Magazin 198511
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an der Erhaltung und Festigung des Friedens<br />
hervor und stellt dort fest: ,Die Militärstärke<br />
allein kann keine friedliche Zukunft<br />
garantieren. Deshalb bleiben Dialog, Zusammenarbeit<br />
sowie RüstungskontrOlle<br />
und Abrüstung auf der Grundlage gesicherter<br />
Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit<br />
Bestandteil der Sicherheitspolitik<br />
im Bündnis. Die Bundesregierung<br />
nützt jede ernsthafte Möglichkeit, um<br />
Sicherheit für alle mit immer weniger Waffen<br />
zu schaffen, um der Hoffnung der Menschen<br />
auf eine von weniger Spannungen<br />
geprägte und weniger gerüstete Welt Geltung<br />
zu verleihen.'<br />
Genf gibt dafür die entscheidende Richtung<br />
an. Die am 12. März 1985 aufgenommenen<br />
amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen<br />
bestätigen das von der Bundesregierung<br />
nachdrücklich vertretene<br />
Harmel-Konzept von 1967 des westlichen<br />
Bündnisses, das für einen konstruktiven<br />
Dialog und umfassende Zusammenarbeit<br />
auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit<br />
eintritt.<br />
Zivilschutz und die Kritik<br />
seiner Wirksamkeit und<br />
Sinnhaftigkeit<br />
Gegen den Zivilschutz wird oft vorgetragen:<br />
Der nächste Krieg wird , wenn er<br />
kommt, ein totaler Krieg sein. Die Vernichtung<br />
allen Lebens und die Zerstörung des<br />
natürlichen Lebensraumes ist dann unvermeidlich.<br />
Einer solchen Auffassung, es gebe nur die<br />
Alternative zwischen dem Friedenszustand,<br />
wie wir ihn heute haben, und der<br />
totalen atomaren Vernichtung unseres<br />
Landes kann aber nicht gefolgt werden:<br />
Alle Sachkenner stimmen darin überein,<br />
daß unter den theoretisch denkbaren<br />
Kriegsbildern der ,Große Atomkrieg' das<br />
eher Unwahrscheinlichste ist. Das bedeutet,<br />
daß, wenn überhaupt, Kriegsabläufe<br />
wahrscheinlicher wären, bei denen Zivilschutzmaßnahmen<br />
sehr wohllebenserhaltend<br />
sein können . Zivilschutz vermittle lediglich<br />
ein falsches Sicherheitsgefühl, wird<br />
von anderer Seite behauptet. Auch diese<br />
Ansicht ist falsch. Weder wird behauptet,<br />
daß es einen Schutz im Volltrefferbereich<br />
geben könne, noch werden Illusionen genährt,<br />
daß Zivilschutzmaßnahmen einschließlich<br />
des Schutzraumbaues in einem<br />
flächendeckenden atomaren Schlagabtausch<br />
der Bevölkerung Überlebensschutz<br />
bieten können.<br />
Es ist daher eine polemische Unterstellung,<br />
Zivilschutz sei in diesem Sinne psychologische<br />
Vorbereitung in Richtung auf<br />
einen ,tührbaren' Krieg mit flächenoeckendem<br />
Atomwaffen-Einsatz. In keiner Verlautbarung<br />
der Bundesregierung wird man<br />
für einen solchen Fall Beschwichtigungen<br />
32 ZS-MAGAZIN 11-12/85<br />
finden, wie sie in dem schon angeführten<br />
Schulbuch der DDR der 9. Klasse auf Seite<br />
11 zu lesen sind. ,Wenn wir schon mit<br />
dem Wahnwitz reaktionärer Kräfte rechnen<br />
müssen, sollten wir aber auch folgenden<br />
Fakt wissen: Auf einer Fläche von mindestens<br />
80 % der Gesamtfläche eines Kernwaffenwirkungsherdes<br />
ist mit realem Aufwand<br />
und bei richtigem Verhalten ein<br />
Schutz vor den Sofortwirkungsfaktoren einer<br />
Kernwaffendetonation möglich'.<br />
Ich meine, derartiges Kalkül ist in der Tat in<br />
der Nähe der Überlegungen eines führbaren<br />
und gewinnbaren Atomkrieges anzusiedeln.<br />
Zivilschutz:<br />
sinnvoll und notwendig<br />
Zusammenfassend kann man sagen: Die<br />
Bundesregierung wirbt für die Einsicht der<br />
Bevölkerung, daß Zivilschutz und auch<br />
Schutzraumbau in der gegebenen weItpolitischen<br />
Situation sinnvoll und notwendig<br />
ist. Wenn auch der totale Atomkrieg unwahrscheinlich<br />
ist, so gilt es doch, Vorsorge<br />
zu treffen gegen einen konventionellen<br />
Angriff und auch gegen den vereinzelten<br />
Einsatz von Atomwaffen und chemischen<br />
Waffen. Unbestreitbar können in einem<br />
solchen Fall Zivilschutzmaßnahmen - z. B.<br />
durch Schutzräume - Überlebenschancen<br />
bieten. Daher lehnt die Bundesregierung<br />
zu Recht die Alternative, die Bevölkerung<br />
