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02. - 11.06.05<br />

Internationaler<br />

Etappenlauf auf den<br />

französischen Antillen<br />

Dr. Sigrid Lomsky<br />

Im Azurblau .der Karibik liegt das zu<br />

Frankreich gehörende Inselarchipel von<br />

Guadeloupe, 1493 von Christoph Columbus<br />

entdeckt. Tropische Fauna und<br />

Flora, weiße, traumhafte Strände mit<br />

Palmen und vor allem die temperamentvollen<br />

Menschen mit der karibischen<br />

Leichtigkeit des Seins verzaubern jeden<br />

Urlauber. Der einwöchige Etappenlauf<br />

"Guadarun" wird von Einheimischen un­<br />

ter Leitung von Lucien Dactil organisiert.<br />

Es war die sechste Auflage. Fünf Inseln,<br />

fünf Etappen. Jeder <strong>Teil</strong>nehmer erhält<br />

ein Roadbook mit ausführlicher Beschreibung<br />

des gesamten Ablaufes sowie<br />

der einzelnen Etappen, einschließlich<br />

Kartenmaterial. Tägliche Transfers<br />

per Boot, gute Streckenmarkierung und<br />

Verpflegungsstände, ausgezeichnete<br />

karibische Küche, Übernachtung in<br />

Zweimannzelten. Beste medizinische<br />

Betreuung mit Krankengymnasten und<br />

Fußpflegern unter der Leitung einer<br />

Sportärztin. Diese warnte vor Dehydrierung<br />

infolge der feuchtwarmen Temperaturen<br />

um die 30 Grad und der starken<br />

Sonneneinstrahlung bei nur selten zu<br />

erwartenden Abkühlungen durch tropi­<br />

Die gesamte Truppe bei guter Stimmung<br />

Karibik einmal anders<br />

sche kurze Regengüsse. Um den etwaigen<br />

Wasserverlust des Körpers zeitig zu<br />

bemerken, wurden wir täglich vor dem<br />

Start gewogen. Aber dieses Jahr war alles<br />

anders als zuvor. '<br />

Das Abenteuer begann mit einer Bootsfahrt<br />

bei strahlender Sonne nach Terre<br />

de Haut, wo wir zum Fort Napoleon<br />

wanderten, begleitet vom Gezwitscher<br />

tropischer Vögel und Zikadenklängen.<br />

Große Leguane und üppige Blumenpracht<br />

waren zu bewundern. Den Nachmittag<br />

verbrachten wir beim Baden und<br />

Träumen unter Palmen am Strand.<br />

Änschließend Bootstranfer nach Les<br />

Saintes Terre de Bas. Wegen der Folgen<br />

eines Erdbebens an den Vortagen<br />

konnte das Zeltlager nicht in einer idyllischen<br />

Sandbucht aufgebaut werden, so<br />

wurde auf ein Schulgelände ausgewichen.<br />

Es regnete die ganze Nacht.<br />

Am nächsten Morgen starteten 27 Läufer,<br />

darunter drei Frauen, zur ersten<br />

Etappe, einer 17 km langen Schleife,<br />

die zunächst am Strand,dann durch ein<br />

felsiges Hügelgelände führte. Bergziegen<br />

in allen Größen kreuzten unseren<br />

Weg. Zur Übernachtung ging es per<br />

Schiff nach Basse· Terre. Tropischer<br />

Platzregen die ganze Nacht. In den Zeiten<br />

stand das Wasser. Alles war nass.<br />

Beim Start zur zweiten Etappe über 17<br />

km schüttete es aus Eimern. Trailschuhe,<br />

Handschuhe, lange Tights waren<br />

Pflicht. Ich rangelte mich im steilen tropischen<br />

Regenwald an Pflanzen hoch.<br />

Der Regen prasselte auf das Blätterdach.<br />

Die Abwärtspassagen über glit­<br />

schige Wurzeln rutschte ich auf dem<br />

Hosenboden ab. Ich lief mit erhöhter<br />

Wachsamkeit. Jeder Schritt erforderte<br />

volle Konzentration. Die hohen Lufttemperaturen<br />

verhinderten jegliches<br />

Frieren. Ich war nass wie ein Fisch, gab<br />

mein Ego auf und fühlte mich eins mit<br />

der Natur. Am Nachmittag Bootstransfer<br />

nach Marie-Galante. Der Veranstalter<br />

sammelte Schlafsäcke und Handtücher<br />

zum Trocknen ein und spendierte ein<br />

Hotel. Ein Tag Pause zum Trocknen und<br />

Regenerieren war uns vergönnt.<br />

Bei der dritten Etappe (27 km) durch<br />

Mangrovenwälder und am Strand der<br />

Insel Marie Galante liefen wir bei Sonnenschein.<br />

Mittagessen am Palmenstrand.<br />

Nachmittags Bootstransfer nach<br />

Grande Terre, das in dicken dunklen<br />

Wolken verhüllt war. Wegen des starken<br />

.Regens entschied sich die Renndirektion<br />

gegen einen Aufbau der Zelte .Wir<br />

übernachteten auf dem Küchenboden<br />

einer Schulkantine.<br />

Die vierte Etappe (30 km), davon 50 %<br />

spitzes Granitgestein einer Steilküste<br />

mit kratzigem Buschwerk, bescherte uns<br />

unvergessliche Meeresblicke bei Sonnenschein.<br />

Der Granit strahlte die Hitze<br />

zurück, und dampfende Wärme war an<br />

den Beinen zu spüren. Im Ziel nahm ich<br />

gleich ein erfrischendes Bad im Meer.<br />

Zum Übernachten fuhren wir zur Insel<br />

"La Desirade", wo das Zeltlager schon<br />

am Strand aufgebaut war. Eine Band<br />

erwartete uns mit karibischer Musik, die<br />

zum ausgelassenen Tanzen animierte.<br />

In der Nacht stürmte es, die Heringe lösten<br />

sich aus dem Sandboden, erneuter<br />

Schlagregen drang in die Zelte.<br />

Die fünfte Etappe über 30 km, technisch<br />

sehr einfach über gute hügelige<br />

Wege, war ein Genuss. Sie führte entlang<br />

der Küste bis zu einem Leuchtturm,<br />

dann durch die Inselmitte über die Berge<br />

zum Strand zurück. Die karibischen<br />

Dorfbewohner klatschten Beifall. Josef<br />

Kaufmann aus Bottrop, der älteste <strong>Teil</strong>nehmer,<br />

meinte im Ziel: "Schade, dass<br />

es schon vorbei ist. Ich wäre gern noch<br />

zwei Etappen mehr gelaufen."<br />

Sieger wurden Christoph le Saux und<br />

Claire Garbagnatti (beide Frankreich).<br />

Krönender Abschluss: Preisverleihung<br />

und Verwöhnungstag im Spitzenhotel.<br />

Der "Guadarun" 2006 findet vom 01. bis<br />

10.06. statt.<br />

Kontaktadresse:<br />

www.guadarun.com. oder<br />

guadarun@wanadoo.fr.<br />

Kosten: 1.200 € alles inclusive ab Guadeloupe<br />

­<br />

35


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09.07.05<br />

20. Internationaler Härdlerlauf<br />

über 44,3 km<br />

in Schmallenberg<br />

Wolfgang Brunnmeier<br />

Zum dritten Mal versuchten Marita, Pierre<br />

und ich am "Härdlerlauf" über 44,5<br />

Kilometer bei uns im Sauerland teilzunehmen.<br />

Im Jahr 2003 goss es bei der<br />

Anreise nach Schmallenberg in Strömen.<br />

Bis 30 Minuten vor dem Start warteten<br />

wir auf Wetterbesserung. Da wir<br />

im Vorfeld unsere Startunterlagen nicht<br />

abgeholt hatten, machten wir uns wieder<br />

auf die Heimreise. Im Jahr 2004 hatten<br />

wir das gleiche Wetter wie im Jahr davor.<br />

Nur diesmal verzichteten wir auf eine<br />

Anreise und blieben direkt zu Hause.<br />

Später erfuhren wir von Kerstin Fuhrmann,<br />

die trotz des miserablen Wetters<br />

nach Schmallenberg gefahren ist, dass<br />

der 44,5 km lange Lauf nicht stattgefunden<br />

hatte. Es gab Probleme mit der Genehmigung,<br />

bestimmte Streckenabschnitte<br />

zu belaufen. Da hatten wir wieder<br />

einmal Näschen gehabt. In diesem<br />

Jahr, aller guten Dinge sind drei, war<br />

eitel Sonnenschein, und wir konnten unsere<br />

Startunterlagen abholen.<br />

Zwanzigster Härdlerlauf, irgendwie auch<br />

ein Jubiläumslauf. Ob sich der Veranstalter<br />

etwas Besonderes hat einfallen<br />

lassen? Falsch gedacht! Das Kuchenbuffet<br />

war genauso groß wie immer und<br />

36<br />

die Pokale sahen auch nicht anders aus.<br />

Vielleicht gab es diesmal für alle <strong>Teil</strong>nehmer<br />

eine Urkunde.<br />

Am späten Nachmittag, um 15.30 Uhr,<br />

krachte für 67 <strong>Teil</strong>nehmer, davon 9<br />

Frauen, der Startschuss. Großartig trödeln<br />

und die Landschaft genießen war<br />

mit einer maximalen Laufzeit von 5<br />

Stunden und 30 Minuten untersagt. Dabei<br />

mussten knapp 700 Höhenmeter im<br />

Auf und Ab bewältigt werden. Eine ganz<br />

schön enge Angelegenheit. Mein Sohn<br />

Pierre wollte mal wieder einen Larifari­<br />

Lauf machen und mit Kerstin laufen. Ich<br />

wollte mal antesten, wie es bei mir mit<br />

meiner Regeneration aussah, nachdem<br />

ich vor 7 Tagen noch den. Zermatt­<br />

Marathon gelaufen war. Direkt nach<br />

dem Start an der Stadthalle ging es die<br />

ersten knapp 5 Kilometer in den Nachbarort<br />

Fleckenberg ständig leicht bergab.<br />

Am Knoten "Sägewerk" war die erste<br />

und vorletzte Verpflegungsstelle errichtet<br />

worden. Hier ging es in den Wald,<br />

den ich auch hier erst wieder verlassen<br />

sollte. Auf einem breiten Forstweg ging<br />

es nun ständig bergan. Die kleinen kurzen<br />

Abwärtspassagen hinauf zum<br />

Rothaar-steig konnte ich dabei an einer<br />

Hand abzählen. Doch zeitweise musste<br />

ich Slalom laufen, denn Waldarbeiter<br />

hatten mit ihren Forstfahrzeugen etliche<br />

matschige Abschnitte verursacht. Bei Ki­<br />

Zieleinlauf für Pierre (links) und seine Laufbegleiterin<br />

lometer 10 wurde es plötzlich interessant,<br />

denn ich musste den Forstweg<br />

verlassen und einen steilen, mit Wurzeln<br />

durchzogenen Waldpfad (Indianerpfad),<br />

den Hang hinauf laufen. Wenig später,<br />

bei Kilometer 12 an der Millionenbank<br />

bog ich auf den Rothaarsteig ein. Auf<br />

diesem Wanderweg musste ich bis zum<br />

Rhein-Weser-Turm; bei Kilometer 22,<br />

laufen. An der Verpflegungsstelle "Margaretenstein",<br />

bei Kilometer 20, hatte ich<br />

den höchsten Punkt auf 685 Meter erreicht.<br />

Laut Höhendiagramm sollte es ab<br />

hier nur noch abwärts gehen. Das war<br />

wohl nichts! Hinter längeren Abstiegen<br />

folgten immer wieder zum <strong>Teil</strong> ziemlich<br />

steile Anstiege, die einige <strong>Teil</strong>nehmer zu<br />

Gehpausen zwangen. Kurz etwas zur<br />

Landschaft gesagt: Wer den Wald liebt<br />

und gerne in diesem läuft und dabei auf<br />

Abwechslung verzichten kann, ist hier<br />

genau richtig. Ab Kilometer 31 lief ich<br />

eigentlich viel und lange alleine. Hatte<br />

ich mal wieder einen Versorgungsstand<br />

erreicht, war für einige Minuten Schluss<br />

mit der Monotonie und der Langeweile,<br />

denn hier konnte ich mich, wenn auch<br />

nur kurz, ein wenig mit den Helfern unterhalten.<br />

Bei Kilometer 36 am Sägewerk<br />

verließ ich endlich den Wald und<br />

lief entlang der Lenne wieder nach Fleckenberg.<br />

Von hier waren es nur noch<br />

4Y:> Kilometer bis ins Ziel an der Stadthalle<br />

von Schmallenberg. Mittlerweile<br />

hatte ich auch keine Lust mehr. Lag das<br />

am Zermatt-Marathon der letzten Woche<br />

oder aber an der Tristesse dieses Waldlaufes?<br />

Bin ich vielleicht schon von anderen,<br />

schöneren Landschaftsläufen<br />

verwöhnt? Auf jeden Fall war ich froh,<br />

als ich nach 4:11 :50 Stunden das Ziel<br />

erreicht hatte. Somit ging ein unspektakulärer<br />

Landschaftslauf zu Ende. Eigentlich<br />

liebäugelte ich mit dem Ultramarathon<br />

P-Weg und dem Rothaarmarathon<br />

im Herbst. Aber das schenke ich mir.<br />

Der dritte Anlauf des "Härdlerlaufes" war<br />

somit auch der Letzte. ­<br />

UM-MINI-LEXIKON<br />

Schmallenberg ist eine Stadt in Nordrhein-Westfalen<br />

und gehört zum Hochsauerlandkreis.<br />

Sie ist mit 302,94 km 2<br />

eine der flächengrößten Städte Deutschlands.<br />

Traditionell ist in Schmallenberg<br />

Textilindustrie angesiedelt, was dem Ort<br />

auch den Beinamen "Strumpfstadt" einbrachte.<br />

Da die Entwicklung der Textilindustrie<br />

jedoch rückläufig ist, dominieren<br />

mittelständische Unternehmen.<br />

Im Wirtschaftsleben Schmallenbergs<br />

spielt mittlerweile der Dienstleistungsbereich,<br />

insbesondere die Gastronomie<br />

und damit gleichzeitig der Fremdenverkehr,<br />

eine bedeutende Rolle. Schmallenberg<br />

ist Sitz des Fraunhofer-Instituts<br />

für Molekularbiologie und Angewandte<br />

Ökologie (IME). _


Mit Glück und abenteuerlich platt am Plattensee<br />

25. I 26.06.05<br />

Internationaler<br />

24-Stunden-Lauf am<br />

Plattensee (HUN)<br />

Martina Hausmann<br />

Wie nur kommt eine begeisterte Endlosrundenläuferin<br />

auf die Idee, sich mit<br />

Wegsuche, Moskitos, Crosseinlage und<br />

Weinbergen herumschlagen zu wollen?<br />

Ein Nonstoprennen würde auf knapp<br />

200 km den größten See Mitteleuropas<br />

umrunden, Zeitlimit 30 Stunden, dazu<br />

zwei Stunden Toleranzzeit. Zeitgleich<br />

findet die DM über 24 Stunden in Reichenbach<br />

statt! Ich mag mich nicht bei<br />

meinem 53. 24-Stunden-Lauf wegen<br />

neuerdings verpönter Nummernbänder<br />

oder Musik anmeckern lassen - nicht,<br />

nachdem ich mit solch "unmöglicher"<br />

Ausrüstung mehrfach unbeanstandet im<br />

Nationalteam gelaufen bin! Ich brauche<br />

aber dringend noch ein bisschen Training<br />

für die 6 Tage in Erkrath. Im Internet<br />

unter ..Steppenhahn" finde ich einen<br />

anschaulichen Bericht von Carl Wilhelm<br />

Wilke über das letztjährige Plattenseeabenteuer.<br />

Wenig später treffe ich die<br />

Ungarin Edit Berces in Surgeres; auch<br />

sie schwärmt davon, kennt den Organisator<br />

Zoltan Uji persönlich und verspricht<br />

mir jede Hilfe bei der Vorbereitung<br />

und auch Unterkunft für davor und<br />

danach. Zudem bietet Georg Weiß im<br />

Internet eine Mitfahrgelegenheit an.<br />

Mehr Glück bereits im Vorfeld kann der<br />

Mensch nicht haben!<br />

Munteres Treiben im und um das Wochenendhaus<br />

von Edits Eltern in Fonyod<br />

am Südwestufer des Balaton: von Oma<br />

und Opa bis zum Enkel ist die Großfamilie<br />

versammelt, dazu kommen noch Nina<br />

Nitirofanova aus. der Ukraine samt<br />

Familie und Costas Baxevanis aus Griechenland.<br />

Nina gehört wie Edit zur Weltspitze<br />

im längeren Ultrabereich, macht<br />

zur Zeit eher Urlaub mit der Familie und<br />

nimmt nebenbei am viertägigen Etappenlauf<br />

um den Plattensee teil. Costas<br />

habe ich in der letzten Ausgabe von UM<br />

als Organisator des ersten griechischen<br />

24-Stunden-Laufs vorgestellt. Er wird<br />

mit Edit, Georg, Carl Wilhelm und mir<br />

morgen im Nonstoprennen starten.<br />

In Fonyod werden wir im Rennen Kilometer<br />

57 erreicht haben. Also fahren wir<br />

nach Osten zurück zum Start am Club<br />

Aliga in Balatonaliga. Mein Gott! Ohne<br />

Edit hätte ich das nie gefunden! Die<br />

Clubanlage ist riesig, und absolut nichts<br />

weist auf den Start zu einem Ultramara­<br />

thon in wenigen Stunden hin! Kein<br />

Mensch weiß etwas, und in unserer<br />

Aufmachung erscheinen wir den Badegästen<br />

als Außerirdische. Edit steuert<br />

gleich das richtige Haus an, und weniger<br />

als eine Stunde vor dem geplanten Start<br />

um 14 Uhr treffen tatsächlich einige Leute<br />

in Laufmontur ein. Aus Deutschland<br />

ist Carl Wilhelm da und auch Thomas<br />

Kabus. Sebastian Schöberl habe ich<br />

letzte Woche beim Hunderter in Biel<br />

kennen gelernt. Insgesamt 14 Starter<br />

kommen zusammen. Zuletzt erscheint<br />

der offizielle Organisator des Rennens.<br />

Ich habe aber längst den Verdacht, ohne<br />

Edit würde leider gar nichts laufen.<br />

Sie hat sich bereits im Vorfeld u01 alles<br />

gekümmert; das fing schon mit der Werbung<br />

für diesen Lauf an. Ihrem beliebten<br />

Mantra ..Ich bin nicht der Organisator"<br />

entspricht sie zum guten Glück für uns<br />

Läufer gar nicht.<br />

Jemand hält eine kurze Ansprache auf<br />

Englisch. Laut unserer vierseitigen Wegbeschreibung<br />

trennen das Rennen 1,7<br />

km vom veritablen 200-km-Lauf. Vielleicht<br />

ist das ein Manko? Wir sollen jedenfalls<br />

als Prolog nach dem Startschuss<br />

ein entsprechendes Wendepunktstück<br />

zum Warmlaufen nutzen. An<br />

diesen Schmarren hat bei der Erfindung<br />

des Zeitlimits niemand gedacht. Ich bin<br />

aber Meisterin im äußerst knappen Erreichen<br />

von Limits! Nun denn. Vielleicht<br />

werden mich die Moskitos so sehr jagen,<br />

dass ich die Zeit locker wieder aufhole?!<br />

Pünktlich eine Stunde zu spät starten<br />

wir zum Prolog. Schon als wir wieder zu­<br />

Im Ziel wird Martina liebevoll umsorgt<br />

rück am Startplatz sind, laufen bis auf<br />

Edit und Costas alle weit voraus am Horizont!<br />

Nach einer halben Stunde<br />

schwatzen wir drei immer noch angeregt<br />

zusammen. Edit läuft allerdings auf 48­<br />

Stunden-Rennen locker 50 km mehr als<br />

ich. Ich mache bestimmt irgendwas<br />

falsch und bin viel zu schnell? Sie denkt<br />

wahrscheinlich dasselbe über sich, nur<br />

andersrum. Auf der Südseite des Sees<br />

laufen wir auf Fahrradwegen mehr oder<br />

weniger am Ufer entlang. In der feuchtheißen<br />

Luft kann man kaum atmen.<br />

Mein Beitrag zum 'Geschwätz verebbt.<br />

Moskitos formieren sich zum Angriff.<br />

Meine anfangs gehegte Hoffnung bestätigt<br />

sich leider nicht; ich kann mich kei­<br />

nesfalls schneller bewegen. Die Stimmen<br />

von Edit und Costas verlieren sich<br />

voraus am Horizont. Bis auf drei aufgebende<br />

Lä'ufer werde ich bis zum Schluss<br />

keine <strong>Teil</strong>nehmer mehr antreffen. Als ich<br />

Fonyod erreiche, ist es schon stockfinstere<br />

Nacht. Ich konzentriere mich auf die<br />

graugrünen Pfeile auf grauem Asphalt.<br />

Orientierungshilfe bietet natürlich auch<br />

der See, den man zur Rechten am Ende<br />

von Sackgassen immer mal kurz schimmern<br />

sieht. Highlights alle fünf Kilometer<br />

sind die Verpflegungsposten mit ihren<br />

aufmerksamen Helfern. Sie sind willkommene<br />

Unterbrechung in der Einsamkeit.<br />

Ich habe den Eindruck, dass<br />

öfters Einheimische aus den Dörfern<br />

nach vorheriger Absprache diese Aufgabe<br />

übernommen haben. Ich hatte mir<br />

vor dem Start schon meine Gedanken<br />

gemacht: ..Da verteilen sich eine Handvoll<br />

Leute auf 200 km und sind am<br />

Schluss bis zu 12 Stunden auseinander.<br />

Ohne eine Armee von Helfern geht<br />

37


es doch nicht?" So ist es eine feine Sache!<br />

Das System wird sich, bis auf eine<br />

marginale Versorgungslücke, bestens<br />

bewähren. Eine Füllung Trinkflasche<br />

reicht mir von einer zur nächsten Station.<br />

Da ich nur Leitungswasser einfülle,<br />

kann ich mit den Überschüssen noch<br />

Moskitos abwaschen. An den Stationen<br />

selbst trinke ich lieber Saft, esse jede<br />

tas ist etwa 20 Minuten voraus, und Garl<br />

Wilhelm ist auch nicht viel weiter". Der<br />

Weg führt laut Streckenbeschreibung<br />

nun vom See weg und hinein in die<br />

Weinberge. Vier bis sechs Augen sehen<br />

mehr. Hoffnungsfroh breche ich nach 10<br />

Minuten Pause auf. Was ich nicht wissen<br />

kann: Gostas ist "nebenbei" Bergsteiger,<br />

springt wahrscheinlich hirschar-<br />

Gostas, Martina, Georg und Edit vorm Wochenendhaus<br />

Menge Obst und Kekse. Schließlich<br />

biegt der Weg scharf nach Norden. Die<br />

südliche Längsseite des Balaton habe<br />

ich hinter mir.<br />

Mit Glück werde ich Kesthely an der<br />

Nordwestkante des Sees, Kilometer 90,<br />

im engeren Zeitlimit von 13 Stunden erreichen.<br />

Erst mal streikt die Taschenlampe.<br />

Kein Dorf, kein Haus, und damit<br />

keine Lichtquelle weit und breit. Mannshohe<br />

Schilfgewächse links und rechts<br />

des Fahrradweges. Hoffentlich gibt es<br />

keine Abzweigungen! Zum Glück ist der<br />

Mond seit wenigen Tagen abnehmend,<br />

die Nacht fast herum und der Mond damit<br />

längst aufgegangen. Ich finde glücklich<br />

zur nächsten Station, wo man mir<br />

eine Ersatzlampe geben kann. So erreiche<br />

ich sicher Kesthely nach 12:50<br />

Stunden. Sebastian sitzt schon da. Leider<br />

sitzt er wie ein Fragezeichen; aufgegeben.<br />

"Georg schläft in der Sporthalle.<br />

Er musste auch aufhören." Es riecht<br />

sehr angenehm nach Nudeln. "Iß nur<br />

ordentlich; anstelle der nächsten zwei<br />

Stationen werden nur Wasserflaschen<br />

da stehen". Während ich mich über eine<br />

große Portion hermache, erfahre ich andere<br />

Einzelheiten von Sebastian. "Gos­<br />

38<br />

tig die bis 10% steilen Hügel rauf und<br />

runter. Zuletzt wird er fast drei Stunden<br />

(!) vor mir das Ziel erreichen. Garl Wilhelm,<br />

mit Streckenkenntnis vom Vorjahr,<br />

wird knapp unterm engeren Zeitlimit ankommen.<br />

Während sich mein ganzer Körper der<br />

Nudelverdauung widmet, landet der<br />

Kreislauf im tiefsten Keller. In der Morgendämmerung<br />

kurve ich Schlangenlinien<br />

wie schon lange Jahre nicht mehr.<br />

"Ich darf mich nicht verlaufen." Über diesen<br />

Angstgedanken vergesse ich die<br />

zwei vor mir vollkommen. Ich fürchte<br />

auch einen neuen knallheißen Tag und<br />

ärgere mich sehr, in der kühlen Morgenluft<br />

nicht flotter voran zu kommen. Nach<br />

der Fastenwanderung über 15 km geht<br />

es mir wieder richtig gut; bei Kilometer<br />

105 starte ich wieder neu meine bewährte<br />

Obst-Keks-Trinkdiät. Was sich<br />

weniger toll anfühlt, sind meine Füße.<br />

An der nächsten Station frage ich nach<br />

meiner in einem Begleitfahrzeug depo­<br />

.nierten Notausrüstung. Einmal mehr habe<br />

ich Glück; das richtige Auto ist gerade<br />

da. Die fiese Blase unterm großen<br />

Zeh habe ich schnell beerdigt. Schon<br />

bin ich wieder unterwegs.<br />

Kilometer 140 zieht mich magisch an. In<br />

den unzähligen Emails, die vor dem<br />

Start zwischen Edit und mir kursierten,<br />

schrieb sie etwas von einer Grosseinlage<br />

über 5 km und vor allem von einer<br />

"Wiese mit unangenehmen Pflanzen". In<br />

der Ausschreibung steht etwas von "gritty<br />

forest path" und "through the f100d gate".<br />

Garl Wilhelm hatte im Vorjahr das<br />

Ganze erst gar nicht gefunden! Nun will<br />

ich das Mysterium lösen. Bei der Station<br />

an Kilometer 139,7 lasse ich mir den<br />

richtigen Abzweig von der Straße zeigen.<br />

Der Weinbergspfad wird ungemütlich<br />

holprig. Schließlich endet der Weg<br />

vor einem steilen Damm bergab. Zum<br />

Glück macht dieses "flood gate" seinem<br />

Namen keine Ehre. Kein Wasser ... aber<br />

auch kein Weg mehr weit und breit. Tief<br />

unter mir beginnt eine schier endlose<br />

Fläche mit borstiger Macchia. Ohne<br />

Zweifel muss man da irgendwie durch;<br />

weiße Bänder spannen sich von Distel<br />

zu Dornenbusch, tauchen ein in einem<br />

Wäldchen am Horizont. Ich krieche also<br />

rückwärts hinunter und stakse immer in<br />

Bandnähe durch das hüfthohe Kraut.<br />

Meine Vorläufer mussten zu Kängurus<br />

mutiert sein oder gar zu Vögeln; ich sehe<br />

keinerlei Trittspuren. Im Wald<br />

schließlich gibt es wenigstens eine<br />

Pfadspur. Allerdings ist diese von losem<br />

Geröll übersät. Endlich leitet der so genannte<br />

Weg, bergauf und bergab, wieder<br />

in einen holprigen Weinbergspfad.<br />

Diesmal empfinde ich solches Terrain<br />

als Luxusausstattung! An der nächsten<br />

Station, rund 5 km entfernt und wieder<br />

auf ordentlicher Straße, ist weit über eine<br />

Stunde vergangen von Beginn der<br />

Abenteuerwanderung an. Ich setze mich<br />

hin, vollkommen entgeistert. "Mit platten<br />

Plattfüßen platt am Plattensee ... ". Mein<br />

Wortspiel ist lustiger, als der Zustand<br />

sich anfühlt. Schließlich finde ich wieder<br />

einen guten Rhythmus, sogar mit Muße,<br />

die Landschaft zu genießen. Neben den<br />

Weinbergen gibt es fantastische Blumenwiesen<br />

mit Schmetterlingen in allen<br />

Farben. Leider verirrt sich einer an mein<br />

pappiges Bein, und der traurige Flügelabdruck<br />

wird mir bis ins Ziel erhalten<br />

bleiben. Nächster Fixpunkt auf der Strecke<br />

ist Kilometer 164, Balatonfüred. Dafür<br />

sind im engeren Zeitlimit 24,5 Stunden<br />

veranschlagt. Mir ist vollkommen<br />

klar, dass ich das nicht mehr schaffen<br />

kann. Ich komme sogar 50 Minuten zu<br />

spät. Damit habe ich die Toleranzzeit<br />

von hier 90 Minuten ganz schön angeknabbert.<br />

Zu dieser Zeit befindet sich<br />

der ungarische Sieger Fendrik Laszlo im<br />

Anflug auf das Ziel (25:33 Stunden). Als<br />

Zweite wird Edit nach 28:21 Stunden<br />

eintreffen, verfolgt von Gostas (28:37<br />

Stunden). Auch Garl Wilhelm wird es<br />

noch im engeren Zeitlimit schaffen<br />

(29:36 Stunden).<br />

Von Balatonfüred aus habe ich "nur"<br />

noch 20 km Weinberge vor der Nase.


