Prototypen erstellen zu müssen.<br />

Andererseits fordern steigende Produktanforderungen<br />

umfassendere Analysen und diese<br />

führen zwangsläufig zu komplexeren Modellen.<br />

Diese sind Voraussetzung, um exaktere Aussagen<br />

über das Systemverhalten zu erzielen.<br />

Gesucht: Vereinfachte Modelle<br />

Aufgrund der meist hohen Komplexität der Teilmodelle<br />

führen Gesamt- bzw. Teilsimulationen<br />

zu erheblichen Rechenzeiten. Dem Einbinden<br />

von virtuellen Teilmodellen am Prüfstand (HiL<br />

- Hardware in the Loop) sind Grenzen gesetzt.<br />

Kürzere Simulationszeiten auf Echtzeitplattformen<br />

sind durch leistungsfähigere Hardware<br />

kaum erreichbar. Es werden also schnellere<br />

und einfachere Modelle benötigt.<br />

Die folgenden methodischen Ansätze zur Modellreduktion<br />

sind erst durch die Kombination<br />

der am VIRTUAL VEHICLE entwickelten<br />

12 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Methoden realisierbar und weisen einen systematischen<br />

Weg in Richtung Echtzeitmodelle.<br />

Erste Anwendungen der Methodik in unterschiedlichen<br />

Kooperationsprojekten zeigen<br />

vielversprechende Ergebnisse und öffnen neue<br />

Perspektiven zur Verhaltensmodellierung von<br />

komplexen Systemen.<br />

Reduzierte Modelle weisen die wesentlichen<br />

und charakteristischen Merkmale der komplexen<br />

Modelle auf und gewährleisten qualitative<br />

Aussagen über das Systemverhalten. Sie<br />

werden auch zwingend für modellbasierende<br />

Regelungsstrategien, multidisziplinäre Optimierung<br />

und für frühzeitige Entscheidungen im<br />

Produktentwicklungsprozess benötigt (Abb.1).<br />

Methoden zur Annäherung<br />

Selbstverständlich steht die Frage nach dem<br />

günstigen Grad der Reduktion im Mittelpunkt.<br />

Bislang wird dieser empirisch oder basierend<br />

auf a-priori Expertenwissen gewählt. Eine generell<br />

anwendbare Lösung existiert nicht.<br />

Eine grobe Einteilung in der Modellreduktion erfolgt<br />

in modellbasierende, datenbasierende und<br />

hybride Ansätze (Abb.2). Hier werden mathematische<br />

Zusammenhänge und Messdaten zur<br />

Approximation herangezogen. Schwierig bei<br />

diesen Methoden ist die Bewertung der Qua-<br />

Abbildung 1: Verhaltensmodellierung im Entwicklungsprozess<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

lität bzw. Güte des resultierenden einfachen<br />

Modells. Einerseits interessiert, ob stationäre<br />

Werte in einem bestimmten Toleranzbereich<br />

liegen. Im Fall von dynamischen Systemen ob<br />

ist wiederum maßgeblich, ob transiente Übergänge<br />

ausreichend genau abgebildet sind.<br />

Bei datengetriebenen Methoden ist neben der<br />

Wahl geeigneter Messdaten die zugrundeliegende<br />

und beschreibende Modellstruktur interessant.<br />

Abbildung 2: Ansätze Modellreduktion<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Zum Bestimmen möglichst „guter“ Datensätze<br />

mit einem hohen Informationsgehalt bieten sich<br />

Methoden aus der optimalen Versuchsplanung<br />

(DoE - Design of Experiments) an, mit deren<br />

Hilfe sinnvolle Eingangs- und Ausgangsdaten<br />

effizient bestimmt werden können. Eventuelle<br />

Prüfstandkosten werden dabei minimiert.<br />

Screening: Die Analyse des Systems<br />

<strong>Das</strong> sog. „Screening“ stellt eine ausgiebige<br />

Analyse eines Systems dar und beinhaltet das<br />

Erfassen von Expertenwissen sowie eine Sensitivitätsanalyse.<br />

Dabei werden basierend auf<br />

Eingangs- und Ausgangsdaten des Systems<br />

Modelleigenschaften (z.B. lineare Zusammenhänge)<br />

erörtert und statistisch belegt. Im Zuge<br />

dessen sind also über statistische Maße wesentliche<br />

Modelleigenschaften bekannt und die<br />

Modellqualität kann beurteilt werden (Abb.3).<br />

Beantwortet werden damit die noch offenen<br />

Fragen nach dem Grad der Modellreduktion<br />

oder einer geeigneten Modellstruktur. Darüber<br />

hinaus wird die Modellqualität basierend auf


statistischen Auswertungen quantifiziert. Die<br />

Sensitivitätsanalyse als Werkzeug zur Modellanalyse<br />

sowie zur Modellbewertung ermöglicht<br />

eine automatisierte Reduktion bzw. Annäherung<br />

von komplexen Modellen.<br />

Beispiel aus der Praxis<br />

Ein typisches Resultat einer solchen Sensitivitätsanalyse<br />

ist in Abbildung 3 dargestellt. Dabei<br />

wurde ein komplexes Modell eines elektrifizierten<br />

Getriebes anhand der Eingangs- und<br />

Ausgangsgrößen über zwei unterschiedliche<br />

Methoden analysiert. Vorerst waren stationäre<br />

Ein-/Ausgangsbeziehungen von Interesse. Im<br />

oberen Balkendiagramm ist die Abhängigkeit<br />

der Ausgangsgröße von den fünf Eingangsgrößen<br />

ersichtlich. Zur Modellierung des Ein-/<br />

Ausgangsverhaltens sind im Prinzip nur die Eingangsgrößen<br />

1 und 3 interessant. Alleine diese<br />

Information reduziert den Approximationsaufwand<br />

erheblich und bietet Platz für gezielte<br />

Analysen. Ein Histogramm zeigt die Verteilung<br />

der gewählten Ausgangsgröße und gibt Aufschluss<br />

über den möglichen Wertebereich. Ein<br />

zusätzliches Fehlermaß beschreibt die Aussagekräftigkeit<br />

der Sensitivitätsanalyse und bildet<br />

somit eine theoretisch fundierte Basis. Auf vage<br />

Vermutungen oder Schätzung der Zusammenhänge<br />

kann verzichtet werden.<br />

Am VIRTUAL VEHICLE werden derzeit neuartige<br />

Ansätze zur Betrachtung der Sensitivität<br />

einzelner Einflussfaktoren erarbeitet. Abbildung<br />

4 zeigt die Resultate einer zeitabhängigen<br />

Sensitivitätsanalyse wobei die wesentlichen<br />

Dynamiken des untersuchten Systems ersichtlich<br />

werden.<br />

Vorteile der neuen Betrachtungsweise:<br />

• Einblick in die dynamischen Zusammenhänge<br />

• Verbesserung der Systemanalyse<br />

• Unterstützung bei der Reduktion von Gleichungen<br />

mathematischer Modelle bzw.<br />

dem Ansetzen zugrundeliegender Modellstrukturen.<br />

Dadurch sind Aussagen über den dynamischen<br />

Einfluss von Systemteilen möglich.<br />

Methodischer Ansatz<br />

Aus den Ingenieur-Disziplinen stammen unterschiedliche<br />

Modelle mit fachspezifischen<br />

Systemeigenschaften. Aber nicht nur die<br />

Systemeigenschaften sondern auch Modellierungssprache<br />

und Simulationsumgebung<br />

unterscheiden sich stark voneinander. <strong>Das</strong><br />

Anwenden einer Methode zur Modellvereinfachung<br />

ist nur problemspezifisch möglich. Die<br />

wesentlichen Hürden stellen dabei folgende<br />

Punkte dar:<br />

• unterschiedliche Schnittstellen<br />

• vielfältige Modellarten<br />

Nach der Idealvorstellung einer vollautomatisierten<br />

Modellreduktion mit statistisch fundierter<br />

Bewertung müssen die oben genannten<br />

Probleme gelöst werden. Aktuelle Forschungsergebnisse<br />

am VIRTUAL VEHICLE in Kooperation<br />

mit renommierten OEM‘s zeigen die<br />

Lösbarkeit.<br />

Über die am VIRTUAL VEHICLE entwickelte<br />

Co-Simulations-Plattform ICOS kann eine einheitliche<br />

Schnittstelle zu den sorgfältig model-<br />

Abbildung 3: Effekt der fünf Eingangsgrößen auf eine Ausgangsgröße anhand<br />

unterschiedlicher Methoden mittels (statischen) Sensitivitätsanalyse.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Abbildung 4: Effekt der fünf Eingangsgrößen auf eine Ausgangsgröße anhand<br />

unterschiedlicher Methoden mittels zeitabhängiger Sensitivitätsanalyse.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

lierten Modellen geschaffen werden. In Kombination<br />

mit universellen Approximatoren, wie<br />

z. B. neuronalen Netzen oder Fuzzy-Ansätzen<br />

sind zusätzlich Methoden gegeben, die die<br />

Modellcharakteristiken Domänen-unabhängig<br />

annähern. Die Bewertung der Modellqualität ist<br />

dabei über eine Sensitivitätsanalyse integriert.<br />

Statistische Maße ermöglichen dabei Domänen-unabhängig,<br />

einen sinnvollen Kompromiss<br />

zwischen Reduktionsgrad und Modellqualität<br />

zu finden. ■<br />

Zum Autor<br />

DI Martin Benedikt ist<br />

Senior Researcher und<br />

Projektleiter am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

13


Neue Sicherheitskonzepte<br />

für die E-Mobilität<br />

Die ISO 26262 ist der neue Standard für funktional sichere Elektrik und Elektronik (E/E). Speziell die<br />

Entwicklung von Elektrofahrzeugen ist davon betroffen. Systematisches Vorgehen für die Entwicklung eines<br />

funktionalen Sicherheitskonzeptes ist die Bedingung an die Zukunft.<br />

Damit <strong>Fahrzeug</strong>e für die E-Mobilität von morgen<br />

den Sicherheitserwartungen der Kunden<br />

und des Gesetzgebers entsprechen, sind sowohl<br />

gesetzliche Richtlinien für Zulassung<br />

dieser <strong>Fahrzeug</strong>e als auch aktuelle technische<br />

Richtlinien einzuhalten.<br />

Dabei sind unter anderem folgende Sicherheitsaspekte<br />

zu beachten:<br />

• Sicherheit durch organisatorische Maßnahmen<br />

• aktive Sicherheitseinrichtungen<br />

• passive Sicherheitseinrichtungen<br />

• funktionale Sicherheit (E/E-Systeme)<br />

Immer wichtiger werden Entwicklungsnormen<br />

zur funktionalen Sicherheit. Im Automobilbereich<br />

ist dies die brandneue „ISO 26262 – Road<br />

vehicles — Functional safety“. Der Sicherheitsaspekt<br />

wird dabei durch die „sichere Funktion“<br />

von E/E-Systemen im <strong>Fahrzeug</strong> erreicht, wobei<br />

kritische Fehler erkannt und beherrscht werden<br />

sollen, um das <strong>Fahrzeug</strong> in einen sicheren Betriebszustand<br />

bringen zu können.<br />

14 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Durch die im November 2011 veröffentlichte<br />

und rechtlich bindende ISO 26262 wird also ein<br />

systematisches Vorgehen für die Entwicklung<br />

von sicherheitskritischen Systemen notwendig,<br />

um eine sichere Funktion für alle Verkehrsteilnehmer<br />

zu gewährleisten. Notwendig wurde die<br />

Einführung dieses Standard, da die Richtlinie<br />

„IEC 61508: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogenerelektrischer/elektronischer/programmierbarer<br />

elektronischer Systeme“ für das<br />

moderne automotive Umfeld nicht ausreichend<br />

anwendbar ist.<br />

Die ISO 26262 ist kein gesetzlich vorgeschriebenes<br />

Regelwerk, das die Hersteller verpflichtet,<br />

ihre Produkte gemäß der Norm zu entwickeln.<br />

Sie stellt eine technische Empfehlung<br />

an die Sicherheit von Produkten dar. Der Inverkehrbringer<br />

ist aus Sicht der Produkthaftung<br />

rechtlich verpflichtet, die notwendige Sorgfaltspflicht<br />

einzuhalten. Erst mit der Erfüllung der<br />

Anforderungen der ISO 26262 und einem vollständigen<br />

Sicherheitsnachweis kann der Stand<br />

der Technik für das Produkt belegt werden.<br />

Abbildung 1: Möglicher „Blue-Screen“ in einem Elektrofahrzeug?! - Mit der ISO 26262 soll das nicht eintreten.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Damit wird indirekt die enorme Bedeutung der<br />

