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02. - 11.06.05<br />
Internationaler<br />
Etappenlauf auf den<br />
französischen Antillen<br />
Dr. Sigrid Lomsky<br />
Im Azurblau .der Karibik liegt das zu<br />
Frankreich gehörende Inselarchipel von<br />
Guadeloupe, 1493 von Christoph Columbus<br />
entdeckt. Tropische Fauna und<br />
Flora, weiße, traumhafte Strände mit<br />
Palmen und vor allem die temperamentvollen<br />
Menschen mit der karibischen<br />
Leichtigkeit des Seins verzaubern jeden<br />
Urlauber. Der einwöchige Etappenlauf<br />
"Guadarun" wird von Einheimischen un<br />
ter Leitung von Lucien Dactil organisiert.<br />
Es war die sechste Auflage. Fünf Inseln,<br />
fünf Etappen. Jeder <strong>Teil</strong>nehmer erhält<br />
ein Roadbook mit ausführlicher Beschreibung<br />
des gesamten Ablaufes sowie<br />
der einzelnen Etappen, einschließlich<br />
Kartenmaterial. Tägliche Transfers<br />
per Boot, gute Streckenmarkierung und<br />
Verpflegungsstände, ausgezeichnete<br />
karibische Küche, Übernachtung in<br />
Zweimannzelten. Beste medizinische<br />
Betreuung mit Krankengymnasten und<br />
Fußpflegern unter der Leitung einer<br />
Sportärztin. Diese warnte vor Dehydrierung<br />
infolge der feuchtwarmen Temperaturen<br />
um die 30 Grad und der starken<br />
Sonneneinstrahlung bei nur selten zu<br />
erwartenden Abkühlungen durch tropi<br />
Die gesamte Truppe bei guter Stimmung<br />
Karibik einmal anders<br />
sche kurze Regengüsse. Um den etwaigen<br />
Wasserverlust des Körpers zeitig zu<br />
bemerken, wurden wir täglich vor dem<br />
Start gewogen. Aber dieses Jahr war alles<br />
anders als zuvor. '<br />
Das Abenteuer begann mit einer Bootsfahrt<br />
bei strahlender Sonne nach Terre<br />
de Haut, wo wir zum Fort Napoleon<br />
wanderten, begleitet vom Gezwitscher<br />
tropischer Vögel und Zikadenklängen.<br />
Große Leguane und üppige Blumenpracht<br />
waren zu bewundern. Den Nachmittag<br />
verbrachten wir beim Baden und<br />
Träumen unter Palmen am Strand.<br />
Änschließend Bootstranfer nach Les<br />
Saintes Terre de Bas. Wegen der Folgen<br />
eines Erdbebens an den Vortagen<br />
konnte das Zeltlager nicht in einer idyllischen<br />
Sandbucht aufgebaut werden, so<br />
wurde auf ein Schulgelände ausgewichen.<br />
Es regnete die ganze Nacht.<br />
Am nächsten Morgen starteten 27 Läufer,<br />
darunter drei Frauen, zur ersten<br />
Etappe, einer 17 km langen Schleife,<br />
die zunächst am Strand,dann durch ein<br />
felsiges Hügelgelände führte. Bergziegen<br />
in allen Größen kreuzten unseren<br />
Weg. Zur Übernachtung ging es per<br />
Schiff nach Basse· Terre. Tropischer<br />
Platzregen die ganze Nacht. In den Zeiten<br />
stand das Wasser. Alles war nass.<br />
Beim Start zur zweiten Etappe über 17<br />
km schüttete es aus Eimern. Trailschuhe,<br />
Handschuhe, lange Tights waren<br />
Pflicht. Ich rangelte mich im steilen tropischen<br />
Regenwald an Pflanzen hoch.<br />
Der Regen prasselte auf das Blätterdach.<br />
Die Abwärtspassagen über glit<br />
schige Wurzeln rutschte ich auf dem<br />
Hosenboden ab. Ich lief mit erhöhter<br />
Wachsamkeit. Jeder Schritt erforderte<br />
volle Konzentration. Die hohen Lufttemperaturen<br />
verhinderten jegliches<br />
Frieren. Ich war nass wie ein Fisch, gab<br />
mein Ego auf und fühlte mich eins mit<br />
der Natur. Am Nachmittag Bootstransfer<br />
nach Marie-Galante. Der Veranstalter<br />
sammelte Schlafsäcke und Handtücher<br />
zum Trocknen ein und spendierte ein<br />
Hotel. Ein Tag Pause zum Trocknen und<br />
Regenerieren war uns vergönnt.<br />
Bei der dritten Etappe (27 km) durch<br />
Mangrovenwälder und am Strand der<br />
Insel Marie Galante liefen wir bei Sonnenschein.<br />
Mittagessen am Palmenstrand.<br />
Nachmittags Bootstransfer nach<br />
Grande Terre, das in dicken dunklen<br />
Wolken verhüllt war. Wegen des starken<br />
.Regens entschied sich die Renndirektion<br />
gegen einen Aufbau der Zelte .Wir<br />
übernachteten auf dem Küchenboden<br />
einer Schulkantine.<br />
Die vierte Etappe (30 km), davon 50 %<br />
spitzes Granitgestein einer Steilküste<br />
mit kratzigem Buschwerk, bescherte uns<br />
unvergessliche Meeresblicke bei Sonnenschein.<br />
Der Granit strahlte die Hitze<br />
zurück, und dampfende Wärme war an<br />
den Beinen zu spüren. Im Ziel nahm ich<br />
gleich ein erfrischendes Bad im Meer.<br />
Zum Übernachten fuhren wir zur Insel<br />
"La Desirade", wo das Zeltlager schon<br />
am Strand aufgebaut war. Eine Band<br />
erwartete uns mit karibischer Musik, die<br />
zum ausgelassenen Tanzen animierte.<br />
In der Nacht stürmte es, die Heringe lösten<br />
sich aus dem Sandboden, erneuter<br />
Schlagregen drang in die Zelte.<br />
Die fünfte Etappe über 30 km, technisch<br />
sehr einfach über gute hügelige<br />
Wege, war ein Genuss. Sie führte entlang<br />
der Küste bis zu einem Leuchtturm,<br />
dann durch die Inselmitte über die Berge<br />
zum Strand zurück. Die karibischen<br />
Dorfbewohner klatschten Beifall. Josef<br />
Kaufmann aus Bottrop, der älteste <strong>Teil</strong>nehmer,<br />
meinte im Ziel: "Schade, dass<br />
es schon vorbei ist. Ich wäre gern noch<br />
zwei Etappen mehr gelaufen."<br />
Sieger wurden Christoph le Saux und<br />
Claire Garbagnatti (beide Frankreich).<br />
Krönender Abschluss: Preisverleihung<br />
und Verwöhnungstag im Spitzenhotel.<br />
Der "Guadarun" 2006 findet vom 01. bis<br />
10.06. statt.<br />
Kontaktadresse:<br />
www.guadarun.com. oder<br />
guadarun@wanadoo.fr.<br />
Kosten: 1.200 € alles inclusive ab Guadeloupe<br />
<br />
35
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09.07.05<br />
20. Internationaler Härdlerlauf<br />
über 44,3 km<br />
in Schmallenberg<br />
Wolfgang Brunnmeier<br />
Zum dritten Mal versuchten Marita, Pierre<br />
und ich am "Härdlerlauf" über 44,5<br />
Kilometer bei uns im Sauerland teilzunehmen.<br />
Im Jahr 2003 goss es bei der<br />
Anreise nach Schmallenberg in Strömen.<br />
Bis 30 Minuten vor dem Start warteten<br />
wir auf Wetterbesserung. Da wir<br />
im Vorfeld unsere Startunterlagen nicht<br />
abgeholt hatten, machten wir uns wieder<br />
auf die Heimreise. Im Jahr 2004 hatten<br />
wir das gleiche Wetter wie im Jahr davor.<br />
Nur diesmal verzichteten wir auf eine<br />
Anreise und blieben direkt zu Hause.<br />
Später erfuhren wir von Kerstin Fuhrmann,<br />
die trotz des miserablen Wetters<br />
nach Schmallenberg gefahren ist, dass<br />
der 44,5 km lange Lauf nicht stattgefunden<br />
hatte. Es gab Probleme mit der Genehmigung,<br />
bestimmte Streckenabschnitte<br />
zu belaufen. Da hatten wir wieder<br />
einmal Näschen gehabt. In diesem<br />
Jahr, aller guten Dinge sind drei, war<br />
eitel Sonnenschein, und wir konnten unsere<br />
Startunterlagen abholen.<br />
Zwanzigster Härdlerlauf, irgendwie auch<br />
ein Jubiläumslauf. Ob sich der Veranstalter<br />
etwas Besonderes hat einfallen<br />
lassen? Falsch gedacht! Das Kuchenbuffet<br />
war genauso groß wie immer und<br />
36<br />
die Pokale sahen auch nicht anders aus.<br />
Vielleicht gab es diesmal für alle <strong>Teil</strong>nehmer<br />
eine Urkunde.<br />
Am späten Nachmittag, um 15.30 Uhr,<br />
krachte für 67 <strong>Teil</strong>nehmer, davon 9<br />
Frauen, der Startschuss. Großartig trödeln<br />
und die Landschaft genießen war<br />
mit einer maximalen Laufzeit von 5<br />
Stunden und 30 Minuten untersagt. Dabei<br />
mussten knapp 700 Höhenmeter im<br />
Auf und Ab bewältigt werden. Eine ganz<br />
schön enge Angelegenheit. Mein Sohn<br />
Pierre wollte mal wieder einen Larifari<br />
Lauf machen und mit Kerstin laufen. Ich<br />
wollte mal antesten, wie es bei mir mit<br />
meiner Regeneration aussah, nachdem<br />
ich vor 7 Tagen noch den. Zermatt<br />
Marathon gelaufen war. Direkt nach<br />
dem Start an der Stadthalle ging es die<br />
ersten knapp 5 Kilometer in den Nachbarort<br />
Fleckenberg ständig leicht bergab.<br />
Am Knoten "Sägewerk" war die erste<br />
und vorletzte Verpflegungsstelle errichtet<br />
worden. Hier ging es in den Wald,<br />
den ich auch hier erst wieder verlassen<br />
sollte. Auf einem breiten Forstweg ging<br />
es nun ständig bergan. Die kleinen kurzen<br />
Abwärtspassagen hinauf zum<br />
Rothaar-steig konnte ich dabei an einer<br />
Hand abzählen. Doch zeitweise musste<br />
ich Slalom laufen, denn Waldarbeiter<br />
hatten mit ihren Forstfahrzeugen etliche<br />
matschige Abschnitte verursacht. Bei Ki<br />
Zieleinlauf für Pierre (links) und seine Laufbegleiterin<br />
lometer 10 wurde es plötzlich interessant,<br />
denn ich musste den Forstweg<br />
verlassen und einen steilen, mit Wurzeln<br />
durchzogenen Waldpfad (Indianerpfad),<br />
den Hang hinauf laufen. Wenig später,<br />
bei Kilometer 12 an der Millionenbank<br />
bog ich auf den Rothaarsteig ein. Auf<br />
diesem Wanderweg musste ich bis zum<br />
Rhein-Weser-Turm; bei Kilometer 22,<br />
laufen. An der Verpflegungsstelle "Margaretenstein",<br />
bei Kilometer 20, hatte ich<br />
den höchsten Punkt auf 685 Meter erreicht.<br />
Laut Höhendiagramm sollte es ab<br />
hier nur noch abwärts gehen. Das war<br />
wohl nichts! Hinter längeren Abstiegen<br />
folgten immer wieder zum <strong>Teil</strong> ziemlich<br />
steile Anstiege, die einige <strong>Teil</strong>nehmer zu<br />
Gehpausen zwangen. Kurz etwas zur<br />
Landschaft gesagt: Wer den Wald liebt<br />
und gerne in diesem läuft und dabei auf<br />
Abwechslung verzichten kann, ist hier<br />
genau richtig. Ab Kilometer 31 lief ich<br />
eigentlich viel und lange alleine. Hatte<br />
ich mal wieder einen Versorgungsstand<br />
erreicht, war für einige Minuten Schluss<br />
mit der Monotonie und der Langeweile,<br />
denn hier konnte ich mich, wenn auch<br />
nur kurz, ein wenig mit den Helfern unterhalten.<br />
Bei Kilometer 36 am Sägewerk<br />
verließ ich endlich den Wald und<br />
lief entlang der Lenne wieder nach Fleckenberg.<br />
Von hier waren es nur noch<br />
4Y:> Kilometer bis ins Ziel an der Stadthalle<br />
von Schmallenberg. Mittlerweile<br />
hatte ich auch keine Lust mehr. Lag das<br />
am Zermatt-Marathon der letzten Woche<br />
oder aber an der Tristesse dieses Waldlaufes?<br />
Bin ich vielleicht schon von anderen,<br />
schöneren Landschaftsläufen<br />
verwöhnt? Auf jeden Fall war ich froh,<br />
als ich nach 4:11 :50 Stunden das Ziel<br />
erreicht hatte. Somit ging ein unspektakulärer<br />
Landschaftslauf zu Ende. Eigentlich<br />
liebäugelte ich mit dem Ultramarathon<br />
P-Weg und dem Rothaarmarathon<br />
im Herbst. Aber das schenke ich mir.<br />
Der dritte Anlauf des "Härdlerlaufes" war<br />
somit auch der Letzte. <br />
UM-MINI-LEXIKON<br />
Schmallenberg ist eine Stadt in Nordrhein-Westfalen<br />
und gehört zum Hochsauerlandkreis.<br />
Sie ist mit 302,94 km 2<br />
eine der flächengrößten Städte Deutschlands.<br />
Traditionell ist in Schmallenberg<br />
Textilindustrie angesiedelt, was dem Ort<br />
auch den Beinamen "Strumpfstadt" einbrachte.<br />
Da die Entwicklung der Textilindustrie<br />
jedoch rückläufig ist, dominieren<br />
mittelständische Unternehmen.<br />
Im Wirtschaftsleben Schmallenbergs<br />
spielt mittlerweile der Dienstleistungsbereich,<br />
insbesondere die Gastronomie<br />
und damit gleichzeitig der Fremdenverkehr,<br />
eine bedeutende Rolle. Schmallenberg<br />
ist Sitz des Fraunhofer-Instituts<br />
für Molekularbiologie und Angewandte<br />
Ökologie (IME). _
Mit Glück und abenteuerlich platt am Plattensee<br />
25. I 26.06.05<br />
Internationaler<br />
24-Stunden-Lauf am<br />
Plattensee (HUN)<br />
Martina Hausmann<br />
Wie nur kommt eine begeisterte Endlosrundenläuferin<br />
auf die Idee, sich mit<br />
Wegsuche, Moskitos, Crosseinlage und<br />
Weinbergen herumschlagen zu wollen?<br />
Ein Nonstoprennen würde auf knapp<br />
200 km den größten See Mitteleuropas<br />
umrunden, Zeitlimit 30 Stunden, dazu<br />
zwei Stunden Toleranzzeit. Zeitgleich<br />
findet die DM über 24 Stunden in Reichenbach<br />
statt! Ich mag mich nicht bei<br />
meinem 53. 24-Stunden-Lauf wegen<br />
neuerdings verpönter Nummernbänder<br />
oder Musik anmeckern lassen - nicht,<br />
nachdem ich mit solch "unmöglicher"<br />
Ausrüstung mehrfach unbeanstandet im<br />
Nationalteam gelaufen bin! Ich brauche<br />
aber dringend noch ein bisschen Training<br />
für die 6 Tage in Erkrath. Im Internet<br />
unter ..Steppenhahn" finde ich einen<br />
anschaulichen Bericht von Carl Wilhelm<br />
Wilke über das letztjährige Plattenseeabenteuer.<br />
Wenig später treffe ich die<br />
Ungarin Edit Berces in Surgeres; auch<br />
sie schwärmt davon, kennt den Organisator<br />
Zoltan Uji persönlich und verspricht<br />
mir jede Hilfe bei der Vorbereitung<br />
und auch Unterkunft für davor und<br />
danach. Zudem bietet Georg Weiß im<br />
Internet eine Mitfahrgelegenheit an.<br />
Mehr Glück bereits im Vorfeld kann der<br />
Mensch nicht haben!<br />
Munteres Treiben im und um das Wochenendhaus<br />
von Edits Eltern in Fonyod<br />
am Südwestufer des Balaton: von Oma<br />
und Opa bis zum Enkel ist die Großfamilie<br />
versammelt, dazu kommen noch Nina<br />
Nitirofanova aus. der Ukraine samt<br />
Familie und Costas Baxevanis aus Griechenland.<br />
Nina gehört wie Edit zur Weltspitze<br />
im längeren Ultrabereich, macht<br />
zur Zeit eher Urlaub mit der Familie und<br />
nimmt nebenbei am viertägigen Etappenlauf<br />
um den Plattensee teil. Costas<br />
habe ich in der letzten Ausgabe von UM<br />
als Organisator des ersten griechischen<br />
24-Stunden-Laufs vorgestellt. Er wird<br />
mit Edit, Georg, Carl Wilhelm und mir<br />
morgen im Nonstoprennen starten.<br />
In Fonyod werden wir im Rennen Kilometer<br />
57 erreicht haben. Also fahren wir<br />
nach Osten zurück zum Start am Club<br />
Aliga in Balatonaliga. Mein Gott! Ohne<br />
Edit hätte ich das nie gefunden! Die<br />
Clubanlage ist riesig, und absolut nichts<br />
weist auf den Start zu einem Ultramara<br />
thon in wenigen Stunden hin! Kein<br />
Mensch weiß etwas, und in unserer<br />
Aufmachung erscheinen wir den Badegästen<br />
als Außerirdische. Edit steuert<br />
gleich das richtige Haus an, und weniger<br />
als eine Stunde vor dem geplanten Start<br />
um 14 Uhr treffen tatsächlich einige Leute<br />
in Laufmontur ein. Aus Deutschland<br />
ist Carl Wilhelm da und auch Thomas<br />
Kabus. Sebastian Schöberl habe ich<br />
letzte Woche beim Hunderter in Biel<br />
kennen gelernt. Insgesamt 14 Starter<br />
kommen zusammen. Zuletzt erscheint<br />
der offizielle Organisator des Rennens.<br />
Ich habe aber längst den Verdacht, ohne<br />
Edit würde leider gar nichts laufen.<br />
Sie hat sich bereits im Vorfeld u01 alles<br />
gekümmert; das fing schon mit der Werbung<br />
für diesen Lauf an. Ihrem beliebten<br />
Mantra ..Ich bin nicht der Organisator"<br />
entspricht sie zum guten Glück für uns<br />
Läufer gar nicht.<br />
Jemand hält eine kurze Ansprache auf<br />
Englisch. Laut unserer vierseitigen Wegbeschreibung<br />
trennen das Rennen 1,7<br />
km vom veritablen 200-km-Lauf. Vielleicht<br />
ist das ein Manko? Wir sollen jedenfalls<br />
als Prolog nach dem Startschuss<br />
ein entsprechendes Wendepunktstück<br />
zum Warmlaufen nutzen. An<br />
diesen Schmarren hat bei der Erfindung<br />
des Zeitlimits niemand gedacht. Ich bin<br />
aber Meisterin im äußerst knappen Erreichen<br />
von Limits! Nun denn. Vielleicht<br />
werden mich die Moskitos so sehr jagen,<br />
dass ich die Zeit locker wieder aufhole?!<br />
Pünktlich eine Stunde zu spät starten<br />
wir zum Prolog. Schon als wir wieder zu<br />
Im Ziel wird Martina liebevoll umsorgt<br />
rück am Startplatz sind, laufen bis auf<br />
Edit und Costas alle weit voraus am Horizont!<br />
Nach einer halben Stunde<br />
schwatzen wir drei immer noch angeregt<br />
zusammen. Edit läuft allerdings auf 48<br />
Stunden-Rennen locker 50 km mehr als<br />
ich. Ich mache bestimmt irgendwas<br />
falsch und bin viel zu schnell? Sie denkt<br />
wahrscheinlich dasselbe über sich, nur<br />
andersrum. Auf der Südseite des Sees<br />
laufen wir auf Fahrradwegen mehr oder<br />
weniger am Ufer entlang. In der feuchtheißen<br />
Luft kann man kaum atmen.<br />
Mein Beitrag zum 'Geschwätz verebbt.<br />
Moskitos formieren sich zum Angriff.<br />
Meine anfangs gehegte Hoffnung bestätigt<br />
sich leider nicht; ich kann mich kei<br />
nesfalls schneller bewegen. Die Stimmen<br />
von Edit und Costas verlieren sich<br />
voraus am Horizont. Bis auf drei aufgebende<br />
Lä'ufer werde ich bis zum Schluss<br />
keine <strong>Teil</strong>nehmer mehr antreffen. Als ich<br />
Fonyod erreiche, ist es schon stockfinstere<br />
Nacht. Ich konzentriere mich auf die<br />
graugrünen Pfeile auf grauem Asphalt.<br />
Orientierungshilfe bietet natürlich auch<br />
der See, den man zur Rechten am Ende<br />
von Sackgassen immer mal kurz schimmern<br />
sieht. Highlights alle fünf Kilometer<br />
sind die Verpflegungsposten mit ihren<br />
aufmerksamen Helfern. Sie sind willkommene<br />
Unterbrechung in der Einsamkeit.<br />
Ich habe den Eindruck, dass<br />
öfters Einheimische aus den Dörfern<br />
nach vorheriger Absprache diese Aufgabe<br />
übernommen haben. Ich hatte mir<br />
vor dem Start schon meine Gedanken<br />
gemacht: ..Da verteilen sich eine Handvoll<br />
Leute auf 200 km und sind am<br />
Schluss bis zu 12 Stunden auseinander.<br />
Ohne eine Armee von Helfern geht<br />
37
es doch nicht?" So ist es eine feine Sache!<br />
Das System wird sich, bis auf eine<br />
marginale Versorgungslücke, bestens<br />
bewähren. Eine Füllung Trinkflasche<br />
reicht mir von einer zur nächsten Station.<br />
Da ich nur Leitungswasser einfülle,<br />
kann ich mit den Überschüssen noch<br />
Moskitos abwaschen. An den Stationen<br />
selbst trinke ich lieber Saft, esse jede<br />
tas ist etwa 20 Minuten voraus, und Garl<br />
Wilhelm ist auch nicht viel weiter". Der<br />
Weg führt laut Streckenbeschreibung<br />
nun vom See weg und hinein in die<br />
Weinberge. Vier bis sechs Augen sehen<br />
mehr. Hoffnungsfroh breche ich nach 10<br />
Minuten Pause auf. Was ich nicht wissen<br />
kann: Gostas ist "nebenbei" Bergsteiger,<br />
springt wahrscheinlich hirschar-<br />
Gostas, Martina, Georg und Edit vorm Wochenendhaus<br />
Menge Obst und Kekse. Schließlich<br />
biegt der Weg scharf nach Norden. Die<br />
südliche Längsseite des Balaton habe<br />
ich hinter mir.<br />
Mit Glück werde ich Kesthely an der<br />
Nordwestkante des Sees, Kilometer 90,<br />
im engeren Zeitlimit von 13 Stunden erreichen.<br />
Erst mal streikt die Taschenlampe.<br />
Kein Dorf, kein Haus, und damit<br />
keine Lichtquelle weit und breit. Mannshohe<br />
Schilfgewächse links und rechts<br />
des Fahrradweges. Hoffentlich gibt es<br />
keine Abzweigungen! Zum Glück ist der<br />
Mond seit wenigen Tagen abnehmend,<br />
die Nacht fast herum und der Mond damit<br />
längst aufgegangen. Ich finde glücklich<br />
zur nächsten Station, wo man mir<br />
eine Ersatzlampe geben kann. So erreiche<br />
ich sicher Kesthely nach 12:50<br />
Stunden. Sebastian sitzt schon da. Leider<br />
sitzt er wie ein Fragezeichen; aufgegeben.<br />
"Georg schläft in der Sporthalle.<br />
Er musste auch aufhören." Es riecht<br />
sehr angenehm nach Nudeln. "Iß nur<br />
ordentlich; anstelle der nächsten zwei<br />
Stationen werden nur Wasserflaschen<br />
da stehen". Während ich mich über eine<br />
große Portion hermache, erfahre ich andere<br />
Einzelheiten von Sebastian. "Gos<br />
38<br />
tig die bis 10% steilen Hügel rauf und<br />
runter. Zuletzt wird er fast drei Stunden<br />
(!) vor mir das Ziel erreichen. Garl Wilhelm,<br />
mit Streckenkenntnis vom Vorjahr,<br />
wird knapp unterm engeren Zeitlimit ankommen.<br />
Während sich mein ganzer Körper der<br />
Nudelverdauung widmet, landet der<br />
Kreislauf im tiefsten Keller. In der Morgendämmerung<br />
kurve ich Schlangenlinien<br />
wie schon lange Jahre nicht mehr.<br />
"Ich darf mich nicht verlaufen." Über diesen<br />
Angstgedanken vergesse ich die<br />
zwei vor mir vollkommen. Ich fürchte<br />
auch einen neuen knallheißen Tag und<br />
ärgere mich sehr, in der kühlen Morgenluft<br />
nicht flotter voran zu kommen. Nach<br />
der Fastenwanderung über 15 km geht<br />
es mir wieder richtig gut; bei Kilometer<br />
105 starte ich wieder neu meine bewährte<br />
Obst-Keks-Trinkdiät. Was sich<br />
weniger toll anfühlt, sind meine Füße.<br />
An der nächsten Station frage ich nach<br />
meiner in einem Begleitfahrzeug depo<br />
.nierten Notausrüstung. Einmal mehr habe<br />
ich Glück; das richtige Auto ist gerade<br />
da. Die fiese Blase unterm großen<br />
Zeh habe ich schnell beerdigt. Schon<br />
bin ich wieder unterwegs.<br />
Kilometer 140 zieht mich magisch an. In<br />
den unzähligen Emails, die vor dem<br />
Start zwischen Edit und mir kursierten,<br />
schrieb sie etwas von einer Grosseinlage<br />
über 5 km und vor allem von einer<br />
"Wiese mit unangenehmen Pflanzen". In<br />
der Ausschreibung steht etwas von "gritty<br />
forest path" und "through the f100d gate".<br />
Garl Wilhelm hatte im Vorjahr das<br />
Ganze erst gar nicht gefunden! Nun will<br />
ich das Mysterium lösen. Bei der Station<br />
an Kilometer 139,7 lasse ich mir den<br />
richtigen Abzweig von der Straße zeigen.<br />
Der Weinbergspfad wird ungemütlich<br />
holprig. Schließlich endet der Weg<br />
vor einem steilen Damm bergab. Zum<br />
Glück macht dieses "flood gate" seinem<br />
Namen keine Ehre. Kein Wasser ... aber<br />
auch kein Weg mehr weit und breit. Tief<br />
unter mir beginnt eine schier endlose<br />
Fläche mit borstiger Macchia. Ohne<br />
Zweifel muss man da irgendwie durch;<br />
weiße Bänder spannen sich von Distel<br />
zu Dornenbusch, tauchen ein in einem<br />
Wäldchen am Horizont. Ich krieche also<br />
rückwärts hinunter und stakse immer in<br />
Bandnähe durch das hüfthohe Kraut.<br />
Meine Vorläufer mussten zu Kängurus<br />
mutiert sein oder gar zu Vögeln; ich sehe<br />
keinerlei Trittspuren. Im Wald<br />
schließlich gibt es wenigstens eine<br />
Pfadspur. Allerdings ist diese von losem<br />
Geröll übersät. Endlich leitet der so genannte<br />
Weg, bergauf und bergab, wieder<br />
in einen holprigen Weinbergspfad.<br />
Diesmal empfinde ich solches Terrain<br />
als Luxusausstattung! An der nächsten<br />
Station, rund 5 km entfernt und wieder<br />
auf ordentlicher Straße, ist weit über eine<br />
Stunde vergangen von Beginn der<br />
Abenteuerwanderung an. Ich setze mich<br />
hin, vollkommen entgeistert. "Mit platten<br />
Plattfüßen platt am Plattensee ... ". Mein<br />
Wortspiel ist lustiger, als der Zustand<br />
sich anfühlt. Schließlich finde ich wieder<br />
einen guten Rhythmus, sogar mit Muße,<br />
die Landschaft zu genießen. Neben den<br />
Weinbergen gibt es fantastische Blumenwiesen<br />
mit Schmetterlingen in allen<br />
Farben. Leider verirrt sich einer an mein<br />
pappiges Bein, und der traurige Flügelabdruck<br />
wird mir bis ins Ziel erhalten<br />
bleiben. Nächster Fixpunkt auf der Strecke<br />
ist Kilometer 164, Balatonfüred. Dafür<br />
sind im engeren Zeitlimit 24,5 Stunden<br />
veranschlagt. Mir ist vollkommen<br />
klar, dass ich das nicht mehr schaffen<br />
kann. Ich komme sogar 50 Minuten zu<br />
spät. Damit habe ich die Toleranzzeit<br />
von hier 90 Minuten ganz schön angeknabbert.<br />
Zu dieser Zeit befindet sich<br />
der ungarische Sieger Fendrik Laszlo im<br />
Anflug auf das Ziel (25:33 Stunden). Als<br />
Zweite wird Edit nach 28:21 Stunden<br />
eintreffen, verfolgt von Gostas (28:37<br />
Stunden). Auch Garl Wilhelm wird es<br />
noch im engeren Zeitlimit schaffen<br />
(29:36 Stunden).<br />
Von Balatonfüred aus habe ich "nur"<br />
noch 20 km Weinberge vor der Nase.