Leider ziehen sie sich wie Kaugummi.<br />

Endlich senkt sich die Straße zum Ufer<br />

herab und mündet auf einen Fahrradweg.<br />

Mit der Abenddämmerung werden<br />

prompt die Mücken wieder hyperaktiv.<br />

Die können mich nicht wirklich mehr<br />

schrecken. Ich bin guten Mutes, das Ziel<br />

in weniger als 31 Stunden zu erreichen.<br />

Seit einiger Zeit hat sich ein Begleitfahrzeug<br />

meiner besonders angenommen.<br />

Mir werden schier alle Wünsche von den<br />

Augen abgelesen. Sogar leckeren gebratenen<br />

Fisch bringen sie für mich von<br />

einer Imbissbude. Jetzt kommt wohl der<br />

abschließende Genussteil? Denkste!<br />

Plötzlich sehe ich keine Pfeile mehr.<br />

"Hier sind auch keine Pfeile. Hier haben<br />

Zur Information für Abenteuerlustige:<br />

Das Rennen findet jeweils Ende Juni<br />

statt. Neben dem hier beschriebenen<br />

Rennen gibt es im Rahmenprogramm<br />

noch einen 60-km-Lauf, einen 100-km­<br />

Lauf, einen viertägigen Etappenlauf um<br />

den See und einen Stafettenlauf für 5<br />

Läufer.<br />

Meldeanschrift: Zöldgomb Sportclub,<br />

Hungary, 1037 Budapest, Mecsvirag u.<br />

103;<br />

Internet: www.zoldgomb.hu;<br />

Email: zoldgomb@zoldgomb.hu ­<br />

Den meisten <strong>Teil</strong>nehmern kam es allerdings<br />

auf den Kilometer mehr oder weniger<br />

nicht an. Der Bärenfels-Trail war<br />

erneut ein zwar anspruchsvoller und gelenkstrapazierender,<br />

aber einzigartig<br />

schöner und annähernd perfekt organisierter<br />

Wettbewerb, in dem es vor allem<br />

um Naturerlebnis, Selbsterfahrung, Beisammensein<br />

und Atmosphäre ging. Die<br />

Betreuung war von rührender Herzlichkeit,<br />

die Verpflegung mit Getränken und<br />

Leckereien auch an den abgelegensten<br />

Stellen im dunklen Wald genügte höchsten<br />

Ansprüchen.<br />

Der Bärenfelslauf lockte in seiner dritten<br />

Auflage (davon das zweite Mal als Trail<br />

Wegweiserzettel ausgehangen." Wir fin- r---'---------------, ausgeschrieben) über 200 Sportler aus<br />

den keinen einzigen solchen Zettel<br />

mehr. Meine Begleiter versichern mir,<br />

den Weg zu kennen. Unversehens ist es<br />

wieder Nacht. Wir sind fernab jeder Ortschaft.<br />

Der Weg schlängelt sich durch<br />

diverse Clubanlagen. Meine Begleiter<br />

werden unverkennbar unruhig. Immerhin<br />

suche ich nicht allein. Handytelefonate<br />

gehen hin und her. Da erfahre ich nebenbei,<br />

dass ich Fünfte im Ziel sein<br />

werde ... wenn ich es denn fände! "Eine<br />

Ausfallquote fast wie bei den 10 kleinen<br />

Negerlein", denke ich verblüfft. Ewiges<br />

Herumstehen und Rätselraten. Schon<br />

sind über 30 Stunden herum. Wir müssten<br />

doch gleich da sein? Alles sieht<br />

gleich aus, vor allem nachts. Ich finde<br />

einen vereinzelten graugrünen Pfeil und<br />

schreie "Hurra!!!". Meine Nervosität ist<br />

noch steigerungsfähig, als es auf die 31<br />

Stunden zugeht. "Vielleicht sind wir aus<br />

Versehen am Ziel vorbeigelaufen?" Endlich<br />

findet uns vom Club Aliga aus die<br />

Mutter meiner Begleiterin mit dem Auto.<br />

Sie fährt Schritttempo vor uns her. Bin<br />

ich froh! Und im Gegensatz zu Carl<br />

Wilhelm ist sogar das Eingangstor zum<br />

Club offen. Er hatte hier nämlich noch<br />

10 Minuten warten dürfen!<br />

Ich erkenne unsere Wendepunktstrecke<br />

wieder. Voraus der gelbe Startbogen.<br />

Mein glückliches Finish nach 31 Stunden<br />

26 Minuten. Der offizielle Herr Organisator<br />

liegt wohl schon im Bettchen?<br />

Wenn man eine Stunde später startet,<br />

kommt man halt auch eine Stunde später<br />

an! Egal. Ich freue mich trotzdem.<br />

Schließlich handelt es sich hier um einen<br />

Abenteuerlauf. Ein Abenteuer mit<br />

glücklichem Ausgang, wohlgemerkt.<br />

Meine treuen Helfer der letzten Stunden<br />

reichen leckeres Obst auf einem silberfarbenen<br />

Tablett. Mit Edit, Costas und<br />

Georg fahre ich zurück nach Fonyod.<br />

Erst mal ausschlafen! Gefeiert wird übrigens<br />

im kleinen Kreis am nächsten Tag,<br />

und über Edit bekomme ich noch eine<br />

schöne Urkunde und ein selbstgemachtes<br />

T-Shirt mit dem ganzen Plattensee<br />

drauf. Ein Bad im See vor der Heimfahrt<br />

und ein Wiedersehen hier, wer weiß?<br />

Geheime<br />

Verlängerung<br />

23.07.05<br />

3. Bärenfels-Ultra-Trail<br />

über 67,5 km<br />

in Neubrücke/Nohfelden<br />

Peter Wagner<br />

Kaum war die Plackerei vorbei, freuten<br />

sich die meisten schon aufs nächste<br />

Jahr - ein schöneres Kompliment konnte<br />

es nicht geben für den Bärenfelslauf,<br />

den das "Bärenfels-Team" um die Läufer-Familie<br />

Feiler an einem milden Sommertag<br />

zwischen Neubrücke (Rheinland-Pfalz)<br />

und Nohfelden (Saarland)<br />

zum dritten Mal veranstaltete. Angemeldet<br />

und genehmigt war der Lauf beim<br />

Saarländischen Leichtathletik-Bund. Es<br />

handelt sich hier um den einzigen Ultralauf<br />

im Saarland. Die Fellers hatten die<br />

Strecke gegenüber dem Vorjahr nochmals<br />

verändert, will heißen: verschärft.<br />

Es wurde im Naturpark Nahe-Hunsrück<br />

vor allem über steinige Wege, WaIdboden<br />

und Gras gelaufen. Sogar Kletterpassagen<br />

waren eingebaut, eine führte<br />

zum Namen gebenden Bärenfels. Der<br />

Geländelauf mit insgesamt 1.500 Höhenmetern<br />

war diesmal länger als die<br />

versprochenen beziehungsweise angedrohten<br />

63 Kilometer. Auf Bitten eines<br />

Jagdpächters, so Organisator Robert<br />

Feiler, habe man den Kurs ändern müssen<br />

und sei auf eine Länge von 67,5 Kilometern<br />

gekommen. Die Starter erfuhren<br />

dies aber erst im Verlauf des Wettbewerbs.<br />

Schade eigentlich, denn was<br />

als Spaß gedacht war, kam eher einer<br />

Bevormundung gleich. Es gab und gibt<br />

keinen Grund, Läufer über eine zu erbringende<br />

Arbeit im Unklaren zu lassen,<br />

weder am Bärenfels noch sonstwo.<br />

der gesamten Republik, darunter auch<br />

viele Spitzenkönner. Er stieg damit innert<br />

kürzester Zeit in die erste Liga der<br />

deutschen Landschafts-Ultraläufe auf.<br />

Auch qualitative Vergleiche mit Veranstaltungen<br />

in den Alpen brauchen die<br />

Fellers nicht zu scheuen. Die Läufer waren<br />

erneut begeistert von der Stimmung.<br />

Die Markierung der Strecke war "idiotensicher".<br />

Vermisst wurde allenfalls eine<br />

Kilometrierung.<br />

176 Läuferinnen (sehr wenige) und Läufer<br />

kamen ins Ziel, davon 55 über die<br />

volle Distanz, 48 im "Marathon" (45 km)<br />

und 73 im "Halbmarathon" (22,5 km).<br />

Diesmal gewannen gleich zwei Läufer:<br />

Der ortskundige Rainer Koch (LG Würzburg)<br />

und der Bautzener Rene Strosny<br />

teilten sich den Sieg in Freundschaft.<br />

Sie brauchten nur 5:32 Stunden. Der bescheidene<br />

Koch befand nachher kritisch,<br />

dass das noch schneller hätte gehen<br />

können. Immerhin war die Siegerzeit 30<br />

Minuten besser als ein Jahr zuvor, als<br />

der Parcours etliche Kilometer kürzer<br />

gewesen war. Dritter wurde Stephan<br />

Hünnerkopf von der LG Neckargemünd<br />

in 5:50 Stunden. Der mitfavorisierte Pole<br />

Ryszard Silakowski (TV Heubach) hatte<br />

lange mit dem Spitzenduo mitgehalten,<br />

ließ sich durch einen Zwischenspurt jedoch<br />

irritieren und erholte sich von seinem<br />

Einbruch nicht mehr. Für die Zuschauer<br />

war durch das Duell ein spannender<br />

Samstag gewiss. Unter den<br />

fachkundigen Besuchern war übrigens<br />

auch der frische Badwater-Ultra-Absolvent<br />

Bernhard Sesterheim aus Leiwen<br />

(Marathon 100 Club), der dem staunenden<br />

Publikum seine heil gebliebenen<br />

Füße zeigen musste und viel Lehrreiches<br />

zu berichten hatte.<br />

Die Frauenwertung gewann Ulrike Kullnik<br />

(VSV Grenzland Wegland) in 7:52<br />

Stunden. Den "Marathon" (45 km) entschied<br />

der Karlsruher Matthias Rosenkranz<br />

in 3:49 Stunden für sich. Zweiter<br />

wurde Willy Helfenstein (SG Neukirchen-Hülchrath)<br />

in 3:57 Stunden. ­<br />

39


25.126.06.05<br />

Ötscher Ultra Trail<br />

in zwei Etappen über je 50 km<br />

in Lackenhof (Österreich)<br />

Wolfram Brunnmeier<br />

Mein größtes Laufabenteuer in diesem<br />

Jahr sollte der Ötscher Ultra Trail am<br />

25. und 26. Juni in Österreich werden.<br />

Nachdem ich den Bericht vom Sandalenläufer<br />

Bernd Seitz gelesen hatte,<br />

stand für mich fest, an diesem Abenteuer<br />

teilzunehmen. Auch der Bericht auf<br />

der Internetseite des Veranstalters war<br />

zu verlockend. Hotelbuchung im Startort<br />

Lackenhof über das Internet ging ohne<br />

Probleme über die Bühne. Ein wenig<br />

überzogen ist meiner Meinung nach jedoch<br />

der hohe Startpreis von 80 € für<br />

dieses Zwei-Tage-Evenl. Der Grund dafür<br />

kann nur darin liegen, dass der Veranstalter<br />

für die geladenen Spitzenläufer<br />

aus Jordanien und Mexiko ein Antrittsgeld<br />

zahlt. Eigentlich meide ich solche<br />

Laufveranstaltungen, denn ich sehe<br />

nicht ein, dass ich mit meinem Startgeld<br />

Laufprofis bezahle. Aber wer A sagt,<br />

muss auch B machen, denn schließlich<br />

wollte ich für mich ein Abenteuer erleben.<br />

Auf der Rückfahrt vom Liechtenstein­<br />

Marathon machte sich tiefe Enttäuschung<br />

bei mir breit. Das führte sogar<br />

dazu, dass ich ab Memmingen meinem<br />

Sohn Pierre das Lenkrad meines Autos<br />

übergab. Zu tief saß der Stachel der<br />

Niederlage. Während der Rückfahrt war<br />

für mich klar, dass ich am Montag bei<br />

meinem Hausarzt auf der Matte stehen<br />

würde. Gesagt, getan. Ich musste Urin<br />

und Blut abgeben. Die Urinwerte bekam<br />

ich noch am gleichen Tag, die aber nur<br />

einen erhöhten Eiweißwert zum Vorschein<br />

brachten. Für die Blutwerte<br />

musste ich am Dienstagnachmittag erscheinen.<br />

Da ich mich am Dienstagmorgen<br />

topp fühlte, legte ich erst mal eine<br />

17 km lange Trainingseinheit im nahen<br />

Wald hin. Am Nachmittag bei meinem<br />

Arzt staunte ich dann nicht schlecht, als<br />

dieser mir meine Blutwerte vorlas. In allen<br />

Bereichen keine Beanstandungen,<br />

alles in Ordnung. Was hatte ich denn<br />

nun? Somit konnte der Ötscher Ultra<br />

Trail kommen.<br />

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag<br />

fuhren Marita und ich über Passau nach<br />

Österreich inden Naturpark Ötscher­<br />

Tormäuer. Laut Wetterbericht sollte es<br />

ein warmes Wochenende werden, aber<br />

mit einem hohen Gewitterrisiko.<br />

40<br />

Abenteuerlauf im Naturp_a_rk _<br />

Samstag, 1. Etappe<br />

Am Samstag, kurz vor dem Start um<br />

10.00 Uhr, hatten sich dann ganze 38<br />

<strong>Teil</strong>nehmer (davon 6 Frauen) zum 9. Ötscher<br />

Ultra Marathon über 50 Kilometer<br />

eingefunden. Da der Veranstalter Mexikaner<br />

eingeladen hatte, gaben diese<br />

Gäste vor dem Start noch landesübliche<br />

Folklore zum Besten. Mit etwas Verspätung<br />

ging es dann bei warmen Temperaturen<br />

los, und Herbert Egger (Veranstalter)<br />

schickte uns mit einem Fingerschnippen<br />

auf die Strecke. Direkt zur<br />

Einstimmung ging es durch den Ort,<br />

durch die Ortsteile Ötscherwiesen und<br />

Raneck, die ersten 3 Kilometer 144 HM<br />

auf einer Asph'altstraße bergan. Hinter<br />

Raneck verließ ich die befestigte Straße,<br />

und es ging auf einer Forststraße, durch<br />

den Schönwald, die nächsten 6 Y:z Kilometer<br />

zur Erlauf und dem Vorderen<br />

Tormäuer, ein gigantisches Felsmassiv<br />

und ein erstes Highlight dieser Veranstaltung,<br />

ständig bergab (460 m über<br />

NN). Bei Kilometer 10, am Eingang in<br />

Nur noch wenige Augenblicke bis zum Start<br />

den Naturpark Ötscher-Tormäuer, erreichte<br />

ich die erste Labestation. Hier<br />

trinke ich viel und reichlich. Die angebotenen<br />

Speisen beachte ich nicht, da es<br />

zum Essen viel zu warm geworden ist.<br />

Gott sei Dank befindet sich die Laufstrecke<br />

zu zwei Dritteln im schattigen Wald<br />

und in den Schluchten des Naturparks.<br />

Ab hier wird die Wegstrecke dann crossig.<br />

Im ständigen Wechsel von Auf und<br />

Ab, über Wurzeln und Felsbrocken und<br />

entlang der rauschenden Erlauf, gelange<br />

ich zu einem weiteren Höhepunkt,<br />

dem Trefflingfall (474 Meter über NN).<br />

An besagtem Wasserfall zeigt die Laufrichtung<br />

fast senkrecht den Berg hinauf.<br />

Über Stufen, Felsen, Holz- und Stahlbrücken<br />

geht es neben und über den<br />

Wasserfall 180 Höhenmeter den Berg<br />

hoch. Oben habe ich den Trefflingbach<br />

erreicht, dem ich nun einige Kilometer,<br />

immer leicht bergan, folgen muss. Am<br />

Verpflegungsstand "Erlebnisdorf Puchenstuben"<br />

bei Kilometer 15 kippe ich<br />

mir mehrere Becher Wasser über den<br />

Kopf. Ein kurzes Stück ist es angenehmer<br />

und flacher zu laufen. Ab dem<br />

"Haus Moser" geht es dann wieder richtig<br />

bergan. Auf einem Forstweg erreiche<br />

ich, durch viel Wald laufend, das Örtchen<br />

Puchenstuben auf 868 Meter über<br />

NN. Nachdem ich mich hier wieder erfrischen<br />

konnte, musste ich, vorbei an einer<br />

alten Holzkirche, zum nächsten Anstieg<br />

hinter Puchenstuben laufen. Vier<br />

Kilometer ständig bergauf, auf dem<br />

Bahnwanderweg, zum Berghaus "Turmkogel",<br />

waren 240 HM ' zu erlaufen. Immer<br />

wieder boten sich mir dabei herrli­<br />

che Ausblicke über den Naturpark und<br />

den Großen Ötscher. Etwas später hatte<br />

ich die Labestation bei Kilometer 25 erreicht<br />

und die Hälfte der Laufstrecke absolviert.<br />

Auf einem gut zu belaufenden<br />

Forstweg, vorbei am Wegscheidhäusl,<br />

immer bergab, erreiche ich den nostalgischen<br />

Bahnhof Gösing der "Mariazeller<br />

Schmalspurbahn". Am Alpenhotel<br />

Gösing überquere ich deren Gleise und<br />

laufe, teilweise in Serpentinen, hinab ins<br />

Angerbachtal und anschließend in den<br />

Erlaufboden auf 550 Meter über NN.<br />

Hier bei Kilometer 30 und einer Laufzeit


von 3:13 Stunden habe ich den Einstieg<br />

zu dem Hinteren Tormäuer erreicht.<br />

Links und rechts der wilden Erlauf türmen<br />

sich die Karstwände mehrere 100<br />

Meter hoch auf. Im ständigen Auf und<br />

Ab, mal die Felswand rechts und mal die<br />

Felswand links der Laufstrecke, wobei<br />

die Erlauf auf Brückchen und Stegen<br />

überquert wird. Hier sollte man aber vor<br />

lauter Schauen und Staunen den unebenen<br />

und schmalen Wanderpfad nicht<br />

aus den Augen verlieren. Immer wieder<br />

muss der sichere Tritt gesucht werden.<br />

Ständige Tempowechsel erschweren<br />

zudem ein kontrolliertes Laufen. Hier in<br />

dieser grandiosen Bergwelt kommen<br />

Landschafts- und Erlebnisläufer voll auf<br />

ihre Kosten. Ich weiß gar nicht, was ich<br />

zuerst fotografieren soll. Bei Kilometer<br />

35 verlasse ich die Erlauf am Stierwaschboden<br />

und biege iri das absolute<br />

Highlight dieser Veranstaltung, in den<br />

Ötschergraben, den Grand Canyon Österreichs,<br />

ab. Auch hier ist hohe Konzentration<br />

erforderlich, zumal der Wanderpfad<br />

weiterhin mit allem versehen ist,<br />

was die Natur zu bieten hat. Die Laufseite<br />

wechselt auch hier ständig. Rauf und<br />

runter auf schmalen Steigen und schaukeligen<br />

Brücken, unter mir der Ötscherbach,<br />

laufe ich an der Hollerbrandmauer<br />

und an der Schusterwand vorbei zum<br />

Gasthaus "Ötscherhias". Ab hier bleibe<br />

ich, mittlerweile viel alleine laufend, auf<br />

der rechten Seite oberhalb des rauschenden<br />

Baches. Immer wieder muss<br />

ich über schmale Holzstege, die am Fels<br />

befestigt sind, am Berg entlang, oft ohne<br />

Geländer, dafür stellenweise mit Seilsicherung,<br />

laufen. Hier wird eigentlich<br />

mehr gewandert, zumal einem hier ständig<br />

Spaziergänger und Wanderer entgegen<br />

kommen. Hier im "Canyon" staut<br />

sich die Hitze ernorm, und ich stoppe<br />

meinen Lauf. Einen kleinen Abstieg nutzend,<br />

klettere ich hinab zum Ötscherbach,<br />

entledige mich meiner Laufsachen<br />

und lege mich in die kühlen Fluten des<br />

rauschenden Wildbaches. Ahh, tut das<br />

gut, soviel Zeit muss sein. Wer aber an<br />

diesem Landschaftslauf teilnimmt und<br />

keine Zeit hat, ist hier fehl' am Platze.<br />

Hier muss die Devise lauten: schauen,<br />

erleben und genießen, zumal hinter dem<br />

Mirafall ein gigantischer Ausstieg aus<br />

dem Ötschergraben folgt. <strong>Teil</strong>s kletternd,<br />

wobei mir Baumwurzeln als Stufen<br />

dienen, und teilweise mit Armeinsatz,<br />

erreiche ich 150 Meter höher einen<br />

schmalen Grat. Hier sollte Schwindelfreiheit<br />

ein absolutes Muss sein, da dieser<br />

Grat manchmal weniger als 50 cm<br />

misst. Oben angekommen auf einem<br />

breiteren Pfad, habe ich einen phantastischen<br />

Rückblick in den Canyon und<br />

mache einige Fotos. Der folgende breite<br />

Forstweg, wo mich eine VerpflegungssteIle<br />

bei Kilometer 39 empfängt, erlaubt<br />

meiner geschundenen Beinmuskulatur,<br />

sich wieder zu erholen. Zu heftig war der<br />

Aufstieg aus dem Ötschergraben. Bei<br />

Kilometer 43 am Gasthaus "Spielbichler"<br />

auf 927 Meter über NN erreiche ich<br />

schon wieder eine der superguten Labestationen.<br />

Hier mache ich länger<br />

Rast, gieße mir einige Becher Wasser<br />

über meinen Kopf und mache mich anschließend<br />

an den letzten steilen Aufstieg<br />

durch dichten Mischwald zum Riffelsattel<br />

auf 1.283 Meter über NN. Nach<br />

45 Minuten Wandern in Serpentinen,<br />

über Wurzeln, Felsbrocken und eine<br />

steile Bergwiese, bestückt mit allen Gemeinheiten,<br />

erreiche ich den Sattel und<br />

die letzte Versorgungsstelle. Hier oben<br />

habe ich alle positiven 1.850 Höhenmeter<br />

der heutigen' Etappe abgearbeitet.<br />

Der folgende Abstieg, hinunter ins Ziel<br />

nach Lackenhof, in unterschiedlichen<br />

und teils heftigem Gefälle auf einer<br />

Schotterpiste, verlangt noch einmal<br />

höchste Konzentration. Bei 470 Höhenmetern<br />

aqwärts auf vier Kilometern<br />

muss ich die Laufbremse kräftig treten.<br />

Kurz vor Lackenhof biegt die Laufstrecke<br />

auf einen Skihang ab. Über mir sind<br />

die Sessel der Skilifts<br />

hinauf zum<br />

"Kleinen Ötscher".<br />

Nach 6:44:13 Std.<br />

habe ich das Ziel<br />

auf der Teichwiese<br />

in Lackenhof als<br />

28. von 38 gestarteten<br />

<strong>Teil</strong>nehmern<br />

erreicht. 50 gigantische<br />

und atemberaubendeKilometer<br />

haben mir fast<br />

alles abverlangt.<br />

Hoffentlich schaffe<br />

ich es, mich bis zur<br />

2. Etappe zu regenerieren.<br />

Nach<br />

meiner heftigen<br />

und kurzen Krankheit??<br />

Ich staune<br />

ich über mich<br />

selbst!<br />

Sonntag, 2. Etap­<br />

Qg<br />

Wie befürchtet, hatte sich in der Nacht<br />

ein Gewitter mit heftigem Regen entladen.<br />

Als ich beim Aufstehen auf den<br />

Balkon hinaustrat, war vom "Kleinen<br />

und Großen Ötscher" nichts zu sehen.<br />

Zu allem Übel stieg nun noch Nebel<br />

durch die Wälder und die Berghänge<br />

hinauf. Wenig später fing auch noch der<br />

Regen an, der, je näher der Start um 11<br />

Uhr rückte, immer stärker wurde. Somit<br />

hatte sich die Anzugsordnung für den<br />

heutigen Lauftag von selbst geklärt. Als<br />

Marita und Ich zum Start- und Zielbereich<br />

kamen, versteckten sich die übrigen<br />

<strong>Teil</strong>nehmer so gut es ging unter allem,<br />

was hervorstand. Herbert Egger<br />

ergriff das Wort und teilte uns mit, dass<br />

der Start um eine Stunde, auf 12 Uhr<br />

verschoben sei, in der Hoffnung auf eine<br />

Wetterbesserung. Zwischenzeitlich<br />

machten sich Helfer auf den Weg, um<br />

eine Alternativstrecke abzuflattern. So­<br />

mit hatte sich zum 4. Mal hintereinander<br />

der Lauf über den "Rauher Kamm" und<br />

den "Großen ötscher" von selbst gecancelt,<br />

denn wenig später stand fest,<br />

dass die Alternativstrecke gelaufen wird.<br />

21 Kilometer und knapp 800 Höhenmeter<br />

im Aufstieg hatte Herbert mit seinen<br />

Helfern aus dem Ärmel gezaubert. Bei<br />

strömendem Regen schickte uns Herbert<br />

um 12 Uhr mit einem "Go" auf die<br />

Strecke. Trotz der gestrigen schweren<br />

50 Kilometer war ich erstaunt, dass<br />

meine Beinmuskulatur locker war. Und<br />

wie es sich gehört, ging es direkt vom<br />

Start 6 Kilometer über eine nasse Wiese<br />

in den Wald hinein bergan. Auf matschigem<br />

und glitschigem Geläuf musste so<br />

manche Pfütze umlaufen werden.<br />

Nachdem der "Bockhörner" umrundet<br />

wurde, zeigte die Laufstrecke abwärts.<br />

In weiten Schleifen lief ich zum Ortsteil<br />

"Ötscherwiesen" und von dort über einen<br />

unebenen Waldpfad, gespickt mit<br />

unzähligen Wurzeln, hinunter in den<br />

Ein bisschen schwindelfrei muss man schon sein ...<br />

Ortsteil Weitental und zu dem Sessellift<br />

"Großer Ötscher". Ein Stück der Asphaltstraße<br />

bergauf folgend, ging es<br />

sogleich in einen mörderisch steilen und<br />

unwegsamen Anstieg. Da es immer<br />

noch regnete, waren kleine Ausrutscher<br />

an der Tagesordnung. Von hier an durfte<br />

quasi geklettert werden, zumal jeder<br />

sichere Tritt gesucht werden musste.<br />

Hatte man eine Wegbiegung erreicht<br />

und gehofft, dass es etwas flacher würde,<br />

wurde man eines Besseren belehrt.<br />

Es ging eher noch steiler bergan. Zu allem<br />

Übel musste ein Waldstück in Serpentinen<br />

zum "Riffelboden", im wahrsten<br />

Sinne des Wortes, über Felsen und<br />

Wurzeln und mit' Armeinsatz erklettert<br />

werden. Von der Sesselliftstation auf<br />

844 Meter über NN bis zum "Riffelboden"<br />

auf 1.050 Meter über NN hatte ich<br />

somit 206 HM erwandert. Am "Riffelboden"<br />

hatte ich die Laufstrecke des Vor­<br />

41


tages erreicht, diese aber als solche<br />

nicht erkannt', da es diesmal aufwärts<br />

ging. Nachdem ich einen Streckenposten<br />

gefragt hatte, wohin es denn ginge,<br />

gab dieser mir zur Antwort: Immer berghoch<br />

zum "Riffelsattel" auf 1.283 Meter,<br />

weiter zum "Ötscherschutzhaus" auf<br />

1.418 Meter und von dort auf den "H üttenkogel"<br />

auf 1.526 Meter über NN.<br />

Schnell rechnete ich die noch zu erlaufenden<br />

Höhenmeter aus und musste<br />

erst mal kräftig durchpusten, was ich die<br />

ganze Zeit sowieso tat. Es sollten noch<br />

weitere 476 Höhenmeter folgen. Je höher<br />

es ging, umso heftiger blies der<br />

Wind und umso nebeliger wurde es. Da<br />

mir mittlerweile Läufer entgegen kamen,<br />

musste oben auf dem "Hüttenkogel" ein<br />

Wendepunkt sein. Endlich hatte ich den<br />

Aussichtspunkt auf 1.526 m erreicht,<br />

nur mit der Aussicht ins Tal und auf die<br />

umliegenden Berge war nichts. Schnell<br />

verließ ich diesen garstigen Ort und<br />

machte mich auf den Rückweg, abwärts,<br />

in rasanter Fahrt. Bis ins Ziel auf der<br />

"Teichwiese" in Lackenhof musste ich<br />

716 Höhenmeter in unterschiedlichem<br />

Gefälle abarbeiten. Dabei musste ich oft<br />

auf die Laufbremse treten, konnte es<br />

aber an einigen Stellen auch rollen lassen.<br />

Ab dem "Riffelsattel" war dann die<br />

Laufstrecke die gleiche wie am Tag zuvor.<br />

In 2:07 Std. erreichte ich ziemlich<br />

locker und entspannt das Ziel. Bei der<br />

späteren Siegerehrung im Jugendheim<br />

von Lackenhof, hatte ich das Glück, da<br />

ein <strong>Teil</strong>nehmer nicht mehr da war, seine<br />

Laufschuhe von "Salomon" zu gewinnen.<br />

In der Zeitaddition beider Tage<br />

wurde ich mit 8:51 :30 Std. 28. im Gesamtklassement.<br />

Fazit: Die im Internet angekündigten<br />

Jordanier hatten nicht teilgenommen.<br />

Die angeblichen Laufprofis aus Mexiko<br />

entpuppten sich als überdurchschnittliche<br />

Normalos, zumal, wie von mir befürchtet,<br />

doch kein Antrittsgeld gezahlt<br />

wurde. Zum Lauf selber kann ich nur lobende<br />

Worte sagen. Dies war in meinem<br />

10- jährigen Läuferleben neben<br />

dem "Fuldahöhenlauf' der schwerste<br />

und schönste Landschafts- bzw. Erlebnislauf.<br />

Ich hatte ein Abenteuer gesucht,<br />

und ich hatte ein wunderschönes und<br />

gigantisches Laufevent gefunden und<br />

erlebt. Die Organisation war herzlich<br />

und stets bemüht, es uns gut gehen zu<br />

lassen.<br />

Im nächsten Jahr findet der 10. "Ötscher<br />

Ultra TraiI" statt. Ich bin gespannt,<br />

was sich der Veranstalter für<br />

diesen Jubiläumslauf einfallen lässt. Ich<br />

werde auf jeden Fall wieder teilnehmen<br />

und hoffe, dass der Trail in 2006 bei<br />

endlich schönem Wetter über den<br />

"Rauhen Kamm" und den "Großen Ötscher"<br />

gelaufen wird. Wenn alles klappt,<br />

werde ich hoffentlich zwei weitere <strong>Teil</strong>nehmer<br />

für dieses Abenteuer begeistern<br />

können. _<br />

42<br />

Auf unwegsamen Wegen<br />

Jürgen Roscher<br />

nochmals:<br />

Bärenfels­<br />

Ultra-Trail<br />

Voriges Jahr hatte Rotiert Fellers Bärenfels-Ultra-Trail<br />

über 60 km seine offizielle<br />

Premiere, dieses Jahr tauchte beim<br />

Rodgauer 50-km-Lauf im Januar die<br />

neue Ausschreibung auf: statt der 20km-Runde<br />

mit Wendepunkt im Ziel sollte<br />

es nun eine richtig runde Runde mit 21,1<br />

km sein, wodurch auch Marathon und<br />

Halbmarathon möglich wurden, die<br />

diesmal zugleich ihre Premiere hatten.<br />

Hatte ich die Ausschreibung wieder weitergegeben?<br />

Denn in meinen Unterlagen<br />

fand ich sie nicht mehr, sie war einfach<br />

wegverschwunden. Mit dem Marathon<br />

wollte ich eine weitere Premiere in<br />

meine Sammlung aufnehmen, denn die<br />

Strecke war ebenso schön wie abenteuerlich,<br />

und den Ultra hatte ich ja schon.<br />

Ort und Zeit waren bekannt, also meldete<br />

ich mich gleich an. Später fand ich die<br />

Ausschreibung ordentlich aufgeräumt<br />

wieder, nämlich f0r meine Vorschau­<br />

Rubrik im Heft 07+08/05 der LAUFZEIT<br />

einsortiert. Ich hatte ganz vergessen,<br />

dass ich ja nebenbei auch Journalistenpflichten<br />

hatte.<br />

So allmählich profitiert auch das benachbarte<br />

Hotel "Waldesruh" von den<br />

weiter angereisten Läufern und ist ausgelastet.<br />

Der Weg zum Start ist nicht<br />

weit, hat aber etwas von jenem "das<br />

kann doch gar nicht sein ... "<br />

Doch, ist schon: erst über die Eisenbahn,<br />

hinunter zum Industriegelände,<br />

rechts ab, da parken ja lauter Läufer'<br />

Weiter unter der Autobahn hindurch und<br />

einen kleinen Asphaltweg entlang, dort<br />

liegt eine große Wiese, auf der man<br />

auch campen kann. Hier geht alles ganz<br />

familiär zu, da kommt keine Hektik auf.<br />

Die Startnummern sind natürlich handgemalt<br />

und laminiert, darum sollen sie ja<br />

auch wieder abgegeben werden. Nudelparty<br />

am Vorabend und Läuferfrühstück<br />

vor dem Start gib es natürlich kostenlos.<br />

Jetzt geht es vom Start mit Waldhornklang<br />

durchweg bergauf; Krönung ist die<br />

Bärenstiege, bei der die Wurzeln nicht<br />

nur als Treppenstufen, sondern auch als<br />

Handgriffe genutzt werden können. Anschließend<br />

kann man sich beim Lauf auf<br />

der Bärenfelsrunde ausruhen. Der Aufstieg<br />

zum Bärenfels erfolgt wieder mit<br />

Hand und Fuß bei glücklicherweise trockenem<br />

Fels. Hinter dem Gipfel wartet<br />

der Verpflegungstisch von Kaiserslautern.<br />

Im Vorjahr ging es von hieraus praktisch<br />

nur bergab zum Ziel, diesmal ... ach, ich<br />

bekomme es nicht mehr auf die Reihe.<br />

Unvergessen bleibt die Gefällestrecke<br />

mit Gras und Kräutern bis zu einem halben<br />

Meter Höhe, darüber Gebüsch, unter<br />

dem nur Ein-Meter-Zwerge hindurchschlüpfen<br />

konnten. Ausgerechnet auf<br />

einem "richtigen" Waldweg zertrampelten<br />

wir Ameisen, die sich hier eine Autobahn<br />

angelegt hatten. Später folgte<br />

die Passage mit Brennnesseln rechts<br />

und links, die aber zum größten <strong>Teil</strong><br />

niedergemäht worden waren. Und kurz<br />

vor dem Ziel noch ein sehr steiles Gefälle,<br />

bei dem man auf Kiefernzapfen<br />

(="Kienäppeln") hinunter rollte. Es war<br />

atemberaubend schön, das kann man<br />

wörtlich nehmen. Wer nicht die beabsichtigte<br />

Anzahl Runden schaffen konnte<br />

oder wollte, bekam die Distanz bescheinigt,<br />

die er bzw. ihn geschafft hatte.<br />

Die weibliche Formulierung "... die<br />

sie geschafft hatte" ist von sich aus<br />

zweideutig, 55 von 176 brachten den<br />

Ultra hinter sich, wobei das Limit von 12<br />

Stunden fast ausgeschöpft wurde.<br />

Das Schönste kam zum Schluss: wegen<br />

des kurzfristigen Einspruchs eines Jagdpächters,<br />

der die wilden Horden nicht<br />

durch sein Revier trampeln lassen<br />

wollte, musste die Strecke in letzter Minute<br />

geändert werden, wodurch die<br />

Runde statt 21,1 km jetzt 22,5 km lang<br />

war. Beim Halbmarathon juckte das wenig,<br />

dieser Trail ist mit normalen Halbmarathons<br />

sowieso nicht vergleichbar.<br />

Aber der Marathon wurde dadurch zum<br />

Ultra von 45 kilometern! Statt einer Medaille<br />

gab es einen Kugelschreiber, gebacken<br />

aus Brotteig, mit einem Bärenkopf,<br />

und farbig bemalt. Nun hängt er<br />

bei den Medaillen, ebenso wie die gusseiserne<br />

Gurke vom Spreewald und der<br />

kleine Humpen vom Fichtelgebirgsmarathon.<br />

Das gehört eigentlich auch noch dazu:<br />

Duschen gab es im Gemeindezentrum<br />

Hoppstädten, ca. 3,5 km entfernt. Einzelne<br />

Bahnreisende konnten aber auch<br />

die Dusche des Fernheizwerks vor Ort<br />

benutzen. Dort hatte ich aus dem Geldbeutel<br />

meine durchschwitzten Scheine<br />

und Wertsachen wieder in ihre zugehörigen<br />

Behältnisse sortiert, aber die<br />

MasterCard auf der Fensterbank liegengelassen,<br />

ich erinnere mich genau. Weil<br />

man mit ihr kein Bargeld abheben kann<br />

und sie auch anderweitig fast nur von<br />

Automaten als Zahlungsmittel akzeptiert<br />

wird, wollte ich sie erst am Montagmorgen<br />

bei der Bank sperren lassen. Noch<br />

am Sonntagabend rief mich Robert Feiler<br />

an: Der Wachschutz hatte sie gefunden<br />

und - "Berliner Volksb'ank"? - auf<br />

der Suche nach dem Eigentümer richtig<br />

kombiniert. Sie wurde mir mit der ebenfalls<br />

handgemalten und laminierten Urkunde<br />

nachgeschickt. _


13.• 16.05.05<br />

6-Etappen-Lauf<br />

in Apeldoorn (NL)<br />

Die vergessenen Laufschuhe<br />

Helmut hatte seine Isomatte vergessen. sen wir Spaghetti. Nachmittags haben<br />

Die Leute, die das Stadion betreuen, wir ein wenig geschlafen.<br />

haben ihm freundlicherweise eine Riesen(-Luxus)-Luftmatratze<br />

geliehen, die I 3. Etappe (14,728 km)<br />

sogar schon aufgepumpt war. Nach der -------''--'------'---'------!.----<br />

Dusche gehen wir in die Kantine, wo wir Um 19 Uhr geht es los. Start und Ziel<br />

Brötchen mit Käse kaufen. Dazu trinke sind am Kasteel ter Horst. Diesmal habe<br />

Sylvie Honnet<br />

ich ein Glas Milch. Es ist zu wenig für<br />

uns, und wir essen im Zelt noch ein Brot<br />

ich meinen Trinkgurt dabei mit 2 kleinen<br />

Fläschchen. Ich bin zwar müde, aber es<br />

mit Marmelade. Ich habe nicht beson- läuft gut, besser als am Vormittag. Ich<br />

Nach dem Grottenmarathon in Valken- ders gut geschlafen. Es war mir furcht- erreiche das Ziel nach 1:17:34 Std.,<br />

burg (NL) fand ich eine Werbung auf der bar kalt, und dann hatte ich auch Hun- Helmut nach 1:04:16 Std. Ein zusätzli-<br />

