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mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

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Der »Weg um die Kugel« 89<br />

durch den hohen interpretatorischen Aufwand – die »unmittelbare Begegnung mit<br />

dem Werk« also – nur un<strong>zur</strong>eichend verdeckt werden kann (und wohl auch soll),<br />

nahtlos ein in das teleologische Grundnarrativ einer volksbezogenen Wesens- und<br />

Wertewissenschaft. 33 Das Ergebnis dieser – um hier einmal Lugowskis eigene Terminologie<br />

in ihrer Tragfähigkeit zu dokumentieren – »Motivation von hinten«<br />

(1932, 66) 34 , die seiner wissenschaftlichen Erzählung Struktur gibt, präsentiert<br />

sich in ihren Grundzügen wie folgt: In der isländischen Saga und dem germanischen<br />

Heldenlied dokumentiert sich Lugowski zufolge eine »vordualistische Einheitsvorstellung<br />

der <strong>Wirklichkeit«</strong> (1936, 107): »Der Mensch, der sich so wie in<br />

der Saga auffaßt, ist dem Wirklichen um sich herum nahe« (ebd., 105) und der<br />

Sinn des Lebens des germanischen Menschen erfüllt sich »darin, sich selber als Persçnlichkeiten<br />

oder als persçnlich gebundene Gemeinschaften innerhalb der Wirklichkeit<br />

durchzusetzen. […] Ein wichtiger Grundzug dieser Einstellung ist das<br />

Kämpferische als hçchste Steigerung von Tätigsein überhaupt.« (ebd., 105 f.; Hervorh.<br />

hier und, wenn nicht anders angegeben, im Folgenden i. Orig.) Diese germanische<br />

Daseinsunmittelbarkeit erodiert im Laufe der Geschichte und muss anderen<br />

Typen von Wirklichkeitsauffassung weichen. Dieser diachrone Verfallsprozess wird<br />

nun von Lugowski auch ins Räumliche transponiert, findet er doch ihm zufolge<br />

gerade in der romanischen, in Sonderheit aber der franzçsischen Dichtung beredten<br />

Ausdruck. Lugowski verdeutlicht die Entzweiung der ursprünglichen Einheit<br />

von Mensch und Wirklichkeit zunächst am franzçsisch geprägten, heroisch-galanten<br />

Roman des 17. Jahrhunderts, als dessen »Endzustand« er einen Menschen sieht,<br />

»der vom Glück träumt und für den das wahre Glück im paradiesischen Genießen<br />

besteht.« (ebd., 26) Dieser Mensch, so Lugowski, nimmt die Welt nicht so hin, wie<br />

sie ist, er ist nicht mehr in ihr, sondern er träumt davon, »wie sie sein sollte, und zwar,<br />

wie sie jeweils für ihn sein sollte.« (ebd.) Dieser Entzweiungsprozess wendet sich im<br />

franzçsischen »Anti-Märchenroman« ins Negative, bzw. Pessimistische, herrscht<br />

hier doch eine »erzählerische Formung der Welt« vor, »wie sie nicht sein sollte,<br />

aber wie sie nun einmal doch ist, also wie sie leider ist.« (ebd., 26 f.)<br />

Dieser dystopische Entfremdungseffekt kulminiert schließlich in der »dØsillusion«<br />

des franzçsischen Realismus des 19. Jahrhunderts bei Stendhal, Balzac und<br />

Flaubert. Hier dominiert »der Beobachter, der selbst nicht an dem Leben teilhat,<br />

sondern aus innerer Ferne den Bestand aufnimmt.« (ebd., 68) Die Kategorien<br />

des gesellschaftlich erzeugten »Opfers« sowie diejenige einer gleichsam mechanisch<br />

2) beschäftigen. Es werden also in gewisser Weise – das ist die Besonderheit von Lugowskis Erzählarrangement<br />

– zuerst die Antagonisten seiner Erzählung ins Spiel gebracht.<br />

33 Vgl. zum Folgenden Jesinghausen 1996, 205 f.<br />

34 Mit der »Motivation-von-hinten« bezeichnet Lugowski den Umstand, dass bisweilen das Handeln<br />

von Figuren in Erzählungen nicht psychologisch-»realistisch« motiviert ist, sondern vom Ergebnis<br />

her, d. h. so, wie der Ausgang der Geschichte es verlangt. Insofern kçnnte man sagen, dass auch sein<br />

Erzählen selbst in dieser Studie »von hinten«, nämlich von ihrem personalen Kulminationspunkt in<br />

Kleist aus, motiviert ist.<br />

Bereitgestellt von | SUB Goettingen<br />

Angemeldet | 134.76.162.17<br />

Heruntergeladen am | 29.11.12 08:04

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