Leider ziehen sie sich wie Kaugummi.<br />
Endlich senkt sich die Straße zum Ufer<br />
herab und mündet auf einen Fahrradweg.<br />
Mit der Abenddämmerung werden<br />
prompt die Mücken wieder hyperaktiv.<br />
Die können mich nicht wirklich mehr<br />
schrecken. Ich bin guten Mutes, das Ziel<br />
in weniger als 31 Stunden zu erreichen.<br />
Seit einiger Zeit hat sich ein Begleitfahrzeug<br />
meiner besonders angenommen.<br />
Mir werden schier alle Wünsche von den<br />
Augen abgelesen. Sogar leckeren gebratenen<br />
Fisch bringen sie für mich von<br />
einer Imbissbude. Jetzt kommt wohl der<br />
abschließende Genussteil? Denkste!<br />
Plötzlich sehe ich keine Pfeile mehr.<br />
"Hier sind auch keine Pfeile. Hier haben<br />
Zur Information für Abenteuerlustige:<br />
Das Rennen findet jeweils Ende Juni<br />
statt. Neben dem hier beschriebenen<br />
Rennen gibt es im Rahmenprogramm<br />
noch einen 60-km-Lauf, einen 100-km<br />
Lauf, einen viertägigen Etappenlauf um<br />
den See und einen Stafettenlauf für 5<br />
Läufer.<br />
Meldeanschrift: Zöldgomb Sportclub,<br />
Hungary, 1037 Budapest, Mecsvirag u.<br />
103;<br />
Internet: www.zoldgomb.hu;<br />
Email: zoldgomb@zoldgomb.hu <br />
Den meisten <strong>Teil</strong>nehmern kam es allerdings<br />
auf den Kilometer mehr oder weniger<br />
nicht an. Der Bärenfels-Trail war<br />
erneut ein zwar anspruchsvoller und gelenkstrapazierender,<br />
aber einzigartig<br />
schöner und annähernd perfekt organisierter<br />
Wettbewerb, in dem es vor allem<br />
um Naturerlebnis, Selbsterfahrung, Beisammensein<br />
und Atmosphäre ging. Die<br />
Betreuung war von rührender Herzlichkeit,<br />
die Verpflegung mit Getränken und<br />
Leckereien auch an den abgelegensten<br />
Stellen im dunklen Wald genügte höchsten<br />
Ansprüchen.<br />
Der Bärenfelslauf lockte in seiner dritten<br />
Auflage (davon das zweite Mal als Trail<br />
Wegweiserzettel ausgehangen." Wir fin- r---'---------------, ausgeschrieben) über 200 Sportler aus<br />
den keinen einzigen solchen Zettel<br />
mehr. Meine Begleiter versichern mir,<br />
den Weg zu kennen. Unversehens ist es<br />
wieder Nacht. Wir sind fernab jeder Ortschaft.<br />
Der Weg schlängelt sich durch<br />
diverse Clubanlagen. Meine Begleiter<br />
werden unverkennbar unruhig. Immerhin<br />
suche ich nicht allein. Handytelefonate<br />
gehen hin und her. Da erfahre ich nebenbei,<br />
dass ich Fünfte im Ziel sein<br />
werde ... wenn ich es denn fände! "Eine<br />
Ausfallquote fast wie bei den 10 kleinen<br />
Negerlein", denke ich verblüfft. Ewiges<br />
Herumstehen und Rätselraten. Schon<br />
sind über 30 Stunden herum. Wir müssten<br />
doch gleich da sein? Alles sieht<br />
gleich aus, vor allem nachts. Ich finde<br />
einen vereinzelten graugrünen Pfeil und<br />
schreie "Hurra!!!". Meine Nervosität ist<br />
noch steigerungsfähig, als es auf die 31<br />
Stunden zugeht. "Vielleicht sind wir aus<br />
Versehen am Ziel vorbeigelaufen?" Endlich<br />
findet uns vom Club Aliga aus die<br />
Mutter meiner Begleiterin mit dem Auto.<br />
Sie fährt Schritttempo vor uns her. Bin<br />
ich froh! Und im Gegensatz zu Carl<br />
Wilhelm ist sogar das Eingangstor zum<br />
Club offen. Er hatte hier nämlich noch<br />
10 Minuten warten dürfen!<br />
Ich erkenne unsere Wendepunktstrecke<br />
wieder. Voraus der gelbe Startbogen.<br />
Mein glückliches Finish nach 31 Stunden<br />
26 Minuten. Der offizielle Herr Organisator<br />
liegt wohl schon im Bettchen?<br />
Wenn man eine Stunde später startet,<br />
kommt man halt auch eine Stunde später<br />
an! Egal. Ich freue mich trotzdem.<br />
Schließlich handelt es sich hier um einen<br />
Abenteuerlauf. Ein Abenteuer mit<br />
glücklichem Ausgang, wohlgemerkt.<br />
Meine treuen Helfer der letzten Stunden<br />
reichen leckeres Obst auf einem silberfarbenen<br />
Tablett. Mit Edit, Costas und<br />
Georg fahre ich zurück nach Fonyod.<br />
Erst mal ausschlafen! Gefeiert wird übrigens<br />
im kleinen Kreis am nächsten Tag,<br />
und über Edit bekomme ich noch eine<br />
schöne Urkunde und ein selbstgemachtes<br />
T-Shirt mit dem ganzen Plattensee<br />
drauf. Ein Bad im See vor der Heimfahrt<br />
und ein Wiedersehen hier, wer weiß?<br />
Geheime<br />
Verlängerung<br />
23.07.05<br />
3. Bärenfels-Ultra-Trail<br />
über 67,5 km<br />
in Neubrücke/Nohfelden<br />
Peter Wagner<br />
Kaum war die Plackerei vorbei, freuten<br />
sich die meisten schon aufs nächste<br />
Jahr - ein schöneres Kompliment konnte<br />
es nicht geben für den Bärenfelslauf,<br />
den das "Bärenfels-Team" um die Läufer-Familie<br />
Feiler an einem milden Sommertag<br />
zwischen Neubrücke (Rheinland-Pfalz)<br />
und Nohfelden (Saarland)<br />
zum dritten Mal veranstaltete. Angemeldet<br />
und genehmigt war der Lauf beim<br />
Saarländischen Leichtathletik-Bund. Es<br />
handelt sich hier um den einzigen Ultralauf<br />
im Saarland. Die Fellers hatten die<br />
Strecke gegenüber dem Vorjahr nochmals<br />
verändert, will heißen: verschärft.<br />
Es wurde im Naturpark Nahe-Hunsrück<br />
vor allem über steinige Wege, WaIdboden<br />
und Gras gelaufen. Sogar Kletterpassagen<br />
waren eingebaut, eine führte<br />
zum Namen gebenden Bärenfels. Der<br />
Geländelauf mit insgesamt 1.500 Höhenmetern<br />
war diesmal länger als die<br />
versprochenen beziehungsweise angedrohten<br />
63 Kilometer. Auf Bitten eines<br />
Jagdpächters, so Organisator Robert<br />
Feiler, habe man den Kurs ändern müssen<br />
und sei auf eine Länge von 67,5 Kilometern<br />
gekommen. Die Starter erfuhren<br />
dies aber erst im Verlauf des Wettbewerbs.<br />
Schade eigentlich, denn was<br />
als Spaß gedacht war, kam eher einer<br />
Bevormundung gleich. Es gab und gibt<br />
keinen Grund, Läufer über eine zu erbringende<br />
Arbeit im Unklaren zu lassen,<br />
weder am Bärenfels noch sonstwo.<br />
der gesamten Republik, darunter auch<br />
viele Spitzenkönner. Er stieg damit innert<br />
kürzester Zeit in die erste Liga der<br />
deutschen Landschafts-Ultraläufe auf.<br />
Auch qualitative Vergleiche mit Veranstaltungen<br />
in den Alpen brauchen die<br />
Fellers nicht zu scheuen. Die Läufer waren<br />
erneut begeistert von der Stimmung.<br />
Die Markierung der Strecke war "idiotensicher".<br />
Vermisst wurde allenfalls eine<br />
Kilometrierung.<br />
176 Läuferinnen (sehr wenige) und Läufer<br />
kamen ins Ziel, davon 55 über die<br />
volle Distanz, 48 im "Marathon" (45 km)<br />
und 73 im "Halbmarathon" (22,5 km).<br />
Diesmal gewannen gleich zwei Läufer:<br />
Der ortskundige Rainer Koch (LG Würzburg)<br />
und der Bautzener Rene Strosny<br />
teilten sich den Sieg in Freundschaft.<br />
Sie brauchten nur 5:32 Stunden. Der bescheidene<br />
Koch befand nachher kritisch,<br />
dass das noch schneller hätte gehen<br />
können. Immerhin war die Siegerzeit 30<br />
Minuten besser als ein Jahr zuvor, als<br />
der Parcours etliche Kilometer kürzer<br />
gewesen war. Dritter wurde Stephan<br />
Hünnerkopf von der LG Neckargemünd<br />
in 5:50 Stunden. Der mitfavorisierte Pole<br />
Ryszard Silakowski (TV Heubach) hatte<br />
lange mit dem Spitzenduo mitgehalten,<br />
ließ sich durch einen Zwischenspurt jedoch<br />
irritieren und erholte sich von seinem<br />
Einbruch nicht mehr. Für die Zuschauer<br />
war durch das Duell ein spannender<br />
Samstag gewiss. Unter den<br />
fachkundigen Besuchern war übrigens<br />
auch der frische Badwater-Ultra-Absolvent<br />
Bernhard Sesterheim aus Leiwen<br />
(Marathon 100 Club), der dem staunenden<br />
Publikum seine heil gebliebenen<br />
Füße zeigen musste und viel Lehrreiches<br />
zu berichten hatte.<br />
Die Frauenwertung gewann Ulrike Kullnik<br />
(VSV Grenzland Wegland) in 7:52<br />
Stunden. Den "Marathon" (45 km) entschied<br />
der Karlsruher Matthias Rosenkranz<br />
in 3:49 Stunden für sich. Zweiter<br />
wurde Willy Helfenstein (SG Neukirchen-Hülchrath)<br />
in 3:57 Stunden. <br />
39
25.126.06.05<br />
Ötscher Ultra Trail<br />
in zwei Etappen über je 50 km<br />
in Lackenhof (Österreich)<br />
Wolfram Brunnmeier<br />
Mein größtes Laufabenteuer in diesem<br />
Jahr sollte der Ötscher Ultra Trail am<br />
25. und 26. Juni in Österreich werden.<br />
Nachdem ich den Bericht vom Sandalenläufer<br />
Bernd Seitz gelesen hatte,<br />
stand für mich fest, an diesem Abenteuer<br />
teilzunehmen. Auch der Bericht auf<br />
der Internetseite des Veranstalters war<br />
zu verlockend. Hotelbuchung im Startort<br />
Lackenhof über das Internet ging ohne<br />
Probleme über die Bühne. Ein wenig<br />
überzogen ist meiner Meinung nach jedoch<br />
der hohe Startpreis von 80 € für<br />
dieses Zwei-Tage-Evenl. Der Grund dafür<br />
kann nur darin liegen, dass der Veranstalter<br />
für die geladenen Spitzenläufer<br />
aus Jordanien und Mexiko ein Antrittsgeld<br />
zahlt. Eigentlich meide ich solche<br />
Laufveranstaltungen, denn ich sehe<br />
nicht ein, dass ich mit meinem Startgeld<br />
Laufprofis bezahle. Aber wer A sagt,<br />
muss auch B machen, denn schließlich<br />
wollte ich für mich ein Abenteuer erleben.<br />
Auf der Rückfahrt vom Liechtenstein<br />
Marathon machte sich tiefe Enttäuschung<br />
bei mir breit. Das führte sogar<br />
dazu, dass ich ab Memmingen meinem<br />
Sohn Pierre das Lenkrad meines Autos<br />
übergab. Zu tief saß der Stachel der<br />
Niederlage. Während der Rückfahrt war<br />
für mich klar, dass ich am Montag bei<br />
meinem Hausarzt auf der Matte stehen<br />
würde. Gesagt, getan. Ich musste Urin<br />
und Blut abgeben. Die Urinwerte bekam<br />
ich noch am gleichen Tag, die aber nur<br />
einen erhöhten Eiweißwert zum Vorschein<br />
brachten. Für die Blutwerte<br />
musste ich am Dienstagnachmittag erscheinen.<br />
Da ich mich am Dienstagmorgen<br />
topp fühlte, legte ich erst mal eine<br />
17 km lange Trainingseinheit im nahen<br />
Wald hin. Am Nachmittag bei meinem<br />
Arzt staunte ich dann nicht schlecht, als<br />
dieser mir meine Blutwerte vorlas. In allen<br />
Bereichen keine Beanstandungen,<br />
alles in Ordnung. Was hatte ich denn<br />
nun? Somit konnte der Ötscher Ultra<br />
Trail kommen.<br />
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag<br />
fuhren Marita und ich über Passau nach<br />
Österreich inden Naturpark Ötscher<br />
Tormäuer. Laut Wetterbericht sollte es<br />
ein warmes Wochenende werden, aber<br />
mit einem hohen Gewitterrisiko.<br />
40<br />
Abenteuerlauf im Naturp_a_rk _<br />
Samstag, 1. Etappe<br />
Am Samstag, kurz vor dem Start um<br />
10.00 Uhr, hatten sich dann ganze 38<br />
<strong>Teil</strong>nehmer (davon 6 Frauen) zum 9. Ötscher<br />
Ultra Marathon über 50 Kilometer<br />
eingefunden. Da der Veranstalter Mexikaner<br />
eingeladen hatte, gaben diese<br />
Gäste vor dem Start noch landesübliche<br />
Folklore zum Besten. Mit etwas Verspätung<br />
ging es dann bei warmen Temperaturen<br />
los, und Herbert Egger (Veranstalter)<br />
schickte uns mit einem Fingerschnippen<br />
auf die Strecke. Direkt zur<br />
Einstimmung ging es durch den Ort,<br />
durch die Ortsteile Ötscherwiesen und<br />
Raneck, die ersten 3 Kilometer 144 HM<br />
auf einer Asph'altstraße bergan. Hinter<br />
Raneck verließ ich die befestigte Straße,<br />
und es ging auf einer Forststraße, durch<br />
den Schönwald, die nächsten 6 Y:z Kilometer<br />
zur Erlauf und dem Vorderen<br />
Tormäuer, ein gigantisches Felsmassiv<br />
und ein erstes Highlight dieser Veranstaltung,<br />
ständig bergab (460 m über<br />
NN). Bei Kilometer 10, am Eingang in<br />
Nur noch wenige Augenblicke bis zum Start<br />
den Naturpark Ötscher-Tormäuer, erreichte<br />
ich die erste Labestation. Hier<br />
trinke ich viel und reichlich. Die angebotenen<br />
Speisen beachte ich nicht, da es<br />
zum Essen viel zu warm geworden ist.<br />
Gott sei Dank befindet sich die Laufstrecke<br />
zu zwei Dritteln im schattigen Wald<br />
und in den Schluchten des Naturparks.<br />
Ab hier wird die Wegstrecke dann crossig.<br />
Im ständigen Wechsel von Auf und<br />
Ab, über Wurzeln und Felsbrocken und<br />
entlang der rauschenden Erlauf, gelange<br />
ich zu einem weiteren Höhepunkt,<br />
dem Trefflingfall (474 Meter über NN).<br />
An besagtem Wasserfall zeigt die Laufrichtung<br />
fast senkrecht den Berg hinauf.<br />
Über Stufen, Felsen, Holz- und Stahlbrücken<br />
geht es neben und über den<br />
Wasserfall 180 Höhenmeter den Berg<br />
hoch. Oben habe ich den Trefflingbach<br />
erreicht, dem ich nun einige Kilometer,<br />
immer leicht bergan, folgen muss. Am<br />
Verpflegungsstand "Erlebnisdorf Puchenstuben"<br />
bei Kilometer 15 kippe ich<br />
mir mehrere Becher Wasser über den<br />
Kopf. Ein kurzes Stück ist es angenehmer<br />
und flacher zu laufen. Ab dem<br />
"Haus Moser" geht es dann wieder richtig<br />
bergan. Auf einem Forstweg erreiche<br />
ich, durch viel Wald laufend, das Örtchen<br />
Puchenstuben auf 868 Meter über<br />
NN. Nachdem ich mich hier wieder erfrischen<br />
konnte, musste ich, vorbei an einer<br />
alten Holzkirche, zum nächsten Anstieg<br />
hinter Puchenstuben laufen. Vier<br />
Kilometer ständig bergauf, auf dem<br />
Bahnwanderweg, zum Berghaus "Turmkogel",<br />
waren 240 HM ' zu erlaufen. Immer<br />
wieder boten sich mir dabei herrli<br />
che Ausblicke über den Naturpark und<br />
den Großen Ötscher. Etwas später hatte<br />
ich die Labestation bei Kilometer 25 erreicht<br />
und die Hälfte der Laufstrecke absolviert.<br />
Auf einem gut zu belaufenden<br />
Forstweg, vorbei am Wegscheidhäusl,<br />
immer bergab, erreiche ich den nostalgischen<br />
Bahnhof Gösing der "Mariazeller<br />
Schmalspurbahn". Am Alpenhotel<br />
Gösing überquere ich deren Gleise und<br />
laufe, teilweise in Serpentinen, hinab ins<br />
Angerbachtal und anschließend in den<br />
Erlaufboden auf 550 Meter über NN.<br />
Hier bei Kilometer 30 und einer Laufzeit
von 3:13 Stunden habe ich den Einstieg<br />
zu dem Hinteren Tormäuer erreicht.<br />
Links und rechts der wilden Erlauf türmen<br />
sich die Karstwände mehrere 100<br />
Meter hoch auf. Im ständigen Auf und<br />
Ab, mal die Felswand rechts und mal die<br />
Felswand links der Laufstrecke, wobei<br />
die Erlauf auf Brückchen und Stegen<br />
überquert wird. Hier sollte man aber vor<br />
lauter Schauen und Staunen den unebenen<br />
und schmalen Wanderpfad nicht<br />
aus den Augen verlieren. Immer wieder<br />
muss der sichere Tritt gesucht werden.<br />
Ständige Tempowechsel erschweren<br />
zudem ein kontrolliertes Laufen. Hier in<br />
dieser grandiosen Bergwelt kommen<br />
Landschafts- und Erlebnisläufer voll auf<br />
ihre Kosten. Ich weiß gar nicht, was ich<br />
zuerst fotografieren soll. Bei Kilometer<br />
35 verlasse ich die Erlauf am Stierwaschboden<br />
und biege iri das absolute<br />
Highlight dieser Veranstaltung, in den<br />
Ötschergraben, den Grand Canyon Österreichs,<br />
ab. Auch hier ist hohe Konzentration<br />
erforderlich, zumal der Wanderpfad<br />
weiterhin mit allem versehen ist,<br />
was die Natur zu bieten hat. Die Laufseite<br />
wechselt auch hier ständig. Rauf und<br />
runter auf schmalen Steigen und schaukeligen<br />
Brücken, unter mir der Ötscherbach,<br />
laufe ich an der Hollerbrandmauer<br />
und an der Schusterwand vorbei zum<br />
Gasthaus "Ötscherhias". Ab hier bleibe<br />
ich, mittlerweile viel alleine laufend, auf<br />
der rechten Seite oberhalb des rauschenden<br />
Baches. Immer wieder muss<br />
ich über schmale Holzstege, die am Fels<br />
befestigt sind, am Berg entlang, oft ohne<br />
Geländer, dafür stellenweise mit Seilsicherung,<br />
laufen. Hier wird eigentlich<br />
mehr gewandert, zumal einem hier ständig<br />
Spaziergänger und Wanderer entgegen<br />
kommen. Hier im "Canyon" staut<br />
sich die Hitze ernorm, und ich stoppe<br />
meinen Lauf. Einen kleinen Abstieg nutzend,<br />
klettere ich hinab zum Ötscherbach,<br />
entledige mich meiner Laufsachen<br />
und lege mich in die kühlen Fluten des<br />
rauschenden Wildbaches. Ahh, tut das<br />
gut, soviel Zeit muss sein. Wer aber an<br />
diesem Landschaftslauf teilnimmt und<br />
keine Zeit hat, ist hier fehl' am Platze.<br />
Hier muss die Devise lauten: schauen,<br />
erleben und genießen, zumal hinter dem<br />
Mirafall ein gigantischer Ausstieg aus<br />
dem Ötschergraben folgt. <strong>Teil</strong>s kletternd,<br />
wobei mir Baumwurzeln als Stufen<br />
dienen, und teilweise mit Armeinsatz,<br />
erreiche ich 150 Meter höher einen<br />
schmalen Grat. Hier sollte Schwindelfreiheit<br />
ein absolutes Muss sein, da dieser<br />
Grat manchmal weniger als 50 cm<br />
misst. Oben angekommen auf einem<br />
breiteren Pfad, habe ich einen phantastischen<br />
Rückblick in den Canyon und<br />
mache einige Fotos. Der folgende breite<br />
Forstweg, wo mich eine VerpflegungssteIle<br />
bei Kilometer 39 empfängt, erlaubt<br />
meiner geschundenen Beinmuskulatur,<br />
sich wieder zu erholen. Zu heftig war der<br />
Aufstieg aus dem Ötschergraben. Bei<br />
Kilometer 43 am Gasthaus "Spielbichler"<br />
auf 927 Meter über NN erreiche ich<br />
schon wieder eine der superguten Labestationen.<br />
Hier mache ich länger<br />
Rast, gieße mir einige Becher Wasser<br />
über meinen Kopf und mache mich anschließend<br />
an den letzten steilen Aufstieg<br />
durch dichten Mischwald zum Riffelsattel<br />
auf 1.283 Meter über NN. Nach<br />
45 Minuten Wandern in Serpentinen,<br />
über Wurzeln, Felsbrocken und eine<br />
steile Bergwiese, bestückt mit allen Gemeinheiten,<br />
erreiche ich den Sattel und<br />
die letzte Versorgungsstelle. Hier oben<br />
habe ich alle positiven 1.850 Höhenmeter<br />
der heutigen' Etappe abgearbeitet.<br />
Der folgende Abstieg, hinunter ins Ziel<br />
nach Lackenhof, in unterschiedlichen<br />
und teils heftigem Gefälle auf einer<br />
Schotterpiste, verlangt noch einmal<br />
höchste Konzentration. Bei 470 Höhenmetern<br />
aqwärts auf vier Kilometern<br />
muss ich die Laufbremse kräftig treten.<br />
Kurz vor Lackenhof biegt die Laufstrecke<br />
auf einen Skihang ab. Über mir sind<br />
die Sessel der Skilifts<br />
hinauf zum<br />
"Kleinen Ötscher".<br />
Nach 6:44:13 Std.<br />
habe ich das Ziel<br />
auf der Teichwiese<br />
in Lackenhof als<br />
28. von 38 gestarteten<br />
<strong>Teil</strong>nehmern<br />
erreicht. 50 gigantische<br />
und atemberaubendeKilometer<br />
haben mir fast<br />
alles abverlangt.<br />
Hoffentlich schaffe<br />
ich es, mich bis zur<br />
2. Etappe zu regenerieren.<br />
Nach<br />
meiner heftigen<br />
und kurzen Krankheit??<br />
Ich staune<br />
ich über mich<br />
selbst!<br />
Sonntag, 2. Etap<br />
Qg<br />
Wie befürchtet, hatte sich in der Nacht<br />
ein Gewitter mit heftigem Regen entladen.<br />
Als ich beim Aufstehen auf den<br />
Balkon hinaustrat, war vom "Kleinen<br />
und Großen Ötscher" nichts zu sehen.<br />
Zu allem Übel stieg nun noch Nebel<br />
durch die Wälder und die Berghänge<br />
hinauf. Wenig später fing auch noch der<br />
Regen an, der, je näher der Start um 11<br />
Uhr rückte, immer stärker wurde. Somit<br />
hatte sich die Anzugsordnung für den<br />
heutigen Lauftag von selbst geklärt. Als<br />
Marita und Ich zum Start- und Zielbereich<br />
kamen, versteckten sich die übrigen<br />
<strong>Teil</strong>nehmer so gut es ging unter allem,<br />
was hervorstand. Herbert Egger<br />
ergriff das Wort und teilte uns mit, dass<br />
der Start um eine Stunde, auf 12 Uhr<br />
verschoben sei, in der Hoffnung auf eine<br />
Wetterbesserung. Zwischenzeitlich<br />
machten sich Helfer auf den Weg, um<br />
eine Alternativstrecke abzuflattern. So<br />
mit hatte sich zum 4. Mal hintereinander<br />
der Lauf über den "Rauher Kamm" und<br />
den "Großen ötscher" von selbst gecancelt,<br />
denn wenig später stand fest,<br />
dass die Alternativstrecke gelaufen wird.<br />
21 Kilometer und knapp 800 Höhenmeter<br />
im Aufstieg hatte Herbert mit seinen<br />
Helfern aus dem Ärmel gezaubert. Bei<br />
strömendem Regen schickte uns Herbert<br />
um 12 Uhr mit einem "Go" auf die<br />
Strecke. Trotz der gestrigen schweren<br />
50 Kilometer war ich erstaunt, dass<br />
meine Beinmuskulatur locker war. Und<br />
wie es sich gehört, ging es direkt vom<br />
Start 6 Kilometer über eine nasse Wiese<br />
in den Wald hinein bergan. Auf matschigem<br />
und glitschigem Geläuf musste so<br />
manche Pfütze umlaufen werden.<br />
Nachdem der "Bockhörner" umrundet<br />
wurde, zeigte die Laufstrecke abwärts.<br />
In weiten Schleifen lief ich zum Ortsteil<br />
"Ötscherwiesen" und von dort über einen<br />
unebenen Waldpfad, gespickt mit<br />
unzähligen Wurzeln, hinunter in den<br />
Ein bisschen schwindelfrei muss man schon sein ...<br />
Ortsteil Weitental und zu dem Sessellift<br />
"Großer Ötscher". Ein Stück der Asphaltstraße<br />
bergauf folgend, ging es<br />
sogleich in einen mörderisch steilen und<br />
unwegsamen Anstieg. Da es immer<br />
noch regnete, waren kleine Ausrutscher<br />
an der Tagesordnung. Von hier an durfte<br />
quasi geklettert werden, zumal jeder<br />
sichere Tritt gesucht werden musste.<br />
Hatte man eine Wegbiegung erreicht<br />
und gehofft, dass es etwas flacher würde,<br />
wurde man eines Besseren belehrt.<br />
Es ging eher noch steiler bergan. Zu allem<br />
Übel musste ein Waldstück in Serpentinen<br />
zum "Riffelboden", im wahrsten<br />
Sinne des Wortes, über Felsen und<br />
Wurzeln und mit' Armeinsatz erklettert<br />
werden. Von der Sesselliftstation auf<br />
844 Meter über NN bis zum "Riffelboden"<br />
auf 1.050 Meter über NN hatte ich<br />
somit 206 HM erwandert. Am "Riffelboden"<br />
hatte ich die Laufstrecke des Vor<br />
41
tages erreicht, diese aber als solche<br />
nicht erkannt', da es diesmal aufwärts<br />
ging. Nachdem ich einen Streckenposten<br />
gefragt hatte, wohin es denn ginge,<br />
gab dieser mir zur Antwort: Immer berghoch<br />
zum "Riffelsattel" auf 1.283 Meter,<br />
weiter zum "Ötscherschutzhaus" auf<br />
1.418 Meter und von dort auf den "H üttenkogel"<br />
auf 1.526 Meter über NN.<br />
Schnell rechnete ich die noch zu erlaufenden<br />
Höhenmeter aus und musste<br />
erst mal kräftig durchpusten, was ich die<br />
ganze Zeit sowieso tat. Es sollten noch<br />
weitere 476 Höhenmeter folgen. Je höher<br />
es ging, umso heftiger blies der<br />
Wind und umso nebeliger wurde es. Da<br />
mir mittlerweile Läufer entgegen kamen,<br />
musste oben auf dem "Hüttenkogel" ein<br />
Wendepunkt sein. Endlich hatte ich den<br />
Aussichtspunkt auf 1.526 m erreicht,<br />
nur mit der Aussicht ins Tal und auf die<br />
umliegenden Berge war nichts. Schnell<br />
verließ ich diesen garstigen Ort und<br />
machte mich auf den Rückweg, abwärts,<br />
in rasanter Fahrt. Bis ins Ziel auf der<br />
"Teichwiese" in Lackenhof musste ich<br />
716 Höhenmeter in unterschiedlichem<br />
Gefälle abarbeiten. Dabei musste ich oft<br />
auf die Laufbremse treten, konnte es<br />
aber an einigen Stellen auch rollen lassen.<br />
Ab dem "Riffelsattel" war dann die<br />
Laufstrecke die gleiche wie am Tag zuvor.<br />
In 2:07 Std. erreichte ich ziemlich<br />
locker und entspannt das Ziel. Bei der<br />
späteren Siegerehrung im Jugendheim<br />
von Lackenhof, hatte ich das Glück, da<br />
ein <strong>Teil</strong>nehmer nicht mehr da war, seine<br />
Laufschuhe von "Salomon" zu gewinnen.<br />
In der Zeitaddition beider Tage<br />
wurde ich mit 8:51 :30 Std. 28. im Gesamtklassement.<br />
Fazit: Die im Internet angekündigten<br />
Jordanier hatten nicht teilgenommen.<br />
Die angeblichen Laufprofis aus Mexiko<br />
entpuppten sich als überdurchschnittliche<br />
Normalos, zumal, wie von mir befürchtet,<br />
doch kein Antrittsgeld gezahlt<br />
wurde. Zum Lauf selber kann ich nur lobende<br />
Worte sagen. Dies war in meinem<br />
10- jährigen Läuferleben neben<br />
dem "Fuldahöhenlauf' der schwerste<br />
und schönste Landschafts- bzw. Erlebnislauf.<br />
Ich hatte ein Abenteuer gesucht,<br />
und ich hatte ein wunderschönes und<br />
gigantisches Laufevent gefunden und<br />
erlebt. Die Organisation war herzlich<br />
und stets bemüht, es uns gut gehen zu<br />
lassen.<br />
Im nächsten Jahr findet der 10. "Ötscher<br />
Ultra TraiI" statt. Ich bin gespannt,<br />
was sich der Veranstalter für<br />
diesen Jubiläumslauf einfallen lässt. Ich<br />
werde auf jeden Fall wieder teilnehmen<br />
und hoffe, dass der Trail in 2006 bei<br />
endlich schönem Wetter über den<br />
"Rauhen Kamm" und den "Großen Ötscher"<br />
gelaufen wird. Wenn alles klappt,<br />
werde ich hoffentlich zwei weitere <strong>Teil</strong>nehmer<br />
für dieses Abenteuer begeistern<br />
können. _<br />
42<br />
Auf unwegsamen Wegen<br />
Jürgen Roscher<br />
nochmals:<br />
Bärenfels<br />
Ultra-Trail<br />
Voriges Jahr hatte Rotiert Fellers Bärenfels-Ultra-Trail<br />
über 60 km seine offizielle<br />
Premiere, dieses Jahr tauchte beim<br />
Rodgauer 50-km-Lauf im Januar die<br />
neue Ausschreibung auf: statt der 20km-Runde<br />
mit Wendepunkt im Ziel sollte<br />
es nun eine richtig runde Runde mit 21,1<br />
km sein, wodurch auch Marathon und<br />
Halbmarathon möglich wurden, die<br />
diesmal zugleich ihre Premiere hatten.<br />
Hatte ich die Ausschreibung wieder weitergegeben?<br />
Denn in meinen Unterlagen<br />
fand ich sie nicht mehr, sie war einfach<br />
wegverschwunden. Mit dem Marathon<br />
wollte ich eine weitere Premiere in<br />
meine Sammlung aufnehmen, denn die<br />
Strecke war ebenso schön wie abenteuerlich,<br />
und den Ultra hatte ich ja schon.<br />
Ort und Zeit waren bekannt, also meldete<br />
ich mich gleich an. Später fand ich die<br />
Ausschreibung ordentlich aufgeräumt<br />
wieder, nämlich f0r meine Vorschau<br />
Rubrik im Heft 07+08/05 der LAUFZEIT<br />
einsortiert. Ich hatte ganz vergessen,<br />
dass ich ja nebenbei auch Journalistenpflichten<br />
hatte.<br />
So allmählich profitiert auch das benachbarte<br />
Hotel "Waldesruh" von den<br />
weiter angereisten Läufern und ist ausgelastet.<br />
Der Weg zum Start ist nicht<br />
weit, hat aber etwas von jenem "das<br />
kann doch gar nicht sein ... "<br />
Doch, ist schon: erst über die Eisenbahn,<br />
hinunter zum Industriegelände,<br />
rechts ab, da parken ja lauter Läufer'<br />
Weiter unter der Autobahn hindurch und<br />
einen kleinen Asphaltweg entlang, dort<br />
liegt eine große Wiese, auf der man<br />
auch campen kann. Hier geht alles ganz<br />
familiär zu, da kommt keine Hektik auf.<br />
Die Startnummern sind natürlich handgemalt<br />
und laminiert, darum sollen sie ja<br />
auch wieder abgegeben werden. Nudelparty<br />
am Vorabend und Läuferfrühstück<br />
vor dem Start gib es natürlich kostenlos.<br />
Jetzt geht es vom Start mit Waldhornklang<br />
durchweg bergauf; Krönung ist die<br />
Bärenstiege, bei der die Wurzeln nicht<br />
nur als Treppenstufen, sondern auch als<br />
Handgriffe genutzt werden können. Anschließend<br />
kann man sich beim Lauf auf<br />
der Bärenfelsrunde ausruhen. Der Aufstieg<br />
zum Bärenfels erfolgt wieder mit<br />
Hand und Fuß bei glücklicherweise trockenem<br />
Fels. Hinter dem Gipfel wartet<br />
der Verpflegungstisch von Kaiserslautern.<br />
Im Vorjahr ging es von hieraus praktisch<br />
nur bergab zum Ziel, diesmal ... ach, ich<br />
bekomme es nicht mehr auf die Reihe.<br />
Unvergessen bleibt die Gefällestrecke<br />
mit Gras und Kräutern bis zu einem halben<br />
Meter Höhe, darüber Gebüsch, unter<br />
dem nur Ein-Meter-Zwerge hindurchschlüpfen<br />
konnten. Ausgerechnet auf<br />
einem "richtigen" Waldweg zertrampelten<br />
wir Ameisen, die sich hier eine Autobahn<br />
angelegt hatten. Später folgte<br />
die Passage mit Brennnesseln rechts<br />
und links, die aber zum größten <strong>Teil</strong><br />
niedergemäht worden waren. Und kurz<br />
vor dem Ziel noch ein sehr steiles Gefälle,<br />
bei dem man auf Kiefernzapfen<br />
(="Kienäppeln") hinunter rollte. Es war<br />
atemberaubend schön, das kann man<br />
wörtlich nehmen. Wer nicht die beabsichtigte<br />
Anzahl Runden schaffen konnte<br />
oder wollte, bekam die Distanz bescheinigt,<br />
die er bzw. ihn geschafft hatte.<br />
Die weibliche Formulierung "... die<br />
sie geschafft hatte" ist von sich aus<br />
zweideutig, 55 von 176 brachten den<br />
Ultra hinter sich, wobei das Limit von 12<br />
Stunden fast ausgeschöpft wurde.<br />
Das Schönste kam zum Schluss: wegen<br />
des kurzfristigen Einspruchs eines Jagdpächters,<br />
der die wilden Horden nicht<br />
durch sein Revier trampeln lassen<br />
wollte, musste die Strecke in letzter Minute<br />
geändert werden, wodurch die<br />
Runde statt 21,1 km jetzt 22,5 km lang<br />
war. Beim Halbmarathon juckte das wenig,<br />
dieser Trail ist mit normalen Halbmarathons<br />
sowieso nicht vergleichbar.<br />
Aber der Marathon wurde dadurch zum<br />
Ultra von 45 kilometern! Statt einer Medaille<br />
gab es einen Kugelschreiber, gebacken<br />
aus Brotteig, mit einem Bärenkopf,<br />
und farbig bemalt. Nun hängt er<br />
bei den Medaillen, ebenso wie die gusseiserne<br />
Gurke vom Spreewald und der<br />
kleine Humpen vom Fichtelgebirgsmarathon.<br />
Das gehört eigentlich auch noch dazu:<br />
Duschen gab es im Gemeindezentrum<br />
Hoppstädten, ca. 3,5 km entfernt. Einzelne<br />
Bahnreisende konnten aber auch<br />
die Dusche des Fernheizwerks vor Ort<br />
benutzen. Dort hatte ich aus dem Geldbeutel<br />
meine durchschwitzten Scheine<br />
und Wertsachen wieder in ihre zugehörigen<br />
Behältnisse sortiert, aber die<br />
MasterCard auf der Fensterbank liegengelassen,<br />
ich erinnere mich genau. Weil<br />
man mit ihr kein Bargeld abheben kann<br />
und sie auch anderweitig fast nur von<br />
Automaten als Zahlungsmittel akzeptiert<br />
wird, wollte ich sie erst am Montagmorgen<br />
bei der Bank sperren lassen. Noch<br />
am Sonntagabend rief mich Robert Feiler<br />
an: Der Wachschutz hatte sie gefunden<br />
und - "Berliner Volksb'ank"? - auf<br />
der Suche nach dem Eigentümer richtig<br />
kombiniert. Sie wurde mir mit der ebenfalls<br />
handgemalten und laminierten Urkunde<br />
nachgeschickt. _
13.• 16.05.05<br />
6-Etappen-Lauf<br />
in Apeldoorn (NL)<br />
Die vergessenen Laufschuhe<br />
Helmut hatte seine Isomatte vergessen. sen wir Spaghetti. Nachmittags haben<br />
Die Leute, die das Stadion betreuen, wir ein wenig geschlafen.<br />
haben ihm freundlicherweise eine Riesen(-Luxus)-Luftmatratze<br />
geliehen, die I 3. Etappe (14,728 km)<br />
sogar schon aufgepumpt war. Nach der -------''--'------'---'------!.----<br />
Dusche gehen wir in die Kantine, wo wir Um 19 Uhr geht es los. Start und Ziel<br />
Brötchen mit Käse kaufen. Dazu trinke sind am Kasteel ter Horst. Diesmal habe<br />
Sylvie Honnet<br />
ich ein Glas Milch. Es ist zu wenig für<br />
uns, und wir essen im Zelt noch ein Brot<br />
ich meinen Trinkgurt dabei mit 2 kleinen<br />
Fläschchen. Ich bin zwar müde, aber es<br />
mit Marmelade. Ich habe nicht beson- läuft gut, besser als am Vormittag. Ich<br />
Nach dem Grottenmarathon in Valken- ders gut geschlafen. Es war mir furcht- erreiche das Ziel nach 1:17:34 Std.,<br />
burg (NL) fand ich eine Werbung auf der bar kalt, und dann hatte ich auch Hun- Helmut nach 1:04:16 Std. Ein zusätzli-<br />
Windschutzscheibe meines Autos: Im ger. cher Vorsprung von 1,5 Minuten für<br />
Mai findet in Apeldoorn ein Etappenlauf mich. Der Vorsprung verringert sich imstatt.<br />
In 4 Tagen kann man entweder 60 Tag 2: Auf der Suche nach den mer weiter. An einem nahen Sportplatz<br />
km (4 Etappen) oder 100 km (6 Etap- verlorenen Schuhen wird geduscht und im Kasteel etwas gepen)<br />
laufen. Die Ausschreibung klingt '------------------' gessen. Es reicht uns nicht, und wir wolsehr<br />
verlockend. Helmut und ich haben Gegen 8.30 Uhr gingen wir in die Kanti- len nachher wieder etwas im Zelt essen.<br />
uns relativ schnell für die 100 km ange- ne, um zu frühstücken. Es gab noch Wir fahren zurück. Ich packe ganz<br />
meldet. kein Brot. Ich habe nur einen Kaffee ge- schnell meine Sachen aus. Ich schaue<br />
_____T_a.=:g_1_:_D_ie_W_e_tt_e<br />
trunken und einen Keks gegessen. Zum<br />
I Glück hatte Helmut noch Brot und Marmich<br />
überall um: ich habe meine Laufschuhe<br />
(mit Chip dran) in der Umkleidemelade.<br />
Heute soll ein schwerer Tag kabine vergessen. Es wundert mich,<br />
Wir sind Freitagnachmittag gegen 15 werden, und wir brauchen Energie. denn ich hatte nochmal geprüft, ob von<br />
Uhr losgefahren. Unterwegs' war ziem mir noch etwas da liegt, bevor ich den<br />
lich viel Verkehr. Irgendwann hat Helmut Raum verlassen habe. Hat jemand sie<br />
eine Wette vorgeschlagen: Wenn nach I 2. Etappe (20,5 km) aus Versehen mitgenommen? Wir fraden<br />
100 km zwischen uns mehr als 100 --------'--'--'----'------'----- gen das Paar, das sich um das Stadion<br />
Minuten sind, bekommt er von mir 6<br />
Flaschen Wein. Und sonst bekomme ich<br />
sie. Ich war mir unsicher. Helmut läuft<br />
Die Strecke ist wieder sehr schön. Wjr<br />
laufen fast nur im Wald. Es ist sonnig,<br />
kümmert. Sie rufen eine Frau an, die<br />
noch im Kasteel ter Horst ist. Danach<br />
will sie noch den Betreuer des anderen<br />
schnell und 1 min/km Unterschied ist Sportplatzes anrufen, um zu herauszunicht<br />
viel. Aber für 6 Flaschen Wein finden, ob er etwas gefunden hat. Helkann<br />
ich mich anstrengen, oder? "No mut spricht mit dem Mann, der sich um<br />
risk, no fun", also haben wir die Wette die Zeitmessung kümmert. Falls ich<br />
abgeschlossen. meinen Chip nicht wiederfinde, würde<br />
Im Stadion angekommen, ging alles ich einen Leihehip bekommen, damit ich<br />
sehr schnell. Wir waren etwas spät dran auch am nächsten Tag starten kann. Eiwegen<br />
des dichten Verkehrs. Anmelden, ne Gruppe von Franzosen nimmt auch<br />
die Zelte auf der Wiese im Stadion auf- am Lauf teil. Ich gehe zu ihnen, um zu<br />
bauen, unser Gepäck vom Auto bis zum fragen, ob jemand von ihnen meine<br />
Zelt schleppen, umziehen, warmlaufen, und nach ein paar Kilometern ist mir so Schuhe mitgebracht hätte (sie waren in<br />
und schon waren wir am Start. gar zu warm. An jeder VerpflegungssteI einer Plastiktüte aus Frankreich, und ich<br />
le mache ich eine Pause und trinke war als Deutsche angemeldet). Nichts.<br />
reichlich. Hügelchen hoch und runter, Endlich kommt die gute Nachricht: eine<br />
1. Etappe (16,408 km) ich fühle mich kraftlos, und es ist erst die Frau hat meine Laufschuhe zurückge<br />
2. Etappe. Kann ich durchhalten? Ich bracht. Die Frau vom Stadion begleitet<br />
Alle Läufer sind dabei (60- und 100-km laufe einfach langsamer. Endlich sehe<br />
Läufer). Es geht flott. Der erste Kilome ich das Ziel. Ich freue mich riesig. Helter<br />
und alle 5 Kilometer sind ausgeschil mut steht wieder am Rand und läuft die<br />
dert. Meinen ersten Kilometer bin ich in letzten Meter mit mir. Ich sage nur: "Wie<br />
4:33 min. gelaufen, viel zu schnell für sieht's aus mit Nudeln heute Mittag?" Ich<br />
mich. Ich bremse ein bisschen, aber ir komme nach 1:53:31 Std. an und Helgendwie<br />
werde ich vom Feld gezogen. mut nach 1:33:46 Std. Knapp 20 Minu<br />
Die Strecke ist Natur pur: Wander- und ten Unterschied also. Wieder ein paar<br />
Waldwege. Es geht bergauf und bergab. Sekunden gut gemacht für die Wette.<br />
Am Ende bin ich langsam schlapp, versuche<br />
aber mein Tempo zu halten. Ich In meiner Altersklasse (20-34) waren wir<br />
sehe das Schild "Noch 1 km". Helmut ist nur zu zweit, und in diesem Fall beschon<br />
nach 1:08:43 angekommen und kommt nur die erste einen Preis. Meine<br />
wartet auf mich. Wir laufen die letzten "Konkurrentin" ist heute früh nicht ge<br />
Meter zusammen. Ich erreiche das Ziel startet. Das heißt, dass ich nur durchhalnach<br />
1:22:42 Std. - 14 Minuten Unter ten muss, um den Preis zu bekommen,<br />
schied, d.h. ich habe einen Vorsprung egal wie schnell (na ja, aber nicht zu<br />
von fast 2,5 Minuten für unsere Wette. langsam, sonst verliere ich die Wette!).<br />
Es fängt gut an, aber ich weiß, dass ich Auf dem Rückweg zum Stadion (wo wir<br />
ein solches Tempo nicht halten kann. zelten) gehen wir einkaufen. Dann esmich,<br />
um die Schuhe zu holen (und um<br />
zu übersetzen). Es sind junge Holländer.<br />
Eine Frau gibt mir meine Schuhe zurück<br />
und ich sage "Dankeschön". Ein junger<br />
Mann sagt dazu "Ach, Deutsche!". Ich<br />
will den Ruf der Deutschen nicht be<br />
schädigen und präzisiere, dass ich aus<br />
Frankreich komme.<br />
Ich fand es super nett von dem Paar,<br />
mir bei der Suche geholfen zu haben,<br />
auch wenn es schon 22.30 Uhr war.<br />
Sehr nette Leute.<br />
Tag 3: Keine Lust mehr<br />
Wieder habe ich schlecht geschlafen. Es<br />
war mir immer noch sehr kalt, obwohl<br />
ich in einer' langen Hose und einer Flee<br />
43
ce-Jacke geschlafen habe. Ich halte pen. Ich fühle mich so müde und kraftkeine<br />
Lust mehr zu laufen. los. Ich nehme meinen Trinkgurt mit, um<br />
unterwegs trinken zu können. Damit<br />
muss ich nicht an jeder Verpflegungs<br />
4. Etappe (8,7 km)<br />
steile halten und minutenlang Pause<br />
machen. Ich bin diesmal langsamerlos<br />
Die 4. Etappe ist ein Zeitlauf. Ich laufe<br />
mich warm und habe dabei das Gefühl,<br />
dass ich nicht sehr schnell sein kann. Al<br />
le 30 Sekunden startet ein Läufer. Die<br />
100-km-Läufer fangen an, und es geht<br />
los mit dem Letzten der Zwischen<br />
Ergebnisliste und dann dem Vorletzten,<br />
usw. Hier sieht man wieder, wie gut alles<br />
organisiert ist. Ein Pferdetransporter<br />
steht am Start: Man kommt durch eine<br />
kleine Tür herein, und die hintere Klappe<br />
dient als Startpunkt, wie man es aus<br />
gelaufen und habe das Tempo durchgehalten.<br />
Bei km 10 hatte ich einen<br />
Tiefpunkt, und dann ging's wieder gut,<br />
und nachher habe ich mich ziemlich<br />
wohl gefühlt, und es hat mir Spaß gemacht.<br />
Kurz vor dem Ziel läuft Helmut<br />
mit. Die gefürchtete Etappe ist vorbei.<br />
1:43: 12 Std. für mich, 1:23:53 Std. für<br />
Helmut. Er macht ein paar Minuten gut.<br />
Es bleibt spannend. Alles wird sich bei<br />
der letzten Etappe entscheiden. Abends<br />
gibt es die Pasta-Party.<br />
dem Radrennen kennt. Es läuft eigentlich<br />
gut. Nach anderthalb Kilometer hole I<br />
ich meinen Vordermann ein und überho- L-<br />
Tag 4: Der Sturz<br />
----'!---=....::...:.......::....:..::.:..:..:::....- _<br />
le ihn später. Ich werde auch überholt<br />
und überhole andere Läufer. Ich bin im<br />
Ziel nach 44:48 min. Ich warte auf Helmut<br />
(nur weil er später gestartet ist). Er<br />
kommt nach 36:38 min. an. 8:10 Minuten<br />
Unterschied zwischen' unseren Zeiten,<br />
also fast eine Minute pro Kilometer.<br />
Die Tendenz dreht sich langsam um. Ich<br />
werde langsamer oder Helmut schneller,<br />
oder beides.<br />
Zum Mittagessen gehen wir in die Stadt,<br />
um etwas Warmes zu essen. Leider sind<br />
viele Restaurants zu. Wir essen im "Ca<br />
fe de Paris". Ich fand, es hatte von Paris<br />
nur den Namen. Am Nachmittag bin ich<br />
noch ein wenig eingeschlafen.<br />
5. Etappe (18,784 km)<br />
Diese Etappe habe ich so gefürchtet.<br />
Zum Schluss kommen zwei lange Etap<br />
44<br />
Sylvie Honnet auf der Strecke<br />
An dem Tag habe ich länger geschlafen<br />
und konnte mich nur mit viel Aufwand<br />
aus dem Schlafsack ausrollen. Wenigstens<br />
hatte ich ganz gut geschlafen<br />
(diesmal mit 2 Hosen und 2 Jacken) und<br />
ich freute mich auf den kommenden<br />
Lauf.<br />
6. Etappe (21,243 km)<br />
Dank meines Vorsprungs für die Wette<br />
darf ich heute 25 Minuten nach Helmut<br />
ankommen. Er meint, dass er es unter<br />
1:30 Std. nicht schafft. Also sollte ich<br />
nach ca. 1:55 Std. ankommen. Ich will<br />
den Lauf genießen, und da er ziemlich<br />
lang ist, bin ich gemütlich losgelaufen.<br />
Ich fühle mich gut, der Wald ist schön,<br />
das Wetter ist auch okay. Und plötzlich<br />
passiert es. Ich stolpere über eine Wurzel.<br />
In einer Reflexbewegung strecke ich<br />
die Hände nach vorne. Ich lande auf<br />
dem rechten Handgelenk, und durch<br />
den Schwung (ich war aber nicht so<br />
schnell!) rolle ich auf den Boden. Zum<br />
Glück war es an der Stelle nicht matschig.<br />
Ich stehe wieder auf, ich hatte<br />
Angst um mein Knie. Ich gucke ganz<br />
schnell, kein Blut, weiter geht's. Meine<br />
Hände sind dreckig, meine Beine sind<br />
dreckig und am Schlimmsten: mein<br />
Lieblings-T-Shirt ist dreckig! Es tut weh<br />
an ein paar Stellen, aber es hindert mich<br />
nicht zu laufen. Heute finde ich, dass die<br />
Schilder 5, 10, 15 km relativ schnell erscheinen.<br />
Ich schaue auf meine Uhr:<br />
1:55 Std. sind noch drin. Unterwegs sehe<br />
ich den Fotografen, und er sagt so<br />
etwas wie: "Gut, es ist nicht mehr weit,<br />
noch 2 Kilometer". Ich war mir nicht sicher,<br />
ob er "zwi" oder "dri" gesagt hat.<br />
Ich frage noch mal und verstehe 2.<br />
Nachher überhole ich eine Französin<br />
und sage ihr: "Komm, wir haben es fast<br />
geschafft, noch knapp 2 km". Ihre Fahrradbegleitung<br />
sagt "Sind es nicht drei?<br />
Ich habe 'drei' verstanden". Hmmmm,<br />
also schaffe ich es nicht mehr unter 1:55<br />
Std. Egal, ich laufe weiter. Und schon<br />
laufe ich an dem Schild "20 km" vorbei.<br />
Ein paar Franzosen sind auf der Strecke<br />
und feuern mich an. Ich komme ins Stadion.<br />
Helmut ist da, schon geduscht. Ich<br />
versuche, einen Endspurt zu laufen, aber<br />
die 200 oder 300 Meter. auf der<br />
Bahn erscheinen mir super lang. Endlich<br />
das Ziel. Die 100 km habe ich geschafft!<br />
Meine Zeit: 1:54:22 Std., Helmuts Zeit:<br />
1:33:13 Std. Wette gewonnen!<br />
Helmuts Gesamtzeit: 7:20:26 Std. und<br />
10. im Gesamtklassement, meine Gesamtzeit:<br />
8:56:06 Std.<br />
Nach der Dusche essen wir schnell<br />
noch etwas, bauen die Zelte ab und<br />
bringen alles zum Auto. Dann findet die<br />
Siegerehrung statt. Als 1. (und einzige)<br />
meiner Altersklasse habe ich einen Korb<br />
mit Wurst, Senf, Himbeermarmelade,<br />
Nüssen, Walnüssen, Mandeln, einem<br />
Trinkglas und einer Flasche Wein bekommen.<br />
Mir wurde sogar auf französisch<br />
gratuliert! Nachher machen wir<br />
uns auf den Weg nach Hause. Am Tag<br />
danach merke ich vom strapaziösen<br />
Wochenende nichts in den Beinen, sondern<br />
am rechten Handgelenk wegen des<br />
Sturzes. Und langsam könnte ich das<br />
Medoc-Marathon-Training anfangen; ich<br />
habe jetzt genug Material dafür.<br />
Fazit: Dieser Etappenlauf ist sehr zu<br />
empfehlen. Die Helfer, Veranstalter und<br />
<strong>Teil</strong>nehmer sind alle sehr nett. Die Stimmung<br />
war immer freundlich, und das<br />
Laufen hat einfach Spaß gemacht, auch<br />
wenn es anspruchsvoll war. -<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
In der <strong>DUV</strong>-Bestenliste im 6-Stunden-Lauf<br />
wird Sylvie Honnet derzeit mit 57,372 km geführt.