Windschutzscheibe meines Autos: Im ger. cher Vorsprung von 1,5 Minuten für<br />

Mai findet in Apeldoorn ein Etappenlauf mich. Der Vorsprung verringert sich imstatt.<br />

In 4 Tagen kann man entweder 60 Tag 2: Auf der Suche nach den mer weiter. An einem nahen Sportplatz<br />

km (4 Etappen) oder 100 km (6 Etap- verlorenen Schuhen wird geduscht und im Kasteel etwas gepen)<br />

laufen. Die Ausschreibung klingt '------------------' gessen. Es reicht uns nicht, und wir wolsehr<br />

verlockend. Helmut und ich haben Gegen 8.30 Uhr gingen wir in die Kanti- len nachher wieder etwas im Zelt essen.<br />

uns relativ schnell für die 100 km ange- ne, um zu frühstücken. Es gab noch Wir fahren zurück. Ich packe ganz<br />

meldet. kein Brot. Ich habe nur einen Kaffee ge- schnell meine Sachen aus. Ich schaue<br />

_____T_a.=:g_1_:_D_ie_W_e_tt_e<br />

trunken und einen Keks gegessen. Zum<br />

I Glück hatte Helmut noch Brot und Marmich<br />

überall um: ich habe meine Laufschuhe<br />

(mit Chip dran) in der Umkleidemelade.<br />

Heute soll ein schwerer Tag kabine vergessen. Es wundert mich,<br />

Wir sind Freitagnachmittag gegen 15 werden, und wir brauchen Energie. denn ich hatte nochmal geprüft, ob von<br />

Uhr losgefahren. Unterwegs' war ziem­ mir noch etwas da liegt, bevor ich den<br />

lich viel Verkehr. Irgendwann hat Helmut Raum verlassen habe. Hat jemand sie<br />

eine Wette vorgeschlagen: Wenn nach I 2. Etappe (20,5 km) aus Versehen mitgenommen? Wir fraden<br />

100 km zwischen uns mehr als 100 --------'--'--'----'------'----- gen das Paar, das sich um das Stadion<br />

Minuten sind, bekommt er von mir 6<br />

Flaschen Wein. Und sonst bekomme ich<br />

sie. Ich war mir unsicher. Helmut läuft<br />

Die Strecke ist wieder sehr schön. Wjr<br />

laufen fast nur im Wald. Es ist sonnig,<br />

kümmert. Sie rufen eine Frau an, die<br />

noch im Kasteel ter Horst ist. Danach<br />

will sie noch den Betreuer des anderen<br />

schnell und 1 min/km Unterschied ist Sportplatzes anrufen, um zu herauszunicht<br />

viel. Aber für 6 Flaschen Wein finden, ob er etwas gefunden hat. Helkann<br />

ich mich anstrengen, oder? "No mut spricht mit dem Mann, der sich um<br />

risk, no fun", also haben wir die Wette die Zeitmessung kümmert. Falls ich<br />

abgeschlossen. meinen Chip nicht wiederfinde, würde<br />

Im Stadion angekommen, ging alles ich einen Leihehip bekommen, damit ich<br />

sehr schnell. Wir waren etwas spät dran auch am nächsten Tag starten kann. Eiwegen<br />

des dichten Verkehrs. Anmelden, ne Gruppe von Franzosen nimmt auch<br />

die Zelte auf der Wiese im Stadion auf- am Lauf teil. Ich gehe zu ihnen, um zu<br />

bauen, unser Gepäck vom Auto bis zum fragen, ob jemand von ihnen meine<br />

Zelt schleppen, umziehen, warmlaufen, und nach ein paar Kilometern ist mir so­ Schuhe mitgebracht hätte (sie waren in<br />

und schon waren wir am Start. gar zu warm. An jeder VerpflegungssteI­ einer Plastiktüte aus Frankreich, und ich<br />

le mache ich eine Pause und trinke war als Deutsche angemeldet). Nichts.<br />

reichlich. Hügelchen hoch und runter, Endlich kommt die gute Nachricht: eine<br />

1. Etappe (16,408 km) ich fühle mich kraftlos, und es ist erst die Frau hat meine Laufschuhe zurückge­<br />

2. Etappe. Kann ich durchhalten? Ich bracht. Die Frau vom Stadion begleitet<br />

Alle Läufer sind dabei (60- und 100-km­ laufe einfach langsamer. Endlich sehe<br />

Läufer). Es geht flott. Der erste Kilome­ ich das Ziel. Ich freue mich riesig. Helter<br />

und alle 5 Kilometer sind ausgeschil­ mut steht wieder am Rand und läuft die<br />

dert. Meinen ersten Kilometer bin ich in letzten Meter mit mir. Ich sage nur: "Wie<br />

4:33 min. gelaufen, viel zu schnell für sieht's aus mit Nudeln heute Mittag?" Ich<br />

mich. Ich bremse ein bisschen, aber ir­ komme nach 1:53:31 Std. an und Helgendwie<br />

werde ich vom Feld gezogen. mut nach 1:33:46 Std. Knapp 20 Minu­<br />

Die Strecke ist Natur pur: Wander- und ten Unterschied also. Wieder ein paar<br />

Waldwege. Es geht bergauf und bergab. Sekunden gut gemacht für die Wette.<br />

Am Ende bin ich langsam schlapp, versuche<br />

aber mein Tempo zu halten. Ich In meiner Altersklasse (20-34) waren wir<br />

sehe das Schild "Noch 1 km". Helmut ist nur zu zweit, und in diesem Fall beschon<br />

nach 1:08:43 angekommen und kommt nur die erste einen Preis. Meine<br />

wartet auf mich. Wir laufen die letzten "Konkurrentin" ist heute früh nicht ge­<br />

Meter zusammen. Ich erreiche das Ziel startet. Das heißt, dass ich nur durchhalnach<br />

1:22:42 Std. - 14 Minuten Unter­ ten muss, um den Preis zu bekommen,<br />

schied, d.h. ich habe einen Vorsprung egal wie schnell (na ja, aber nicht zu<br />

von fast 2,5 Minuten für unsere Wette. langsam, sonst verliere ich die Wette!).<br />

Es fängt gut an, aber ich weiß, dass ich Auf dem Rückweg zum Stadion (wo wir<br />

ein solches Tempo nicht halten kann. zelten) gehen wir einkaufen. Dann esmich,<br />

um die Schuhe zu holen (und um<br />

zu übersetzen). Es sind junge Holländer.<br />

Eine Frau gibt mir meine Schuhe zurück<br />

und ich sage "Dankeschön". Ein junger<br />

Mann sagt dazu "Ach, Deutsche!". Ich<br />

will den Ruf der Deutschen nicht be­<br />

schädigen und präzisiere, dass ich aus<br />

Frankreich komme.<br />

Ich fand es super nett von dem Paar,<br />

mir bei der Suche geholfen zu haben,<br />

auch wenn es schon 22.30 Uhr war.<br />

Sehr nette Leute.<br />

Tag 3: Keine Lust mehr<br />

Wieder habe ich schlecht geschlafen. Es<br />

war mir immer noch sehr kalt, obwohl<br />

ich in einer' langen Hose und einer Flee­<br />

43


ce-Jacke geschlafen habe. Ich halte pen. Ich fühle mich so müde und kraftkeine<br />

Lust mehr zu laufen. los. Ich nehme meinen Trinkgurt mit, um<br />

unterwegs trinken zu können. Damit<br />

muss ich nicht an jeder Verpflegungs­<br />

4. Etappe (8,7 km)<br />

steile halten und minutenlang Pause<br />

machen. Ich bin diesmal langsamerlos­<br />

Die 4. Etappe ist ein Zeitlauf. Ich laufe<br />

mich warm und habe dabei das Gefühl,<br />

dass ich nicht sehr schnell sein kann. Al­<br />

le 30 Sekunden startet ein Läufer. Die<br />

100-km-Läufer fangen an, und es geht<br />

los mit dem Letzten der Zwischen­<br />

Ergebnisliste und dann dem Vorletzten,<br />

usw. Hier sieht man wieder, wie gut alles<br />

organisiert ist. Ein Pferdetransporter<br />

steht am Start: Man kommt durch eine<br />

kleine Tür herein, und die hintere Klappe<br />

dient als Startpunkt, wie man es aus<br />

gelaufen und habe das Tempo durchgehalten.<br />

Bei km 10 hatte ich einen<br />

Tiefpunkt, und dann ging's wieder gut,<br />

und nachher habe ich mich ziemlich<br />

wohl gefühlt, und es hat mir Spaß gemacht.<br />

Kurz vor dem Ziel läuft Helmut<br />

mit. Die gefürchtete Etappe ist vorbei.<br />

1:43: 12 Std. für mich, 1:23:53 Std. für<br />

Helmut. Er macht ein paar Minuten gut.<br />

Es bleibt spannend. Alles wird sich bei<br />

der letzten Etappe entscheiden. Abends<br />

gibt es die Pasta-Party.<br />

dem Radrennen kennt. Es läuft eigentlich<br />

gut. Nach anderthalb Kilometer hole I<br />

ich meinen Vordermann ein und überho- L-<br />

Tag 4: Der Sturz<br />

----'!---=....::...:.......::....:..::.:..:..:::....- _<br />

le ihn später. Ich werde auch überholt<br />

und überhole andere Läufer. Ich bin im<br />

Ziel nach 44:48 min. Ich warte auf Helmut<br />

(nur weil er später gestartet ist). Er<br />

kommt nach 36:38 min. an. 8:10 Minuten<br />

Unterschied zwischen' unseren Zeiten,<br />

also fast eine Minute pro Kilometer.<br />

Die Tendenz dreht sich langsam um. Ich<br />

werde langsamer oder Helmut schneller,<br />

oder beides.<br />

Zum Mittagessen gehen wir in die Stadt,<br />

um etwas Warmes zu essen. Leider sind<br />

viele Restaurants zu. Wir essen im "Ca­<br />

fe de Paris". Ich fand, es hatte von Paris<br />

nur den Namen. Am Nachmittag bin ich<br />

noch ein wenig eingeschlafen.<br />

5. Etappe (18,784 km)<br />

Diese Etappe habe ich so gefürchtet.<br />

Zum Schluss kommen zwei lange Etap­<br />

44<br />

Sylvie Honnet auf der Strecke<br />

An dem Tag habe ich länger geschlafen<br />

und konnte mich nur mit viel Aufwand<br />

aus dem Schlafsack ausrollen. Wenigstens<br />

hatte ich ganz gut geschlafen<br />

(diesmal mit 2 Hosen und 2 Jacken) und<br />

ich freute mich auf den kommenden<br />

Lauf.<br />

6. Etappe (21,243 km)<br />

Dank meines Vorsprungs für die Wette<br />

darf ich heute 25 Minuten nach Helmut<br />

ankommen. Er meint, dass er es unter<br />

1:30 Std. nicht schafft. Also sollte ich<br />

nach ca. 1:55 Std. ankommen. Ich will<br />

den Lauf genießen, und da er ziemlich<br />

lang ist, bin ich gemütlich losgelaufen.<br />

Ich fühle mich gut, der Wald ist schön,<br />

das Wetter ist auch okay. Und plötzlich<br />

passiert es. Ich stolpere über eine Wurzel.<br />

In einer Reflexbewegung strecke ich<br />

die Hände nach vorne. Ich lande auf<br />

dem rechten Handgelenk, und durch<br />

den Schwung (ich war aber nicht so<br />

schnell!) rolle ich auf den Boden. Zum<br />

Glück war es an der Stelle nicht matschig.<br />

Ich stehe wieder auf, ich hatte<br />

Angst um mein Knie. Ich gucke ganz<br />

schnell, kein Blut, weiter geht's. Meine<br />

Hände sind dreckig, meine Beine sind<br />

dreckig und am Schlimmsten: mein<br />

Lieblings-T-Shirt ist dreckig! Es tut weh<br />

an ein paar Stellen, aber es hindert mich<br />

nicht zu laufen. Heute finde ich, dass die<br />

Schilder 5, 10, 15 km relativ schnell erscheinen.<br />

Ich schaue auf meine Uhr:<br />

1:55 Std. sind noch drin. Unterwegs sehe<br />

ich den Fotografen, und er sagt so<br />

etwas wie: "Gut, es ist nicht mehr weit,<br />

noch 2 Kilometer". Ich war mir nicht sicher,<br />

ob er "zwi" oder "dri" gesagt hat.<br />

Ich frage noch mal und verstehe 2.<br />

Nachher überhole ich eine Französin<br />

und sage ihr: "Komm, wir haben es fast<br />

geschafft, noch knapp 2 km". Ihre Fahrradbegleitung<br />

sagt "Sind es nicht drei?<br />

Ich habe 'drei' verstanden". Hmmmm,<br />

also schaffe ich es nicht mehr unter 1:55<br />

Std. Egal, ich laufe weiter. Und schon<br />

laufe ich an dem Schild "20 km" vorbei.<br />

Ein paar Franzosen sind auf der Strecke<br />

und feuern mich an. Ich komme ins Stadion.<br />

Helmut ist da, schon geduscht. Ich<br />

versuche, einen Endspurt zu laufen, aber<br />

die 200 oder 300 Meter. auf der<br />

Bahn erscheinen mir super lang. Endlich<br />

das Ziel. Die 100 km habe ich geschafft!<br />

Meine Zeit: 1:54:22 Std., Helmuts Zeit:<br />

1:33:13 Std. Wette gewonnen!<br />

Helmuts Gesamtzeit: 7:20:26 Std. und<br />

10. im Gesamtklassement, meine Gesamtzeit:<br />

8:56:06 Std.<br />

Nach der Dusche essen wir schnell<br />

noch etwas, bauen die Zelte ab und<br />

bringen alles zum Auto. Dann findet die<br />

Siegerehrung statt. Als 1. (und einzige)<br />

meiner Altersklasse habe ich einen Korb<br />

mit Wurst, Senf, Himbeermarmelade,<br />

Nüssen, Walnüssen, Mandeln, einem<br />

Trinkglas und einer Flasche Wein bekommen.<br />

Mir wurde sogar auf französisch<br />

gratuliert! Nachher machen wir<br />

uns auf den Weg nach Hause. Am Tag<br />

danach merke ich vom strapaziösen<br />

Wochenende nichts in den Beinen, sondern<br />

am rechten Handgelenk wegen des<br />

Sturzes. Und langsam könnte ich das<br />

Medoc-Marathon-Training anfangen; ich<br />

habe jetzt genug Material dafür.<br />

Fazit: Dieser Etappenlauf ist sehr zu<br />

empfehlen. Die Helfer, Veranstalter und<br />

<strong>Teil</strong>nehmer sind alle sehr nett. Die Stimmung<br />

war immer freundlich, und das<br />

Laufen hat einfach Spaß gemacht, auch<br />

wenn es anspruchsvoll war. -<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

In der <strong>DUV</strong>-Bestenliste im 6-Stunden-Lauf<br />

wird Sylvie Honnet derzeit mit 57,372 km geführt.


05./06.05.05<br />

Sieben-Seen-Wanderung<br />

über 100 km<br />

rund um Markkleeberg<br />

Andreas Gelhaar<br />

Die Idee kam von den beiden überholzer<br />

Läufern Bernd Dülsner und Volker<br />

Pflüger. Zum Mitmachen konnte ich<br />

mich recht schnell entschließen, was<br />

sollte passieren: einige Hunderter bin<br />

ich schon gelaufen, jedes Jahr den großen<br />

Rennsteiglauf und die 50 km "Rund<br />

um Leipzig". Da hatte ich eigentlich keine<br />

Bedenken, die Sache mal in Angriff<br />

zu nehmen.<br />

Die Meldung mit einer Startgebühr von<br />

10 Euro (!) machte ich erst kurz vor dem<br />

Start. Mit der darin enthaltenen Nachmeldegebühr<br />

von einem Euro ein wohltuender<br />

Unterschied zur weit verbreiteten<br />

Unsitte bei Marathonläufen, bei einer<br />

Meldung kurz vor dem Starttag bis<br />

zum Doppelten berappen zu müssen.<br />

Solche Konditionen sind sicherlich nur<br />

möglich mit starken und engagierten<br />

Sponsoren und vielen ehrenamtlichen<br />

Helfern im Rücken. Und davon hatte<br />

das Team um Cheforganisator Wolfgang<br />

Flohr scheinbar im Überfluss. Den<br />

ersten Eindruck davon erhalten die über<br />

400 Starter bereits nach 10 km, wo der<br />

Vergnügungspark Belantis für alle Wanderer<br />

über 20, 35, 50 und 100 km die<br />

Tore geöffnet hat. Nicht nur ein gutes<br />

Versorgungsangebot mit Gulaschsuppe,<br />

Bratwurst und großer Getränkeauswahl,<br />

sondern auch die Begrüßung durch einen<br />

Moderator und die Geschäftsführung<br />

sind wohl nicht unbedingt als<br />

Selbstverständlichkeit anzusehen. Nach<br />

Verabschiedung von den 10-km-Wanderern<br />

geht es ab in die Dämmerung<br />

immer entlang am zukünftigen Zwenkauer<br />

See. Das Wetter fällt mit hin und<br />

wieder leichten Schauern zum Glück<br />

etwas besser aus als die Prognose. Der<br />

befestigte Weg entlang der Tagebaukante<br />

hat Baustraßencharakter und ist<br />

gut zu laufen. Dass ich mich bei der<br />

Wahl zwischen Laufschuh und festem<br />

Bergschuh für letzteren entschieden hatte,<br />

scheint sich als richtig zu erweisen.<br />

Der Kontrollpunkt K4 (km 23) am Kap<br />

Laura bei Zwenkau ist ebenso wie die<br />

nachfolgenden in Gaschwitz sowie im<br />

Böhlener und Röthaer Rathaus mitten in<br />

der Nacht mit zahlreichen Helfern besetzt.<br />

Das Verpflegungsangebot lässt<br />

100 Kilometer tür zehn Euro<br />

keine Wünsche offen. Den Weg zu den<br />

Kontrollpunkten kann man nicht verfehlen,<br />

zahlreiche Fackeln weisen den<br />

Weg. Nach dem Weitermarsch vom Kap<br />

Laura fällt uns schon von weitem eine<br />

Lichterkette auf. Es sind Fackeln, die<br />

den Weg entlang der Lindenallee zum<br />

Trianon, einer stilisierten Ruine des ehemaligen<br />

Schlosses Eythra, weisen.<br />

Freunde des Heimatvereins haben extra<br />

für diese Wanderung über Notstromaggregate<br />

betriebene Scheinwerfer zum<br />

Anleuchten der Ruine installiert und die<br />

Fackeln bei dem recht starken Wind und<br />

Regenschauern am Brennen erhalten.<br />

Eine kurze Erläuterung informiert die<br />

einzelnen Wandergruppen.<br />

Bei unserem Dreierteam läuft es gut,<br />

zeitweise sind wir rrlit einem 5er Schnitt<br />

ganz flott unterwegs. Beim K5 (km 32) in<br />

Gaschwitz zweigt die 35-km-Strecke ab.<br />

Bernd versorgt seine beginnende Blasenbildung,<br />

was den beiden die Wanderung<br />

begleitenden Fotografen eine ganze<br />

Bildserie wert ist.<br />

Volker Pflüger und Andreas Gelhaar (rechts) geschafft im Ziel<br />

Nach dem Kontrollpunkt K8 bei km 42 in<br />

der Espenhainer Schule geht es in Richtung<br />

Halbzeit. Die Halde Trages gehen<br />

wir über den allmählich ansteigenden<br />

asphaltierten Weg hinauf, den wir vom<br />

Südraum-Marathon kennen, und den wir<br />

dabei aber abwärts laufen. Dass es in<br />

Verlängerung dieses <strong>Teil</strong>stückes noch<br />

mal mindestens genauso lang weiter<br />

aufwärts geht, ist uns neu und zumindest<br />

für mich recht frustrierend. Es läuft<br />

bei mir zunehmend unrund. Ich bemerke<br />

Bereiche meiner Muskulatur recht inten-<br />

siv, die ich vom Laufen überhaupt nicht<br />

kenne und die ich meinte, beim Wandern<br />

nicht zu brauchen. Der untere Bereich<br />

des linken Schienbeins schmerzt.<br />

Am km 53 am Sportplatz Thierbach sind<br />

kurz nach 5 Uhr wieder eine Menge Helfer<br />

im Einsatz, einfach beeindruckend,<br />

dieses Engagement für diese doch etwas<br />

verrückte Schar von Ausdauerbesessenen.<br />

Die Begrüßung erfolgt so<br />

quasi mitten in der Nacht durch den<br />

Bürgermeister und den Vorsitzenden<br />

vom Heimatverein. Neben wie schon<br />

gewohnt umfangreichem Verpflegungsangebot<br />

kann man auch eine professionelle<br />

Massage in Anspruch nehmen. Ich<br />

fühle mich schlecht und sehe wohl auch<br />

so aus. Endlich kann ich wieder sitzen.<br />

Volker versorgt mich mit Trinken und<br />

Essen. Ich erinnere mich nicht, dass ich<br />

mich in den letzten Jahren nach dem<br />

großen Rennsteig einmal ähnlich<br />

schlecht gefühlt habe, und wir sind bisher<br />

erst 53 km gewandert. Wenn wir<br />

jetzt bei km 80 wären, dann wäre das<br />

Durchbeißen keine Frage, aber noch 12<br />

Stunden in dem Zustand! Meine Gedanken<br />

beschäftigen sich intensiv mit dem<br />

Aussteigen. Johannis Bergmann vom<br />

ürganisationsteam, der in 14 Tagen<br />

auch den großen Rennsteig laufen will,<br />

bestärkt mich in meinen Gedanken.<br />

Aber ich habe doch für 100 km gemeldet!<br />

Bernd muss aufhören, massive Luftbereifung<br />

der Fußsohlen. Volker überredet<br />

mich, es noch ein Stück zu versuchen.<br />

45


Das erste Stück geht es ganz gut, dann<br />

wird es wieder schwer. Zum Glück habe<br />

ich keine Blasen. Über den K10 Aussichtspunkt<br />

Bockwitzer See am km 58<br />

geht es weiter bis zur Mühle Schönau.<br />

Wiederum eine liebevolle Versorgung.<br />

Die "Windmühlenmutter" spielt Akkordeon<br />

und versucht damit einen kleinen Motivationsschub<br />

zu erreichen.<br />

Es geht weiter. Zuerst halbwegs rund,<br />

dann fängt es wieder an zu schmerzen.<br />

Wir treffen Günter, einen erfahrenen<br />

Wanderer aus Mölbis, der unser Tempo<br />

läuft und sind damit wieder ein Trio. Wir<br />

diskutieren die Unterschiede zwischen<br />

Laufen und Wandern mit dem zweifelsfreien<br />

Ergebnis, dass wir Läufer die Anforderungen<br />

an die "Disziplin" Wandern<br />

vollständig unterschätzt haben und dass<br />

ich zukünftige Ultra-Veranstaltungen<br />

wieder laufen werde. Diese sind zwar<br />

zum Schluss auch schwer, aber diese<br />

Phase dauert wenigstens nicht so lange:<br />

Dass die nächste KontrollsteIle Schloss<br />

Steinbach (km 74) bei Bad Lausick ist,<br />

das Ziel aber in Markkleeberg, ist angesichts<br />

der mir bekannten Entfernung<br />

zwischen den beiden Orten in meiner<br />

Verfassung ein mentaler Schlag. Die<br />

Motivation wird immer schwerer. Die<br />

Müdigkeit war bis jetzt kein Problem,<br />

jetzt kommt es aber doch ab und zu zum<br />

ganz klein der Baukran der Baustelle<br />

BAB A 38 zu sehen. Dort müssen wir<br />

noch hin! Von unserem 3er-Team sieht<br />

Günter am Besten aus. Volker hat auf<br />

Grund seiner Blasen keinen runden<br />

Gang mehr, ich sehe sicher nicht viel<br />

besser aus. Wir wandern mit Automatismus,<br />

es gibt nur einen Gedanken:<br />

Zieleinlauf = Ende der Schmerzen. Letzte<br />

Pause an der K15 im Modellpark in<br />

Auenhain - noch 5 km, eine ganze lange<br />

Stunde.<br />

Dann endlich in Markkleeberg im Ziel.<br />

Erste Begrüßung durch Bernd, auch<br />

meine Frau und die jüngste Tochter sind<br />

da. Der Cheforganisator und der Oberbürgermeister<br />

von Markkleeberg begrüßen<br />

uns persönlich. Es gibt für jeden eine<br />

Rose, sofort eine Urkunde und einen<br />

Verzehrbon, der umgehend in ein erstes<br />

Bier umgesetzt wird. Endlich sitzen,<br />

endlich nicht weiter müssen - herrlich!<br />

Fazit 1: Eine mit sehr viel Engagement<br />

organisierte Veranstaltung, die unbedingt<br />

empfohlen werden kann (es müssen<br />

ja nicht 100 km sein).<br />

Fazit 2: Läufer, unterschätzt nicht das<br />

Langstrecken-Wandern. ­<br />

fordert hatte, sind alle nur in Französisch<br />

bei mir im Briefkasten gelandet.<br />

Selbst auf Internetseiten der Veranstalter<br />

ist nicht ein Wort in Deutsch. Dazu<br />

zählt sogar die französische Schweiz.<br />

Onlineanmeldung und Bezahlung erfolgten<br />

Ende Februar ohne Probleme. Zwei<br />

Wochen vor dem Lauf lagen die Startnummern<br />

von meinem Sohn Pierre und<br />

mir im Briefkasten. Das hieß für uns,<br />

dass wir völlig entspannt nach La Roche<br />

in den Ardennen fahren konnten. Um<br />

04.30 Uhr am Sonntag, den 5. Juni,<br />

machten wir uns auf die Socken. Schon<br />

auf der 'Hinfahrt bot uns die Landschaft<br />

der Ardennen schöne Ein- und Ausblicke.<br />

Um 07.00 Uhr kamen wir in La Roche<br />

und am "Centre de Sportif' an, wo<br />

sich Start und Ziel befanden. Im Foyer<br />

der Sporthalle hing an einer Tafel der<br />

Streckenplan vom diesjährigen Marathon.<br />

Dieser hatte mit der Laufstrecke in<br />

2004 so gut wie gar nichts mehr gemeinsam.<br />

Der Veranstalter hatte für seinen<br />

2. Naturmarathon eine völlig neue<br />

Runde aus dem Ärmel gezaubert. An<br />

Hand der Ausschreibung, die überall<br />

auslag, hatten sich auch die zu erlaufenden<br />

positiven Höhenmeter von 750 in<br />

2004 auf 850 in diesem Jahr erhöht.<br />

Pünktlich um 09.30 Uhr erfolgte bei trockenem<br />

Wetter der Start. 155 <strong>Teil</strong>nehmer,<br />

davon nur 9 Läufer aus Deutsch-<br />

Einnicken. Dass die Wanderstrecke ,-----------------., land, liefen durch La Roche, vorbei an<br />

durch einen schönen Wald führt oder<br />

aber vorbei an blühendem Raps, belegt<br />

die landschaftlich reizvolle Streckenfüh­<br />

. rung, ist aber für mich leider keine wirkliche<br />

Beflügelung. Zwischendurch werden<br />

immer wieder Lageberichte über<br />

Handy von Verwandten und Freunden<br />

abgefragt. Mit unserer optimistisch eingefärbten<br />

Situationsschilderung machen<br />

wir uns Mut.<br />

An der K13 in der Orangerie in Mölbis<br />

wird Günter in seinem Heimatort von<br />

. mehreren Bekannten begrüßt. Endlich<br />

wieder sitzen, sogar etwas hinlegen<br />

kann ich mich. Eigentlich geht es nicht<br />

mehr, aber jetzt sind wir schon so weit.<br />

Bei Volker setzt jetzt auch langsam die<br />

Bildung von Luftbereifung ein. Weiter.<br />

Bis in die Neuseenland-Galerie in<br />

Dreiskau-Muckern (km 87) mit einem<br />

riesigen Versorgungsangebot ist es<br />

zwar nur eine dreiviertel Stunde, aber<br />

auch die tut weh. Heike vom Organisationsteam<br />

macht uns Mut: Nur noch 13<br />

km. Das sind noch fast 3 lange Stunden!<br />

Beim Laufen hat man das in der Hälfte<br />

der Zeit locker hinter sich.<br />

Mental richtig schwer wird es jedoch erst<br />

jetzt: Vom Aussichtspunkt Störmthaler<br />

See kann man die weiter entlang der<br />

Tagebaukante zu absolvierende Strecke<br />

am Störmthaler und Markkleeberger<br />

See sehr weit einsehen. Am Horizont ist<br />

46<br />

Naturmarathon in<br />

den Ardennen<br />

05.06.05<br />

"Naturmarathon in den Ardennen"<br />

in La Rocne (F)<br />

Wolfram Brunnmeier<br />

Beim Königsforst-Marathon im Jahr<br />

2004 klemmte hinter dem Scheibenwischer<br />

meines Autos eine Ausschreibung<br />

vom" 1. Großen Naturmarathon im Herzen<br />

der Ardennen". Leider konnten Marita<br />

und ich an diesem Landschaftslauf<br />

nicht teilnehmen, da wir uns zu diesem<br />

Zeitpunkt in Liechtenstein befanden. Für<br />

2005 wurde dieser Lauf aber dank des<br />

hervorragend gestalteten Flyers (in drei<br />

Sprachen) in unseren Terminkalender<br />

eingetragen. Mittlerweile habe ich sowieso<br />

festgestellt, dass unsere ausländischen<br />

Nachbarn so gut wie keine Werbung<br />

für ihre Laufveranstaltungen in<br />

Deutschland machen (umgekehrt bestimmt<br />

genauso). Im Grenzbereich sieht·<br />

man ab und an einige Flyer. In dieser<br />

Beziehung schießen die Franzosen den<br />

Vogel ab. Sämtliche Flyer, die ich ange­<br />

einem alten amerikanischen Panzer aus<br />

dem 2. Weltkrieg. Der Startort La Roche<br />

liegt auf 220 Meter über NN. Der höchste<br />

zu erlaufende Punkt war bei "Creix<br />

des Marchands" auf 530 Meter über NN.<br />

Das Höhendiagrammzeigte mir, dass<br />

es bei diesem Marathon ständig auf<br />

und ab gehen würde. Über die Hälfte<br />

der Strecke führte über Forstwege,<br />

schmale Trampelpfade, grasbewachsene<br />

Schneisen und mit Wurzeln und<br />

Steinen gespickte Waldwege. Noch im<br />

Ort kam der erste steile Anstieg. Nachdem<br />

ich diesen Anstieg geschafft hatte,<br />

folgte wenig später ein noch steilerer<br />

Anstieg auf einem schmalen crossigen<br />

Pfad durch ein Eichenwäldchen aus La<br />

Roche hinaus. Gott sei Dank regnete es<br />

nicht, sonst wäre es hier zu Rutschpartien<br />

gekommen. Nach diesem Aufstieg<br />

erreichte ich oben auf dem Scheitel einen<br />

breiten, gut zu belaufenden Forstweg.<br />

Vorbei an einer Weide mit vielen<br />

Eseln gab es bei Kilometer 4 schon die<br />

erste, gutbestückte Verpflegungsstelle.<br />

Ab hier ging es dann bergab. Je tiefer es<br />

durch den Wald ging, desto matschiger<br />

wurde der Forstweg. Am tiefsten Punkt<br />

musste ich sogar einen querenden Bach<br />

überspringen. Bei Kilometer 8 ging es<br />

dann so richtig zur Sache. Hier nämlich<br />

galt es, richtig einzufädeln. Überholen<br />

war auf diesem schmalen Pfad, steil<br />

bergan am Hang, nicht mehr möglich.<br />

Und je höher es ging, d.esto mehr Windungen<br />

machte dieser Trampelpfad.