funktionalen Sicherheit durch die Einführung<br />

der ISO 26262 definiert.<br />

Kritische Fehler in der Elektronik<br />

Die Funktion von Elektrofahrzeugen ist in einem<br />

viel stärkeren Maß an den Einsatz von Elektronik<br />

gebunden als in konventionellen <strong>Fahrzeug</strong>en.<br />

Dabei werden mechanische Komponenten<br />

durch elektrische Systeme ersetzt oder ergänzt<br />

und der Energiefluss im <strong>Fahrzeug</strong> elektronisch<br />

gesteuert. So können zum Beispiel in einem<br />

Elektrofahrzeug Bremsvorgänge um intelligente<br />

Energierückgewinnung ergänzt werden.<br />

Ein sogenannter „Blue-Screen“ (siehe Abbildung<br />

1) in der IT-Welt ist eine Beschreibung<br />

einer bestimmten Kategorie von Fehlermeldungen.<br />

Dabei kommt es ohne Vorwarnung zum<br />

Absturz des Systems. Ein derartiges Ereignis<br />

will sich wohl niemand während der Benutzung<br />

eines <strong>Fahrzeug</strong>s vorstellen. Gefährdungen für<br />

Personen müssen also auf ein vertretbares


und gesellschaftlich akzeptiertes Restrisiko<br />

reduziert werden. Mit der stetig wachsenden<br />

Komplexität elektronischer Komponenten in<br />

<strong>Fahrzeug</strong>en steigt auch die Wahrscheinlichkeit<br />

möglicher Fehlfunktionen. Ist eine sicherheitsrelevante<br />

Komponente von einer solchen Fehlfunktion<br />

betroffen, so könnten dadurch Menschen<br />

zu Schaden kommen.<br />

Neue Herausforderungen in der<br />

Automobilentwicklung<br />

Was ändert sich durch die ISO 26262 für die<br />

bisherigen Phasen der Automobilentwicklung?<br />

Neu ist die Einführung einer eigenständigen<br />

Konzeptphase vor dem Start der System-Entwicklung.<br />

Die Ausarbeitung eines funktionalen<br />

Sicherheitskonzepts für die Umsetzung von<br />

Sicherheitszielen wurde bisher nicht in dieser<br />

Form durchgeführt. In ISO 26262 ist beschrieben,<br />

welche Anforderungen für eine standardkonforme<br />

Umsetzung nachzuweisen sind. Wie<br />

die Norm mit allen zu erfüllenden Vorgaben an<br />

das Management, an die Entwicklungs- und<br />

Analysemethodik bis hin zur Verifikation und<br />

Validierung in die bestehende Prozesslandschaft<br />

eingeführt werden kann, stellt derzeit<br />

die Autohersteller als auch deren Zulieferer vor<br />

eine besondere Herausforderung.<br />

Ausarbeitung des geforderten<br />

Sicherheitskonzepts<br />

Spezifikation des Systems<br />

Zu Beginn der Konzeptphase erfolgt eine detaillierte<br />

Beschreibung des Entwicklungsgegenstandes,<br />

für den der Sicherheitsnachweis zu<br />

erbringen ist. In diesem Dokument sollen alle<br />

bekannten Eigenschaften und Einschränkungen<br />

enthalten sein. Diese sogenannte „Item-Definition“<br />

ist notwendig, damit für jedes Teil-System<br />

die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen<br />

belegt werden kann. Dieser Teilnachweis muss<br />

als Beitrag zum Sicherheitsnachweis des Gesamtsystems<br />

(<strong>Fahrzeug</strong>) bestehen und hierzu<br />

integriert werden können.<br />

Für die Sicherheitsbetrachtung eines Batteriesystems<br />

müssen somit Informationen und<br />

fundierte Testergebnisse vorliegen, mit denen<br />

das Verhalten der Energiespeicherzellen über<br />

deren zulässigen Betriebsgrenzen hinaus analysiert<br />

werden kann. Anhand dieser Daten ist<br />

es dann für ein Batteriesystem möglich, eine<br />

erste aussagekräftige Erhebung der Gefähr-<br />

dungen vorzunehmen, die im Fehlerfall auftreten<br />

könnten.<br />

Gefährdungsanalyse und Risikoeinschätzung<br />

(G&R)<br />

Durch Fehlfunktionen der Betrachtungseinheit<br />

können Gefährdungen für den Menschen<br />

auftreten. Diese werden in der G&R erhoben,<br />

wobei kritische Situationen analysiert werden,<br />

die Kombinationen aus Gefährdungen und bestimmten<br />

Betriebs-/Fahrsituationen darstellen.<br />

<strong>Das</strong> auftretende Risiko wird dabei mit einem<br />

bestimmten „Automotive Safety Integrity Level“<br />

(ASIL) eingestuft. Alle nachfolgenden Anforderungen<br />

der Entwicklungsphasen der ISO 26262<br />

sind von diesem festgelegten ASIL abhängig.<br />

Mit steigendem ASIL steigen auch die Aufwände<br />

für die Entwicklung von sicherheitsrelevanten<br />

E/E-Systemen. Umso mehr Relevanz<br />

erhält somit die Konzeptphase.<br />

Betrachtet man eine Situation in der eine Überladung<br />

eines Batteriesystems auftreten könnte,<br />

so ist dies etwa im Lademodus möglich. <strong>Das</strong><br />

<strong>Fahrzeug</strong> wird dabei von einer externen Ladeeinheit<br />

versorgt. Diese Situation muss nun mit<br />

den in der Norm definierten Faktoren bewertet<br />

werden und daraus kann der resultierende<br />

ASIL direkt abgeleitet werden. Für jede Gefahrensituation<br />

ist ein Sicherheitsziel festzulegen,<br />

das den entsprechenden ASIL erbt. Dieses Sicherheitsziel<br />

ist so zu formulieren, dass damit<br />

in jeder Situation eine Gefährdung durch das<br />

Energiespeichersystems verhindert werden<br />

kann. Diese Sicherheitsziele stellen die oberste<br />

Sicherheitsanforderung in der Entwicklung dar.<br />

Abwenden der Gefährdungen im funktionalen<br />

Sicherheitskonzept<br />

Mit der Ausarbeitung des funktionalen Sicherheitskonzeptes<br />

erfolgt die Formulierung von<br />

funktionalen Sicherheitsanforderungen und deren<br />

Zuordnung an die Hauptelemente der Betrachtungseinheit.<br />

Jedes Sicherheitsziel, das<br />

durch eine E/E-Sicherheitsfunktion umgesetzt<br />

werden soll, wird dabei als funktionale Kette<br />

(Sensorik, Verarbeitungseinheit, Aktuatorik)<br />

zusammengesetzt. Jedes dieser Elemente erbt<br />

den ASIL des Sicherheitszieles. Die Funktion<br />

wird dabei so definiert, dass der sichere Zustand<br />

der Betrachtungseinheit für das Sicherheitsziel<br />

jederzeit gewährleistet wird. Am Ende<br />

der System-Entwicklung ist eine Sicherheits-<br />

Validierung durchzuführen. Dazu müssen zum<br />

Nachweis der Erfüllung der Sicherheitsziele,<br />

Endabnahmekriterien bereits im funktionalen<br />

Sicherheitskonzept formuliert werden.<br />

Freigabe für die Entwicklung<br />

Den Abschluss der Konzeptphase stellt die<br />

Prüfung der G&R und des funktionalen Sicherheitskonzeptes<br />

durch eine externe Organisation<br />

(z.B. TÜV) dar. Auf Basis des geprüften<br />

funktionalen Sicherheitskonzeptes erfolgt die<br />

weitere Entwicklung auf der Systemebene mit<br />

der Erstellung eines technischen Sicherheitskonzeptes.<br />

Am Ende der Entwicklung ist eine<br />

belastbare Argumentation mit entsprechenden<br />

Nachweisen zu dokumentieren, um die angewandten<br />

Methoden und das Vorgehen in den<br />

einzelnen Entwicklungsschritten ausreichend<br />

zu belegen.<br />

Forschungsthema Funktionale<br />

Sicherheit<br />

Funktionale Sicherheit ist für die zukünftige<br />

<strong>Fahrzeug</strong>industrie von enormer Bedeutung.<br />

<strong>Das</strong> stetige Wachstum der Komplexität mit<br />

der Einführung der E-Mobilität wird damit beherrschbar.<br />

Auch am ViF hat daher das Thema Funktionale<br />

Sicherheit einen besonderen Stellenwert<br />

erlangt und wird im Rahmen von Projekten mit<br />

internationaler Beteiligung erforscht. Schwerpunkte<br />

liegen auf den Gebieten der Konzeptphase,<br />

Sicherheitsanalysen, Integration der<br />

Sicherheit in bestehende Entwicklungsprozesse<br />

sowie Sicherheitszertifizierung von E/E-<br />

Systemen. ■<br />

Zu den Autoren<br />

DI Helmut Martin ist<br />

Senior Researcher am<br />

VIRTUAL VEHICLE;<br />

Forschungsthema: Funktionale<br />

Sicherheit<br />

DI Joachim Hillebrand<br />

leitet die Gruppe für<br />

Embedded Systems am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

15


Batteriemodelle:<br />

Kosten und Lebensdauer<br />

Die Themen Kosten und Sicherheit dominieren die Einführung der Elektromobilität. Die Erkenntnis, dass die<br />

reinen Elektrofahrzeuge nicht die CO 2-Emmisionsproblematik lösen werden, ist in der Fachwelt als „Common<br />

Sense“ verstanden worden. Elektromobilität wird sich also in einem intelligenten Verbund von etablierten<br />

Technologien und einer Erweiterung um den elektrischen Antriebsstrang durchsetzen. Damit steigen die<br />

Anforderungen an das Verständnis der Alterungszusammenhänge von Energiespeichern.<br />

Die anstehende Elektrifizierung<br />

Die zunehmende Elektrifizierung der individuellen<br />

Mobilität bringt neue Komponenten ins<br />

<strong>Fahrzeug</strong>, die das technische Spannungsfeld<br />

und die damit verbundenen Herausforderungen<br />

für diese Produkte erhöhen. Die Antriebsstrangkomponenten<br />

wie elektrische Maschinen, die<br />

notwendige Stromrichtertechnologie und die<br />

Energiespeichertechnologien werden derzeit<br />

als Produkt formuliert oder sind bereits in ersten<br />

Lösungen am Markt erhältlich. Neben der<br />

Variante der Hybride (in diesem Zusammenhang<br />

sind hybride Technologien aus Verbrennungskraftmaschine<br />

und elektrischem Antrieb<br />

gemeint), wie sie bereits gut am Markt erhältlich<br />

sind, bringen die Hersteller erste <strong>Fahrzeug</strong>e mit<br />

einem höheren Grad an Elektrifizierung auf den<br />

Markt. Diese Technologien werden als PlugIn-<br />

Varianten mit größerem Energiespeicher für<br />

erste praktikable Reichweiten (in etwa 30 bis 50<br />

km) im rein elektrischen Fahrmodus bezeichnet,<br />

bis hin zu rein elektrischen <strong>Fahrzeug</strong>en,<br />

die derzeit noch ein Nischendasein fristen.<br />

Batteriemodelle - Status und<br />

Erwartungen<br />

Die Modellierungsansätze von elektroche-<br />

Abbildung 1: Prinzipieller Aufbau und Funktion einer Lithium-Ionen Zelle<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

16 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

mischen Zellen sind so vielfältig wie die Variantenvielfalt<br />

der möglichen Zusammensetzung<br />

verschiedener Elektroden- und Elektrolytmaterialien.<br />

Die folgende Aufzählung umfasst Modellierungsansätze,<br />

die das Spannungs- und<br />

Stromzeitverhalten widerspiegeln.<br />

Folgende Ansätze werden in der Fachwelt für<br />

Spannungs- und Strommodelle als Ausgangs-<br />

und Eingangsgrößen verfolgt:<br />

• Impedanzmodelle (Resistiv- kapazitive-<br />

induktive Netzwerke):<br />

• Empirische Approximationsmodelle<br />

• Elektrochemische (mechanistische)<br />

Modelle<br />

Impedanz- und empirische Modelle basieren<br />

nicht auf den mechanistischen Vorgängen in<br />

der Zelle selbst, sondern behandeln diese<br />

als Black-Box. Hierbei wird das Zellverhalten<br />

über Parameterfitting für eine vorher gewählte<br />

(Schaltungs-) Topologie ausgeführt. Diese beiden<br />

Verfahren haben gemeinsam, dass sie nur<br />

in dem der Testmatrix entsprechenden Parameterraum<br />

gültig sein können. Damit steigt die Unsicherheit<br />

in der Modellierung von Betriebszuständen,<br />

die nicht vorher exakt definiert wurden<br />

und bereits in die Erstellung der Testmatrix mit<br />

eingeflossen sind. Die Modellgattung der mechanistischen<br />

Modellierung ist von der Know-<br />

How-Tiefe um ein Vielfaches anspruchsvoller,<br />

bietet demgegenüber Möglichkeiten, auf die tatsächlichen<br />

Vorgänge in der Zelle rückzuschließen.<br />

Und genau dieser Umstand rechtfertigt<br />

den Aufwand der detailreichen Modellierung<br />

in den elektrochemischen Zusammenhängen,<br />

speziell in der Produktentwicklung von Zellen<br />

und Batteriesystemen und der Lebensdauerabschätzung.<br />

Über die Reduktion der Modelldimension auf<br />

eine Dimension ergibt sich eine starke Vereinfachung<br />

des Modellansatzes und Komplexität<br />

der Modellierung. Damit lassen sich grundsätzliche<br />

Modellansätze erproben und vereinfachte<br />

Modelle verifizieren. Leider kann eine<br />

Modellierungstiefe in nur einer Dimension nur<br />

ein Zwischenschritt hin zum 3D- Modell der<br />

realen Zelle sein. Final muss die Modellierung<br />

der Zelle in der realen drei-dimensionalen Geometrie<br />

mit inkludierten Alterungsmechanismen<br />

möglich sein. An diesem Punkt scheitert derzeit<br />

die Fachwelt, da sowohl eine umfassende<br />

Modellierung als auch die damit verbundenen<br />

Rechenzeiten fernab von einer praktikablen<br />

Einsetzbarkeit sind.<br />

Der Weg von 1D zu 3D - das Abbilden<br />

einer realen Zelle im Modell<br />

Ein Ansatz, der speziell in diesem Projekt gewählt<br />

wurde, ist die Homogenisierung der Geometrie.<br />

Hierbei werden die Basisgleichungen<br />

jeweils auf eine Dimension eingeschränkt.<br />

Während der Implementierung in eine numerische<br />

Lösung werden diese Gleichungen der<br />

Dimensionseinschränkung entsprechend diskretisiert.<br />

Der Vorteil dieses Verfahrens: Jede<br />

der Gleichungen muss nur in einer Dimension<br />

gelöst werden. Damit kann das reale Verhalten<br />

der Zelle abgebildet und vor allem der Modellansatz<br />

mit gewissen Einschränkungen verifiziert<br />

werden. Die Bezeichnung 1,5D (ein Zwi-


Abbildung 2: Alterungsprognose, der traditionelle<br />

Pfad und die Erweiterung mittels Modell<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

