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Die Zukunft der Dinge. Über Unfälle und Sicherheit, in

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Verlag Walter de Gruyter ISSN 1886-2447 DOI 10.1515/behemoth.2011.011<br />

sche<strong>in</strong>liche Ko<strong>in</strong>zidenzen o<strong>der</strong> komplexe Verkettungen von Zufallsereignissen werden so von <strong>der</strong><br />

Psyche mit urtümlichen Affekten wie Angst o<strong>der</strong> Schuldgefühl verarbeitet – gerade weil wir offenbar<br />

affektiv nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, Zufälle als das zu verarbeiten, was sie s<strong>in</strong>d.<br />

Der ästhetische Ort dieses Effekts e<strong>in</strong>er Unheimlichkeit <strong>der</strong> <strong>D<strong>in</strong>ge</strong> <strong>und</strong> ihrer Tücken ist heute <strong>der</strong><br />

Horrorfilm – <strong>und</strong> <strong>der</strong> Slapstick, als dessen gleichsam burleskes Gegenstück. In diesen Genres leben<br />

die Gegenstände <strong>und</strong> verbünden sich zu diabolischen Schlachtfesten o<strong>der</strong> urkomischen Verschwörungen<br />

gegen den Menschen. Durch die Genremarkierung wissen wir immer schon, dass die sche<strong>in</strong>bar<br />

unbelebte Welt <strong>der</strong> Objekte tückisch lauert <strong>und</strong> dass es natürlich ke<strong>in</strong>en Zufall gibt. An<strong>der</strong>s als<br />

im Slapstick, wo <strong>der</strong> Mensch als überfor<strong>der</strong>ter, aber letztlich immer siegreicher Dompteur <strong>der</strong> <strong>D<strong>in</strong>ge</strong><br />

auftritt, wird er im Horrorfilm ihr hilfloses Opfer. Nirgendwo ist so viel vom Schicksal die Rede, das<br />

sich se<strong>in</strong>e Opfer mit unerbittlicher Strenge e<strong>in</strong>es nach dem an<strong>der</strong>en holt, auch <strong>und</strong> gerade wenn sie<br />

für e<strong>in</strong>en kurzen trügerischen Moment ihrem immer schon geplanten Tod entgehen. Normalerweise<br />

s<strong>in</strong>d die Akteure solcher Gemetzel Monstren, Psychopathen, Untote, unerbittliche Rächer o<strong>der</strong><br />

eben dämonisch-belebte Gegenstände wie Autos, Häuser, Fetische etc. Der Film F<strong>in</strong>al Dest<strong>in</strong>ation,<br />

dessen Erfolg es mittlerweile zu drei Sequels gebracht hat, hat den unwahrsche<strong>in</strong>lichen Unfall<br />

selbst zu se<strong>in</strong>em Thema gemacht: eben jene Kaskaden von unglücklichen Zufällen, die alle stets<br />

mit dem Tod enden. Alles beg<strong>in</strong>nt mit dem Flugzeugabsturz e<strong>in</strong>er Highschool-Klasse auf dem Weg<br />

nach Paris. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Schüler träumt, schon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Flugzeugsessel angeschnallt, von dem Unfall,<br />

<strong>und</strong> stürzt panisch, gefolgt von fünf Mitschülern <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong>, noch vor dem Start wie<strong>der</strong> aus<br />

dem Flugzeug. M<strong>in</strong>uten später explodiert das startende Flugzeug mit dem Rest <strong>der</strong> Klasse. In <strong>der</strong><br />

Folge sterben aber alle Geretteten an seltsam komplizierten, aber gänzlich zufälligen Haushalts- <strong>und</strong><br />

Verkehrsunfällen. Der beste Fre<strong>und</strong> des Helden rutscht im Bad aus <strong>und</strong> stranguliert sich dabei an<br />

e<strong>in</strong>er Wäscheschnur, an<strong>der</strong>e werden von Bussen überfahren o<strong>der</strong> von herab fallenden Werbetafeln<br />

erschlagen.<br />

<strong>Die</strong> Lehrer<strong>in</strong> wird Opfer e<strong>in</strong>es beson<strong>der</strong>s kle<strong>in</strong>teilig geschil<strong>der</strong>ten Küchenunfalls – e<strong>in</strong>er Szene,<br />

die die Detailverliebtheit des Slapstick brillant <strong>in</strong>s düstere Genre des Horrors überführt. Sie kocht<br />

sich e<strong>in</strong>en Tee <strong>und</strong> füllt heißes Wasser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tasse, entdeckt dann aber, dass die Tasse e<strong>in</strong> Emblem<br />

ihrer Schule trägt; traumatisiert vom Tod ihrer Schüler gießt sie im Reflex den Tee weg. Danach<br />

will sie lieber e<strong>in</strong>en Wodka <strong>und</strong> füllt Eis <strong>und</strong> kalten Alkohol <strong>in</strong> dieselbe Tasse, die daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

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BEHEMOTH A Journal on Civilisation<br />

2011 Volume 4 Issue No. 2

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