05./06.05.05<br />
Sieben-Seen-Wanderung<br />
über 100 km<br />
rund um Markkleeberg<br />
Andreas Gelhaar<br />
Die Idee kam von den beiden überholzer<br />
Läufern Bernd Dülsner und Volker<br />
Pflüger. Zum Mitmachen konnte ich<br />
mich recht schnell entschließen, was<br />
sollte passieren: einige Hunderter bin<br />
ich schon gelaufen, jedes Jahr den großen<br />
Rennsteiglauf und die 50 km "Rund<br />
um Leipzig". Da hatte ich eigentlich keine<br />
Bedenken, die Sache mal in Angriff<br />
zu nehmen.<br />
Die Meldung mit einer Startgebühr von<br />
10 Euro (!) machte ich erst kurz vor dem<br />
Start. Mit der darin enthaltenen Nachmeldegebühr<br />
von einem Euro ein wohltuender<br />
Unterschied zur weit verbreiteten<br />
Unsitte bei Marathonläufen, bei einer<br />
Meldung kurz vor dem Starttag bis<br />
zum Doppelten berappen zu müssen.<br />
Solche Konditionen sind sicherlich nur<br />
möglich mit starken und engagierten<br />
Sponsoren und vielen ehrenamtlichen<br />
Helfern im Rücken. Und davon hatte<br />
das Team um Cheforganisator Wolfgang<br />
Flohr scheinbar im Überfluss. Den<br />
ersten Eindruck davon erhalten die über<br />
400 Starter bereits nach 10 km, wo der<br />
Vergnügungspark Belantis für alle Wanderer<br />
über 20, 35, 50 und 100 km die<br />
Tore geöffnet hat. Nicht nur ein gutes<br />
Versorgungsangebot mit Gulaschsuppe,<br />
Bratwurst und großer Getränkeauswahl,<br />
sondern auch die Begrüßung durch einen<br />
Moderator und die Geschäftsführung<br />
sind wohl nicht unbedingt als<br />
Selbstverständlichkeit anzusehen. Nach<br />
Verabschiedung von den 10-km-Wanderern<br />
geht es ab in die Dämmerung<br />
immer entlang am zukünftigen Zwenkauer<br />
See. Das Wetter fällt mit hin und<br />
wieder leichten Schauern zum Glück<br />
etwas besser aus als die Prognose. Der<br />
befestigte Weg entlang der Tagebaukante<br />
hat Baustraßencharakter und ist<br />
gut zu laufen. Dass ich mich bei der<br />
Wahl zwischen Laufschuh und festem<br />
Bergschuh für letzteren entschieden hatte,<br />
scheint sich als richtig zu erweisen.<br />
Der Kontrollpunkt K4 (km 23) am Kap<br />
Laura bei Zwenkau ist ebenso wie die<br />
nachfolgenden in Gaschwitz sowie im<br />
Böhlener und Röthaer Rathaus mitten in<br />
der Nacht mit zahlreichen Helfern besetzt.<br />
Das Verpflegungsangebot lässt<br />
100 Kilometer tür zehn Euro<br />
keine Wünsche offen. Den Weg zu den<br />
Kontrollpunkten kann man nicht verfehlen,<br />
zahlreiche Fackeln weisen den<br />
Weg. Nach dem Weitermarsch vom Kap<br />
Laura fällt uns schon von weitem eine<br />
Lichterkette auf. Es sind Fackeln, die<br />
den Weg entlang der Lindenallee zum<br />
Trianon, einer stilisierten Ruine des ehemaligen<br />
Schlosses Eythra, weisen.<br />
Freunde des Heimatvereins haben extra<br />
für diese Wanderung über Notstromaggregate<br />
betriebene Scheinwerfer zum<br />
Anleuchten der Ruine installiert und die<br />
Fackeln bei dem recht starken Wind und<br />
Regenschauern am Brennen erhalten.<br />
Eine kurze Erläuterung informiert die<br />
einzelnen Wandergruppen.<br />
Bei unserem Dreierteam läuft es gut,<br />
zeitweise sind wir rrlit einem 5er Schnitt<br />
ganz flott unterwegs. Beim K5 (km 32) in<br />
Gaschwitz zweigt die 35-km-Strecke ab.<br />
Bernd versorgt seine beginnende Blasenbildung,<br />
was den beiden die Wanderung<br />
begleitenden Fotografen eine ganze<br />
Bildserie wert ist.<br />
Volker Pflüger und Andreas Gelhaar (rechts) geschafft im Ziel<br />
Nach dem Kontrollpunkt K8 bei km 42 in<br />
der Espenhainer Schule geht es in Richtung<br />
Halbzeit. Die Halde Trages gehen<br />
wir über den allmählich ansteigenden<br />
asphaltierten Weg hinauf, den wir vom<br />
Südraum-Marathon kennen, und den wir<br />
dabei aber abwärts laufen. Dass es in<br />
Verlängerung dieses <strong>Teil</strong>stückes noch<br />
mal mindestens genauso lang weiter<br />
aufwärts geht, ist uns neu und zumindest<br />
für mich recht frustrierend. Es läuft<br />
bei mir zunehmend unrund. Ich bemerke<br />
Bereiche meiner Muskulatur recht inten-<br />
siv, die ich vom Laufen überhaupt nicht<br />
kenne und die ich meinte, beim Wandern<br />
nicht zu brauchen. Der untere Bereich<br />
des linken Schienbeins schmerzt.<br />
Am km 53 am Sportplatz Thierbach sind<br />
kurz nach 5 Uhr wieder eine Menge Helfer<br />
im Einsatz, einfach beeindruckend,<br />
dieses Engagement für diese doch etwas<br />
verrückte Schar von Ausdauerbesessenen.<br />
Die Begrüßung erfolgt so<br />
quasi mitten in der Nacht durch den<br />
Bürgermeister und den Vorsitzenden<br />
vom Heimatverein. Neben wie schon<br />
gewohnt umfangreichem Verpflegungsangebot<br />
kann man auch eine professionelle<br />
Massage in Anspruch nehmen. Ich<br />
fühle mich schlecht und sehe wohl auch<br />
so aus. Endlich kann ich wieder sitzen.<br />
Volker versorgt mich mit Trinken und<br />
Essen. Ich erinnere mich nicht, dass ich<br />
mich in den letzten Jahren nach dem<br />
großen Rennsteig einmal ähnlich<br />
schlecht gefühlt habe, und wir sind bisher<br />
erst 53 km gewandert. Wenn wir<br />
jetzt bei km 80 wären, dann wäre das<br />
Durchbeißen keine Frage, aber noch 12<br />
Stunden in dem Zustand! Meine Gedanken<br />
beschäftigen sich intensiv mit dem<br />
Aussteigen. Johannis Bergmann vom<br />
ürganisationsteam, der in 14 Tagen<br />
auch den großen Rennsteig laufen will,<br />
bestärkt mich in meinen Gedanken.<br />
Aber ich habe doch für 100 km gemeldet!<br />
Bernd muss aufhören, massive Luftbereifung<br />
der Fußsohlen. Volker überredet<br />
mich, es noch ein Stück zu versuchen.<br />
45
Das erste Stück geht es ganz gut, dann<br />
wird es wieder schwer. Zum Glück habe<br />
ich keine Blasen. Über den K10 Aussichtspunkt<br />
Bockwitzer See am km 58<br />
geht es weiter bis zur Mühle Schönau.<br />
Wiederum eine liebevolle Versorgung.<br />
Die "Windmühlenmutter" spielt Akkordeon<br />
und versucht damit einen kleinen Motivationsschub<br />
zu erreichen.<br />
Es geht weiter. Zuerst halbwegs rund,<br />
dann fängt es wieder an zu schmerzen.<br />
Wir treffen Günter, einen erfahrenen<br />
Wanderer aus Mölbis, der unser Tempo<br />
läuft und sind damit wieder ein Trio. Wir<br />
diskutieren die Unterschiede zwischen<br />
Laufen und Wandern mit dem zweifelsfreien<br />
Ergebnis, dass wir Läufer die Anforderungen<br />
an die "Disziplin" Wandern<br />
vollständig unterschätzt haben und dass<br />
ich zukünftige Ultra-Veranstaltungen<br />
wieder laufen werde. Diese sind zwar<br />
zum Schluss auch schwer, aber diese<br />
Phase dauert wenigstens nicht so lange:<br />
Dass die nächste KontrollsteIle Schloss<br />
Steinbach (km 74) bei Bad Lausick ist,<br />
das Ziel aber in Markkleeberg, ist angesichts<br />
der mir bekannten Entfernung<br />
zwischen den beiden Orten in meiner<br />
Verfassung ein mentaler Schlag. Die<br />
Motivation wird immer schwerer. Die<br />
Müdigkeit war bis jetzt kein Problem,<br />
jetzt kommt es aber doch ab und zu zum<br />
ganz klein der Baukran der Baustelle<br />
BAB A 38 zu sehen. Dort müssen wir<br />
noch hin! Von unserem 3er-Team sieht<br />
Günter am Besten aus. Volker hat auf<br />
Grund seiner Blasen keinen runden<br />
Gang mehr, ich sehe sicher nicht viel<br />
besser aus. Wir wandern mit Automatismus,<br />
es gibt nur einen Gedanken:<br />
Zieleinlauf = Ende der Schmerzen. Letzte<br />
Pause an der K15 im Modellpark in<br />
Auenhain - noch 5 km, eine ganze lange<br />
Stunde.<br />
Dann endlich in Markkleeberg im Ziel.<br />
Erste Begrüßung durch Bernd, auch<br />
meine Frau und die jüngste Tochter sind<br />
da. Der Cheforganisator und der Oberbürgermeister<br />
von Markkleeberg begrüßen<br />
uns persönlich. Es gibt für jeden eine<br />
Rose, sofort eine Urkunde und einen<br />
Verzehrbon, der umgehend in ein erstes<br />
Bier umgesetzt wird. Endlich sitzen,<br />
endlich nicht weiter müssen - herrlich!<br />
Fazit 1: Eine mit sehr viel Engagement<br />
organisierte Veranstaltung, die unbedingt<br />
empfohlen werden kann (es müssen<br />
ja nicht 100 km sein).<br />
Fazit 2: Läufer, unterschätzt nicht das<br />
Langstrecken-Wandern. <br />
fordert hatte, sind alle nur in Französisch<br />
bei mir im Briefkasten gelandet.<br />
Selbst auf Internetseiten der Veranstalter<br />
ist nicht ein Wort in Deutsch. Dazu<br />
zählt sogar die französische Schweiz.<br />
Onlineanmeldung und Bezahlung erfolgten<br />
Ende Februar ohne Probleme. Zwei<br />
Wochen vor dem Lauf lagen die Startnummern<br />
von meinem Sohn Pierre und<br />
mir im Briefkasten. Das hieß für uns,<br />
dass wir völlig entspannt nach La Roche<br />
in den Ardennen fahren konnten. Um<br />
04.30 Uhr am Sonntag, den 5. Juni,<br />
machten wir uns auf die Socken. Schon<br />
auf der 'Hinfahrt bot uns die Landschaft<br />
der Ardennen schöne Ein- und Ausblicke.<br />
Um 07.00 Uhr kamen wir in La Roche<br />
und am "Centre de Sportif' an, wo<br />
sich Start und Ziel befanden. Im Foyer<br />
der Sporthalle hing an einer Tafel der<br />
Streckenplan vom diesjährigen Marathon.<br />
Dieser hatte mit der Laufstrecke in<br />
2004 so gut wie gar nichts mehr gemeinsam.<br />
Der Veranstalter hatte für seinen<br />
2. Naturmarathon eine völlig neue<br />
Runde aus dem Ärmel gezaubert. An<br />
Hand der Ausschreibung, die überall<br />
auslag, hatten sich auch die zu erlaufenden<br />
positiven Höhenmeter von 750 in<br />
2004 auf 850 in diesem Jahr erhöht.<br />
Pünktlich um 09.30 Uhr erfolgte bei trockenem<br />
Wetter der Start. 155 <strong>Teil</strong>nehmer,<br />
davon nur 9 Läufer aus Deutsch-<br />
Einnicken. Dass die Wanderstrecke ,-----------------., land, liefen durch La Roche, vorbei an<br />
durch einen schönen Wald führt oder<br />
aber vorbei an blühendem Raps, belegt<br />
die landschaftlich reizvolle Streckenfüh<br />
. rung, ist aber für mich leider keine wirkliche<br />
Beflügelung. Zwischendurch werden<br />
immer wieder Lageberichte über<br />
Handy von Verwandten und Freunden<br />
abgefragt. Mit unserer optimistisch eingefärbten<br />
Situationsschilderung machen<br />
wir uns Mut.<br />
An der K13 in der Orangerie in Mölbis<br />
wird Günter in seinem Heimatort von<br />
. mehreren Bekannten begrüßt. Endlich<br />
wieder sitzen, sogar etwas hinlegen<br />
kann ich mich. Eigentlich geht es nicht<br />
mehr, aber jetzt sind wir schon so weit.<br />
Bei Volker setzt jetzt auch langsam die<br />
Bildung von Luftbereifung ein. Weiter.<br />
Bis in die Neuseenland-Galerie in<br />
Dreiskau-Muckern (km 87) mit einem<br />
riesigen Versorgungsangebot ist es<br />
zwar nur eine dreiviertel Stunde, aber<br />
auch die tut weh. Heike vom Organisationsteam<br />
macht uns Mut: Nur noch 13<br />
km. Das sind noch fast 3 lange Stunden!<br />
Beim Laufen hat man das in der Hälfte<br />
der Zeit locker hinter sich.<br />
Mental richtig schwer wird es jedoch erst<br />
jetzt: Vom Aussichtspunkt Störmthaler<br />
See kann man die weiter entlang der<br />
Tagebaukante zu absolvierende Strecke<br />
am Störmthaler und Markkleeberger<br />
See sehr weit einsehen. Am Horizont ist<br />
46<br />
Naturmarathon in<br />
den Ardennen<br />
05.06.05<br />
"Naturmarathon in den Ardennen"<br />
in La Rocne (F)<br />
Wolfram Brunnmeier<br />
Beim Königsforst-Marathon im Jahr<br />
2004 klemmte hinter dem Scheibenwischer<br />
meines Autos eine Ausschreibung<br />
vom" 1. Großen Naturmarathon im Herzen<br />
der Ardennen". Leider konnten Marita<br />
und ich an diesem Landschaftslauf<br />
nicht teilnehmen, da wir uns zu diesem<br />
Zeitpunkt in Liechtenstein befanden. Für<br />
2005 wurde dieser Lauf aber dank des<br />
hervorragend gestalteten Flyers (in drei<br />
Sprachen) in unseren Terminkalender<br />
eingetragen. Mittlerweile habe ich sowieso<br />
festgestellt, dass unsere ausländischen<br />
Nachbarn so gut wie keine Werbung<br />
für ihre Laufveranstaltungen in<br />
Deutschland machen (umgekehrt bestimmt<br />
genauso). Im Grenzbereich sieht·<br />
man ab und an einige Flyer. In dieser<br />
Beziehung schießen die Franzosen den<br />
Vogel ab. Sämtliche Flyer, die ich ange<br />
einem alten amerikanischen Panzer aus<br />
dem 2. Weltkrieg. Der Startort La Roche<br />
liegt auf 220 Meter über NN. Der höchste<br />
zu erlaufende Punkt war bei "Creix<br />
des Marchands" auf 530 Meter über NN.<br />
Das Höhendiagrammzeigte mir, dass<br />
es bei diesem Marathon ständig auf<br />
und ab gehen würde. Über die Hälfte<br />
der Strecke führte über Forstwege,<br />
schmale Trampelpfade, grasbewachsene<br />
Schneisen und mit Wurzeln und<br />
Steinen gespickte Waldwege. Noch im<br />
Ort kam der erste steile Anstieg. Nachdem<br />
ich diesen Anstieg geschafft hatte,<br />
folgte wenig später ein noch steilerer<br />
Anstieg auf einem schmalen crossigen<br />
Pfad durch ein Eichenwäldchen aus La<br />
Roche hinaus. Gott sei Dank regnete es<br />
nicht, sonst wäre es hier zu Rutschpartien<br />
gekommen. Nach diesem Aufstieg<br />
erreichte ich oben auf dem Scheitel einen<br />
breiten, gut zu belaufenden Forstweg.<br />
Vorbei an einer Weide mit vielen<br />
Eseln gab es bei Kilometer 4 schon die<br />
erste, gutbestückte Verpflegungsstelle.<br />
Ab hier ging es dann bergab. Je tiefer es<br />
durch den Wald ging, desto matschiger<br />
wurde der Forstweg. Am tiefsten Punkt<br />
musste ich sogar einen querenden Bach<br />
überspringen. Bei Kilometer 8 ging es<br />
dann so richtig zur Sache. Hier nämlich<br />
galt es, richtig einzufädeln. Überholen<br />
war auf diesem schmalen Pfad, steil<br />
bergan am Hang, nicht mehr möglich.<br />
Und je höher es ging, d.esto mehr Windungen<br />
machte dieser Trampelpfad.
Hier wurde ich auf das Tempo meiner<br />
Vorderleute heruntergebremst. Nach<br />
Verlassen dieser Waldpassage erreichte<br />
ich auf den Höhen der Ardennen offenes<br />
Gelände und den höchsten Punkt auf<br />
530 Metern über NN am "Creix des<br />
Marchands". Auf einem asphaltierten<br />
Wirtschaftsweg, wo ich von einer Jagdgesellschaft<br />
den Marsch geblasen bekam,<br />
ging es einige Kilometer ziemlich<br />
eben zur ersten kleinen Ortschaft, die<br />
ich in einiger Entfernung erkennen konnte.<br />
Kaum war ich in dem kleinen Ort,<br />
schon war ich auch wieder draußen, und<br />
der Wald hatte mich<br />
wieder. Der folgende<br />
Forstweg, immer bergab,<br />
verdiente diese Bezeichnung<br />
überhaupt<br />
nicht. Matsch und mit<br />
Regenwasser gefüllte<br />
Fahrrinnen ließen kein<br />
gleichmäßiges Laufen<br />
zu. Nachdem ich die<br />
zweite kleine Ortschaft<br />
(Berismenil) durchlaufen<br />
hatte, ging es steil abwärts<br />
zu dem Flüsschen<br />
Ourthe, das auch durch<br />
La Roche fließt. Nach<br />
etlichen Kilometern, immer<br />
entlang der Ourthe,<br />
erreichte ich in dem Örtchen<br />
Maboge die<br />
Ourthe und den tiefsten<br />
Punkt des Marathons.<br />
Nach dessen Überquerung<br />
ging es sofort aus<br />
dieser Ortschaft hinaus<br />
und wieder bergauf in<br />
den Wald hinein. Viel<br />
neues bot der folgende<br />
Abschnitt nicht. Der Untergrund<br />
des Waldweges<br />
wurde mit jedem<br />
Meter matschiger und<br />
führte selten mehr als<br />
ein paar hundert Meter geradeaus.<br />
Schon kam die nächste Biegung, kam<br />
der nächste Abzweig. Der Untergrund<br />
hier wechselte ständig zwischen<br />
schlecht und sehr schlecht. Eigentlich<br />
ein Traum für Freunde des Geländelaufens.<br />
Kurze Anstiege bei diesem Naturmarathon<br />
sind hier so gut wie gar nicht<br />
zu finden.<br />
Meistens ziehen sich die Anstiege über<br />
einige Kilometer hinweg. Nachdem ich<br />
dieses Waldstück verlassen hatte,<br />
musste ich über eine Wiese zum "Croix<br />
du Ried Monti" laufen. In der Ferne<br />
konnte ich mal wieder eine Ortschaft erkennen,<br />
zu der ich laufen musste. In<br />
diesem Ort Hubermont bei Kilometer 27<br />
musste als Schmankerl durch einen<br />
Kuhstall gelaufen werden. Immer noch<br />
ging es stetig bergan auf den Höhen der<br />
Ardennen zu einem weiteren Verpflegungsstand<br />
am zweithöchsten Punkt<br />
dieses Marathons auf 445 Meter über<br />
NN. Kaum einer der <strong>Teil</strong>nehmer benutz<br />
te diese Versorgungsstände nur so im<br />
Vorbeilaufen, denn hier gab es fast al-'<br />
les. Neben Wasser, Iso, Bananen, Rosinen,<br />
Orangenstücken, Trockenobst und<br />
Waffeln gab es sogar Minimuffins. Hier<br />
zeigt sich deutlich der Unterschied zu<br />
den Stadtmarathons, die solch eine Vielfalt<br />
nicht aufbieten können. Darum liebe<br />
ich die Landschaftsläufe. Nach diesem<br />
Verpflegungsstand verschwand ich direkt<br />
wieder in den Wald, lief auf einer<br />
grasbewachsenen Waldschneise mit<br />
blühendem Ginster. Bei Kilometer 35,<br />
nun wieder auf den Höhen der Arden-<br />
Zu einem ordentlichen Marathon gehört auch eine Treppe ...<br />
nen, musste ich abermals über einen<br />
Wiesenweg laufen, um im nächsten Moment<br />
im Wald zu verschwinden. Hier<br />
begann der heftige Abstieg auf einem<br />
unebenen Waldpfad ins Tal des .Flüsschens<br />
Ride Bronse. Die Streckenmarkierer<br />
haben vorzüglich gearbeitet. Jeder<br />
Kilometer war gekennzeichnet, und<br />
an unübersichtlichen Stellen waren Hinweisschilder<br />
angebracht worden. Verlaufen<br />
war so eigentlich unmöglich,<br />
selbst wenn man allein läuft. Oberhalb<br />
und entlang dieses Flüsschens auf einem<br />
matschigen und sehr schmalen<br />
Singletrail wurde noch einmal eine gute<br />
Koordination gefordert. Rechts der Berg,<br />
links der steile Abhang. Nachdem ich<br />
auch diesen Streckenabschnitt schadlos<br />
überstanden hatte, erreichte ich bei Kilometer<br />
38 die Fahrstraße nach La Roche.<br />
Unendlich lang zog sich dieser<br />
Streckenteil bis zum Ortseingang hin. In<br />
La Roche kam ich dann an die Ourthe.<br />
Hier musste ich auf einem Leinpfad zur<br />
Landstraße N 89 laufen. Einen Kilometer<br />
vor dem Ziel am "Complexe de<br />
Sportif' galt es, etliche Stufen hinauf zu<br />
dieser Landstraße zu überwinden - nach<br />
41 Kilometern nicht ohne Wirkung. Wieder<br />
auf dem Leinpfad laufend, erreichte<br />
ich dann nach 4:04:37 Stunden das Ziel.<br />
Dort wurde ich von schon von Marita<br />
empfangen. Dies war ein wunderschöner<br />
Naturmarathon in einer herrlichen<br />
Landschaft. Schade, dass für diesen<br />
Marathon bei unseren belgischen Freunden<br />
in Deutschland so wenig Werbung<br />
gemacht wird. Gerade einmal zwei Hände<br />
voll <strong>Teil</strong>nehmer aus Deutschland hatten<br />
den Weg nach La Roche in den Ardennen<br />
gefunden. Einziger Wermutstropfen<br />
dieser Veranstaltung waren die<br />
stark verschmutzten und baufälligen Duschen.<br />
Diesen Naturmarathon kann ich<br />
aber bestens empfehlen.<br />
Fahrt nächstes Jahr hin und überzeugt<br />
Euch selbst! Er ist nicht einfach zu laufen,<br />
der Monschau-Marathon kann von<br />
der Schwere her nicht mit ihm konkurriernn.<br />
•<br />
Läufer<br />
Das Laufen ist Naturgesetz <br />
erst laufend in der Savanne<br />
richtete sich der Affe auf.<br />
Es wuchs das Affenkind zum Manne<br />
beim Jagen und beim Lauf.<br />
Beim Schachspiel setzten die Erfinder<br />
den Läufer neben ihren König.<br />
Er schlägt die Schneisen<br />
und ist der Verbinder,<br />
greift an, schafft Raum nicht wenig.<br />
Beim allerbesten Spiel der Spiele<br />
der Läufer viel entscheidet.<br />
Er läuft und stürmt, kämpft in dem<br />
Spieigewühle.<br />
Er ist's, der alle Züge leitet.<br />
Ich seh' die große Zeit<br />
des Laufens kommen <br />
wenn alle Autos steh'n,<br />
ein einz'ger Stau.<br />
Dann werden die Beine wieder in die<br />
Hand genommen <br />
dann wird der Mensch erst schlau.<br />
Der Läufer ist der letzte Mensch auf<br />
dieser Welt.<br />
Ob's brennt und hagelt, tobt<br />
und schneit,<br />
die Erde bebt - kein Auto weit und breit.<br />
Er kommt davon,<br />
und sei der Weg sooo weit: .<br />
Er läuft um's Leben und<br />
fü(s letzte Fersengeld.<br />
Hans-Georg Brandner<br />
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11.06.05<br />
LGT Alpin Marathon in<br />
Liechtenstein<br />
Wolfram Brunnmeier<br />
Die erste größere Laufreise für Pierre<br />
und mich war das 2. Wochenende im<br />
Juni. Mein Sohn musste wieder für seine<br />
Mama einspringen, weil bei ihr durch die<br />
Arthrose im Fuß noch nicht an ein Laufen<br />
zu denken war. So fuhren wir zwei<br />
Männer am Freitag über Frankfurt,<br />
Würzburg, Memmingen und Lindau<br />
nach Liechtenstein. Da der letztjährige<br />
LGT Alpin wettermäßig in die<br />
Hosen ging, sollte dieses Mal unter<br />
besseren Bedingungen am Liechtenstein-Marathon<br />
teilgenommen<br />
werden. Eine Woche vor diesem<br />
Ereignis begann ich täglich den<br />
Wetterbericht auf RTL zu beobachten.<br />
Die Großwetterlage hörte sich<br />
leider überhaupt nicht gut an. Ausgerechnet<br />
jetzt kam die so genannte<br />
Schafskälte. Vielleicht hatten wir<br />
doch noch Glück. Vorsorglich wollte<br />
ich aber meine Handschuhe einpacken.<br />
Wie in 2004 hatte ich auch in diesem<br />
Jahr das gleiche Hotel im Zielort<br />
Malbun gebucht. Das Ummelden<br />
auf meinen Sohn, Wochen vorher<br />
per E-Mail angekündigt, bereitete<br />
keine Schwierigkeiten. Nachdem<br />
ich Pierre zum Einstimmen auf diesen<br />
Lauf meinen Bericht vom vorherigen<br />
Jahr hatte lesen lassen,<br />
musste er erstmal tief durchatmen.<br />
1.800 positive Höhenmeter, auf 32<br />
Kilometer verteilt, ließen ihn erschrecken.<br />
Dieser Marathon sollte<br />
sein erster im alpinen Gelände<br />
werden. Seine bisherigen größten<br />
Landschaftsläufe waren 2 x die<br />
Harzquerung, 2 x Rennsteig u,nd<br />
einmal die 50 km beim Westerwaldlauf.<br />
Im Stillen träumte ich von<br />
einer tollen Leistung, denn die ersten<br />
flachen 10 Kilometer kamen ihm<br />
als Einlaufphase prima entgegen.<br />
Das sofortige Einsteigen in den<br />
Berg direkt nach dem Start liegt ihm<br />
jedoch nicht so besonders.<br />
Heute ist Mittwoch, und irgendetwas<br />
braut sich in meinem Körper zusammen.<br />
Die 2. Nachthälfte hatte ich<br />
überhaupt nicht mehr gut geschlafen.<br />
Ich bekam Schmerzen in der Nierenund<br />
der Leistengegend. Auch der Kopf<br />
dröhnte, und ich befühlte eine heiße<br />
Stirn. Fieberthermometer hervorgehalt<br />
50<br />
. und rektal eingeführt. Echt super, 38<br />
Grad zeigte mir dieses Ding an. Das<br />
fehlte mir noch, dass ich vor diesem<br />
schönen Bergmarathon krank würde. Irgendetwas<br />
muss beim Ardennen<br />
Marathon passiert sein. Den ganzen<br />
Donnerstag hatte ich flach gelegen und<br />
die Bettdecke bis ans Kinn gezogen.<br />
Das Medikament, das ich nehmen<br />
musste, hatte mich vollends aus den<br />
Latschen gehauen. Die Nebenwirkungen<br />
in Form von Übelkeit, Kurzatmigkeit<br />
und innere Unruhe traten hervor. Freitagmorgen<br />
um drei Uhr ging es dann<br />
los. Erst mal musste ich mir zwei Aspirin<br />
reinpfeifen, um das Dröhnen in meinem<br />
Kopf los zu werden. Während der siebenstündigen<br />
. Autofahrt nach Malbun<br />
Diesen herrlichen Blick konnte Wolfram genießen<br />
musste diese Prozedur noch einmal<br />
wiederholt werden. Da wir bis zur Abho<br />
Jung unserer Startunterlagen um 17 Uhr<br />
noch reichlich Zeit hatten, haute .ich<br />
mich aufs Bett und schlief erst mal eine<br />
Runde. Als wir um 17 Uhr von Malbun<br />
nach Bendern fuhren, hatte sich an mei<br />
nem desolaten Zustand nichts verändert.<br />
Wieder musste ich zwei Aspirin<br />
nehmen. Das andere Medikament (Paracetamol<br />
Stada) gegen meine Nierenund<br />
Leistenschmerzen hatte ich mittlerweile<br />
abgesetzt. Die Nacht zum Samstag<br />
schlief ich sehr schlecht, auch hatte<br />
ich viel geschwitzt, so dass ich mein<br />
Nachtshirt einmal wechseln musste.<br />
Samstag, Tag des Marathons. Es war<br />
zwar mit minus 1 Grad in Malbun sehr<br />
frisch, dafür war aber das Wetter okay.<br />
Blauer Himmel mit einigen Wolken bescherte<br />
uns ein beeindruckendes Alpenpanorama.<br />
Pierre war so was von begeistert,<br />
hatte er doch noch nie die Alpen<br />
in Natura gesehen. Kurz vor dem<br />
Start um 9 Uhr kam<br />
ich nicht umhin, noch<br />
mal zwei Aspirin zu<br />
schlucken. Ich wurde<br />
den Brummschädel<br />
einfach nicht los. Dafür<br />
versprach mir Pierre,<br />
ohne Wenn und<br />
Aber diesen Bergmarathon<br />
mit mir gemeinsam<br />
zu laufen.<br />
Die ersten flachen 11<br />
Kilometer bis nach<br />
Vaduz verliefen optimal.<br />
Wir hatten einen<br />
5er-Schnitt, und ich<br />
machte hier und da<br />
einige Fotostopps.<br />
Die Sonne stieg immer<br />
höher, und mit<br />
ihr auch die Temperatur.<br />
In Vaduz kam<br />
dann der erste Anstieg<br />
hinauf zum<br />
Schloss des Fürsten<br />
von Liechtenstein.<br />
Hier zog Pierre davon,<br />
wartete aber<br />
immer auf mich,<br />
wenn er mich nicht<br />
mehr sah. Ich fing an<br />
zu gehen, viel zu<br />
früh. Hinter dem<br />
Schloss, bei Kilometer<br />
13, beim Einstieg<br />
in den Wald, konnte<br />
ich nur noch wandern.<br />
Lang, unendlich<br />
lang, zog sich der<br />
Waldweg in Serpentinen,<br />
steil den Berghang<br />
hoch. An ein<br />
Laufen war gar nicht mehr zu denken.<br />
Selbst das Wandern viel mir immer<br />
schwerer. Zwei, drei Serpentinen über<br />
mir konnte ich meinen Sohn laufen sehen.<br />
Er tat mir unendlich leid, dass er<br />
auf seinen schlappen Vater immer wieder<br />
warten musste. Nachdem ich dies
ses Steilstück endlich geschafft hatte<br />
und wir den Wald verließen, traf mich<br />
die Sonne wie eine Keule. Wasser,<br />
Wasser waren meine einzigen Gedanken.<br />
Ich, sehnte die Verpflegungsstelle<br />
bei Kilometer 15 förmlich herbei. Anlaufen<br />
nach jeder Pause ging so gut wie<br />
gar nicht mehr. Selbst das Wandern den<br />
Berg hoch bereitete mir Mühe. Ich konnte<br />
dem Schritt von meinem Sohn kaum<br />
noch folgen. Bei Kilometer 19 machte<br />
ich der Qual für Pierre ein Ende. Ich<br />
drückte ihm meinen Fotoapparat in die<br />
Hand und sagte: "Bei Kilometer 25 in<br />
Steg mache ich Schluss, es geht nicht<br />
mehr, mache soviel Bilder wie möglich,<br />
in Malbun am Hotel werde ich auf dich<br />
warten." Ich glaube, er war glücklich,<br />
dass er nun von dannen ziehen konnte.<br />
Wie Pierre seinen ersten Marathon in<br />
den Bergen mit mir bzw. ohne mich erlebt<br />
hat, wird er gesondert berichten.<br />
Nachdem ich alleine war und es geschafft<br />
hatte, den Scheitel bei Kilometer<br />
21 zu erreichen, sah ich unten im Tal<br />
das Dörfchen Steg und mein Ende liegen.<br />
Da es ab hier nur noch abwärts<br />
ging, versuchte ich, auf diesem steilen<br />
Bergabstück wieder zu laufen. Dieser<br />
Versuch scheiterte nach wenigen Metern<br />
kläglich. Ich schaffte es noch nicht<br />
einmal, bergab zu laufen. Rien ne va<br />
plus, nichts geht mehr. 4 Kilometer<br />
Wandern in der prallen Sonne zogen<br />
sich unendlich lange dahin. Gott sei<br />
Dank hatten wir ein bombastisches Wetter.<br />
Nicht auszudenken, wir hätten das<br />
Wetter vom letzten Jahr gehabt. Endlich<br />
hatte ich es geschafft und nach 3:45<br />
Stunden die Zeitmatte in Steg überwandert.<br />
Platt, so was von platt war ich noch<br />
nie. Ich stellte mich an den Straßenrand,<br />
hielt meinen Daumen hoch und hatte<br />
ziemlich schnell das Glück, von einem<br />
älteren Herrn in seinem PKW mitgenommen<br />
zu werden, der auf den' Weg<br />
nach Malbun war. So endete für mich<br />
der Alpin Marathon von Liechtenstein<br />
2005. •<br />
nochmals:<br />
Liechtenstein<br />
Berge, Berge, Berge ...<br />
Und alls der Sicht von Pierre Brunnmeier<br />
liest sich das Liechtenstein-Abenteuer<br />
so:<br />
Vor einigen Wochen sagte mein Vater<br />
zu mir: "Pierre, du musst für Mama den<br />
Liechtenstein-Marathon laufen, ich mache<br />
eine Ummeldung, es ist schließlich<br />
schon alles bezahlt." Bevor ich dazu etwas<br />
sagen konnte, war es auch schon<br />
passiert. Was macht man nicht alles für<br />
die Familie! Doch wie trainiert man eigentlich<br />
für einen Bergmarathon? Am<br />
besten gar nicht, wie ich es bisher für<br />
die anderen großen Läufe auch gemacht<br />
habe. Das versteht mein Vater<br />
überhaupt nicht, wie ich meine bisherigen<br />
Landschaftsläufe so mir nichts, dir<br />
nichts, aus dem Stand heraus laufe.<br />
Training ist so doof! Dass ich es kann,<br />
habe ich ihm schon des Öfteren bewiesen.<br />
Vor einem großen Lauf höre ich<br />
immer, wie er sagt: "Pierre, was ist mit<br />
Training?" "Ja, ja" ist dann jedes Mal<br />
meine Antwort.<br />
6. LGTAIDin<br />
'Mara tha lf1<br />
teChlen em<br />
Am Freitag, dem 10. Juni, musste ich<br />
schon um 02.30 Uhr aufstehen. Mein<br />
Vater wollte um 3 Uhr losfahren. Ich<br />
hasse frühes Aufstehen, ich schlafe lieber<br />
länger. Mein Vater gefällt mir zur<br />
Zeit gar nicht. Er ist seit zwei Tagen<br />
krank und hat auch erhöhte Temperatur.<br />
Jetzt befinden wir uns auf der Autobahn<br />
hinter Köln. Ich sitze neben ihm und löse<br />
ihm gerade zwei Aspirin auf. Dass mein<br />
Vater seit Tagen ständig Kopfschmerzen<br />
hat, ist nicht in Ordnung. Langsam<br />
döse ich ein und freue mich auf die Berge.<br />
Diese hatte ich bis dato nur auf den<br />
Bildern meiner Eltern, wenn sie von ihren<br />
Laufreisen zurückkamen, kennen<br />
gelernt. Ich kenne eigentlich nur die Eitel,<br />
den Westerwald, den Thüringer<br />
Wald und den Harz. Wir befinden uns<br />
. im Moment im Allgäu auf der A 96 kurz<br />
vor Lindau und der österreichischen<br />
Grenze. Ich sehe die Alpen. Wow, sieht<br />
das gigantisch aus, was sich da vor<br />
meinen Augen auftürmt. Und ich sehe<br />
Schnee. Die Bergspitzen sind teilweise<br />
alle noch weiß. Ist das geil! Im Ruhrpott<br />
wachsen solche Berge nicht. Wir sind in<br />
Liechte.nstein, das Wetter ist herrlich,<br />
und ich bin beeindruckt von dieser gigantischen<br />
Landschaft. Ich frage meinen<br />
Vater: 'Wo ist eigentlich das Hotel, in<br />
dem wir wohnen, und wo laufen wir<br />
denn den Marathon?" Er zeigt mir, so<br />
gut wie möglich, <strong>Teil</strong>e der Laufstrecke,<br />
und ich bin tief beeindruckt. Da soll ich<br />
hoch? Nie im Leben! Super, wo ich doch<br />
Höhenangst habe. Wir fahren hinter Va<br />
duz berghoch. In Serpentinen und immer<br />
steiler geht es bergan in die Berge<br />
hinein. Je höher wir kommen, umso<br />
schöner wird die Aussicht zurück ins Tal<br />
hinunter zum· Rhein und hinüber zur<br />
Schweiz. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst<br />
hinschauen soll. Mein Vater sagt:<br />
"Hebe dir noch Eindrücke für den Lauf<br />
auf, nicht dass dein Speicherplatz im<br />
Kopf schon voll ist, denn während des<br />
Marathons bekommst du noch schönere<br />
Ein- und Ausblicke". Noch schönere?<br />
Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen,<br />
diese sind schon fantastisch genug. Wir<br />
fahren immer noch berghoch, nicht mehr<br />