schenschritt zwischen 1D und 2D) bezieht sich<br />

auf den Umstand, dass jede Gleichung zwar<br />

nur in einer Dimension gelöst wird, aber unterschiedliche<br />

Gleichungen und deren Dimensionen<br />

normal aufeinander ausgerichtet sind.<br />

Damit können im Modell beide Dimensionen<br />

abgebildet werden.<br />

Final kann also festgestellt werden, dass ein<br />

elektrochemisches Modell reale Vorgänge in<br />

einem Modell vereinfacht abbildet. Damit entsteht<br />

ein Werkzeug, das sogar unter Last der<br />

Zelle oder des Batteriesystems eine Aussage<br />

auf Vorgänge in der Zelle zulässt. Ein spezieller<br />

Anwendungsfall ist die Verbindung der Lebensdauerprognose<br />

mit diesem detaillierten Modellierungsansatz.<br />

Hierbei werden schädigende<br />

Vorgänge bewertet und als Information in die<br />

Prognose mit eingebunden.<br />

„Elektro-Chemisches Modell“ - eine<br />

Definition<br />

Die Grundelemente einer Batteriezelle sind die<br />

Ableiter. Dies sind Folien aus Kupfer und Aluminium,<br />

welche die Verbindung des chemisch aktiven<br />

Materials mit dem jeweiligen Pol der Zelle<br />

bilden und die mechanische Stabilität gewährleisten.<br />

Die Längskoordinate des Modellgebiets<br />

verläuft also von einer Ableiterfolie zur anderen.<br />

Die Aktivmaterialschichten der Zelle (positive<br />

und negative Elektrode) sind von poröser<br />

Natur. Die Feststoffe dieser<br />

Struktur bestehen aus den<br />

aktiven Substanzen (Interkalationsmaterial,Hostmaterial),<br />

elektrisch leitendem und<br />

zum Teil ebenfalls aktivem<br />

Material (Leitruß) und klebendem<br />

Material (Binder). In<br />

den Hohlräumen des Materials<br />

befindet sich eine flüssige<br />

Phase, die dem Ionentransport<br />

zwischen den Elektroden<br />

dient, der Elektrolyt. In<br />

Abbildung 1 wird die feste<br />

Phase durch Kreise symbolisiert,<br />

der Leitruß sowie Binder<br />

sind nicht eingezeichnet.<br />

Sie befinden sich zwischen<br />

den Kreisen und verbinden<br />

diese. Die tatsächliche Form<br />

der aktiven Substanzen variiert<br />

zwischen Flakes bis zu<br />

annähernd Kugelform, die<br />

Größe der Partikel (1 Partikel<br />

= 1 Kreis) von wenigen Nanometern bis zu<br />

einigen Mikrometern. Interkalationsmaterialien<br />

sind kristalline Stoffe, welche Lithiumatome in<br />

Zwischengitterplätze aufnehmen (interkalieren)<br />

und dort unter Ausbildung eines chemischen<br />

Potentials speichern können. Diese Komponenten<br />

finden sich im Modell und werden vereinfacht<br />

mechanistisch abgebildet.<br />

Verbindung zwischen elektro-<br />

chemischem Modell und Alterungsproblematik<br />

Der Stand der Technik in der Lebensdauerprognose<br />

von Batteriesystemen ist in Abbildung<br />

2 in der linken Bildhälfte beschrieben. Hierbei<br />

werden mittels vorab definierter Testmatrizen,<br />

die auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten<br />

sind, Alterungsexperimente gestartet. Diese Alterungsexperimente<br />

laufen je nach Anwendung<br />

bis zu mehrere Jahre. Zudem sind derzeit noch<br />

keine Raffungsmechanismen bekannt, die diese<br />

Testzeit signifikant verkürzen würden. Der<br />

parallele Pfad der elektrochemischen (EC)-<br />

Modellerweiterung bringt ein zweites Standbein<br />

in diese Prognose ein. Üblicherweise wird<br />

in den Kundenanforderungen für Batteriesysteme<br />

eine Lebensdauer von zehn oder mehr<br />

Jahren festgeschrieben. Im Vergleich dazu<br />

beträgt die Entwicklungszeit eines Batteriesystems<br />

zum fertigen Produkt in etwa zwei bis<br />

drei Jahre. Diese Entwicklungszeiten sind dann<br />

realistisch, wenn bereits auf einer freigeprüften<br />

Einzelzelle, dem Kernstück eines Batteriesystems,<br />

aufgebaut werden kann.<br />

Daher ist es von grundlegendem Interesse, die<br />

Streuung der Vorhersage in engen Grenzen zu<br />

halten. <strong>Das</strong> ist mit rein empirischen Methoden<br />

schwierig bis unmöglich.<br />

Hier bietet die Verschränkung mit dem elektrochemischen<br />

Modell die Möglichkeit, die<br />

Streuung zu reduzieren. Neben der erhöhten<br />

Prognosefähigkeit bietet diese Verschränkung<br />

einen weiteren Vorteil. Sollte sich während<br />

der Entwicklung die Notwendigkeit ergeben,<br />

grundsätzliche Eigenschaften der Basiszelle<br />

und auch des Batteriesystems zu ändern,<br />

müsste eigentlich das gesamte Alterungsexperiment<br />

wiederholt werden. Als Beispiel sei hier<br />

die Schichtdicke der Elektroden der Lithium-<br />

Ionen Zelle genannt. <strong>Das</strong> elektrochemische<br />

Modell bietet hier die Möglichkeit, den Trend<br />

der Alterungsprognose abzuschätzen und<br />

die bestehenden Daten neu zu interpretieren.<br />

Kombiniert mit neu gestarteten Testläufen wird<br />

diese Prognose abgesichert. Aus dem elektrochemischen<br />

Modell lassen sich damit die für<br />

die Alterung kritischen Betriebszustände abschätzen<br />

und das Alterungsexperiment weniger<br />

breit, trotzdem mit ausreichender Aussagekraft<br />

auslegen.<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Das</strong> Batteriesystem ist heute das technische<br />

und wirtschaftliche Nadelöhr in der Umsetzung<br />

der Elektromobilität. Eine zuverlässige und robuste<br />

Alterungsprognose im komplexen Umfeld<br />

des Automobils ist die Grundvoraussetzung,<br />

um das System effizient nutzen zu können.<br />

Damit kann verhindert werden, dass Systeme<br />

überdimensioniert und damit zu teuer am Markt<br />

platziert werden. Dem gegenüber steht eine zu<br />

kleine Dimensionierung des Energiespeichers<br />

und damit einhergehend entweder verringerte<br />

Kundenfunktion, wie zum Beispiel zu geringe<br />

Reichweite, oder zu wenig Treibstoffersparnis.<br />

Sollte es im schlechtesten Fall zu gehäuften<br />

Ausfällen des <strong>Fahrzeug</strong>s beim Endkunden<br />

kommen, wird die Elektromobilität nicht ihr inhärentes<br />

Potential aufzeigen können und sich<br />

deswegen möglicherweise nicht durchsetzen. ■<br />

Zum Autor<br />

Dr. Alex Thaler leitet die<br />

Batterie-Gruppe am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

17


Technische Informatik<br />

an der TU Graz<br />

Der Forschungsschwerpunkt des Instituts für Technische Informatik (ITI) der TU Graz liegt in der Untersuchung<br />

von eingebetteten, verteilten und vernetzten Echtzeit-Systemen (Cyber-Physical Systems), das heißt im Entwurf,<br />

Analyse und in der Entwicklung von performance-, energie-, sicherheits-, und zuverlässigkeitsorientierten<br />

Rechnerarchitekturen für industrielle Anwendungen.<br />

<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik wurde<br />

im März 1987 an der Fakultät für Elektrotechnik<br />

und Informationstechnik der Technischen<br />

Universität Graz eingerichtet und versteht sich<br />

als Bindeglied zwischen der Elektrotechnik und<br />

Informatik. Seit seiner Gründung durch O.Univ.-<br />

Prof. Dr. Reinhold Weiß hat das Institut eine beachtliche<br />

Entwicklung genommen. So arbeiten<br />

am Institut derzeit 21 wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

und 3 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter.<br />

Lehre<br />

<strong>Das</strong> Angebot für eine forschungsorientierte<br />

Lehre wurde im Lauf der Jahre ständig erweitert<br />

und an die aktuellen Entwicklungen<br />

angepasst. Mehr als 300 Studenten/innen der<br />

Studienrichtungen Elektrotechnik, Telematik<br />

und Informatik entschieden sich bisher, ihre Diplomarbeit<br />

am Institut für Technische Informatik<br />

durchzuführen, 75 Studenten haben am Institut<br />

für Technische Informatik promoviert und es<br />

gab 2 Habilitationen.<br />

Design-Flow im ViF-Projekt MEPAS für sicherheitsgerichtete<br />

automotive Anwendungen.<br />

Quelle: TU Graz, ITI<br />

Forschung<br />

18 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Im Fokus unserer Aktivitäten ist die ständige<br />

Verbesserung der Forschungsleistungen des<br />

Instituts. Diese Leistung misst sich an der<br />

Anzahl von Publikationen auf internationaler<br />

Ebene (Journalen, Büchern, Konferenzen), an<br />

unserem Drittmittelaufkommen und der Anzahl<br />

der Promotionen.<br />

Der Forschungsschwerpunkt des Instituts für<br />

Technische Informatik liegt in der Untersuchung<br />

von eingebetteten, verteilten und vernetzten<br />

Echtzeit-Systemen, d.h. im Entwurf, Analyse<br />

und in der Entwicklung von performance-, energie-,<br />

sicherheits-, und Zuverlässigkeitsorientierten<br />

Rechnerarchitekturen (Hardware und<br />

Software) für industrielle Anwendungen. Dieser<br />

Schwerpunkt setzt sich aus den Bereichen<br />

Hardware/Software Codesign, Pervasive and<br />

Sensorbased Computing, Industrial Informatics<br />

– Model-based Architectures und Real-<br />

Time Systems zusammen. (siehe http:\\www.iti.<br />

tugraz.at)<br />

Hardware/Software Codesign<br />

beschäftigt sich mit Methodiken<br />

für die Entwicklung von optimierten<br />

Systemen. Dabei wird<br />

die Funktionalität auf der Systemebene<br />

modelliert, analysiert<br />

und partitioniert (Funktion in<br />

Hardware oder Software - Untersuchung<br />

des Entwurfsraumes).<br />

Danach wird eine Abschätzung<br />

der Systemparameter durchgeführt.<br />

Die FIT-IT Forschungsprojekte<br />

LOWSOM, CoCoon und<br />

DAVID (Industriepartner NXP)<br />

forschen an optimierter Hardware und Software<br />

für zukünftige Smart Cards. Hardware/<br />

Software Cosimulation, eine Kernkomponente<br />

im HW/SW Codesign, ist heutzutage eines<br />

der Schlüsselgebiete bei der Entwicklung heterogener<br />

Systeme. Allerdings kann mit den<br />

bisher gängigen Simulationsmethoden (eine<br />

Modellierungssprache, ein Simulator) die hohe<br />

Zahl an beteiligten unterschiedlichen Domä-<br />

nen (z.B. Mechanik, Elektronik, Software) mit<br />

ihren vielfältigen Anforderungen nicht mehr<br />

vernünftig beherrscht werden. Dadurch gewinnt<br />

Cosimulation auch im Automobilbereich immer<br />

mehr an Bedeutung. In mehreren Projekten<br />

wurde ein Cosimulationsframework geschaffen<br />

welches eine sprachunabhängige Modellierung<br />

für heterogene Systeme ermöglicht und daraus<br />

automatisch eine Co-Verifikationsplattform<br />

generiert. Diese wurde dann im ViF-Projekt<br />

TEODACS für die Simulation eines FlexRay<br />

Netzwerkes angewendet und weiterentwickelt.<br />

Pervasive und sensorbased Computing beschäftigt<br />

sich mit Rechnerarchitekturen und energieeffizienter<br />

Middleware für Wireless Sensor<br />

Networks sowie RFID-Systeme unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Zuverlässigkeit und<br />

Fehlertoleranz. Energieeffiziente Middleware<br />

stellt spezielle Funktionen eines Netzwerkes,<br />

wie zum Beispiel Routing und Scheduling, für<br />

Applikationen zur Verfügung. Somit werden<br />

verteilte Aufgaben sowohl schnell, als auch<br />

energieeffizient abgearbeitet. Durch Energy<br />

Harvesting wird Energie aus der Umwelt für die<br />

notwendige Betriebsautonomie der Netzwerkknoten<br />

gewonnen. Um eine möglichst hohe Energieeffizienz<br />

zu gewährleisten, müssen Hardware-<br />

und Softwarekomponenten aufeinander<br />

abgestimmt werden. Durch hardwarenahe<br />

Simulation wird dieser Prozess entscheidend<br />

vereinfacht.<br />

Im Bereich Power Aware Computing, welcher<br />

sich mit der Entwicklung energieeffizienter<br />

System beschäftigt, ist die Abschätzung des<br />

Stromverbrauchs, des Leistungsverbrauchs<br />

und der Energieaufnahme, sehr schwierig, da<br />

diese Werte stark durch die Software (Middleware,<br />

Betriebssystem, Applikation) beeinflusst<br />

werden. Die FIT-IT Forschungsprojekte PowerHouse,<br />

PowerModes und METASEC (Industriepartner<br />

Infineon) konzentrieren sich auf<br />

diesen Bereich, wie zum Beispiel der Entwicklung<br />

einer Power-Emulations Plattform, welche<br />

Informationen zur Leistungsanalyse von neuen<br />

Prozessoren zur Verfügung stellt.


Durch die Problematik der großen Stromaufnahme<br />

von Prozessoren (durch die hohen Taktraten)<br />

und der damit verbundenen Erwärmung<br />

(Kühlung, Zunahme der Fehler) ist seit einigen<br />

Jahren großer Forschungsbedarf im Bereich<br />

von Multi- und Many-Core Prozessoren, einem<br />

weiteren Schwerpunkt am Institut für Technische<br />

Informatik.<br />

<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik beschäftigt<br />

sich im Kontext Modellbasierte Architekturen<br />

mit multidisziplinären industriellen Software-<br />

und Systemarchitekturen für innovative<br />

Lösungen in den Bereichen für prozessgekoppelte<br />

und eingebettete Systeme unter spezieller<br />

Betrachtung der Themen funktionale Sicherheit<br />

und Zuverlässigkeit, aber auch Effizienz und<br />

Effektivität im Entwicklungsprozess. Dies wird<br />

derzeit beispielsweise im Projekt HI-PASE<br />

(Industriepartner Andritz Hydro GmbH) für die<br />

Steuerung von Wasserkraftwerksanlagen bearbeitet.<br />

Mit einem Schwerpunkt auf Product Line Engineering<br />

wird die Entwicklungsmethodik für derartige<br />

multi-disziplinäre Systeme unterstützt.<br />

Explizite Modellierung von Variabilität in Software<br />

führen mit der entsprechenden Werkzeugunterstützung<br />

zu systematischer Wiederverwendung<br />

im Sinne einer Plattformstrategie, für<br />

sich ein Thema mit hoher praktischer Relevanz.<br />

Diese Ansätze werden unter anderem im ViF-<br />

Projekt HybConS (Software Product Lines für<br />

automotive Systeme mit AVL) und SafEUr (EUweites<br />

Life-Long-Learning Projekt im Bereich<br />

Entwurf von sicherheitskritischen Systemen)<br />

abgedeckt.<br />

Forschungskooperationen<br />

Durch die vorgegebenen Rahmenbedingungen<br />

an den Universitäten ist natürlich die Akquirierung<br />

von Drittmitteln durch Firmenkooperation<br />

und Förderungen sehr wichtig. <strong>Das</strong> nun<br />

fast 25-jährige Bestehen des Instituts für<br />

Technische Informatik war geprägt durch eine<br />

intensive Kooperation zwischen Hochschule,<br />

Wirtschaft und Industrie.<br />

Wichtig, aus der Sicht des Institutes ist die<br />

Einwerbung neuer Drittmittel, Anstellung neuer<br />

Dissertanten und die Publikation der resultierenden<br />

Ergebnisse auf internationaler Ebene.<br />

Für die Industrie entstehen neue Methoden<br />

bzw. Prototypen, die in neuen Produkten und<br />

Systemen Anwendung finden.<br />

Diese Kooperationen ergeben eine Win-Win<br />

Situation für alle beteiligten Partner, für die<br />

Projektmitarbeiter im Sinne einer interessanten<br />

und praxisrelevanten Ausbildung. Aber auch<br />

für die Universität im Sinne industrierelevanter<br />

Themen für Forschung und Lehre und für das<br />

Unternehmen im Sinne technischen Knowhows<br />

und Mitarbeiterrekrutierung.<br />

Wissenschaftlicher Partner des<br />

VIRTUAL VEHICLE im K2-COMET<br />

<strong>Das</strong> Institut für Technische Informatik ist wissenschaftlicher<br />

