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Die Zukunft der Dinge. Über Unfälle und Sicherheit, in

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Verlag Walter de Gruyter ISSN 1886-2447 DOI 10.1515/behemoth.2011.011<br />

März 2011 zeigte, dass gerade die eng gekoppelte Großtechnologie Kernkraft nicht mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen<br />

Konzept des statistisch quantifizierbaren Ereignisses – etwa dem <strong>in</strong>itialen Erdbeben – alle<strong>in</strong><br />

zu erfassen ist. Dem schweren Beben <strong>und</strong> <strong>der</strong> dadurch hervorgerufenen Unterbrechung <strong>der</strong> Stromversorgung<br />

folgte die Flutwelle, die auch die Notstromaggregate außer Betrieb setzte. <strong>Die</strong> darauf<br />

folgende Erhitzung <strong>der</strong> Brennstäbe <strong>und</strong> ihre behelfsmäßige Kühlung mit Wasser führte <strong>in</strong> den Blöcken<br />

1, 2 <strong>und</strong> 3 dann zu Wasserstoffexplosionen, wobei <strong>in</strong> Block 2 – unerwarteterweise – durch die<br />

Explosion auch <strong>der</strong> Druckbehälter beschädigt wurde. H<strong>in</strong>zu kam, dass <strong>in</strong> Block 4 im Abkl<strong>in</strong>gbecken<br />

für verbrauchte Kernbrennstäbe e<strong>in</strong> Brand ausbrach, durch den e<strong>in</strong>e große Menge Radioaktivität<br />

freigesetzt wurde, weil die Abkl<strong>in</strong>gbecken nicht wie die Reaktorkerne durch schwere Druckbehälter<br />

abgeschirmt waren. Der schwere Unfall war <strong>der</strong> Schulfall e<strong>in</strong>er ‚fatalen Verkettung unglücklicher<br />

Umstände‘: „Das Konzept vom GAU, dem ‚größten anzunehmenden Unfall‘, für den AKW auch hierzulande<br />

ausgelegt se<strong>in</strong> müssen, muss deshalb überarbeitet werden. Nicht die Größe, son<strong>der</strong>n die<br />

Komb<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Ereignisse führt zur Katastrophe. E<strong>in</strong>en Kernreaktor, für den ke<strong>in</strong>e fatale Verkettung<br />

unglücklicher Umstände denkbar ist, gibt es aber nicht“ (Kekulé 2011). An<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> quantifizierbare,<br />

sozial f<strong>in</strong>anzier- <strong>und</strong> darum auch tragbare Crash for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> komplexe Großunfall darum<br />

e<strong>in</strong>e nicht mehr quantifizierende <strong>Sicherheit</strong>slogik. <strong>Die</strong>se fragt nicht mehr danach, wie viele solche<br />

<strong>Unfälle</strong> annehmbar s<strong>in</strong>d, wie wahrsche<strong>in</strong>lich sie s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> was ihre sozialen Kosten wären – son<strong>der</strong>n<br />

nur noch danach, ob e<strong>in</strong>e Technologie akzeptierbar ist o<strong>der</strong> nicht. Atomkraft ist das wohl prägnanteste<br />

Beispiel für e<strong>in</strong>e solche Technologie – <strong>und</strong> für die b<strong>in</strong>äre <strong>Sicherheit</strong>slogik, mit <strong>der</strong> ihr begegnet<br />

wird: Alles o<strong>der</strong> nichts. Gerade die nationalen Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Akzeptanz von Kerntechnologie<br />

führen das <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Deutlichkeit vor: Deutschland, das im Blick auf Autounfälle e<strong>in</strong>e hochgradig<br />

risikofreudige <strong>Sicherheit</strong>spolitik verfolgt, sieht Kerntechnologie als nicht mehr akzeptables<br />

gesellschaftliches Risiko.<br />

Latenzen: The airborne toxic event<br />

Nicht immer zeigt sich jene katastrophische Zukünftigkeit <strong>der</strong> <strong>D<strong>in</strong>ge</strong>, die <strong>der</strong> Gegenstand von<br />

<strong>Sicherheit</strong>swissen <strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>stechnik ist, <strong>in</strong> spektakulären Unfall-Ereignissen, sei es als <strong>in</strong>dividueller<br />

Crash o<strong>der</strong> <strong>in</strong>dustrieller Großunfall. Nicht alle jene ‚futuristischen‘ Eigenschaften <strong>und</strong><br />

Effekte von <strong>D<strong>in</strong>ge</strong>n, von Technologien o<strong>der</strong> Materialien s<strong>in</strong>d überhaupt wahrnehmbare Ereignis-<br />

46<br />

BEHEMOTH A Journal on Civilisation<br />

2011 Volume 4 Issue No. 2

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