so steil, denn ich sehe plötzlich einen<br />
Talkessel vor uns und das Duschzelt<br />
vom Ziel des Marathons. Wir sind in<br />
Malbun und an unserem Hotel angekommen.<br />
Es ist noch relativ früh, und wir<br />
haben noch reichlich Zeit, bis wir um 17<br />
Uhr wieder runterfahren nach Bendern,<br />
um unsere Startunterlagen abzuholen.<br />
Mein Vater löst sich gerade wieder zwei<br />
Aspirin auf und haut sich aufs Bett, um<br />
eine Runde zu schlafen. Wir sind an der<br />
Fleischfabrik der Fa. Ospelt in Bendern,<br />
um unsere Startunterlagen abzuholen.<br />
Hier stinkt es aber gewaltig, und ich ekele<br />
mich. Ob es morgen beim Start genau<br />
so stinkt? Mein Vater hat sehr schlecht<br />
geschlafen und viel geschwitzt. Wir stehen<br />
endlich am Start, und es ist ein<br />
wunderschöner Tag. Die Sonne wird nur<br />
durch ein paar kleine Wolken gelegentlich<br />
verdeckt. Ich mache mir schon Sorgen,<br />
ob ich mich nicht zu dick angezogen<br />
habe. Mein Vater sagt: "Bis Vaduz<br />
ist es flach, da laufen wir einen fünfer<br />
Schnitt". Okay, denke ich, es wird schon<br />
richtig sein, dass wir so schnell angehen.<br />
Zum ersten Mal bekomme ich mit,<br />
wie, wann und wo mein Vater stehen<br />
bleibt, um Bilder zu machen. Nicht einfach<br />
so, er schaut während des Laufes<br />
genau, ob dieser optische Eindruck der<br />
richtige ist, ob der Hintergrund optimal<br />
ist. Ich bin unheimlich beeindruckt und<br />
erkenne plötzlich, wieviel Fingerspitzengefühl<br />
in seinen Bildern steckt. Nach jedem<br />
Fotostopp hetzt er hinter mir her,<br />
um wieder zu mir aufzulaufen. Eigentlich<br />
hatte ich ihm ja versprochen, diesen Marathon<br />
mit ihm zu laufen, aber es fällt<br />
mir schwer, das Tempo herauszunehmen,<br />
damit er wieder heran kommt.<br />
Heute Morgen hat er schon wieder zwei<br />
Aspirin genommen, obwohl er zwischenzeitlich<br />
Nasenbluten hatte. Wir<br />
sind in Vaduz, und hoch oben sehe ich<br />
das Schloss der Fürstenfamilie, das zur<br />
Zeit aber eine Baustelle ist. Der Gesichtsausdruck<br />
von meinem Vater gefällt<br />
mir überhaupt nicht. Irgendwie sieht er<br />
fertig aus. Im Gegensatz zu ihm fühle<br />
ich mich toll. Der erste Anstieg ist da,<br />
und es geht locker bergan. Mein Vater<br />
ist plötzlich verschwunden, und ich<br />
nehme das Tempo raus. Er kann mein<br />
Tempo nicht mehr mitgehen. Schade eigentlich.<br />
In Höhe des Schlosses hat er<br />
51
mich wieder eingeholt und schnauzt<br />
mich erst mal an: "Kannst du nicht auf<br />
mich warten, du weißt doch ganz genau,<br />
dass ich zwischendurch Bilder mache".<br />
Wir sind am Schloss vorbei und biegen<br />
links in den Wald ab: Mein Vater läuft<br />
schon nicht mehr, er wandert. Dunkel ist<br />
es hier, und der Waldweg zeigt steil, in<br />
Serpentinen, nach oben. Ich laufe mittlerweile<br />
auch nicht mehr und wandere<br />
wie viele andere auch. Irgendwo unter<br />
mir ist mein Vater, ich sehe ihn und sehe,<br />
wie er sich den Berg raufquält. Endlich<br />
verlassen wir den Wald, und ich sehe<br />
vor mir herrliche Almwiesen mit vielen<br />
bunten, duftenden Wildblumen. Jetzt<br />
bin ich in den Alpen, und in meinem<br />
Kopf finden optische Explosionen statt.<br />
Mein Gott, ist das schön hier. Am Verpflegungsstand<br />
bei Kilometer 15 gibt es<br />
zum ersten Mal etwas zu essen. Für<br />
mich eigentlich zu spät, denn ich könnte<br />
ständig essen. Mein Vater trinkt viel zu<br />
wenig, denn mittlerweile ist es sehr<br />
warm geworden, und ich fange an, mich<br />
auszuziehen. Da wir nur sehr langsam<br />
vorankommen, habe ich viel Zeit, mir die<br />
Landschaft, die Tiere und' die bunten<br />
Almwiesen anzuschauen. Eines steht<br />
fest, so muss mein Garten auch mal<br />
aussehen. Auf meine Frage, ob wir bald<br />
oben wären, bekomme ich als Antwort:<br />
"Bei Kilometer 21 haben wir den Scheitel<br />
erreicht, und es geht hinunter nach<br />
Steg." Das sind aber noch 4 Kilometer,<br />
und bei diesem Tempo wird das eine<br />
Ewigkeit dauern, denke ich. "Wasser,<br />
Wasser", höre ich meinen Vater sagen,<br />
"da rechts ist ein Wassertrog, komm<br />
lass uns trinken." Plötzlich, mitten auf<br />
dem Weg, steht ein Esel. "Warte, Pierre",<br />
sagt mein Vater, "hier hast du den<br />
Fotoapparat und mache mal ein Foto<br />
von zwei alten Eseln". Bei Kilometer 20<br />
ist endlich wieder ein Verpflegungsstand,<br />
wo ich essen und trinken kann.<br />
Meinem Vater geht es überhaupt nicht<br />
gut. Jeder seiner Schritte ist noch langsamer<br />
als ein Wanderschritt geworden.<br />
Am liebsten würde ich ihm sagen, dass<br />
er den Marathon abbrechen soll, aber<br />
ich traue mich nicht. Einige hundert Meter<br />
hinter dem Versorgungspunkt sagt er<br />
plötzlich: "Hier hast du den Fotoapparat,<br />
mache so viele Bilder wie möglich, hau<br />
ab, ich höre bei Kilometer 25 an der<br />
Zeitmatte in Steg auf". Gesagt, getan,<br />
und weg war ich. Ich hatte zwar ein<br />
schlechtes Gewissen, war im Nachhinein<br />
aber doch froh, dass ich laufen<br />
durfte. Na, war das richtig, dass ich<br />
meinen Vater in seinem schlechten Zustand<br />
alleine gelassen habe? Wird aber<br />
in Ordnung sein, da ich dies bei anderen<br />
Laufveranstaltungen auch schon gemacht<br />
habe. Wow, ist das schön. Hier<br />
oben am Getränkestand, bei Kilometer<br />
21, habe ich einen traumhaften Blick ins<br />
Tal nach Steg. Der kleine See, den ich<br />
sehe, glitzert in sämtlichen Blautönen.<br />
Wie eine Ansichtskarte. Schnell einen<br />
Becher Cola, und schon geht es mit gu<br />
52<br />
ter Musik auf den Ohren hinunter ins<br />
Tal. Da ich den Auftrag bekam, viele Fotos<br />
zu machen, bleibe ich ab und an<br />
stehen und versuche mein Glück mit<br />
dem Fotografieren. 'Unten am Verpflegungsstand<br />
weiß ich gar nicht, was ich<br />
zuerst essen und trinken soll. Ist ja fast<br />
wie am Rennsteig. Ich habe die Zeitmatte<br />
in Steg erreicht. Da ich im Moment<br />
die Musik ziemlich laut habe, höre ich<br />
nicht, ob mein Chip am Schuh ein Piepsen<br />
auslöst. Auf der anderen Straßenseite<br />
muss ich wieder bergan laufen. Es<br />
geht vorbei an herrlich duftenden Almwiesen<br />
mit glockenläutenden Kühen.<br />
Der Weg ist schön breit und lässt sich<br />
gut laufen. Ich bin flott unterwegs und<br />
überhole viele andere Läufer, die meinen<br />
Vater und mich zuvor überholt haben.<br />
Gott sei Dank habe ich gelernt. bei<br />
Landschaftsläufen die Augen offen zu<br />
halten, sonst hätte ich bestimmt nicht<br />
den "blauen Enzian" am Wegesrand gesehen.<br />
Einfach nur schön. Im Moment<br />
ist die Laufstrecke etwas flacher geworden.<br />
Vor mir sehe ich einen breiten querenden<br />
Gebirgsbach über den Wanderweg<br />
strömen. Watt nu? Augen zu und<br />
durch! Wer singt das gleich noch mal?<br />
Egal, die Füße sind trocken geblieben.<br />
Da ist ja schon wieder ein Bach. Das<br />
gleiche noch mal, wie vorhin. Vor mir<br />
sehe ich einen langen Anstieg und viele<br />
bunte Läufer. Da soll ich hoch? Das ist<br />
bestimmt der Aufstieg zum höchsten<br />
Punkt, auf 1.785 Meter über NN. Puh,<br />
jetzt muss ich auch wandern, wie viele<br />
andere auch. Mein Wanderschritt ist jedoch<br />
schneller als der von den anderen<br />
<strong>Teil</strong>nehmern. Hätte nicht gedacht, dass<br />
ich hier im alpinen Gelände über Wurzeln<br />
klettern muss. Der Crossweg steigt<br />
immer höher und steiler und .in vielen<br />
Windungen nach oben. Ist das schön<br />
hier! Besonders mein Blick zurück öffnet<br />
mir ganz andere Perspektiven als zuvor<br />
beim Aufstieg. Da ich mittlerweile gut<br />
schwitze, kommt die Verpflegungsstelle<br />
hier oben gerade richtig. Ich habe schon<br />
wieder Hunger, und Durst sowieso. Ah,<br />
ich sehe unten im Tal Malbun. Ob mein<br />
Vater schon im Hotel ist? Bestimmt sitzt<br />
er auf der Terrasse, trinkt ein Weizen<br />
und beobachtet die Laufstrecke. Mein<br />
Vater hat mich gewarnt. wenn ich den<br />
Zielsprecher hören würde, hätte ich es<br />
noch lange nicht geschafft. Er sagte mir:<br />
. "An der kleinen Kapelle von Malbun,<br />
Zwei alte Esel (Originalzitat Wolfram Brunnmeier)<br />
keine 50 Meter vom Ziel entfernt, beginnt<br />
die kräfteraubende Schleife durch<br />
den Talkessel, und es geht dabei immer<br />
im Wechsel bergauf und bergab". Da ich<br />
gut drauf bin, laufe ich auch hier locker<br />
und schaffe es immer wieder, vor mir<br />
Laufende einzuholen. Bei Kilometer 40<br />
hätte ich es dann geschafft, denn ab<br />
dort ginge es nur noch abwärts ins Ziel,<br />
waren die Worte von meinem Vater. Er<br />
hat Recht! Ich habe den letzten Anstieg<br />
geschafft, ich sehe unser Hotel, es geht<br />
bergab. Ich bin am Hotel, dort steht<br />
mein Vater, er winkt und hält mir seinen<br />
Daumen entgegen. Noch 300 Meter,<br />
und ich bin im Ziel. Schade, eigentlich<br />
könnte ich noch weiter laufen. Zurück<br />
auf der Straße nach "Steg", dann die<br />
Laufstrecke rückwärts bis zum "Schloss<br />
Vaduz". 5 Sunden und 2 Minuten habe<br />
ich für diesen phantastischen Marathon<br />
gebraucht. Danke Mama, dass du im<br />
Moment nicht laufen kannst. Danke Papa,<br />
für diesen wunderschönen Bergmarathon.<br />
_
Einer der beliebtesten Landschaftsläufe<br />
Deutschlands scheint der Rennsteiglauf<br />
zu sein. Das jedenfalls signalisieren<br />
die vielen Gespräche und<br />
Zuschriften, die der <strong>DUV</strong>-Pressewart<br />
in den letzten Wochen und Monaten<br />
geführt bzw. erhalten hat.<br />
Anlass also, den Rennsteiglauf zum<br />
Schwerpunktthema dieser Ausgabe<br />
zu machen.<br />
Zur Historie<br />
Die eigentliche Geschichte des Guts<br />
Muths-Rennsteiglaufes beginnt um das<br />
Jahr 1973 herum. Aus der Tradition der<br />
Rennsteigwanderungen um die Jahrhundertwende,<br />
der Persönlichkeit<br />
GutsMuths für Körperkultur und Sport,<br />
dem Rennsteig als Wanderweg und der<br />
beginnenden Laufbewegung in der DDR<br />
wurde die Idee eines Rennsteiglaufes<br />
jüngeren Datums geboren.<br />
Der Rennsteiglauf geht mit auf die Traditionen<br />
des Rennsteigvereins, der 1896<br />
gegründet wurde, zurück. In dieser Zeit<br />
war es üblich, alljährlich zu Pfingsten<br />
Rennsteigwanderungen durchzuführen,<br />
wo in Etappen der Rennsteig von Hörschel<br />
bei Eisenach bis nach Blankenstein<br />
im Kreis Lobenstein bewandert<br />
wurde. Der Rennsteig hat eine Länge<br />
von annähernd 168 km. Er ist der originellste<br />
Wanderweg des Thüringer WaIdes<br />
und des Thüringer Schiefergebirges.<br />
Seine Ausdehnung hat (im Osten<br />
Deutschlands) kein anderes Gebirge zu<br />
verzeichnen.<br />
Der Rennsteig ist ein uralter, ehemals<br />
wohl stellenweise befestigter Kurierpfad<br />
(Renner-Steig) der Grenzwächter und in<br />
seinem mittleren <strong>Teil</strong> jahrhundertelang<br />
Gau-, Rechts-, Sprach-, Jagd- und bischöfliche<br />
Kirchengrenze zwischen Thüringen<br />
und Franken. Vor mehr als 670<br />
Jahren wurde der Rennsteig zum ersten<br />
Mal urkundlich erwähnt,. und zwar als<br />
"Rinnsteg" bzw. "Rymestieg". Seine<br />
Nennung ist in einem Frankensteiner<br />
Kaufbrief von 1330 verzeichnet. Um<br />
1700 gehörte das Rennsteiggebiet neun<br />
Herzog- und Fürstentümern und einer<br />
Grafschaft an. Der Kammweg des Thüringer<br />
Waldes trennte die Gebiete der<br />
Feudalherren. Der Rennsteig ist auch<br />
Wasserscheide mit einer dialektgeografischen<br />
Markierung. Die "Dreistromsteine"<br />
künden davon, dass die Quellwässer<br />
und Niederschläge, die im Sommer<br />
und Winter sehr ergiebig sind, nördlich<br />
und südlich seines Verlaufs über dem<br />
Kamm, den Flüssen Elbe-, Weser- bzw.<br />
Rheinstromgebieten zufließen. Rennsteig<br />
oder Rennweg sind nur unter<br />
Schwerpunktthema Rennsteiglauf<br />
schiedliche Bezeichnungen für den gleichen<br />
Weg.<br />
Der Namensgeber<br />
Johann Christoph Friedrich GutsMuths,<br />
geboren am 09. August 1759 in Quedlinburg,<br />
gestorben am 21. Mai 1839, in<br />
lbenhain, war ein namhafter Pädagoge<br />
und Mitbegründer der Körpererziehung.<br />
GutsMuths arbeitete ab 1785 als Lehrer<br />
für Körpererziehung und Geographie an<br />
der Erziehungsanstalt in Schnepfenthai<br />
bei Gotha. Er schrieb eine Reihe wissenschaftlicher<br />
Bücher über Sport und<br />
Geographie. GutsMuths war ein bedeutender<br />
bürgerlicher Pädagoge, der das<br />
Laufen als hervorragende Körperübung<br />
, mit einer Vielfalt positiver Auswirkungen<br />
auf den Menschen erkannte. Aus volkstümlichen<br />
Überlieferungen der deutschen<br />
Körperkultur und dem Studium<br />
der Verbindungen von Körper und Geist,<br />
das seit der Antike bekannt war, erhob<br />
er die Körpererziehung zu einem Unterrichtsfach.<br />
Er lebte und wirkte in einer<br />
Zeit, in der auch Turnvater Jahn wirkte<br />
und zur Herausbildung von Körperkultur<br />
und Sport beitrug.<br />
Und so begann alles ...<br />
Nach mehreren Testläufen absolvierten<br />
die vier Laufbegründer Hans-Georg Kremer,<br />
Hans-Joachim RÖmhild, Jens Wötzel<br />
und Wolf-Dieter Wolfram am 13. Mai<br />
1973 erstmals einen "richtigen" Rennsteiglauf<br />
über 50 Meilen vom Bahnhof<br />
Eisenach bis Masserberg gemeinsam in<br />
9:55 Std.<br />
Ein Jahr später läuft eine Gruppe von 16<br />
<strong>Teil</strong>nehmern wiederum 50 Meilen. Da<br />
dieser Lauf auf Vorschlag von Prof. Dr.<br />
Willi Schröder dem Pädagogen Johann<br />
Christoph Friedrich GutsMuths gewidmet<br />
ist, wird der Start an der Salzmann<br />
Schule in Schnepfental vollzogen und<br />
,,50 Meilen GutsMuths-Gedenklauf' benannt.<br />
Es ist sozusagen der 2. Lauf dieser<br />
Art, denn der Lauf der vier Begründer<br />
aus dem Jahr zuvor wird rückwirkend<br />
als 1. GutsMuths-Rennsteiglauf registriert.<br />
Am 10. Mai 1975 gab es den legandären<br />
"Taschenlampenstart" nachts um<br />
01.00 Uhr am Heuberghaus. Es ist nun<br />
mehr schon der 3. GutsMuths-Rennsteiglauf,<br />
und aus der kleinen Gruppe<br />
der 2. Auflage sind bereits 815 Starter<br />
geworden! Exakt 704 Männer absolvieren<br />
die 50 Meilen und 111 Frauen ab<br />
Bahnhof "Rennsteig" 25 Meilen. Beide<br />
Gruppen treffen im Ziel in Neuhaus zusammen.<br />
Die Experimentierphase war<br />
damit endgültig abgeschlossen, nun waren<br />
neue, zukunftsorientierte Strukturen<br />
und Organisationsformen erforderlich.<br />
Mit der SG Beerberg Goldlauter wurden<br />
Sportfreunde gefunden, die sich der Angelegenheit<br />
mit Herz und Sachverstand<br />
annahmen und mit Bernd Will für sieben<br />
Jahre auch den Gesamtleiter des Laufes<br />
stellten. Es wurde beschlossen, fortan<br />
den gesamten damals zugänglichen <strong>Teil</strong><br />
des Rennsteiges einzubeziehen und einen<br />
Sternlauf aus westlicher Richtung<br />
von der Hohen Sonne bei Eisenach und<br />
aus östlicher Richtung von Steinheid<br />
(später Neuhaus) mit dem gemeinsamen<br />
Ziel in Schmiedefeld auszurichten.<br />
Damit ist ein Grundmodell geschaffen<br />
worden, das mit dem 4. Lauf nun offiziell<br />
den Namen .,4. GutsMuths-Rennsteiglauf'<br />
trägt und erfolgreich realisiert wird.<br />
Bereits 1.340 <strong>Teil</strong>nehmer erreichten aus<br />
beiden Richtungen den Zielort Schmiedefeld.<br />
Schon ein Jahr später begaben<br />
sich mehr als 5.000 Starter auf beide<br />
Strecken, wobei dieser Lauf des Jahres<br />
1977 auch als '''Nebellauf' in die Annalen<br />
einging. In den Anfangsjahren wurde<br />
mitunter auch in zwei Leistungskategorien<br />
gestartet: in der so genannten A<br />
Wertung, wo die Läufer nach Zeit liefen,<br />
und in der B-Wertung - laufen ohne<br />
Zeitnahme.<br />
Innerhalb von wenigen Jahren wuchs<br />
diese Laufveranstaltung trotz teils massiver<br />
Widerstände der DDR-Sportführung<br />
auf etwa 9.000 <strong>Teil</strong>nehmer. 10.000<br />
Startkarten waren das maximal genehmigte<br />
Kontingent.<br />
Mit der Wiedervereinigung gab es (zunächst)<br />
einen jähen Einbruch der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen,<br />
da viele "DDR-Läufer"<br />
erst einmal die Reisefreiheit nutzten, um<br />
in aller Welt an den Start zu gehen.<br />
Doch der neu gegründete GutsMuths<br />
Rennsteiglaufverein entwickelte ein völlig<br />
neues Konzept. In mühsamer Kleinarbeit<br />
und unter Aufbietung aller ehrenund<br />
hauptamtlichen Organisatoren wurde<br />
eine breitensportliehe Großveranstaltung<br />
mit familienfreundlichem Charakter<br />
geschaffen, die für die Region einen<br />
längst nicht mehr wegzudenkenden<br />
Werbefaktor darstellt. <br />
(Die Fakten auf dieser Seite wurden divers'en<br />
Quellen der Veranstaltung entnommen.)<br />
53
na Lehmann die Seriensiegerin etwas<br />
aus dem Konzept gebracht, die diesmal<br />
nicht die Spur einer (Sieg-) Chance hatte.<br />
Zu stark war die Vorjahreszweite<br />
Lehmann, die sich um fast vier Minuten<br />
steigerte und mit 3:15:30 schneller als<br />
Tanja anno 2004 war. Rang zwei erlief<br />
sich die frisch promovierte Nele Wild<br />
Wall, frühere Trainingsgefährtin der<br />
glücklichen Siegerin. Tanja Semjonowa<br />
schließlich wurde als Dritte registriert,<br />
was den Zuschauern im Ziel vom Sprecherduo<br />
quasi als Niederlage suggeriert<br />
wurde. Doch man sollte nicht vergessen,<br />
dass Tanja im August ihren 45. Geburtstag<br />
feierte, während die beiden<br />
Erstplatzierten immerhin 17 bzw. 13<br />
Jahre jünger sind.<br />
Nur wenige Minuten vor den Marathonis<br />
(Start 9.00 Uhr in Neuhaus) erfolgt der<br />
Zieleinlauf der besten Läufer auf der<br />
Supermarathonstrecke (Start 6.00 Uhr in<br />
Eisenach). Spannung pur jedenfalls versprachen<br />
die regelmäßigen Zwischenberichte<br />
von der Strecke, wo von stän<br />
. digen Führungswechseln und misslungenen<br />
Ausreißversuchen die Rede war.<br />
Jörg Plenzke vor Ralph Koritz und Felix<br />
Schenk hieß die Reihenfolge am Rondell<br />
in Oberhof bei Kilometer 58. Doch<br />
allgemein wurde, auch auf Grund seiner<br />
einschlägigen Erfahrungen, dem Dresdener<br />
Ralph Koritz der Sieg am ehesten<br />
zugetraut. Aber dann traute man seinen<br />
Augen nicht, denn als Erster bog Helmut<br />
Peters in die langgestreckte Zielgasse<br />
ein. Das war genau jener Läufer, der<br />
2004 anlässlich seines dritten Platzes<br />
vor Freude kundtat, nun seine Laufbahn<br />
zu beenden. "Denn diesen Platz kann<br />
ich bestimmt nicht mehr toppen!" Im Interview<br />
gab er unumwunden zu, auch<br />
vom Missgeschick des Ralph Koritz profitiert<br />
zu haben. Dieser nämlich hatte<br />
sich bei Kilometer 18, gemeinsam mit<br />
einem andern Läufer bereits in Führung<br />
liegend, verlaufen und so fast zehn Minuten<br />
verloren. Da darf man schon mal<br />
die Frage stellen, wo zu diesem Zeitpunkt<br />
die beiden Motorradfahrer waren,<br />
die sich ja eigentlich als Führungsfahrzeuge<br />
verstehen sollten. "Die waren viel<br />
zu weit vor uns", hatte Koritz wenig Verständnis<br />
für deren Verhalten. Doch wie<br />
dem auch sei, nun war seine Kampfkraft<br />
erst richtig geweckt, und er preschte mit<br />
viel Elan wieder Richtung Spitze. Den<br />
Inselsberg schon auf Rang vier passiert,<br />
übernahm er an der Schmücke bei Kilometer<br />
64 wieder die Spitzenposition.<br />
Doch dies hatte ihm offensichtlich (zu)<br />
viel Power gekostet: still und heimlich<br />
Wolfram Brunnmeier informiert Ehefrau Marita gerade von seinem Zieleinlauf<br />
schlich sich Harald Peters, bei dem es<br />
am Ende immer besser lief, heran, und<br />
einen knappen Kilometer vor Ultimo war<br />
es um Koritz geschehen. Dieser wiederum<br />
gratulierte seinem Bezwinger sportlich<br />
fair und gab zu, im Vorgefühl seines<br />
Sieges sich in der taktisch unklug verhalten<br />
zu haben. "Im Vorjahr bin ich zu<br />
spät angetreten und konnte Matthias<br />
Körner nicht mehr einholen, und nun<br />
macht Harald Peters das gleiche mit mir.<br />
Aber bei ihm hat es geklappt'" Während<br />
Harald Peters, der den Sieg seinem<br />
noch ungeborenen Nachwuchs widmet<br />
("Im Juni ist es soweit'''), den Erfolg im<br />
kommenden Jahr zu verteidigen gedenkt,<br />
scheint für Ralph Koritz das<br />
Thema Rennsteiglauf erledigt. "Definitiv!<br />
Der Aufwand, vielleicht doch noch einmal<br />
den langen Kanten zu gewinnen, ist<br />
mir mittlerweile zu groß." Gefreut hat ihn<br />
allerdings, dass alle drei Punkte, die er<br />
im Dezember zur Jahreshauptversammlung<br />
der Rennsteiglaufvereins kritisch<br />
angesprochen hat, vom Veranstalter<br />
konsequent umgesetzt wurden. Insbe<br />
sondere freute er sich, dass die Wanderer,<br />
die ja <strong>Teil</strong>e der Strecke mit den Läufern<br />
teilen, diesmal Verständnis für die<br />
Läufer zeigten und ihre "Marschformation"<br />
von Dreier- und mitunter gar Viererreihen<br />
im Prinzip auf den "Gänsemarsch"<br />
optimiert haben.<br />
Das sportliche Schicksal des Ralph Koritz<br />
ist auf dem Rennsteig übrigens<br />
längst kein Einzelfall, denn vor ihm hatten<br />
auch andere Prominente an der<br />
Spitze auf dem Thüringer Kammweg<br />
schon ihre Orientierungsprobleme. Erinnert<br />
sei zum Beispiel an Chaly Doll<br />
(auch er vergab so seine Siegchance)<br />
oder Thomas Miksch, der dennoch als<br />
Erster über den Zielstrich lief. Und auch<br />
der Autor dieses Berichtes denkt noch<br />
heute mit Unbehagen an das Jahr 1981,<br />
als er, deutlich in Führung liegend, nach<br />
der Schmücke und damit dem Ziel greifbar<br />
nahe, vom Führungsmotorrad in die<br />
falsche Richtung geschickt wurde ...<br />
Bliebe noch der Supermarathon der<br />
Frauen nachzutragen. Hier erwies sich<br />
Heidrun Pecker, die bereits 2001 und<br />
2004 siegreich war, als die eindeutig<br />
beste. Ihre Kraft holt sich die Dame aus<br />
Jena nach wie vor auf den Schweizer<br />
Almen zwischen Davos und dem Tessin,<br />
wo sie "den ganzen Tag Kühe melkt und<br />
Käse zubereitet". Auf Platz zwei landete<br />
wie gehabt Jutta Kolenc, die sich allerdings<br />
wie auch die Viertplatzierte Birgit<br />
Schönherr-Hölscher auf ihren Einsatz im<br />
Juni beim 100-km-Weltcup in Japan<br />
konzentriert. Dr. Bärbel Jacobi, ebenfalls<br />
schon viele Jahre auf dem Rennsteig<br />
dabei, lief als Dritte hingegen erstmals<br />
auf das Siegerpodest.<br />
Auszug aus dem offiziellen Pressebulletin<br />
nach dem Lauf: "Die verbesserte Infrastruktur<br />
im Zielstadion, ein gut funktionierendes<br />
Verkehrs- und Logistikkonzept<br />
und ein intaktes Organisationsgefüge<br />
sind die Erfolgsfaktoren des 33.<br />
Rennsteiglaufes." Dem ist nichts mehr<br />
hinzuzufügen! <br />
Die aktuelle Statistik<br />
Meldung Start Ziel<br />
SM 1.876 1.672 1.559<br />
MA 3.722 3.412 3.367<br />
HM 6.842 6.063 6.034<br />
JC 1036 845 845<br />
Strecke (Auswahl)<br />
SM Supermarathon<br />
MA Marathon'<br />
HM Halbmarathon<br />
JC Juniorcross<br />
55
nochmals:<br />
Rennsteiglauf<br />
Wolfram Brunnmeier<br />
Zum vierten Mal folgten wir (Marita,<br />
Sohn Pierre, Kerstin Fuhrmann und ich)<br />
im Mai dem Ruf des Rennsteigs. Das<br />
Rennsteigwochenende war von mir bis<br />
ins kleinste Detail geplant, denn es sollte<br />
alles perfekt ablaufen. Das begann<br />
mit der Zimmerbuchung in der Jugendherberge<br />
in Eisenach unterhalb der<br />
Wartburg schon im November 2004.<br />
Dass es nicht perfekt wurde, stellten wir<br />
schon am Freitag bei der Anreise fest.<br />
Beim Wachwerden hörte ich, dass es<br />
draußen in Strömen goss. Kurz vor 6<br />
Uhr fuhren wir los, um nach ein paar Kilometern<br />
festzustellen, dass ich mein<br />
Handy in der Ladestation vergessen hatte.<br />
Na Bravo, dachte ich, das fängt ja<br />
gut an. Gott sei Dank wurde das Wetter<br />
immer besser, je näher wir dem Thüringer<br />
Wald kamen.<br />
Bei der Ankunft an der Jugendherberge<br />
in Eisenach gegen 10 Uhr gab es den<br />
nächsten Dämpfer: Zimmerbelegung<br />
erst ab 15 Uhr. Taschen und Mannschaft<br />
ausgeladen, und weiter ging es<br />
für mich nach Schmiedefeld. Dort wollte<br />
ich spätestens um 11.30 Uhr sein und<br />
mein Auto auf der großen Wiese abstellen.<br />
Die Rückfahrt nach Eisenach erfolgte<br />
dann mit Bus und Zug. Da ich nicht<br />
der einzige war, der dieses machte, kamen<br />
noch drei weitere <strong>Teil</strong>nehmer mit<br />
mir in den Genuss eines verbilligten<br />
Sammeltickets. Da der Rücktransport<br />
nach dem Lauf mit dem Bus 8 € pro Person<br />
kostet, und ich für genau diesen<br />
Betrag wieder nach Eisenach fuhr, hatten<br />
wir vier somit 24 € eingespart, die<br />
wir abends dann verfressen und versaufen<br />
wollten. In der Zwischenzeit hatte<br />
sich meine Mannschaft mit der Abholung<br />
der Startunterlagen in Eisenach beschäftigt.<br />
Eigentlich gehört die Kloßparty<br />
am Vorabend von Deutschlands legendärstem<br />
Crosslauf dazu, aber wir besuchten,<br />
wie jedes Jahr, lieber eine Pizzeria.<br />
Die vier Kloßgutscheine wurden<br />
anschließend von mir im Festzeit an besonders<br />
hungrige <strong>Teil</strong>nehmer verschenkt.<br />
In der Nacht zum Samstag schlief ich<br />
nicht besonders gut. Das lag daran,<br />
dass wir ein Dachzimmer hatten und der<br />
heftige Regen mich immer wieder weckte.<br />
Beim Start auf dem Marktplatz hörte<br />
56<br />
Am Sperrhügel kam der Regen<br />
es aber auf zu regnen. Trotzdem hatten<br />
wir uns für unsere Schlechtwetterausrüstung<br />
entschieden. Viele andere<br />
Rennsteigläufer taten es uns gleich.<br />
Beim Aufstehen passierte es dann. Irgendwie<br />
hatte ich eine falsche Bewegung<br />
gemacht, denn im Lendenwirbelbereich<br />
gab es einen kleinen Knacks.<br />
Unter Schmerzen erfolgten sämtliche<br />
weitere Tätigkeiten (Anziehen, Toilette,<br />
Warmlaufen und Dehnen) bis zum Start<br />
um 6 Uhr. Das konnte ja heiter werden.<br />
Mit dem Aufstieg zur "Hohen Sonne"<br />
stellte ich fest, dass wohl auch der<br />
Samstag nicht perfekt würde. Immer<br />
wieder bremste der Schmerz im Rücken<br />
meinen Laufrhythmus. Den warmen<br />
Tee, den ich an der ersten VerpflegungssteIle<br />
trank, bekam meinem Magen<br />
überhaupt nicht, denn ein paar Kilometer<br />
später musste ich mich ins Unterholz<br />
schlagen. Nachdem das erledigt<br />
war, machte ich mich an den Aufstieg<br />
zum 916 Meter hohen Inselsberg. Hier<br />
wurde ich zum Marschierer. An eine gute<br />
Laufzeit wie im Jahr 2004 dachte ich<br />
im Traum nicht mehr. Dafür hatte ich also<br />
seit Anfang Februar fast 1.000 Trainingskilometer<br />
absolviert - und dann<br />
dieses Missgeschick.<br />
Der Abstieg vom Inselsberg war die<br />
reinste Hölle. Auf dieser steilen Bergab<br />
Passage verursachte jeder Laufschritt,<br />
durch das Vorfußbremsen Schmerzen<br />
ohne Ende. An der Ebertswiese bei Kilometer<br />
37,5 zeigte mir meine Uhr eine<br />
Laufzeit von 4:11 Stunden an. Andere<br />
<strong>Teil</strong>nehmer, die mitbekommen hatten,<br />
was mit mir los war, gaben mir den Rat,<br />
doch am Grenzadler auszusteigen.<br />
Doch erstens gilt Aufgeben nicht, zumal<br />
das mein 50. Marathon/Ultralauf werden<br />
sollte, und zweitens steht schließlich<br />
mein Auto in Schmiedefeld. Ab Kilometer<br />
40 an der Neuen Ausspanne kam es<br />
dann knüppeldick. Beim steilen Aufstieg<br />
am Sperrhügel fing es zu regnen an, der<br />
mit jedem Höhenmeter immer heftiger<br />
wurde. Oben am Scheitel lief ich dann<br />
im Nebel. Läufer vor und hinter mir waren<br />
nur noch schemenhaft zu erkennen.<br />
An der Verpflegungsstelle "Neuhöfer<br />
Wiesen" ließen sich viele <strong>Teil</strong>nehmer<br />
blaue Mülltüten geben, die sie sich als<br />
Regenschutz überstreiften. Meine Wahl,<br />
mit Regenjacke und Käppi zu laufen,<br />
war offensichtlich das einzig perfekte an<br />
diesem Samstag. Mit jedem weiteren Kilometer,<br />
dem ich mich dem Grenzadler<br />
näherte, besserte sich das Wetter. An<br />
dieser Verpflegungsstelle genehmigte<br />
ich mir eine leckere Suppe, die mich<br />
nach dem Regen und dem Nebel wieder<br />
aufwärmte. Handy hervorgeholt und<br />
meine Familie angerufen. Pierre und<br />
Kerstin befanden sich knapp 3 Kilometer<br />
hinter mir. Marita war noch weiter zurück,<br />
denn mittlerweile hatte sie ebenfalls<br />
Schmerzen in dem Fuß, an dem ihr<br />
Orthopäde eine Arthrose festgestellt hatte.<br />
Für Marita stand definitiv fest, am<br />
Grenzadler auszusteigen. Sie wollte<br />
dann noch bis zum Rondell wandern,<br />
damit wir sie dort abholen konnten.<br />
Mittlerweile hatte ich festgestellt, dass<br />
die Schmerzen sogar im Ischias zu spüren<br />
waren. Der lange Aufstieg vom<br />
Rondell über die Suhler Ausspanne zum<br />
"Beerberg" konnte ich überraschenderweise<br />
laufen, denn ich stellte fest, dass<br />
das Anlaufen nach einer Gehpause<br />
problematischer war als ein gebremstes<br />
Laufen. Ab der Verpflegungsstelle<br />
"Schmücke" trank ich dann Schwarzbier,<br />
mit Cola gemischt. Je so näher Schmiedefeld<br />
rückte, umso freundlicher wurde<br />
das Wetter. Der Himmel riss zeitweise<br />
auf, und die Sonne schickte sogar wärmende<br />
Strahlen auf uns Läufer hernieder.<br />
An der Verpflegungsstelle "Am<br />
Kreuzweg" war es mir dann doch zu<br />
warm in meiner Regenjacke. Ich zog<br />
diese aus und band sie mir um den<br />
Bauch. Einen Kilometer vor dem<br />
Schmiedefelder Ziel klingelte plötzlich<br />
mein Handy. "Hallo Wolfram, hier ist<br />
Dietmar, ich stehe im Zielbereich. Was<br />
hast du für ein Trikot an, wo bist du im<br />
Moment?" hörte ich mich unseren Pressewart<br />
fragen. Wir beide hatten uns Monate<br />
vorher verabredet, uns in Schmiedefeld<br />
nach dem Lauf zu treffen. Diet"<br />
mar wollte nämlich unbedingt die laufende<br />
.Familie Brunnmeier kennen lernen.<br />
Als ich dann durch das Ziel lief,<br />
wurde ich, was meine Laufzeit, trotz der<br />
Schmerzen, anbelangt, positiv überrascht.<br />
Mit 8:24:40 Stunden hatte ich nie<br />
im Leben gerechnet.<br />
Dietmar empfing mich und folgte mir<br />
dann zu meinem Auto. Wann der Rest<br />
cjer Familie eintreffen würde, konnte ich<br />
ihm schnell beantworten: Marita kommt<br />
gar nicht, und Sohn Pierre mit Kerstin<br />
würden noch eine halbe Stunden benötigen.<br />
Dietmar wollte natürlich noch so<br />
lange warten, und so unterhielten wir<br />
uns bis dahin sehr angeregt. Nachdem<br />
Dietmar dann Kerstin und Pierre kennen<br />
gelernt hatte, mussten wir uns auch<br />
schon verabschieden, denn wir wollten<br />
Marita am Rondell nicht zu lange warten<br />
lassen. Nachdem wir sie dann eingesammelt<br />
hatten, ging es zurück nach Eisenach,<br />
nur etwas schneller und gemütlicher<br />
als Stunden zuvor.<br />
Im Jahre 2006 kommen wir wieder. Hoffentlich<br />
wird dann alles perfekt. _<br />
·(Ein Foto vom Autoren befindet sich auf<br />
der vorhergehenden Seite.)