Partner der ersten Stunde im<br />

COMET K2-Forschungsprogramm „K2-Mobility<br />

- Sustainable Vehicle Technologies“.<br />

Die Projekte TEODACS (abgeschlossen), HYB-<br />

CONS und MEPAS haben in den letzten fünf<br />

Jahren die Zusammenarbeit mit dem VIRTU-<br />

AL VEHICLE und den Firmen austriamicrosystems,<br />

AVL, CISC Semiconductors und Magna<br />

geprägt. In diesem Rahmen arbeiten drei Dissertanten<br />

und 8 Diplomanden an ihren wissenschaftlichen<br />

Arbeiten. Die Ergebnisse wurden<br />

auf internationalen Kongressen publiziert.<br />

<strong>Das</strong> Projekt TEODACS (Test, Evaluation and<br />

Optimization of Dependable Automotive Communication<br />

Systems) erforschte Bordnetzwerke<br />

der Zukunft durch die Analyse von realen Prototypen<br />

und Co-Simulationsumgebungen, am<br />

Beispiel von FlexRay. <strong>Das</strong> Ziel des Projektes<br />

HYBCONS (Generic Hybrid vehicle control<br />

software) ist die Entwicklung und die Implementierung<br />

einer generischen, wiederverwendbaren<br />

Hybrid-Software für Mild- und Vollhybridfahrzeuge<br />

basierend auf den Einsatz moderner<br />

Software-Entwicklungsprozesse. MEPAS (Methods<br />

and processes for automotive embedded<br />

software development, verification and<br />

validation) beschäftigt sich mit dem Entwurf,<br />

Implementierung und Evaluierung einer durchgängigen<br />

Entwicklungsumgebung für sicher-<br />

Unterstützung von Software-Variablität im ViF-Projekt HYBCONS durch Software<br />

Product Lines im Entwicklungszyklus für automobile Steuerungssoftware.<br />

Quelle: TU Graz, ITI<br />

heitsrelevante Automotive Anwendungen. Ein<br />

weiterer Schwerpunkt neben der Architektur<br />

liegt in der Methode, die zum Nachweis der Sicherheitsintegrität<br />

erforderlich ist.<br />

Die Erfahrung hat gezeigt, dass man als wissenschaftlicher<br />

Partner des VIRTUAL VEHI-<br />

CLE nicht nur Auftragnehmer ist, sondern als<br />

Partner „auf Augenhöhe“ wahrgenommen wird.<br />

<strong>Das</strong> nächste Vierteljahrhundert<br />

Die Forschungsausrichtung des Institut für<br />

Technische Informatik hat sich sowohl im Umfeld<br />

der TU Graz, mit den Firmen im Bereich<br />

der Halbleiterherstellung (austriamicrosystems<br />

AG, Infineon Technologies Austria AG, NXP<br />

Semiconductors Austria GmbH) und Automobilindustrie<br />

(AVL List GmbH, MAGNA STEYR AG<br />

& Co KG), als auch auf internationaler Ebene<br />

(IMEC-Eindhoven, University College Dublin,<br />

…) bestens bewährt. Diese ist auch weiterhin<br />

ein Garant für erfolgreiche Kooperationen, auch<br />

für neue Anwendungsgebieten wie z.B. Steuerungssysteme<br />

für Smart Grids oder E-Mobility.<br />

Besonderer Dank gilt unserem Emeritus,<br />

O.Univ.-Prof. Dr. Reinhold Weiß. Ihm ist es zu<br />

verdanken, dass das Institut für Technische Informatik<br />

einen ausgezeichneten Ruf auf nationaler<br />

und internationaler Ebene besitzt. ■<br />

Zum Autor<br />

Ass.-Prof. Dr. Christian<br />

Steger leitet die Arbeitsgruppe<br />

Hardware/Software<br />

Codesign am Institut für<br />

Technische Informatik der<br />

TU Graz.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Forschungs-Partner<br />

19


E-VECTOORC: E-<strong>Fahrzeug</strong>e<br />

sicherer und besser machen<br />

<strong>Das</strong> neu gestartete EU-Projekt E-VECTOORC vereint europäische <strong>Fahrzeug</strong>hersteller und Universitäten, um<br />

Elektrofahrzeuge sicherer und komfortabler zu machen und ganz nebenbei auch gleich den Fahrspaß erhöhen.<br />

<strong>Das</strong> VIRTUAL VEHICLE Forschungszentrum bringt seine umfassende Expertise im Bereich Simulation und<br />

Modellierung ein.<br />

Quelle: http://e-vectoorc-eu<br />

Für das EU-Projekt E-VECTOORC (Electric-<br />

VEhicle Control of individual wheel Torque<br />

for On- and Off-Road Conditions), welches im<br />

7. EU-Rahmenprogramm mit 3 Mio. Euro geförderte<br />

wird, hat sich ein europäisches Forschungskonsortium<br />

von Automobilherstellern<br />

und Universitäten zusammengeschlossen. Ziel<br />

des Projekts ist es, Sicherheit, Komfort und<br />

Fahrspaß von Elektrofahrzeugen sowohl unter<br />

Onroad- als auch Offroad-Bedingungen zu erhöhen.<br />

Erreicht werden soll dies durch eine individuelle<br />

Momentenregelung der im <strong>Fahrzeug</strong><br />

verbauten Elektromotoren.<br />

Reduktion von Energieverbrauch<br />

und Bremsweg<br />

Zentrale Themen des Projektes sind die Reduktion<br />

von Energieverbrauch und Bremsweg bei<br />

gleichzeitig verbessertem Beschleunigungsverhalten<br />

von Elektrofahrzeugen. Die Entwicklungsansätze,<br />

die hierbei verfolgt werden,<br />

zielen auf eine gezielte Beeinflussung der <strong>Fahrzeug</strong>längs-<br />

und -querdynamik in allen Fahrsituationen<br />

ab. Die radindividuelle Momentenvorgabe<br />

durch die vier im <strong>Fahrzeug</strong> verbauten,<br />

unabhängigen Elektromotoren beeinflusst das<br />

Steuerverhalten mittels Längs- und Quer-Torque-Vectoring.<br />

Eine neuartige, hochfrequente<br />

20 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Modulation der Radmomente verbessert das<br />

Verhalten des Antiblockiersystems (ABS) und<br />

der Traktionskontrolle (TC). Die Kombination<br />

dieser Technologien im Verbund mit einem<br />

neuartigen Energiemanagement ermöglicht ein<br />

deutlich verbessertes Rekuperationsverhalten<br />

(Energierückgewinnung beim Bremsen).<br />

Versuchfahrzeug<br />

Land Rover Freelander<br />

Zur Überprüfung der Entwicklungsziele wird<br />

beim Konsortialpartner Jaguar / Land Rover ein<br />

entsprechendes Versuchsfahrzeug aufgebaut.<br />

Mit Jaguar / Land Rover und Škoda bringen<br />

zwei renommierte europäische Automobilhersteller<br />

ein weites Spektrum an verschiedenen<br />

<strong>Fahrzeug</strong>typen in dieses Forschungsprojekt<br />

ein – von Luxusklasse-Limousinen über Geländefahrzeuge<br />

bis zu <strong>Fahrzeug</strong>en im breiten<br />

Massensegment. Auf diese Weise sind die erzielten<br />

Projektergebnisse auf eine Vielzahl von<br />

<strong>Fahrzeug</strong>kategorien anwendbar.<br />

Forschungsschwerpunkte beim<br />

VIRTUAL VEHICLE<br />

Ein zentrales Entwicklungsziel von E-VEC-<br />

TOORC ist der Entwurf eines echtzeitfähigen<br />

Optimierungsverfahrens, welches erstmals die<br />

direkte Verbindung der Systeme Energiemanagement<br />

und Fahrdynamikregelung im <strong>Fahrzeug</strong><br />

ermöglicht. Dieser Task wird federführend<br />

vom VIRTUAL VEHICLE betreut.<br />

Weitere Forschungsthemen für das ViF im Projekt<br />

sind:<br />

• Methoden zur automatisierten<br />

Abstimmung der Regelungssysteme<br />

• Modellierung der Fahrereingaben<br />

• Integration der Buskommunikation<br />

(CAN, FlexRay)<br />

• Entwurf für eine neuartige Regelung für<br />

ABS, TC und Torque-Vectoring<br />

<strong>Das</strong> E-VECTOORC Konsortium<br />

Die Konsortialpartner des VIRTUAL<br />

VEHICLE im Projekt E-VECTOORC sind:<br />

• University of Surrey (UK, Lead)<br />

• Technische Universität Ilmenau (D)<br />

• Jaguar Cars Ltd. (UK)<br />

• Land Rover (UK)<br />

• Flanders‘ DRIVE cvba-so (B)<br />

• Inverto N.V. (B)<br />

• Fundación CIDAUT (E)<br />

• Instituto Tecnológico de Aragón (E)<br />

• Škoda Auto, a.s. (CZ)<br />

• Lucas Varity GmbH (D)<br />

<strong>Das</strong> Projekt wurde am 1. September 2011 gestartet,<br />

die Laufzeit beträgt 3 Jahre. ■<br />

Zum Autor<br />

Dr. Josef Zehetner leitet<br />

das Projekt E-VECTOORC<br />

am VIRTUAL VEHICLE.<br />

http://e-vectoorc-eu


Im Interview: Dr. Michael Paulweber, AVL<br />

Trends im Bereich ITS<br />

VVM: Welche Forschungsbereiche, Trends und<br />

Herausforderungen sehen Sie mittelfristig bis<br />

2017 als relevant an?<br />

Paulweber: Die “Instrumentation and Test Systems“<br />

(ITS) Division der AVL List GmbH ist der<br />

größte unabhängige Hersteller von Mess- und<br />

Testsystemen, die in der Automobilindustrie in<br />

Forschung, Entwicklung und Qualitätsprüfung<br />

von Antriebssträngen und deren Komponenten<br />

wie Verbrennungsmotoren, Batterien, eMotoren,<br />

Getrieben, Kupplungen eingesetzt werden.<br />

In ITS Research & Technology beschäftigen<br />

wir uns mit zukunftsweisenden Ideen und<br />

Trends, um für die Automobilindustrie innovative<br />

Messinstrumente und Testeinrichtungen zu<br />

entwickeln, die sie für ihre Projekte in 3 bis 7<br />

Jahren brauchen werden.<br />

Als wichtigsten Forschungsbereich erachte ich<br />

die Mess- und Testherausforderungen, die mit<br />

alternativen Antriebsstrangkonzepten („Powertrain“)<br />

und den zugehörigen Komponenten derzeit<br />

neu entstehen. Die Einführung der neuen<br />

Powertrain-Konzepte in den <strong>Fahrzeug</strong>en wird<br />

von der Notwendigkeit einer signifikanten Verbrauchssenkung<br />

und CO 2 -Reduktion getrieben,<br />

um unseren Nachkommen eine lebenswerte<br />

Welt zu erhalten. Ein Bespiel sind die neuartigen<br />

Messaufgaben, die mit der Einführung<br />

hybrider Antriebssysteme entstanden sind.<br />

Hybrid-Systeme sind eine Kombination von<br />

Verbrennungskraftmaschinen oder Brennstoffzellen<br />

mit Batterien als schnelle elektrische<br />

Speicher, Elektromotoren als (zusätzliche) Antriebe.<br />

Dabei können verschiedenste Kombinationen<br />

aus den Komponenten gebildet werden.<br />

Hybride Antriebsstränge sind daher wesentlich<br />

komplexer als herkömmliche Antriebskonzepte,<br />

sie erfordern unter anderem das genaue Messen,<br />

Regeln und Testen von mechanischen,<br />

thermischen, chemischen und elektrischen<br />

Größen.<br />

Um diese Komplexität beherrschen zu können,<br />

bieten funktions- und modellbasierte Entwicklungsmethoden<br />

vielversprechende Ansätze, die<br />

die bis jetzt getrennten Simulations- und Testaufgaben<br />

zusammenwachsen lassen. Damit<br />

entsteht ein projektübergreifender einheitlicher<br />

Entwicklungsprozess, in dem Anforderungen<br />

in funktionellen Modellen abgebildet werden.<br />

Damit kann die Systemarchitektur neuer Fahr-<br />

zeuge entwickelt werden. Die Modelle können<br />

aber auch zur Testfallgenerierung eingesetzt<br />

werden. Modelle werden auch in Verifikation<br />

und Validierung dazu verwendet, noch fehlende<br />

<strong>Fahrzeug</strong>komponenten zu simulieren, um die<br />

real vorhandenen Teile unter möglichst wirklichkeitsnahen<br />

Bedingungen testen zu können.<br />

Ein wichtiger Aspekt ist die Abstraktion und<br />

Harmonisierung von Entwicklungsschritten im<br />

Entwicklungsprozess eines Antriebsstrangs.<br />

Sie ist eine Voraussetzung, dass generalisierte<br />

Modelle in verschiedenen Stufen der Entwicklung<br />

(im V-Prozess) verwendet werden können.<br />

Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt<br />

ist die Reduktion der Entwicklungszeit in der<br />

<strong>Fahrzeug</strong>industrie. Wesentlich besser automatisierte<br />

Test- und Optimierungswerkzeuge zum<br />

Finden optimaler Einstellungen der Steuergeräteparameter<br />

helfen dieses Ziel zu erreichen.<br />

Auch hier ist ein firmenübergreifender Einsatz<br />

von Entwicklungs- und Testmethoden mit den<br />

dazu benötigten Funktions- und Simulationsmodellen<br />

einer der Schlüssel zum Erfolg.<br />

Der rasche Einzug der Fahrerassistenzsysteme<br />

und der zunehmende Einfluss von Internet und<br />

Unterhaltungselektronik in modernen <strong>Fahrzeug</strong>en<br />

führt zu ähnlichen Herausforderungen.<br />

Car-2-Car und Car-2-Infrastructure Kommunikation<br />

erlauben eine effizientere Nutzung des<br />

kostbaren Platzes auf den Straßen besonders<br />

in den Megacities. Großer Forschungsbedarf<br />

besteht hier in Teststrategien, um Regel- und<br />

Steuersysteme und -algorithmen in diesen sehr<br />

komplexen und sich dynamisch dauernd verändernden<br />

Netzwerken entwickeln zu können.<br />

VVM: Welche besonderen Kompetenzen und<br />

Fähigkeiten sind dabei wichtig?<br />

Paulweber: Die wichtigsten Technologiefelder<br />

zu den Forschungsthemen sind (Nano-)Physik,<br />

Elektrochemie und Verfahrenstechnik für die<br />

Entwicklung präziserer Sensoren für Batterien,<br />

Umrichter, eMotoren, Brennstoffzellen, Katalysatoren,<br />

Verbrennungsmotoren, in der Mess-<br />

und Steuergeräteentwicklung Embedded Software<br />

Engineering , model based development,<br />

Simulation und Modellbildung, Anforderungsmanagement<br />

sowie moderne Testtechnologien.<br />

Dazu kommt Internettechnik kombiniert mit<br />

Steuergeräte-Know-How, Testmethoden.<br />

VVM: Welches Potential sehen Sie für das ViF<br />

in diesem Umfeld? Welche Randbedingungen<br />

sind zu beachten?<br />

Paulweber: Potential für das ViF sehe ich vor<br />

allem in forschungs- und vorentwicklungsrelevanten<br />

Aspekten, da das COMET Konzept<br />

in sehr guter Weise die Zusammenarbeit von<br />

Forschern im ViF mit unterschiedlichen Automobilfirmen<br />

an schwierigen praxisrelevanten<br />

und zukunftsweisenden Forschungsthemen<br />

mit einer interessanten Förderquote erlaubt.<br />

Die Evaluierung potentieller Konzepte und die<br />

Untersuchung von technologischen Risiken<br />

sind dabei besonders wichtig. Die Erstellung<br />

von Prototypen samt dem zugehörigen Know-<br />

How-Transfer in die Industrie ist bedeutsam,<br />

aber auch die entstehende Kommunikation mit<br />

Experten aus unterschiedlichen Firmen im Automotive<br />

Bereich hat sich als essentiell herausgestellt.<br />

Besonders beim Know-How-Transfer<br />

kann ich mir eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit<br />

zwischen dem ViF und AVL vorstellen.<br />

Natürlich ist auch der Kontakt mit anderen<br />

Universitäten und Forschungsinstituten wichtig,<br />

um die Kompetenzen auf einer breiten Basis<br />

auszubauen.<br />

VVM: Welche Alleinstellungsmerkmale sehen<br />

Sie am ViF bzw. welche sollen verstärkt aufgebaut<br />

werden?<br />

Paulweber: <strong>Das</strong> ViF hat großes Wissen in Simulationsmodellen<br />

für Komponenten eines Gesamtfahrzeug,<br />

aber auch in der Co-Simulation<br />

und in <strong>Fahrzeug</strong>netzwerken aufgebaut. Daneben<br />

ist in den letzten Jahren wichtiges Wissen<br />

in der funktionsorientierten Modellierung entstanden.<br />

Zu nennen sind aber sicher auch Spezialfelder<br />

wie Sicherheit, Elektrik/Elektronik,<br />

Batterie, Material, NVH, Energiemanagement,<br />

HVAC, Verbrennung. ■<br />

Dr. Michael Paulweber<br />

ist Director Global ITS<br />

Research & Technology<br />

der AVL List GmbH.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Industrie-Partner<br />

