05.10.2013 Aufrufe

mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

29<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

40<br />

41<br />

42<br />

82<br />

Gerhard Kaiser<br />

des einnimmt. Je marginaler diese Position ist, desto radikaler scheint er für eine<br />

Politisierung der disziplinären Matrix zu optieren, von der er sich mçglicherweise<br />

eine Verbesserung der eigenen Position erhofft. Umgekehrt gilt: je gefestigter die<br />

Position eines Akteurs bereits ist, desto grçßer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er<br />

auch auf dem Eigensinn der Disziplin, den es vor allzu wohlfeilen, tagespolitisch<br />

motivierten Anmutungen zu schützen gelte, insistiert.<br />

Der Diskursraum der Neueren deutschen Literaturwissenschaft wird zwischen<br />

1933 und 1945 nicht zu einem vereinheitlichten Komplex gleichgeschalteter Redeweisen.<br />

Dies wird allein schon durch die konkurrenzbedingten Zentrifugalkräfte<br />

innerhalb des Feldes verhindert, die sich in den fortgesetzten Konflikten zwischen<br />

einzelnen Akteuren um symbolisches Kapital manifestieren. Nachhaltig strukturiert<br />

werden die kommunikativen Prozesse durch Argumentationsweisen und -figuren,<br />

die sich – ungeachtet zunächst der jeweils mit ihnen einhergehenden theoretischen,<br />

methodologischen oder gegenstandsspezifischen Positionen und Wertungen<br />

– vor allem um vier Scharnierbegriffe anlagern: den des Lebens, den des<br />

Volkes, den der Rasse und den der Dichtung.<br />

Der literaturwissenschaftliche Lebens-Diskurs nach 1933 stellt, wie auch der<br />

Volks-Diskurs, den Griff der geistesgeschichtlich dominierten Disziplin in ein hinlänglich<br />

erprobtes semantisches Repertoire dar, mit dem man gleichsam wie in<br />

einem diskursiven Reflex auf die veränderten politischen Verhältnisse reagiert. Gerade<br />

die Unschärfe und Unbestimmtheit des Scharnierbegriffes gestattet es, dass die<br />

Inszenierung einer ›neuen‹ Lebensbezogenheit sowohl als bloßer Schutzgürtel für<br />

jene fungieren kann, die weiterhin geistesgeschichtlich orientierte Literaturgeschichtsschreibung<br />

betreiben, als auch als legitimer Bezugsdiskurs für jene, die<br />

die Vorstellung einer kulturpolitisch aktivistischen, rassenkundlichen Literaturwissenschaft<br />

propagieren.<br />

Die bloße Beschwçrung einer Literaturwissenschaft als Lebenswissenschaft<br />

markiert indes lediglich den – allerdings immer wieder abgerufenen – disziplinären<br />

Minimalkonsens. Über die konkreteren, im Einzelfall je propagierten und <strong>zur</strong> Anwendung<br />

gelangten Konzepte der Methodik wie der Gegenstandkonstitution sagt<br />

er wenig aus. Im resonanzsemantischen, pragmatischen ›Nutzwert‹ des Lebens-<br />

Diskurses, den er für die legitimatorische Selbstdarstellung der Disziplin wie der<br />

Akteure zweifellos hat, liegt zugleich auch seine Problematik. Für die erhoffte Vereinheitlichung<br />

des methodisch pluralisierten literaturwissenschaftlichen Feldes<br />

taugt er nicht. Allerdings hat der Begriff eine gewichtige Funktion als diskursive<br />

Mançvriermasse, mit dem im Rahmen von feldinternen Positionierungskämpfen<br />

die Lebensbezogenheit, d. h. die Legitimität und die Denkstilkonformität eines<br />

konkurrierenden Akteurs, bzw. seiner Tätigkeit dezidiert in Zweifel gezogen werden<br />

kann.<br />

Wie bei keinem anderen der zwischen 1933 und 1945 virulenten Scharnierbegriffe<br />

handelt es sich beim Rasse-Begriff für die Neuere deutsche Literaturwissenschaft<br />

um einen Grenzbegriff, dessen Resonanzpotential von nicht unerheblicher<br />

Bereitgestellt von | SUB Goettingen<br />

Angemeldet | 134.76.162.17<br />

Heruntergeladen am | 29.11.12 08:04

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!