nochmals<br />
Rennsteig<br />
Petra und Andreas Hasenstab<br />
Wie alles begann....<br />
Bereits während der späten Herbstmonate<br />
im vergangenen Jahr kam in den<br />
unterschiedlichsten Gesprächen mit unseren<br />
Lauffreunden immer wieder das<br />
Thema "Rennsteig" auf..<br />
Der Rennsteiglauf, der "sportliche Jugendtraum"<br />
der früheren Hobbyjoggerin<br />
Petra Hasenstab, 2.500 m Höhendifferenz,<br />
verteilt auf 72 Kilometer, der längste<br />
Cross Europas, Matsch, Dreck und<br />
Wurzelpfade, Mythen, Legenden oder<br />
Läuferlatein, gegen Krämpfe Haferschleim,<br />
Bratwurst und Köstritzer dunkel<br />
- was man auch immer schon gehört<br />
hat - man muss es irgendwann selbst<br />
erlebt haben!<br />
Lange Rede, kurzer Sinn - an einem<br />
denkwürdigen Tag im letzten Winter war<br />
die Meldung zu einem Langdistanztriathlon<br />
aufgeschoben und die Meldung zum<br />
Rennsteig draußen! Wer Rodgau im Januar<br />
kennt, hat keine Angst vor Eisenach!<br />
Die Vorbereitung<br />
Die sportliche Vorbereitung bestand in<br />
erster Linie darin, sich nach dem Freiburg-Marathon<br />
und den damit verbundenen<br />
vorangegangenen harten Trainingswochen<br />
optimal zu regenerieren<br />
und die bis dahin erlangte Grundlagenausdauer<br />
zu konservieren. Dies sollte<br />
schließlich mit zwei langen Läufen<br />
im geruhsamen Tempo über jeweils 30<br />
km in den Hügeln und Wäldern des<br />
heimischen Spessarts erreicht werden.<br />
Der Triathlon in Gemünden und Einheiten<br />
auf dem Mountainbike und dem<br />
Rennrad rundeten das "Training im<br />
Schongang" ab. Das Tempo sollte bei<br />
unserem Vorhaben in Thüringen sowieso<br />
eine untergeordnete Rolle spielen.<br />
Organisation, Reise und Unterkunft<br />
Die Anreise erfolgte bereits am Freitag,<br />
dem 20. Mai, ab 11 Uhr in Fahrgemeinschaften.<br />
Nach einer fast stau- und<br />
stressfreien Fahrt war das Ziel zunächst<br />
Eisenach. Dort konnten die Startunterlagen<br />
in Empfang genommen werden.<br />
Hier fallen einem sofort zwei Dinge<br />
auf, die nicht ganz in das mittlerweile<br />
sehr kommerzielle Bild von Großveranstaltungen<br />
in der heutigen Zeit zu passen<br />
scheinen. Trotz "Big Business" ist<br />
alles sehr persönlich, die Organisation<br />
funktioniert reibungslos. Anstatt Papier<br />
Erfüllter Jugendtraum<br />
müll und Prospekten in der liebevoll gefüllten<br />
Startertüte gibt es nützliche Add<br />
Ons in Form von Probepackungen, die<br />
in jeglicher Form verwertet werden können.<br />
Die Organisation in unserer Reisegruppe<br />
hat freundlicherweise unser "Rennsteig-Profi"<br />
Karlheinz Klement übernommen.<br />
Karlheinz hat schon zweimal<br />
den Rennsteig beendet ("Ihr wisst nicht,<br />
was ihr Euch da antut! Biel wäre viel einfacher<br />
gewesen!") und kennt die Gegend<br />
dort von unzähligen Skilanglaufkilometern.<br />
Er wählte als unser "Basecamp"<br />
das Treff- und Sporthotel Panorama<br />
in Oberhof. Eine Unterkunft in bester<br />
Mittelgebirgslage auf 835 Meter Höhe<br />
und herrlichem Panoramablick über<br />
Siegerin im Supermarathon 2004 und 2005:<br />
Heidrun Pecker, hier im Interview nach<br />
dem Zieleinlauf / Foto: Knies<br />
den Ort. Ausgestattet mit all dem Komfort,<br />
den ein geschundener Körper nach<br />
solchen Strapazen der Reihe nach'<br />
braucht: Whirlpool, Sauna, Hallenbad,<br />
Biergarten, Panoramarestaurant, Bar<br />
und Diskothek und schließlich auch<br />
noch Zimmer mit Betten ... ! Und so verbrachten<br />
wir den Rest des Tages damit,<br />
die Muskulatur im gut ausgestatteten<br />
Wellnessbereich des Hotels zu lockern<br />
und abends am gut bestückten Buffet<br />
die nötigen Kohlenhydrate für den großen<br />
Tag zu bunkern. Einen kurzen Abstecher<br />
in das gefüllte Festzeit zum<br />
Lauf. Hier geht die Post ab, und um 20<br />
Uhr tanzen die Läufer schon auf den Tischen.<br />
Ein "Supermarathon" mit einer<br />
"Superkloßparty" und "Superstimmung"<br />
am Vortag. So etwas habe ich selbst<br />
noch nie erlebt. Nach dieser Kurzinspektion<br />
gab' s noch ein Betthupferl in Form<br />
eines Weißbierchens, ehe wir uns zu<br />
sehr früher Stunde schon in die Federn<br />
legten.<br />
Raceday und lauf<br />
Das frühe Einchecken in die Betten hatte<br />
seinen Grund. Zu unchristlicher Stunde,<br />
um 3 Uhr früh, reißt uns der Wecker<br />
aus dem Tiefschlaf. Der Bus geht um 4<br />
Uhr von Oberhof zum Start nach Eisenach.<br />
Alles perfekt organisiert. Im Startort<br />
herrscht schon viel Betrieb auf den<br />
Straßen und um den Startbereich. Trotzdem<br />
hat man nie das Gefühl von Hektik,<br />
wie sie beispielsweise bei Marathonläufen<br />
herrscht. Die<br />
"Ultrauhr" tickt anders <br />
nämlich deutlich langsamer.<br />
Und so klappt auch das Abgeben<br />
der Kleiderbeutel an<br />
den bereitstehenden LKW<br />
einwandfrei. Man führt Gespräche<br />
mit alten Bekannten.<br />
Die Szene kennt sich<br />
untereinander. Wir treffen<br />
Uwe Krapp, der mit uns laufen<br />
will, und schließlich stehen<br />
wir in der Startaufstellung<br />
zusammen mit 1.800<br />
Leidensgenossen auf dem<br />
Eisenacher Marktplatz. Es<br />
hat kurz vorher geregnet,<br />
jedoch pünktlich zur Startzeremonie<br />
aufgehört. Alles<br />
perfekt organisiert eben.<br />
Der Start erfolgte pünktlich<br />
um 6 Uhr durch die Verantwortlichen<br />
des SV "Wartburgstadt"<br />
Eisenach. Durch<br />
die Fußgängerzone und am<br />
Bahnhof vorbei erreichen<br />
wir nach nur 1,5 km den<br />
Stadtrand. Und es folgt sofort<br />
ein erster Ausflug in die<br />
Büsche. Die "Tois" im Bereich<br />
des Starts waren einfach<br />
zu überlaufen. Also<br />
dann erst mal ganz hinten einreihen im<br />
Feld. Ein langer Anstieg von 7,4 km liegt<br />
vor uns. Auf dem Waldweg geht es vorbei<br />
an der ersten GetränkesteIle "Moosbacher<br />
Linde" (Kilometer 3,6 / 351 m<br />
NN). Viele der Läufer schonen ihre Kräfte<br />
und wandern hier an den Steigungen<br />
bereits. Nach einem kurzen Zwischensprint<br />
bin ich wieder in unserer Laufgruppe,<br />
das sind Uwe Krapp, Dieter Lebert,<br />
Karlheinz Klement und Petra und<br />
ich. Der Rest will auf eigene Faust sein<br />
Glück versuchen.<br />
Nach weiteren 500 m erreichen wir<br />
schließlich den Rennsteig in einer Höhe<br />
57
von 434 m NN. Nun geht es auf dem<br />
Rennsteig entlang an der Schutzhütte<br />
(km 10) und "Jubelhain" (km 11,21 I 551<br />
m NN), über "Ruhlaer Häuschen" (km<br />
13,64 I 639 m NN), Bergwachthütte (km<br />
15) und "Glöckner-Ehrenmal" gelangt<br />
man zur ersten Verpflegungsstelle<br />
"Glasbachwiese" (km 17,96 I 647 m<br />
NN), betreut durch die Bergwacht Steinbach.<br />
Hier ist die Stimmung super. Aus<br />
den Boxen der Verpflegungsstelle tönt<br />
das "Rennsteiglied", und ich greife außer<br />
zu den Getränken auch bei den angebotenen<br />
Schnittlauchbroten zu. Das<br />
Lauftempo lässt eine optimale Nahrungsaufnahme<br />
zu. Es folgt der Anstieg<br />
zur "Hirschbalzwiese". Ein echt toller<br />
Wurzeltrail, der zunächst leichtfüßig,<br />
dann schwerfällig und schließlich erstmals<br />
wandernd (km 20 I 691 m NN) auf<br />
740 m in der nächsten GetränkesteIle<br />
endet. "Dreiherrenstei(1" (km 20,64) und<br />
dann ist nach 300 m der "Große Weißberg"<br />
(747 m) bewältigt. Ein kurzer Abstieg<br />
zur "Brotteröder Hütte", und dann<br />
beginnt der große Anstieg über knapp 3<br />
km über den "Oberen Beerberg" (km<br />
23,8 I 841 m) zum Inselsberg (km 25,53<br />
/ 916 m). Hier laufen wir auf unseren<br />
derzeit beständigsten Ultraläufer Gerhard<br />
Albert auf. Gerhard ist wie immer<br />
gut gelaunt und unterhält vorzüglich seine<br />
Mitläufer. Auch wir nutzen den Anstieg<br />
zu einer erneuten Wanderpassage<br />
und führen einen Smalltalk. Auf dem<br />
Gipfel sind wir bereits 3 Stunden unterwegs<br />
und werden mit einem tollen Ausblick<br />
belohnt. Was nun kommt, ist ein<br />
Gefälle über 1,3 km, wie ich es bisher<br />
noch nirgendwo sonst erlebt habe. Jeder<br />
Schritt erzeugt ein Brennen in den<br />
Oberschenkeln und man denkt, die<br />
Kniescheibe springt jeden Moment raus.<br />
Noch nicht einmal 30 Kilometer im gemächlichen<br />
Tempo absolviert und schon<br />
schwere Beine. Wie soll das weitergehen?<br />
Erst mal egal, einfach weiterlaufen.<br />
Auch Uwe hat mittlerweile Probleme.<br />
Er hat sich in den letzten Tagen einen<br />
Schnupfen eingefangen, und der<br />
kostet nun anscheinend die Kraft, die<br />
eigentlich die Beine hier benötigt hätten.<br />
Die Gruppendynamik rettet uns in die<br />
nächste Verpflegungsstelle. Wieder Getränkeaufnahme<br />
und dazu ein Käsebrot.<br />
So gestärkt, verfliegen bei mir die negativen<br />
Gedanken, und wir laufen weiter.<br />
Über den "Prinz-Andreas-Platz", den<br />
Jagdberg, über das "Heuberghaus" (km<br />
30,9 I 688 m), auf den "Spießberg" (km<br />
32,79 I 749 m) zur GetränkesteIle am<br />
"Possenröder Kreuz" (km 33,64 I 700<br />
m). Hier kommen die Wanderfreunde<br />
der 35-km-Strecke "Schnepfenthai <br />
Oberhof" mit auf die Strecke und werden<br />
uns Läufer bis zum Stein 16 bei Oberhof<br />
begleiten. Die nächste Verpflegungsstation<br />
ist die "Ebertswiese" (km 37,47 I<br />
715 m). Die Hälfte der Strecke ist geschafft.<br />
Hier gibr s neben Haferschleim<br />
auch ganz untypisch Bockwürste und<br />
Schwarzbrot. Also wird erneut kräftig<br />
58<br />
zugegriffen. Die Leute an den VerpflegungssteIlen<br />
haben Erfahrung, also was<br />
kann' s schaden? Also runter mit der<br />
Bockwurst! Gestärkt nehmen wir dann<br />
den nächsten Anstieg zum "Glasberg"<br />
(km 38,48 I 760 m) in Angriff. Uwe muss<br />
hier erst mal in die Büsche und schafft<br />
es im Anschluss leider nicht mehr, zu<br />
uns aufzulaufen. Im Laufe eines solch<br />
langen Wettkampfes hat jeder mal wieder<br />
seine Problemchen. Unabhängig<br />
vom Tempo ist es auch die lange Laufzeit,<br />
die vor allem orthopädische Probleme<br />
mit sich bringt. Erst schmerzt das<br />
linke Knie, dann das rechte, es meldet<br />
sich der Rücken und dann geht es wieder<br />
super, bevor das Spiel erneut beginnt.<br />
Mentale Stärke besiegt immer<br />
wieder den inneren Schweinehund. Mim<br />
weiß am Start schon, was einen erwartet<br />
und versucht, damit umzugehen. Jeder<br />
auf seine eigene Art und Weise. Wir<br />
erreichen also minimiert die 40-Kilometer-Marke,<br />
und es fängt langsam an zu<br />
regnen, wird immer heftiger, und<br />
schließlich auf einem freien, windanfälligen<br />
Stück wird es richtig stürmisch, und<br />
der Regen schlägt waagrecht auf die<br />
Läufer ein. Das sind jedoch Dinge, die<br />
nimmt man zur Kenntnis, flucht mal kurz<br />
und trottet in seinem Schritt weiter. Alles<br />
andere bringt eh nichts in dieser Situation.<br />
Es wird immer dunkler, die Sicht beträgt<br />
nur noch wenige Meter, und es<br />
scheint sich richtig einzuregnen. Dazu<br />
dieser ekelhaft kalte Wind. Und immer<br />
noch 28 Kilometer. Verdammt, was machen<br />
wir hier? Der Weg wird stellenweise<br />
richtig schlammig. Die Wanderer haben<br />
alle ihre Regenponchos übergeschmissen.<br />
Dieter hat auch ein Tief und<br />
spricht von "einem zähen Hund", der<br />
hier bezwungen werden will. Ich kann<br />
dem mittlerweile nichts mehr hinzufügen.<br />
Wir haben nun schon über die<br />
"Neuhöfer Wiese" (km 45,41 I 850 m),<br />
über den 'Wachsenrasen" (km 47,95 I<br />
815 m) und "Hirtenrasen" (km 50,2) die<br />
GetränkesteIle "Gustav-Freytag-Stein"<br />
(km 51,25 I 876), erreicht. Die Zuschauer<br />
dort motivieren wieder zum Weiterlaufen.<br />
Ebenso wie die vielen Wanderer,<br />
die immer schnell Platz machen, wenn<br />
sie Läufer kommen hören und uns Mut<br />
für die kommenden Kilometer zusprechen.<br />
Je nach momentaner Gefühlslage<br />
sind dies richtig emotionale Momente,<br />
die richtige Glücksgefühle während des<br />
Laufens hervorrufen können. Vielleicht<br />
auch ein Grund, weshalb man sich so<br />
etwas antut? Die Strecke hat bisher<br />
auch alles geboten, was so ein Läufchen<br />
aufbieten kann. Kopfsteinpflaster<br />
in Eisenach, Wurzeln, Waldboden,<br />
Schotter, Geröll, eine kurze Treppe und<br />
auch ein kurzes Teerstück. Wir nähern<br />
uns über die Rollerstrecke bei Kilometer<br />
54,2 dem legendären "Grenzadler" (837<br />
m) bei Oberhof. Der Wind hat den Regen<br />
mittlerweile weggeblasen. Hier erfolgt<br />
eine Zwischenzeitnahme. Die Möglichkeit<br />
des Ausstieges mit Zeitnahme ist<br />
hier ebenso gegeben. Ein Transport mit<br />
Kleinbussen zum Zielort Schmiedefeld<br />
wird vom Organisator gestellt. Kein<br />
Thema für uns! Ich greife beherzt zu den<br />
bereitgestellten Schmalzbroten, schnappe<br />
mir einen Tee und gene wandernd<br />
dem nächsten Anstieg entgegen, der<br />
deutlich sichtbar auf uns Läufer wartet.<br />
Bei Anstiegen rennt hier mittlerweile<br />
niemand mehr im Feld. Die Muskulatur<br />
ist müde, und man versucht, sich gehend<br />
zu erholen, während man an Höhe<br />
gewinnt. Und das klappt wirklich. Wir<br />
habE;ln noch knapp 20 Kilometer zu bewältigen.<br />
Rechts an Oberhof vorbei geht<br />
es zum "Rondell" (km 56 I 826 m). Am<br />
Vormittag wurde der Großteil des nachfolgenden<br />
Streckenabschnittes bereits<br />
durch die Läufer des Halbmarathons<br />
und die Wanderer der 15-km-Wanderung<br />
genutzt. Als besonderes Schmankerl<br />
wartet auf uns nun der Anstieg zum<br />
Großen Beerberg, der mit seinen 982 m<br />
der höchste Punkt des Thüringer Waides<br />
ist. Der Anstieg ist lang, jedoch<br />
ganz sachte. Anders als am Vormittag<br />
beim Inselberg, merkt man kaum, wie<br />
man an Höhe gewinnt. Vielleicht sind<br />
aber auch die Beine schon so müde,<br />
dass man die Steigung einfach nicht<br />
mehr richtig wahrnimmt? Wie auch immer,<br />
nach einer erneuten ErfrischungssteIle<br />
gelangen wir schließlich zum<br />
höchsten Punkt der Strecke,<br />
"Plänckners Aussicht" (km 61,77 I 973<br />
m), unterhalb des Gipfels des Großen<br />
Beerberges. Leider ist die Sicht deutlich<br />
getrübt. Von nun an gehr s bergab! Vorbei<br />
an der "Schmücke" Richtung letzter<br />
GetränkesteIle "Kreuzwege" bzw. "BierfIeck"<br />
(km 68,26 I 816 m), beide betreut<br />
durch den SWV Goldlauter. Dem Namen<br />
entsprechend erhält man am "BierfIeck"<br />
einen "Schluck" Köstritzer<br />
Schwarzbier, auch eine Besonderheit<br />
beim Rennsteiglauf. Gerne macht unser<br />
Grüppchen von dem Angebot Gebrauch,<br />
und wir stoßen auf den hoffentlich bald<br />
bevorstehenden Zieleinlauf an. Bergab<br />
Richtung Schmiedefeld, vorbei an Kleingartensiedlungen,<br />
kann man bereits den<br />
Trubel vom Sportplatz hören. Vom WSV<br />
Schmiedefeld ist alles für den großen<br />
Empfang vorbereitet. Mit einer herzlichen<br />
Gastlichkeit, Beifall, Jubel und den<br />
Ansagen der Zielsprecher wird man im<br />
Ziel von Einheimischen, Gästen und<br />
Begleitern empfangen. Wir nehmen uns<br />
an die Hände und laufen in einer Reihe<br />
zu viert über die Ziellinie. 72,7 Kilometer<br />
von Eisenach bis Schmiedefeld sind geschafft.<br />
Auch wenn man nicht der Erste<br />
ist, ist jeder Rennsteigläufer ein Sieger,<br />
und besonders die, die die Königsstrecke<br />
bewältigt haben. Gedanken und<br />
Emotionen gehen einem durch den<br />
Kopf, und die Spannung löst sich. Ein<br />
Moment für die Ewigkeit. Ultralaufen ist<br />
einfach nur geil! In dem Moment sind die<br />
Schmerzen und gemachten Schwüre<br />
während des Laufens vergessen.
OO<br />
Wir treffen auf eine überglückliche Katja Wo Frauen Manner<br />
Friedländer. Sie hat die Altersklasse ge<br />
wonnen und ist gesamt sechste Frau 0 d d S d I<br />
geworden. Allerhöchsten Respekt! Den sin un an a en<br />
Rennsteig gewinnt man oder genießt h b I<br />
man, alles andere ist unsinnig. Wir ha- SC na e n<br />
ben also alles richtig gemacht an die- '-- --J<br />
sem Tag. Ein relaxter Uwe Diehm<br />
kommt bei uns vorbei, und wir gratulie- ... und nochmals<br />
ren uns gegenseitig. Auch er ist mit sich Rennsteig<br />
und der Welt im Einklang. Mein Arbeitskollege<br />
Uwe Blanke kommt, er hat erfolgreich<br />
den Marathon gefinisht und ist<br />
zwei Minuten vor uns eingelaufen. Auch<br />
hier - Glückwunsch! Jörg Linder<br />
Schließlich wird auch unser verloren gegangener<br />
Mitläufer Uwe Krapp beim I<br />
Zieleinlauf aufgerufen. Er hatte in Ger- H_e_rb_s_t_2_0_0_4 _<br />
hard Albert einen souveränen Laufpartner<br />
gefunden, der den restlichen Abschnitt<br />
mit ihm gelaufen ist. Sein Zieleinlauf<br />
ist ebenfalls ein großer Moment, der<br />
selbst einem Seefahrer und Bierbrauer<br />
auf die Tränendrüsen drückt. Glückwunsch,<br />
Uwe!<br />
Nach meinem ersten Ironman-Triathlon<br />
2004 erholte ich mich nur schleppend.<br />
Der hatte mir' echt auf den Magen ge<br />
schlagen. Beim Laufen war mir damals<br />
so unendlich schlecht, das entwickelte<br />
sich später noch zu einer regelrechten<br />
Gastritis. Sei's drum ... Im Herbst 2004<br />
Problemlos erhalten wir unsere Kleiderbeutel<br />
und sitzen schon bald im Bus zurück<br />
nach Oberhof. Im Hotel erwarten<br />
uns ein Whirlpool und die Sauna. Den<br />
oben genannten Biergarten lassen wir<br />
ausfallen, jedoch nach dem erneut köstlichen<br />
Essen im Panoramarestaurant<br />
und einem Weißbierchen wurde in der<br />
Diskothek "Waldmarie" (das offizielle<br />
Festzeit der Veranstaltung war proppen<br />
war klar: 2005 laufe ich meinen ersten<br />
Ultra, dem auch gleich mein zweiter folgen<br />
sollte. Der erste, der Rennsteig-Su<br />
permarathon, sollte dem Warmmachen<br />
dienen und eine ultralange Trainings<br />
einheit für den zweiten, die 100 km von<br />
Biel, darstellen. Das machen viele so.<br />
Das hört sich logisch an. Das ist logisch,<br />
Ich plane es auch genau so.<br />
voll!!) doch noch eine heiße Sohle auf 's<br />
Parkett gebügelt, ehe zur frühen Mor<br />
Winter 2004 /2005<br />
genstunde auch das Bett noch wartete. Der Winter war hart. Nur im Januar, im<br />
Ultraläufer sind eben fast unverwüstlich, eigentlichen Winter, war es relativ warm.<br />
und Rennsteigläufer sind die Härtesten! Ansonsten war der Winter ein Winter,<br />
und zwar ein verdammt langer Winter<br />
Fazit und ein verdammt richtig guter Winter<br />
Alle Mythen und Legenden um den eben. Ich aß nach Herzenslust, radelte<br />
"Rennsteig" haben ihre Berechtigung. Tausende von Kilometern locker auf<br />
Wirklich, dem ist so! Es ist ein Lauf mit meinem Hometrainer, versuchte nebenvielen<br />
begeisterten Thüringern an der bei, meine Schwimmtechnik zu verbes<br />
Strecke, die für jeden Läufer freundliche sern, plante meine berufliche Nebentäund<br />
motivierende Worte finden, sei es tigkeit, lief regelmäßig, aber nicht oft,<br />
als Zuschauer oder als Helfer. Was ver und fuhr viel Skilanglauf, genau gepflegungstechnisch<br />
geleistet wird, ist nommen, sehr viel Skilanglauf.<br />
einzigartig. Hier könnten sich viele der<br />
selbstherrlichen Event-Agenturen, die I März 2005<br />
immer mehr auf diesen Sektor drängen, --------------eine<br />
Scheibe abschneiden, wenn es um<br />
die Organisation von sportlergerechten<br />
Großveranstaltungen bei sehr gutem<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis geht.. Man<br />
merkt es hier deutlich - der Rennsteiglauf<br />
ist eine Veranstaltung von Sportlern<br />
für Sportler, eine Veranstaltung, auf die<br />
eine komplette Region zurecht stolz ist,<br />
die dann auch mit vielen emsigen Helfern<br />
dahinter steht. Wer einmal dort war,<br />
kommt mit Sicherheit wieder!<br />
Erste und einzige läuferische Standort<br />
bestimmung war der Bienwald-Marathon,<br />
bei dem ich das ehrgeizige Ziel,<br />
unter 3:20 Std. zu bleiben, verfehlte und<br />
ziemlich viel leiden musste beim Laufen<br />
Und zwar schon nach 22 km. So super<br />
ehrgeizig war dieses Ziel auch wieder<br />
nicht, es war nur ehrgeizig im Vergleich<br />
zum meinem bisherigen läuferischen<br />
Spezialtraining, und dieser Vergleich viel<br />
eindeutig zu meinen Ungunsten aus. Zu<br />
Danke nach Thüringen für dieses tolle<br />
Erlebnis! -<br />
viel allgemeine Grundlagenausdauer, zu<br />
viel Athletik, zu wenig spezielles Marathontraining.<br />
(Leider gab es von Petra und Andreas Hasenstab<br />
kein Bildmaterial.)<br />
Nach 22 km machte folgerichtig meine<br />
Laufmuskulatur schlapp. Und wie. Ich<br />
reduzierte mein Tempo und trabte weiter<br />
und hoffte auf ein Wunder. Kein Wunder<br />
geschah. Stattdessen kam mir Udo<br />
Bölts entgegen und rannte seinem ersten<br />
reinen Marathonziel entgegen. Er<br />
rannte wirklich (ich glaube so 2:50 Std.).<br />
Läuferisch ist er nicht so elegant, aber<br />
ich war froh, mich nicht selbst zu sehen.<br />
Aber auch hier war zu sehen: Udo ist ein<br />
Kämpfer! Dann sagte ich mir, wie seinerseits<br />
Udo zu Jan: "Quäl dich!" Das<br />
mit der Sau ließ ich aber weg. Ich quälte<br />
mich über .die Runden.<br />
Über eine weitere Reduzierung meines<br />
Lauftempos brauchte ich mir keine Gedanken<br />
zu machen, das ergab sich von<br />
selbst. Auf einmal kam mir Holger entgegen.<br />
Den kenne ich von der Lauftherapeutenausbildung.<br />
Er rief mir irgendetwas<br />
zu. Ich war überrascht, ihn hier zu<br />
sehen, schließlich kommt er von weit<br />
weg und sogar noch von drüben. Mein<br />
eingetrübtes Hirn gab mir zu verstehen,<br />
dass ich den kenne. Als er weg war, fiel<br />
mir ein, dass er Holger heißt und schneller<br />
läuft als ich, und daher war klar, dass<br />
er mich bald einholt. Warum ist er überhaupt<br />
hinter mir? Keine Ahnung. Aber<br />
der Winter schien insgesamt seinen Tribut<br />
zu fordern, denn schließlich kann<br />
man sich auf dem Hometrainer und<br />
beim Skilanglauf nur eingeschränkt auf<br />
einen Marathon vorbereiten.<br />
Meine Frau kam angeradelt und fragte<br />
mich, wie es laufe. "Es" war richtig, nicht<br />
"er" und nicht "ich" liefen, irgendein "es"<br />
lief irgendwie durch den Bienwald. Ich<br />
verkündete ihr unter der Verkennung aller<br />
Tatsachen, dass ich mich vom 3:30<br />
Stunden-Zugläufer einholen lassen würde,<br />
da hänge ich mich dann hintendran<br />
und kämpfe Richtung Ziel. Kaum hatte<br />
ich ausgesprochen, hörte ich schon bei<br />
km 31 eine Horde Füße hinter mir. Jetzt<br />
musste ich mich da auch noch dranhängen.<br />
Es war eine eklatante Tempoverschärfung<br />
für mich. Das hielt ich nur 3<br />
km durch, aber wir überholten dabei einen<br />
Stapel Leute. Irgendwie trabte ich<br />
dann vollends Richtung Ziel und war<br />
froh anzukommen. Beim TSV 1860<br />
München in der zweiten Fußballbundesliga<br />
sind 2 x 4 km ein so genannter Willenslauf.<br />
Bei mir war es dieser Marathonlauf.<br />
Ich war gewillt anzukommen<br />
und kam dann irgendwann und irgendwie<br />
an. Das war dann auch in Ordnung.<br />
Ende März und im April 2005 fuhr ich<br />
dann verstärkt Rennrad - u.a. 2 Brevets<br />
(200 km und 300 km) und den Fleche<br />
Allemagne Anfang Mai (Rastatt - Eisenach<br />
im Team - 430 km). Konditionell<br />
war ich gut drauf, vor allem der Grundlagenbereich<br />
passte, so dass ich den<br />
Ultraläufen gelassen und gespannt entgegensah.<br />
14 Tage vor dem Rennsteiglauf musste<br />
ich den Hunderter von Biel aus privaten<br />
Gründen allerdings absagen. Schade.<br />
59
Ich erhielt aber eine Gutschrift für<br />
nächstes Jahr. Dann halt 2006. Aber<br />
nun ging es auf nach Eisenach.<br />
20. Mai 2005:<br />
Die Nacht schlief ich schlecht. Ich war<br />
gespannt wie ein Flitzebogen. 73 km<br />
Laufen. Nur Laufen. Kein Rad und nix.<br />
Ich war mir schon zwei Tage vor dem<br />
Start sicher, dass ich mein Rad vermissen<br />
würde. Vor allem den Berg runter ....<br />
meine armen Radfahrerschenkel ... Ich<br />
ging von einem sicheren Finish in ca. 9<br />
Stunden (eher weniger) aus. Obwohl ich<br />
fast ausschließlich in flachem Gelände<br />
trainiere, müssten mir zumindest die<br />
Bergaufpassagen liegen (ausreichend<br />
Kraft und Athletik - sonst ist das ja hinderlich<br />
beim Laufen, bei einem Ultra<br />
durch den Thüringer Wald dürfte das<br />
aber ein Vorteil sein).<br />
Ich musste noch arbeiten und war ziemlich<br />
müde, als ich das Auto packte.<br />
Nachdem meine Frau auch von der Arbeit<br />
kam, fuhren wir los, immer mal wieder<br />
in kleine Staus und volle Autobahnabschnitte.<br />
Gegen 20.00 Uhr waren wir<br />
in Eisenach, das mir nun besser gefiel<br />
als beim Fleche Allemagne, wo wir mit<br />
unseren Rädern ständig angehupt wurden.<br />
Die Ausgabe der Startunterlagen<br />
war sehr entspannt und fast familiär.<br />
Unser Hotel war voll mit Rennsteigläufern.<br />
Ich schlief erstaunlich gut, und<br />
beim Frühstück um 04.30 Uhr war schon<br />
das halbe Hotel auf den Beinen. Der<br />
Gedanke, lange (ca. 9 Stunden) unterwegs<br />
zu sein, machte mir nichts aus.<br />
Das war ich vom Langstreckenradfahren<br />
gewohnt. Da geht nichts unter 8 Stunden.<br />
Ich aß eine ideale Läufermahlzeit,<br />
nämlich Bratkartoffeln und Rührei.<br />
21. Mai 2005 - Start 06.00 Uhr<br />
Der Marktplatz in Eisenach war voll, die<br />
Atmosphäre sehr entspannt. Ich sah<br />
Werner Sonntag, braungebrannt und<br />
durchtrainiert. Er war der älteste <strong>Teil</strong><br />
. nehmer mit 79 Jahren. Ich schaute, ich<br />
sah sie ihm aber nicht an, die 79 Lenze.<br />
Nun war ich doch nervös. Kurz vor dem<br />
Start endlich Nervosität. Ich freute mich<br />
aufs Loslaufen, auf die Hügel und den<br />
Haferbrei. Den berühmten. Und<br />
Schmalzbrote. und vieles mehr sollte es<br />
ja auch geben. Natürlich auch Bier. Ein<br />
Hubschrauber kreiste über dem Marktplatz,<br />
und es ging auch schon los. Winke,<br />
winke, tschüss Ruth. Ruth stand mitten<br />
in der Menge, nur ca. 30 m von der<br />
Startlinie entfernt. Wie gesagt, sehr entspannte<br />
Atmosphäre.<br />
Wir trabten locker durch Eisenach, und<br />
nach 300 m ging es auch schon gut<br />
bergauf. Sehr gut, da konnte ich wenigstens<br />
pinkeln. Es entstand sowieso ein<br />
Stau. Auf den ersten 15 km war teilweise<br />
viel Betrieb - wenn irgendwo einer<br />
stehen blieb oder hinfiel, entstand gleich<br />
wie auf der Autobahn ein Stau. Ich wollte<br />
Energie sparen und beteiligte mich<br />
60<br />
nur wenig an den sehr angeregten Gesprächen.<br />
Wenn die sich bei Kilometer<br />
50 sich auch noch so angeregt unterhalten,<br />
dann habe ich wohl was falsch gemacht<br />
im Training. Aber schon bei Kilometer<br />
25 wurde es deutlich ruhiger, vor<br />
allem nach einer steilen Bergabpassage<br />
auf die Grenzwiese. Zum ersten Mal<br />
vermisste ich mein Rad. Meine Oberschenkelmuskulatur<br />
grüßte mich freundlich.<br />
Ich nahm ihren Gruß zur Kenntnis<br />
und spürte eine leichte Neigung zu einem<br />
Krampf in der Hüftbeugemuskulatur.<br />
Alles was recht ist, aber da bitte keinen<br />
Krampf. Ich trabte vor mich hin, traf<br />
Ruth zum ersten Mal in einer Flachpasage<br />
und war noch erstaunlich gut<br />
drauf. In den Flachpassagen erholte ich<br />
mich immer wieder sehr schnell.<br />
Ab ca. Kilometer 35 signalisierte meine<br />
Muskulatur keine Bereitschaft mehr zu<br />
krampfen. Sehr schön. Dafür signalisierten<br />
meine Oberschenkel den Wunsch,<br />
etwas anderes zu machen. Sorry, liebe<br />
Oberschenkel, aber das ist eindeutig zu<br />
früh. So geht's nicht. Ihr müsst euch<br />
schon ein bisschen anstrengen. Ihr<br />
wusstet doch vorher, auf was ihr euch<br />
da einlasst. Ihr hättet euch ja nicht anmelden<br />
brauchen. Alles was recht ist, so<br />
geht's ja auch nicht. Ich näherte mich<br />
dem Kilometer 40 und irgendwann nach<br />
langer Zeit dem Kilometer 45. Jaaa! Ab<br />
jetzt war ich zufrieden. Der Lauf war<br />
jetzt schon ein voller Erfolg. So weit bin<br />
ich noch nie gelaufen! Ich lief in einem<br />
subjektiv sehr angenehmen Tempo.<br />
Tempomäßig war das viel leichter, als<br />
zu versuchen, im Marathon Bestzeit zu<br />
laufen. Zu diesem Zeitpunkt war der limitierende<br />
Faktor immer noch die Muskulatur<br />
und das Wissen, dass ich noch<br />
30 km zu laufen habe, also meine Kräfte<br />
einteilen musste.<br />
Erst gegen Kilometer 65 ging mein Puls<br />
hoch und höher, ich merkte es in den<br />
Anstiegen, ich lief ja ohne Pulsmesser.<br />
Ich trabte so vor mich hin und schaute<br />
immer schön auf den Boden, bis ich allmählich<br />
registrierte, was ich da schon<br />
eine Weile sah: Ein Paar Sandalen. In<br />
diesen Sandalen steckten durchtrainierte,<br />
ältere Lauffüße und -beine. (Da, wo<br />
ich herkomme, sind Füße Beine und<br />
umgekehrt). Da lief also einer in Sandalen.<br />
Er trabte, ich trabte. Ich schaute<br />
noch einmal - man weiß ja nie - aber es<br />
blieb so: Der ältere Herr lief diesen Ultra<br />
souverän in Sandalen. Das musste ich<br />
dann doch kommentieren. Ich: "Interessante<br />
Schuhe!"! Er: "Deine?" Innerlich<br />
musste ich lachen, äußerlich auch, ließ<br />
es aber bald bleiben, da er es ernst<br />
meinte und ich das Lachen anstrengend<br />
fand. Da läuft einer mit Sandalen 73 km<br />
durch den Thüringer Wald - der Untergrund<br />
ist uneben, die Steine sind<br />
manchmal sehr spitz; teilweise liegt viel<br />
Geröll auf dem Weg - und fragt mich,<br />
der ich normale Laufschuhe an den Fü<br />
ßen habe, wo sowieso die meisten<br />
Menschen Wanderschuhe anziehen, ob<br />
meine Laufschuhe interessant sind.<br />
Ich: "Nein, deine!"<br />
Eigentlich traute ich mich nicht, ihn zu<br />
duzen, aber er duzte mich mehrfach,<br />
und anscheinend duzen sich ja alle<br />
Sportler. Er: "Musst du auch mal ausprobieren;<br />
ich laufe fast nur in Sandalen.<br />
Aber die muss man vorne abschneiden,<br />
sonst schnabeln sie." A ja, schnabeln.<br />
Alles klar. Es dauerte eine Weile, bis ich<br />
verstand: Das Fußbett der Sandalen ist<br />
im Normalfall länger als der Fuß, und<br />
wenn man mit dieser überlangen Spitze<br />
an z.B. einem Stein hängen bleibt,<br />
gleichzeitig aber weiter läuft, bewegt<br />
sich der Fuß nach oben, wobei gleichzeitig<br />
die Sandale hängen bleibt, d.h.<br />
schnabelt.<br />
Jetzt müssten wir nur noch das mit der<br />
Frau klären, die eigentlich ein Mann ist,<br />
aber zunächst trabte ich weiter und erreichte<br />
Oberhof bzw. den Grenzadler<br />
über einen ruppigen Abstieg im Gras.<br />
Kurz vorher hat es auch noch gut gegossen,<br />
aber ich trabte einfach weiter<br />
und befolgte meine Lauftaktik: An der<br />
Verpflegung kurz stoppen, 2 oder 3 Becher<br />
nehmen und weitergehen Richtung<br />
Ziel. Alles schön konsumieren, wobei<br />
die Laufrichtung das Entscheidende ist:<br />
immer nur Richtung Ziel.<br />
Der Abstieg Richtung Grenzadler war in<br />
Wahrheit kein Abstieg. Es ging schlicht<br />
und ergreifend leicht abwärts auf einem<br />
Grashügel. Meine Oberschenkel empfanden<br />
diese leichte Neigung aber<br />
durchaus als Abstieg. Ich traf mich mit<br />
Ruth, sie fotografierte mich, als ich mit<br />
einem Becher Haferschleim winkte. Ich<br />
trabte weiter, und es kamen noch zwei<br />
wirkliche Anstiege, sonst nur Bodenwellen.<br />
Und direkt in einem Anstieg lief vor<br />
mir eine durchtrainierte, athletische<br />
Blonde mit Kampfhaarfrisur. Sie sah aus<br />
wie Grit Breuer, nur langsamer. Aber<br />
sonst: Genau so. Vielleicht war es ihre<br />
Schwester. Ich trabte hinauf - sie trabte<br />
hinauf. Sie trabte - ich trabte. Dann beschleunigte<br />
sie (fast wie Grit Breuer in<br />
ihren besten Tagen), um in die Büsche<br />
zu verschwinden und zu pinkeln. Sie<br />
stellte sich genau so hin, wie ein Mann<br />
pinkelt und pinkelte wie ein Mann. Ich<br />
schaute dann nicht so genau nach, aber<br />
ich nehme einfach an, sie war ein er. Sie<br />
war ein er, und ich lief ihr hinterher, da<br />
wurde aus ihr ein er.<br />
Natürlich kann man darüber streiten, wie<br />
weiblich Grit Breuer aussieht. Kein<br />
Thema. Aber wenn ich hinter Grit Breuer<br />
herlaufe, würde ich doch sagen, das ist<br />
eine Frau. Aber ich lief hinter dieser<br />