21


SAFECONV: Erlebbarkeit von<br />

vernetzten Sicherheitsfunktionen<br />

Die Vernetzung von aktiven und passiven Sicherheitssystemen stellt eine große Herausforderung sowohl in<br />

der Simulation und virtuellen Erprobung als auch in der <strong>Fahrzeug</strong>integration dar. <strong>Das</strong> K2 Forschungsprojekt<br />

„Modelling, Simulation and Integration of Active Safety Systems for a Safety Concept Vehicle (SAFECONV)“ ist ein<br />

weiterer Baustein im Rahmen der Kooperation der BMW Group und des VIRTUAL VEHICLE zur durchgängigen<br />

Entwicklung, Optimierung und Absicherung vernetzter Sicherheitsfunktionen im Gesamtfahrzeug.<br />

Integrale <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit<br />

In den letzten Jahren führte die Weiterentwicklung<br />

der Sensorik im Bereich der Objekterkennung<br />

zu wesentlichen Fortschritten bei der<br />

integralen <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit. Die wesentliche<br />

Zielsetzung der Integralen Sicherheit ist die<br />

Vermeidung von Unfällen und die Reduktion<br />

der Schwere der Unfälle, sowie eine weitere<br />

Senkung des Verletzungsrisikos durch Aus-<br />

Phasen einer Kollision; Quelle: BMW Group<br />

schöpfen von Potentialen, die sich durch die Integration<br />

ergeben. Hierzu werden Systeme der<br />

aktiven und der passiven Sicherheit kombiniert<br />

und neuartige Funktionen wie Fahrerassistenzsysteme<br />

(z.B. innovative Bremsassistenten),<br />

Pre-Crash-Funktionen oder adaptive Sicherheitssysteme,<br />

deren Funktionsweisen und Wirkung<br />

sich der Art und Schwere des Unfalls anpassen,<br />

eingesetzt. Dies erfordert eine immer<br />

stärkere Vernetzung der Sicherheitsfunktionen<br />

im <strong>Fahrzeug</strong>, was jedoch auch eine immer höhere<br />

Komplexität im Entwicklungs- und Integrationsprozess<br />

dieser Sicherheitsfunktionen<br />

bedeutet. Diese Komplexität stellt während der<br />

Entwicklung von neuen Funktionen eine große<br />

Herausforderung dar, weil diese mit herkömm-<br />

Sensorik zur Unfallfrüherkennung; Quelle: BMW Group<br />

22 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

lichen Methoden oft nur einzeln und nicht als<br />

Vernetzung betrachtet werden können. Dadurch<br />

sinkt dann das gesamte Systemverständnis.<br />

Die Integration der unterschiedlichen Funktionen<br />

erfordert eine entsprechende disziplinübergreifende<br />

Betrachtung. Ein wesentliches<br />

Werkzeug stellt die Co-Simulation dar. Dabei<br />

werden unterschiedliche Tools und Modelle<br />

verschiedenster Disziplinen von Fahrdynamik<br />

bis Crashsimulation kombiniert, um die Eigenschaften<br />

des vernetzten Gesamtsystems darzustellen.<br />

Dadurch können disziplinübergreifende<br />

Fragestellungen beantwortet werden, sowie<br />

Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen<br />

den einzelnen Teilgebieten aufgezeigt werden.<br />

Vernetzte Entwicklungsmethodik und<br />

Absicherung im Gesamtfahrzeug<br />

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird<br />

ein neuer Ansatz für die durchgängige Betrachtung<br />

und Validierung von vernetzten Sicherheitsfunktionen<br />

im <strong>Fahrzeug</strong> untersucht um<br />

deren Erlebbarkeit zu ermöglichen. Die Forschungsschwerpunkte<br />

umfassen:<br />

• Darstellung der Vernetzung der aktiven<br />

und passiven Sicherheit<br />

• Validierung der Simulationsumgebung<br />

und Erprobung vernetzter Sicherheitsfunktionen<br />

unter Berücksichtigung variabler<br />

Parameter<br />

• Integration von in Entwicklung befindlichen<br />

Sicherheitsfunktionen und Absicherung<br />

im Gesamtfahrzeug<br />

• Nachweis der Integrierbarkeit im verfügbaren<br />

Bauraum und im Bordnetz<br />

• Ableitung von System- und Komponentenzielen<br />

zur Umsetzung eines feldrelevanten<br />

Sicherheitspotentials<br />

<strong>Das</strong> übergeordnete Ziel ist die durchgängige<br />

Darstellung der Entwicklung vernetzter Funktionen<br />

vom Konzept, Simulation, Integration bis<br />

hin zur Erprobung und Validierung. Die Effektivität<br />

der entwickelten Methodik wird anhand der<br />

Integration ausgewählter Sicherheitsfunktionen<br />

in einem Versuchsträger (Safety Konzeptfahrzeug)<br />

demonstriert.<br />

Die fachübergreifende Zusammenarbeit (Elektrik/Elektronik<br />

und <strong>Fahrzeug</strong>sicherheit) in der<br />

effizienten Entwicklung zukünftiger <strong>Fahrzeug</strong>sicherheitssysteme<br />

spiegelt den interdisziplinären<br />

Charakter dieses Forschungsvorhabens<br />

wider. ■<br />

Zu den Autoren<br />

Dipl.-Ing. Christian<br />

Gruber leitet das Team<br />

„Konzepte Aktive und Integrale<br />

Sicherheit“ der BMW<br />

Group in München.<br />

Univ.-Doz. Dr. Daniel<br />

Watzenig leitet den<br />

Bereich <strong>Fahrzeug</strong>elektrik/elektronik<br />

und Embedded<br />

Software am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Dr. Andreas Rieser ist<br />

Bereichsleiter der Area<br />

„Mechanics“ am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Markus Schratter ist<br />

Projektmitarbeiter am<br />

VIRTUAL VEHICLE und<br />

unterstützt das Projekt bei<br />

der BMW Group vor Ort.


Im Interview: Dr. Maximilian Miegler, Audi AG<br />

Trends in E/E und Funktionalität<br />

Hardware-in-the-Loop (HiL) Systeme können einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung der Güte und<br />

Wirtschaftlichkeit der physischen <strong>Fahrzeug</strong>erprobung leisten. Dr. Daniel Watzenig befragte Dr. Maximilian<br />

Miegler (Audi AG) zu aktuellen Trends in den Bereichen Elektrik, Elektronik und Funktionalität.<br />

VVM: Wohin gehen Ihrer Meinung nach die<br />

Trends in der Automobilindustrie im Bereich<br />

Elektrik/Elektronik/Funktionalität und welche<br />

Randbedingungen für die Entwicklung sehen<br />

Sie als relevant an?<br />

Miegler: <strong>Das</strong> Thema „Funktionale Sicherheit“<br />

ist eine Herausforderung für die Testmethodik<br />

und den Testprozess. Die Güte der Fehlererkennung<br />

und Fehlerzuordnung spielt eine entscheidende<br />

Rolle.<br />

Gleichzeitig sind aber die Verkürzung von<br />

Produktentwicklungszyklen und die notwendige<br />

weitere Steigerung der Effizienz in der<br />

Entwicklung aus wirtschaftlichen Gründen<br />

unverzichtbar. So muss die Reduktion von<br />

kostenintensiven Erprobungsfahrten mit Gesamtfahrzeugprototypen<br />

weiter vorangetrieben<br />

werden. Hardware-in-the-Loop (HiL) Systeme<br />

können einen entscheidenden Beitrag dazu<br />

leisten, die Güte und Wirtschaftlichkeit der physischen<br />

<strong>Fahrzeug</strong>erprobung zu steigern.<br />

HIL-Tests können unter kontrollierten Laborbedingungen<br />

beliebig oft durchgefahren werden<br />

und entlasten damit die Tests im Realfahrzeug<br />

erheblich.<br />

VVM: Wie stehen Sie zu HiL-Tests zur funktionalen<br />

Absicherung im E/E-Bereich?<br />

Miegler: Der Trend zu HiL-Tests als Entlastung<br />

für <strong>Fahrzeug</strong>tests gerade im Bereich der vernetzten<br />

Elektronik ist weltweit bei allen OEMs<br />

zu beobachten und zieht sich durch alle Bereiche<br />

der Entwicklung. Gerade beim Thema<br />

Elektrifizierung ist die Erprobung auf Gesamtfahrzeugebene<br />

schwierig und kostenintensiv.<br />

Der Grund dafür ist die stark anwachsende<br />

Komplexität der Funktionen und deren starke<br />

Vernetzung. Gerade bei der funktionalen Absicherung<br />

von Derivaten können HiL-Tests<br />

aufgrund der hohen Regressionsfähigkeit Realfahrzeugtests<br />

massiv reduzieren. Weiterführend<br />

ist es auch ein Ziel, virtuelle Probefahrten<br />

darstellen zu können – bis hin zu einer virtuellen<br />

Abnahmefahrt.<br />

VVM: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt<br />

werden, damit beispielsweise für Derivate teure<br />

Prototypen eingespart werden können?<br />

Miegler: Die Anforderungen an Genauigkeit<br />

und Echtzeitfähigkeit der Modelle, die auf HiL-<br />

Systemen laufen, sind hierbei entscheidend.<br />

Dies hängt natürlich von den jeweiligen Prüfanforderungen<br />

ab. Allgemein kann aber gesagt<br />

werden, dass der Weg zum Ziel über eine Kombination<br />

von genaueren Modellen, Echtzeitansätzen<br />

und Modelldaten führt. Mit steigender<br />

Prozessorleistung können komplexere Modelle<br />

am HiL-System und komplexere Algorithmen<br />

im Steuergerät laufen. Gleichzeitig müssen die<br />

Plausibilität der Modelle und deren Gültigkeitsbereiche<br />

bekannt sein. <strong>Das</strong> verlangt nach klar<br />

definierten Schnittstellen und Standards bei<br />

der Modellierung. Um die Genauigkeitsanforderungen<br />

erfüllen zu können, ist in den meisten<br />

Fällen neben den reinen Streckenmodellen<br />

auch eine Modellierung von Sensoren und Aktuatoren<br />

notwendig. In ein vollständiges Streckenmodell<br />

muss auch der Einfluss der „Restphysik“<br />

bzw. des „Restfahrzeuges“ eingehen.<br />

VVM: Wie geht man bei der Audi AG an den<br />

Einsatz von modellbasierten Methoden zur<br />

Funktionsabsicherung heran?<br />

Wir haben einen Prozess etabliert, über den<br />

miteinander verzahnt die Güte der Simulationsmodelle<br />

und Tests verbessert werden. Es<br />

gibt hier eine Reihe von Methoden, um die<br />

Testeffizienz an HiL-Systemen zu steigern wie<br />

zum Beispiel Benutzermodelle, probabilistische<br />

Methoden oder „Kritischer-Pfad-Tests“. Eine<br />

prozesssichere Simulationsinfrastruktur zur<br />

Verwaltung, Bedatung, Verifikation und Validierung<br />

von Modellen wird immer wichtiger. Nur<br />

so erreichen wir die erforderliche Testgüte zur<br />

realistischen Beurteilung und Absicherung der<br />

<strong>Fahrzeug</strong>funktionen und -eigenschaften.<br />

VVM: Wie beurteilen Sie den Einfluss der ISO<br />

26262 zur Sicherstellung der funktionalen Sicherheit?<br />

Miegler: Die funktionale Sicherheit ist ein<br />

wesentlicher Schwerpunkt, der die gesamte<br />

Entwicklung beeinflusst. Auftretende Fehler<br />

müssen klar nachvollziehbar sein, um deren<br />

mögliche Auswirkungen bzw. Gefahren beurteilen<br />

zu können. Durch die rapide wachsende<br />

Vernetzung entstehen z. B. hohe Anforderungen<br />

an das Signal-Timing. Timing-Fehler sind in<br />

der Fehleranalyse oft nur schwer zu entdecken.<br />

Wir sehen in der Kombination von Sensor- und<br />

Fehlermodellen, der Wirkkettenmodellierung<br />

und der Entwicklung von robuster Mechatronik<br />

einen geeigneten Lösungsansatz.<br />

VVM: Die Verbindung von bisher getrennten<br />

Entwicklungsbereichen wie z.B. Elektrik und<br />

Mechanik verlangt nach unterschiedlichen Modellen.<br />

Wie wollen Sie die dadurch entstehende<br />

Vielzahl an Modellen verwalten bzw. miteinander<br />

verbinden?<br />

Miegler: Die große Anzahl an Möglichkeiten<br />

ist nur durch Standardisierung in den Griff zu<br />

bekommen – von Protokollen über Kommunikationsarchitekturen<br />

und Modellierwerkzeuge bis<br />

zu Modellstandards. Darüber hinaus müssen<br />

auch die Metadaten zu den Modellen standardisiert<br />

und zentral verwaltet werden. Wir versuchen<br />

dies innerhalb des VW Konzerns zu<br />

realisieren. ■<br />

Dr. Maximilian Miegler<br />

ist in der Technischen<br />

Entwicklung der Audi<br />

AG tätig und leitet den<br />

Bereich „Hardware-inthe-LoopFunktionserprobung“.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Industrie-Partner<br />

