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mythischen Analogon« zur »deutschen Wirklichkeit«

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Der »Weg um die Kugel« 99<br />

kçnne es allerdings, so insistiert Lugowski, »Ganzheiten« geben, »aber diesen eignet<br />

keine Notwendigkeit, keine kosmologsiche Würde. Sie sind – von der Idee einer<br />

Totalität aus – willkürlich, und deshalb sind auch ihre Teile im Grunde ›für<br />

sich‹, einzeln.« (ebd.)<br />

Allerdings ist es dem Menschen seit der Post-Saga-¾ra, dem modernen, sentimentalischen<br />

Individuum zumal, nicht mehr mçglich, in einer solchen Sphäre einfach<br />

zu sein. Schon Kleist ist ja Lugowski zufolge kein Saga-Mensch und kein Germane<br />

mehr, er kommt ihnen, in der sich in seinen Schriften manifestierenden<br />

»Überwindung des Objektiven durch das Unmittelbare« 45 , lediglich nahe. Für<br />

die eigene Renaivisierung bzw. Regermanisierung, für den Schritt <strong>zur</strong>ück an den<br />

Anfang des Weges um die Kugel, kann sich der hochreflektierte Einzelmensch<br />

der Moderne lediglich entscheiden. Diese Entscheidung bleibt, wie Lugowski ja einräumt,<br />

ebenso »willkürlich« wie ihr Ergebnis transitorisch bleiben muss.<br />

Die Dissertation mündet damit in einer existentialistischen Erweiterung des<br />

Fokus’, die das semantische Einfädeln in den orthodoxen mainstream als Mçglichkeit<br />

schon aufzeigt. Dergestalt aber überschreitet die Arbeit ihren Gegenstandsbereich<br />

bei weitem und – gemessen an der forcierten Betonung dichtungswissenschaftlicher<br />

Selbstbeschränkung – in unzulässiger Weise. Die Entscheidung für<br />

jene Schwerpunktverlagerung hin <strong>zur</strong> <strong>»deutschen</strong> <strong>Wirklichkeit«</strong> bedeutet zugleich<br />

Lugowskis Wiederverschwinden in der Gemeinsamkeit des orthodoxen mainstream.<br />

Diese Entscheidung kennzeichnet dann Lugowskis Habilitationsschrift<br />

wie auch seine übrigen, nach 1933 entstandenen Arbeiten. Sie ist jedoch – wie gezeigt<br />

werden konnte – in seiner Erstlingsschrift zumindest schon angelegt. 46<br />

Lugowski hat jedoch, anders als einige seiner Kollegen, den Radius seines Dezisionismus’,<br />

d. h. seine Entscheidung, den »Weg um die Kugel« <strong>zur</strong>ückzulegen,<br />

nicht auf den Schreibtisch und die Hochschule beschränkt. Im Sommer 1942,<br />

als frischgebackener ordentlicher Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte<br />

und als Nachfolger Gerhard Frickes an der Universität Kiel, meldet er sich freiwillig<br />

zum Kriegsdienst. Nach schwerer Verwundung stirbt er als Leutnant in<br />

einem Infanterieregiment an der Ostfront.<br />

In seiner Habilitationsschrift geht Lugowski u. a. der Frage nach, »welche Einstellung<br />

die Menschen der Saga und des Heldenliedes« der »Flucht aus der <strong>Wirklichkeit«</strong>,<br />

die den wesentlichen Impetus des Märchen- und Anti-Romans ausmache,<br />

45 So der Obertitel des Kleist-Kapitels in Lugowskis Habilitationsschrift 1936.<br />

46 Auch die Figur Kleists ist bereits in der Dissertation – wenn auch gewiss eher beiläufig – präsent. Vgl.<br />

etwa 44 (und 192), wo die »Novellen der Kleistischen Art« als Gegentypus <strong>zur</strong> Ausprägung des<br />

<strong>mythischen</strong> Analogons im Dekameron (das sich u.a. durch Spannungsvernichtung und Wiederholung<br />

auszeichnet) erscheinen: »Man versuche demgegenüber nur einen Augenblick die absurde<br />

Vorstellung, es gäbe hundert Novellen der Kleistischen Art, und man wird entsetzt abwehren. Die<br />

Novelle Boccaccios gibt keineswegs das schlechthin Einmalige, Unwiederbringliche, wie es etwa die<br />

Kleists tut, von der es nur eine beschränkte Anzahl geben kann.« (1932, 44).<br />

Bereitgestellt von | SUB Goettingen<br />

Angemeldet | 134.76.162.17<br />

Heruntergeladen am | 29.11.12 08:04

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