Schwester von G.B. her, und es war mir<br />
klar: Das ist eine Frau. Gut, viel Zeit war<br />
inzwischen vergangen (7 Stunden), dies<br />
forderte Tribut, zunächst am Oberschen
kel dann an geistiger Substanz. Die<br />
Schenkel würden sich auf jeden Fall<br />
wieder regenerieren, beim Rest war ich<br />
mir im Moment nicht mehr so sicher.<br />
Glücklicherweise kamen immer mehr<br />
Verpflegungsstationen. Unglücklicherweise<br />
ging es von den letzten acht Kilometern<br />
fünf Kilometer ergab. Juchheisa.<br />
Ich wurde nicht schneller, ich wurde<br />
langsamer. Nach und nach wurde ich<br />
überholt, von vielen, die ich unterwegs<br />
immer mal wieder gesehen hatte. Ich<br />
überholte, glaube ich, nur noch 3 Personen,<br />
wurde aber bestimmt 50 Mal überholt.<br />
Ein Holländer sprach mit mir - ich hatte<br />
ihn schon oft gesehen und er mich auch.<br />
Er lief in einem Hollandtrikot und ich im<br />
Trikot des holländischen Radrennstalles<br />
Rabobank (wegen den vielen Taschen).<br />
Aber ich weiß nicht mehr, was er sagte.<br />
Egal. Er war nett. Alles Gute!<br />
Jörg Linder (ganz links) nimmt die Verfolgung auf<br />
Ich erreichte bei km 71,5 die Ausläufer<br />
von Schmiedefeld. Seit mehreren Kilometern<br />
sagten alle Zuschauer immer nur<br />
das gleiche - entweder: "... ist nicht mehr<br />
weit!" oder: "Es geht nur noch bergab!"'<br />
Das, genau das war ja das Problem.<br />
Und sie wollten es nicht verstehen - "es<br />
geht nur noch bergab" heißt: Kein Ende<br />
der Pein - das ist nicht fein! - Ich mutierte<br />
immer mehr zum Dichter - allerdings<br />
literarisch nicht hochwertig. Auch solche<br />
Sachen wie "Schmiedefeld das<br />
schönste Dorf der Welt!" (später musste<br />
ich lesen, das schon viele andere vor<br />
mir, das gedichtet haben aber als:<br />
"Schmiedefeld - das schönste Ziel der<br />
Welt!") - oder einfach auch: "Schmiedefeid<br />
- wie lieb ich dich!" oder einfach als<br />
Schlachtruf: "Schmie-de':feld!" (3mal).<br />
So wie: Bie - le - feld!" Fußballfans wissen,<br />
was ich meine.<br />
Also ich trabte und es ging angeblich<br />
nur noch bergab, auf einmal kam da ein<br />
Hügel, ein Berg war es gar (in Wahrheit<br />
war es eine minimale Bodenwelle) und<br />
ich kam nicht mehr hoch. Ich ging. Andere<br />
wollten es aber wissen - links rannte<br />
eine Frau vorbei (Grit Breuer?), rechts<br />
rannte eine schlanke Frau vorbei und<br />
trieb einen Mann an, der völlig am Ende<br />
war. Ich hatte den Eindruck, er breche<br />
fast zusammen. Sie: "Auf - auf - auf.<br />
Jetzt noch mal Gas!" Er - aus tiefstem<br />
Herzen: "... uufff!"<br />
Die plötzlich aufkommende Hektik versetzte<br />
mich in Stress- ich machte die<br />
Kuntz-Säge und feuerte ihn an: "Auf<br />
zieh - zieh - da geht noch was!" Grit<br />
Breuer bleib verdutzt stehen - tut mir<br />
leid, dich meinte ich nicht, Grit - die<br />
schlanke Frau schaute mich an, als sei<br />
ich nicht ganz bei Trost - und trieb ihren<br />
Gatten / Freund / Was-auch-immer-erwar<br />
- weiter. Der quälte sich. 50 m weiter<br />
das gleiche Spiel. Es ging einem Höhenmeter<br />
bergauf. Er blieb stehen; sie<br />
peitschte ihn nach vorne, wo schon Grit<br />
Breuer entschwand. Der Arme<br />
tat mir leid. Ich war froh,<br />
dass es wieder ruhig war und<br />
trabte die letzten 500 m Richtung<br />
Stadion. Der Zieleinlauf<br />
war perfekt - es ging 10 Höhenmeter<br />
bergab. Pfui. Langsam<br />
wackelte ich Richtung<br />
Ziel. Der Applaus von rechts<br />
galt mir, dem neuen Ultraläufer.<br />
Der Applaus von links galt<br />
den Kurzstrecklern von der<br />
Marathonstrecke. Der Zielein<br />
Iauf war sehr bewegend. Das<br />
Publikum schien fachkundig.<br />
Für 20 Sekunden sah ich nur<br />
anerkennende Blicke.<br />
Die Zeit war so, wie ich mich<br />
fühlte: Glorreich (8 Stunden;<br />
26 Minuten).<br />
.Ein neuer Reim tat sich auf:<br />
"Du Stadion von Schmiedefeld - das<br />
schönste der WeiH"<br />
'I-------E-p-i-Io-g------<br />
Hunger. Ich hatte Hunger. Nach einem<br />
Marathon war mir meistens 2 Stunden<br />
schlecht, jetzt biss ich schon nach 20<br />
Minuten in eine Salami.<br />
Und so geht das nun schon seit einer<br />
Woche: Ich esse, und esse und esse.<br />
Ich habe immer Hunger. Jetzt muss ich<br />
echt aufpassen.<br />
Und eine Freude war das, das erste Mal<br />
das Hotelzimmer zu verlassen - ich ließ<br />
mich von der Erdanziehungskraft das<br />
Treppenhaus hinunterziehen und fing<br />
mich mit den Armen und dem Oberkörper<br />
ab. Und mit praktisch durchgestreckten<br />
Knien begab ich mich dann die<br />
Treppen hinunter. -<br />
Rennsteig historisch<br />
Über kaum einen sportlichen Wettbewerb<br />
sind so viele Bücher, Broschüren<br />
und Festschriften verfasst worden wie<br />
über den Rennsteiglauf.<br />
Der Sportverlag Berlin kam nicht umhin,<br />
dem Volkssportereignis der DDR im<br />
Jahre 1982 eine im Format A5 gehaltene<br />
Broschüre mit dem Titel "Rennsteiglauf"<br />
herauszugeben. Es folgten u.a. die<br />
reichlich bebilderte Ausgabe "Faszination<br />
Rennsteig" (1992) sowie mehrere<br />
Auflagen des Buches der Rennsteigrekorde<br />
"Who is who".<br />
Viele Jahre zuvor erschienen in der Zeitschrift<br />
"Medizin und 'Sport" einige Grundsatzartikel<br />
zu Untersuchungen beim<br />
Rennsteiglauf. Da wurden die positiven<br />
Ergebnisse des Langstreckenausdauerlaufes<br />
nachgewiesen und Kritiker des<br />
Rennsteiglaufes widerlegt. Mit diesen<br />
und weiteren international beachteten<br />
Publikationen zum Thema Rennsteiglauf<br />
von namhaften Sport- bzw. Trainingswissenschaftlern<br />
konnte der Versuch<br />
des damaligen DTSB-Präsidenten Manfred<br />
Ewald zu einem wissenschaftlich<br />
begründeten Verbot des Laufes verhindert<br />
werden. Im Jahre 1976 nämlich hatte<br />
die Leitung der Schiller-Universität in<br />
Jena vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen<br />
einen ablehnenden Antwortbrief<br />
erhalten, in dem es unter anderem<br />
hieß: "Nach Rücksprache mit dem<br />
Vizepräsidenten des DTBS der DDR,<br />
der seinerseits Genossen Manfred Ewald<br />
konsultierte, ergibt sich, dass eine<br />
zentrale Gedenklauf-Veranstaltung nicht<br />
akzeptiert wird." Gemeint war der Rennsteiglauf,<br />
denn angeblich lag weder eine<br />
sportpolitische, sportliche oder sportmedizinische<br />
Notwenigkeit vor.<br />
Doch rückgängig konnte diese Bewegung<br />
schon längst nicht mehr gemacht<br />
werden. Die Startkarten. Insbesondere<br />
für die 42-km-Distanz, mussten schließlich<br />
über die jeweiligen Bezirksvorstände<br />
des DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund)<br />
an ambitionierte Vereine verteilt<br />
werden - und so mancher Interessent<br />
ging leider leer aus. Aus Kontrollzwecken<br />
wurde eine zeitlang auch die PKZ<br />
(Personenkennzahl, die im Personalausweis<br />
verzeichnet war) abgefragt - und<br />
wehe, die stimmte nicht. Dennoch gelang<br />
es schon im Jahre 1983 einem gewissen<br />
Werner Sonntag (UM kennt ihn<br />
durch seine regelmäßige Bücherfundgrube)<br />
dank Vermittlung einiger einheimischer<br />
Sportfreunde, "illegal" am Rennsteiglauf<br />
teilzunehmen. Seine Begeisterung<br />
hält übrigens bis heute an: auch<br />
anno, 2005 war der mittlerweile 79<br />
Jährige wieder mit am Start auf der Supermarathonstrecke!<br />
<br />
(Auszüge aus "Who is who ... "entnommen)<br />
61
ULTRAMARATHON<br />
historisch (11)<br />
Die Tage danach - Tipps tür Rennsteigläuter<br />
Und auch der nächste Autor war<br />
seinerzeit ein beliebter Berichterstatter<br />
der "Laufbewegung", der<br />
auch in den "schwierigen Jahren"<br />
stets eine Lanze für den Rennsteiglauf<br />
gebrochen hat.<br />
Dr. Wilfried Ehrler<br />
Nach dem Lauf haben wir wohl alle die<br />
gleichen Probleme: treppauf geht es<br />
noch einigermaßen, aber treppab gleicht<br />
der Schritt doch mehr einer Vorführung<br />
des englischen Kabaretts "Institut für<br />
komische Gänge". Aber das sind nur die<br />
musku.lären Erscheinungen. Vor allem<br />
organismisch müssen die Spuren der<br />
langen Belastung abgebaut werden.<br />
Zuerst etwas Theorie: jede Belastung<br />
verändert das innere Gleichgewicht der<br />
Organe und des Stoffwechsels. Bei der<br />
Wiederherstellung einer stabilen Situation<br />
sollte der Körper unterstützt werden.<br />
Es kommt vor allem darauf an, dass die<br />
Energiereserven möglichst schnell wieder<br />
aufgefüllt werden, das gestörte innere<br />
Milieu (Flüssigkeitsdefizit, Säure-Basen-Haushalt,<br />
Mineralstoffe, osmotischer<br />
Druck) wieder normalisiert wird<br />
und das veränderte nervale Gleichgewicht<br />
in Ordnung gebracht werden<br />
muss.<br />
Hauptprinzip<br />
Es müssen mehrere Methoden der Wiederherstellung<br />
angewendet werden. Etwas<br />
Massage oder ein Bad allein helfen<br />
nicht, da es sich bei der Regeneration<br />
um komplexe Vorgänge handelt.<br />
Ernährung<br />
Nach dem Wettkampf kommt es vor allem<br />
darauf an, dass das Flüssigkeitsdefizit<br />
und der Kohlehydratverlust wieder<br />
ausgeglichen werden. Enorm ist ebenfalls<br />
der Verlust an Elektrolyten, der<br />
Körper hat zudem viele Salze und Mineralien<br />
ausgeschwitzt. Reichlich Getränke,<br />
in denen vor allem Natrium, Kalium,<br />
Kalzium und Magnesium enthalten sind,<br />
beheben diesen Mangelzustand. Auch<br />
das seit den letzten Kontrollpunkten<br />
heißersehnte Bier [D.K.: ... das neuerdings<br />
aber nicht mehr im Angebot ist ...]<br />
unterstützt diesen Wiederherstellungsprozess.<br />
Die Kohlehydratspeicher werden am<br />
besten durch eine vollwertige Kost auf<br />
gefüllt. Wer jedoch Appetit auf ein Stück<br />
Torte verspürt, der muss nicht enthaltsam<br />
sein. Meine Erfahrungen belegen,<br />
dass man in diesem Moment seinem<br />
Appetit vertrauen da'rf. Er ist in den ersten<br />
Stunden nach dem Wettkampf ein<br />
verlässlicher Wegweiser für richtige Ernährung.<br />
Physiotherapie<br />
Bäder, eventuell mit Zusätzen, helfen<br />
beim Abtransport der Stoffwechselprodukte,<br />
die sich in der Muskulatur angesammelt<br />
haben. Ebenso nützlich sind<br />
Bürstungen, leichte Massagen sind<br />
gleichfalls zu empfehlen. Sie sollten aber<br />
nicht an den Stellen erfolgen, wo ein<br />
starker Muskelkater vorhanden ist - also<br />
nicht an der Waden- und Oberschenkelmuskulatur.<br />
Von Saunabädern wird ebenfalls abgeraten,<br />
da der Körper schon während des<br />
Wettkampfes viel Flüssigkeit verloren<br />
hat.<br />
Aktive Erholung<br />
Wer nach dem Lauf absolut passiv ist<br />
und sich nur ausruht, tut seinem Körper<br />
nichts Gutes. Leichte, andersstrukturierte<br />
Bewegungen unterstützen die Wiederherstellung<br />
viel mehr. So kann man<br />
z.B. am Tag nach dem Lauf eine Radtour<br />
unternehmen, schwimmen oder im<br />
Gaiten arbeiten. Diese anders gearteten<br />
Bewegungen entspannen die Muskulatur<br />
und regen den Muskelstoffwechsel<br />
an. Leichte Dehnungsübungen dienen<br />
ebenfalls der Entmüdung. Diese gymnastischen<br />
Formen können den Muskelkater<br />
mildern. Ein Geheimrezept gegen<br />
ihn gibt es jedoch nicht. In der Regel bildet<br />
er sich nach drei Tagen wieder zurück<br />
- mit und ohne Unterstützung.<br />
Weitere Maßnahmen<br />
Ausreichend Schlaf, geistiger Ausgleich<br />
und Harmonie in der unmittelbaren Umgebung<br />
sind Faktoren, die der schnellen<br />
Regeneration förderlich sind. Schließlich<br />
können auch spezielle Entspannungstechniken<br />
wie Yoga, autogenes Training<br />
und ·konzentrative Entspannung eingesetzt<br />
werden.<br />
Mit gezielten Regenerationsmaßnahmen<br />
werden die Belastungen eines Wettkampfes<br />
im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit<br />
auf alle Fälle schneller überwunden.<br />
Damit ist der Läufer auch in der<br />
Lage, das Training früher wieder aufzunehmen.<br />
Aber das ist nicht die Hauptsache,<br />
schließlich kommt es noch mehr<br />
darauf· an, dass wir schneller wieder<br />
leistungs- und genussfähig sind, denn<br />
wer liebt schon einen Rennsteigläufer,<br />
der tagelang müde und abgespannt ist<br />
und über seine Wehwehchen klagt?<br />
Anmerkungen zum Autoren:<br />
Dr. päd., geboren im Mai 1929 in<br />
Schöneck (Vogtland); Sportstudium an<br />
der DHfK und Soziologiestudium an der<br />
Karl-Marx-Universität in Leipzig, Diplomsportlehrer,<br />
Tätigkeit als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter und Oberassistent,<br />
zahlreiche Veröffentlichungen, aktiver<br />
Sportler seit Kindheit, Mitbegründer<br />
der Meilenbewegung in der DDR und<br />
Gründungsvater des Leipziger Triathlons,<br />
27 (!) <strong>Teil</strong>nahmen am Rennsteiglauf,<br />
im Jahre 2002 letztmalig dabei. <br />
*********************************************<br />
Die Karikatur "Wild entschlossen" wurde uns<br />
freundlicherweise vom Verein "sv im-puls erfurt"<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
63
Die interessante Statistik<br />
Die Sieger des GutsMuths Rennsteiglaufes über 75 km* von<br />
Eisenach nach Schmiedefeld (Männer I Frauen)<br />
21. Mai 2005 5:27: 17 Helmut Peters 6:05:33 Heidrun Pecker (3)<br />
15. Mai 2004 5: 15:44 Matthias Körner 6: 13: 11 . Heidrun Pecker (2)<br />
17. Mai 2003 5:19:02 Thomas Miksch (4) 5:58:50 Isabella Bernhard (2)<br />
25. Mai 2002 5: 16:00 Thomas Miksch (3) 6:11 :57 Isabella Bernhard<br />
19. Mai 2001 5:24:35 Thomas Miksch (2) 6:20:35 Heidrun Pecker<br />
20. Mai 2000 5:22:30 Thomas Miksch 6:24:34 Birgit Lennartz (7)<br />
15. Mai 1999 5:16:25 Peter Gschwend (SUI) 6:14:00 Birgit Lennartz (6)<br />
16. Mai 1998 5:05:13 Charly Doll 6: 16: 11 Anke Drescher<br />
24. Mai 1997 5:23: 19 Burkhard Lennartz (3) 6:13:36 Birgit Lennartz (5)<br />
18. Mai 1996 4:27:05 Carsten Merz 5:21 :18 Birgit Lennartz (4)<br />
20. Mai 1995 4:35:02 Michael Sommer 5:27:37 Birgit Lennartz (3)<br />
28. Mai 1994 4:26:38 Kazimierz Bak 5:21 :38 Birgit Lennartz (2) .<br />
15. Mai 1993 4:20: 17 Thomas Sperling (2) 5:44:47 Claudia Schmidt<br />
16. Mai 1992 4:39:06 Burkhard Lennartz (2) 5: 11 :33 Birgit Lennartz<br />
25. Mai 1991 4:15:13 Thomas Sperling 5:44:24 Heike Krauss (2)<br />
19. Mai 1990 4:31 :25 Burkhard Lennartz 5:48:54 Heike Krauss<br />
20. Mai 1989 4:23:30 Detlef Wegner (4) 5:43: 19 Edith Nöbel<br />
14. Mai 1988 4:24:32 Detlef Wegner (3) 6:00: 19 Karen Jahns (2)<br />
16. Mai 1987 4:30:24 Peter Grüning 5:42:31 Karen Jahns<br />
24. Mai 1986 4:37:24 Detlef Wegner (2) 5:54:41 Monika Bianchin (2)<br />
18. Mai 1985 4:34:04 Dietmar Knies (4) 5:48:47 Monika Bianchin<br />
26. Mai 1984 4:48:00 Detlef Wegner 6:39:00 Sigrun Macheleidt<br />
14. Mai 1983 4:55:00 Gerhard Fischer 6:29:00 Marid Helbig<br />
22. Mai 1982 5:09:08 Dietmar Knies (3) 6:38:46 Petra Zocher<br />
23. Mai 1981 5: 12:00 Gerhard Baumann (2) 7:11 :00 Beatrix Wernicke<br />
17. Mai 1980 5:02:00 Dietmar Knies (2) 8:08:00 Irmgard Neumärker (2)<br />
26. Mai 1979 5:21 :00 Dietmar Knies 8:25:00 Christa Moser<br />
20. Mai 1978 5: 12:00 Gerhard Baumann 8:53:00 Irmgard Neumärker<br />
21. Mai 1977 5:05:00 Dieter Wiedemann 9:22:00 B. Rohleder (2)<br />
15. Mai 1976 5:04:00 Roland Winkler 9:52:00 B. Cienskowski & B. Rohleder<br />
10. Mai 1975 6:16:00 Wolfgang Kahms ohne Zeit Christin Cladun<br />
17. Mai 1974 . 10:35:00 Rainer Knoch + keine <strong>Teil</strong>nehmerinnen<br />
13. Mai 1973 9:55:00 H.-G. Kremer + keine <strong>Teil</strong>nehmerinnen<br />
Anmerkungen<br />
Die Finisher im Jahre 1973 waren Hans-Georg Kremer, Wolf-Dieter Wolfram, Hans-Joachim Römhild<br />
und Jens Wötzel, die Finisher des Jahres 1974 hießen Rainer Knoch, Hans-Georg Kremer, Hans-Joachim<br />
Römhild, Jens Wötzel, Gert Clausnitzer, Klaus Gottert, Wblfgang Schuck und Siegfried Ziegann.<br />
Die Siegerzeiten der Jahre 1973 bis 1981 sowie 1983 und 1984 wurden in dieser Tabelle aus optischen<br />
Gründen auf volle Minuten gerundet, da die exakten Zeiten in den Unterlagen nicht verzeichnet<br />
waren.<br />
Streckenlängen<br />
100 km -7 1973 und 1974<br />
50 Meilen -7 nur 1975<br />
68 km -7 1983 bis 1985 (schwankende Länge zwischen 67 km und 68.3 km)<br />
65 km -7 1986 bis 1996 (schwankende Länge zwischen 63.8 km und 66.5 km)<br />
75 km -7 ab 1997 (schwankende Länge zwischen 72.7 km und 76 km)<br />
64
Rennsteiglauf-Sieger Helmut Peters im Interview<br />
Helmut, zunächst die Standardfrage:<br />
Wer ist Helmut Peters?<br />
Ich komme aus Schleiden in der Nähe<br />
von Aachen, bin Inhaber eines Sportgeschäftes,<br />
im August 1966 geboren, verheiratet<br />
und seit dem 22.07.05 Vater eines<br />
Sohnes. Außer zum Laufen bleibt<br />
mit nur noch Zeit, um mit unseren beiden<br />
Golden-Retriever-Hunden durch die<br />
Natur zu streifen.<br />
Auch Deine läuferische Visitenkarte<br />
ist sicher interessant... !?<br />
Ich bin Läufer seit 1985 und kann auch<br />
auf recht ordentliche Bestzeiten verweisen:<br />
10 km in 33:10, Marathon in<br />
2:33:20,50 km in 3:17:40 und 100 km in<br />
7:26:28. Im Training bin ich absoluter<br />
Autodidakt getreu dem Motto: "Jeder<br />
Meter, den man läuft, muss Freude bereiten."<br />
Und in meinem Beruf kommt<br />
man natürlich günstig an jede Menge<br />
Fachliteratur heran.<br />
Wie bekommst Du als Geschäftsmann<br />
Beruf und Sport unter einen<br />
Hut?<br />
Jeden Werktag, also von Montag bis<br />
Samstag, ist ab 6.00 Uhr Training angesagt,<br />
und zwar in der Regel ca. 1Y><br />
Stunden, anschließend bin ich wie gesagt<br />
noch mal eine Stunde mit den Hunden<br />
unterwegs. Von 9.30 Uhr bis ca. 20<br />
Uhr findet man mich dann im Geschäft.<br />
Und sonntags beginnt mein Training um<br />
8.00 Uhr und dauert etwa 2Y> Stunden.<br />
Wie würdest Du Deine weiteren sportlichen<br />
Ziele definieren?<br />
Nach dem Sieg beim Rennsteiglauf ist<br />
es natürlich schwer, neue Ziele zu finden.<br />
Zumal ich in den letzten fünf Jahren<br />
6 Marathon- und 3 Ultraläufe gewonnen<br />
habe ...<br />
In der Ergebnisliste des Rennsteiglaufes<br />
steht bei Dir als Vereinsname<br />
"Sportteam Peters", für einen Außenstehenden<br />
ein relativ nichtssagender<br />
Begriff ...<br />
Ich bin hier aus Werbezwecken unter<br />
meinem Firmennamen gestartet. Ansonsten<br />
laufe ich für den SV Bergwacht<br />
Rohren, und meine 100-km-Bestzeit bin<br />
ich im Jahre 2000 für den LC Euskirchen<br />
gelaufen.<br />
Kommen wir nun mal zum Rennsteiglauf.<br />
Manche können auf 25 und mehr<br />
<strong>Teil</strong>nahmen verweisen. Wie viele Mal<br />
warst Du schon dabei?<br />
Da kann ich natürlich bei weitem nicht<br />
mithalten, denn ich habe hier erst im<br />
Jahre 2004 mein Debüt gegeben. Aber<br />
die Bilanz von einem dritten und einem<br />
ersten Platz kann sich sicher sehen lassen.<br />
Was hat Dich denn 2004 zum Rennsteiglauf<br />
"getrieben"?<br />
Da ich seit ein paar Jahren nur noch<br />
Landschaftsläufe bestreite, musste ich<br />
ganz einfach auch unbedingt mal zum<br />
Rennsteig kommen. Denn dessen Ruf<br />
hat sich sogar bis nach Schleiden herumgesprochen.<br />
Ein klasse Lauf, den<br />
ich unbedingt weiterempfehlen möchte.<br />
Helmut Peters (links) und Ralph Koritz stehen nach dem Zieleinlauf Rede und Antwort<br />
Mit welchem Ziel bist Du nach Deinem<br />
überraschenden 3. Platz im Vorjahr<br />
denn diesmal ins Rennen gegangen?<br />
Mein Ziel beim Rennsteig 2005 war einfach<br />
nur, das Rennen zu genießen und<br />
unter 6 Stunden zu bleiben. Wenn ich<br />
bisher mit solch lockeren Einstellungen<br />
gestartet bin, lief es meist am besten.<br />
So war es eben auch diesmal. Doch ich<br />
kann es immer noch nicht glauben, den<br />
Rennsteig gewonnen zu haben und nun<br />
vielleicht in einem Atemzug mit Doll,<br />
Körner und Miksch genannt zu werden!<br />
Wie bist Du denn nach diesem Erfolg<br />
daheim in Schleiden empfangen worden?<br />
In den lokalen Medien wurde natürlich<br />
ausführlich über mich berichtet, d.h. Zei<br />
tungs- und Radiomeldungen, und es<br />
kam sogar ein Gratulationsschreiben<br />
vom Bürgermeister. Und meine Thüringer<br />
Fans haben mir viele Zeitungsausschnitte<br />
zugeschickt. Das ganze hat so<br />
zu meiner großen Freude auch eine<br />
sehr positive Wirkung auf meine Kundschaft!<br />
Und was macht Helmut Peters im Mai<br />
2006?<br />
Wenn ich verletzungsfrei bleibe und ordentlich<br />
durchtrainieren kann, werde ich<br />
da ganz bestimmt wieder am Rennsteig<br />
teilnehmen mit dem Ziel, das ich auch<br />
2005 hatte. Doch wie ich hörte, will<br />
Ralph Koritz dann nicht mehr dabeisein.<br />
Apropos Ralph Koritz. Wie siehst Du<br />
mit ein wenig Abstand das Malheur<br />
von Ralph Koritz, als er sich in führender<br />
Position verlaufen und dabei<br />
mehrere Minuten verloren hat?<br />
Für mich war Ralph Koritz, der im Vorjahr<br />
ja nur ganz knapp von Matthias<br />
Körner geschlagen wurde, der klare Favorit!<br />
Wir sind alle Sportkameraden und<br />
jeder darf gewinnen! Allerdings bin ich<br />
an der Stelle, wo Ralph sich verlaufen<br />
hat, auch ganz alleine gelaufen und habe<br />
den Weg - trotz meiner erst zweiten<br />
<strong>Teil</strong>nahme - auch gefunden. Alles andere<br />
wäre Spekulation und sollte nicht<br />
kommentiert werden <br />
I<br />
Anmerkung: Das Interview führte der Pressewart<br />
wenige Tage nach Helmuts großem<br />
Erfolg per Telefon.<br />
65
Zielschluß als Alterssport?<br />
Die aktuelle Lesermeinung - von Werner Sonntag<br />
Aspekte des Seniorenlaufs beim GutsMuths-Rennsteiglauf (Supermarathon)<br />
Dieser Beitrag geht auf den Brief einer Läuferin an den Verfasser sowie auf Gespräche während und nach dem<br />
100-km-Lauf in Biel zurück. Der Text bezieht sich zwar konkret auf den GutsMuths-Rennstei,glauf, ist jedoch auch<br />
für andere Laufveranstaltungen relevant.<br />
Zielsetzung: Aus der Alterung der Gesellschaft müssen Volkslaufveranstalter die Konsequenzen ziehen. Dies<br />
bedeutet, sich anders als bisher darauf einzustellen, die höheren Altersgruppen zu integrieren. Insbesondere<br />
Landschaftsläufe, die keinen Wettbewerbscharakter in dem durch Verbände definierten Sinn haben, müssen<br />
trainierten Alten die Möglichkeit bieten, ihrem Sport verbunden zu bleiben. Dies gilt in hohem Maße für den<br />
GutsMuths-Rennsteiglauf, der von seiner Geschichte und seinem Charakter her ein echter Volkslauf ist. Dabei<br />
sollte die große Herausforderung des Supermarathons auch für trainierte Alte erhalten bleiben. Zielschlußzeiten<br />
müssen darauf Rücksicht nehmen.<br />
Fakten und Perspektiven: Die Zahl der in höherem Lebensalter Sporttreibenden wächst. Bis zum Jahr 2050 wird<br />
eine Verdreifachung der gegenwärtigen Zahl der Achtzigjährigen und Älteren angenommen. Zu berücksichtigen<br />
ist, daß die Zahl der über achtzigjährigen Männer infolge der Kriegsverluste im Vergleich zu einer normalen<br />
Alterspyramide zur Zeit noch erniedrigt ist. Die Erreichung von 100 Lebensjahren rückt von der Ausnahme in den<br />
Bereich der realen Möglichkeit für diejenigen, die ein höheres Lebensalter ohne größere gesundheitliche<br />
Beschwerden erreicht haben. Der Anteil der Achtzigjährigen und Älteren an der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />
Deutschland wird von gegenwärtig 4 % auf 12 % steigen. Das Potential der leistungsbetonten Seniorenläufer von<br />
80 Jahren und älter liegt dann in einem Bevölkerungsanteil von 9,1 Millionen Menschen, bei gleichzeitigem<br />
Rückgang des Anteils an jüngeren Menschen. Diese Entwicklungstendenz spiegelt sich bereits gegenwärtig<br />
wider. Die Marathon-Statistik von Peter Greif führt für das Jahr 2004 insgesamt 811 deutsche Marathonteilnehmer<br />
im Alter von 65 Jahren und mehr auf, eine Zahl, die am Beginn der Volkslaufentwicklung in den<br />
sechziger Jahren nicht vorstellbar erschien. Aus dem Potential der Marathonteilnehmer schöpft auch die<br />
Ultramarathon-Bewegung. Für den 100-km-Lauf in Biel haben für das Jahr 2005 insgesamt 76 Läuferinnen und<br />
Läufer im Alter von 65 Jahren und mehr (davon 30 im Alter von 70 bis 79 Jahren) gemeldet. Am Supermarathon<br />
des Rennsteiglaufs haben in diesem Jahr 39 Angehörige dieser Altersgruppen teilgenommen (davon nur 9 im<br />
Alter von 70 bis 79 Jahren). An diesem Vergleich zeigt sich, daß der Rennsteiglauf mit dem Supermarathon<br />
gerade erst wenig mehr als die Hälfte des in Biel aktivierten Alterspotentials an sich gebunden hat. Gegenwärtig<br />
mag dies nicht relevant erscheinen. Blickt man jedoch auf die demographische Perspektive, die Verdreifachung<br />
der Zahl der Achtzigjährigen, fällt der Vergleich ins Gewicht. Die Folgen einer Vernachlässigung dieses Aspekts<br />
zeigen sich an der Stagnation der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen bei Meisterschafts-Ultrawettbewerben. Rigide Regeln aus<br />
dem Leistungssport der Jüngeren, die in der Vergangenheit in traditionellen Sportarten bereits mit 35 Jahren als<br />
"Alte Herren" bezeichnet worden sind, ermöglichen die <strong>Teil</strong>nahme nur wenigen aus dem wachsenden Potential<br />
der über Fünfundsechzigjährigen.<br />
Parallel zu den demographischen Veränderungen ist von einer Feminisierung des Sports, gerade auch des<br />
Laufsports, auszugehen. Grundsätzlich sind Frauen dem Wettkampfsport weniger zugeneigt als Männer. Beobachtungen<br />
lassen vermuten, daß sich der relativ noch geringe Frauen-Anteil an Wettbewerben ändern wird. Im<br />
Positiven wie im Negativen ist eine Angleichung der Frauen an Verhaltensweisen von Männern zu beobachten<br />
(Rauchen, Zunahme von Herzerkrankungen bei Frauen, aggressives Autofahren wie bei Männern). Nach der<br />
These Ernst van Aakens sind Frauen ausdauernder als Männer. Es ist zu erwarten, daß sich die derzeit noch<br />
geringe Zahl der Frauen bei Ultraläufen erhöhen wird, zum einen, weil Frauen ihr Ausdauerpotential entdecken,<br />
zum anderen, weil sie beim Ultralauf anders als beim Marathon nicht unbedingt in Konkurrenzsituationen geraten;<br />
die Strecke, nicht eine höhere Geschwindigkeit als die Konkurrentin, stellt für sie die Herausforderung dar.<br />
Möglicherweise veranschlagen Frauen den Erlebnischarakter von Ultraläufen höher 'als Männer. Waren es<br />
zunächst nur wenige Namen von Älteren, die in der Ultramarathon-Bewegung in Erscheinung traten - Eva-Maria<br />
Westphal, Rosa Vögeli, Christel Vollmerhausen, Gerda Schröder :, so wachsen jetzt erheblich mehr leistungsstarke<br />
Läuferinnen in die höheren Altersklassen hinein. Im allgemeinen finden Frauen weniger hohe Altersklassen<br />
vor als Männer, wiewohl es keine physiologischen Gründe gibt, daß die Ausdauerfähigkeit für einen 100-km-Lauf <br />
bei Frauen geringer sei als bei Männern.<br />
Folgerungen für Verbände und Veranstalter: Die von Ernst van Aaken aus gutem Grund gegründete Interessengemeinschaft<br />
älterer Langstreckenläufer hat sich mit der Namensänderung von IGÄL in IGL von ihren<br />
ursprünglichen Zielen verabschiedet. Eine Interessenvertretung der Älteren im Laufsport erscheint angebracht;<br />
dies könnte in einem "Arbeitskreis der Seniorenläufer" auch ohne Vereinsform geschehen.<br />
Alterssport kann gerade im Laufsport nicht bedeuten, auf ein wesentliches Element des Sports, die Herausforderung<br />
und den Wettbewerb, zu verzichten. Mit der wachsenden Zahl alter Menschen, die im Volkslauf aktiv<br />
sind, stoßen immer mehr Menschen an die zwangsläufig willkürlich festgelegten Grenzen. Sie erreichen eines<br />
Tages das Ziel innerhalb der vorgegebenen Zeit nur noch mit zeitlichem Streß, der ein Disstreß und kein Eustreß<br />
ist, überschreiten den Zielschluß oder werden aus dem Rennen genommen. -<br />
Leistungsstarke Altersläufer sind gezwungen, sich von Herausforderungen zu verabschieden, zum Beispiel beim<br />
Rennsteiglauf Franz Weißenböck. Wer wie er in hohem Alter (damals) 74 Kilometer innerhalb der geforderten Zeit<br />
66
zu laufen vermochte, ist vermutlich auch in den folgenden Jahren noch in der Lage, diese Strecke zu laufen,<br />
benötigt jedoch eine längere Zeit.<br />
Da Frauen eine niedrigere Grundschnelligkeit als vergleichbare Männer haben, sind Frauen in den hohen Altersklassen<br />
benachteiligt; sie müssen das Ziel innerhalb derselben Zeit erreichen wie Männer, obwohl sie ge<br />
. schlechtsspezifisch langsamer sind. Durch rigide Zielschlußzeiten werden sie abgeschreckt. Daraus erklärt sich,<br />
daß hohe weibliche Altersklassen bei Marathon- und Ultramarathonläufen gar nicht vorkommen. Man kann<br />
jedoch nicht an Seniorinnen appellieren, sich zu Ultraläufen anzumelden und dann erst die entsprechenden<br />
Altersklassen einrichten; man muß in Vorleistung treten und beharrlich eine W 70, 75 und später auch W 80<br />
anbieten. Die schriftlich nicht fixierte Absprache im DLV, Plazierungen erst zu werten, wenn rnindestens drei<br />
<strong>Teil</strong>nehmer einer Altersklasse am Start sind, gehört revidiert. Sie trägt dazu bei, Resignation zu bewirken.<br />
Unter diesen Aspekten sind Marathon-Zielschlußzeiten von 5 Stunden zu eng bemessen, wenn es sich um<br />
Veranstaltungen mit Volkslaufcharakter handelt. Auch Ultrastrecken müssen daraufhin geprüft werden. Insofern<br />
haben die Veranstalter der Bieler Lauftage mit der Herabsetzung des Zielschlusses um weitere zwei Stunden das<br />
falsche Zeichen gesetzt, auch wenn die Zieleinläufe nach mehr als 20 Stunden nicht relevant erscheinen. Eine<br />
spektakuläre Leistung wie die des 90jährigen Dr. Adolf Weidmann, die für propagandistische Zwecke des<br />
Alterssports gern in Anspruch genommen wird, wäre heute nicht mehr gestattet. Der Wegfall der Funktionen einer<br />
Frauenwartin und eines Alterssportwartes im Präsidium der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung ist in diesem<br />
Sinne ebenfalls kontraproduktiv.<br />
Das Argument, daß alte Menschen erkennen müßten, eines Tages Abschied vom Wettbewerbssport zu nehmen,<br />
gilt offenbar nur für den Laufsport, nicht jedoch in den klassischen Leichtathletik-Disziplinen. Hier finden<br />
Kurzstreckenläufe ohne Altersbeschränkung oder zeitliche Qualifikationen statt. 100 Meter darf man hier in<br />
beliebiger Zeit laufen. Für ältere Menschen sind die Leistungsnormen bei der Ablegung der Sportabzeichen<br />
Prüfung erniedrigt. Da ist keine Rede davon, daß Achtzigjährige zu alt dafür seien. Ausgerechnet bei Ausdauerprüfungen<br />
jedoch sollen Menschen in einem Alter, in dem unter den fünf Aktualfähigkeiten am ehesten noch die<br />
Ausdauer erhalten geblieben ist, aus den Veranstaltungen gedrängt werden. Zwar wird sich die Alterspyramide<br />
des Sports nur allmählich erhöhen, aber die Veranstalter sollten bereits von Anfang an das Angebot für ein<br />
höheres Alterspotential bereithalten. Wenn erst einmal Alterssportler zwangsläufig weggeblieben sind, wird es<br />
schwer, wenn nicht gar unmöglich, diese wieder für eine Laufveranstaltung zu gewinnen; Motivation und<br />
Trainingsanreize gehen verloren. Sechs- und Zwölfstunden-Läufe sind kein Ersatz für Landschaftsläufe.<br />
Praktische Umsetzung: Nicht bei allen Veranstaltungen wird eine zeitliche Ausweitung möglich sein. Dort, wo<br />
öffentliche Straßen benützt werden, wird die Handhabung der Verkehrssicherungspflicht auf Grenzen stoßen. Bei<br />
Meisterschaften ist der Zeitaufwand für die Auswertung noch am seiben Tag zu berücksichtigen. Um so mehr<br />
sollten sich die Veranstalter von Landschaftsläufen dazu aufgerufen fühlen, mit ihren Zielschlußzeiten alten<br />
Läuferinnen und Läufern entgegenzukommen. Dies gilt in Deutschland besonders für den Supermarathon des<br />
GutsMuths-Rennsteiglaufs. Eine Verlängerung des Zielschlusses um zwei Stunden auf 20 Uhr scheint möglich.<br />
Bisher schon ist Rücksicht auf noch auf der Strecke befindliche Läufer genommen worden; doch sollten solche<br />
<strong>Teil</strong>nehmer nicht von Gnade und Barmherzigkeit abhängig sein, sondern von vornherein in die Wertung<br />
einbezogen werden. Die Tatsache, daß die Strecke über Wanderwege führt, läßt eine zeitliche Ausweitung zu.<br />
Die Verkehrssicherung beim Passieren der Straße vor Schmiedefeld könnte aufgehoben werden; es ist den<br />
