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mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

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Gerhard Kaiser<br />

in diesem Sinne, in der der Mensch sich finden kann (die er nicht denkt oder erkennt, sondern in<br />

der er lebt), ist das, was wir die Welt des Fürsichseienden nennen mçchten. Es ist die Welt, die<br />

der Mensch nicht mehr als Ganzes sinngebend formt, indem er sie als Sinntotalität auffaßt, sondern<br />

die stumm durchlebt, schweigend ertragen wird. In dieser Weise wird das Wirkliche nicht<br />

mehr durch eine prinzipielle und umfassende Deutung überwunden; der Mensch bleibt der<br />

Wirklichkeit gegenüber sieglos, indem er sie auf keine andere Weise ›bearbeitet‹, als daß er<br />

sie konstatiert, ihr Dasein als Wirklichkeit anerkennt. Und wenn es für diese Haltung keinen<br />

totalen »Weltsinn« gibt, so doch auch keine Sinnlosigkeit. Denn sie ist überhaupt nicht an dem<br />

Gegensatz sinnvoll-sinnlos orientiert. (ebd., 183)<br />

Dichterischen Ausdruck findet eine solche Welt, in denen der Mensch den Dingen<br />

»am nächsten ist« (ebd., 184), am Ursprung der überlieferten, »germanischen« Literaturgeschichte:<br />

»Der Mensch weicht schweigend dem Schlage aus, der ihn treffen<br />

will, und er läßt sich schweigend treffen, wenn es nicht anders geht. Aber er ist<br />

dennoch vielleicht von großer aktiver Spannkraft. In dieser Weise ziehen die Gestalten<br />

der altisländischen Saga an uns vorüber.« (ebd.)<br />

Nichtsdestoweniger ist einer solchen Welt nach Lugowski »das Dichterische im<br />

eigentlichen Sinne fremd« (ebd.), ist doch gerade das Dichterische – und sei es nur<br />

noch in der Formgebung – immer auf Sinnstiftung hin angelegt:<br />

Nirgends erscheint das eingewurzelte Bedürfnis des Menschen, sich eine sinndurchwaltete Welt<br />

zu schaffen, eindrucksvoller als in dem vçllig überpersçnlichen <strong>mythischen</strong> Analogon, das als<br />

dichterischer Form- und Ganzheitscharakter eine Dichtung beherrscht. Alle Sinngebung ist<br />

Trost, ist »Flucht aus dem Alltag«. Auch der düsterste Pessimismus kann solche Flucht bedeuten,<br />

indem er mit der Welt »fertig« wird. Der Mensch der Saga aber wird nie mit ihr fertig. (ebd.,<br />

184 f.)<br />

Eine solche ursprüngliche Haltung, dies räumt Lugowski ein, lässt sich beim gegenwärtigen<br />

Stand der Geschichte nicht ohne weiteres restituieren. Sie findet allerdings,<br />

wie er im Verweis auf Überlegungen seines Erstgutachters Friedrich Neumann<br />

zu Sage und Märchen anführt, eine Form der »Wiederankündigung […]<br />

in gewissen modernen Kriegsbüchern.« (ebd., 204) In seiner Habilitationsschrift<br />

wird dann das Schaffen Kleists das dichterische Exemplum für eine solche Haltung<br />

abgeben, in der sich die Mçglichkeit einer Revitalisierung nach der Aufklärung,<br />

eines »Weges um die Kugel«, symbolisch verdichtet.<br />

Aber bereits in der Dissertation scheint der Krieg – und nicht nur die Literatur<br />

über ihn – selbst jene Mçglichkeiten zu bieten, bei der der durch alle Stadien der<br />

reflektierenden »Zersetzung« gegangene Mensch der Moderne sich solch einem<br />

Zustand der wiedergewonnenen Einfachheit noch am authentischsten wiederannähern<br />

kann: »Einer solchen Einstellung nähern sich wohl Menschen – Soldaten<br />

im besonderen – in kriegerischen Zeiten. […] Jeder Mensch besitzt etwas davon,<br />

jeder erlebt einmal, sei es auch nur für Augenblicke, Situationen, vor denen er in<br />

seinem Sinngehäuse erstarrt.« (ebd., 184)<br />

Aus diesen Situationen, in denen sich eine »Sphäre des Fürsichseinenden« wiederherstellt,<br />

ist »die Idee der Totalität […] verbannt.« In einer solchen Sphäre<br />

Bereitgestellt von | SUB Goettingen<br />

Angemeldet | 134.76.162.17<br />

Heruntergeladen am | 29.11.12 08:04

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