23


Hybridsteuerung - Serienentwicklung<br />

Die wachsende Marktdurchdringung von Hybridfahrzeugen erhöht die Anforderungen an serientaugliche<br />

Steuerungsplattformen. Unterschiedliche <strong>Fahrzeug</strong>konfigurationen und Funktionsanforderungen stellen dabei<br />

eine besondere Herausforderung dar. <strong>Das</strong> Forschungsprojekt HYBCONS befasst sich in Kooperation mit AVL<br />

mit dem Design und der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware für Hybridfahrzeuge.<br />

Die Automobilhersteller verfolgen bei der<br />

Elektrifizierung von Antriebssträngen unterschiedlichste<br />

Strategien. Bei Hybridfahrzeugen<br />

ergeben sich dabei zum einen verschiedene<br />

Elektrifizierungslevels (Micro-, Mild-, Vollhybrid)<br />

und zum anderen variieren die Topologien<br />

von Hybridantriebssträngen mitunter stark.<br />

Daraus ergeben sich unterschiedliche Randbedingungen<br />

für die Betriebsstrategie und somit<br />

auch an die Steuerungsalgorithmen. Zusätzlich<br />

gehen marktspezifische Einflüsse in den Spezifikationsprozess<br />

ein.<br />

Die steigende Marktdurchdringung von serienreifen<br />

Hybridfahrzeugen am Automobilsektor<br />

führt zu besonderen, serienspezifischen Anforderungen<br />

an die Steuerungssoftware. Hier<br />

müssen einerseits relevante Monitoring - und<br />

Diagnosekonzepte realisiert werden. Andererseits<br />

muss speziell auf die eingesetzte<br />

Steuergeräteplattform eingegangen werden.<br />

Nur durch Berücksichtigung aller relevanten<br />

Aspekte wird die Qualität der Hybridfahrzeugsteuerung<br />

auf ein leistungs- und wettbewerbsfähiges<br />

Niveau angehoben.<br />

Strukturierte Entwicklungsmethodik<br />

Eine systematische Beschreibung der grundlegenden<br />

Hybridfunktionalitäten dient als Basis<br />

zur Entwicklung einer generischen Plattform.<br />

Mit deren Hilfe können Steuerungen für verschiedenste<br />

Varianten von Hybridfahrzeugen<br />

verwirklicht werden. Der Fokus liegt dabei auf<br />

der Wiederverwendbarkeit von Software-Komponenten<br />

und Funktionen.<br />

HYBCONS befasst sich mit dem Design und<br />

der Implementierung einer generischen Steuerungssoftware<br />

für Hybridfahrzeuge für unterschiedlichen<br />

Elektrifizierungslevels und<br />

Antriebsstrangtopologien. Um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Produkts sicherzustellen,<br />

bedient man sich modernster Methodiken zur<br />

Erstellung von serientauglicher Software.<br />

Entwicklungsprozess<br />

In der Automobilindustrie wird für die Entwicklung<br />

von Seriensoftware sehr oft das V-Modell<br />

24 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

verwendet. Spezifische Anforderungen an einen<br />

modernen Entwicklungsprozess erfordern<br />

den Einsatz einer modifizierten Variante des<br />

Modells im Rahmen des HYBCONS Projekts.<br />

Durch eine Auftrennung in Konzept- (Prototypenphase)<br />

und Serienentwicklungsphase<br />

wird einerseits zwischen Fließkomma- und<br />

Festkommaarithmetik unterschieden. Andererseits<br />

wird als Abschluß der Konzeptphase<br />

die Zielerreichungsdemonstration (Concept<br />

Verifciation / Validation) durchgeführt. Daraus<br />

ergibt sich ein W-Modell welches in Abbildung<br />

1 dargestellt ist. Dieser maßgeschneiderte Prozess<br />

bietet auf intuitive Art und Weise die Möglichkeit<br />

serienspezifische Aspekte wie z.B. eine<br />

Analyse der Prototypensoftware für Speicherabschätzung<br />

oder Laufzeitanalyse durchzuführen<br />

und das Resultat in das System einfließen<br />

zu lassen.<br />

Anforderungsdefinition und<br />

Konzeptimplementierung<br />

Basierend auf den, von den Stakeholdern definierten,<br />

Randbedingungen werden zuerst Systemanforderungen<br />

definiert. Aus diesem Schritt<br />

geht die Systemarchitektur hervor welche unter<br />

Abbildung 1: Entwicklungsprozess im HYBCONS Projekt – W-Modell zur Abbildung<br />

von Konzept- und Serienentwicklungsphase innerhalb eines Projekts.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

anderem die Aufteilung von Software und Hardware<br />

beschreibt. Basierend auf den Anforderungen<br />

an die Software wird im zweiten Schritt<br />

das Softwaresystem spezifiziert. Mit diesen<br />

kann eine Softwarearchitektur gebildet werden.<br />

Im Unterschied zu einem gewöhnlichen Serienentwicklungsprozess<br />

sind im HYBCONS<br />

Projekt auch generische Systemeigenschaften<br />

eingeflossen, womit die Softwarearchitektur<br />

universell einsetzbar wird. Besonderes Augenmerk<br />

wurde auf Skalierbarkeit und Erweiterbarkeit<br />

gelegt. Im Wesentlichen bedeutet dies,<br />

dass mit der vorliegenden Architektur neben<br />

Micro-, Mild-, Voll- und Plugin-Hybrid auch unterschiedliche<br />

Antriebsstrangkonfigurationen<br />

berücksichtigt werden. Bei der Auslegung der<br />

Architektur wird auf eine einfache Parametrierbarkeit<br />

der Regelalgorithmen geachtet. Weiters<br />

fließen Aspekte zur effizienteren Integration<br />

der Steuerungssoftware in den Hardware/<br />

Software-Verbund der Steuerungsarchitektur<br />

ein. Nach Definition der Architektur werden<br />

Anforderungen an die einzelnen Softwarekomponenten<br />

spezifiziert. In dieser Phase werden<br />

die Steuerungsalgorithmen auf bereits sehr detailliertem<br />

Niveau beschrieben. Abschließend


findet die Implementierung der beschriebenen<br />

Softwarekomponenten statt, womit man am unteren<br />

Ende des ersten Zweiges des beschriebenen<br />

W-Prozesses angelangt ist.<br />

Testen und Konzeptüberprüfung<br />

(Model-in-the-loop)<br />

Ausgehend von der Softwarespezifikation werden<br />

Testszenarien abgeleitet, welche im ersten<br />

Schritt zur Validierung der Softwarekomponenten<br />

eingesetzt werden. Nach der Integration<br />

der Softwarekomponenten werden gleichermaßen<br />

Tests auf Systemebene durchgeführt.<br />

Den Abschluss der Konzeptphase bildet eine<br />

Zielerreichungsdemonstration. Im Rahmen des<br />

HYBCONS Projekts wurde dies auf Basis eines<br />

Prototypenfahrzeugs mit Parallelhybrid-Architektur<br />

(siehe Abbildung 2) durchgeführt.<br />

Serienspezifische Adaptionen<br />

Im Anschluss an eine erfolgreiche Konzeptvalidierung,<br />

fließen serienspezifische Randbedingungen<br />

zuerst auf Systemanforderungsebene<br />

und in weiterer Folge auf Komponentenebene<br />

ein. Basierend auf der Zielarchitektur (z.B. 32-<br />

Abbildung 2: Hybrid-P2-Typologie: ein Elektromotor (EM) wird auf die Kurbelwelle zwischen einer<br />

automatisierten Kupplung und einem Getriebeeingang (Gearbox, GbX) platziert, und daher kann er<br />

von der Verbrennungskraftmaschine (internal combustion engine, ICE) entkoppelt werden.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Bit Mikrocontroller) müssen sowohl die Laufzeit,<br />

als auch der Speicherbedarf der Softwarekomponenten<br />

analysiert werden. Zusätzlich<br />

schränkt die Zielarchitektur die Genauigkeit<br />

von Variablen und Berechungsoperationen ein.<br />

All diese serienspezifischen Aspekte, müssen<br />

während der Verfeinerung der Softwarekomponenten<br />

einfließen, um eine Anforderungsgerechte<br />

Implementierung zu erreichen.<br />

Testen der Seriensoftware bis zur<br />

Kundenakzeptanz<br />

Die implementierte Seriensoftware wird zuerst<br />

mit den angepassten, von der Spezifikation<br />

abgeleiteten, Testfällen überprüft (Softwarein-the-Loop).<br />

Nach sukzessiver Integration der<br />

SW Komponenten in das SW System, werden<br />

die darauf folgenden Systemtests, aufgrund der<br />

hohen Komplexität mit Hilfe von <strong>Fahrzeug</strong>modellen<br />

durchgeführt. Nach der Integration der<br />

Die Verifikation und Validierung der<br />

Software erfolgt mittels MiL, SiL, HiL<br />

sowie im Rahmen von Testfahrten<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

Software auf die Zielhardware wird das System<br />

mittels Hardware-in-the-Loop (HiL) Tests auf<br />

Funktionsfähigkeit überprüft.<br />

Ergebnis<br />

<strong>Das</strong> Ergebnis des skizzierten Entwicklungsprozesses<br />

ist eine generische Plattform für Hybridfahrzeugsteuerungen.<br />

Zur Demonstration der<br />

Skalierbarkeit dieser Software werden zum einen<br />

eine Mild-Hybrid Variante und zum anderen<br />

eine Voll-Hybrid Variante umgesetzt. Letztere<br />

stellt wesentlich höhere Anforderungen an das<br />

Energiemanagement sowie an einzelne Funktionalitäten<br />

und vor allem an die Übergänge<br />

zwischen einzelnen Betriebsarten. Zur Sicherstellung<br />

der Kompatibilität mit weiteren Hybridfahrzeugvarianten<br />

wurde der Spezifikationsprozess<br />

unter Berücksichtigung von Grundsätzen<br />

aus dem Themengebiet Variantenmanagement<br />

durchgeführt. ■<br />

Zu den Autoren<br />

DI (FH) Wolfgang Ebner<br />

leitet das Projekt<br />

HYBCONS am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

DI Petr Micek forscht im<br />

Bereich Optimierung von<br />

Betriebsstrategien von<br />

Hybridfahrezugen am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

DI Bernhard Knauder<br />

ist Senior Researcher<br />

am VIRTUAL VEHICLE.<br />

25


Der elektrifizierte Antriebsstrang<br />

Elektrifizierte Antriebsstränge rücken zunehmend in den Fokus der Entwicklung in der Automobilindustrie. Die<br />

zusätzlichen Komponenten verursachen dabei Kosten, bieten aber auch neue Möglichkeiten. In Zusammenarbeit<br />

mit dem renommierten Industriepartner AVL List GmbH wird am VIRTUAL VEHICLE erforscht, wie sich mit der<br />

Elektrifizierung des Antriebsstranges durch geeignete Regelalgorithmen neue Potentiale ausschöpfen lassen.<br />

Unter dem Einfluss der Endlichkeit fossiler<br />

Energieträger sowie der Gesetzgebung in Bezug<br />

auf Emissionen und Verbrauch gewinnen<br />

hybrid-elektrische Antriebsstrangkonzepte zunehmend<br />

Bedeutung in der Automobilindustrie.<br />

Ein Elektromotor wird dabei als zusätzliche<br />

Momentenquelle im Antriebsstrang eingesetzt,<br />

um Funktionen wie elektrisches (An-)Fahren<br />

und Boosten zu ermöglichen. Zum Laden des<br />

Energiespeichers werden Funktionen wie Rekuperieren<br />

oder Generieren benötigt. Daneben<br />

sind klassische Herausforderungen für die<br />

Funktionsentwicklung im Antriebsstrang weiterhin<br />

aktuell:<br />

• Reduktion von Komponentenkosten<br />

• Verbesserung der Fahrbarkeit<br />

• Reduktion von Entwicklungskosten<br />

Die hybrid-elektrischen Antriebsstrangkonzepte<br />

bieten neue Möglichkeiten im Umgang<br />

mit diesen Herausforderungen.<br />

Reduktion von Komponentenkosten<br />

Eine Reduktion von Komponentenkosten kann<br />

aufgrund hoher Stückzahlen einen signifikanten<br />

wirtschaftlichen Vorteil bedeuten. Selbst bei<br />

Einsparung günstiger Sensoren ist ein zusätzlicher<br />

Funktionsentwicklungsaufwand ge-<br />

Abbildung 1: Layout eines DCT mit<br />

integriertem Elektromotor<br />

Quelle: AVL List GmbH<br />

26 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

rechtfertigt. Gesetzgebung und ökologische<br />

Gesichtspunkte rücken trotz der zusätzlichen<br />

Kosten hybrid-elektrische Antriebsstrangkonzepte<br />

in den Fokus der Entwicklung. Umso<br />

höher ist die Herausforderung, die Potentiale<br />

dieser Konzepte über die hybride Systemfunktionalität<br />

hinaus zu nutzen, um auch anderweitig<br />

im Antriebsstrang Hardwarekosten einzusparen.<br />

Aktuelles Entwicklungsbeispiel<br />

Vor allem Elektromotor und Energiespeicher<br />

verursachen Hardwarekosten und Bauraumprobleme.<br />

Diesen wird seitens der Industrie in<br />

unterschiedlicher Weise Rechnung getragen.<br />

AVL untersucht aktuell die volle Integration<br />

des Elektromotors in ein Doppelkupplungsgetriebe<br />

(DCT) mit modularer Schnittstelle zum<br />

Verbrennungsmotor. Dieses Konzept zeichnet<br />

sich durch die direkte Kopplung des Elektromotors<br />

über ein Planetengetriebe an beide Wellen<br />

sowie durch geringen zusätzlichen Platzbedarf<br />

gegenüber einem konventionellen DCT aus.<br />

Der Elektromotor bietet in dieser Konfiguration<br />

die Möglichkeit, eine Getriebeeingangswelle auf<br />

eine gewünschte Drehzahl zu regeln. Damit ist<br />

es möglich, den Elektromotor – neben dessen<br />

Hauptaufgabe als zusätzliche Leistungsquelle<br />

im Antriebsstrang – auch dazu zu nutzen, die<br />

im konventionellen Getriebe vorhandenen mechanischen<br />

Reib-Synchronisierungen durch<br />

Klauenkupplungen zu ersetzen; das bietet neben<br />

einer Wirkungsgrad-Verbesserung auch<br />

Vorteile hinsichtlich Kosten, Bauraum und Gewicht.<br />

Verbesserung der Fahrbarkeit<br />

Neben der Darstellung von Hybridfunktionen<br />

kann mit Hilfe eines Elektromotors im Antriebsstrang<br />

die Fahrbarkeit bei Anfahr- und Schaltvorgängen<br />

verbessert werden.<br />

Getriebe mit einer Eingangswelle und ohne<br />

Wandler schalten mit Zugkraft-Unterbrechung,<br />

was als störend empfunden wird. Hier kann ein<br />

während des Schaltvorganges mit dem Abtrieb<br />

verbundener Elektromotor Abhilfe schaffen und<br />

den Drehmomenteinbruch schon mit geringem<br />

funktionalen Aufwand zumindest teilweise kompensieren.<br />

Ein DCT kann konstruktionsbedingt ohne Zugkraft-Unterbrechung<br />

schalten. Aber auch bei<br />

einem DCT kann ein Elektromotor die Schaltqualität<br />

noch verbessern, wenn es gelingt, den<br />

Elektromotor so zu regeln, dass die langsamere<br />

Dynamik des Verbrennungsmotors bzw. ein<br />

nicht idealer Drehmomentverlauf ausgeglichen<br />

wird. Von zentraler Bedeutung bei diesem Vorgang<br />

ist die Schnittstelle zwischen Motor- und<br />

Getriebe-Steuergerät. Nach dem Stand der<br />

Technik werden über diese Schnittstelle aktuelle<br />

Mess- und Stellgrößen übertragen (v.a.<br />

Drehmomente), aber keine Kenngrößen, die<br />

das dynamische Verhalten an sich beschreiben.<br />

Es wird also ein Modell benötigt, das die Dynamik<br />

des Drehmomentes des Verbrennungsmotors<br />

aus dem aktuellen Zustand heraus modellbasiert<br />

vorhersagen kann.<br />

Ein Lösungsansatz ist es, im Motorsteuergerät<br />

eine Übertragungsfunktion zu modellieren und<br />

deren Parameter auf die Schnittstelle zu legen.<br />

Aus den Parametern der Übertragungsfunktion<br />

kann das Getriebesteuergerät mit Hilfe des gewünschten<br />

Drehmomentverlaufes beim Schaltvorgang<br />

das erwartete Drehmoment des Verbrennungsmotors<br />

berechnen und die Differenz<br />

über den Elektromotor kompensieren.