Hier wurde ich auf das Tempo meiner<br />

Vorderleute heruntergebremst. Nach<br />

Verlassen dieser Waldpassage erreichte<br />

ich auf den Höhen der Ardennen offenes<br />

Gelände und den höchsten Punkt auf<br />

530 Metern über NN am "Creix des<br />

Marchands". Auf einem asphaltierten<br />

Wirtschaftsweg, wo ich von einer Jagdgesellschaft<br />

den Marsch geblasen bekam,<br />

ging es einige Kilometer ziemlich<br />

eben zur ersten kleinen Ortschaft, die<br />

ich in einiger Entfernung erkennen konnte.<br />

Kaum war ich in dem kleinen Ort,<br />

schon war ich auch wieder draußen, und<br />

der Wald hatte mich<br />

wieder. Der folgende<br />

Forstweg, immer bergab,<br />

verdiente diese Bezeichnung<br />

überhaupt<br />

nicht. Matsch und mit<br />

Regenwasser gefüllte<br />

Fahrrinnen ließen kein<br />

gleichmäßiges Laufen<br />

zu. Nachdem ich die<br />

zweite kleine Ortschaft<br />

(Berismenil) durchlaufen<br />

hatte, ging es steil abwärts<br />

zu dem Flüsschen<br />

Ourthe, das auch durch<br />

La Roche fließt. Nach<br />

etlichen Kilometern, immer<br />

entlang der Ourthe,<br />

erreichte ich in dem Örtchen<br />

Maboge die<br />

Ourthe und den tiefsten<br />

Punkt des Marathons.<br />

Nach dessen Überquerung<br />

ging es sofort aus<br />

dieser Ortschaft hinaus<br />

und wieder bergauf in<br />

den Wald hinein. Viel<br />

neues bot der folgende<br />

Abschnitt nicht. Der Untergrund<br />

des Waldweges<br />

wurde mit jedem<br />

Meter matschiger und<br />

führte selten mehr als<br />

ein paar hundert Meter geradeaus.<br />

Schon kam die nächste Biegung, kam<br />

der nächste Abzweig. Der Untergrund<br />

hier wechselte ständig zwischen<br />

schlecht und sehr schlecht. Eigentlich<br />

ein Traum für Freunde des Geländelaufens.<br />

Kurze Anstiege bei diesem Naturmarathon<br />

sind hier so gut wie gar nicht<br />

zu finden.<br />

Meistens ziehen sich die Anstiege über<br />

einige Kilometer hinweg. Nachdem ich<br />

dieses Waldstück verlassen hatte,<br />

musste ich über eine Wiese zum "Croix<br />

du Ried Monti" laufen. In der Ferne<br />

konnte ich mal wieder eine Ortschaft erkennen,<br />

zu der ich laufen musste. In<br />

diesem Ort Hubermont bei Kilometer 27<br />

musste als Schmankerl durch einen<br />

Kuhstall gelaufen werden. Immer noch<br />

ging es stetig bergan auf den Höhen der<br />

Ardennen zu einem weiteren Verpflegungsstand<br />

am zweithöchsten Punkt<br />

dieses Marathons auf 445 Meter über<br />

NN. Kaum einer der <strong>Teil</strong>nehmer benutz­<br />

te diese Versorgungsstände nur so im<br />

Vorbeilaufen, denn hier gab es fast al-'<br />

les. Neben Wasser, Iso, Bananen, Rosinen,<br />

Orangenstücken, Trockenobst und<br />

Waffeln gab es sogar Minimuffins. Hier<br />

zeigt sich deutlich der Unterschied zu<br />

den Stadtmarathons, die solch eine Vielfalt<br />

nicht aufbieten können. Darum liebe<br />

ich die Landschaftsläufe. Nach diesem<br />

Verpflegungsstand verschwand ich direkt<br />

wieder in den Wald, lief auf einer<br />

grasbewachsenen Waldschneise mit<br />

blühendem Ginster. Bei Kilometer 35,<br />

nun wieder auf den Höhen der Arden-<br />

Zu einem ordentlichen Marathon gehört auch eine Treppe ...<br />

nen, musste ich abermals über einen<br />

Wiesenweg laufen, um im nächsten Moment<br />

im Wald zu verschwinden. Hier<br />

begann der heftige Abstieg auf einem<br />

unebenen Waldpfad ins Tal des .Flüsschens<br />

Ride Bronse. Die Streckenmarkierer<br />

haben vorzüglich gearbeitet. Jeder<br />

Kilometer war gekennzeichnet, und<br />

an unübersichtlichen Stellen waren Hinweisschilder<br />

angebracht worden. Verlaufen<br />

war so eigentlich unmöglich,<br />

selbst wenn man allein läuft. Oberhalb<br />

und entlang dieses Flüsschens auf einem<br />

matschigen und sehr schmalen<br />

Singletrail wurde noch einmal eine gute<br />

Koordination gefordert. Rechts der Berg,<br />

links der steile Abhang. Nachdem ich<br />

auch diesen Streckenabschnitt schadlos<br />

überstanden hatte, erreichte ich bei Kilometer<br />

38 die Fahrstraße nach La Roche.<br />

Unendlich lang zog sich dieser<br />

Streckenteil bis zum Ortseingang hin. In<br />

La Roche kam ich dann an die Ourthe.<br />

Hier musste ich auf einem Leinpfad zur<br />

Landstraße N 89 laufen. Einen Kilometer<br />

vor dem Ziel am "Complexe de<br />

Sportif' galt es, etliche Stufen hinauf zu<br />

dieser Landstraße zu überwinden - nach<br />

41 Kilometern nicht ohne Wirkung. Wieder<br />

auf dem Leinpfad laufend, erreichte<br />

ich dann nach 4:04:37 Stunden das Ziel.<br />

Dort wurde ich von schon von Marita<br />

empfangen. Dies war ein wunderschöner<br />

Naturmarathon in einer herrlichen<br />

Landschaft. Schade, dass für diesen<br />

Marathon bei unseren belgischen Freunden<br />

in Deutschland so wenig Werbung<br />

gemacht wird. Gerade einmal zwei Hände<br />

voll <strong>Teil</strong>nehmer aus Deutschland hatten<br />

den Weg nach La Roche in den Ardennen<br />

gefunden. Einziger Wermutstropfen<br />

dieser Veranstaltung waren die<br />

stark verschmutzten und baufälligen Duschen.<br />

Diesen Naturmarathon kann ich<br />

aber bestens empfehlen.<br />

Fahrt nächstes Jahr hin und überzeugt<br />

Euch selbst! Er ist nicht einfach zu laufen,<br />

der Monschau-Marathon kann von<br />

der Schwere her nicht mit ihm konkurriernn.<br />

•<br />

Läufer<br />

Das Laufen ist Naturgesetz ­<br />

erst laufend in der Savanne<br />

richtete sich der Affe auf.<br />

Es wuchs das Affenkind zum Manne<br />

beim Jagen und beim Lauf.<br />

Beim Schachspiel setzten die Erfinder<br />

den Läufer neben ihren König.<br />

Er schlägt die Schneisen<br />

und ist der Verbinder,<br />

greift an, schafft Raum nicht wenig.<br />

Beim allerbesten Spiel der Spiele<br />

der Läufer viel entscheidet.<br />

Er läuft und stürmt, kämpft in dem<br />

Spieigewühle.<br />

Er ist's, der alle Züge leitet.<br />

Ich seh' die große Zeit<br />

des Laufens kommen ­<br />

wenn alle Autos steh'n,<br />

ein einz'ger Stau.<br />

Dann werden die Beine wieder in die<br />

Hand genommen ­<br />

dann wird der Mensch erst schlau.<br />

Der Läufer ist der letzte Mensch auf<br />

dieser Welt.<br />

Ob's brennt und hagelt, tobt<br />

und schneit,<br />

die Erde bebt - kein Auto weit und breit.<br />

Er kommt davon,<br />

und sei der Weg sooo weit: .<br />

Er läuft um's Leben und<br />

fü(s letzte Fersengeld.<br />

Hans-Georg Brandner<br />

47


48<br />

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11.06.05<br />

LGT Alpin Marathon in<br />

Liechtenstein<br />

Wolfram Brunnmeier<br />

Die erste größere Laufreise für Pierre<br />

und mich war das 2. Wochenende im<br />

Juni. Mein Sohn musste wieder für seine<br />

Mama einspringen, weil bei ihr durch die<br />

Arthrose im Fuß noch nicht an ein Laufen<br />

zu denken war. So fuhren wir zwei<br />

Männer am Freitag über Frankfurt,<br />

Würzburg, Memmingen und Lindau<br />

nach Liechtenstein. Da der letztjährige<br />

LGT Alpin wettermäßig in die<br />

Hosen ging, sollte dieses Mal unter<br />

besseren Bedingungen am Liechtenstein-Marathon<br />

teilgenommen<br />

werden. Eine Woche vor diesem<br />

Ereignis begann ich täglich den<br />

Wetterbericht auf RTL zu beobachten.<br />

Die Großwetterlage hörte sich<br />

leider überhaupt nicht gut an. Ausgerechnet<br />

jetzt kam die so genannte<br />

Schafskälte. Vielleicht hatten wir<br />

doch noch Glück. Vorsorglich wollte<br />

ich aber meine Handschuhe einpacken.<br />

Wie in 2004 hatte ich auch in diesem<br />

Jahr das gleiche Hotel im Zielort<br />

Malbun gebucht. Das Ummelden<br />

auf meinen Sohn, Wochen vorher<br />

per E-Mail angekündigt, bereitete<br />

keine Schwierigkeiten. Nachdem<br />

ich Pierre zum Einstimmen auf diesen<br />

Lauf meinen Bericht vom vorherigen<br />

Jahr hatte lesen lassen,<br />

musste er erstmal tief durchatmen.<br />

1.800 positive Höhenmeter, auf 32<br />

Kilometer verteilt, ließen ihn erschrecken.<br />

Dieser Marathon sollte<br />

sein erster im alpinen Gelände<br />

werden. Seine bisherigen größten<br />

Landschaftsläufe waren 2 x die<br />

Harzquerung, 2 x Rennsteig u,nd<br />

einmal die 50 km beim Westerwaldlauf.<br />

Im Stillen träumte ich von<br />

einer tollen Leistung, denn die ersten<br />

flachen 10 Kilometer kamen ihm<br />

als Einlaufphase prima entgegen.<br />

Das sofortige Einsteigen in den<br />

Berg direkt nach dem Start liegt ihm<br />

jedoch nicht so besonders.<br />

Heute ist Mittwoch, und irgendetwas<br />

braut sich in meinem Körper zusammen.<br />

Die 2. Nachthälfte hatte ich<br />

überhaupt nicht mehr gut geschlafen.<br />

Ich bekam Schmerzen in der Nierenund<br />

der Leistengegend. Auch der Kopf<br />

dröhnte, und ich befühlte eine heiße<br />

Stirn. Fieberthermometer hervorgehalt<br />

50<br />

. und rektal eingeführt. Echt super, 38<br />

Grad zeigte mir dieses Ding an. Das<br />

fehlte mir noch, dass ich vor diesem<br />

schönen Bergmarathon krank würde. Irgendetwas<br />

muss beim Ardennen­<br />

Marathon passiert sein. Den ganzen<br />

Donnerstag hatte ich flach gelegen und<br />

die Bettdecke bis ans Kinn gezogen.<br />

Das Medikament, das ich nehmen<br />

musste, hatte mich vollends aus den<br />

Latschen gehauen. Die Nebenwirkungen<br />

in Form von Übelkeit, Kurzatmigkeit<br />

und innere Unruhe traten hervor. Freitagmorgen<br />

um drei Uhr ging es dann<br />

los. Erst mal musste ich mir zwei Aspirin<br />

reinpfeifen, um das Dröhnen in meinem<br />

Kopf los zu werden. Während der siebenstündigen<br />

. Autofahrt nach Malbun<br />

Diesen herrlichen Blick konnte Wolfram genießen<br />

musste diese Prozedur noch einmal<br />

wiederholt werden. Da wir bis zur Abho­<br />

Jung unserer Startunterlagen um 17 Uhr<br />

noch reichlich Zeit hatten, haute .ich<br />

mich aufs Bett und schlief erst mal eine<br />

Runde. Als wir um 17 Uhr von Malbun<br />

nach Bendern fuhren, hatte sich an mei­<br />

nem desolaten Zustand nichts verändert.<br />

Wieder musste ich zwei Aspirin<br />

nehmen. Das andere Medikament (Paracetamol<br />

Stada) gegen meine Nierenund<br />

Leistenschmerzen hatte ich mittlerweile<br />

abgesetzt. Die Nacht zum Samstag<br />

schlief ich sehr schlecht, auch hatte<br />

ich viel geschwitzt, so dass ich mein<br />

Nachtshirt einmal wechseln musste.<br />

Samstag, Tag des Marathons. Es war<br />

zwar mit minus 1 Grad in Malbun sehr<br />

frisch, dafür war aber das Wetter okay.<br />

Blauer Himmel mit einigen Wolken bescherte<br />

uns ein beeindruckendes Alpenpanorama.<br />

Pierre war so was von begeistert,<br />

hatte er doch noch nie die Alpen<br />

in Natura gesehen. Kurz vor dem<br />

Start um 9 Uhr kam<br />

ich nicht umhin, noch<br />

mal zwei Aspirin zu<br />

schlucken. Ich wurde<br />

den Brummschädel<br />

einfach nicht los. Dafür<br />

versprach mir Pierre,<br />

ohne Wenn und<br />

Aber diesen Bergmarathon<br />

mit mir gemeinsam<br />

zu laufen.<br />

Die ersten flachen 11<br />

Kilometer bis nach<br />

Vaduz verliefen optimal.<br />

Wir hatten einen<br />

5er-Schnitt, und ich<br />

machte hier und da<br />

einige Fotostopps.<br />

Die Sonne stieg immer<br />

höher, und mit<br />

ihr auch die Temperatur.<br />

In Vaduz kam<br />

dann der erste Anstieg<br />

hinauf zum<br />

Schloss des Fürsten<br />

von Liechtenstein.<br />

Hier zog Pierre davon,<br />

wartete aber<br />

immer auf mich,<br />

wenn er mich nicht<br />

mehr sah. Ich fing an<br />

zu gehen, viel zu<br />

früh. Hinter dem<br />

Schloss, bei Kilometer<br />

13, beim Einstieg<br />

in den Wald, konnte<br />

ich nur noch wandern.<br />

Lang, unendlich<br />

lang, zog sich der<br />

Waldweg in Serpentinen,<br />

steil den Berghang<br />

hoch. An ein<br />

Laufen war gar nicht mehr zu denken.<br />

Selbst das Wandern viel mir immer<br />

schwerer. Zwei, drei Serpentinen über<br />

mir konnte ich meinen Sohn laufen sehen.<br />

Er tat mir unendlich leid, dass er<br />

auf seinen schlappen Vater immer wieder<br />

warten musste. Nachdem ich dies­


ses Steilstück endlich geschafft hatte<br />

und wir den Wald verließen, traf mich<br />

die Sonne wie eine Keule. Wasser,<br />

Wasser waren meine einzigen Gedanken.<br />

Ich, sehnte die Verpflegungsstelle<br />

bei Kilometer 15 förmlich herbei. Anlaufen<br />

nach jeder Pause ging so gut wie<br />

gar nicht mehr. Selbst das Wandern den<br />

Berg hoch bereitete mir Mühe. Ich konnte<br />

dem Schritt von meinem Sohn kaum<br />

noch folgen. Bei Kilometer 19 machte<br />

ich der Qual für Pierre ein Ende. Ich<br />

drückte ihm meinen Fotoapparat in die<br />

Hand und sagte: "Bei Kilometer 25 in<br />

Steg mache ich Schluss, es geht nicht<br />

mehr, mache soviel Bilder wie möglich,<br />

in Malbun am Hotel werde ich auf dich<br />

warten." Ich glaube, er war glücklich,<br />

dass er nun von dannen ziehen konnte.<br />

Wie Pierre seinen ersten Marathon in<br />

den Bergen mit mir bzw. ohne mich erlebt<br />

hat, wird er gesondert berichten.<br />

Nachdem ich alleine war und es geschafft<br />

hatte, den Scheitel bei Kilometer<br />

21 zu erreichen, sah ich unten im Tal<br />

das Dörfchen Steg und mein Ende liegen.<br />

Da es ab hier nur noch abwärts<br />

ging, versuchte ich, auf diesem steilen<br />

Bergabstück wieder zu laufen. Dieser<br />

Versuch scheiterte nach wenigen Metern<br />

kläglich. Ich schaffte es noch nicht<br />

einmal, bergab zu laufen. Rien ne va<br />

plus, nichts geht mehr. 4 Kilometer<br />

Wandern in der prallen Sonne zogen<br />

sich unendlich lange dahin. Gott sei<br />

Dank hatten wir ein bombastisches Wetter.<br />

Nicht auszudenken, wir hätten das<br />

Wetter vom letzten Jahr gehabt. Endlich<br />

hatte ich es geschafft und nach 3:45<br />

Stunden die Zeitmatte in Steg überwandert.<br />

Platt, so was von platt war ich noch<br />

nie. Ich stellte mich an den Straßenrand,<br />

hielt meinen Daumen hoch und hatte<br />

ziemlich schnell das Glück, von einem<br />

älteren Herrn in seinem PKW mitgenommen<br />

zu werden, der auf den' Weg<br />

nach Malbun war. So endete für mich<br />

der Alpin Marathon von Liechtenstein<br />

2005. •<br />

nochmals:<br />

Liechtenstein<br />

Berge, Berge, Berge ...<br />

Und alls der Sicht von Pierre Brunnmeier<br />

liest sich das Liechtenstein-Abenteuer<br />

so:<br />

Vor einigen Wochen sagte mein Vater<br />

zu mir: "Pierre, du musst für Mama den<br />

Liechtenstein-Marathon laufen, ich mache<br />

eine Ummeldung, es ist schließlich<br />

schon alles bezahlt." Bevor ich dazu etwas<br />

sagen konnte, war es auch schon<br />

passiert. Was macht man nicht alles für<br />

die Familie! Doch wie trainiert man eigentlich<br />

für einen Bergmarathon? Am<br />

besten gar nicht, wie ich es bisher für<br />

die anderen großen Läufe auch gemacht<br />

habe. Das versteht mein Vater<br />

überhaupt nicht, wie ich meine bisherigen<br />

Landschaftsläufe so mir nichts, dir<br />

nichts, aus dem Stand heraus laufe.<br />

Training ist so doof! Dass ich es kann,<br />

habe ich ihm schon des Öfteren bewiesen.<br />

Vor einem großen Lauf höre ich<br />

immer, wie er sagt: "Pierre, was ist mit<br />

Training?" "Ja, ja" ist dann jedes Mal<br />

meine Antwort.<br />

6. LGTAIDin­<br />

'Mara tha lf1<br />

teChlen em<br />

Am Freitag, dem 10. Juni, musste ich<br />

schon um 02.30 Uhr aufstehen. Mein<br />

Vater wollte um 3 Uhr losfahren. Ich<br />

hasse frühes Aufstehen, ich schlafe lieber<br />

länger. Mein Vater gefällt mir zur<br />

Zeit gar nicht. Er ist seit zwei Tagen<br />

krank und hat auch erhöhte Temperatur.<br />

Jetzt befinden wir uns auf der Autobahn<br />

hinter Köln. Ich sitze neben ihm und löse<br />

ihm gerade zwei Aspirin auf. Dass mein<br />

Vater seit Tagen ständig Kopfschmerzen<br />

hat, ist nicht in Ordnung. Langsam<br />

döse ich ein und freue mich auf die Berge.<br />

Diese hatte ich bis dato nur auf den<br />

Bildern meiner Eltern, wenn sie von ihren<br />

Laufreisen zurückkamen, kennen<br />

gelernt. Ich kenne eigentlich nur die Eitel,<br />

den Westerwald, den Thüringer<br />

Wald und den Harz. Wir befinden uns<br />

. im Moment im Allgäu auf der A 96 kurz<br />

vor Lindau und der österreichischen<br />

Grenze. Ich sehe die Alpen. Wow, sieht<br />

das gigantisch aus, was sich da vor<br />

meinen Augen auftürmt. Und ich sehe<br />

Schnee. Die Bergspitzen sind teilweise<br />

alle noch weiß. Ist das geil! Im Ruhrpott<br />

wachsen solche Berge nicht. Wir sind in<br />

Liechte.nstein, das Wetter ist herrlich,<br />

und ich bin beeindruckt von dieser gigantischen<br />

Landschaft. Ich frage meinen<br />

Vater: 'Wo ist eigentlich das Hotel, in<br />

dem wir wohnen, und wo laufen wir<br />

denn den Marathon?" Er zeigt mir, so<br />

gut wie möglich, <strong>Teil</strong>e der Laufstrecke,<br />

und ich bin tief beeindruckt. Da soll ich<br />

hoch? Nie im Leben! Super, wo ich doch<br />

Höhenangst habe. Wir fahren hinter Va­<br />

duz berghoch. In Serpentinen und immer<br />

steiler geht es bergan in die Berge<br />

hinein. Je höher wir kommen, umso<br />

schöner wird die Aussicht zurück ins Tal<br />

hinunter zum· Rhein und hinüber zur<br />

Schweiz. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst<br />

hinschauen soll. Mein Vater sagt:<br />

"Hebe dir noch Eindrücke für den Lauf<br />

auf, nicht dass dein Speicherplatz im<br />

Kopf schon voll ist, denn während des<br />

Marathons bekommst du noch schönere<br />

Ein- und Ausblicke". Noch schönere?<br />

Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen,<br />

diese sind schon fantastisch genug. Wir<br />

fahren immer noch berghoch, nicht mehr<br />

so steil, denn ich sehe plötzlich einen<br />

Talkessel vor uns und das Duschzelt<br />

vom Ziel des Marathons. Wir sind in<br />

Malbun und an unserem Hotel angekommen.<br />

Es ist noch relativ früh, und wir<br />

haben noch reichlich Zeit, bis wir um 17<br />

Uhr wieder runterfahren nach Bendern,<br />

um unsere Startunterlagen abzuholen.<br />

Mein Vater löst sich gerade wieder zwei<br />

Aspirin auf und haut sich aufs Bett, um<br />

eine Runde zu schlafen. Wir sind an der<br />

Fleischfabrik der Fa. Ospelt in Bendern,<br />

um unsere Startunterlagen abzuholen.<br />

Hier stinkt es aber gewaltig, und ich ekele<br />

mich. Ob es morgen beim Start genau<br />

so stinkt? Mein Vater hat sehr schlecht<br />

geschlafen und viel geschwitzt. Wir stehen<br />

endlich am Start, und es ist ein<br />

wunderschöner Tag. Die Sonne wird nur<br />

durch ein paar kleine Wolken gelegentlich<br />

verdeckt. Ich mache mir schon Sorgen,<br />

ob ich mich nicht zu dick angezogen<br />

habe. Mein Vater sagt: "Bis Vaduz<br />

ist es flach, da laufen wir einen fünfer<br />

Schnitt". Okay, denke ich, es wird schon<br />

richtig sein, dass wir so schnell angehen.<br />

Zum ersten Mal bekomme ich mit,<br />

wie, wann und wo mein Vater stehen<br />

bleibt, um Bilder zu machen. Nicht einfach<br />

so, er schaut während des Laufes<br />

genau, ob dieser optische Eindruck der<br />

richtige ist, ob der Hintergrund optimal<br />

ist. Ich bin unheimlich beeindruckt und<br />

erkenne plötzlich, wieviel Fingerspitzengefühl<br />

in seinen Bildern steckt. Nach jedem<br />

Fotostopp hetzt er hinter mir her,<br />

um wieder zu mir aufzulaufen. Eigentlich<br />

hatte ich ihm ja versprochen, diesen Marathon<br />

mit ihm zu laufen, aber es fällt<br />

mir schwer, das Tempo herauszunehmen,<br />

damit er wieder heran kommt.<br />

Heute Morgen hat er schon wieder zwei<br />

Aspirin genommen, obwohl er zwischenzeitlich<br />

Nasenbluten hatte. Wir<br />

sind in Vaduz, und hoch oben sehe ich<br />

das Schloss der Fürstenfamilie, das zur<br />

Zeit aber eine Baustelle ist. Der Gesichtsausdruck<br />

von meinem Vater gefällt<br />

mir überhaupt nicht. Irgendwie sieht er<br />

fertig aus. Im Gegensatz zu ihm fühle<br />

ich mich toll. Der erste Anstieg ist da,<br />

und es geht locker bergan. Mein Vater<br />

ist plötzlich verschwunden, und ich<br />

nehme das Tempo raus. Er kann mein<br />

Tempo nicht mehr mitgehen. Schade eigentlich.<br />

In Höhe des Schlosses hat er<br />

51


mich wieder eingeholt und schnauzt<br />

mich erst mal an: "Kannst du nicht auf<br />

mich warten, du weißt doch ganz genau,<br />

dass ich zwischendurch Bilder mache".<br />

Wir sind am Schloss vorbei und biegen<br />

links in den Wald ab: Mein Vater läuft<br />

schon nicht mehr, er wandert. Dunkel ist<br />

es hier, und der Waldweg zeigt steil, in<br />

Serpentinen, nach oben. Ich laufe mittlerweile<br />

auch nicht mehr und wandere<br />

wie viele andere auch. Irgendwo unter<br />

mir ist mein Vater, ich sehe ihn und sehe,<br />

wie er sich den Berg raufquält. Endlich<br />

verlassen wir den Wald, und ich sehe<br />

vor mir herrliche Almwiesen mit vielen<br />

bunten, duftenden Wildblumen. Jetzt<br />

bin ich in den Alpen, und in meinem<br />

Kopf finden optische Explosionen statt.<br />

Mein Gott, ist das schön hier. Am Verpflegungsstand<br />

bei Kilometer 15 gibt es<br />

zum ersten Mal etwas zu essen. Für<br />

mich eigentlich zu spät, denn ich könnte<br />

ständig essen. Mein Vater trinkt viel zu<br />

wenig, denn mittlerweile ist es sehr<br />

warm geworden, und ich fange an, mich<br />

auszuziehen. Da wir nur sehr langsam<br />

vorankommen, habe ich viel Zeit, mir die<br />

Landschaft, die Tiere und' die bunten<br />

Almwiesen anzuschauen. Eines steht<br />

fest, so muss mein Garten auch mal<br />

aussehen. Auf meine Frage, ob wir bald<br />

oben wären, bekomme ich als Antwort:<br />

"Bei Kilometer 21 haben wir den Scheitel<br />

erreicht, und es geht hinunter nach<br />

Steg." Das sind aber noch 4 Kilometer,<br />

und bei diesem Tempo wird das eine<br />

Ewigkeit dauern, denke ich. "Wasser,<br />

Wasser", höre ich meinen Vater sagen,<br />

"da rechts ist ein Wassertrog, komm<br />

lass uns trinken." Plötzlich, mitten auf<br />

dem Weg, steht ein Esel. "Warte, Pierre",<br />

sagt mein Vater, "hier hast du den<br />

Fotoapparat und mache mal ein Foto<br />

von zwei alten Eseln". Bei Kilometer 20<br />

ist endlich wieder ein Verpflegungsstand,<br />

wo ich essen und trinken kann.<br />

Meinem Vater geht es überhaupt nicht<br />

gut. Jeder seiner Schritte ist noch langsamer<br />

als ein Wanderschritt geworden.<br />

Am liebsten würde ich ihm sagen, dass<br />

er den Marathon abbrechen soll, aber<br />

ich traue mich nicht. Einige hundert Meter<br />

hinter dem Versorgungspunkt sagt er<br />

plötzlich: "Hier hast du den Fotoapparat,<br />

mache so viele Bilder wie möglich, hau<br />

ab, ich höre bei Kilometer 25 an der<br />

Zeitmatte in Steg auf". Gesagt, getan,<br />

und weg war ich. Ich hatte zwar ein<br />

schlechtes Gewissen, war im Nachhinein<br />

aber doch froh, dass ich laufen<br />

durfte. Na, war das richtig, dass ich<br />

meinen Vater in seinem schlechten Zustand<br />

alleine gelassen habe? Wird aber<br />

in Ordnung sein, da ich dies bei anderen<br />

Laufveranstaltungen auch schon gemacht<br />

habe. Wow, ist das schön. Hier<br />

oben am Getränkestand, bei Kilometer<br />

21, habe ich einen traumhaften Blick ins<br />

Tal nach Steg. Der kleine See, den ich<br />

sehe, glitzert in sämtlichen Blautönen.<br />

Wie eine Ansichtskarte. Schnell einen<br />

Becher Cola, und schon geht es mit gu­<br />

52<br />

ter Musik auf den Ohren hinunter ins<br />

Tal. Da ich den Auftrag bekam, viele Fotos<br />

zu machen, bleibe ich ab und an<br />

stehen und versuche mein Glück mit<br />

dem Fotografieren. 'Unten am Verpflegungsstand<br />

weiß ich gar nicht, was ich<br />

zuerst essen und trinken soll. Ist ja fast<br />

wie am Rennsteig. Ich habe die Zeitmatte<br />

in Steg erreicht. Da ich im Moment<br />

die Musik ziemlich laut habe, höre ich<br />

nicht, ob mein Chip am Schuh ein Piepsen<br />

auslöst. Auf der anderen Straßenseite<br />

muss ich wieder bergan laufen. Es<br />

geht vorbei an herrlich duftenden Almwiesen<br />

mit glockenläutenden Kühen.<br />

Der Weg ist schön breit und lässt sich<br />

gut laufen. Ich bin flott unterwegs und<br />

überhole viele andere Läufer, die meinen<br />

Vater und mich zuvor überholt haben.<br />

Gott sei Dank habe ich gelernt. bei<br />

Landschaftsläufen die Augen offen zu<br />

halten, sonst hätte ich bestimmt nicht<br />

den "blauen Enzian" am Wegesrand gesehen.<br />

Einfach nur schön. Im Moment<br />

ist die Laufstrecke etwas flacher geworden.<br />

Vor mir sehe ich einen breiten querenden<br />

Gebirgsbach über den Wanderweg<br />

strömen. Watt nu? Augen zu und<br />

durch! Wer singt das gleich noch mal?<br />

Egal, die Füße sind trocken geblieben.<br />

Da ist ja schon wieder ein Bach. Das<br />

gleiche noch mal, wie vorhin. Vor mir<br />

sehe ich einen langen Anstieg und viele<br />

bunte Läufer. Da soll ich hoch? Das ist<br />

bestimmt der Aufstieg zum höchsten<br />

Punkt, auf 1.785 Meter über NN. Puh,<br />

jetzt muss ich auch wandern, wie viele<br />

andere auch. Mein Wanderschritt ist jedoch<br />

schneller als der von den anderen<br />

<strong>Teil</strong>nehmern. Hätte nicht gedacht, dass<br />

ich hier im alpinen Gelände über Wurzeln<br />

klettern muss. Der Crossweg steigt<br />

immer höher und steiler und .in vielen<br />

Windungen nach oben. Ist das schön<br />

hier! Besonders mein Blick zurück öffnet<br />

mir ganz andere Perspektiven als zuvor<br />

beim Aufstieg. Da ich mittlerweile gut<br />

schwitze, kommt die Verpflegungsstelle<br />

hier oben gerade richtig. Ich habe schon<br />

wieder Hunger, und Durst sowieso. Ah,<br />

ich sehe unten im Tal Malbun. Ob mein<br />

Vater schon im Hotel ist? Bestimmt sitzt<br />

er auf der Terrasse, trinkt ein Weizen<br />

und beobachtet die Laufstrecke. Mein<br />

Vater hat mich gewarnt. wenn ich den<br />

Zielsprecher hören würde, hätte ich es<br />

noch lange nicht geschafft. Er sagte mir:<br />

. "An der kleinen Kapelle von Malbun,<br />

Zwei alte Esel (Originalzitat Wolfram Brunnmeier)<br />

keine 50 Meter vom Ziel entfernt, beginnt<br />

die kräfteraubende Schleife durch<br />

den Talkessel, und es geht dabei immer<br />

im Wechsel bergauf und bergab". Da ich<br />

gut drauf bin, laufe ich auch hier locker<br />

und schaffe es immer wieder, vor mir<br />

Laufende einzuholen. Bei Kilometer 40<br />

hätte ich es dann geschafft, denn ab<br />

dort ginge es nur noch abwärts ins Ziel,<br />

waren die Worte von meinem Vater. Er<br />

hat Recht! Ich habe den letzten Anstieg<br />

geschafft, ich sehe unser Hotel, es geht<br />

bergab. Ich bin am Hotel, dort steht<br />

mein Vater, er winkt und hält mir seinen<br />

Daumen entgegen. Noch 300 Meter,<br />

und ich bin im Ziel. Schade, eigentlich<br />

könnte ich noch weiter laufen. Zurück<br />

auf der Straße nach "Steg", dann die<br />

Laufstrecke rückwärts bis zum "Schloss<br />

Vaduz". 5 Sunden und 2 Minuten habe<br />

ich für diesen phantastischen Marathon<br />

gebraucht. Danke Mama, dass du im<br />

Moment nicht laufen kannst. Danke Papa,<br />

für diesen wunderschönen Bergmarathon.<br />

_


Einer der beliebtesten Landschaftsläufe<br />

Deutschlands scheint der Rennsteiglauf<br />

zu sein. Das jedenfalls signalisieren<br />

die vielen Gespräche und<br />

Zuschriften, die der <strong>DUV</strong>-Pressewart<br />

in den letzten Wochen und Monaten<br />

geführt bzw. erhalten hat.<br />

Anlass also, den Rennsteiglauf zum<br />

Schwerpunktthema dieser Ausgabe<br />

zu machen.<br />

Zur Historie<br />

Die eigentliche Geschichte des Guts­<br />

Muths-Rennsteiglaufes beginnt um das<br />

Jahr 1973 herum. Aus der Tradition der<br />

Rennsteigwanderungen um die Jahrhundertwende,<br />

der Persönlichkeit<br />

GutsMuths für Körperkultur und Sport,<br />

dem Rennsteig als Wanderweg und der<br />

beginnenden Laufbewegung in der DDR<br />

wurde die Idee eines Rennsteiglaufes<br />

jüngeren Datums geboren.<br />

Der Rennsteiglauf geht mit auf die Traditionen<br />

des Rennsteigvereins, der 1896<br />

gegründet wurde, zurück. In dieser Zeit<br />

war es üblich, alljährlich zu Pfingsten<br />

Rennsteigwanderungen durchzuführen,<br />

wo in Etappen der Rennsteig von Hörschel<br />

bei Eisenach bis nach Blankenstein<br />

im Kreis Lobenstein bewandert<br />

wurde. Der Rennsteig hat eine Länge<br />

von annähernd 168 km. Er ist der originellste<br />

Wanderweg des Thüringer WaIdes<br />

und des Thüringer Schiefergebirges.<br />

Seine Ausdehnung hat (im Osten<br />

Deutschlands) kein anderes Gebirge zu<br />

verzeichnen.<br />

Der Rennsteig ist ein uralter, ehemals<br />

wohl stellenweise befestigter Kurierpfad<br />

(Renner-Steig) der Grenzwächter und in<br />

seinem mittleren <strong>Teil</strong> jahrhundertelang<br />

Gau-, Rechts-, Sprach-, Jagd- und bischöfliche<br />

Kirchengrenze zwischen Thüringen<br />

und Franken. Vor mehr als 670<br />

Jahren wurde der Rennsteig zum ersten<br />

Mal urkundlich erwähnt,. und zwar als<br />

"Rinnsteg" bzw. "Rymestieg". Seine<br />

Nennung ist in einem Frankensteiner<br />

Kaufbrief von 1330 verzeichnet. Um<br />

1700 gehörte das Rennsteiggebiet neun<br />

Herzog- und Fürstentümern und einer<br />

Grafschaft an. Der Kammweg des Thüringer<br />

Waldes trennte die Gebiete der<br />

Feudalherren. Der Rennsteig ist auch<br />

Wasserscheide mit einer dialektgeografischen<br />

Markierung. Die "Dreistromsteine"<br />

künden davon, dass die Quellwässer<br />

und Niederschläge, die im Sommer<br />

und Winter sehr ergiebig sind, nördlich<br />

und südlich seines Verlaufs über dem<br />

Kamm, den Flüssen Elbe-, Weser- bzw.<br />

Rheinstromgebieten zufließen. Rennsteig<br />

oder Rennweg sind nur unter­<br />

Schwerpunktthema Rennsteiglauf<br />

schiedliche Bezeichnungen für den gleichen<br />

Weg.<br />

Der Namensgeber<br />

Johann Christoph Friedrich GutsMuths,<br />

geboren am 09. August 1759 in Quedlinburg,<br />

gestorben am 21. Mai 1839, in<br />

lbenhain, war ein namhafter Pädagoge<br />

und Mitbegründer der Körpererziehung.<br />

GutsMuths arbeitete ab 1785 als Lehrer<br />

für Körpererziehung und Geographie an<br />

der Erziehungsanstalt in Schnepfenthai<br />

bei Gotha. Er schrieb eine Reihe wissenschaftlicher<br />

Bücher über Sport und<br />

Geographie. GutsMuths war ein bedeutender<br />

bürgerlicher Pädagoge, der das<br />

Laufen als hervorragende Körperübung<br />

, mit einer Vielfalt positiver Auswirkungen<br />

auf den Menschen erkannte. Aus volkstümlichen<br />

Überlieferungen der deutschen<br />

Körperkultur und dem Studium<br />

der Verbindungen von Körper und Geist,<br />

das seit der Antike bekannt war, erhob<br />

er die Körpererziehung zu einem Unterrichtsfach.<br />

Er lebte und wirkte in einer<br />

Zeit, in der auch Turnvater Jahn wirkte<br />

und zur Herausbildung von Körperkultur<br />

und Sport beitrug.<br />

Und so begann alles ...<br />

Nach mehreren Testläufen absolvierten<br />

die vier Laufbegründer Hans-Georg Kremer,<br />

Hans-Joachim RÖmhild, Jens Wötzel<br />

und Wolf-Dieter Wolfram am 13. Mai<br />

1973 erstmals einen "richtigen" Rennsteiglauf<br />

über 50 Meilen vom Bahnhof<br />

Eisenach bis Masserberg gemeinsam in<br />

9:55 Std.<br />

Ein Jahr später läuft eine Gruppe von 16<br />

<strong>Teil</strong>nehmern wiederum 50 Meilen. Da<br />

dieser Lauf auf Vorschlag von Prof. Dr.<br />

Willi Schröder dem Pädagogen Johann<br />

Christoph Friedrich GutsMuths gewidmet<br />

ist, wird der Start an der Salzmann­<br />

Schule in Schnepfental vollzogen und<br />

,,50 Meilen GutsMuths-Gedenklauf' benannt.<br />

Es ist sozusagen der 2. Lauf dieser<br />

Art, denn der Lauf der vier Begründer<br />

aus dem Jahr zuvor wird rückwirkend<br />

als 1. GutsMuths-Rennsteiglauf registriert.<br />

Am 10. Mai 1975 gab es den legandären<br />

"Taschenlampenstart" nachts um<br />

01.00 Uhr am Heuberghaus. Es ist nun­<br />

mehr schon der 3. GutsMuths-Rennsteiglauf,<br />

und aus der kleinen Gruppe<br />

der 2. Auflage sind bereits 815 Starter<br />

geworden! Exakt 704 Männer absolvieren<br />

die 50 Meilen und 111 Frauen ab<br />

Bahnhof "Rennsteig" 25 Meilen. Beide<br />

Gruppen treffen im Ziel in Neuhaus zusammen.<br />

Die Experimentierphase war<br />

damit endgültig abgeschlossen, nun waren<br />

neue, zukunftsorientierte Strukturen<br />

und Organisationsformen erforderlich.<br />

Mit der SG Beerberg Goldlauter wurden<br />

Sportfreunde gefunden, die sich der Angelegenheit<br />

mit Herz und Sachverstand<br />

annahmen und mit Bernd Will für sieben<br />

Jahre auch den Gesamtleiter des Laufes<br />

stellten. Es wurde beschlossen, fortan<br />

den gesamten damals zugänglichen <strong>Teil</strong><br />

des Rennsteiges einzubeziehen und einen<br />

Sternlauf aus westlicher Richtung<br />

von der Hohen Sonne bei Eisenach und<br />

aus östlicher Richtung von Steinheid<br />

(später Neuhaus) mit dem gemeinsamen<br />

Ziel in Schmiedefeld auszurichten.<br />

Damit ist ein Grundmodell geschaffen<br />

worden, das mit dem 4. Lauf nun offiziell<br />

den Namen .,4. GutsMuths-Rennsteiglauf'<br />

trägt und erfolgreich realisiert wird.<br />

Bereits 1.340 <strong>Teil</strong>nehmer erreichten aus<br />

beiden Richtungen den Zielort Schmiedefeld.<br />

Schon ein Jahr später begaben<br />

sich mehr als 5.000 Starter auf beide<br />

Strecken, wobei dieser Lauf des Jahres<br />

1977 auch als '''Nebellauf' in die Annalen<br />

einging. In den Anfangsjahren wurde<br />

mitunter auch in zwei Leistungskategorien<br />

gestartet: in der so genannten A­<br />

Wertung, wo die Läufer nach Zeit liefen,<br />

und in der B-Wertung - laufen ohne<br />

Zeitnahme.<br />

Innerhalb von wenigen Jahren wuchs<br />

diese Laufveranstaltung trotz teils massiver<br />

Widerstände der DDR-Sportführung<br />

auf etwa 9.000 <strong>Teil</strong>nehmer. 10.000<br />

Startkarten waren das maximal genehmigte<br />

Kontingent.<br />

Mit der Wiedervereinigung gab es (zunächst)<br />

einen jähen Einbruch der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen,<br />