<strong>Teil</strong>nehmern zuzumuten, daß sie die Straße auf eigenes Risiko überqueren, zumal hier ohnehin der Gehschritt<br />
praktiziert wird. Auch die Verpflegungsstationen auf den 17 Kilometern zwischen Oberhof und Schmiedefeld<br />
könnten wie bisher abgebaut werden. <strong>Teil</strong>nehmern, die zu dieser Stunde unterwegs sind, ist zuzumuten, daß sie,<br />
wenn erforderlich, eine Trinkflasche mit sich führen. Es verzögert sich nur die Einziehung etlicher<br />
Markierungsbänder; niemand wird Anstoß nehmen, wenn das erst am nächsten Tag geschieht. Die Moderation<br />
am Ziel muß nicht ausgedehnt werden; es genügt, wenn die notwendigen Funktionen, Zeitkontrolle, Überreichung<br />
einer Medaille und des Gepäcks, zwei Stunden länger ausgeübt werden. Da zu dieser Zeit in Schmiedefeld noch<br />
der Festbetrieb im Gange ist, läßt sich die Infrastruktur ohne weiteres aufrechterhalten. Auch das Angebot eines<br />
Kleinbusses mit Abfahrt um 20.30 Uhr nach Eisenach müßte sich bei vorbestellter Belegung organisieren lassen.<br />
Bereits in der Vergangenheit hat die Organisation des GutsMuths-Rennsteiglaufs durch die Ausweitung auf<br />
andere Angebote als Supermarathon und Marathon Mehrbelastungen in Kauf genommen. Es sollte möglich sein,<br />
auch die Ausweitung des Zielschlusses für den Supermarathon zu verkraften. Der Rennsteiglauf könnte damit<br />
eine Vorreiterrolle für den Zugang von Senioren zu anspruchsvollen Strecken spielen - dies um so mehr, als eine<br />
Ausweitung bei alpinen Läufen nur sehr eingeschränkt möglich wäre.<br />
Erwartungen: Es ist anzunehmen, daß die Berücksichtigung von Seniorenläuferinnen und -läufern in-Ger gesamten<br />
Volkslaufbewegung honoriert würde und damit vielleicht sogar einen Anschub für die unteren Altersklassen<br />
brächte. Nicht nur soziale Gründe sprechen für eine Ausweitung von Zielschlußzeiten, sondern auch<br />
gesundheits- und sportpolitische Gründe. Seniorenläuferinnen und -läufer haben für die Öffentlichkeit Vorbildcharakter.<br />
Ihr vermehrtes Auftreten könnte vor Augen führen, daß alte Menschen zwar nicht mehr durch<br />
Schnelligkeit, sehr wohl aber durch Ausdauer mit Jüngeren gleichziehen können. Nicht Schnelligkeit, sondern<br />
Ausdauer-Disziplinen sind gesundheitsrelevant.<br />
Anmerkung: Der Autor schreibt seine Beiträge in konservativer Rechtschreibung! Gleiches gilt für seine "Bücherfundgrube" auf<br />
den Seiten 128 und 129.<br />
67
11. "13.07.05<br />
Badwater-UItramarathon<br />
In Californien (USA) über 217 km<br />
Bernhard Sesterheim<br />
"Läufer, laufe, und mit einem starken<br />
Willen und gutem Training kannst Du<br />
dem Stolz einer furchteinflößenden Distanz<br />
trotzen".<br />
Ich habe diesen von Sri Chinmoy stammenden<br />
Spruch in die Tat umgesetzt,<br />
und jetzt, über drei Wochen nach diesem<br />
bestandenen Abenteuer, fühle ich<br />
mich in der Lage, "meine" Geschichte<br />
über dieses einzigartige Rennen zu erzählen:<br />
Aufmerksam geworden auf dieses Rennen<br />
bin ich im Jahre 2000, dem Beginn<br />
meiner Laufkarriere, als mir eine Ausgabe<br />
des "Running" auffiel. Die Titelge<br />
schichte hieß: "Joe Kelly im Tal des To<br />
des". Dieser Bericht faszinierte<br />
mich außerordentlich,<br />
und somit war der Keim für<br />
mein jetzt ganz kurz zurückliegendes<br />
Intensiverlebnis<br />
gelegt. Nachdem ich im Juni<br />
2000 in der Eifel meinen ers<br />
ten Volkslauf, den Eifelmara<br />
thon, mit sehr großer Mühe beendete,<br />
folgten im gleichen Jahr noch vier weitere<br />
Marathons. Im darauffolgenden Jahr<br />
absolvierte ich bereits den ersten Ultramarathon<br />
im Thüringer Wald. In 2002<br />
war mit dem Sahara-Marathon in der<br />
Südwestecke Algeriens bei Tindouf in<br />
den Flüchtlingslagern der Polisario bereits<br />
der 1. Wüstenmarathon bewerkstelligt<br />
worden. Im April 2003 brachte ich<br />
den "Marathon des Sables" in Marokko<br />
erfolgreich zu Ende,. um dann im Oktober<br />
des gleichen Jahres die Diagonale<br />
der Verrückten, einen Berglauf über<br />
140 km und 8.000 Höhenmetern, auf der<br />
französischen Überseeinsel La Reunion<br />
im Indischen Ozean zu bestehen.<br />
Als ich im Frühjahr 2004 von dem runex<br />
123-Projekt erfuhr, meldete ich mich so- .<br />
gleich bei Dr. Finkernagel als Supporter;<br />
bot mir dies doch die Möglichkeit, mich<br />
mit den Eigenheiten des Badwater-UItramarathons<br />
vertraut zu machen, was<br />
sich in der Tat als Vorbereitung für meine<br />
eigene läuferische <strong>Teil</strong>nahme von<br />
unschätzbarem Wert erwies. Im Herbst<br />
desselben Jahres war ich dann wieder<br />
auf Reunion. Diesmal begleitete mich<br />
Sigrid Eichner, die lebende deutsche<br />
Lauflegende, die als einzige Frau welt-<br />
68<br />
In 60 Stunden zum Mt. Whitney Portal<br />
weit bis April 2005 sage und schreibe<br />
über 1.000 Marathons gelaufen ist. Das<br />
Rennen auf der französischen Tropeninsei<br />
begeisterte Sigrid genau wie mich,<br />
und als ich ihr vom "Badwater" erzählte,<br />
war sie sofort "Feuer und Flamme". Im<br />
Januar bewarben wir uns bei Chris<br />
Costman, dem Renndirektor, und die<br />
Einladung kam ...<br />
Günther Böhnke war den "Badwater" voriges<br />
Jahr bei der runex 123-Gruppe gelaufen<br />
und bot sich mir damals schon<br />
als Supporter an, denn er wollte dieses<br />
Rennen auch mal von der Betreuerseite<br />
aus erleben. Mein Lauffreund Richard<br />
Sever, mit dem ich schon ab 2000 trainiert<br />
habe und der als Lehrer einer High<br />
School in Baumholder die Kinder der<br />
amerikanischen Soldaten unterrichtete,<br />
ging 2003 in Rente und wohnt in der<br />
Nähe von San Francisco. Schon 2002<br />
bot er mir an, mich bei einem Rennen im<br />
Death Valley zu betreuen. Damals war<br />
es für ihn sicherlich ein "joke". Als ich<br />
ihn dann Ende 2004 auf dieses Ereignis<br />
hin ansprach, 'erklärte er sich sofort bereit,<br />
mir Hilfestellung zu gewähren .....<br />
Als Vorbereitung lief ich dieses Jahr Marathons<br />
und Ultras am laufenden Band.<br />
Es waren Doppeldecker und auch Dreifachdecker<br />
dabei, nämlich Marathons an<br />
zwei bzw. drei nachfolgenden Tagen.<br />
Sogar einen Fünffachdecker absolvierte<br />
ich im Mai, es war der Isarlauf von der<br />
Mündung der Isar bis zur Quelle (334<br />
km in 5 Tagen). Als letztes Rennen beendete<br />
ich die 100 km von Biel geplant<br />
im ruhigen Schritt in etwas über 16<br />
Stunden. Insgesamt waren es seit Silvester<br />
2004 24 Rennen mit mehr als 42<br />
Kilometern, was mir dann als Vorbereitung<br />
für dieses "Badwater-Monster" ausreichend<br />
erschien.<br />
Montag, 11. Juli, 6.00 Uhr a.m., kalifornische<br />
Zeit<br />
Unmittelbar nach dem Verklingen der<br />
amerikanischen Nationalhymne erfolgt<br />
der Start-Count-Down. Ein Pistolenschuss<br />
ertönt, und für ein Häuflein von<br />
ca. 30 Ultralanglaufenthusiasten beginnt<br />
eine lange und beschwerliche Reise in<br />
die "Unendlichkeit". Und die ist 217 km<br />
lang und führt immer auf einer guten,<br />
asphaltierten Straße vom jetzt tiefsten<br />
Punkt der westlichen Hemisphäre, der<br />
Platz heißt Badwater, zum höchsten<br />
Berg der USA außerhalb Alaskas, dem<br />
Mt. Whitney.<br />
Es startet jetzt die erste und langsamste<br />
von drei Startergruppen. Die nächsten<br />
beginnen das Rennen jeweils zwei<br />
Stunden zeitversetzt. Mit in dieser Gruppe<br />
sind unter anderem Klaus Micka,<br />
Holger Finkernagel, Karlheinz Kobus<br />
und Sigrid Eichner. Im Moment ist es<br />
noch schattig und mit ca. 38 0 Celsius<br />
"gefühlsmäßig kühl". Wie immer bei diesen<br />
Laufereignissen zieht sich das Läuferfeld<br />
schnell auseinander.<br />
Ja, jetzt bin ich da, wohin ich seit Wochen<br />
hingefiebert habe, bei einem der<br />
wirklich härtesten Rennen der Welt.<br />
Körperlich und mental bin ich bestens<br />
vorbereitet; ich habe mich aufs Finishen<br />
programmiert. Nur Ankommen zählt, die<br />
Soll-Zeit von 60 Stunden will ich einhalten.<br />
In kurzer Zeit habe ich meinen<br />
Rhythmus gefunden und trabe auf den<br />
Ebenen und bergab. Auf dem welligen<br />
Gelände geht es ständig hoch und runter,<br />
wobei ich bei Steigungen sofort in<br />
den Gehschritt wechsele.<br />
Sigrid habe ich<br />
mittlerweile einige<br />
100 m<br />
hinter mir gelassen<br />
und<br />
laufe jetzt mit<br />
Jack Deness<br />
oder auch Mad<br />
genannt. Er ist ein 70-jährger Engländer,<br />
der das Rennen heute zum 12. Mal in<br />
Folge macht. Auch mit dem blinden Miles<br />
Geoffry aus Großbritannien und seinem<br />
Begleiter Cook komme ich ins Gespräch.<br />
Cook führt seinen sehunfähigen<br />
Freund an einem Walking-stock hinter<br />
sich her. Da jeder sein eigenes Tempo<br />
läuft, sind diese Gespräche immer nur<br />
von kurzer Dauer.<br />
Die Straße verläuft am Rande eines großen<br />
Salzsees und ist von Gebirgsketten<br />
links und rechts umgeben. Ca. 10 km<br />
bis 15 km ist das Tal des Todes an dieser<br />
Stelle breit. Die rechte Gebirgskette<br />
heißt Funeral Mountains, was auf<br />
Deutsch Beerdigungsgebirge heißt ...<br />
Noch weitere Plätze mit nachdenklich<br />
stimmenden Bezeichnungen werden folgen,<br />
nämlich Devil"s Golf Course, Furnance<br />
Creek (Ofenbach), Devil"s Cornfield,<br />
oder Stovepipe Wells (Ofenrohrbrunnen).<br />
Warum das so ist, wird jedem<br />
klar, der sich im Hochsommer in diese<br />
Gegend begibt. Es sind die Temperaturen,<br />
bei denen sich nur der Teufel wohlfühlen<br />
kann. Normale Menschen verschlägt<br />
es im wahrsten Sinne des Wortes<br />
den Atem.
Temperaturen von weit über 50 0 Celsius<br />
sind zumindest für den Mitteleuropäer<br />
mal nur sehr kurzfristig in der Sauna<br />
zu ertragen.<br />
Jetzt, in diesem Moment, sind wir noch<br />
von den 50 0 entfernt, da wir im Schatten<br />
laufen. Ein Zustand, der sich nach<br />
und nach ca. einer Stunde ändert, denn<br />
nachdem die Sonne hinter den Funeral<br />
Mountains aufgeht, klettert sofort die<br />
Quecksilbersäule des Thermometers rapide.<br />
Unmittelbar nach dem Sonnenaufgang<br />
bringt mir Günter schon das erste mit<br />
Eiswasser getränkte Handtuch und legt<br />
es mir über die Schulter. "Warum jetzt<br />
schon? Es ist doch noch gar nicht so<br />
schrecklich heiß ...". Günter: "Du musst<br />
schon gleich zu Beginn kühlen, damit<br />
die Körpertemperatur nicht überschwappt!"<br />
O.k., ich glaube es und vertraue<br />
ihm, da er es vergangenes Jahr<br />
als Läufer auch so gehandhabt hat und<br />
gut und schnell durchs Rennen gekommen<br />
ist.<br />
Es wird jetzt schnell richtig heiß. Durch<br />
die nassen Handtücher lässt sich diese<br />
Hochofentemperatur gut ertragen. Jetzt<br />
merke ich, dass das Einatmen der heißen<br />
Luft die Bronchien austrocknet und<br />
verändere meine Atemtechnik, indem<br />
ich die Geschwindigkeit herabnehme<br />
und flacher atme. Ständig trinke ich jetzt<br />
in kleinen Schlucken. Immer wieder werden<br />
mir neue, volle Flaschen gereicht.<br />
Urinieren muss ich nur ganz selten ... An<br />
Nahrung nehme ich Obst und Biosorb<br />
(eine balaststoffarme und hochkalorische,<br />
hochvitaminisierte und hochmine<br />
'ralisierte Intensivnahrung) zu mir, die im<br />
normalen Leben unter anderem krebskranken<br />
Patienten im Endstadium gegeben<br />
wird ...<br />
Auch Powerriegel und -gel sind im Ernährungsprogramm,<br />
der sehr süße Geschmack<br />
kommt mir jedoch schnell widerwärtig<br />
vor. Ansonsten läuft alles nach<br />
Plan. Über Stunden bin ich jetzt unterwegs,<br />
laufe meistens alleine und fühle<br />
mich ganz wohl in meiner Haut. Auf dem<br />
Kopf trage ich die weiße Legionärskappe<br />
von Reunion und am Oberköper ein<br />
weites weißes Shirt mit langen Armen<br />
und habe eine kurze schwarze, enganliegende<br />
Läuferhose an. Die Beine und<br />
das Gesicht habe ich dick mit Sonnencreme<br />
mit Schutzfaktor 60+ eingerieben<br />
und sehe aus wie ein Anstreicher, der<br />
sich mit weißer Farbe besudelt hat. Aber<br />
es hilft, und ich bekomme keinen Sonnenbrand<br />
...<br />
Es sind jetzt ungefähr 25 km zurückgelegt,<br />
und ich muss auf die Toilette, um<br />
etwas Großes zu machen ... Das kostet<br />
Zeit, und wie könnte es anders sein,<br />
Sigrid Eichner läuft vorbei. Das Gleiche<br />
passierte auch auf Reunion beim Grand<br />
Raid ebenso bei ca. 25 km, und Sigrid<br />
bekam ich nicht wieder zu Gesicht. Das<br />
sollte mir aber hier nicht passieren, und<br />
so verstärke ich meine Geschwindigkeit.<br />
Sofort ermahnt mich Günther, dies nicht<br />
zu tun. Am Abend kämen wir in kühlere<br />
Gefilde, und dann könnte ich verlorenes<br />
Terrain sehr schnell und leicht wettmachen.<br />
Ich gehorche wie ein wohlerzogenes<br />
Kind, weiß ich doch von meiner Supportertätigkeit<br />
vom letzten Jahr, dass es<br />
dann am Townes-Pass am Abend tatsächlich<br />
sehr viel kühler werden wird. In<br />
der Ferne sehe ich im öden Talkessel<br />
einen großen grünen Fleck. Aha, das<br />
muss Furnance Creek sein. Es ist die<br />
Oase, wo gestern die Startnummernausgabe<br />
war und das so genannte Prerace-meeting<br />
stattfand. Es ist hier die<br />
erste Zeitmessstation, und 28 km sind<br />
bewältigt. Ich weiß, dass mindestens in<br />
früheren Rennen schon davor die ersten<br />
Läufer kollabiert waren. Am gleichen<br />
Platz, wo im vergangenen Jahr Alfred<br />
Gerauer eine Pause gemacht hatte,<br />
pausiere auch ich im Schatten von Tamarisken.<br />
Zu erwähnen ist, dass dieser<br />
Wüstenbaum wurzelmäßig 15-fach größer<br />
als der überirdische <strong>Teil</strong>bereich.<br />
Ich sitze auf einem Leinenstuhl und habe<br />
die Beine hochgelegt und ... ich fühle<br />
mich pudelwohl, liege sehr gut in der<br />
Zeit, was nach dieser kurzen Entfernung<br />
allerdings nichts bedeutet. Nach ca. 20<br />
Minuten beende ich die Siesta, werde<br />
an der Zeitmessstation registriert, und<br />
die Reise geht weiter. Die Temperatur<br />
hat mittlerweile die 50 0<br />
C erreicht. Es ist<br />
momentan flach, und ich jogge in gemächlichem<br />
Wohlfühltempo. Nach ca. 5<br />
km kommen wir an einer ehemaligen<br />
Borax-Mine vorbei, wo als Touristenattraktion<br />
einige von diesen großen Wagen<br />
stehen, die in den 80er Jahren des 19.<br />
Jahrhunderts von jeweils über 20 Maultieren<br />
gezogen wurden.<br />
Ich erinnere mich jetzt an eine Erzählung<br />
eines Bekannten, der mit Ehefrau<br />
und Schwager und dessen Frau Mitte<br />
der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />
ebenfalls im Juli als Touristen<br />
diese Gegend bereisten. Als er ausstieg,<br />
um Fotoaufnahmen zu machen und dabei<br />
vergaß, die Autotür zu schließen und<br />
dadurch etwas heiße Luft ins Wageninnere<br />
gelangte, schlug sie mit ihrer Handtasche<br />
nach ihm ...<br />
Weit, sehr weit liegt doch diese Bürgerweit<br />
jetzt von mir entfernt, und ich fühle<br />
mich immer wohler. Nach relativ kurzer<br />
Zeit ist der 1. Marathon geschafft, und<br />
ich bin überhaupt nicht müde ...<br />
Ja, mit meinen Supportern habe ich<br />
großes Glück gehabt. Alles funktioniert<br />
nach Plan. Ab und zu mache ich kurze<br />
Sitzpausen, wenn ich kleine Mahlzeiten<br />
einnehme, die oft aus eingemachtem,<br />
gekühltem Obst bestehen.<br />
Die ersten Läufer der nach mir startenden<br />
Gruppe überholen mich jetzt, was<br />
mich in keiner Weise stört. Mein Ziel ist<br />
ankommen und zwar gut ankommen.<br />
Ich will beim Zieleinlauf Mensch bleiben<br />
und nicht zum Zombie werden ...<br />
Über Stunden sehe ich auf der das<br />
Deah-Valley westlich begrenzenden<br />
Gebirgskette den höchsten Gipfel, den<br />
Teleskop-Piek. Er ist noch mit Schnee<br />
bedeckt. Es hat den Anschein, als verfolge<br />
er mich, denn ich kann kein Entfernen<br />
von ihm konstatieren.<br />
Vorgestern waren wir noch dort beim<br />
Bergwandern und konnten von dieser<br />
Perspektive sowohl das Ziel (Sierra Nevada<br />
mit Mt. Whitney und anderen<br />
schneebedeckten Bergen in 160 km<br />
Entfernung) und unter hitzeflimmender<br />
Luft in ca. 60 km Entfernung den Startplatz,<br />
die Badwater-Salzpfanne tief unter<br />
dem Meeresspiegel ausmachen.<br />
Ein Schauern überlief mich, und noch<br />
am Abend war ich sehr, sehr nervös und<br />
musste zwei Glas Bier trinken, um einschlafen<br />
zu können. War das die Angst<br />
vor der eigenen Courage?<br />
Jetzt habe ich überhaupt keine Angst<br />
mehr. Viele Male im Leben habe ich<br />
auch bei anderen Gelegenheiten diese<br />
Erfahrung machen müssen. Bei Examen<br />
beispielsweise; am Abend zuvor die Aufregung<br />
und dann mittendrin die absolute<br />
Gelassenheit.<br />
Jetzt sehe ich ganz, ganz weit in der<br />
Ferne die Straße dünn wie ein schwarzer<br />
Zeichnungsstrich in der flimmernden<br />
Hitze einen Hang hinaufführen. Auch<br />
Supporterfahrzeuge kann ich dort wahrnehmen.<br />
Sicherlich dauert es viele<br />
Stunden, bis ich dort sein werde, denke<br />
ich. Und trotzdem geht es mir gut. Ich<br />
saufe Wasser wie ein Gaul, knabbere<br />
Salzstangen und lecke sogar Salz aus<br />
der Hand wie eine Geiß.<br />
Ein volIweißgekleideter deutschsprechender<br />
Läufer überholt mich jetzt und<br />
bedeutet mir, dass ich unbedingt lange<br />
weiße Hosen anziehen müsste, weil ich<br />
sonst den Lauf nicht überleben könnte.<br />
Es ist Torsten Treptow aus Köln, der<br />
das Rennen zum wiederholten Male<br />
läuft. Auch Günther sagt er das ...<br />
Bei dieser Gelegenheit bedankte ich<br />
mich bei jenem Torsten. Die hochintensive<br />
Sonnencreme, die immer wieder<br />
aufgetragen wird, lässt mich das Rennen<br />
überleben. Nach mehreren Stunden<br />
ist tatsächlich der besagte Hang erreicht,<br />
und in der Ferne kann ich Stovepipe<br />
Wells mehr erahnen als erkennen.<br />
Dort hatten wir uns inder Motelanlage<br />
69
ald hinter uns haben. Das macht Mut,<br />
zumal die 2-stündige Pause und die<br />
Suppe neue Lebensgeister in mir gewlilckt<br />
haben. Mit Zuversicht und guter<br />
Laune gehe ich zügig den Berg hinauf.<br />
Günther ist erfreut über meine Fitness,<br />
die er mir anscheinend nicht zugetraut<br />
hatte und gibt mir zu verstehen, dass bei<br />
dieser Aufstiegsgeschwindigkeit wieder<br />
ein gutes Zeitpolster aufgebaut werden<br />
könnte. Mittlerweile ist es dunkel geworden,<br />
und ich ziehe mir meine Warnweste<br />
mit Reflektionsstreifen über. Außerdem<br />
habe ich nun eine Stirnlampe aufgesetzt.<br />
Je höher es hinaufgeht, desto<br />
mehr legt sich die Hitze und desto erträglicher<br />
werden die Temperaturen. Eine<br />
Kühlung durch Nasstücher ist nun<br />
nicht mehr erforderlich. Said Khala, ein<br />
mir bekannter deutscher Läufer algerischer<br />
Herkunft, der voriges Jahr bei der<br />
runex-Gruppe als Läufer ebenfalls dabei<br />
war und in der 2. Gruppe gestartet war,<br />
überholt mich jetzt mit einem sehr, sehr<br />
flotten Schritt. Wir wünschen uns gegenseitig<br />
gutes Ankommen am Mt. Whitney,<br />
und wenig später ist er aus meinem<br />
Sichtradius verschwunden<br />
Den Parkplatz bei Wild Rose erreiche<br />
ich, und ca. 82 km sind bewältigt. Dort<br />
sind, ähnlich wie bei unseren Autobahnparkplätzen,<br />
Bänke und Tische aus<br />
massivem Holz installiert. Ein freier<br />
Tisch wird zu meinem Nachtlager, indem<br />
eine Isomatte draufgelegt wird. Es<br />
ist ein wunderbares Gefühl, mich wieder<br />
ausstrecken zu können. Es werden 90<br />
Minuten Nachtruhe vereinbart. Richard<br />
und Günther schlafen im. Auto, und ich<br />
ruhe auf dem Tisch. Die Temperatur<br />
empfinde ich jetzt als sehr angenehm;<br />
es ist warm, aber nicht heiß. Nur der<br />
Wind weht stark, und die über mir ragenden<br />
Äste einer großen Tamariske<br />
geben Geräusche ab, die mich. ängstigen.<br />
Ein wenig fürchte ich, dass mich<br />
herabfallende Äste erschlagen könnten.<br />
Nicht wirklich glaube ich daran, denn ich<br />
weiß, dass diese Pflanzenspezies sehr<br />
widerstandsfähig ist und der Wind dort<br />
in der Nacht meistens bläst. Ich glaube,<br />
nur ganz wenig geschlafen zu haben,<br />
als mich Günther weckt.<br />
Aber, das Phänomen kenn ich ja von<br />
anderen Hardcoreläufen wie dem Grand<br />
Raid in Reunion, dass schon sehr wenig<br />
Schlaf die Körperbatterie wieder auflädt.<br />
Kurzum, ich fühle mich fit und bin guter<br />
Dinge. Günther begleitet mich jetzt viele<br />
Kilometer, und Richard fährt das Auto.<br />
Noch immer trinke ich viel Wasser, uriniere<br />
jetzt aber häufig.<br />
Die 2. Marathondistanz ist überstanden,<br />
und ich bin sehr, sehr finishoptimistisch<br />
... Wir überholen jetzt sogar 2 Läufer,<br />
und die Temperaturen bewegen sich<br />
immer mehr den mitteleuropäischen<br />
Sommerwerten zu. Am Straßenrand tauchen<br />
jetzt Schilder auf, die den Ge<br />
brauch von Schneeketten im Winter vorschreiben<br />
...<br />
Es ist eine sternenklare Nacht, und es<br />
gibt sicherlich weltweit wenige Plätze,<br />
von denen man einen solch erhabenen<br />
Sternenhimmel bestaunen kann. Ständig<br />
sieht man Sternschnuppen, und ich<br />
genieße dieses Schauspiel. Ja, ich kann<br />
es genießen, denn ich bin mit meinen<br />
Kräften haushälterisch umgegangen,<br />
was sich jetzt auszahlt.<br />
Die Luft ist voller Insekten und tausende<br />
Fledermäuse sind aktiv. Das Zirpen der<br />
Grillen ist auch für mich unüberhörbar.<br />
Hasen scheint es hier in großer Zahl zu<br />
geben, denn obwohl die Dichte des<br />
Straßenverkehrs eher bescheiden ist,<br />
sieht man doch ständig totgefahrene<br />
Exemplare dieser langohrigen Tiere. Es<br />
muss sich aber um eine spezielle Wüstenart<br />
handeln, die mit ganz wenig oder<br />
gar keinem Wasser auskommt, denn<br />
nirgendwo habe ich Wasserstellen gesehen.<br />
Ab und zu sehe ich Wüstenmäuse über<br />
die Straße huschen. Auch Backenhörnchen<br />
bekomme ich öfter zu Gesicht.<br />
Einmal begegne ich einem Kojoten, der<br />
Bernhard Sesterheim<br />
vor mir die Flucht ergreift. Mir geht es<br />
gut, ja sogar sehr gut. Nach dem Aufstehen<br />
habe ich mir meine MBT-Laufsandalen<br />
angezogen, sie sind gut gedämpft<br />
und für das Bergaufgehen sehr<br />
gut geeignet. Zum Bergablaufen sind sie<br />
nicht geeignet, und dort werde ich wieder<br />
meine Nike-Laufschuhe tragen. Das<br />
Supporten klappt wie die ganze Zeit<br />
vorzüglich, und es gibt überhaupt nichts<br />
zu tadeln. Ab und zu bekomme ich gekühlte<br />
Fruchtschälchen, Biosorb, und<br />
Energieriegel serviert. Auch setze ich<br />
mich ab und zu für wenige Minuten auf<br />
den Stuhl oder auf die Ladefläche des<br />
Vans.<br />
Kurz vor der Morgendämmerung erreiche<br />
ich den Pass, und von nun an<br />
geht's bergab. Und zwar wundersamerweise<br />
in einem flotten Joggingrhythmus.<br />
Schnell ist der Morgen da, und ich sehe<br />
vor mir einen Läufer, der sich so fortbewegt,<br />
als würde er am liebsten mit den<br />
Füßen gar nicht die Erde berühren. Er<br />
läuft wie auf Eiern und muss schrecklich<br />
schmerzende Füße haben. Beim Überholen<br />
grüße ich freundlich, und er sagt<br />
es würde ihm sehr gut gehen. "Tomorrow<br />
in the Evening I will drink a lot of<br />
beers!" meint er. Er ist Veteran und läuft<br />
den Badwater jedes Jahr. In dem Film<br />
"Running on the sun" von 1999 habe ich<br />
ihn gesehen. Ebenfalls Akteur dieses<br />
Films war William Maple, ein enthusiastischer<br />
Major der Marineinfanterie, der<br />
allerdings bereits zwischen Furnance<br />
Creek und Stovpipe Wells kollabierte.<br />
Leider war auch dieses Jahr Stovepipe<br />
für ihn wieder Endstation....<br />
Auch Chris Costman kommt vorbei, fragt<br />
nach meinem Namen, wünscht alles Gute<br />
und verteilt Komplimente: "Yes, you<br />
make a great race!"<br />
Die Sonne geht auf, und ich erblicke vor<br />
mir die Weite des Panamit Valleys, dessen<br />
Querung ca. 8 endlos erscheinende<br />
Kilometer bedeutet. Ausgerechnet an<br />
diesem Platz, durch den die Straße verläuft,<br />
befindet sich der tiefste Punkt des<br />
Tals, und bei starken Regenfällen bildet<br />
sich hier ein See. Mit Planierraupen<br />
muss dann jedes Mal die Straße von<br />
Sand und Geröll geräumt werden. Und<br />
einige Kilometer in nördlicher Richtung<br />
befinden sich wieder große Sanddünen.<br />
Jetzt am frühen Morgen- ist es noch nicht<br />
so heiß, und die Talquerung verläuft absolut<br />
problemlos. Bald komme ich an<br />
zwei Entfernungsschilder. Stovepipe<br />
Wells ist genau so weit wie Lonepine.<br />
Hurra, ich habe Halbzeit. Allerdings will<br />
Panamint Springs, das ich schon seit<br />
Stunden vor Augen habe, nicht näher<br />
kommen. Doch wie immer, plötzlich ist<br />
es da. Früher war es ein Goldgräberstädtchen.<br />
Heute gibt es da eine Tankstelle,<br />
einen Campingplatz, der jetzt im<br />
Sommer wegen der Hitze keine Gäste<br />
hat, und eine Restaurant- und Hotelanlage.<br />
Hier befindet sich die 3. Zeitmessstation,<br />
und es herrscht quirliges Leben.<br />
Jeder Läufer macht hier Pause, viele so<br />
wie ich gehen zum Essen ins Restaurant,<br />
andere liegen ruhend in Autos oder<br />
lassen sich ihre Füße verarzten. Das<br />
Günter'sche Supporterprogramm beinhaltet<br />
jetzt wieder meine Fußpflege, und<br />
neue Blasen werden aufgestochen und<br />
abgepflastert. Wir begeben uns zum<br />
Restaurant, setzen uns aufder Terrasse<br />
nieder und ... Sigrid Eichner taucht auf.<br />
Wir alle freuen uns sehr, denn wir befürchteten<br />
stark, sie hätte sich von ihrer<br />
Dehydration nicht mehr erholt. Sigrid hat<br />
ihre sprichwörtliche Zähigkeit erneut unter<br />
Beweis gestellt ...<br />
Mit dem Essen habe ich ernsthafte Probleme.<br />
Durch die große Flüssigkeitszufuhr<br />
sperrt sich mein Magen gegen feste<br />
Nahrung, und nur mit allergrößter Mühe<br />
zwinge ich ein Bratkartoffelgericht in<br />
mich hinein. Längere Zeit danach be<br />
71
fürchte ich immer noch, mein Magen<br />
würde es wieder hergeben wollen ...<br />
Coca-Cola erweist sich dagegen äußerst<br />
hilfreich, das von mir früher oft<br />
verschmähte und mit spöttischer Ironie<br />
bedachte Getränk kann ich gar nicht genug<br />
loben. Es ist das Sportgetränk für<br />
die langen und heißen Strecken ...<br />
Panamint Springs liegt am Fuße eines<br />
hohen Bergmassivs, und weitere 32 km'<br />
führen nach oben zur höchsten Stelle<br />
mit über 5.000 feet. Es ist diese Passage,<br />
wo vergangenes Jahr Alfred Hintzmann<br />
mich immer und immer wieder<br />
fragte, wie weit es denn zur Bergspitze<br />
noch sei, nachdem ich in Panamint<br />
Springs als Mitläufer endgültig ins Rennen<br />
eingestiegen war. Doch wie gesagt,<br />
ich bin seit dem Start im Badwater<br />
Bassin auf das Finishen programmiert.<br />
Ich wundere mich über mich selbst;<br />
denn die Tugend der Geduld war bei mir<br />
bisher nicht exorbitant stark ausgeprägt.<br />
Eher war das Gegenteil der Fall.<br />
Extreme Langläufe jedoch sind die Lehrmeister<br />
der Geduld, was sich auch in<br />
den Niederungen des Alltags auszahlt.<br />
Denn, wenn man mit diesen Mammutstrapazen<br />
zurecht kommt, sollte man<br />
doch auch kleinere Problemchen meistern<br />
können ...<br />
Ca. 8 km hinter Panamint ist der 3. Marathon<br />
gemacht, und es geht langsam<br />
aber beständig nach oben. Dr. Micka<br />
überholt mich gerade, als ich eine kleine<br />
Pause mache. Kurze Zeit später habe<br />
ich ihn wieder eingeholt. Wir bewegen<br />
uns ungefähr in der gleichen Geschwindigkeit<br />
aufwärts.<br />
Neben dem Mt. Whitney und den Alabama<br />
Hills, die auf den letzten 17 km<br />
kommen werden, ist es hier die schönste<br />
Landschaftsformation der gesamten<br />
Reise. Die Farben der Felsen verändern<br />
sich ständig, von gelb über schwarz auf<br />
rot. Die Vegetation ist spärlich. Es ist<br />
wie in der Sahara, die nach Meinung der<br />
Einheimischen dort der Garten Allahs<br />
ist. In diesem seinen Garten hat Allah alles<br />
Überflüssige entfernt ...<br />
Der Himmel ist wolkenlos. Da wir jedoch<br />
immer mehr an Höhe gewinnen, stellt<br />
die Hitze überhaupt kein Problem mehr<br />
dar. Über viele Stunden geht es immer<br />
im gleichen Schema: gemütliches Bergaufgehen<br />
mit kleinen Stuhlsitzpausen.<br />
An einer Kurve sehe ich Christine Seil<br />
im Schatten von Felsen auf einer Matte<br />
liegen. Sie sieht nicht gut aus ...<br />
In den Nachmittagsstunden ist die Berghöhe<br />
geschafft. Nun führt es ein wenig<br />
bergab und die Wüstenvegetation wird<br />
dichter. Es gibt Tamarisken, und die ersten<br />
Josua-Bäume tauchen auf. Günther<br />
und Richard begleiten mich jetzt, tragen<br />
72<br />
meine Wasserflasche und gehen neben<br />
oder hinter mir her. Vor mir hergehende<br />
Pacer vertrage ich nicht, denn dann bekomme<br />
ich unangenehme Gefühle und<br />
fühle mich gedrängt, schneller als ich<br />
will voranzuschreiten. Ich laufe jetzt auf<br />
einen gewissen Butterick auf. Die Namen<br />
der Läufer kann man stets den sie'<br />
begleitenden Supporterfahrzeugen entnehmen.<br />
Butterick geht wie ein Roboter<br />
und ist überhaupt nicht kommunikativ.<br />
Er wird überholt.<br />
Ich warte auf die 4. Zeitmessstation Darwin.<br />
Richard hat den Punkt Darwin in Erinnerung,<br />
denn er kam mit seinem Wagen<br />
von Lonepine nach Stovepipe<br />
Wells. Und viel zu früh verkündet er,<br />
nach der nächsten Kurve würde das ersehnte<br />
Zwischenziel kommen. Viele<br />
Kurven werden noch genommen, und<br />
Darwin kommt nicht... Die mir neu erworbene<br />
Tugend der Geduld scheint an<br />
Glanz zu verlieren, und der "innere<br />
Schweinehund" meldet sich mit Unlustgefühlen.<br />
Doch gerade rechtzeitig sehe<br />
ich ein weißes Zelt, worin sich die Zeitmessstation<br />
befindet. Gegenüber machen<br />
wir jetzt eine Pause von mindestens<br />
30 Minuten.<br />
Der Leinenstuhl übt nun einen starken<br />
Magnetismus auf mich aus; ich lege die<br />
Beine hoch und fühle mich sitzend hier<br />
sehr wohl. So wohl, dass mir jeder Gedanke<br />
an weitere Fortbewegung als<br />
Albtraum erscheint. Ich reiße mich<br />
schließlich zusammen und laufe wieder<br />
an. Zum ersten Mal tut mir vom kleinen<br />
Zeh bis zum Hals alles weh. Nach nur<br />
zwei Minuten Bewegung sind die<br />
Schmerzen wieder weg. Da es jetzt<br />
ständig bergab geht, jogge ich wieder.<br />
So geht es über Stunden. Kleine Pausen<br />
sind inbegriffen, die aber in der Regel<br />
nicht länger als fünf Minuten dauern.<br />
Aber immer wieder sind die Schmerzen<br />
beim Anlaufen da. Essen kann ich jetzt<br />
überhaupt nichts mehr. Dafür trinke und<br />
pinkle ich viel.<br />
Es wird dunkel, und zwischenzeitlich<br />
habe ich mehrere Läufer überholt. 168<br />
km und somit der 4. Marathon sind geschafft.<br />
Ich plane ernsthaft, noch weitere<br />
32 km bis nach Lonepine in dieser<br />
Nacht zu laufen. Die Realität ist anders,<br />
trotz Coca-Cola und Red Bull bin ich<br />
müde, und zwar sehr, sehr müde. 12 km<br />
schaffe ich noch, dann verlange ich<br />
nach einer großen Pause. In der Ferne<br />
sehe ich, wie Glühwürmchen die Supporterfahrzeuge<br />
am Mt. Whitney umfliegen<br />
und beneide die weit vor mir laufenden<br />
Athleten, die es bald geschafft haben<br />
werden ....<br />
Ich sitze wieder auf dem Leinenstuhl,<br />
gebe der Vernunft den Vorzug und beschließe,<br />
da ich weniger als einen Marathon<br />
noch zu laufen habe und keinerlei<br />
Zeitlimitdruck ausgesetzt bin, noch mal<br />
eine 90-minütige Schlafpause einzulegen.<br />
Günther hat sich angeboten, das<br />
Auto so herzurichten, dass ich auf der<br />
Ladefläche mit ausgestreckten Beinen<br />
liegen könnte. Das Vorhaben wird umgesetzt,<br />
und wenig später schlafe ich tief<br />
und fest. Es bedarf schon heftigen Rütteins,<br />
um mich wach zu kriegen.<br />
Kurz nach dem Aufwachen merke ich,<br />
dass das vorher ständig vorhandene<br />
blümerante Gefühl im Magen verschwunden<br />
ist. Als "Frühstück" mitten in<br />
der Nacht esse ich jetzt eine große Portion<br />
Beef Jerkey (luftgetrocknetes Büffelfleisch,<br />