Beispiel zur Kostenreduktion in<br />

Varianten-Parametrierung<br />

<strong>Das</strong> Modell für die Vorhersage des dynamischen<br />

Drehmomentverlaufs kann darüber<br />

hinaus dazu genutzt werden, die Effizienz in<br />

der Varianten-Parametrierung zu steigern: <strong>Das</strong><br />

dynamische Verhalten des Verbrennungsmotors<br />

hat Einfluss auf den Schaltvorgang. Daher<br />

hängt die Parametrierung der Schaltvorgänge<br />

im Getriebesteuergerät vom jeweiligen Verbrennungsmotor<br />

ab. Derzeit erfolgt die Parametrierung<br />

der Schaltvorgänge üblicherweise<br />

für jede Verbrennungsmotorvariante separat<br />

(Variante in Bezug auf Hardware, aber auch<br />

Parametrierung bei gleicher Hardware). <strong>Das</strong><br />

dynamische Drehmomentvorhersagemodell erlaubt<br />

dagegen eine Berücksichtigung der Dynamik<br />

in der Funktionalität des Schaltvorganges<br />

und damit eine weitgehend unabhängige und<br />

dadurch unveränderte Parametrierung des<br />

Schaltvorganges. Hiermit kann ein hoher Beitrag<br />

zur Steigerung der Effizienz in der Varianten-Parametrierung<br />

geliefert werden.<br />

Steigerung der Effizienz in der<br />

Entwicklung<br />

Neben Kostenreduktion in der Varianten-Parametrierung<br />

(siehe oben) verlangen verkürzte<br />

Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie<br />

nach einer weiteren Steigerung der Effizienz<br />

in der Funktionsentwicklung, Funktionsparametrierung<br />

und auch Variantenabsicherung.<br />

Ein wichtiger Trend ist hier die Absicherung<br />

von Variantenfahrzeugen über Simulationen<br />

anstelle von aufwändigen und kostenintensiven<br />

<strong>Fahrzeug</strong>tests. Dafür werden entsprechend validierte<br />

Streckenmodelle benötigt, die speziell<br />

auch den Einfluss der geänderten Komponenten<br />

abbilden.<br />

Modellbasierte<br />

Funktionsentwicklung<br />

VIRTUAL VEHICLE und AVL setzen bei der<br />

Reglerentwicklung, der Funktionsentwicklung<br />

und erster Funktionsverifikation auf eine modellbasierte<br />

Entwicklung, bei der ebenfalls<br />

Streckenmodelle entwickelt und angewandt<br />

werden. Anders als bei Streckenmodellen für<br />

Absicherungssimulationen liegt hier der Fokus<br />

auf möglichst mathematisch-analytischer<br />

Modellierung der wichtigsten Einflüsse. Die<br />

Modelle müssen die dynamischen Vorgänge<br />

genau abbilden, speziell für die Reglerentwicklung<br />

möglichst analytisch dargestellt und sehr<br />

schnell sein. Dies ist aufgrund der häufig wie-<br />

Abbildung 2: Schematische Darstellung eines DCT mit Elektromotor und math. Modellierung über Bewegungsgleichungen<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

derholten Tests für die Funktionsentwicklung<br />

und Funktionsverifikation notwendig. Darüber<br />

hinaus müssen die Modelle für Hardware-inthe-Loop<br />

(HiL) Verifikationen echtzeitfähig<br />

sein. Aus diesen Randbedingungen ergibt sich,<br />

dass weniger dominante Einflüsse gezielt vernachlässigt<br />

werden. In der Funktionsentwicklung<br />

wird das Modell außer für das Training des<br />

Systemverständnisses sowie für die Erstellung<br />

von Funktionsanforderungen auch für schnelle<br />

Model/Software-in-the-Loop Tests der entwickelten<br />

Funktionen eingesetzt.<br />

Software-Wiederverwendbarkeit<br />

<strong>Das</strong> für jede Antriebsstrangkonfiguration vorliegende<br />

analytische Modell bildet die Basis<br />

für einen modellbasierten Reglerentwurf sowie<br />

für den Entwurf generischer Funktions-Module.<br />

Die Funktions-Module werden gezielt auf Wiederverwendbarkeit<br />

hin ausgelegt und entsprechend<br />

verwaltet. Gleichzeitig müssen sie alle<br />

Anforderungen zur funktionalen Sicherheit erfüllen.<br />

Basis ist dabei eine geeignete Software-<br />

Architektur.<br />

Aufgaben der Funktionsentwicklung<br />

im elektrifizierten Antriebsstrang<br />

Die Herausforderungen für die Funktionsentwicklung<br />

im automobilen Antriebsstrang<br />

steigen mit dessen Elektrifizierung. Die Entwicklung<br />

von Steuergerätesoftware muss die<br />

Wiederverwendbarkeit von SW-Modulen, die<br />

Darstellung funktionaler Sicherheit und die<br />

Einhaltung von gesetzlichen Randbedingungen<br />

bei einer Reduktion von Entwicklungskosten<br />

gewährleisten. Darüber hinaus wird von Steuergerätesoftware<br />

erwartet, die Fahrqualität zu<br />

steigern und den Einsatz kostengünstigerer<br />

Hardware zu ermöglichen. ■<br />

Aktuelle Projekte<br />

Modellbasierte Regelung des Drehmoments<br />

für elektronisch angesteuerte<br />

Getriebe in Kooperation mit<br />

• AVL List GmbH<br />

• TU Graz, Institut für Regelungstechnik<br />

und Prozessautomatisierung<br />

Transmission with New Technology for<br />

low cost & low weight & high efficient<br />

hybrid powertrains in Kooperation mit<br />

• AVL List Gmbh<br />

• TU Graz, Institut für Maschinenelemente<br />

und Entwicklungsmethodik<br />

Zu den Autoren<br />

DI Markus Bachinger ist<br />

Senior Researcher und<br />

Projektleiter am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Dr. Klaus Küpper leitet<br />

den Bereich Systementwicklung<br />

in der AVL<br />

List GmbH und ist als<br />

Executive Chief Engineer<br />

verantwortlich für die<br />

Bereiche System, Vehicle<br />

und Software.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Industrie-Partner<br />

27


Konfiguration von Echtzeitsystemen<br />

Die Konfiguration von sicherheits-relevanten verteilten Echtzeitsystemen stellt die <strong>Fahrzeug</strong>industrie vor neue<br />

Herausforderungen. Vor allem das Erstellen von robusten Konfigurationen ist manuell kaum noch beherrschbar.<br />

Neue Ansätze sind gefragt.<br />

Neue <strong>Fahrzeug</strong>e brauchen neue<br />

Funktionen...<br />

Seit Jahren nehmen sowohl die Anzahl als auch<br />

die Komplexität von Funktionen im Automobil<br />

zu, um den steigenden Bedarf an Sicherheit<br />

und Komfort erfüllen zu können. Diese Funktionen<br />

werden überwiegend in Software implementiert.<br />

Aufgrund begrenzter Rechenleistung<br />

aktueller Micro-Controller sind somit immer<br />

mehr Steuergeräte nötig. Dies führt zu ver-<br />

teilten Systemen.<br />

Viele Funktionen (wie z.B. aktive Sicherheit)<br />

müssen nicht nur korrekt arbeiten, sondern<br />

zusätzlich innerhalb von genau definierten<br />

Zeiten auf Inputs reagieren. Reagieren sie zu<br />

langsam, kann das zu schwerwiegenden Konsequenzen<br />

führen. Derartige Systeme nennt<br />

man Echtzeitsysteme.<br />

Modulare Software-Komponenten mit definierten<br />

Interfaces und eine Software-Plattform<br />

(wie z.B. AUTOSAR), welche die einfache<br />

28 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

Portierung von Software-Komponenten auf<br />

unterschiedliche Hardware ermöglicht, sind<br />

zwingend notwendige Voraussetzungen für<br />

die Entwicklung derartiger verteilter Echtzeit-<br />

systeme.<br />

...aber in welcher Konfiguration?<br />

Die Konfiguration eines verteilten Echtzeit-<br />

systems wird in folgende Phasen untergliedert:<br />

• Verteilung von Software-Komponenten<br />

auf Steuergeräte<br />

• Konfiguration der Bus-Systeme, welche<br />

die Kommunikation zwischen Steuergeräten<br />

ermöglichen<br />

• Konfiguration der Software-Plattform<br />

(middleware), inkl. Betriebssysteme<br />

Auf dem Weg zum neuen Echtzeitsystem...<br />

… sind folgende Szenarien denkbar:<br />

• Konfiguration eines neuen Echtzeitsystems<br />

„auf der grünen Wiese“: Hierbei<br />

hat man sehr viele Freiheitsgrade. Allerdings<br />

kommt dieses Szenario in Realität<br />

äußerst selten vor.<br />

• Erweiterung eines bestehenden Echtzeitsystems:<br />

Zusätzliche Komponenten werden<br />

in ein bestehendes Echtzeitsystem<br />

integriert. Für das resultierende System<br />

muss eine Konfiguration gefunden werden,<br />

welche allen Anforderungen gerecht<br />

wird und zusätzlich kompatibel zu der<br />

Konfiguration des ursprünglichen Systems<br />

ist.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass<br />

• Systeme im Automobil meist in mehreren<br />

Baureihen verwendet werden. Dies stellt<br />

zusätzliche Anforderungen an die Kompatibilität<br />

von Komponenten und Konfigurationen.<br />

• Safety Anforderungen, die aus der Hazard<br />

and Risk Analysis abgeleitet werden,<br />

können zusätzliche Anforderungen an die<br />

Entwicklung und Konfiguration von verteilten automotiven Echtzeitsystemen gemäß der AUTOSAR design methodology: Innerhalb mehrerer komplexer Entwicklungsschritte werden Software-<br />

Komponenten auf Steuergeräte verteilt, und sowohl Bus-Systeme als auch die middleware aller Steuergeräte konfiguriert. Als Input hierzu dienen Modelle der Software, Hardware und Constraints.<br />

Quelle: AUTOSAR Konsortium


Konfiguration (z.B. Software-Verteilung)<br />

stellen.<br />

<strong>Das</strong> führt dazu, dass eine manuelle Konfiguration<br />

sehr zeitaufwendig und fehleranfällig ist.<br />

Daher wird meist nur eine sehr geringe Anzahl<br />

an möglichen/potentiellen Konfigurationen erstellt<br />

und evaluiert. Will man jedoch eine robuste<br />

und ausbaufähige Konfiguration finden,<br />

ist die Evaluierung einer Vielzahl potentieller<br />

Konfigurationen nötig. Dies ist nur durch eine<br />

automatisierte Erstellung und Evaluierung von<br />

Konfigurationen möglich.<br />

„Zu Fuß“ oder automatisiert?<br />

Zur Automatisierung der Konfiguration sind folgende<br />

Aspekte notwendig:<br />

• Formalisiertes Model des zu konfigurierenden<br />

Echtzeitsystems. Der AUTOSAR<br />

Standard stellt hier geeignete Beschreibungsformate<br />

bereit.<br />

• Model der zu berücksichtigenden Anforderungen<br />

und Constraints. Auch hier stellt<br />

der AUTOSAR Standard Beschreibungsformate<br />

bereit.<br />

• Methoden, um das zeitliche Verhalten des<br />

Echtzeitsystems (welches einer gewissen<br />

Konfiguration unterliegt) zu analysieren.<br />

In der Literatur zu „real-time systems“<br />

finden sich geeignete „timing analysis“-<br />

Methoden.<br />

Ausgerüstet mit diesen Modellen und Werkzeugen<br />

kann man sich der Entwicklung von<br />

Such-Algorithmen widmen, die eine automatisierte<br />

Erstellung und Evaluierung von Konfigurationen<br />

ermöglichen. Genau hier setzt das<br />

VIRTUAL VEHICLE einen Forschungsschwerpunkt<br />

im Bereich Vehicle Electrics/Electronics<br />

& Software.<br />

Nicht suchen, sondern finden lassen!<br />

Es gibt etliche Such-Algorithmen, die grundsätzlich<br />

verwendet werden können. Beliebte<br />

Kandidaten sind „genetic algorithm“ und „simulated<br />

annealing“. Aufgrund der vielen Anforderungen<br />

und Constraints an die Konfiguration ist<br />

die Performanz dieser Algorithmen allerdings<br />

nicht besonders gut. Im Laufe der automatisieren<br />

Erstellung und Evaluierung von Konfigurationen<br />

wird eine Vielzahl von ungültigen<br />

Konfigurationen generiert. Hauptgrund ist die<br />

Verletzung von Constraints.<br />

Zur effizienten Automatisierung der Konfigurationserstellung<br />

nutzen wir folgenden Ansatz:<br />

Durch eine detaillierte Analyse der Constraints<br />

ist es möglich, eine Vielzahl von ungültigen<br />

Konfigurationen zu identifizieren. Dies kann<br />

man durchführen bevor die automatisierte<br />

Suche beginnt. Schließt man nun diese identifizierten<br />

ungültigen Konfigurationen aus dem<br />

Such-Raum aus, kann sich der Such-Algorithmus<br />

auf die Evaluierung der übrigen – potentiell<br />

gültigen – Konfigurationen konzentrieren.<br />

Dadurch erreicht man eine bedeutend höhere<br />

Abdeckung des Such-Raums, und erhöht somit<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass die bestmögliche<br />