da viele "DDR-Läufer"<br />

erst einmal die Reisefreiheit nutzten, um<br />

in aller Welt an den Start zu gehen.<br />

Doch der neu gegründete GutsMuths­<br />

Rennsteiglaufverein entwickelte ein völlig<br />

neues Konzept. In mühsamer Kleinarbeit<br />

und unter Aufbietung aller ehrenund<br />

hauptamtlichen Organisatoren wurde<br />

eine breitensportliehe Großveranstaltung<br />

mit familienfreundlichem Charakter<br />

geschaffen, die für die Region einen<br />

längst nicht mehr wegzudenkenden<br />

Werbefaktor darstellt. ­<br />

(Die Fakten auf dieser Seite wurden divers'en<br />

Quellen der Veranstaltung entnommen.)<br />

53


na Lehmann die Seriensiegerin etwas<br />

aus dem Konzept gebracht, die diesmal<br />

nicht die Spur einer (Sieg-) Chance hatte.<br />

Zu stark war die Vorjahreszweite<br />

Lehmann, die sich um fast vier Minuten<br />

steigerte und mit 3:15:30 schneller als<br />

Tanja anno 2004 war. Rang zwei erlief<br />

sich die frisch promovierte Nele Wild­<br />

Wall, frühere Trainingsgefährtin der<br />

glücklichen Siegerin. Tanja Semjonowa<br />

schließlich wurde als Dritte registriert,<br />

was den Zuschauern im Ziel vom Sprecherduo<br />

quasi als Niederlage suggeriert<br />

wurde. Doch man sollte nicht vergessen,<br />

dass Tanja im August ihren 45. Geburtstag<br />

feierte, während die beiden<br />

Erstplatzierten immerhin 17 bzw. 13<br />

Jahre jünger sind.<br />

Nur wenige Minuten vor den Marathonis<br />

(Start 9.00 Uhr in Neuhaus) erfolgt der<br />

Zieleinlauf der besten Läufer auf der<br />

Supermarathonstrecke (Start 6.00 Uhr in<br />

Eisenach). Spannung pur jedenfalls versprachen<br />

die regelmäßigen Zwischenberichte<br />

von der Strecke, wo von stän­<br />

. digen Führungswechseln und misslungenen<br />

Ausreißversuchen die Rede war.<br />

Jörg Plenzke vor Ralph Koritz und Felix<br />

Schenk hieß die Reihenfolge am Rondell<br />

in Oberhof bei Kilometer 58. Doch<br />

allgemein wurde, auch auf Grund seiner<br />

einschlägigen Erfahrungen, dem Dresdener<br />

Ralph Koritz der Sieg am ehesten<br />

zugetraut. Aber dann traute man seinen<br />

Augen nicht, denn als Erster bog Helmut<br />

Peters in die langgestreckte Zielgasse<br />

ein. Das war genau jener Läufer, der<br />

2004 anlässlich seines dritten Platzes<br />

vor Freude kundtat, nun seine Laufbahn<br />

zu beenden. "Denn diesen Platz kann<br />

ich bestimmt nicht mehr toppen!" Im Interview<br />

gab er unumwunden zu, auch<br />

vom Missgeschick des Ralph Koritz profitiert<br />

zu haben. Dieser nämlich hatte<br />

sich bei Kilometer 18, gemeinsam mit<br />

einem andern Läufer bereits in Führung<br />

liegend, verlaufen und so fast zehn Minuten<br />

verloren. Da darf man schon mal<br />

die Frage stellen, wo zu diesem Zeitpunkt<br />

die beiden Motorradfahrer waren,<br />

die sich ja eigentlich als Führungsfahrzeuge<br />

verstehen sollten. "Die waren viel<br />

zu weit vor uns", hatte Koritz wenig Verständnis<br />

für deren Verhalten. Doch wie<br />

dem auch sei, nun war seine Kampfkraft<br />

erst richtig geweckt, und er preschte mit<br />

viel Elan wieder Richtung Spitze. Den<br />

Inselsberg schon auf Rang vier passiert,<br />

übernahm er an der Schmücke bei Kilometer<br />

64 wieder die Spitzenposition.<br />

Doch dies hatte ihm offensichtlich (zu)<br />

viel Power gekostet: still und heimlich<br />

Wolfram Brunnmeier informiert Ehefrau Marita gerade von seinem Zieleinlauf<br />

schlich sich Harald Peters, bei dem es<br />

am Ende immer besser lief, heran, und<br />

einen knappen Kilometer vor Ultimo war<br />

es um Koritz geschehen. Dieser wiederum<br />

gratulierte seinem Bezwinger sportlich<br />

fair und gab zu, im Vorgefühl seines<br />

Sieges sich in der taktisch unklug verhalten<br />

zu haben. "Im Vorjahr bin ich zu<br />

spät angetreten und konnte Matthias<br />

Körner nicht mehr einholen, und nun<br />

macht Harald Peters das gleiche mit mir.<br />

Aber bei ihm hat es geklappt'" Während<br />

Harald Peters, der den Sieg seinem<br />

noch ungeborenen Nachwuchs widmet<br />

("Im Juni ist es soweit'''), den Erfolg im<br />

kommenden Jahr zu verteidigen gedenkt,<br />

scheint für Ralph Koritz das<br />

Thema Rennsteiglauf erledigt. "Definitiv!<br />

Der Aufwand, vielleicht doch noch einmal<br />

den langen Kanten zu gewinnen, ist<br />

mir mittlerweile zu groß." Gefreut hat ihn<br />

allerdings, dass alle drei Punkte, die er<br />

im Dezember zur Jahreshauptversammlung<br />

der Rennsteiglaufvereins kritisch<br />

angesprochen hat, vom Veranstalter<br />

konsequent umgesetzt wurden. Insbe­<br />

sondere freute er sich, dass die Wanderer,<br />

die ja <strong>Teil</strong>e der Strecke mit den Läufern<br />

teilen, diesmal Verständnis für die<br />

Läufer zeigten und ihre "Marschformation"<br />

von Dreier- und mitunter gar Viererreihen<br />

im Prinzip auf den "Gänsemarsch"<br />

optimiert haben.<br />

Das sportliche Schicksal des Ralph Koritz<br />

ist auf dem Rennsteig übrigens<br />

längst kein Einzelfall, denn vor ihm hatten<br />

auch andere Prominente an der<br />

Spitze auf dem Thüringer Kammweg<br />

schon ihre Orientierungsprobleme. Erinnert<br />

sei zum Beispiel an Chaly Doll<br />

(auch er vergab so seine Siegchance)<br />

oder Thomas Miksch, der dennoch als<br />

Erster über den Zielstrich lief. Und auch<br />

der Autor dieses Berichtes denkt noch<br />

heute mit Unbehagen an das Jahr 1981,<br />

als er, deutlich in Führung liegend, nach<br />

der Schmücke und damit dem Ziel greifbar<br />

nahe, vom Führungsmotorrad in die<br />

falsche Richtung geschickt wurde ...<br />

Bliebe noch der Supermarathon der<br />

Frauen nachzutragen. Hier erwies sich<br />

Heidrun Pecker, die bereits 2001 und<br />

2004 siegreich war, als die eindeutig<br />

beste. Ihre Kraft holt sich die Dame aus<br />

Jena nach wie vor auf den Schweizer<br />

Almen zwischen Davos und dem Tessin,<br />

wo sie "den ganzen Tag Kühe melkt und<br />

Käse zubereitet". Auf Platz zwei landete<br />

wie gehabt Jutta Kolenc, die sich allerdings<br />

wie auch die Viertplatzierte Birgit<br />

Schönherr-Hölscher auf ihren Einsatz im<br />

Juni beim 100-km-Weltcup in Japan<br />

konzentriert. Dr. Bärbel Jacobi, ebenfalls<br />

schon viele Jahre auf dem Rennsteig<br />

dabei, lief als Dritte hingegen erstmals<br />

auf das Siegerpodest.<br />

Auszug aus dem offiziellen Pressebulletin<br />

nach dem Lauf: "Die verbesserte Infrastruktur<br />

im Zielstadion, ein gut funktionierendes<br />

Verkehrs- und Logistikkonzept<br />

und ein intaktes Organisationsgefüge<br />

sind die Erfolgsfaktoren des 33.<br />

Rennsteiglaufes." Dem ist nichts mehr<br />

hinzuzufügen! ­<br />

Die aktuelle Statistik<br />

Meldung Start Ziel<br />

SM 1.876 1.672 1.559<br />

MA 3.722 3.412 3.367<br />

HM 6.842 6.063 6.034<br />

JC 1036 845 845<br />

Strecke (Auswahl)<br />

SM Supermarathon<br />

MA Marathon'<br />

HM Halbmarathon<br />

JC Juniorcross<br />

55


nochmals:<br />

Rennsteiglauf<br />

Wolfram Brunnmeier<br />

Zum vierten Mal folgten wir (Marita,<br />

Sohn Pierre, Kerstin Fuhrmann und ich)<br />

im Mai dem Ruf des Rennsteigs. Das<br />

Rennsteigwochenende war von mir bis<br />

ins kleinste Detail geplant, denn es sollte<br />

alles perfekt ablaufen. Das begann<br />

mit der Zimmerbuchung in der Jugendherberge<br />

in Eisenach unterhalb der<br />

Wartburg schon im November 2004.<br />

Dass es nicht perfekt wurde, stellten wir<br />

schon am Freitag bei der Anreise fest.<br />

Beim Wachwerden hörte ich, dass es<br />

draußen in Strömen goss. Kurz vor 6<br />

Uhr fuhren wir los, um nach ein paar Kilometern<br />

festzustellen, dass ich mein<br />

Handy in der Ladestation vergessen hatte.<br />

Na Bravo, dachte ich, das fängt ja<br />

gut an. Gott sei Dank wurde das Wetter<br />

immer besser, je näher wir dem Thüringer<br />

Wald kamen.<br />

Bei der Ankunft an der Jugendherberge<br />

in Eisenach gegen 10 Uhr gab es den<br />

nächsten Dämpfer: Zimmerbelegung<br />

erst ab 15 Uhr. Taschen und Mannschaft<br />

ausgeladen, und weiter ging es<br />

für mich nach Schmiedefeld. Dort wollte<br />

ich spätestens um 11.30 Uhr sein und<br />

mein Auto auf der großen Wiese abstellen.<br />

Die Rückfahrt nach Eisenach erfolgte<br />

dann mit Bus und Zug. Da ich nicht<br />

der einzige war, der dieses machte, kamen<br />

noch drei weitere <strong>Teil</strong>nehmer mit<br />

mir in den Genuss eines verbilligten<br />

Sammeltickets. Da der Rücktransport<br />

nach dem Lauf mit dem Bus 8 € pro Person<br />

kostet, und ich für genau diesen<br />

Betrag wieder nach Eisenach fuhr, hatten<br />

wir vier somit 24 € eingespart, die<br />

wir abends dann verfressen und versaufen<br />

wollten. In der Zwischenzeit hatte<br />

sich meine Mannschaft mit der Abholung<br />

der Startunterlagen in Eisenach beschäftigt.<br />

Eigentlich gehört die Kloßparty<br />

am Vorabend von Deutschlands legendärstem<br />

Crosslauf dazu, aber wir besuchten,<br />

wie jedes Jahr, lieber eine Pizzeria.<br />

Die vier Kloßgutscheine wurden<br />

anschließend von mir im Festzeit an besonders<br />

hungrige <strong>Teil</strong>nehmer verschenkt.<br />

In der Nacht zum Samstag schlief ich<br />

nicht besonders gut. Das lag daran,<br />

dass wir ein Dachzimmer hatten und der<br />

heftige Regen mich immer wieder weckte.<br />

Beim Start auf dem Marktplatz hörte<br />

56<br />

Am Sperrhügel kam der Regen<br />

es aber auf zu regnen. Trotzdem hatten<br />

wir uns für unsere Schlechtwetterausrüstung<br />

entschieden. Viele andere<br />

Rennsteigläufer taten es uns gleich.<br />

Beim Aufstehen passierte es dann. Irgendwie<br />

hatte ich eine falsche Bewegung<br />

gemacht, denn im Lendenwirbelbereich<br />

gab es einen kleinen Knacks.<br />

Unter Schmerzen erfolgten sämtliche<br />

weitere Tätigkeiten (Anziehen, Toilette,<br />

Warmlaufen und Dehnen) bis zum Start<br />

um 6 Uhr. Das konnte ja heiter werden.<br />

Mit dem Aufstieg zur "Hohen Sonne"<br />

stellte ich fest, dass wohl auch der<br />

Samstag nicht perfekt würde. Immer<br />

wieder bremste der Schmerz im Rücken<br />

meinen Laufrhythmus. Den warmen<br />

Tee, den ich an der ersten VerpflegungssteIle<br />

trank, bekam meinem Magen<br />

überhaupt nicht, denn ein paar Kilometer<br />

später musste ich mich ins Unterholz<br />

schlagen. Nachdem das erledigt<br />

war, machte ich mich an den Aufstieg<br />

zum 916 Meter hohen Inselsberg. Hier<br />

wurde ich zum Marschierer. An eine gute<br />

Laufzeit wie im Jahr 2004 dachte ich<br />

im Traum nicht mehr. Dafür hatte ich also<br />

seit Anfang Februar fast 1.000 Trainingskilometer<br />

absolviert - und dann<br />

dieses Missgeschick.<br />

Der Abstieg vom Inselsberg war die<br />

reinste Hölle. Auf dieser steilen Bergab­<br />

Passage verursachte jeder Laufschritt,<br />

durch das Vorfußbremsen Schmerzen<br />

ohne Ende. An der Ebertswiese bei Kilometer<br />

37,5 zeigte mir meine Uhr eine<br />

Laufzeit von 4:11 Stunden an. Andere<br />

<strong>Teil</strong>nehmer, die mitbekommen hatten,<br />

was mit mir los war, gaben mir den Rat,<br />

doch am Grenzadler auszusteigen.<br />

Doch erstens gilt Aufgeben nicht, zumal<br />

das mein 50. Marathon/Ultralauf werden<br />

sollte, und zweitens steht schließlich<br />

mein Auto in Schmiedefeld. Ab Kilometer<br />

40 an der Neuen Ausspanne kam es<br />

dann knüppeldick. Beim steilen Aufstieg<br />

am Sperrhügel fing es zu regnen an, der<br />

mit jedem Höhenmeter immer heftiger<br />

wurde. Oben am Scheitel lief ich dann<br />

im Nebel. Läufer vor und hinter mir waren<br />

nur noch schemenhaft zu erkennen.<br />

An der Verpflegungsstelle "Neuhöfer<br />

Wiesen" ließen sich viele <strong>Teil</strong>nehmer<br />

blaue Mülltüten geben, die sie sich als<br />

Regenschutz überstreiften. Meine Wahl,<br />

mit Regenjacke und Käppi zu laufen,<br />

war offensichtlich das einzig perfekte an<br />

diesem Samstag. Mit jedem weiteren Kilometer,<br />

dem ich mich dem Grenzadler<br />

näherte, besserte sich das Wetter. An<br />

dieser Verpflegungsstelle genehmigte<br />

ich mir eine leckere Suppe, die mich<br />

nach dem Regen und dem Nebel wieder<br />

aufwärmte. Handy hervorgeholt und<br />

meine Familie angerufen. Pierre und<br />

Kerstin befanden sich knapp 3 Kilometer<br />

hinter mir. Marita war noch weiter zurück,<br />

denn mittlerweile hatte sie ebenfalls<br />

Schmerzen in dem Fuß, an dem ihr<br />

Orthopäde eine Arthrose festgestellt hatte.<br />

Für Marita stand definitiv fest, am<br />

Grenzadler auszusteigen. Sie wollte<br />

dann noch bis zum Rondell wandern,<br />

damit wir sie dort abholen konnten.<br />

Mittlerweile hatte ich festgestellt, dass<br />

die Schmerzen sogar im Ischias zu spüren<br />

waren. Der lange Aufstieg vom<br />

Rondell über die Suhler Ausspanne zum<br />

"Beerberg" konnte ich überraschenderweise<br />

laufen, denn ich stellte fest, dass<br />

das Anlaufen nach einer Gehpause<br />

problematischer war als ein gebremstes<br />

Laufen. Ab der Verpflegungsstelle<br />

"Schmücke" trank ich dann Schwarzbier,<br />

mit Cola gemischt. Je so näher Schmiedefeld<br />

rückte, umso freundlicher wurde<br />

das Wetter. Der Himmel riss zeitweise<br />

auf, und die Sonne schickte sogar wärmende<br />

Strahlen auf uns Läufer hernieder.<br />

An der Verpflegungsstelle "Am<br />

Kreuzweg" war es mir dann doch zu<br />

warm in meiner Regenjacke. Ich zog<br />

diese aus und band sie mir um den<br />

Bauch. Einen Kilometer vor dem<br />

Schmiedefelder Ziel klingelte plötzlich<br />

mein Handy. "Hallo Wolfram, hier ist<br />

Dietmar, ich stehe im Zielbereich. Was<br />

hast du für ein Trikot an, wo bist du im<br />

Moment?" hörte ich mich unseren Pressewart<br />

fragen. Wir beide hatten uns Monate<br />

vorher verabredet, uns in Schmiedefeld<br />

nach dem Lauf zu treffen. Diet"<br />

mar wollte nämlich unbedingt die laufende<br />

.Familie Brunnmeier kennen lernen.<br />

Als ich dann durch das Ziel lief,<br />

wurde ich, was meine Laufzeit, trotz der<br />

Schmerzen, anbelangt, positiv überrascht.<br />

Mit 8:24:40 Stunden hatte ich nie<br />

im Leben gerechnet.<br />

Dietmar empfing mich und folgte mir<br />

dann zu meinem Auto. Wann der Rest<br />

cjer Familie eintreffen würde, konnte ich<br />

ihm schnell beantworten: Marita kommt<br />

gar nicht, und Sohn Pierre mit Kerstin<br />

würden noch eine halbe Stunden benötigen.<br />

Dietmar wollte natürlich noch so<br />

lange warten, und so unterhielten wir<br />

uns bis dahin sehr angeregt. Nachdem<br />

Dietmar dann Kerstin und Pierre kennen<br />

gelernt hatte, mussten wir uns auch<br />

schon verabschieden, denn wir wollten<br />

Marita am Rondell nicht zu lange warten<br />

lassen. Nachdem wir sie dann eingesammelt<br />

hatten, ging es zurück nach Eisenach,<br />

nur etwas schneller und gemütlicher<br />

als Stunden zuvor.<br />

Im Jahre 2006 kommen wir wieder. Hoffentlich<br />

wird dann alles perfekt. _<br />

·(Ein Foto vom Autoren befindet sich auf<br />

der vorhergehenden Seite.)