auch für einen solchen Fall gänzlich<br />
schutzlos zu stellen, als inhuman ab.<br />
Nun wird gegen den Zivilschutz auch eingewandt,<br />
er setze in der heutigen gesamtpOlitischen<br />
Situation ein falsches Zeichen<br />
nach außen und könne von einem potentiellen<br />
Gegner als Angriffsvorbereitung<br />
mißverstanden werden. Schutzraumbau in<br />
dem bescheidenen Umfang wie er im ZSG<br />
Entwurf vorgesehen wird, indem allmählich<br />
über Jahrzehnte eine Verbesserung im<br />
Vergleich zu heute eintreten soll, ist wohl<br />
die passivste und eindeutigste Defensivmaßnahme,<br />
die es überhaupt gibt. Solche<br />
Maßnahmen bedrohen niemanden und<br />
noch nie haben diese Maßnahmen zum<br />
Schutze der Bevölkerung eine kriegerische<br />
Auseinandersetzung ausgelöst.<br />
Nichts spricht im übrigen dafür, ein möglicher<br />
Aggressor würde sich mehr Zurückhaltung<br />
auferlegen, wenn er auf eine ungeschützte<br />
Zivilbevölkerung stößt. Die Erfahrung<br />
lehrt das Gegenteil, auch in jüngster<br />
Vergangenheit. Eine schutzlose Bevölkerung<br />
ist stets schonungslos in Mitleidenschaft<br />
gezogen worden.<br />
Zivilschutzplanung für die<br />
90er Jahre<br />
Die Planungen im Zivilschutz der letzten<br />
drei Jahrzehnte waren maßgeblich geprägt<br />
von den Vorstellungen und Erlebnissen<br />
des 2. Weltkrieges. In dieser Zeit hat es<br />
nicht nur eine stürmische technische Entwicklung<br />
auf allen Gebieten gegeben.<br />
Auch unsere Bevölkerung ist in ihren Vorstellungen<br />
und Anschauungen eine andere<br />
geworden. Die Generation, die den Krieg<br />
mit Bombennächten, Hunger und Vertreibung<br />
selbst erlebt hat, ist in der Minderheit.<br />
Die kommenden Generationen sind geprägt<br />
von einer 40jährigen Friedenszeit<br />
und der demokratischen Entwicklung, die<br />
unser Staatswesen in dieser Zeit genommen<br />
hat. Diesen Veränderungen müssen<br />
und wollen wir Rechnung tragen, um die<br />
Akzeptanz des Zivilschutzes bei unseren<br />
Mitbürgern auch in Zukunft sicherzustellen.<br />
Im Bundesministerium des Innern wurde<br />
daher jüngst ein Programm unter dem Motto<br />
,Zivilschutz 2000' in Angriff genommen,<br />
in dem die Gedanken über die zukünftige<br />
Entwicklung des Zivilschutzes niedergelegt<br />
sind.<br />
Ziel ist es, den Zivilschulz an zukünftige,<br />
vorhersehbare Entwicklungen anzupassen,<br />
Als Beispiel der angestrebten Neuerung<br />
möchte ich zunächst den Warndienst<br />
im Zivilschutz nennen. Das neue Konzept<br />
des Warndienstes sieht nicht mehr die ausschließliche<br />
Warnung der Bevölkerung<br />
durch Sirenen vor. Entsprechend den technischen<br />
Entwicklungen unserer Zeit soll<br />
die Bevölkerung bei konkreter Gefahr<br />
durch detaillierte Rundfunkdurchsagen<br />
über die Gefahrenlage informiert werden.<br />
Als weiteres Vorhaben aus dem Programm<br />
,Zivilschutz 2000' neben den im ZSG-Entwurf<br />
angestrebten Neuerungen (z. B. Wiedereinführung<br />
der SChutzraumbaupflicht,<br />
Zivilschutzdienstpflicht etc.) möchte ich<br />
hier noch erwähnen, daß angestrebt wird,<br />
unser Gesundheitssystem zu befähigen,<br />
auch bei einem Massenanfall von Verletzten<br />
- z. B. im Falle einer Naturkatastrophe<br />
oder bei Chemieunfällen - ausreichende<br />
medizinische Hilfe zu gewährleisten. Bisher<br />
ist unser Gesundheitssystem fast ausschließlich<br />
auf die Individualversorgung<br />
ausgerichtet. Die stärkere Förderung einer<br />
katastrophenmedizinischen Ausbildung<br />
und Ausstattung entspricht auch der Forderung<br />
der Mediziner selbst, wie der Präsident<br />
der Bundesärztekammer Dr. Vilmar<br />
auf dem 3. Kongreß der dt. Gesellschaft für<br />
Katastrophenmedizin im Vormonat erst<br />
ausdrücklich festgestellt hat.<br />
Neben dem Gesetzesvorhaben zum ZSG<br />
bleiben also noch genug Aufgaben, die es<br />
umzusetzen gilt.<br />
Wir hoffen, damit auf vielen Gebieten des<br />
Zivilschutzes Konzeptionen zu erarbeiten,<br />
die die Mehrzahl unserer Mitbürger von der<br />
Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit unserer<br />
Arbeit auf diesem Sektor überzeugen.<br />
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit."