04.10.2013 Aufrufe

Der Wiener 'Eneasroman' - Commonweb

Der Wiener 'Eneasroman' - Commonweb

Der Wiener 'Eneasroman' - Commonweb

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

A Einleitung<br />

‘Eneasromans’ sollen darüber hinaus der Überlieferungsgeschichte und den möglichen<br />

Gebrauchssituationen Aufmerksamkeit gewidmet werden.<br />

2. Eigene Ansatzpunkte<br />

Es gibt wohl kein Motiv, das enger mit der Frage nach der Beziehung eines Stoffes zu seiner bildlichen<br />

Gestaltung verbunden ist als der ‘Aeneis’-Stoff mit seiner Laokoon-Episode, die gleichsam zum<br />

allgemeinen Symbol für die Vergleichsmöglichkeit zwischen Literatur und bildender Kunst geworden ist.<br />

Es wird bei der Analyse der Illustrationszyklen die Frage nach möglichen Erzählstrukturen der Bilder<br />

methodisch von der Frage nach der speziellen Ikonographie der jeweiligen Szenen unterschieden. Eine<br />

stilistische Analyse spielt für die Untersuchung keine Rolle.<br />

Es wird ferner vorausgesetzt, daß die Planer einer illustrierten Handschrift - sofern sie den Zyklus<br />

selbst schufen und nicht lediglich aus einer Vorlage übertrugen - in ihrer Entscheidung, welche Szenen des<br />

Textes bebildert werden könnten, durch eine wie auch immer geartete Auseinandersetzung mit dem Stoff<br />

oder Text beeinflußt waren und keineswegs nur auf die Einsetzbarkeit möglicher, bereits vorhandener<br />

ikonographischer Muster Rücksicht nahmen.<br />

Prinzipiell wird es auch nicht für sinnvoll gehalten, bei der Frage nach möglichen ikonographischen<br />

Vorlagen der profane Texte begleitenden Illustrationszyklen immer primär an sakrale Bildtypen zu denken.<br />

Sicherlich spielt die christliche Ikonographie insbesondere bei klösterlichem Bereich entstammenden<br />

Miniaturmalern des frühen Mittelalters eine in der Natur der Sache liegende zentrale Rolle. Doch soll<br />

andererseits nicht von vornherein der Blick dafür verstellt werden, daß sich an der Seite profaner Texte auch<br />

weltliche Bildtypen herausbilden konnten, daß sich also - wie es auch bei den volkssprachlichen Texten<br />

gegenüber der lateinischen Literatur der Fall war - eine profane Ikonographie von der christlichen Bildkunst<br />

emanzipieren konnte. Das schließt jedoch keineswegs aus, daß ein Miniator bei der Wahl der Ikonographie,<br />

nachdem das Motiv einmal festgelegt war, nicht auch aus einem breiten Reservoir an Bildvorstellungen<br />

schöpfte, das traditionell noch von sakralen Ikonographien und Bedeutungsassoziationen bestimmt war.<br />

Entsprechend ist auch nicht auszuschließen, daß sich beim Betrachter eines solchen Illustrationszyklus nicht<br />

ebenfalls Assoziationen mit sakralen Bildvorstellungen einstellen konnten. So waren dem Rezipienten bei<br />

der Betrachtung der zahlreichen Tischszenen im ‘Eneasroman’ (Festmahl der Dido, gemeinsames Speisen<br />

der Trojaner, Hochzeitsmahl des Eneas und der Lavinia) sicherlich die aus dem sakralen Kontext vertrauten<br />

Abendmahldarstellungen oder die Hochzeit von Kanaa gegenwärtig. Doch mußte das nicht notwendig zur<br />

Folge haben, daß das mit Anklängen an sakrale Ikonographien dargestellte profane Geschehen auch<br />

heilsgeschichtlich gelesen und interpretiert wurde. Es ist wohl eher mit einem permanenten und sicherlich<br />

auch unbewußten Oszillieren zwischen den profanen und sakralen Verständnishorizonten sowohl auf der<br />

Seite des Produzenten als auch des Rezipienten zu rechnen.<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!