nochmals<br />

Rennsteig<br />

Petra und Andreas Hasenstab<br />

Wie alles begann....<br />

Bereits während der späten Herbstmonate<br />

im vergangenen Jahr kam in den<br />

unterschiedlichsten Gesprächen mit unseren<br />

Lauffreunden immer wieder das<br />

Thema "Rennsteig" auf..<br />

Der Rennsteiglauf, der "sportliche Jugendtraum"<br />

der früheren Hobbyjoggerin<br />

Petra Hasenstab, 2.500 m Höhendifferenz,<br />

verteilt auf 72 Kilometer, der längste<br />

Cross Europas, Matsch, Dreck und<br />

Wurzelpfade, Mythen, Legenden oder<br />

Läuferlatein, gegen Krämpfe Haferschleim,<br />

Bratwurst und Köstritzer dunkel<br />

- was man auch immer schon gehört<br />

hat - man muss es irgendwann selbst<br />

erlebt haben!<br />

Lange Rede, kurzer Sinn - an einem<br />

denkwürdigen Tag im letzten Winter war<br />

die Meldung zu einem Langdistanztriathlon<br />

aufgeschoben und die Meldung zum<br />

Rennsteig draußen! Wer Rodgau im Januar<br />

kennt, hat keine Angst vor Eisenach!<br />

Die Vorbereitung<br />

Die sportliche Vorbereitung bestand in<br />

erster Linie darin, sich nach dem Freiburg-Marathon<br />

und den damit verbundenen<br />

vorangegangenen harten Trainingswochen<br />

optimal zu regenerieren<br />

und die bis dahin erlangte Grundlagenausdauer<br />

zu konservieren. Dies sollte<br />

schließlich mit zwei langen Läufen<br />

im geruhsamen Tempo über jeweils 30<br />

km in den Hügeln und Wäldern des<br />

heimischen Spessarts erreicht werden.<br />

Der Triathlon in Gemünden und Einheiten<br />

auf dem Mountainbike und dem<br />

Rennrad rundeten das "Training im<br />

Schongang" ab. Das Tempo sollte bei<br />

unserem Vorhaben in Thüringen sowieso<br />

eine untergeordnete Rolle spielen.<br />

Organisation, Reise und Unterkunft<br />

Die Anreise erfolgte bereits am Freitag,<br />

dem 20. Mai, ab 11 Uhr in Fahrgemeinschaften.<br />

Nach einer fast stau- und<br />

stressfreien Fahrt war das Ziel zunächst<br />

Eisenach. Dort konnten die Startunterlagen<br />

in Empfang genommen werden.<br />

Hier fallen einem sofort zwei Dinge<br />

auf, die nicht ganz in das mittlerweile<br />

sehr kommerzielle Bild von Großveranstaltungen<br />

in der heutigen Zeit zu passen<br />

scheinen. Trotz "Big Business" ist<br />

alles sehr persönlich, die Organisation<br />

funktioniert reibungslos. Anstatt Papier­<br />

Erfüllter Jugendtraum<br />

müll und Prospekten in der liebevoll gefüllten<br />

Startertüte gibt es nützliche Add<br />

Ons in Form von Probepackungen, die<br />

in jeglicher Form verwertet werden können.<br />

Die Organisation in unserer Reisegruppe<br />

hat freundlicherweise unser "Rennsteig-Profi"<br />

Karlheinz Klement übernommen.<br />

Karlheinz hat schon zweimal<br />

den Rennsteig beendet ("Ihr wisst nicht,<br />

was ihr Euch da antut! Biel wäre viel einfacher<br />

gewesen!") und kennt die Gegend<br />

dort von unzähligen Skilanglaufkilometern.<br />

Er wählte als unser "Basecamp"<br />

das Treff- und Sporthotel Panorama<br />

in Oberhof. Eine Unterkunft in bester<br />

Mittelgebirgslage auf 835 Meter Höhe<br />

und herrlichem Panoramablick über<br />

Siegerin im Supermarathon 2004 und 2005:<br />

Heidrun Pecker, hier im Interview nach<br />

dem Zieleinlauf / Foto: Knies<br />

den Ort. Ausgestattet mit all dem Komfort,<br />

den ein geschundener Körper nach<br />

solchen Strapazen der Reihe nach'<br />

braucht: Whirlpool, Sauna, Hallenbad,<br />

Biergarten, Panoramarestaurant, Bar<br />

und Diskothek und schließlich auch<br />

noch Zimmer mit Betten ... ! Und so verbrachten<br />

wir den Rest des Tages damit,<br />

die Muskulatur im gut ausgestatteten<br />

Wellnessbereich des Hotels zu lockern<br />

und abends am gut bestückten Buffet<br />

die nötigen Kohlenhydrate für den großen<br />

Tag zu bunkern. Einen kurzen Abstecher<br />

in das gefüllte Festzeit zum<br />

Lauf. Hier geht die Post ab, und um 20<br />

Uhr tanzen die Läufer schon auf den Tischen.<br />

Ein "Supermarathon" mit einer<br />

"Superkloßparty" und "Superstimmung"<br />

am Vortag. So etwas habe ich selbst<br />

noch nie erlebt. Nach dieser Kurzinspektion<br />

gab' s noch ein Betthupferl in Form<br />

eines Weißbierchens, ehe wir uns zu<br />

sehr früher Stunde schon in die Federn<br />

legten.<br />

Raceday und lauf<br />

Das frühe Einchecken in die Betten hatte<br />

seinen Grund. Zu unchristlicher Stunde,<br />

um 3 Uhr früh, reißt uns der Wecker<br />

aus dem Tiefschlaf. Der Bus geht um 4<br />

Uhr von Oberhof zum Start nach Eisenach.<br />

Alles perfekt organisiert. Im Startort<br />

herrscht schon viel Betrieb auf den<br />

Straßen und um den Startbereich. Trotzdem<br />

hat man nie das Gefühl von Hektik,<br />

wie sie beispielsweise bei Marathonläufen<br />

herrscht. Die<br />

"Ultrauhr" tickt anders ­<br />

nämlich deutlich langsamer.<br />

Und so klappt auch das Abgeben<br />

der Kleiderbeutel an<br />

den bereitstehenden LKW<br />

einwandfrei. Man führt Gespräche<br />

mit alten Bekannten.<br />

Die Szene kennt sich<br />

untereinander. Wir treffen<br />

Uwe Krapp, der mit uns laufen<br />

will, und schließlich stehen<br />

wir in der Startaufstellung<br />

zusammen mit 1.800<br />

Leidensgenossen auf dem<br />

Eisenacher Marktplatz. Es<br />

hat kurz vorher geregnet,<br />

jedoch pünktlich zur Startzeremonie<br />

aufgehört. Alles<br />

perfekt organisiert eben.<br />

Der Start erfolgte pünktlich<br />

um 6 Uhr durch die Verantwortlichen<br />

des SV "Wartburgstadt"<br />

Eisenach. Durch<br />

die Fußgängerzone und am<br />

Bahnhof vorbei erreichen<br />

wir nach nur 1,5 km den<br />

Stadtrand. Und es folgt sofort<br />

ein erster Ausflug in die<br />

Büsche. Die "Tois" im Bereich<br />

des Starts waren einfach<br />

zu überlaufen. Also<br />

dann erst mal ganz hinten einreihen im<br />

Feld. Ein langer Anstieg von 7,4 km liegt<br />

vor uns. Auf dem Waldweg geht es vorbei<br />

an der ersten GetränkesteIle "Moosbacher<br />

Linde" (Kilometer 3,6 / 351 m<br />

NN). Viele der Läufer schonen ihre Kräfte<br />

und wandern hier an den Steigungen<br />

bereits. Nach einem kurzen Zwischensprint<br />

bin ich wieder in unserer Laufgruppe,<br />

das sind Uwe Krapp, Dieter Lebert,<br />

Karlheinz Klement und Petra und<br />

ich. Der Rest will auf eigene Faust sein<br />

Glück versuchen.<br />

Nach weiteren 500 m erreichen wir<br />

schließlich den Rennsteig in einer Höhe<br />

57


von 434 m NN. Nun geht es auf dem<br />

Rennsteig entlang an der Schutzhütte<br />

(km 10) und "Jubelhain" (km 11,21 I 551<br />

m NN), über "Ruhlaer Häuschen" (km<br />

13,64 I 639 m NN), Bergwachthütte (km<br />

15) und "Glöckner-Ehrenmal" gelangt<br />

man zur ersten Verpflegungsstelle<br />

"Glasbachwiese" (km 17,96 I 647 m<br />

NN), betreut durch die Bergwacht Steinbach.<br />

Hier ist die Stimmung super. Aus<br />

den Boxen der Verpflegungsstelle tönt<br />

das "Rennsteiglied", und ich greife außer<br />

zu den Getränken auch bei den angebotenen<br />

Schnittlauchbroten zu. Das<br />

Lauftempo lässt eine optimale Nahrungsaufnahme<br />

zu. Es folgt der Anstieg<br />

zur "Hirschbalzwiese". Ein echt toller<br />

Wurzeltrail, der zunächst leichtfüßig,<br />

dann schwerfällig und schließlich erstmals<br />

wandernd (km 20 I 691 m NN) auf<br />

740 m in der nächsten GetränkesteIle<br />

endet. "Dreiherrenstei(1" (km 20,64) und<br />

dann ist nach 300 m der "Große Weißberg"<br />

(747 m) bewältigt. Ein kurzer Abstieg<br />

zur "Brotteröder Hütte", und dann<br />

beginnt der große Anstieg über knapp 3<br />

km über den "Oberen Beerberg" (km<br />

23,8 I 841 m) zum Inselsberg (km 25,53<br />

/ 916 m). Hier laufen wir auf unseren<br />

derzeit beständigsten Ultraläufer Gerhard<br />

Albert auf. Gerhard ist wie immer<br />

gut gelaunt und unterhält vorzüglich seine<br />

Mitläufer. Auch wir nutzen den Anstieg<br />

zu einer erneuten Wanderpassage<br />

und führen einen Smalltalk. Auf dem<br />

Gipfel sind wir bereits 3 Stunden unterwegs<br />

und werden mit einem tollen Ausblick<br />

belohnt. Was nun kommt, ist ein<br />

Gefälle über 1,3 km, wie ich es bisher<br />

noch nirgendwo sonst erlebt habe. Jeder<br />

Schritt erzeugt ein Brennen in den<br />

Oberschenkeln und man denkt, die<br />

Kniescheibe springt jeden Moment raus.<br />

Noch nicht einmal 30 Kilometer im gemächlichen<br />

Tempo absolviert und schon<br />

schwere Beine. Wie soll das weitergehen?<br />

Erst mal egal, einfach weiterlaufen.<br />

Auch Uwe hat mittlerweile Probleme.<br />

Er hat sich in den letzten Tagen einen<br />

Schnupfen eingefangen, und der<br />

kostet nun anscheinend die Kraft, die<br />

eigentlich die Beine hier benötigt hätten.<br />

Die Gruppendynamik rettet uns in die<br />

nächste Verpflegungsstelle. Wieder Getränkeaufnahme<br />

und dazu ein Käsebrot.<br />

So gestärkt, verfliegen bei mir die negativen<br />

Gedanken, und wir laufen weiter.<br />

Über den "Prinz-Andreas-Platz", den<br />

Jagdberg, über das "Heuberghaus" (km<br />

30,9 I 688 m), auf den "Spießberg" (km<br />

32,79 I 749 m) zur GetränkesteIle am<br />

"Possenröder Kreuz" (km 33,64 I 700<br />

m). Hier kommen die Wanderfreunde<br />

der 35-km-Strecke "Schnepfenthai ­<br />

Oberhof" mit auf die Strecke und werden<br />

uns Läufer bis zum Stein 16 bei Oberhof<br />

begleiten. Die nächste Verpflegungsstation<br />

ist die "Ebertswiese" (km 37,47 I<br />

715 m). Die Hälfte der Strecke ist geschafft.<br />

Hier gibr s neben Haferschleim<br />

auch ganz untypisch Bockwürste und<br />

Schwarzbrot. Also wird erneut kräftig<br />

58<br />

zugegriffen. Die Leute an den VerpflegungssteIlen<br />

haben Erfahrung, also was<br />

kann' s schaden? Also runter mit der<br />

Bockwurst! Gestärkt nehmen wir dann<br />

den nächsten Anstieg zum "Glasberg"<br />

(km 38,48 I 760 m) in Angriff. Uwe muss<br />

hier erst mal in die Büsche und schafft<br />

es im Anschluss leider nicht mehr, zu<br />

uns aufzulaufen. Im Laufe eines solch<br />

langen Wettkampfes hat jeder mal wieder<br />

seine Problemchen. Unabhängig<br />

vom Tempo ist es auch die lange Laufzeit,<br />

die vor allem orthopädische Probleme<br />

mit sich bringt. Erst schmerzt das<br />

linke Knie, dann das rechte, es meldet<br />

sich der Rücken und dann geht es wieder<br />

super, bevor das Spiel erneut beginnt.<br />

Mentale Stärke besiegt immer<br />

wieder den inneren Schweinehund. Mim<br />

weiß am Start schon, was einen erwartet<br />

und versucht, damit umzugehen. Jeder<br />

auf seine eigene Art und Weise. Wir<br />

erreichen also minimiert die 40-Kilometer-Marke,<br />

und es fängt langsam an zu<br />

regnen, wird immer heftiger, und<br />

schließlich auf einem freien, windanfälligen<br />

Stück wird es richtig stürmisch, und<br />

der Regen schlägt waagrecht auf die<br />

Läufer ein. Das sind jedoch Dinge, die<br />

nimmt man zur Kenntnis, flucht mal kurz<br />

und trottet in seinem Schritt weiter. Alles<br />

andere bringt eh nichts in dieser Situation.<br />

Es wird immer dunkler, die Sicht beträgt<br />

nur noch wenige Meter, und es<br />

scheint sich richtig einzuregnen. Dazu<br />

dieser ekelhaft kalte Wind. Und immer<br />

noch 28 Kilometer. Verdammt, was machen<br />

wir hier? Der Weg wird stellenweise<br />

richtig schlammig. Die Wanderer haben<br />

alle ihre Regenponchos übergeschmissen.<br />

Dieter hat auch ein Tief und<br />

spricht von "einem zähen Hund", der<br />

hier bezwungen werden will. Ich kann<br />

dem mittlerweile nichts mehr hinzufügen.<br />

Wir haben nun schon über die<br />

"Neuhöfer Wiese" (km 45,41 I 850 m),<br />

über den 'Wachsenrasen" (km 47,95 I<br />

815 m) und "Hirtenrasen" (km 50,2) die<br />

GetränkesteIle "Gustav-Freytag-Stein"<br />

(km 51,25 I 876), erreicht. Die Zuschauer<br />

dort motivieren wieder zum Weiterlaufen.<br />

Ebenso wie die vielen Wanderer,<br />

die immer schnell Platz machen, wenn<br />

sie Läufer kommen hören und uns Mut<br />

für die kommenden Kilometer zusprechen.<br />

Je nach momentaner Gefühlslage<br />

sind dies richtig emotionale Momente,<br />

die richtige Glücksgefühle während des<br />

Laufens hervorrufen können. Vielleicht<br />

auch ein Grund, weshalb man sich so<br />

etwas antut? Die Strecke hat bisher<br />

auch alles geboten, was so ein Läufchen<br />

aufbieten kann. Kopfsteinpflaster<br />

in Eisenach, Wurzeln, Waldboden,<br />

Schotter, Geröll, eine kurze Treppe und<br />

auch ein kurzes Teerstück. Wir nähern<br />

uns über die Rollerstrecke bei Kilometer<br />

54,2 dem legendären "Grenzadler" (837<br />

m) bei Oberhof. Der Wind hat den Regen<br />

mittlerweile weggeblasen. Hier erfolgt<br />

eine Zwischenzeitnahme. Die Möglichkeit<br />

des Ausstieges mit Zeitnahme ist<br />

hier ebenso gegeben. Ein Transport mit<br />

Kleinbussen zum Zielort Schmiedefeld<br />

wird vom Organisator gestellt. Kein<br />

Thema für uns! Ich greife beherzt zu den<br />

bereitgestellten Schmalzbroten, schnappe<br />

mir einen Tee und gene wandernd<br />

dem nächsten Anstieg entgegen, der<br />

deutlich sichtbar auf uns Läufer wartet.<br />

Bei Anstiegen rennt hier mittlerweile<br />

niemand mehr im Feld. Die Muskulatur<br />

ist müde, und man versucht, sich gehend<br />

zu erholen, während man an Höhe<br />

gewinnt. Und das klappt wirklich. Wir<br />

habE;ln noch knapp 20 Kilometer zu bewältigen.<br />

Rechts an Oberhof vorbei geht<br />

es zum "Rondell" (km 56 I 826 m). Am<br />

Vormittag wurde der Großteil des nachfolgenden<br />

Streckenabschnittes bereits<br />

durch die Läufer des Halbmarathons<br />

und die Wanderer der 15-km-Wanderung<br />

genutzt. Als besonderes Schmankerl<br />

wartet auf uns nun der Anstieg zum<br />

Großen Beerberg, der mit seinen 982 m<br />

der höchste Punkt des Thüringer Waides<br />

ist. Der Anstieg ist lang, jedoch<br />

ganz sachte. Anders als am Vormittag<br />

beim Inselberg, merkt man kaum, wie<br />

man an Höhe gewinnt. Vielleicht sind<br />

aber auch die Beine schon so müde,<br />

dass man die Steigung einfach nicht<br />

mehr richtig wahrnimmt? Wie auch immer,<br />

nach einer erneuten ErfrischungssteIle<br />

gelangen wir schließlich zum<br />

höchsten Punkt der Strecke,<br />

"Plänckners Aussicht" (km 61,77 I 973<br />

m), unterhalb des Gipfels des Großen<br />

Beerberges. Leider ist die Sicht deutlich<br />

getrübt. Von nun an gehr s bergab! Vorbei<br />

an der "Schmücke" Richtung letzter<br />

GetränkesteIle "Kreuzwege" bzw. "BierfIeck"<br />

(km 68,26 I 816 m), beide betreut<br />

durch den SWV Goldlauter. Dem Namen<br />

entsprechend erhält man am "BierfIeck"<br />

einen "Schluck" Köstritzer<br />

Schwarzbier, auch eine Besonderheit<br />

beim Rennsteiglauf. Gerne macht unser<br />

Grüppchen von dem Angebot Gebrauch,<br />

und wir stoßen auf den hoffentlich bald<br />

bevorstehenden Zieleinlauf an. Bergab<br />

Richtung Schmiedefeld, vorbei an Kleingartensiedlungen,<br />

kann man bereits den<br />

Trubel vom Sportplatz hören. Vom WSV<br />

Schmiedefeld ist alles für den großen<br />

Empfang vorbereitet. Mit einer herzlichen<br />

Gastlichkeit, Beifall, Jubel und den<br />

Ansagen der Zielsprecher wird man im<br />

Ziel von Einheimischen, Gästen und<br />

Begleitern empfangen. Wir nehmen uns<br />

an die Hände und laufen in einer Reihe<br />

zu viert über die Ziellinie. 72,7 Kilometer<br />

von Eisenach bis Schmiedefeld sind geschafft.<br />

Auch wenn man nicht der Erste<br />

ist, ist jeder Rennsteigläufer ein Sieger,<br />

und besonders die, die die Königsstrecke<br />

bewältigt haben. Gedanken und<br />

Emotionen gehen einem durch den<br />

Kopf, und die Spannung löst sich. Ein<br />

Moment für die Ewigkeit. Ultralaufen ist<br />

einfach nur geil! In dem Moment sind die<br />

Schmerzen und gemachten Schwüre<br />

während des Laufens vergessen.


OO<br />

Wir treffen auf eine überglückliche Katja Wo Frauen Manner<br />

Friedländer. Sie hat die Altersklasse ge­<br />

wonnen und ist gesamt sechste Frau 0 d d S d I<br />

geworden. Allerhöchsten Respekt! Den sin un an a en<br />

Rennsteig gewinnt man oder genießt h b I<br />

man, alles andere ist unsinnig. Wir ha- SC na e n<br />

ben also alles richtig gemacht an die- '-- --J<br />

sem Tag. Ein relaxter Uwe Diehm<br />

kommt bei uns vorbei, und wir gratulie- ... und nochmals<br />

ren uns gegenseitig. Auch er ist mit sich Rennsteig<br />

und der Welt im Einklang. Mein Arbeitskollege<br />

Uwe Blanke kommt, er hat erfolgreich<br />

den Marathon gefinisht und ist<br />

zwei Minuten vor uns eingelaufen. Auch<br />

hier - Glückwunsch! Jörg Linder<br />

Schließlich wird auch unser verloren gegangener<br />

Mitläufer Uwe Krapp beim I<br />

Zieleinlauf aufgerufen. Er hatte in Ger- H_e_rb_s_t_2_0_0_4 _<br />

hard Albert einen souveränen Laufpartner<br />

gefunden, der den restlichen Abschnitt<br />

mit ihm gelaufen ist. Sein Zieleinlauf<br />

ist ebenfalls ein großer Moment, der<br />

selbst einem Seefahrer und Bierbrauer<br />

auf die Tränendrüsen drückt. Glückwunsch,<br />

Uwe!<br />

Nach meinem ersten Ironman-Triathlon<br />

2004 erholte ich mich nur schleppend.<br />

Der hatte mir' echt auf den Magen ge­<br />

schlagen. Beim Laufen war mir damals<br />

so unendlich schlecht, das entwickelte<br />

sich später noch zu einer regelrechten<br />

Gastritis. Sei's drum ... Im Herbst 2004<br />

Problemlos erhalten wir unsere Kleiderbeutel<br />

und sitzen schon bald im Bus zurück<br />

nach Oberhof. Im Hotel erwarten<br />

uns ein Whirlpool und die Sauna. Den<br />

oben genannten Biergarten lassen wir<br />

ausfallen, jedoch nach dem erneut köstlichen<br />

Essen im Panoramarestaurant<br />

und einem Weißbierchen wurde in der<br />

Diskothek "Waldmarie" (das offizielle<br />

Festzeit der Veranstaltung war proppen­<br />

war klar: 2005 laufe ich meinen ersten<br />

Ultra, dem auch gleich mein zweiter folgen<br />

sollte. Der erste, der Rennsteig-Su­<br />

permarathon, sollte dem Warmmachen<br />

dienen und eine ultralange Trainings­<br />

einheit für den zweiten, die 100 km von<br />

Biel, darstellen. Das machen viele so.<br />

Das hört sich logisch an. Das ist logisch,<br />

Ich plane es auch genau so.<br />

voll!!) doch noch eine heiße Sohle auf 's<br />

Parkett gebügelt, ehe zur frühen Mor­<br />

Winter 2004 /2005<br />

genstunde auch das Bett noch wartete. Der Winter war hart. Nur im Januar, im<br />

Ultraläufer sind eben fast unverwüstlich, eigentlichen Winter, war es relativ warm.<br />

und Rennsteigläufer sind die Härtesten! Ansonsten war der Winter ein Winter,<br />

und zwar ein verdammt langer Winter<br />

Fazit und ein verdammt richtig guter Winter<br />

Alle Mythen und Legenden um den eben. Ich aß nach Herzenslust, radelte<br />

"Rennsteig" haben ihre Berechtigung. Tausende von Kilometern locker auf<br />

Wirklich, dem ist so! Es ist ein Lauf mit meinem Hometrainer, versuchte nebenvielen<br />

begeisterten Thüringern an der bei, meine Schwimmtechnik zu verbes­<br />

Strecke, die für jeden Läufer freundliche sern, plante meine berufliche Nebentäund<br />

motivierende Worte finden, sei es tigkeit, lief regelmäßig, aber nicht oft,<br />

als Zuschauer oder als Helfer. Was ver­ und fuhr viel Skilanglauf, genau gepflegungstechnisch<br />