das nach Indianerart hergestellt<br />
ist). Es bekommt mir gut, und so trinke<br />
ich noch eine Dose Red Bull. Danach<br />
bin ich so wach, als hätte ich 12 Stunden<br />
geschlafen. Jedoch die Schmerzen<br />
in den Füßen und Beinen sind beim<br />
Start noch da, und zwar stärker als je<br />
zuvor. An Keeler geht es jetzt vorbei, einer<br />
halbverlassenen verwahrlosten<br />
Siedlung, wo jeder Einwohner seinen eigenen<br />
privaten Autofriedhof neben seinem<br />
hüttenartigen Anwesen zu haben<br />
scheint. Ich bin jetzt auf der Strecke, wo<br />
vergangenes Jahr Alfred Hintzmann verzweifelte.<br />
Denn endlos gerade führt die<br />
Straße Lonepine entgegen. Immer wieder<br />
laufe ich an Stellen vorbei, wo widrige<br />
Aasgerüche meine Nase belästigen.<br />
Es scheinen Kadaver größerer totgefahrener<br />
Tiere zu sein. Die Morgendämmerung<br />
setzt ein und der Autoverkehr wird<br />
stärker. Viele Autofahrer grüßen begeistert,<br />
denn die meisten wissen wohl über<br />
dieses Rennen Bescheid und bezeichnen<br />
uns als Heroes ...<br />
Wir kommen jetzt an eine Stelle, wo es<br />
richtig kalt wird. Eine Fleece-Jacke würde<br />
jetzt von Segen sein. Es gibt hier einen<br />
fließenden Bach, den man Owens<br />
River nennt. Gleich wird er überquert.<br />
Günther ist bei mir, und ich will ihm die<br />
Kaulquappen der Ochsenfrösche zeigen,<br />
die ich vergangenes Jahr hier gesehen<br />
habe. Doch wir bekommen nichts<br />
zu Gesicht. Das Licht ist noch zu<br />
schwach, denn die Sonne ist noch nicht<br />
aufgegangen.<br />
Von weitem sieht man schon die Hauptverkehrsstraße,<br />
die von Los Angeles<br />
kommt und nach Lonepine führt. Ein<br />
Frühmorgenjogger kommt entgegen und<br />
verkündet höchsten Respekt. Nach einer<br />
starken Geduldsprobe ist nun endlich<br />
die Hauptverkehrstraße erreicht. Wir<br />
biegen nach rechts ab und sehen auf<br />
der linken Seite das Holzhaus-Motel, in<br />
dem wir vergangenes Jahr nächtigten.<br />
Bis zur 5. und somit letzten Zeitmessstation<br />
sind es noch mehr als 3 Kilometer,<br />
die ich nicht im Hirn einprogrammiert<br />
hatte. Ich dachte, nach Erreichen der<br />
Hauptverkehrsstraße wird diese überquert,<br />
und es geht gleich zum Mt.<br />
Withney hoch. Sehr schwer fällt mir das
Ganze jetzt. Die Straße ist sehr stark mit<br />
PKW's und LKW's frequentiert. Eine<br />
Joggerin läuft lauthals applaudierend an<br />
uns vorbei. Nach einer gewissen Zeit erreichen<br />
wir die Zeitmessstation, die auf<br />
der anderen Straßenseite liegt. Eine<br />
junge Frau von der Rennorganisation<br />
kommt mir entgegen und notiert meine<br />
Startnummer. Sie ergeht sich mit besten<br />
Glückwünschen, denn für sie habe ich<br />
das Rennen so gut wie geschafft. Nur<br />
noch 17 km sind zu laufen.<br />
Nach 100 Metern kommt dann der Abzweig,<br />
der zum Mt. Whitney Portal hinaufführt.<br />
Eine Pause ist fällig; ich setze<br />
mich auf meinen geliebten Leinenstuhl,<br />
verspeise eine Tafel Schokolade und<br />
trinke Coca-Cola. Ha, wenn ich jetzt<br />
vorsichtig bin, kann nichts mehr schief<br />
gehen, denn ich habe alle Zeit der Welt,<br />
denke ich. An Viehweiden mit hohen<br />
Bäumen geht es ins Gebirge. Anfangs<br />
nur moderat ansteigend, erreiche ich<br />
das Vorgebirge, die so genannten Alabama<br />
Hills. Dort wurden in den 50er und<br />
60er Jahren viele Wild-West-Filme gedreht.<br />
John Wayne war hier sehr aktiv,<br />
und die Felsen, die manche als Kulissen<br />
vermutet haben, waren echt.<br />
Ein schnellfließender Bach mit eiskaltem<br />
Wasser und hohen Bäumen und Büschen<br />
am Ufer verläuft einige Kilometer<br />
links bzw. rechts der Straße. Die Sonne<br />
steigt höher, und es wird wieder richtig<br />
heiß. Und was noch schlimmer ist, die<br />
Steigung wird immer schroffer. Zum ersten<br />
Mal beim ganzen Rennen verspüre<br />
ich jetzt einen exorbitanten Pulsanstieg,<br />
der sich durch tack, tack, tack an der<br />
Halsschlagader bemerkbar macht. Sofort<br />
erschrillt bei mir die innere Alarmanlage,<br />
und ich nehme mein Gehtempo<br />
erheblich zurück. Eine innere Stimme<br />
sagt mir, dass das Rennen noch nicht<br />
gelaufen ist und ich noch hier im finalen<br />
Bereich kollabieren kann.<br />
Der Badwater-Ultramarathon bleibt also<br />
tückisch bis zum Ziel. In meiner jetzt ruhigen<br />
Gangart betrachte ich die umliegenden<br />
Felsen genauer, und was muss<br />
ich sehen: ich setze die Sonnenbrille ab<br />
und wieder auf, ich kann's nicht glauben,<br />
aber ich erspähe Felsformationen,<br />
die aussehen wie nackte, in den verschiedensten<br />
Stellungen liegende fortpflanzungswillige<br />
Frauen mit großen<br />
Brüsten und wohlig geformten Hintern<br />
und Schenkeln. Ja, spinne ich jetzt? Ist<br />
es also soweit, dass das Hirn im "vermutlich<br />
sterbenden Körper" schnell noch<br />
mal Zeugungsreize vorgaukelt.<br />
Ich fühle mich schon fast wie Odysee<br />
bei den Sirenen; nur Gesang bekomme<br />
ich leider nicht zu hören. Festbinden<br />
muss man mich auch nicht, denn mein<br />
Fortpflanzungstrieb ist gegenwärtig noch<br />
nicht mal mehr rudimentär vorhanden.<br />
Das "Terrain der wilden Weiber" verlasse<br />
ich wieder, und es geht noch mal<br />
kurz bergab, um dann brutal anzusteigen.<br />
Später erfahre ich, dass hier ein<br />
schneller Läufer noch kollabiert ist und'<br />
nicht mehr weiter konnte. Ein DNF also<br />
kurz vor dem Ziel ...<br />
Viel Coca-Cola trinke ich jetzt und werde<br />
trotzdem immer langsamer. Und dennoch,<br />
später werde ich erfahren, dass<br />
ich in Relation zu manch anderen gar<br />
nicht so langsam war. Immer öfter<br />
kommen jetzt Supporterfahrzeuge mit<br />
Läufern entgegen, die bereits gefinisht<br />
haben, immer mit lautem Hupen und<br />
Jubeln begleitet. Ich habe immer größere<br />
Schwierigkeiten, sentimentale Flenngefühle<br />
zu unterdrücken. Ganz langsam<br />
zwar, aber ich komme voran, und ich<br />
habe viel, viel Zeit. Bereits jetzt beginne<br />
ich innerlich zu jubeln, denn nun bin ich<br />
sicher; ich werde es schaffen, ich werde<br />
mein Ziel erreichen und in der Zeit den<br />
Badwater finishen. Irgendwann ruft mir<br />
jemand zu, es sei nur noch eine Meile<br />
zu überwinden ...<br />
Ich ziehe jetzt mein Shirt vom 100 MC<br />
an, um damit zu finishen, so wie ich es<br />
Christian Hottas beim Spreewald-Marathon<br />
versprochen hatte. Günther sagt<br />
mir, dass er soeben das Supporterfahrzeug<br />
von Sigrid gesehen hat und rätselt,<br />
was das zu bedeuten hat. Für mich ist<br />
das keine Frage; sie hat mich überholt,<br />
während ich geschlafen habe. Ich gönne<br />
es ihr von ganzem Herzen und freue<br />
mich. Ja, hinter einer Kurve taucht das<br />
Zielbanner auf, das für jeden Läufer immer<br />
wieder neu gespannt wird. Ich fühle<br />
mich wie ein 15-jähriger Bub und total fit<br />
und wir laufen - Richard auf meiner linken<br />
und Günther auf meiner Rechten <br />
händehochreißend in Siegerpositur mit<br />
lautem Hurra-Geschrei ins Ziel ...<br />
Es ist ein Rausch. Eine Riesenglücksgefühlwoge<br />
schwappt über mich. Die Tränen<br />
lassen sich nicht mehr zurückhalten,<br />
und ich werde von Sigrid, Karlheinz,<br />
Heribert, Bodo und Angela, die im Ziel<br />
auf mich warteten, sowie Richard und<br />
Günther umarmt.<br />
Ein sehr hartes, aber dennoch sehr<br />
schönes und extrem emotionalisierendes<br />
Rennen ist soeben glücklich zu Ende<br />
gegangen. Ich bin Badwater-Finisher<br />
. nach 54 Stunden und 18 Minuten ist es<br />
vollbracht. Chris Costman, der Renndirektor,<br />
hängt mir die schwarze, schwere<br />
Finishermedaille um und schüttelt mir<br />
die Hand, und es werden von der Rennorganisation,<br />
dem Adventure Corps,<br />
Photos gemacht ...<br />
Ein gutes Training, kombiniert mit eisernem<br />
Willen und klarem Verstand, sind<br />
die Grundlage für das Gelingen dieses<br />
wirklich einzigartigen Abenteuers. Einen<br />
.weiteren großen Anteil an meinem groß<br />
artigen Erfolg haben meine beiden Supporter,<br />
die wirklich allerbeste Arbeit geleistet<br />
haben. Zu keiner Zeit fiel auch<br />
nur einmal ein böses Wort ...<br />
Zwei Wochen nach der Heimreise telefoniere<br />
ich mit Klaus Micka, und er ist<br />
genau wie ich der Meinung, dass dieses<br />
Rennen im Leben zweimal gelaufen<br />
werden muss ... Nicht nächstes Jahr,<br />
und auch nicht in 2007, aber irgendwann<br />
auf jeden Fall wieder... -<br />
Resümee<br />
Von insgesamt 81 Läufern am Start erreichten<br />
67 das Ziel, 14 gaben vorher<br />
auf. Die für diesen Marathon sehr geringe<br />
Ausscheidungsquote stellt einen der<br />
Rekorde im Jahr 2005 dar. Einen weiteren<br />
Rekord brach der beste Läufer: Mit<br />
24 Stunden und 36 Minuten ist der 31jährige<br />
Amerikaner Scott Jurek der<br />
schnellste Badwater Finisher, seit es<br />
diesen Lauf gibt. Gleichzeitig unterschreitet<br />
er den bisherigen Rekord<br />
(25:09:05) um mehr als eine halbe Stunde.<br />
Alle 13 angemeldeten deutschen Läufer<br />
haben teilgenommen und das Ziel innerhalb<br />
der 60 Stunden erreicht - 100%<br />
Erfolgsquote. Bester Deutscher ist Jürgen<br />
Hofmann auf dem insgesamt 6.<br />
Platz mit 33 Stunden und 47 Minuten.<br />
Gegenüber dem bisherigen Rekord von<br />
etwas mehr als 27 Stunden ist das ein<br />
hervorragendes Ergebnis.<br />
Klaus Micka erzielt den 51. Platz insgesamt<br />
und liegt damit zeitlich deutlich unter<br />
seiner persönlichen Planung (Sein<br />
Ziel: Finishen innerhalb der vorgegebenen<br />
60 Stunden). Unter den 13 deutschen<br />
<strong>Teil</strong>nehmern ist er an achter Stei<br />
le. <br />
UM - MINI-LEXIKON<br />
Mit 135 Meilen (217 km) Non-Stop von<br />
Death Valley bis zu Mount Whitney, CA,<br />
ist der Badwater Ultramarathon das anstrengendste<br />
und extremste Laufrennen<br />
der Welt. Startpunkt ist Badwater, Death<br />
Valley, welches mit 85 m unter dem<br />
Meeresspiegel den tiefsten Punkt der<br />
westlichen Hemisphäre darstellt. Das<br />
Rennen endet bei Mount Whitney Portals<br />
auf einer Höhe von 2.30 m. Die<br />
Strecke beinhaltet drei Bergetappen mit<br />
insgesamt 3.962 m Anstieg und 1.433 m<br />
Abstieg. "The Portals are the trailhead to<br />
the Mt. Whitney summit, the highest<br />
point in the contiguous United States."<br />
Die Läufer passieren Stationen mit Namen<br />
wie Mushroom Rock, Furnace<br />
Creek, Salt Creek, Devil's Cornfield,<br />
Devil's Golf Course, Stovepipe Wells,<br />
Keeler und Lone Pine. <br />
73
24 Stunden Selbsttranszendenz-Party in Köln<br />
16.117.07.05<br />
Internationaler Sri Chinmoy<br />
24-Stunden-Lauf<br />
in Köln<br />
lIona Schlegel<br />
Der vierte Auftritt der "Dilledöppchen"<br />
über 24 Stunden am 16./17. Juli sollte<br />
eine Art Heimspiel werden, doch nicht<br />
nur deshalb waren die Vorbereitungen<br />
intensiv wie nie. Die Vorbereitung und<br />
der Saisonverlauf ließen die 200 km und<br />
eine neue Bestmarke machbar erscheinen,<br />
und so fieberten wir dem dritten Ju<br />
. liwochenende entgegen. Allen voran Elisabeth<br />
(Kraemer), die ihre Betreuerinnenaufgabe<br />
als persönliche Herausforderung<br />
begriff und sich schon im Frühjahr<br />
zur Eventagentur umbenannte. Zunächst<br />
wurde aus der Eventagentur<br />
Wörschach die Eventagentur Köln. Profiagenturen<br />
erkennt man eben an ihrer<br />
Flexibilität und Kundenorientierung. Raffiniert<br />
verschlüsselte Botschaften an Elisabeths<br />
Dienstmail im Fachbereich<br />
Schuhe konnten nur die eingeweihten<br />
Empfängerinnen, sprich die Dilledöppchen,<br />
dechiffrieren. Betreffs wie "Produktion<br />
unserer Sommersandale Wörschach<br />
eingestellt" und Inhalte wie die<br />
Entwicklung des Alternativmodells Cologne<br />
für das Marktsegment Sportorthopädie<br />
machten die Vorbereitungsphase<br />
noch spannender. Natürlich wurde auch<br />
der Betreuerinnenschlüssel verbessert.<br />
Statt zwei Betreuerinnen sollte ich drei<br />
bekommen, aus denen dann sogar vier<br />
wurden. Der Druck war wahrlich nicht<br />
gering. Zunächst galt es aber am Wochenende<br />
vor Köln bei einem Grillabend<br />
das letzte briefing durchzuführen und<br />
die entscheidenden Teamabsprachen<br />
zu treffen. Die da lauteten: Was sollen<br />
wir trinken? Was werden wir essen?<br />
Wer bringt die Knabbereien mit? Elke<br />
(Melzer) blieb ja eigentlich eh nichts anderes<br />
übrig, als wieder dabei zu sein<br />
(das silberne Dilledöppchen winkt langsam),<br />
doch war es ihr gelungen, sich<br />
mehr auf delegierende Aufgaben zu<br />
konzentrieren und Dagmar (Kömpf) als<br />
Marathonläuferin zu überreden, das<br />
Wochenende mal bei einem 24-Stundenlauf<br />
zu verbringen. Dagmar brachte<br />
als Novizin nicht nur großes Engagement,<br />
sondern auch kreative Ideen mit:<br />
verschiedene Sorten Hippbrei wurden<br />
vorgekostet und Erkenntnisse der Aromatherapie<br />
fanden Einzug in Gestalt<br />
von Bergamotteöl, das belebend und aktivierend<br />
wirken soll. Nach dem wichtigen<br />
Vorbereitungsgrillen konnte ich<br />
74<br />
beim Zählen der leeren Weizenbierflaschen<br />
schon mal feststellen, dass ich<br />
unbemerkt und gemeinschaftlich mit unseren<br />
"chef de la logistique" Rüdiger<br />
meinen persönlichen Weizenbierrekord<br />
aufgestellt hatte. Das stimmte mich optimistisch,<br />
wenngleich mir schon klar<br />
war, dass eine Woche später nicht alle<br />
Runden so flüssig laufen würden. Die<br />
Wetteraussichten waren sommerlich mit<br />
möglichen Gewitterschauern, aber das<br />
war mir nach der Kälte von Hamburg nur<br />
recht. Das Motto für das Dilledöppchen<br />
T-Shirt 2005 war übrigens schnell gefunden<br />
und hieß "flectere si nequeo superos,<br />
Acheronta movebo1." Und so·<br />
bauten wir am Freitagnachmittag unser<br />
(bzw. Barbaras) inzwischen mit Kultstatus<br />
behaftetes aufblasbares Zelt gegenüber<br />
der Verpflegungsstation auf. Da in<br />
Köln auch 48 Stunden gelaufen werden,<br />
Ilona unterwegs mit Georg Weiß<br />
nahm ich quasi nur am Bambinilauf teil,<br />
und am Freitag konnte man schon mal<br />
Atmo schnuppern und viele bekannte<br />
Gesichter wie auch Ultra-Prominenz begrüßen.<br />
Wolfgang Schwerk drehte frisch<br />
und locker seine Runden. Er trainierte<br />
wie viele für den 6-Tage-Lauf in Erkrath.<br />
Conny und Sigi Bullig waren auch da.<br />
Conny musste auf den geplanten Start<br />
verzichten, weil sie verletzt war. Dennoch<br />
war das wohl berühmteste Wohnmobil<br />
der Ultraszene die ganze Zeit dabei.<br />
Else Bayer lief, Martin betreute. Ingeborg<br />
Krieger probierte, wie sich die 48<br />
1 Wenn ich den Himmel nicht erstürme, werde<br />
ich die Unterwelt erschüttern, Vergil. Das Zitat<br />
nahm Freud 1900 als Motto für seine<br />
Traumdeutung<br />
Stunden ohne Training laufen. Und natürlich<br />
durfte Heike Pawzik nicht fehlen,<br />
die wie immer beste Lauflaune ausstrahlte<br />
und stets Zeit für ein Schwätzchen<br />
am Rande hatte.<br />
Wie schön, nach dem Zeltaufbau (mit<br />
dem Adapter für die Fußpumpe wäre es<br />
einfacher gewesen, aber es ist immer<br />
besser, wenn die Pannen vor dem Lauf<br />
passieren) als Kurzstrecklerin nach<br />
Hause fahren und schlafen zu dürfen.<br />
Am Samstag um 12 Uhr wurde es dann<br />
aber auch für mich ernst. Mein erster Sri<br />
Chinmoy Lauf, und ich hatte bisher nur<br />
Gutes über die Verpflegung, die Stimmung<br />
und die Freundlichkeit der Helfer<br />
und Helferinnen gehört. Von der Kölner<br />
Strecke hatte ich allerdings vernommen,<br />
dass der Untergrund uneben und nicht<br />
ganz einfach ist. Nun gut, ich bin von<br />
Hamburg letztes Jahr nicht verwöhnt.<br />
. Die 1,5-km-Runde in Köln ist eine Pendeistrecke<br />
am Rhein und sehr kurzweilig.<br />
Ein großer <strong>Teil</strong> ist im Schatten, was<br />
sehr angenehm ist. Der Belag ist allerdings<br />
in der Tat nicht ohne. Die Bodenplatten<br />
aus Beton gehen direkt in die<br />
Knochen und sind durchgängig uneben.<br />
Hier wird man gerade in der Nacht sehr<br />
konzentriert laufen müssen, denn wenn<br />
man die Füße nicht mehr richtig heben<br />
kann oder mag, hat man schnell mehr<br />
Bodenkontakt als einem lieb ist. Doch<br />
zunächst gilt es, die ersten Stunden einzulaufen.<br />
Hierbei beschäftige ich mich<br />
zunächst mit der Rückenaufschrift eines<br />
Laufshirts, die ich auswendig lerne:<br />
"There is only one perfekt road. And that<br />
road is ahead of you. Always ahead of
you (Sri Chinmoy)." Das werde ich in<br />
meine Spruchsammlung aufnehmen. Als<br />
viertes Dilledöppchen und recht spontan<br />
ist Esther (Weiß) dabei. Tibeterfahren<br />
kann sie mich über die bei Sri Chinmoy<br />
zu erwartenden Mantragesänge, Tantra<br />
(das gibt's allerdings nicht) und Karma<br />
aufklären. Tatsächlich gibt es Xylophonmusik<br />
und Gesang, der für mich fremd<br />
und eher meditativ klingt. Ungewöhnlich<br />
für eine Laufveranstaltung, aber auch interessant<br />
und irgendwie stimmig, denn<br />
die Atmosphäre ist wirklich eine ganz<br />
eigene und - obwohl ich keine Berührungspunkte<br />
mit dem Buddhismus habe<br />
- eine, in der ich mich wohl fühle. Es ist<br />
alles sehr herzlich, sehr familiär und einfach<br />
authentisch. Ohne Missionsabsichten<br />
kommt die Sri-Chinmoy-Philosophie<br />
irgendwie rüber, und alles ist bestens<br />
organisiert. Die Verpflegung ist ein exzellenter<br />
Buffettisch, es wird frisch gekocht,<br />
und die Rundenzähler sind immer<br />
wach. Sie feuern jeden und jede kräftig<br />
an und sind zuverlässiger als jeder Chip.<br />
Es gibt also keine Ausreden, ich werde<br />
gut laufen müssen, zumal sich viele Bekannte<br />
zum Zuschauen angekündigt haben.<br />
Ein simple, aber ungeheuer wirkungsvolle<br />
Idee, sind auch die Fahnen,<br />
die es ab Kilometer 100 alle 50 km gibt.<br />
So werden die Kilometer für alle sichtbar,<br />
es gibt Gratulationen auf der Strecke<br />
und damit natürlich auch neue Motivation,<br />
die man gegen Ende so gut<br />
brauchen kann. Die dritte Fahne, das ist<br />
mein großes Ziel, aber bis dahin ist es<br />
noch ein weiter Weg.<br />
Ich bestelle wegen der Hitze frühzeitig<br />
bei Elisabeth mein erstes Trinkfläschchen.<br />
Das bekomme ich auch eine Runde<br />
später, allerdings verschlossen mit<br />
Die 200-km-Fahne<br />
Deckel. Ich reklamiere lautstark. Wie<br />
gut, dass wir noch über 20 Stunden haben,<br />
um das zu üben. Elisabeth ist als<br />
Eventagentur mit dem Rest des Betreuerinnenteams<br />
ohnehin nicht so richtig<br />
zufrieden. Da grüßt nämlich schon wieder<br />
die Muppetshow. Frau genießt die<br />
sommerliche Campingatmosphäre im<br />
Stuhl, unterhält sich, sitzt in der ersten<br />
Reihe für das 24-stündige Nonstopprogramm<br />
und wartet zunächst auf die angekündigten<br />
Abendgäste. Allerdings ist<br />
es schwer, zum Betreuen zu kommen,<br />
wenn Elisabeth dabei ist. Die ist nämlich<br />
immer in Bewegung, scheint so etwas<br />
wie Müdigkeit nicht zu kennen. Sie feuert<br />
alles an, was sich irgendwie fortbewegt.<br />
Jedenfalls machen die Dilledöppchen<br />
nach ihrem ruhmreichen Auftritt in<br />
Hamburg (viele Lobeshymnen im Internet;<br />
ob irgendwer noch wahrnimmt, dass<br />
und was ich laufe, weiß ich nicht, aber<br />
man weiß, dass ich die Glückliche bin,<br />
die von den Dilledöppchen betreut wird)<br />
aus den 24 Stunden wieder eine Party<br />
und bekommen verdientermaßen viel<br />
positives feedback für die Aufmunterung<br />
an der Strecke. Ich wusste ja, dass bereits<br />
in Biel über geeignete Events am<br />
Streckenrand nachgedacht wurde und<br />
dass mit Showeinlagen zu rechnen ist.<br />
Am Abend ist es dann so weit, und als<br />
ich auf das Zelt zulaufe, sehe ich eine<br />
bis zu den Knien verhüllte, unter einem<br />
mir vertrauten Bettbezug sitzende Per-<br />
son. Heiteres Prominentenraten ist angesagt,<br />
und ich soll überlegen, wer da<br />
wie ein Geist unter dem Tuch sitzt. Dank<br />
der Radschuhe und der unbehaarten<br />
Männerbeine habe ich Uwe schnell erraten.<br />
Das ist jedenfalls eine tolle Idee,<br />
und auch die anderen Läuferinnen und<br />
Läufer sind verblüfft über das Schau<br />
spiel. Unsere Melpomene 1 -Vereinspräsidentin<br />
Barbara (Berk), die seit dem 12<br />
Stunden-Lauf von Brühl den Kosenamen<br />
"Horrorgestalt" für. Ultras geprägt<br />
hat, ist auch gekommen, weigert sich<br />
aber zunächst, das Zauberwort zu sagen.<br />
Ich muss energisch fordern "Los,<br />
sag's", dann ruft sie mir "Horrorgestalt"<br />
hinterher. Jetzt bin ich endlich bei den<br />
24 Stunden angekommen; jetzt fühle ich<br />
mich im Rennen. Fritz (Waddey) ist<br />
auch da. Das ist wichtig, weil er den<br />
besten Nusskranz der Welt bäckt, und<br />
das ist wiederum wichtig für die Moral<br />
der Dilledöppchen (ausgenommen Elisabeth,<br />
da könnte der Kölner Dom einstürzen<br />
und sie würde nur sagen: "Das<br />
ist jetzt nicht wichtig, wir haben einen<br />
Lauf zu betreuen"). Fritz war vor einigen<br />
Jahren selber 48 Stunden gelaufen bzw.<br />
eben nicht, weil er abbrechen musste<br />
und erst am Sonntagvormittag noch mal<br />
für einen Halbmarathon zurück kam.<br />
Das scheint er erfolgreich verdrängt zu<br />
haben, denn Zuschauen und unverschämte<br />
Kommentare scheinen ihm<br />
noch besser zu liegen. Ich kündige an,<br />
ihm im Squashcourt zu zeigen, wo Bartel<br />
den Most holt. Er schlägt Montagmorgen<br />
um 8.00 Uhr als Termin vor und<br />
meint, er spielt nur mit mir, wenn ich 200<br />
km laufe. Es wird mir also gar nichts anderes<br />
übrig bleiben. Mag sein, ich vergesse,<br />
über den Lauf an sich zu berichten.<br />
Aber der Event dominiert diesmal<br />
eindeutig. Und die 24 Stunden sind, wie<br />
sie immer sind: ein Hauch von Unendlichkeit,<br />
eine kleiner Mikrokosmos auf<br />
einer überschaubaren Runde, gute Kilometer,<br />
schlechte Kilometer, viele Begegnungen,<br />
viel Gemeinschaft der Läuferinnen<br />
und Läufer und am Ende die<br />
Qual der letzten Stunden, wenn auf dem<br />
Zahnfleisch gelaufen werden muss, obwohl<br />
keins mehr da ist. Wer läuft, kennt<br />
das, wer UM liest, kennt die Berichte.<br />
Die abgründigen Tiefs, die Erfahrung,<br />
dass der Körper viel mehr Stellen hat,<br />
die weh tun können, als man für möglich<br />
gehalten hätte, und doch geht es immer<br />
weiter, weil man ja selbst schuld ist und<br />
weil es eben gehen muss. Beeindruckend<br />
wie gut einige 48-Stunden-Läuferlnnen<br />
noch immer unterwegs sind.<br />
Fast beschämend finde ich es, wie ich<br />
von vielen bereits in der ersten Hälfte<br />
angefeuert werde. In der ersten Hälfte<br />
des 24ers im 48-Stunden-Feld flott und<br />
locker zu laufen, ist schließlich keine<br />
Kunst.<br />
Die Nacht ist angenehm mild und bedeckt.<br />
Da es schwül war, nimmt Inge<br />
1 Melpomene ist ein griechischer Frauenname<br />
und die Muse der Tragödie. Einer schönen<br />
Legende nach war eine Griechin namens<br />
Melpomene auch die erste Marathonläuferin<br />
der Geschichte und wurde deshalb Namenspatronin<br />
für den einzigen deutschen Frauenlaufverein<br />
75
org Krieger zur Sicherheit ihr Regencape<br />
mit auf die Strecke. Wie in Hamburg<br />
wird es die Wettergötter milde<br />
stimmen, und es bleibt trocken. Umziehen<br />
ist auch eine Abwechslung, und die<br />
Pastaküche von Sri Chinmoy ist wirklich<br />
gut. In der Nacht wird es wie üblich ruhiger<br />
auf der Strecke. Nur noch die Dilledöppchen<br />
machen Musik. Mit der ersten<br />
Hälfte bin ich sportlich nicht ganz so zufrieden<br />
und habe zwei Kilometer weniger<br />
als in Hamburg. So locker wie sich<br />
das anfühlen sollte, ist es auch nicht.<br />
Dafür kann ich auf einmal in der Nacht<br />
richtig aufdrehen und Tempo machen.<br />
Angestachelt sicher durch Angie Ngamkam,<br />
die nach Badwaterbetreuung eingeflogen<br />
ist, auf einmal förmlich über die<br />
Piste rast und schon nachts die 116 km<br />
ihres ersten 24ers erreicht. Ich nutze<br />
das Zwischenhoch aus und gebe einfach<br />
Gas. Keine Ahnung, wie schnell<br />
das wirklich ist, aber es fühlt sich schnell<br />
an, und es muss schnell sein, denn<br />
auch die Dilledöppchen werden wieder<br />
putzmunter. Verblüffend, wie der Laufrhythmus<br />
sich in 24 Stunden manchmal<br />
so entwickelt. Ich habe keinen Kilometer<br />
Nachttraining investiert. Es geht aber<br />
nicht nur mir so. Auch Georg Weiß und<br />
Michael Krüger drehen gewaltig auf und<br />
schweben förmlich über die Unebenheiten<br />
des Rheinuferweges. Die beiden legen<br />
eine großartige zweite Hälfte hin<br />
und werden sich im Gesamtfeld noch<br />
weit nach vorne laufen. Damit gehört die<br />
zweite Hälfte in Köln den lsarrunnern,<br />
denn - um es gleich vorweg zu nehmen<br />
- wir drei sind nicht nur an der schönen<br />
blauen Isar entlang gewetzt, sondern<br />
laufen auch in Köln persönliche Bestleistungen.<br />
Das Tempo meines empfundenen<br />
Zwischensprints kann ich natürlich<br />
nicht bis in den Morgen halten, aber eine<br />
Sitzpause und ein Teller Spaghetti<br />
als Belohnung bauen mich wieder auf.<br />
Ich komme mit kleinen Sitzeinlagen immer<br />
wieder gut ins Laufen. In der Morgendämmerung<br />
gibt es schließlich die<br />
150-km-Fahne. Das ist die erste echte<br />
Marke für mich, und jetzt kommt langsam<br />
die (lange) Phase der Entscheidung.<br />
Als weiteres mentale Zwischenziel<br />
winken die 169 km, die magische Löhrmarke.<br />
Die ist auf meinem von Rüdiger<br />
als buntes Tabellenkunstwerk (Farblaserdrucker<br />
auf Papier, laminiert, Bonn<br />
2005) eingezeichnet, weil wir am Sonntag<br />
vor einer Woche beim Laufen im<br />
Kottenforst Richi und Beate getroffen<br />
hatten. Die hatten am Lauftreffparkplatz<br />
von Hertha Buschoven einen Vereinskasten<br />
mit Zeitungsberichten entdeckt.<br />
Hier war besonders die sportliche Leistung<br />
von Herrn Löhr genannt, der im<br />
Trikot von Hertha Buschoven bereits<br />
vier (in Ziffern: 4!) Marathons gelaufen<br />
ist. Da es einfach beeindruckend ist,<br />
was Menschen alles überleben können,<br />
wenn sie das Zeug zum Helden in sich<br />
haben, sind viermal 42,195 km also jetzt<br />
76<br />
die Löhrmarke. Auf die gibt es einen Becher<br />
Boullion. Sollte Herr Löhr seine<br />
vielversprechende Laufkarriere fortsetzen<br />
und noch einen fünften Marathon<br />
laufen, habe ich übrigens ein echtes<br />
Problem. Es wird hell am Rhein, leider<br />
ohne Sonnenaufgang. Langsam belebt<br />
sich das Rheinufer wieder mit den ersten<br />
Joggern. Eine Joggerin kann ich<br />
noch überholen, die wurde sicher von<br />
meiner Eventagentur engagiert, um<br />
mich aufzubauen. Die Morgenstimmung<br />
am Rhein hätte etwas Idyllisches, hätten<br />
die Beine nicht das empfundene Gewicht<br />
der Tanker, die gen Bonn tuckern.<br />
Noch einmal umziehen, denn die Sonne<br />
kommt durch und die wärmenden Sonnenstrahlen<br />
tun der Muskulatur gut.<br />
Herbert Grönemeyer (Mensch) kommt<br />
mir in den Sinn "Es ist o.k., es tut<br />
gleichmäßig weh." Die zweite Schicht<br />
der Zaungäste rückt an. Ich nehme alles<br />
nur noch marginal wahr und kann meine<br />
Dankbarkeit über die freundliche Anteilnahme<br />
an meinen letzten Stündlein<br />
nicht mehr richtig zum Ausdruck bringen.<br />
Auf der Strecke zu bleiben, kostet'<br />
alle Kraft. Und die ist ja eigentlich gar<br />
nicht mehr da. Aber die 200-km-Fahne<br />
ruft. Die Versuchung des Stuhles ist die<br />
einzige Versuchung, die mich noch anficht<br />
(abgesehen von der Dauerversuchung,<br />
irgendwem heulend um den Hals<br />
zu fallen und "Ich will nach Hause" zu<br />
röcheln - aber wo ich dann landen würde,<br />
kann ich mir ungefähr ausrechnen).<br />
Eine Runde Gehen muss sein. Die Dilledöppchen<br />
werden nervös. Was in der<br />
Nacht erlaufen wurde, ist schnell verloren,<br />
wenn man gehen muss. Die 200 km<br />
geben noch einmal Auftrieb, und die<br />
letzte Stunde ist angebrochen.<br />
Mir ist nicht danach, um möglichst viele<br />
Zusatzkilometer zu kämpfen, aber ich<br />
werde doch schneller. Nur so ist es zu<br />
erklären, dass mich nach 204,5 km nicht<br />
eine halbe Restrunde erwartet, sondern<br />
ich noch mehr als eine komplette Runde<br />
habe. Peter Ludden hatte mir gegen Ende<br />
prognostiziert ,,205 km und dann<br />
noch etwas drauf, Du packst meine<br />
206,3 von Apeldoorn." Das hatte ich als<br />
Phantasterei am Streckenrand abgehakt,<br />
doch als ich 206,4 km habe, ist<br />
das natürlich ein innerer Rosenmontagszug,<br />
und jetzt ist erst mal Peter mit<br />
206,5 km dran. Am Ende habe ich dann<br />
.meine Fahne mit meiner Startnummer<br />
und Namen, einen Tross guter Seelen<br />
im Rücken, die mich auf den letzten Metern<br />
begleiten, einen Stuhl und Sekt. Ein<br />
Riesengefühl. Leider bin ich zu erschöpft,<br />
um es wirklich zu erleben. Aber<br />
ich weiß ja: das kommt nach ein paar<br />
Tagen. Es gab viele erwähnenswerte<br />
Leistungen in Köln, und die Veranstaltung<br />
zählt von der Organisation zweifellos<br />
zu den besten. Würde der Weg asphaltiert,<br />
wäre es eine echte Top-Strecke.<br />
Aber man kann nicht alles haben,<br />
und das SCMT lässt es an nichts fehlen.<br />
Pech hatte Else Bayer, die 48 Stunden<br />
laufen wollte, in der zweiten Nacht stürzte<br />
und sich die Hand brach. Auch Jutta<br />
Jöhring musste schon früh wegen Kreislaufproblemen<br />
aufgeben. Natürlich blieb<br />
sie in Köln und unterstützte nicht nur<br />
mich. Statt Haferschleim bekam ich regelmäßig<br />
Postkarten, und da hat Jutta<br />
einfach einen exquisiten Geschmack.<br />
Das Highlight war die mit Michael Jackson<br />
beim Bundesrichter: super gezeichnete<br />
Karikatur, und sein Anwalt sagt<br />
"Mein Mandant ist bereit, ein umfassendes<br />
Geständnis abzulegen. Allerdings<br />
unter einer Bedingung: Er besteht auf<br />
die Unterbringung in einer Jugendhaftanstalt."<br />
Wolfgang Schwerk gewinnt<br />
souverän sein 48-Stunden-Training mit<br />
377 km und hüpft locker auf das Siegerpodest.<br />
Heike Pawzik siegt ebenso souverän<br />
und läuft 300 km - wie immer ist<br />
dabei nicht nur die international nennenswerte<br />
Kilometermarke bemerkenswert,<br />
sondern auch die Lockerheit, mit<br />
der sie sie läuft. Heike hat immer Kraft,<br />
um die anderen noch anzufeuern, zu unterhalten<br />
oder aufzubauen. Mir machte<br />
sie immer die Innenkurve frei und<br />
. scheuchte mich auf die blaue Ideallinie,<br />
dabei hatte ich nur die halbe Zeit zu laufen.<br />
Den 24ern bei den Männern gewinnt<br />
Thomas Mirz mit 218 km, der ein<br />
konstant starkes Rennen lief. Michael<br />
Krüger (Platz 2, 216 km) lief wie an der<br />
lsar nicht nur auffällig schnell, sondern<br />
auch in einem für Ultradistanzen beachtenswert<br />
schönen Stil, ebenso wie Georg<br />
Weiß, der sich mit 205 km zurecht<br />
riesig freute, endlich die magische 200km-Marke<br />
geknackt zu haben. Dazwischen<br />
liegt noch auf Platz 3 Andre Drei<br />
Iich mit 213 km. Angie Ngamkam überraschte<br />
ebenfalls sich selbst und lief<br />
ausgezeichnete 186 km. Und die Eventagentur<br />
bekam aus meiner Sicht unmoralische<br />
Anträge in Gestalt von Anfragen,<br />
ob man sie buchen könnte. Elisabeth<br />
versicherte mir aber, dass ich die<br />
Exklusivrechte habe. Ich glaube auch<br />
nicht, dass ich über Fremdbetreuen hinwegsehen<br />
könnte. _<br />
U M - MINI - LEXIKON<br />
Die Freude am Laufen und die menschliche<br />
Begegnung steht bei den Veranstaltungen<br />
des Sri-Chinmoy-Marathbn<br />
Teams im Vordergrund. Nicht gegeneinander,<br />
sondern miteinander ist die Devise.<br />
Das Ziel ist es nicht, andere zu übertreffen,<br />
sondern sich gegenseitig zu inspirieren,<br />
die eigenen besten Fähigkeiten<br />
zum Vorschein zu bringen. Das Hinauswachsen<br />
über die eigenen Fähigkeiten<br />
und Grenzen erleben die Sportler<br />
bei Ausdauerwettkämpfen als große<br />
Freude, obwohl sie äußerlich oft durch<br />
große Mühen gegangen sind.