Konfiguration gefunden wird.<br />

Résumé<br />

Die Entwicklung von Methoden zur automatisierten<br />

Konfiguration von verteilten Echtzeitsystemen<br />

stellt eine umfangreiche Forschungsaufgabe<br />

dar. Folgende Teilaspekte davon<br />

haben wir bereits umgesetzt:<br />

• Methodik zur Analyse und Aufbereitung<br />

der Constraints in Form einer Pre-Processing<br />

Phase<br />

• Methodik zur automatisierten Erstellung<br />

von Konfigurationen basierend auf effizienter<br />

design space exploration<br />

• Methodik zur Bandbreiten-optimierten<br />

Konfiguration der Bus-Systeme<br />

Der aktuelle Forschungsfokus liegt auf:<br />

• Methodik zur automatisierten Erstellung<br />

von Konfigurationen durch evolutionäre<br />

Verbesserung und Erweiterung bestehender<br />

Konfigurationen (System-Upgrade)<br />

• Integration von Safety-Anforderungen<br />

(z.B. aus ISO 26262)<br />

Wohin geht die Reise...<br />

Der Einsatz von multi-core CPUs im Automobil<br />

wird in Zukunft notwendig sein, um den<br />

steigenden Anforderungen an Rechenleistung<br />

genügen zu können. Dadurch ergeben sich zusätzliche<br />

Herausforderungen: Software-Komponenten,<br />

welche auf unterschiedlichen cores<br />

ausgeführt werden, beeinflussen sich gegenseitig<br />

(z.B. via shared memory). D.h. eine 100%<br />

Entkopplung der cores ist zurzeit nicht möglich.<br />

Dies ist besonders relevant, wenn sicherheitskritische<br />

Software-Komponenten, welche den<br />

Anforderungen der ISO 26262 genügen müssen,<br />

auf multi-core CPUs ausgeführt werden<br />

sollen.<br />

Effiziente Suche nach optimaler Konfigurationen durch<br />

intelligente Beschränkung des Suchraums:<br />

I: gesamter design space<br />

II: Identifikation und Ausschluss von ungültigen Konfiguration<br />

(a-priori)<br />

III: Exploration des verbleibenden design space<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

...und wer ist dabei?<br />

Um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen<br />

zu meistern, kooperieren wir sowohl mit<br />

lokalen als auch mit international renommierten<br />

wissenschaftlichen Institutionen (siehe Box). ■<br />

Zum Autor<br />

Forschungspartner<br />

TU Graz,<br />

Institut für Technische Informatik<br />

University of York,<br />

Department of Computer Science,<br />

Real-Time Systems Research Group<br />

DI Florian Pölzlbauer<br />

erforscht Methoden zur Optimierung<br />

von sicherheitsrelevanten<br />

Echtzeitsystemen<br />

am VIRTUAL VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

29


Modellbasierte Testfallgenerierung<br />

Die Generierung von Testfällen aus Verhaltensmodellen ist eine geeignete Methode zur Funktionsabsicherung<br />

von vernetzten Steuergeräten. Die am VIRTUAL VEHICLE entwickelten Methoden und Werkzeuge erreichen<br />

eine hohe Skalierbarkeit und können einfach in bestehende Toolketten integriert werden.<br />

Stark steigender Testaufwand<br />

Die umfangreiche Weiterentwicklung von komplexen<br />

Elektrik/Elektronik Systemen in der<br />

Automobilindustrie bringt große Herausforderungen<br />

entlang des gesamten Entwicklungsprozesses<br />

– von der Systemspezifikation bis hin<br />

zur Funktionsabsicherung – mit sich. Der Grund<br />

dafür ist die starke Vernetzung der Funktionen<br />

untereinander und die dadurch entstehenden<br />

Abhängigkeiten.<br />

<strong>Das</strong> korrekte Zusammenspiel der Komponenten<br />

unter Berücksichtigung dieser Abhängigkeiten<br />

muss bei der Funktionsabsicherung durch Integrationstests<br />

verifiziert bzw. nachgewiesen<br />

werden. Dabei steigt der benötigte Testaufwand<br />

exponentiell mit der Anzahl an interagierenden<br />

Funktionen.<br />

Aufgrund der wachsenden Anforderungen die<br />

bei engem Kostenrahmen erfüllt werden müssen,<br />

ist die Steigerung der Effizienz durch weitere<br />

Automatisierung unumgänglich. Dieses<br />

Ziel kann durch den Einsatz von Methoden zur<br />

automatisierten Testfallgenerierung und deren<br />

vollständige Integration in die bestehende Testlandschaft<br />

erreicht werden.<br />

Testfallgenerierung - der Schlüssel<br />

zur weiteren Testautomatisierung<br />

Die manuelle Erstellung von Testfällen ist<br />

aufgrund der benötigten Anzahl und den zu<br />

Abbildung 1: Testfallgenerierungsprozess bei Verwendung von Verhaltensmodellen<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

30 <strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

berücksichtigenden Abhängigkeiten der Funktionen<br />

untereinander aufwendig und dadurch<br />

kostenintensiv. Vor allem bei der Entwicklung<br />

von Integrationstests sind die Auflösung dieser<br />

Abhängigkeiten und das Bestimmen der Eingabeparameter<br />

bzw. der Verifikationsdaten ein<br />

aufwändiges und fehleranfälliges Unterfangen.<br />

Die am VIRTUAL VEHICLE entwickelte Methode<br />

automatisiert diesen Schritt und ermöglicht<br />

die automatische Berechnung dieser Werte auf<br />

Basis von Verhaltensmodellen wie in Abbildung<br />

1 dargestellt. Dabei beschreiben Verhaltensmodelle<br />

das reaktive Verhalten der kommunizierenden<br />

Steuergeräte und können durch den<br />

Einsatz geeigneter Werkzeuge zur Simulation<br />

des Steuergeräteverhaltens verwendet werden.<br />

Zur Erstellung der Verhaltensmodelle werden<br />

Zustandsmaschinen der Unified Modeling Language<br />

(UML) verwendet, die sich in den letzten<br />

Jahren als de facto Industriestandard durchgesetzt<br />

hat. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl<br />

an kommerziellen verfügbaren UML Modellierungswerkzeugen<br />

wie Enterprise Architect oder<br />

Rhapsody wieder, die eine professionelle Modellentwicklung<br />

ermöglichen.<br />

Die Testfallgenerierung kann anhand eines vorgegebenen<br />

Testziels oder zufallsbasiert erfolgen.<br />

<strong>Das</strong> Testziel wird von einem Testingenieur<br />

innerhalb der UML Zustandsmaschinen durch<br />

die Auswahl von Transitionen und Zuständen<br />

definiert, die dann vom generierten Testfall ga-<br />

rantiert durchlaufen bzw. erreicht werden. Die<br />

zufallsbasierte Generierung erfolgt vollautomatisch,<br />

wobei durch die Definition von Wahrscheinlichkeiten<br />

eine Möglichkeit zur Steuerung<br />

bzw. zur Fokussierung auf bestimmte Modellbereiche<br />

besteht.<br />

Herausforderungen in der automatisierten<br />

Testfallerstellung<br />

Der limitierende Faktor bei der Generierung von<br />

Testfällen ist die sogenannte Zustandsraumexplosion.<br />

Dabei ist die vom verwendeten Modell<br />

abhängige exponentiell wachsende Anzahl<br />

an Systemzuständen gemeint, die während<br />

der Testfallgenerierung berücksichtigt werden<br />

müssen. Ein Systemzustand beschreibt den<br />

konkreten Status bzw. die Eigenschaften des<br />

Systems zu einem definierten Zeitpunkt.<br />

Die Anzahl an möglichen Systemzuständen<br />

eines mit Verhaltensmodellen beschriebenen<br />

Systems hängt im Wesentlichen von den folgenden<br />

drei Einflussfaktoren ab:<br />

• Modellgröße<br />

• Verwendung von Daten<br />

• Kommunikation<br />

Zur Bestimmung der Modellgröße wird die Anzahl<br />

der möglichen Kombinationen der in den<br />

verschiedenen Verhaltensmodellen enthaltenen<br />

Zustände herangezogen.<br />

Die Verwendung von Daten in Form von Vari-


Abbildung 4: Systemarchitektur bestehend aus drei kommunizierenden Verhaltensmodellen, die über einen Bus wie z.B. CAN oder MOST verbunden sind.<br />

Quelle: Area Vehicle E/E & SW, ViF<br />

ablen in den Zustandsmaschinen bzw. als Parameter<br />

zum Datenaustausch zwischen den<br />

Modellen intensiviert die Situation erheblich.<br />

Der Grund dafür ist, dass jede mögliche Wertekombination<br />

der vorhandenen Variablen einen<br />

zusätzlichen Systemzustand beschreibt.<br />

Abhängig von der Architektur des Systems,<br />

kann die Kommunikation zwischen den Steuergeräten<br />

bzw. den Verhaltensmodellen einen<br />

erhebliche Komplexitätssteigerung bedeuten.<br />

Dies resultiert aus der asynchronen Kommunikation<br />

wie sie bei Bussystemen wie CAN oder<br />

MOST üblich sind, da jede mögliche Sendereihenfolge<br />

von Busnachrichten mit zusätzlichen<br />

Systemzuständen berücksichtigt werden muss.<br />

Eine Systemarchitektur ist beispielhaft in Abbildung<br />

2 dargestellt.<br />

Erhöhte Skalierbarkeit durch fokussierte<br />

Generierungsalgorithmen<br />

Die Sicherstellung der Anwendbarkeit der<br />

Testfallgenerierungsmethoden im industriellen<br />

Umfeld wurde durch Algorithmen zur Verbesserung<br />

der Skalierbarkeit erreicht. Diese Algorithmen<br />

ermöglichen eine Fokussierung der<br />

Generierung auf den jeweils benötigten Teil des<br />

Zustandsraumes und können so die Anzahl der<br />

Möglichkeiten massiv reduzieren.<br />

Des Weiteren ist es dem Testingenieur möglich,<br />

gezielt Rahmenbedingungen für die Fokussierung<br />

vorzugeben, um die Generierung optimal<br />

auf die verwendeten Modelle abzustimmen.<br />

Diese Techniken werden zusätzlich durch<br />

die symbolische Verarbeitung von Daten unterstützt,<br />

bei der logische Ausdrücke anstatt<br />

konkreter Werte zur Berechnung von Eingabeparametern<br />

verwendet werden. Durch die<br />

Kombination dieser Methoden ist es möglich,<br />

automatisiert Testfälle für komplexe verteilte<br />

Systeme zu generieren.<br />

Integration in bestehende Prozesse<br />

und Werkzeuge<br />

Ein wichtiges Kriterium für die Einführung einer<br />

modellbasierten Testfallgenerierung ist die<br />

nahtlose Integration der Generierungswerkzeuge<br />

in die bestehende Testlandschaft. Die<br />

Durchgängigkeit der Toolkette wird durch die<br />

Einbindung der Schnittstellen der bestehenden<br />

Testautomatisierung in die Verhaltensmodelle<br />

erreicht.<br />

Die Schnittstellen der Testautomatisierung<br />

werden vor der Ausführung mit den generierten<br />

Testfällen verknüpft. Dies geschieht anhand<br />

der durchlaufenen Pfade der Testfälle im Verhaltensmodell,<br />

die eine eindeutige Abbildung<br />

auf die zu verwendenden Schnittstellen ermöglicht.<br />

Schlussfolgerung<br />

Abbildung 3: Zustandsabdeckung Abbildung 2: Transitionsabdeckung<br />

Die Verwendung von modellbasierten Testgenerierungsmethoden<br />

basierend auf Verhaltensmodellen<br />

ermöglicht durch die maschinelle<br />

Berechnung von Eingabeparametern und Verifikationswerten<br />

eine weitere Automatisierung in<br />

der Funktionsabsicherung. Die hier vorgestellte<br />

Methodik erlaubt eine effiziente Modellierung<br />

und ermöglicht die einfache Integration einer<br />

bestehenden Testlandschaft. Die dadurch entstehende<br />

integrierte Toolkette ermöglicht eine<br />

schnelle Erreichung der geforderten Testziele.<br />

Mit den entwickelten Methoden zur Testfallgenerierung<br />

unterstützt das VIRTUAL VEHICLE<br />

die Industrie mit neuen Konzepten und Werkzeugen,<br />

um den steigenden Anforderungen an<br />

die Funktionsabsicherung gerecht zu werden.<br />

■<br />

Zum Autor<br />

DI Christian Schwarzl ist<br />

Senior Researcher und<br />

Projektleiter am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

<strong>magazine</strong> Nr. 11, I-2012<br />

31


IC S<br />

Independent Co-Simulation<br />

Fahrdynamik<br />

Antriebsstrang<br />

Batterie Elektrisches<br />

Bordnetz<br />

Thermisches<br />

Netzwerk<br />

ICOS - die unabhängige Co-Simulationsplattform<br />

ICOS, eine innovative, am VIRTUAL VEHICLE entwickelte<br />

unabhängige Co-Simulationsplattform ermöglicht<br />

die einfache Integration von CAE Modellierungstools<br />

aus verschiedenen Fachdisziplinen auf<br />

Basis modernster Kopplungs-Algorithmen. Dadurch<br />

<strong>magazine</strong><br />

Nr. 11, I-2012<br />

Kompetenzzentrum <strong>Das</strong> virtuelle <strong>Fahrzeug</strong> Forschungsgesellschaft mbH (ViF) ■ A-8010 Graz, Inffeldgasse 21/A<br />

Tel.: +43 (0)316-873-9001 ■ Fax: +43 (0)316-873-9002 ■ E-Mail: office@v2c2.at ■ Internet: www.v2c2.at<br />

NVH<br />

Integrierte<br />

Sicherheit<br />

MULTI-TOOL SYSTEM DESIGN<br />

Domänenübergreifende Co-Simulation<br />

Energieerhaltende Kopplungsalgorithmen<br />

Integrationsplattform zur virtuellen Gesamtfahrzeugauslegung<br />

können die komplexen Interaktionen der einzelnen<br />

Sub-Systeme vorhergesagt und das Gesamtfahrzeug<br />

optimiert werden.<br />

ICOS unterstützt durchgängig den gesamten Entwicklungsprozess<br />

ICOS unterstützt den virtuellen Entwicklungsprozess<br />

durchgängig. Dies ermöglicht die frühzeitige<br />

Analyse von Interaktionen der Sub-Systeme, was<br />

eine vorzeitige Systemverifikation erlaubt. Abhängig<br />

von vorhandenen Daten kann die Gesamtfahrzeugsimulation<br />

mittels der unabhängigen Co-Simulationsplattform<br />

modular aufgesetzt werden.<br />

RELEASE 2.0<br />

•Neue Kopplungsmethodik<br />

•Neues Framework<br />

•Tool-Integration Neue Wrapper<br />

•<br />

Noch einfacheres<br />

Erstellen von<br />

System-Modellen<br />

•Unterstützung von<br />

Lizenzservern<br />

•Anbindung an<br />

Modellbibliothek<br />

Weitere Informationen unter: www.v2c2.at / IC S

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