geleistet wird, ist nommen, sehr viel Skilanglauf.<br />

einzigartig. Hier könnten sich viele der<br />

selbstherrlichen Event-Agenturen, die I März 2005<br />

immer mehr auf diesen Sektor drängen, --------------eine<br />

Scheibe abschneiden, wenn es um<br />

die Organisation von sportlergerechten<br />

Großveranstaltungen bei sehr gutem<br />

Preis-Leistungs-Verhältnis geht.. Man<br />

merkt es hier deutlich - der Rennsteiglauf<br />

ist eine Veranstaltung von Sportlern<br />

für Sportler, eine Veranstaltung, auf die<br />

eine komplette Region zurecht stolz ist,<br />

die dann auch mit vielen emsigen Helfern<br />

dahinter steht. Wer einmal dort war,<br />

kommt mit Sicherheit wieder!<br />

Erste und einzige läuferische Standort­<br />

bestimmung war der Bienwald-Marathon,<br />

bei dem ich das ehrgeizige Ziel,<br />

unter 3:20 Std. zu bleiben, verfehlte und<br />

ziemlich viel leiden musste beim Laufen<br />

Und zwar schon nach 22 km. So super­<br />

ehrgeizig war dieses Ziel auch wieder<br />

nicht, es war nur ehrgeizig im Vergleich<br />

zum meinem bisherigen läuferischen<br />

Spezialtraining, und dieser Vergleich viel<br />

eindeutig zu meinen Ungunsten aus. Zu<br />

Danke nach Thüringen für dieses tolle<br />

Erlebnis! -<br />

viel allgemeine Grundlagenausdauer, zu<br />

viel Athletik, zu wenig spezielles Marathontraining.<br />

(Leider gab es von Petra und Andreas Hasenstab<br />

kein Bildmaterial.)<br />

Nach 22 km machte folgerichtig meine<br />

Laufmuskulatur schlapp. Und wie. Ich<br />

reduzierte mein Tempo und trabte weiter<br />

und hoffte auf ein Wunder. Kein Wunder<br />

geschah. Stattdessen kam mir Udo<br />

Bölts entgegen und rannte seinem ersten<br />

reinen Marathonziel entgegen. Er<br />

rannte wirklich (ich glaube so 2:50 Std.).<br />

Läuferisch ist er nicht so elegant, aber<br />

ich war froh, mich nicht selbst zu sehen.<br />

Aber auch hier war zu sehen: Udo ist ein<br />

Kämpfer! Dann sagte ich mir, wie seinerseits<br />

Udo zu Jan: "Quäl dich!" Das<br />

mit der Sau ließ ich aber weg. Ich quälte<br />

mich über .die Runden.<br />

Über eine weitere Reduzierung meines<br />

Lauftempos brauchte ich mir keine Gedanken<br />

zu machen, das ergab sich von<br />

selbst. Auf einmal kam mir Holger entgegen.<br />

Den kenne ich von der Lauftherapeutenausbildung.<br />

Er rief mir irgendetwas<br />

zu. Ich war überrascht, ihn hier zu<br />

sehen, schließlich kommt er von weit<br />

weg und sogar noch von drüben. Mein<br />

eingetrübtes Hirn gab mir zu verstehen,<br />

dass ich den kenne. Als er weg war, fiel<br />

mir ein, dass er Holger heißt und schneller<br />

läuft als ich, und daher war klar, dass<br />

er mich bald einholt. Warum ist er überhaupt<br />

hinter mir? Keine Ahnung. Aber<br />

der Winter schien insgesamt seinen Tribut<br />

zu fordern, denn schließlich kann<br />

man sich auf dem Hometrainer und<br />

beim Skilanglauf nur eingeschränkt auf<br />

einen Marathon vorbereiten.<br />

Meine Frau kam angeradelt und fragte<br />

mich, wie es laufe. "Es" war richtig, nicht<br />

"er" und nicht "ich" liefen, irgendein "es"<br />

lief irgendwie durch den Bienwald. Ich<br />

verkündete ihr unter der Verkennung aller<br />

Tatsachen, dass ich mich vom 3:30­<br />

Stunden-Zugläufer einholen lassen würde,<br />

da hänge ich mich dann hintendran<br />

und kämpfe Richtung Ziel. Kaum hatte<br />

ich ausgesprochen, hörte ich schon bei<br />

km 31 eine Horde Füße hinter mir. Jetzt<br />

musste ich mich da auch noch dranhängen.<br />

Es war eine eklatante Tempoverschärfung<br />

für mich. Das hielt ich nur 3<br />

km durch, aber wir überholten dabei einen<br />

Stapel Leute. Irgendwie trabte ich<br />

dann vollends Richtung Ziel und war<br />

froh anzukommen. Beim TSV 1860<br />

München in der zweiten Fußballbundesliga<br />

sind 2 x 4 km ein so genannter Willenslauf.<br />

Bei mir war es dieser Marathonlauf.<br />

Ich war gewillt anzukommen<br />

und kam dann irgendwann und irgendwie<br />

an. Das war dann auch in Ordnung.<br />

Ende März und im April 2005 fuhr ich<br />

dann verstärkt Rennrad - u.a. 2 Brevets<br />

(200 km und 300 km) und den Fleche<br />

Allemagne Anfang Mai (Rastatt - Eisenach<br />

im Team - 430 km). Konditionell<br />

war ich gut drauf, vor allem der Grundlagenbereich<br />

passte, so dass ich den<br />

Ultraläufen gelassen und gespannt entgegensah.<br />

14 Tage vor dem Rennsteiglauf musste<br />

ich den Hunderter von Biel aus privaten<br />

Gründen allerdings absagen. Schade.<br />

59


Ich erhielt aber eine Gutschrift für<br />

nächstes Jahr. Dann halt 2006. Aber<br />

nun ging es auf nach Eisenach.<br />

20. Mai 2005:<br />

Die Nacht schlief ich schlecht. Ich war<br />

gespannt wie ein Flitzebogen. 73 km<br />

Laufen. Nur Laufen. Kein Rad und nix.<br />

Ich war mir schon zwei Tage vor dem<br />

Start sicher, dass ich mein Rad vermissen<br />

würde. Vor allem den Berg runter ....<br />

meine armen Radfahrerschenkel ... Ich<br />

ging von einem sicheren Finish in ca. 9<br />

Stunden (eher weniger) aus. Obwohl ich<br />

fast ausschließlich in flachem Gelände<br />

trainiere, müssten mir zumindest die<br />

Bergaufpassagen liegen (ausreichend<br />

Kraft und Athletik - sonst ist das ja hinderlich<br />

beim Laufen, bei einem Ultra<br />

durch den Thüringer Wald dürfte das<br />

aber ein Vorteil sein).<br />

Ich musste noch arbeiten und war ziemlich<br />

müde, als ich das Auto packte.<br />

Nachdem meine Frau auch von der Arbeit<br />

kam, fuhren wir los, immer mal wieder<br />

in kleine Staus und volle Autobahnabschnitte.<br />

Gegen 20.00 Uhr waren wir<br />

in Eisenach, das mir nun besser gefiel<br />

als beim Fleche Allemagne, wo wir mit<br />

unseren Rädern ständig angehupt wurden.<br />

Die Ausgabe der Startunterlagen<br />

war sehr entspannt und fast familiär.<br />

Unser Hotel war voll mit Rennsteigläufern.<br />

Ich schlief erstaunlich gut, und<br />

beim Frühstück um 04.30 Uhr war schon<br />

das halbe Hotel auf den Beinen. Der<br />

Gedanke, lange (ca. 9 Stunden) unterwegs<br />

zu sein, machte mir nichts aus.<br />

Das war ich vom Langstreckenradfahren<br />

gewohnt. Da geht nichts unter 8 Stunden.<br />

Ich aß eine ideale Läufermahlzeit,<br />

nämlich Bratkartoffeln und Rührei.<br />

21. Mai 2005 - Start 06.00 Uhr<br />

Der Marktplatz in Eisenach war voll, die<br />

Atmosphäre sehr entspannt. Ich sah<br />

Werner Sonntag, braungebrannt und<br />

durchtrainiert. Er war der älteste <strong>Teil</strong>­<br />

. nehmer mit 79 Jahren. Ich schaute, ich<br />

sah sie ihm aber nicht an, die 79 Lenze.<br />

Nun war ich doch nervös. Kurz vor dem<br />

Start endlich Nervosität. Ich freute mich<br />

aufs Loslaufen, auf die Hügel und den<br />

Haferbrei. Den berühmten. Und<br />

Schmalzbrote. und vieles mehr sollte es<br />

ja auch geben. Natürlich auch Bier. Ein<br />

Hubschrauber kreiste über dem Marktplatz,<br />

und es ging auch schon los. Winke,<br />

winke, tschüss Ruth. Ruth stand mitten<br />

in der Menge, nur ca. 30 m von der<br />

Startlinie entfernt. Wie gesagt, sehr entspannte<br />

Atmosphäre.<br />

Wir trabten locker durch Eisenach, und<br />

nach 300 m ging es auch schon gut<br />

bergauf. Sehr gut, da konnte ich wenigstens<br />

pinkeln. Es entstand sowieso ein<br />

Stau. Auf den ersten 15 km war teilweise<br />

viel Betrieb - wenn irgendwo einer<br />

stehen blieb oder hinfiel, entstand gleich<br />

wie auf der Autobahn ein Stau. Ich wollte<br />

Energie sparen und beteiligte mich<br />

60<br />

nur wenig an den sehr angeregten Gesprächen.<br />

Wenn die sich bei Kilometer<br />

50 sich auch noch so angeregt unterhalten,<br />

dann habe ich wohl was falsch gemacht<br />

im Training. Aber schon bei Kilometer<br />

25 wurde es deutlich ruhiger, vor<br />

allem nach einer steilen Bergabpassage<br />

auf die Grenzwiese. Zum ersten Mal<br />

vermisste ich mein Rad. Meine Oberschenkelmuskulatur<br />

grüßte mich freundlich.<br />

Ich nahm ihren Gruß zur Kenntnis<br />

und spürte eine leichte Neigung zu einem<br />

Krampf in der Hüftbeugemuskulatur.<br />

Alles was recht ist, aber da bitte keinen<br />

Krampf. Ich trabte vor mich hin, traf<br />

Ruth zum ersten Mal in einer Flachpasage<br />

und war noch erstaunlich gut<br />

drauf. In den Flachpassagen erholte ich<br />

mich immer wieder sehr schnell.<br />

Ab ca. Kilometer 35 signalisierte meine<br />

Muskulatur keine Bereitschaft mehr zu<br />

krampfen. Sehr schön. Dafür signalisierten<br />

meine Oberschenkel den Wunsch,<br />

etwas anderes zu machen. Sorry, liebe<br />

Oberschenkel, aber das ist eindeutig zu<br />

früh. So geht's nicht. Ihr müsst euch<br />

schon ein bisschen anstrengen. Ihr<br />

wusstet doch vorher, auf was ihr euch<br />

da einlasst. Ihr hättet euch ja nicht anmelden<br />

brauchen. Alles was recht ist, so<br />

geht's ja auch nicht. Ich näherte mich<br />

dem Kilometer 40 und irgendwann nach<br />

langer Zeit dem Kilometer 45. Jaaa! Ab<br />

jetzt war ich zufrieden. Der Lauf war<br />

jetzt schon ein voller Erfolg. So weit bin<br />

ich noch nie gelaufen! Ich lief in einem<br />

subjektiv sehr angenehmen Tempo.<br />

Tempomäßig war das viel leichter, als<br />

zu versuchen, im Marathon Bestzeit zu<br />

laufen. Zu diesem Zeitpunkt war der limitierende<br />

Faktor immer noch die Muskulatur<br />

und das Wissen, dass ich noch<br />

30 km zu laufen habe, also meine Kräfte<br />

einteilen musste.<br />

Erst gegen Kilometer 65 ging mein Puls<br />

hoch und höher, ich merkte es in den<br />

Anstiegen, ich lief ja ohne Pulsmesser.<br />

Ich trabte so vor mich hin und schaute<br />

immer schön auf den Boden, bis ich allmählich<br />

registrierte, was ich da schon<br />

eine Weile sah: Ein Paar Sandalen. In<br />

diesen Sandalen steckten durchtrainierte,<br />

ältere Lauffüße und -beine. (Da, wo<br />

ich herkomme, sind Füße Beine und<br />

umgekehrt). Da lief also einer in Sandalen.<br />

Er trabte, ich trabte. Ich schaute<br />

noch einmal - man weiß ja nie - aber es<br />

blieb so: Der ältere Herr lief diesen Ultra<br />

souverän in Sandalen. Das musste ich<br />

dann doch kommentieren. Ich: "Interessante<br />

Schuhe!"! Er: "Deine?" Innerlich<br />

musste ich lachen, äußerlich auch, ließ<br />

es aber bald bleiben, da er es ernst<br />

meinte und ich das Lachen anstrengend<br />

fand. Da läuft einer mit Sandalen 73 km<br />

durch den Thüringer Wald - der Untergrund<br />

ist uneben, die Steine sind<br />

manchmal sehr spitz; teilweise liegt viel<br />

Geröll auf dem Weg - und fragt mich,<br />

der ich normale Laufschuhe an den Fü­<br />

ßen habe, wo sowieso die meisten<br />

Menschen Wanderschuhe anziehen, ob<br />

meine Laufschuhe interessant sind.<br />

Ich: "Nein, deine!"<br />

Eigentlich traute ich mich nicht, ihn zu<br />

duzen, aber er duzte mich mehrfach,<br />

und anscheinend duzen sich ja alle<br />

Sportler. Er: "Musst du auch mal ausprobieren;<br />

ich laufe fast nur in Sandalen.<br />

Aber die muss man vorne abschneiden,<br />

sonst schnabeln sie." A ja, schnabeln.<br />

Alles klar. Es dauerte eine Weile, bis ich<br />

verstand: Das Fußbett der Sandalen ist<br />

im Normalfall länger als der Fuß, und<br />

wenn man mit dieser überlangen Spitze<br />

an z.B. einem Stein hängen bleibt,<br />

gleichzeitig aber weiter läuft, bewegt<br />

sich der Fuß nach oben, wobei gleichzeitig<br />

die Sandale hängen bleibt, d.h.<br />

schnabelt.<br />

Jetzt müssten wir nur noch das mit der<br />

Frau klären, die eigentlich ein Mann ist,<br />

aber zunächst trabte ich weiter und erreichte<br />

Oberhof bzw. den Grenzadler<br />

über einen ruppigen Abstieg im Gras.<br />

Kurz vorher hat es auch noch gut gegossen,<br />

aber ich trabte einfach weiter<br />

und befolgte meine Lauftaktik: An der<br />

Verpflegung kurz stoppen, 2 oder 3 Becher<br />

nehmen und weitergehen Richtung<br />

Ziel. Alles schön konsumieren, wobei<br />

die Laufrichtung das Entscheidende ist:<br />

immer nur Richtung Ziel.<br />

Der Abstieg Richtung Grenzadler war in<br />

Wahrheit kein Abstieg. Es ging schlicht<br />

und ergreifend leicht abwärts auf einem<br />

Grashügel. Meine Oberschenkel empfanden<br />

diese leichte Neigung aber<br />

durchaus als Abstieg. Ich traf mich mit<br />

Ruth, sie fotografierte mich, als ich mit<br />

einem Becher Haferschleim winkte. Ich<br />

trabte weiter, und es kamen noch zwei<br />

wirkliche Anstiege, sonst nur Bodenwellen.<br />

Und direkt in einem Anstieg lief vor<br />

mir eine durchtrainierte, athletische<br />

Blonde mit Kampfhaarfrisur. Sie sah aus<br />

wie Grit Breuer, nur langsamer. Aber<br />

sonst: Genau so. Vielleicht war es ihre<br />

Schwester. Ich trabte hinauf - sie trabte<br />

hinauf. Sie trabte - ich trabte. Dann beschleunigte<br />

sie (fast wie Grit Breuer in<br />

ihren besten Tagen), um in die Büsche<br />

zu verschwinden und zu pinkeln. Sie<br />

stellte sich genau so hin, wie ein Mann<br />

pinkelt und pinkelte wie ein Mann. Ich<br />

schaute dann nicht so genau nach, aber<br />

ich nehme einfach an, sie war ein er. Sie<br />

war ein er, und ich lief ihr hinterher, da<br />

wurde aus ihr ein er.<br />

Natürlich kann man darüber streiten, wie<br />

weiblich Grit Breuer aussieht. Kein<br />

Thema. Aber wenn ich hinter Grit Breuer<br />

herlaufe, würde ich doch sagen, das ist<br />

eine Frau. Aber ich lief hinter dieser<br />

Schwester von G.B. her, und es war mir<br />

klar: Das ist eine Frau. Gut, viel Zeit war<br />

inzwischen vergangen (7 Stunden), dies<br />

forderte Tribut, zunächst am Oberschen­


kel dann an geistiger Substanz. Die<br />

Schenkel würden sich auf jeden Fall<br />

wieder regenerieren, beim Rest war ich<br />

mir im Moment nicht mehr so sicher.<br />

Glücklicherweise kamen immer mehr<br />

Verpflegungsstationen. Unglücklicherweise<br />

ging es von den letzten acht Kilometern<br />

fünf Kilometer ergab. Juchheisa.<br />

Ich wurde nicht schneller, ich wurde<br />

langsamer. Nach und nach wurde ich<br />

überholt, von vielen, die ich unterwegs<br />

immer mal wieder gesehen hatte. Ich<br />

überholte, glaube ich, nur noch 3 Personen,<br />

wurde aber bestimmt 50 Mal überholt.<br />

Ein Holländer sprach mit mir - ich hatte<br />

ihn schon oft gesehen und er mich auch.<br />

Er lief in einem Hollandtrikot und ich im<br />

Trikot des holländischen Radrennstalles<br />

Rabobank (wegen den vielen Taschen).<br />

Aber ich weiß nicht mehr, was er sagte.<br />

Egal. Er war nett. Alles Gute!<br />

Jörg Linder (ganz links) nimmt die Verfolgung auf<br />

Ich erreichte bei km 71,5 die Ausläufer<br />

von Schmiedefeld. Seit mehreren Kilometern<br />

sagten alle Zuschauer immer nur<br />

das gleiche - entweder: "... ist nicht mehr<br />

weit!" oder: "Es geht nur noch bergab!"'­<br />

Das, genau das war ja das Problem.<br />

Und sie wollten es nicht verstehen - "es<br />

geht nur noch bergab" heißt: Kein Ende<br />

der Pein - das ist nicht fein! - Ich mutierte<br />

immer mehr zum Dichter - allerdings<br />

literarisch nicht hochwertig. Auch solche<br />

Sachen wie "Schmiedefeld das<br />

schönste Dorf der Welt!" (später musste<br />

ich lesen, das schon viele andere vor<br />

mir, das gedichtet haben aber als:<br />

"Schmiedefeld - das schönste Ziel der<br />

Welt!") - oder einfach auch: "Schmiedefeid<br />

- wie lieb ich dich!" oder einfach als<br />

Schlachtruf: "Schmie-de':feld!" (3mal).<br />

So wie: Bie - le - feld!" Fußballfans wissen,<br />

was ich meine.<br />

Also ich trabte und es ging angeblich<br />

nur noch bergab, auf einmal kam da ein<br />

Hügel, ein Berg war es gar (in Wahrheit<br />

war es eine minimale Bodenwelle) und<br />

ich kam nicht mehr hoch. Ich ging. Andere<br />

wollten es aber wissen - links rannte<br />

eine Frau vorbei (Grit Breuer?), rechts<br />

rannte eine schlanke Frau vorbei und<br />

trieb einen Mann an, der völlig am Ende<br />

war. Ich hatte den Eindruck, er breche<br />

fast zusammen. Sie: "Auf - auf - auf.<br />

Jetzt noch mal Gas!" Er - aus tiefstem<br />

Herzen: "... uufff!"<br />

Die plötzlich aufkommende Hektik versetzte<br />

mich in Stress- ich machte die<br />

Kuntz-Säge und feuerte ihn an: "Auf<br />

zieh - zieh - da geht noch was!" Grit<br />

Breuer bleib verdutzt stehen - tut mir<br />

leid, dich meinte ich nicht, Grit - die<br />

schlanke Frau schaute mich an, als sei<br />

ich nicht ganz bei Trost - und trieb ihren<br />

Gatten / Freund / Was-auch-immer-erwar<br />

- weiter. Der quälte sich. 50 m weiter<br />

das gleiche Spiel. Es ging einem Höhenmeter<br />

bergauf. Er blieb stehen; sie<br />

peitschte ihn nach vorne, wo schon Grit<br />

Breuer entschwand. Der Arme<br />

tat mir leid. Ich war froh,<br />

dass es wieder ruhig war und<br />

trabte die letzten 500 m Richtung<br />

Stadion. Der Zieleinlauf<br />

war perfekt - es ging 10 Höhenmeter<br />

bergab. Pfui. Langsam<br />

wackelte ich Richtung<br />

Ziel. Der Applaus von rechts<br />

galt mir, dem neuen Ultraläufer.<br />

Der Applaus von links galt<br />

den Kurzstrecklern von der<br />

Marathonstrecke. Der Zielein­<br />

Iauf war sehr bewegend. Das<br />

Publikum schien fachkundig.<br />

Für 20 Sekunden sah ich nur<br />

anerkennende Blicke.<br />

Die Zeit war so, wie ich mich<br />

fühlte: Glorreich (8 Stunden;<br />

26 Minuten).<br />

.Ein neuer Reim tat sich auf:<br />

"Du Stadion von Schmiedefeld - das<br />

schönste der WeiH"<br />

'I-------E-p-i-Io-g------­<br />

Hunger. Ich hatte Hunger. Nach einem<br />

Marathon war mir meistens 2 Stunden<br />

schlecht, jetzt biss ich schon nach 20<br />

Minuten in eine Salami.<br />

Und so geht das nun schon seit einer<br />

Woche: Ich esse, und esse und esse.<br />

Ich habe immer Hunger. Jetzt muss ich<br />

echt aufpassen.<br />

Und eine Freude war das, das erste Mal<br />

das Hotelzimmer zu verlassen - ich ließ<br />

mich von der Erdanziehungskraft das<br />

Treppenhaus hinunterziehen und fing<br />

mich mit den Armen und dem Oberkörper<br />

ab. Und mit praktisch durchgestreckten<br />

Knien begab ich mich dann die<br />

Treppen hinunter. -<br />

Rennsteig historisch<br />

Über kaum einen sportlichen Wettbewerb<br />

sind so viele Bücher, Broschüren<br />

und Festschriften verfasst worden wie<br />

über den Rennsteiglauf.<br />

Der Sportverlag Berlin kam nicht umhin,<br />

dem Volkssportereignis der DDR im<br />

Jahre 1982 eine im Format A5 gehaltene<br />

Broschüre mit dem Titel "Rennsteiglauf"<br />

herauszugeben. Es folgten u.a. die<br />

reichlich bebilderte Ausgabe "Faszination<br />

Rennsteig" (1992) sowie mehrere<br />

Auflagen des Buches der Rennsteigrekorde<br />

"Who is who".<br />

Viele Jahre zuvor erschienen in der Zeitschrift<br />

"Medizin und 'Sport" einige Grundsatzartikel<br />

zu Untersuchungen beim<br />

Rennsteiglauf. Da wurden die positiven<br />

Ergebnisse des Langstreckenausdauerlaufes<br />

nachgewiesen und Kritiker des<br />

Rennsteiglaufes widerlegt. Mit diesen<br />

und weiteren international beachteten<br />

Publikationen zum Thema Rennsteiglauf<br />

von namhaften Sport- bzw. Trainingswissenschaftlern<br />

konnte der Versuch<br />

des damaligen DTSB-Präsidenten Manfred<br />

Ewald zu einem wissenschaftlich<br />

begründeten Verbot des Laufes verhindert<br />

werden. Im Jahre 1976 nämlich hatte<br />

die Leitung der Schiller-Universität in<br />

Jena vom Minister für Hoch- und Fachschulwesen<br />

einen ablehnenden Antwortbrief<br />

erhalten, in dem es unter anderem<br />

hieß: "Nach Rücksprache mit dem<br />

Vizepräsidenten des DTBS der DDR,<br />

der seinerseits Genossen Manfred Ewald<br />

konsultierte, ergibt sich, dass eine<br />

zentrale Gedenklauf-Veranstaltung nicht<br />

akzeptiert wird." Gemeint war der Rennsteiglauf,<br />

denn angeblich lag weder eine<br />

sportpolitische, sportliche oder sportmedizinische<br />

Notwenigkeit vor.<br />

Doch rückgängig konnte diese Bewegung<br />

schon längst nicht mehr gemacht<br />

werden. Die Startkarten. Insbesondere<br />

für die 42-km-Distanz, mussten schließlich<br />

über die jeweiligen Bezirksvorstände<br />

des DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund)<br />

an ambitionierte Vereine verteilt<br />

werden - und so mancher Interessent<br />

ging leider leer aus. Aus Kontrollzwecken<br />

wurde eine zeitlang auch die PKZ<br />

(Personenkennzahl, die im Personalausweis<br />

verzeichnet war) abgefragt - und<br />

wehe, die stimmte nicht. Dennoch gelang<br />

es schon im Jahre 1983 einem gewissen<br />

Werner Sonntag (UM kennt ihn<br />

durch seine regelmäßige Bücherfundgrube)<br />

dank Vermittlung einiger einheimischer<br />

Sportfreunde, "illegal" am Rennsteiglauf<br />

teilzunehmen. Seine Begeisterung<br />

hält übrigens bis heute an: auch<br />

anno, 2005 war der mittlerweile 79­<br />

Jährige wieder mit am Start auf der Supermarathonstrecke!<br />

­<br />

(Auszüge aus "Who is who ... "entnommen)<br />

61


ULTRAMARATHON<br />

historisch (11)<br />

Die Tage danach - Tipps tür Rennsteigläuter<br />

Und auch der nächste Autor war<br />

seinerzeit ein beliebter Berichterstatter<br />

der "Laufbewegung", der<br />

auch in den "schwierigen Jahren"<br />

stets eine Lanze für den Rennsteiglauf<br />

gebrochen hat.<br />

Dr. Wilfried Ehrler<br />

Nach dem Lauf haben wir wohl alle die<br />

gleichen Probleme: treppauf geht es<br />

noch einigermaßen, aber treppab gleicht<br />

der Schritt doch mehr einer Vorführung<br />

des englischen Kabaretts "Institut für<br />

komische Gänge". Aber das sind nur die<br />

musku.lären Erscheinungen. Vor allem<br />

organismisch müssen die Spuren der<br />

langen Belastung abgebaut werden.<br />

Zuerst etwas Theorie: jede Belastung<br />

verändert das innere Gleichgewicht der<br />

Organe und des Stoffwechsels. Bei der<br />

Wiederherstellung einer stabilen Situation<br />

sollte der Körper unterstützt werden.<br />

Es kommt vor allem darauf an, dass die<br />

Energiereserven möglichst schnell wieder<br />

aufgefüllt werden, das gestörte innere<br />

Milieu (Flüssigkeitsdefizit, Säure-Basen-Haushalt,<br />

Mineralstoffe, osmotischer<br />

Druck) wieder normalisiert wird<br />

und das veränderte nervale Gleichgewicht<br />

in Ordnung gebracht werden<br />

muss.<br />

Hauptprinzip<br />

Es müssen mehrere Methoden der Wiederherstellung<br />

angewendet werden. Etwas<br />

Massage oder ein Bad allein helfen<br />

nicht, da es sich bei der Regeneration<br />

um komplexe Vorgänge handelt.<br />

Ernährung<br />

Nach dem Wettkampf kommt es vor allem<br />

darauf an, dass das Flüssigkeitsdefizit<br />

und der Kohlehydratverlust wieder<br />

ausgeglichen werden. Enorm ist ebenfalls<br />

der Verlust an Elektrolyten, der<br />

Körper hat zudem viele Salze und Mineralien<br />

ausgeschwitzt. Reichlich Getränke,<br />

in denen vor allem Natrium, Kalium,<br />

Kalzium und Magnesium enthalten sind,<br />

beheben diesen Mangelzustand. Auch<br />

das seit den letzten Kontrollpunkten<br />

heißersehnte Bier [D.K.: ... das neuerdings<br />

aber nicht mehr im Angebot ist ...]<br />

unterstützt diesen Wiederherstellungsprozess.<br />

Die Kohlehydratspeicher werden am<br />

besten durch eine vollwertige Kost auf­<br />

gefüllt. Wer jedoch Appetit auf ein Stück<br />

Torte verspürt, der muss nicht enthaltsam<br />

sein. Meine Erfahrungen belegen,<br />

dass man in diesem Moment seinem<br />

Appetit vertrauen da'rf. Er ist in den ersten<br />

Stunden nach dem Wettkampf ein<br />

verlässlicher Wegweiser für richtige Ernährung.<br />

Physiotherapie<br />

Bäder, eventuell mit Zusätzen, helfen<br />

beim Abtransport der Stoffwechselprodukte,<br />

die sich in der Muskulatur angesammelt<br />

haben. Ebenso nützlich sind<br />

Bürstungen, leichte Massagen sind<br />

gleichfalls zu empfehlen. Sie sollten aber<br />

nicht an den Stellen erfolgen, wo ein<br />

starker Muskelkater vorhanden ist - also<br />

nicht an der Waden- und Oberschenkelmuskulatur.<br />

Von Saunabädern wird ebenfalls abgeraten,<br />

da der Körper schon während des<br />

Wettkampfes viel Flüssigkeit verloren<br />

hat.<br />

Aktive Erholung<br />

Wer nach dem Lauf absolut passiv ist<br />

und sich nur ausruht, tut seinem Körper<br />

nichts Gutes. Leichte, andersstrukturierte<br />

Bewegungen unterstützen die Wiederherstellung<br />

viel mehr. So kann man<br />

z.B. am Tag nach dem Lauf eine Radtour<br />

unternehmen, schwimmen oder im<br />

Gaiten arbeiten. Diese anders gearteten<br />

Bewegungen entspannen die Muskulatur<br />

und regen den Muskelstoffwechsel<br />

an. Leichte Dehnungsübungen dienen<br />

ebenfalls der Entmüdung. Diese gymnastischen<br />

Formen können den Muskelkater<br />

mildern. Ein Geheimrezept gegen<br />

ihn gibt es jedoch nicht. In der Regel bildet<br />

er sich nach drei Tagen wieder zurück<br />

- mit und ohne Unterstützung.<br />

Weitere Maßnahmen<br />

Ausreichend Schlaf, geistiger Ausgleich<br />

und Harmonie in der unmittelbaren Umgebung<br />

sind Faktoren, die der schnellen<br />

Regeneration förderlich sind. Schließlich<br />

können auch spezielle Entspannungstechniken<br />

wie Yoga, autogenes Training<br />

und ·konzentrative Entspannung eingesetzt<br />

werden.<br />

Mit gezielten Regenerationsmaßnahmen<br />

werden die Belastungen eines Wettkampfes<br />

im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit<br />

auf alle Fälle schneller überwunden.<br />

Damit ist der Läufer auch in der<br />

Lage, das Training früher wieder aufzunehmen.<br />

Aber das ist nicht die Hauptsache,<br />

schließlich kommt es noch mehr<br />

darauf· an, dass wir schneller wieder<br />

leistungs- und genussfähig sind, denn<br />

wer liebt schon einen Rennsteigläufer,<br />

der tagelang müde und abgespannt ist<br />

und über seine Wehwehchen klagt?<br />

Anmerkungen zum Autoren:<br />

Dr. päd., geboren im Mai 1929 in<br />

Schöneck (Vogtland); Sportstudium an<br />

der DHfK und Soziologiestudium an der<br />

Karl-Marx-Universität in Leipzig, Diplomsportlehrer,<br />

Tätigkeit als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter und Oberassistent,<br />

zahlreiche Veröffentlichungen, aktiver<br />

Sportler seit Kindheit, Mitbegründer<br />

der Meilenbewegung in der DDR und<br />

Gründungsvater des Leipziger Triathlons,<br />

27 (!) <strong>Teil</strong>nahmen am Rennsteiglauf,<br />

im Jahre 2002 letztmalig dabei. ­<br />

*********************************************<br />

Die Karikatur "Wild entschlossen" wurde uns<br />

freundlicherweise vom Verein "sv im-puls erfurt"<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

63


Die interessante Statistik<br />

Die Sieger des GutsMuths Rennsteiglaufes über 75 km* von<br />

Eisenach nach Schmiedefeld (Männer I Frauen)<br />

21. Mai 2005 5:27: 17 Helmut Peters 6:05:33 Heidrun Pecker (3)<br />

15. Mai 2004 5: 15:44 Matthias Körner 6: 13: 11 . Heidrun Pecker (2)<br />

17. Mai 2003 5:19:02 Thomas Miksch (4) 5:58:50 Isabella Bernhard (2)<br />

25. Mai 2002 5: 16:00 Thomas Miksch (3) 6:11 :57 Isabella Bernhard<br />

19. Mai 2001 5:24:35 Thomas Miksch (2) 6:20:35 Heidrun Pecker<br />

20. Mai 2000 5:22:30 Thomas Miksch 6:24:34 Birgit Lennartz (7)<br />

15. Mai 1999 5:16:25 Peter Gschwend (SUI) 6:14:00 Birgit Lennartz (6)<br />

16. Mai 1998 5:05:13 Charly Doll 6: 16: 11 Anke Drescher<br />

24. Mai 1997 5:23: 19 Burkhard Lennartz (3) 6:13:36 Birgit Lennartz (5)<br />

18. Mai 1996 4:27:05 Carsten Merz 5:21 :18 Birgit Lennartz (4)<br />

20. Mai 1995 4:35:02 Michael Sommer 5:27:37 Birgit Lennartz (3)<br />

28. Mai 1994 4:26:38 Kazimierz Bak 5:21 :38 Birgit Lennartz (2) .<br />

15. Mai 1993 4:20: 17 Thomas Sperling (2) 5:44:47 Claudia Schmidt<br />

16. Mai 1992 4:39:06 Burkhard Lennartz (2) 5: 11 :33 Birgit Lennartz<br />

25. Mai 1991 4:15:13 Thomas Sperling 5:44:24 Heike Krauss (2)<br />

19. Mai 1990 4:31 :25 Burkhard Lennartz 5:48:54 Heike Krauss<br />

20. Mai 1989 4:23:30 Detlef Wegner (4) 5:43: 19 Edith Nöbel<br />

14. Mai 1988 4:24:32 Detlef Wegner (3) 6:00: 19 Karen Jahns (2)<br />

16. Mai 1987 4:30:24 Peter Grüning 5:42:31 Karen Jahns<br />

24. Mai 1986 4:37:24 Detlef Wegner (2) 5:54:41 Monika Bianchin (2)<br />

18. Mai 1985 4:34:04 Dietmar Knies (4) 5:48:47 Monika Bianchin<br />

26. Mai 1984 4:48:00 Detlef Wegner 6:39:00 Sigrun Macheleidt<br />

14. Mai 1983 4:55:00 Gerhard Fischer 6:29:00 Marid Helbig<br />

22. Mai 1982 5:09:08 Dietmar Knies (3) 6:38:46 Petra Zocher<br />

23. Mai 1981 5: 12:00 Gerhard Baumann (2) 7:11 :00 Beatrix Wernicke<br />

17. Mai 1980 5:02:00 Dietmar Knies (2) 8:08:00 Irmgard Neumärker (2)<br />

26. Mai 1979 5:21 :00 Dietmar Knies 8:25:00 Christa Moser<br />

20. Mai 1978 5: 12:00 Gerhard Baumann 8:53:00 Irmgard Neumärker<br />

21. Mai 1977 5:05:00 Dieter Wiedemann 9:22:00 B. Rohleder (2)<br />

15. Mai 1976 5:04:00 Roland Winkler 9:52:00 B. Cienskowski & B. Rohleder<br />

10. Mai 1975 6:16:00 Wolfgang Kahms ohne Zeit Christin Cladun<br />

17. Mai 1974 . 10:35:00 Rainer Knoch + keine <strong>Teil</strong>nehmerinnen<br />

13. Mai 1973 9:55:00 H.-G. Kremer + keine <strong>Teil</strong>nehmerinnen<br />

Anmerkungen<br />

Die Finisher im Jahre 1973 waren Hans-Georg Kremer, Wolf-Dieter Wolfram, Hans-Joachim Römhild<br />

und Jens Wötzel, die Finisher des Jahres 1974 hießen Rainer Knoch, Hans-Georg Kremer, Hans-Joachim<br />

Römhild, Jens Wötzel, Gert Clausnitzer, Klaus Gottert, Wblfgang Schuck und Siegfried Ziegann.<br />

Die Siegerzeiten der Jahre 1973 bis 1981 sowie 1983 und 1984 wurden in dieser Tabelle aus optischen<br />

Gründen auf volle Minuten gerundet, da die exakten Zeiten in den Unterlagen nicht verzeichnet<br />

waren.<br />

Streckenlängen<br />

100 km -7 1973 und 1974<br />

50 Meilen -7 nur 1975<br />

68 km -7 1983 bis 1985 (schwankende Länge zwischen 67 km und 68.3 km)<br />

65 km -7 1986 bis 1996 (schwankende Länge zwischen 63.8 km und 66.5 km)<br />

75 km -7 ab 1997 (schwankende Länge zwischen 72.7 km und 76 km)<br />

64


Rennsteiglauf-Sieger Helmut Peters im Interview<br />

Helmut, zunächst die Standardfrage:<br />

Wer ist Helmut Peters?<br />

Ich komme aus Schleiden in der Nähe<br />

von Aachen, bin Inhaber eines Sportgeschäftes,<br />

im August 1966 geboren, verheiratet<br />

und seit dem 22.07.05 Vater eines<br />

Sohnes. Außer zum Laufen bleibt<br />

mit nur noch Zeit, um mit unseren beiden<br />

Golden-Retriever-Hunden durch die<br />

Natur zu streifen.<br />

Auch Deine läuferische Visitenkarte<br />

ist sicher interessant... !?<br />

Ich bin Läufer seit 1985 und kann auch<br />

auf recht ordentliche Bestzeiten verweisen:<br />

10 km in 33:10, Marathon in<br />

2:33:20,50 km in 3:17:40 und 100 km in<br />

7:26:28. Im Training bin ich absoluter<br />

Autodidakt getreu dem Motto: "Jeder<br />

Meter, den man läuft, muss Freude bereiten."<br />

Und in meinem Beruf kommt<br />

man natürlich günstig an jede Menge<br />

Fachliteratur heran.<br />

Wie bekommst Du als Geschäftsmann<br />

Beruf und Sport unter einen<br />

Hut?<br />

Jeden Werktag, also von Montag bis<br />

Samstag, ist ab 6.00 Uhr Training angesagt,<br />

und zwar in der Regel ca. 1Y><br />

Stunden, anschließend bin ich wie gesagt<br />

noch mal eine Stunde mit den Hunden<br />

unterwegs. Von 9.30 Uhr bis ca. 20<br />

Uhr findet man mich dann im Geschäft.<br />

Und sonntags beginnt mein Training um<br />

8.00 Uhr und dauert etwa 2Y> Stunden.<br />

Wie würdest Du Deine weiteren sportlichen<br />

Ziele definieren?<br />

Nach dem Sieg beim Rennsteiglauf ist<br />

es natürlich schwer, neue Ziele zu finden.<br />

Zumal ich in den letzten fünf Jahren<br />

6 Marathon- und 3 Ultraläufe gewonnen<br />

habe ...<br />

In der Ergebnisliste des Rennsteiglaufes<br />

steht bei Dir als Vereinsname<br />

"Sportteam Peters", für einen Außenstehenden<br />

ein relativ nichtssagender<br />

Begriff ...<br />

Ich bin hier aus Werbezwecken unter<br />

meinem Firmennamen gestartet. Ansonsten<br />

laufe ich für den SV Bergwacht<br />

Rohren, und meine 100-km-Bestzeit bin<br />

ich im Jahre 2000 für den LC Euskirchen<br />

gelaufen.<br />

Kommen wir nun mal zum Rennsteiglauf.<br />

Manche können auf 25 und mehr<br />

<strong>Teil</strong>nahmen verweisen. Wie viele Mal<br />

warst Du schon dabei?<br />

Da kann ich natürlich bei weitem nicht<br />

mithalten, denn ich habe hier erst im<br />

Jahre 2004 mein Debüt gegeben. Aber<br />

die Bilanz von einem dritten und einem<br />

ersten Platz kann sich sicher sehen lassen.<br />

Was hat Dich denn 2004 zum Rennsteiglauf<br />

"getrieben"?<br />

Da ich seit ein paar Jahren nur noch<br />

Landschaftsläufe bestreite, musste ich<br />

ganz einfach auch unbedingt mal zum<br />

Rennsteig kommen. Denn dessen Ruf<br />

hat sich sogar bis nach Schleiden herumgesprochen.<br />

Ein klasse Lauf, den<br />

ich unbedingt weiterempfehlen möchte.<br />

Helmut Peters (links) und Ralph Koritz stehen nach dem Zieleinlauf Rede und Antwort<br />

Mit welchem Ziel bist Du nach Deinem<br />

überraschenden 3. Platz im Vorjahr<br />

denn diesmal ins Rennen gegangen?<br />

Mein Ziel beim Rennsteig 2005 war einfach<br />

nur, das Rennen zu genießen und<br />

unter 6 Stunden zu bleiben. Wenn ich<br />

bisher mit solch lockeren Einstellungen<br />

gestartet bin, lief es meist am besten.<br />

So war es eben auch diesmal. Doch ich<br />

kann es immer noch nicht glauben, den<br />

Rennsteig gewonnen zu haben und nun<br />

vielleicht in einem Atemzug mit Doll,<br />

Körner und Miksch genannt zu werden!<br />

Wie bist Du denn nach diesem Erfolg<br />

daheim in Schleiden empfangen worden?<br />

In den lokalen Medien wurde natürlich<br />

ausführlich über mich berichtet, d.h. Zei­<br />

tungs- und Radiomeldungen, und es<br />

kam sogar ein Gratulationsschreiben<br />

vom Bürgermeister. Und meine Thüringer<br />

Fans haben mir viele Zeitungsausschnitte<br />

zugeschickt. Das ganze hat so<br />

zu meiner großen Freude auch eine<br />

sehr positive Wirkung auf meine Kundschaft!<br />

Und was macht Helmut Peters im Mai<br />

2006?<br />

Wenn ich verletzungsfrei bleibe und ordentlich<br />

durchtrainieren kann, werde ich<br />

da ganz bestimmt wieder am Rennsteig<br />

teilnehmen mit dem Ziel, das ich auch<br />

2005 hatte. Doch wie ich hörte, will<br />

Ralph Koritz dann nicht mehr dabeisein.<br />

Apropos Ralph Koritz. Wie siehst Du<br />

mit ein wenig Abstand das Malheur<br />

von Ralph Koritz, als er sich in führender<br />

Position verlaufen und dabei<br />

mehrere Minuten verloren hat?<br />

Für mich war Ralph Koritz, der im Vorjahr<br />

ja nur ganz knapp von Matthias<br />

Körner geschlagen wurde, der klare Favorit!<br />

Wir sind alle Sportkameraden und<br />

jeder darf gewinnen! Allerdings bin ich<br />

an der Stelle, wo Ralph sich verlaufen<br />

hat, auch ganz alleine gelaufen und habe<br />

den Weg - trotz meiner erst zweiten<br />

<strong>Teil</strong>nahme - auch gefunden. Alles andere<br />

wäre Spekulation und sollte nicht<br />

kommentiert werden ­<br />

I<br />

Anmerkung: Das Interview führte der Pressewart<br />

wenige Tage nach Helmuts großem<br />

Erfolg per Telefon.<br />

65


Zielschluß als Alterssport?<br />

Die aktuelle Lesermeinung - von Werner Sonntag<br />

Aspekte des Seniorenlaufs beim GutsMuths-Rennsteiglauf (Supermarathon)<br />

Dieser Beitrag geht auf den Brief einer Läuferin an den Verfasser sowie auf Gespräche während und nach dem<br />

100-km-Lauf in Biel zurück. Der Text bezieht sich zwar konkret auf den GutsMuths-Rennstei,glauf, ist jedoch auch<br />

für andere Laufveranstaltungen relevant.<br />

Zielsetzung: Aus der Alterung der Gesellschaft müssen Volkslaufveranstalter die Konsequenzen ziehen. Dies<br />

bedeutet, sich anders als bisher darauf einzustellen, die höheren Altersgruppen zu integrieren. Insbesondere<br />

Landschaftsläufe, die keinen Wettbewerbscharakter in dem durch Verbände definierten Sinn haben, müssen<br />

trainierten Alten die Möglichkeit bieten, ihrem Sport verbunden zu bleiben. Dies gilt in hohem Maße für den<br />

GutsMuths-Rennsteiglauf, der von seiner Geschichte und seinem Charakter her ein echter Volkslauf ist. Dabei<br />

sollte die große Herausforderung des Supermarathons auch für trainierte Alte erhalten bleiben. Zielschlußzeiten<br />

müssen darauf Rücksicht nehmen.<br />

Fakten und Perspektiven: Die Zahl der in höherem Lebensalter Sporttreibenden wächst. Bis zum Jahr 2050 wird<br />

eine Verdreifachung der gegenwärtigen Zahl der Achtzigjährigen und Älteren angenommen. Zu berücksichtigen<br />

ist, daß die Zahl der über achtzigjährigen Männer infolge der Kriegsverluste im Vergleich zu einer normalen<br />

Alterspyramide zur Zeit noch erniedrigt ist. Die Erreichung von 100 Lebensjahren rückt von der Ausnahme in den<br />

Bereich der realen Möglichkeit für diejenigen, die ein höheres Lebensalter ohne größere gesundheitliche<br />

Beschwerden erreicht haben. Der Anteil der Achtzigjährigen und Älteren an der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />

Deutschland wird von gegenwärtig 4 % auf 12 % steigen. Das Potential der leistungsbetonten Seniorenläufer von<br />

80 Jahren und älter liegt dann in einem Bevölkerungsanteil von 9,1 Millionen Menschen, bei gleichzeitigem<br />

Rückgang des Anteils an jüngeren Menschen. Diese Entwicklungstendenz spiegelt sich bereits gegenwärtig<br />

wider. Die Marathon-Statistik von Peter Greif führt für das Jahr 2004 insgesamt 811 deutsche Marathonteilnehmer<br />

im Alter von 65 Jahren und mehr auf, eine Zahl, die am Beginn der Volkslaufentwicklung in den<br />

sechziger Jahren nicht vorstellbar erschien. Aus dem Potential der Marathonteilnehmer schöpft auch die<br />

Ultramarathon-Bewegung. Für den 100-km-Lauf in Biel haben für das Jahr 2005 insgesamt 76 Läuferinnen und<br />

Läufer im Alter von 65 Jahren und mehr (davon 30 im Alter von 70 bis 79 Jahren) gemeldet. Am Supermarathon<br />

des Rennsteiglaufs haben in diesem Jahr 39 Angehörige dieser Altersgruppen teilgenommen (davon nur 9 im<br />

Alter von 70 bis 79 Jahren). An diesem Vergleich zeigt sich, daß der Rennsteiglauf mit dem Supermarathon<br />

gerade erst wenig mehr als die Hälfte des in Biel aktivierten Alterspotentials an sich gebunden hat. Gegenwärtig<br />

mag dies nicht relevant erscheinen. Blickt man jedoch auf die demographische Perspektive, die Verdreifachung<br />

der Zahl der Achtzigjährigen, fällt der Vergleich ins Gewicht. Die Folgen einer Vernachlässigung dieses Aspekts<br />

zeigen sich an der Stagnation der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen bei Meisterschafts-Ultrawettbewerben. Rigide Regeln aus<br />

dem Leistungssport der Jüngeren, die in der Vergangenheit in traditionellen Sportarten bereits mit 35 Jahren als<br />

"Alte Herren" bezeichnet worden sind, ermöglichen die <strong>Teil</strong>nahme nur wenigen aus dem wachsenden Potential<br />

der über Fünfundsechzigjährigen.<br />

Parallel zu den demographischen Veränderungen ist von einer Feminisierung des Sports, gerade auch des<br />

Laufsports, auszugehen. Grundsätzlich sind Frauen dem Wettkampfsport weniger zugeneigt als Männer. Beobachtungen<br />

lassen vermuten, daß sich der relativ noch geringe Frauen-Anteil an Wettbewerben ändern wird. Im<br />

Positiven wie im Negativen ist eine Angleichung der Frauen an Verhaltensweisen von Männern zu beobachten<br />

(Rauchen, Zunahme von Herzerkrankungen bei Frauen, aggressives Autofahren wie bei Männern). Nach der<br />

These Ernst van Aakens sind Frauen ausdauernder als Männer. Es ist zu erwarten, daß sich die derzeit noch<br />

geringe Zahl der Frauen bei Ultraläufen erhöhen wird, zum einen, weil Frauen ihr Ausdauerpotential entdecken,<br />

zum anderen, weil sie beim Ultralauf anders als beim Marathon nicht unbedingt in Konkurrenzsituationen geraten;<br />

die Strecke, nicht eine höhere Geschwindigkeit als die Konkurrentin, stellt für sie die Herausforderung dar.<br />

Möglicherweise veranschlagen Frauen den Erlebnischarakter von Ultraläufen höher 'als Männer. Waren es<br />

zunächst nur wenige Namen von Älteren, die in der Ultramarathon-Bewegung in Erscheinung traten - Eva-Maria<br />

Westphal, Rosa Vögeli, Christel Vollmerhausen, Gerda Schröder :, so wachsen jetzt erheblich mehr leistungsstarke<br />

Läuferinnen in die höheren Altersklassen hinein. Im allgemeinen finden Frauen weniger hohe Altersklassen<br />

vor als Männer, wiewohl es keine physiologischen Gründe gibt, daß die Ausdauerfähigkeit für einen 100-km-Lauf ­<br />

bei Frauen geringer sei als bei Männern.<br />

Folgerungen für Verbände und Veranstalter: Die von Ernst van Aaken aus gutem Grund gegründete Interessengemeinschaft<br />

älterer Langstreckenläufer hat sich mit der Namensänderung von IGÄL in IGL von ihren<br />

ursprünglichen Zielen verabschiedet. Eine Interessenvertretung der Älteren im Laufsport erscheint angebracht;<br />

dies könnte in einem "Arbeitskreis der Seniorenläufer" auch ohne Vereinsform geschehen.<br />

Alterssport kann gerade im Laufsport nicht bedeuten, auf ein wesentliches Element des Sports, die Herausforderung<br />

und den Wettbewerb, zu verzichten. Mit der wachsenden Zahl alter Menschen, die im Volkslauf aktiv<br />

sind, stoßen immer mehr Menschen an die zwangsläufig willkürlich festgelegten Grenzen. Sie erreichen eines<br />

Tages das Ziel innerhalb der vorgegebenen Zeit nur noch mit zeitlichem Streß, der ein Disstreß und kein Eustreß<br />

ist, überschreiten den Zielschluß oder werden aus dem Rennen genommen. -<br />

Leistungsstarke Altersläufer sind gezwungen, sich von Herausforderungen zu verabschieden, zum Beispiel beim<br />

Rennsteiglauf Franz Weißenböck. Wer wie er in hohem Alter (damals) 74 Kilometer innerhalb der geforderten Zeit<br />

66


zu laufen vermochte, ist vermutlich auch in den folgenden Jahren noch in der Lage, diese Strecke zu laufen,<br />

benötigt jedoch eine längere Zeit.<br />

Da Frauen eine niedrigere Grundschnelligkeit als vergleichbare Männer haben, sind Frauen in den hohen Altersklassen<br />

benachteiligt; sie müssen das Ziel innerhalb derselben Zeit erreichen wie Männer, obwohl sie ge­<br />

. schlechtsspezifisch langsamer sind. Durch rigide Zielschlußzeiten werden sie abgeschreckt. Daraus erklärt sich,<br />

daß hohe weibliche Altersklassen bei Marathon- und Ultramarathonläufen gar nicht vorkommen. Man kann<br />

jedoch nicht an Seniorinnen appellieren, sich zu Ultraläufen anzumelden und dann erst die entsprechenden<br />

Altersklassen einrichten; man muß in Vorleistung treten und beharrlich eine W 70, 75 und später auch W 80<br />

anbieten. Die schriftlich nicht fixierte Absprache im DLV, Plazierungen erst zu werten, wenn rnindestens drei<br />

<strong>Teil</strong>nehmer einer Altersklasse am Start sind, gehört revidiert. Sie trägt dazu bei, Resignation zu bewirken.<br />

Unter diesen Aspekten sind Marathon-Zielschlußzeiten von 5 Stunden zu eng bemessen, wenn es sich um<br />

Veranstaltungen mit Volkslaufcharakter handelt. Auch Ultrastrecken müssen daraufhin geprüft werden. Insofern<br />

haben die Veranstalter der Bieler Lauftage mit der Herabsetzung des Zielschlusses um weitere zwei Stunden das<br />

falsche Zeichen gesetzt, auch wenn die Zieleinläufe nach mehr als 20 Stunden nicht relevant erscheinen. Eine<br />

spektakuläre Leistung wie die des 90jährigen Dr. Adolf Weidmann, die für propagandistische Zwecke des<br />

Alterssports gern in Anspruch genommen wird, wäre heute nicht mehr gestattet. Der Wegfall der Funktionen einer<br />

Frauenwartin und eines Alterssportwartes im Präsidium der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung ist in diesem<br />

Sinne ebenfalls kontraproduktiv.<br />

Das Argument, daß alte Menschen erkennen müßten, eines Tages Abschied vom Wettbewerbssport zu nehmen,<br />

gilt offenbar nur für den Laufsport, nicht jedoch in den klassischen Leichtathletik-Disziplinen. Hier finden<br />

Kurzstreckenläufe ohne Altersbeschränkung oder zeitliche Qualifikationen statt. 100 Meter darf man hier in<br />

beliebiger Zeit laufen. Für ältere Menschen sind die Leistungsnormen bei der Ablegung der Sportabzeichen­<br />

Prüfung erniedrigt. Da ist keine Rede davon, daß Achtzigjährige zu alt dafür seien. Ausgerechnet bei Ausdauerprüfungen<br />

jedoch sollen Menschen in einem Alter, in dem unter den fünf Aktualfähigkeiten am ehesten noch die<br />

Ausdauer erhalten geblieben ist, aus den Veranstaltungen gedrängt werden. Zwar wird sich die Alterspyramide<br />

des Sports nur allmählich erhöhen, aber die Veranstalter sollten bereits von Anfang an das Angebot für ein<br />

höheres Alterspotential bereithalten. Wenn erst einmal Alterssportler zwangsläufig weggeblieben sind, wird es<br />

schwer, wenn nicht gar unmöglich, diese wieder für eine Laufveranstaltung zu gewinnen; Motivation und<br />

Trainingsanreize gehen verloren. Sechs- und Zwölfstunden-Läufe sind kein Ersatz für Landschaftsläufe.<br />

Praktische Umsetzung: Nicht bei allen Veranstaltungen wird eine zeitliche Ausweitung möglich sein. Dort, wo<br />

öffentliche Straßen benützt werden, wird die Handhabung der Verkehrssicherungspflicht auf Grenzen stoßen. Bei<br />

Meisterschaften ist der Zeitaufwand für die Auswertung noch am seiben Tag zu berücksichtigen. Um so mehr<br />

sollten sich die Veranstalter von Landschaftsläufen dazu aufgerufen fühlen, mit ihren Zielschlußzeiten alten<br />

Läuferinnen und Läufern entgegenzukommen. Dies gilt in Deutschland besonders für den Supermarathon des<br />

GutsMuths-Rennsteiglaufs. Eine Verlängerung des Zielschlusses um zwei Stunden auf 20 Uhr scheint möglich.<br />

Bisher schon ist Rücksicht auf noch auf der Strecke befindliche Läufer genommen worden; doch sollten solche<br />

<strong>Teil</strong>nehmer nicht von Gnade und Barmherzigkeit abhängig sein, sondern von vornherein in die Wertung<br />

einbezogen werden. Die Tatsache, daß die Strecke über Wanderwege führt, läßt eine zeitliche Ausweitung zu.<br />

Die Verkehrssicherung beim Passieren der Straße vor Schmiedefeld könnte aufgehoben werden; es ist den<br />

<strong>Teil</strong>nehmern zuzumuten, daß sie die Straße auf eigenes Risiko überqueren, zumal hier ohnehin der Gehschritt<br />

praktiziert wird. Auch die Verpflegungsstationen auf den 17 Kilometern zwischen Oberhof und Schmiedefeld<br />

könnten wie bisher abgebaut werden. <strong>Teil</strong>nehmern, die zu dieser Stunde unterwegs sind, ist zuzumuten, daß sie,<br />

wenn erforderlich, eine Trinkflasche mit sich führen. Es verzögert sich nur die Einziehung etlicher<br />

Markierungsbänder; niemand wird Anstoß nehmen, wenn das erst am nächsten Tag geschieht. Die Moderation<br />

am Ziel muß nicht ausgedehnt werden; es genügt, wenn die notwendigen Funktionen, Zeitkontrolle, Überreichung<br />

einer Medaille und des Gepäcks, zwei Stunden länger ausgeübt werden. Da zu dieser Zeit in Schmiedefeld noch<br />

der Festbetrieb im Gange ist, läßt sich die Infrastruktur ohne weiteres aufrechterhalten. Auch das Angebot eines<br />

Kleinbusses mit Abfahrt um 20.30 Uhr nach Eisenach müßte sich bei vorbestellter Belegung organisieren lassen.<br />

Bereits in der Vergangenheit hat die Organisation des GutsMuths-Rennsteiglaufs durch die Ausweitung auf<br />

andere Angebote als Supermarathon und Marathon Mehrbelastungen in Kauf genommen. Es sollte möglich sein,<br />

auch die Ausweitung des Zielschlusses für den Supermarathon zu verkraften. Der Rennsteiglauf könnte damit<br />

eine Vorreiterrolle für den Zugang von Senioren zu anspruchsvollen Strecken spielen - dies um so mehr, als eine<br />

Ausweitung bei alpinen Läufen nur sehr eingeschränkt möglich wäre.<br />

Erwartungen: Es ist anzunehmen, daß die Berücksichtigung von Seniorenläuferinnen und -läufern in-Ger gesamten<br />

Volkslaufbewegung honoriert würde und damit vielleicht sogar einen Anschub für die unteren Altersklassen<br />

brächte. Nicht nur soziale Gründe sprechen für eine Ausweitung von Zielschlußzeiten, sondern auch<br />

gesundheits- und sportpolitische Gründe. Seniorenläuferinnen und -läufer haben für die Öffentlichkeit Vorbildcharakter.<br />

Ihr vermehrtes Auftreten könnte vor Augen führen, daß alte Menschen zwar nicht mehr durch<br />

Schnelligkeit, sehr wohl aber durch Ausdauer mit Jüngeren gleichziehen können. Nicht Schnelligkeit, sondern<br />

Ausdauer-Disziplinen sind gesundheitsrelevant.<br />

Anmerkung: Der Autor schreibt seine Beiträge in konservativer Rechtschreibung! Gleiches gilt für seine "Bücherfundgrube" auf<br />

den Seiten 128 und 129.<br />

67


11. "13.07.05<br />

Badwater-UItramarathon<br />

In Californien (USA) über 217 km<br />

Bernhard Sesterheim<br />

"Läufer, laufe, und mit einem starken<br />

Willen und gutem Training kannst Du<br />

dem Stolz einer furchteinflößenden Distanz<br />

trotzen".<br />

Ich habe diesen von Sri Chinmoy stammenden<br />

Spruch in die Tat umgesetzt,<br />

und jetzt, über drei Wochen nach diesem<br />

bestandenen Abenteuer, fühle ich<br />

mich in der Lage, "meine" Geschichte<br />

über dieses einzigartige Rennen zu erzählen:<br />

Aufmerksam geworden auf dieses Rennen<br />

bin ich im Jahre 2000, dem Beginn<br />

meiner Laufkarriere, als mir eine Ausgabe<br />

des "Running" auffiel. Die Titelge­<br />

schichte hieß: "Joe Kelly im Tal des To­<br />

des". Dieser Bericht faszinierte<br />

mich außerordentlich,<br />

und somit war der Keim für<br />

mein jetzt ganz kurz zurückliegendes<br />

Intensiverlebnis<br />

gelegt. Nachdem ich im Juni<br />

2000 in der Eifel meinen ers­<br />

ten Volkslauf, den Eifelmara­<br />

thon, mit sehr großer Mühe beendete,<br />

folgten im gleichen Jahr noch vier weitere<br />

Marathons. Im darauffolgenden Jahr<br />

absolvierte ich bereits den ersten Ultramarathon<br />

im Thüringer Wald. In 2002<br />

war mit dem Sahara-Marathon in der<br />

Südwestecke Algeriens bei Tindouf in<br />

den Flüchtlingslagern der Polisario bereits<br />

der 1. Wüstenmarathon bewerkstelligt<br />

worden. Im April 2003 brachte ich<br />

den "Marathon des Sables" in Marokko<br />

erfolgreich zu Ende,. um dann im Oktober<br />

des gleichen Jahres die Diagonale<br />

der Verrückten, einen Berglauf über<br />

140 km und 8.000 Höhenmetern, auf der<br />

französischen Überseeinsel La Reunion<br />

im Indischen Ozean zu bestehen.<br />

Als ich im Frühjahr 2004 von dem runex<br />

123-Projekt erfuhr, meldete ich mich so- .<br />

gleich bei Dr. Finkernagel als Supporter;<br />

bot mir dies doch die Möglichkeit, mich<br />

mit den Eigenheiten des Badwater-UItramarathons<br />

vertraut zu machen, was<br />

sich in der Tat als Vorbereitung für meine<br />

eigene läuferische <strong>Teil</strong>nahme von<br />

unschätzbarem Wert erwies. Im Herbst<br />

desselben Jahres war ich dann wieder<br />

auf Reunion. Diesmal begleitete mich<br />

Sigrid Eichner, die lebende deutsche<br />

Lauflegende, die als einzige Frau welt-<br />

68<br />

In 60 Stunden zum Mt. Whitney Portal<br />

weit bis April 2005 sage und schreibe<br />

über 1.000 Marathons gelaufen ist. Das<br />

Rennen auf der französischen Tropeninsei<br />

begeisterte Sigrid genau wie mich,<br />

und als ich ihr vom "Badwater" erzählte,<br />

war sie sofort "Feuer und Flamme". Im<br />

Januar bewarben wir uns bei Chris<br />

Costman, dem Renndirektor, und die<br />

Einladung kam ...<br />

Günther Böhnke war den "Badwater" voriges<br />

Jahr bei der runex 123-Gruppe gelaufen<br />

und bot sich mir damals schon<br />

als Supporter an, denn er wollte dieses<br />

Rennen auch mal von der Betreuerseite<br />

aus erleben. Mein Lauffreund Richard<br />

Sever, mit dem ich schon ab 2000 trainiert<br />

habe und der als Lehrer einer High­<br />

School in Baumholder die Kinder der<br />

amerikanischen Soldaten unterrichtete,<br />

ging 2003 in Rente und wohnt in der<br />

Nähe von San Francisco. Schon 2002<br />

bot er mir an, mich bei einem Rennen im<br />

Death Valley zu betreuen. Damals war<br />

es für ihn sicherlich ein "joke". Als ich<br />

ihn dann Ende 2004 auf dieses Ereignis<br />

hin ansprach, 'erklärte er sich sofort bereit,<br />

mir Hilfestellung zu gewähren .....<br />

Als Vorbereitung lief ich dieses Jahr Marathons<br />

und Ultras am laufenden Band.<br />

Es waren Doppeldecker und auch Dreifachdecker<br />

dabei, nämlich Marathons an<br />

zwei bzw. drei nachfolgenden Tagen.<br />

Sogar einen Fünffachdecker absolvierte<br />

ich im Mai, es war der Isarlauf von der<br />

Mündung der Isar bis zur Quelle (334<br />

km in 5 Tagen). Als letztes Rennen beendete<br />

ich die 100 km von Biel geplant<br />

im ruhigen Schritt in etwas über 16<br />

Stunden. Insgesamt waren es seit Silvester<br />

2004 24 Rennen mit mehr als 42<br />

Kilometern, was mir dann als Vorbereitung<br />

für dieses "Badwater-Monster" ausreichend<br />

erschien.<br />

Montag, 11. Juli, 6.00 Uhr a.m., kalifornische<br />

Zeit<br />

Unmittelbar nach dem Verklingen der<br />

amerikanischen Nationalhymne erfolgt<br />

der Start-Count-Down. Ein Pistolenschuss<br />

ertönt, und für ein Häuflein von<br />

ca. 30 Ultralanglaufenthusiasten beginnt<br />

eine lange und beschwerliche Reise in<br />

die "Unendlichkeit". Und die ist 217 km<br />

lang und führt immer auf einer guten,<br />

asphaltierten Straße vom jetzt tiefsten<br />

Punkt der westlichen Hemisphäre, der<br />

Platz heißt Badwater, zum höchsten<br />

Berg der USA außerhalb Alaskas, dem<br />

Mt. Whitney.<br />

Es startet jetzt die erste und langsamste<br />

von drei Startergruppen. Die nächsten<br />

beginnen das Rennen jeweils zwei<br />

Stunden zeitversetzt. Mit in dieser Gruppe<br />

sind unter anderem Klaus Micka,<br />

Holger Finkernagel, Karlheinz Kobus<br />

und Sigrid Eichner. Im Moment ist es<br />

noch schattig und mit ca. 38 0 Celsius<br />

"gefühlsmäßig kühl". Wie immer bei diesen<br />

Laufereignissen zieht sich das Läuferfeld<br />

schnell auseinander.<br />

Ja, jetzt bin ich da, wohin ich seit Wochen<br />

hingefiebert habe, bei einem der<br />

wirklich härtesten Rennen der Welt.<br />

Körperlich und mental bin ich bestens<br />

vorbereitet; ich habe mich aufs Finishen<br />

programmiert. Nur Ankommen zählt, die<br />

Soll-Zeit von 60 Stunden will ich einhalten.<br />

In kurzer Zeit habe ich meinen<br />

Rhythmus gefunden und trabe auf den<br />

Ebenen und bergab. Auf dem welligen<br />

Gelände geht es ständig hoch und runter,<br />

wobei ich bei Steigungen sofort in<br />

den Gehschritt wechsele.<br />

Sigrid habe ich<br />

mittlerweile einige<br />

100 m<br />

hinter mir gelassen<br />

und<br />

laufe jetzt mit<br />

Jack Deness<br />

oder auch Mad<br />

genannt. Er ist ein 70-jährger Engländer,<br />

der das Rennen heute zum 12. Mal in<br />

Folge macht. Auch mit dem blinden Miles<br />

Geoffry aus Großbritannien und seinem<br />

Begleiter Cook komme ich ins Gespräch.<br />

Cook führt seinen sehunfähigen<br />

Freund an einem Walking-stock hinter<br />

sich her. Da jeder sein eigenes Tempo<br />

läuft, sind diese Gespräche immer nur<br />

von kurzer Dauer.<br />

Die Straße verläuft am Rande eines großen<br />

Salzsees und ist von Gebirgsketten<br />

links und rechts umgeben. Ca. 10 km<br />

bis 15 km ist das Tal des Todes an dieser<br />

Stelle breit. Die rechte Gebirgskette<br />

heißt Funeral Mountains, was auf<br />

Deutsch Beerdigungsgebirge heißt ...<br />

Noch weitere Plätze mit nachdenklich<br />

stimmenden Bezeichnungen werden folgen,<br />

nämlich Devil"s Golf Course, Furnance<br />

Creek (Ofenbach), Devil"s Cornfield,<br />

oder Stovepipe Wells (Ofenrohrbrunnen).<br />

Warum das so ist, wird jedem<br />

klar, der sich im Hochsommer in diese<br />

Gegend begibt. Es sind die Temperaturen,<br />

bei denen sich nur der Teufel wohlfühlen<br />

kann. Normale Menschen verschlägt<br />

es im wahrsten Sinne des Wortes<br />

den Atem.


Temperaturen von weit über 50 0 Celsius<br />

sind zumindest für den Mitteleuropäer<br />

mal nur sehr kurzfristig in der Sauna<br />

zu ertragen.<br />

Jetzt, in diesem Moment, sind wir noch<br />

von den 50 0 entfernt, da wir im Schatten<br />

laufen. Ein Zustand, der sich nach<br />

und nach ca. einer Stunde ändert, denn<br />

nachdem die Sonne hinter den Funeral<br />

Mountains aufgeht, klettert sofort die<br />

Quecksilbersäule des Thermometers rapide.<br />

Unmittelbar nach dem Sonnenaufgang<br />

bringt mir Günter schon das erste mit<br />

Eiswasser getränkte Handtuch und legt<br />

es mir über die Schulter. "Warum jetzt<br />

schon? Es ist doch noch gar nicht so<br />

schrecklich heiß ...". Günter: "Du musst<br />

schon gleich zu Beginn kühlen, damit<br />

die Körpertemperatur nicht überschwappt!"<br />

O.k., ich glaube es und vertraue<br />

ihm, da er es vergangenes Jahr<br />

als Läufer auch so gehandhabt hat und<br />

gut und schnell durchs Rennen gekommen<br />

ist.<br />

Es wird jetzt schnell richtig heiß. Durch<br />

die nassen Handtücher lässt sich diese<br />

Hochofentemperatur gut ertragen. Jetzt<br />

merke ich, dass das Einatmen der heißen<br />

Luft die Bronchien austrocknet und<br />

verändere meine Atemtechnik, indem<br />

ich die Geschwindigkeit herabnehme<br />

und flacher atme. Ständig trinke ich jetzt<br />

in kleinen Schlucken. Immer wieder werden<br />

mir neue, volle Flaschen gereicht.<br />

Urinieren muss ich nur ganz selten ... An<br />

Nahrung nehme ich Obst und Biosorb<br />

(eine balaststoffarme und hochkalorische,<br />

hochvitaminisierte und hochmine­<br />

'ralisierte Intensivnahrung) zu mir, die im<br />

normalen Leben unter anderem krebskranken<br />

Patienten im Endstadium gegeben<br />

wird ...<br />

Auch Powerriegel und -gel sind im Ernährungsprogramm,<br />

der sehr süße Geschmack<br />

kommt mir jedoch schnell widerwärtig<br />

vor. Ansonsten läuft alles nach<br />

Plan. Über Stunden bin ich jetzt unterwegs,<br />

laufe meistens alleine und fühle<br />

mich ganz wohl in meiner Haut. Auf dem<br />

Kopf trage ich die weiße Legionärskappe<br />

von Reunion und am Oberköper ein<br />

weites weißes Shirt mit langen Armen<br />

und habe eine kurze schwarze, enganliegende<br />

Läuferhose an. Die Beine und<br />

das Gesicht habe ich dick mit Sonnencreme<br />

mit Schutzfaktor 60+ eingerieben<br />

und sehe aus wie ein Anstreicher, der<br />

sich mit weißer Farbe besudelt hat. Aber<br />

es hilft, und ich bekomme keinen Sonnenbrand<br />

...<br />

Es sind jetzt ungefähr 25 km zurückgelegt,<br />

und ich muss auf die Toilette, um<br />

etwas Großes zu machen ... Das kostet<br />

Zeit, und wie könnte es anders sein,<br />

Sigrid Eichner läuft vorbei. Das Gleiche<br />

passierte auch auf Reunion beim Grand<br />

Raid ebenso bei ca. 25 km, und Sigrid<br />

bekam ich nicht wieder zu Gesicht. Das<br />

sollte mir aber hier nicht passieren, und<br />

so verstärke ich meine Geschwindigkeit.<br />

Sofort ermahnt mich Günther, dies nicht<br />

zu tun. Am Abend kämen wir in kühlere<br />

Gefilde, und dann könnte ich verlorenes<br />

Terrain sehr schnell und leicht wettmachen.<br />

Ich gehorche wie ein wohlerzogenes<br />

Kind, weiß ich doch von meiner Supportertätigkeit<br />

vom letzten Jahr, dass es<br />

dann am Townes-Pass am Abend tatsächlich<br />

sehr viel kühler werden wird. In<br />

der Ferne sehe ich im öden Talkessel<br />

einen großen grünen Fleck. Aha, das<br />

muss Furnance Creek sein. Es ist die<br />

Oase, wo gestern die Startnummernausgabe<br />

war und das so genannte Prerace-meeting<br />

stattfand. Es ist hier die<br />

erste Zeitmessstation, und 28 km sind<br />

bewältigt. Ich weiß, dass mindestens in<br />

früheren Rennen schon davor die ersten<br />

Läufer kollabiert waren. Am gleichen<br />

Platz, wo im vergangenen Jahr Alfred<br />

Gerauer eine Pause gemacht hatte,<br />

pausiere auch ich im Schatten von Tamarisken.<br />

Zu erwähnen ist, dass dieser<br />

Wüstenbaum wurzelmäßig 15-fach größer<br />

als der überirdische <strong>Teil</strong>bereich.<br />

Ich sitze auf einem Leinenstuhl und habe<br />

die Beine hochgelegt und ... ich fühle<br />

mich pudelwohl, liege sehr gut in der<br />

Zeit, was nach dieser kurzen Entfernung<br />

allerdings nichts bedeutet. Nach ca. 20<br />

Minuten beende ich die Siesta, werde<br />

an der Zeitmessstation registriert, und<br />

die Reise geht weiter. Die Temperatur<br />

hat mittlerweile die 50 0<br />

C erreicht. Es ist<br />

momentan flach, und ich jogge in gemächlichem<br />

Wohlfühltempo. Nach ca. 5<br />

km kommen wir an einer ehemaligen<br />

Borax-Mine vorbei, wo als Touristenattraktion<br />

einige von diesen großen Wagen<br />

stehen, die in den 80er Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts von jeweils über 20 Maultieren<br />

gezogen wurden.<br />

Ich erinnere mich jetzt an eine Erzählung<br />

eines Bekannten, der mit Ehefrau<br />

und Schwager und dessen Frau Mitte<br />

der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts<br />

ebenfalls im Juli als Touristen<br />

diese Gegend bereisten. Als er ausstieg,<br />

um Fotoaufnahmen zu machen und dabei<br />

vergaß, die Autotür zu schließen und<br />

dadurch etwas heiße Luft ins Wageninnere<br />

gelangte, schlug sie mit ihrer Handtasche<br />

nach ihm ...<br />

Weit, sehr weit liegt doch diese Bürgerweit<br />

jetzt von mir entfernt, und ich fühle<br />

mich immer wohler. Nach relativ kurzer<br />

Zeit ist der 1. Marathon geschafft, und<br />

ich bin überhaupt nicht müde ...<br />

Ja, mit meinen Supportern habe ich<br />

großes Glück gehabt. Alles funktioniert<br />

nach Plan. Ab und zu mache ich kurze<br />

Sitzpausen, wenn ich kleine Mahlzeiten<br />

einnehme, die oft aus eingemachtem,<br />

gekühltem Obst bestehen.<br />

Die ersten Läufer der nach mir startenden<br />

Gruppe überholen mich jetzt, was<br />

mich in keiner Weise stört. Mein Ziel ist<br />

ankommen und zwar gut ankommen.<br />

Ich will beim Zieleinlauf Mensch bleiben<br />

und nicht zum Zombie werden ...<br />

Über Stunden sehe ich auf der das<br />

Deah-Valley westlich begrenzenden<br />

Gebirgskette den höchsten Gipfel, den<br />

Teleskop-Piek. Er ist noch mit Schnee<br />

bedeckt. Es hat den Anschein, als verfolge<br />

er mich, denn ich kann kein Entfernen<br />

von ihm konstatieren.<br />

Vorgestern waren wir noch dort beim<br />

Bergwandern und konnten von dieser<br />

Perspektive sowohl das Ziel (Sierra Nevada<br />

mit Mt. Whitney und anderen<br />

schneebedeckten Bergen in 160 km<br />

Entfernung) und unter hitzeflimmender<br />

Luft in ca. 60 km Entfernung den Startplatz,<br />

die Badwater-Salzpfanne tief unter<br />

dem Meeresspiegel ausmachen.<br />

Ein Schauern überlief mich, und noch<br />

am Abend war ich sehr, sehr nervös und<br />

musste zwei Glas Bier trinken, um einschlafen<br />

zu können. War das die Angst<br />

vor der eigenen Courage?<br />

Jetzt habe ich überhaupt keine Angst<br />

mehr. Viele Male im Leben habe ich<br />

auch bei anderen Gelegenheiten diese<br />

Erfahrung machen müssen. Bei Examen<br />

beispielsweise; am Abend zuvor die Aufregung<br />

und dann mittendrin die absolute<br />

Gelassenheit.<br />

Jetzt sehe ich ganz, ganz weit in der<br />

Ferne die Straße dünn wie ein schwarzer<br />

Zeichnungsstrich in der flimmernden<br />

Hitze einen Hang hinaufführen. Auch<br />

Supporterfahrzeuge kann ich dort wahrnehmen.<br />

Sicherlich dauert es viele<br />

Stunden, bis ich dort sein werde, denke<br />

ich. Und trotzdem geht es mir gut. Ich<br />

saufe Wasser wie ein Gaul, knabbere<br />

Salzstangen und lecke sogar Salz aus<br />

der Hand wie eine Geiß.<br />

Ein volIweißgekleideter deutschsprechender<br />

Läufer überholt mich jetzt und<br />

bedeutet mir, dass ich unbedingt lange<br />

weiße Hosen anziehen müsste, weil ich<br />

sonst den Lauf nicht überleben könnte.<br />

Es ist Torsten Treptow aus Köln, der<br />

das Rennen zum wiederholten Male<br />

läuft. Auch Günther sagt er das ...<br />

Bei dieser Gelegenheit bedankte ich<br />

mich bei jenem Torsten. Die hochintensive<br />

Sonnencreme, die immer wieder<br />

aufgetragen wird, lässt mich das Rennen<br />

überleben. Nach mehreren Stunden<br />

ist tatsächlich der besagte Hang erreicht,<br />

und in der Ferne kann ich Stovepipe<br />

Wells mehr erahnen als erkennen.<br />

Dort hatten wir uns inder Motelanlage<br />

69


ald hinter uns haben. Das macht Mut,<br />

zumal die 2-stündige Pause und die<br />

Suppe neue Lebensgeister in mir gewlilckt<br />

haben. Mit Zuversicht und guter<br />

Laune gehe ich zügig den Berg hinauf.<br />

Günther ist erfreut über meine Fitness,<br />

die er mir anscheinend nicht zugetraut<br />

hatte und gibt mir zu verstehen, dass bei<br />

dieser Aufstiegsgeschwindigkeit wieder<br />

ein gutes Zeitpolster aufgebaut werden<br />

könnte. Mittlerweile ist es dunkel geworden,<br />

und ich ziehe mir meine Warnweste<br />

mit Reflektionsstreifen über. Außerdem<br />

habe ich nun eine Stirnlampe aufgesetzt.<br />

Je höher es hinaufgeht, desto<br />

mehr legt sich die Hitze und desto erträglicher<br />

werden die Temperaturen. Eine<br />

Kühlung durch Nasstücher ist nun<br />

nicht mehr erforderlich. Said Khala, ein<br />

mir bekannter deutscher Läufer algerischer<br />

Herkunft, der voriges Jahr bei der<br />

runex-Gruppe als Läufer ebenfalls dabei<br />

war und in der 2. Gruppe gestartet war,<br />

überholt mich jetzt mit einem sehr, sehr<br />

flotten Schritt. Wir wünschen uns gegenseitig<br />

gutes Ankommen am Mt. Whitney,<br />

und wenig später ist er aus meinem<br />

Sichtradius verschwunden<br />

Den Parkplatz bei Wild Rose erreiche<br />

ich, und ca. 82 km sind bewältigt. Dort<br />

sind, ähnlich wie bei unseren Autobahnparkplätzen,<br />

Bänke und Tische aus<br />

massivem Holz installiert. Ein freier<br />

Tisch wird zu meinem Nachtlager, indem<br />

eine Isomatte draufgelegt wird. Es<br />

ist ein wunderbares Gefühl, mich wieder<br />

ausstrecken zu können. Es werden 90<br />

Minuten Nachtruhe vereinbart. Richard<br />

und Günther schlafen im. Auto, und ich<br />

ruhe auf dem Tisch. Die Temperatur<br />

empfinde ich jetzt als sehr angenehm;<br />

es ist warm, aber nicht heiß. Nur der<br />

Wind weht stark, und die über mir ragenden<br />

Äste einer großen Tamariske<br />

geben Geräusche ab, die mich. ängstigen.<br />

Ein wenig fürchte ich, dass mich<br />

herabfallende Äste erschlagen könnten.<br />

Nicht wirklich glaube ich daran, denn ich<br />

weiß, dass diese Pflanzenspezies sehr<br />

widerstandsfähig ist und der Wind dort<br />

in der Nacht meistens bläst. Ich glaube,<br />

nur ganz wenig geschlafen zu haben,<br />

als mich Günther weckt.<br />

Aber, das Phänomen kenn ich ja von<br />

anderen Hardcoreläufen wie dem Grand<br />

Raid in Reunion, dass schon sehr wenig<br />

Schlaf die Körperbatterie wieder auflädt.<br />

Kurzum, ich fühle mich fit und bin guter<br />

Dinge. Günther begleitet mich jetzt viele<br />

Kilometer, und Richard fährt das Auto.<br />

Noch immer trinke ich viel Wasser, uriniere<br />

jetzt aber häufig.<br />

Die 2. Marathondistanz ist überstanden,<br />

und ich bin sehr, sehr finishoptimistisch<br />

... Wir überholen jetzt sogar 2 Läufer,<br />

und die Temperaturen bewegen sich<br />

immer mehr den mitteleuropäischen<br />

Sommerwerten zu. Am Straßenrand tauchen<br />

jetzt Schilder auf, die den Ge­<br />

brauch von Schneeketten im Winter vorschreiben<br />

...<br />

Es ist eine sternenklare Nacht, und es<br />

gibt sicherlich weltweit wenige Plätze,<br />

von denen man einen solch erhabenen<br />

Sternenhimmel bestaunen kann. Ständig<br />

sieht man Sternschnuppen, und ich<br />

genieße dieses Schauspiel. Ja, ich kann<br />

es genießen, denn ich bin mit meinen<br />

Kräften haushälterisch umgegangen,<br />

was sich jetzt auszahlt.<br />

Die Luft ist voller Insekten und tausende<br />

Fledermäuse sind aktiv. Das Zirpen der<br />

Grillen ist auch für mich unüberhörbar.<br />

Hasen scheint es hier in großer Zahl zu<br />

geben, denn obwohl die Dichte des<br />

Straßenverkehrs eher bescheiden ist,<br />

sieht man doch ständig totgefahrene<br />

Exemplare dieser langohrigen Tiere. Es<br />

muss sich aber um eine spezielle Wüstenart<br />

handeln, die mit ganz wenig oder<br />

gar keinem Wasser auskommt, denn<br />

nirgendwo habe ich Wasserstellen gesehen.<br />

Ab und zu sehe ich Wüstenmäuse über<br />

die Straße huschen. Auch Backenhörnchen<br />

bekomme ich öfter zu Gesicht.<br />

Einmal begegne ich einem Kojoten, der<br />

Bernhard Sesterheim<br />

vor mir die Flucht ergreift. Mir geht es<br />

gut, ja sogar sehr gut. Nach dem Aufstehen<br />

habe ich mir meine MBT-Laufsandalen<br />

angezogen, sie sind gut gedämpft<br />

und für das Bergaufgehen sehr<br />

gut geeignet. Zum Bergablaufen sind sie<br />

nicht geeignet, und dort werde ich wieder<br />

meine Nike-Laufschuhe tragen. Das<br />

Supporten klappt wie die ganze Zeit<br />

vorzüglich, und es gibt überhaupt nichts<br />

zu tadeln. Ab und zu bekomme ich gekühlte<br />

Fruchtschälchen, Biosorb, und<br />

Energieriegel serviert. Auch setze ich<br />

mich ab und zu für wenige Minuten auf<br />

den Stuhl oder auf die Ladefläche des<br />

Vans.<br />

Kurz vor der Morgendämmerung erreiche<br />

ich den Pass, und von nun an<br />

geht's bergab. Und zwar wundersamerweise<br />

in einem flotten Joggingrhythmus.<br />

Schnell ist der Morgen da, und ich sehe<br />

vor mir einen Läufer, der sich so fortbewegt,<br />

als würde er am liebsten mit den<br />

Füßen gar nicht die Erde berühren. Er<br />

läuft wie auf Eiern und muss schrecklich<br />

schmerzende Füße haben. Beim Überholen<br />

grüße ich freundlich, und er sagt<br />

es würde ihm sehr gut gehen. "Tomorrow<br />

in the Evening I will drink a lot of<br />

beers!" meint er. Er ist Veteran und läuft<br />

den Badwater jedes Jahr. In dem Film<br />

"Running on the sun" von 1999 habe ich<br />

ihn gesehen. Ebenfalls Akteur dieses<br />

Films war William Maple, ein enthusiastischer<br />

Major der Marineinfanterie, der<br />

allerdings bereits zwischen Furnance<br />

Creek und Stovpipe Wells kollabierte.<br />

Leider war auch dieses Jahr Stovepipe<br />

für ihn wieder Endstation....<br />

Auch Chris Costman kommt vorbei, fragt<br />

nach meinem Namen, wünscht alles Gute<br />

und verteilt Komplimente: "Yes, you<br />

make a great race!"<br />

Die Sonne geht auf, und ich erblicke vor<br />

mir die Weite des Panamit Valleys, dessen<br />

Querung ca. 8 endlos erscheinende<br />

Kilometer bedeutet. Ausgerechnet an<br />

diesem Platz, durch den die Straße verläuft,<br />

befindet sich der tiefste Punkt des<br />

Tals, und bei starken Regenfällen bildet<br />

sich hier ein See. Mit Planierraupen<br />

muss dann jedes Mal die Straße von<br />

Sand und Geröll geräumt werden. Und<br />

einige Kilometer in nördlicher Richtung<br />

befinden sich wieder große Sanddünen.<br />

Jetzt am frühen Morgen- ist es noch nicht<br />

so heiß, und die Talquerung verläuft absolut<br />

problemlos. Bald komme ich an<br />

zwei Entfernungsschilder. Stovepipe<br />

Wells ist genau so weit wie Lonepine.<br />

Hurra, ich habe Halbzeit. Allerdings will<br />

Panamint Springs, das ich schon seit<br />

Stunden vor Augen habe, nicht näher<br />

kommen. Doch wie immer, plötzlich ist<br />

es da. Früher war es ein Goldgräberstädtchen.<br />

Heute gibt es da eine Tankstelle,<br />

einen Campingplatz, der jetzt im<br />

Sommer wegen der Hitze keine Gäste<br />

hat, und eine Restaurant- und Hotelanlage.<br />

Hier befindet sich die 3. Zeitmessstation,<br />

und es herrscht quirliges Leben.<br />

Jeder Läufer macht hier Pause, viele so<br />

wie ich gehen zum Essen ins Restaurant,<br />

andere liegen ruhend in Autos oder<br />

lassen sich ihre Füße verarzten. Das<br />

Günter'sche Supporterprogramm beinhaltet<br />

jetzt wieder meine Fußpflege, und<br />

neue Blasen werden aufgestochen und<br />

abgepflastert. Wir begeben uns zum<br />

Restaurant, setzen uns aufder Terrasse<br />

nieder und ... Sigrid Eichner taucht auf.<br />

Wir alle freuen uns sehr, denn wir befürchteten<br />

stark, sie hätte sich von ihrer<br />

Dehydration nicht mehr erholt. Sigrid hat<br />

ihre sprichwörtliche Zähigkeit erneut unter<br />

Beweis gestellt ...<br />

Mit dem Essen habe ich ernsthafte Probleme.<br />

Durch die große Flüssigkeitszufuhr<br />

sperrt sich mein Magen gegen feste<br />

Nahrung, und nur mit allergrößter Mühe<br />

zwinge ich ein Bratkartoffelgericht in<br />

mich hinein. Längere Zeit danach be­<br />

71


fürchte ich immer noch, mein Magen<br />

würde es wieder hergeben wollen ...<br />

Coca-Cola erweist sich dagegen äußerst<br />

hilfreich, das von mir früher oft<br />

verschmähte und mit spöttischer Ironie<br />

bedachte Getränk kann ich gar nicht genug<br />

loben. Es ist das Sportgetränk für<br />

die langen und heißen Strecken ...<br />

Panamint Springs liegt am Fuße eines<br />

hohen Bergmassivs, und weitere 32 km'<br />

führen nach oben zur höchsten Stelle<br />

mit über 5.000 feet. Es ist diese Passage,<br />

wo vergangenes Jahr Alfred Hintzmann<br />

mich immer und immer wieder<br />

fragte, wie weit es denn zur Bergspitze<br />

noch sei, nachdem ich in Panamint<br />

Springs als Mitläufer endgültig ins Rennen<br />

eingestiegen war. Doch wie gesagt,<br />

ich bin seit dem Start im Badwater­<br />

Bassin auf das Finishen programmiert.<br />

Ich wundere mich über mich selbst;<br />

denn die Tugend der Geduld war bei mir<br />

bisher nicht exorbitant stark ausgeprägt.<br />

Eher war das Gegenteil der Fall.<br />

Extreme Langläufe jedoch sind die Lehrmeister<br />

der Geduld, was sich auch in<br />

den Niederungen des Alltags auszahlt.<br />

Denn, wenn man mit diesen Mammutstrapazen<br />

zurecht kommt, sollte man<br />

doch auch kleinere Problemchen meistern<br />

können ...<br />

Ca. 8 km hinter Panamint ist der 3. Marathon<br />

gemacht, und es geht langsam<br />

aber beständig nach oben. Dr. Micka<br />

überholt mich gerade, als ich eine kleine<br />

Pause mache. Kurze Zeit später habe<br />

ich ihn wieder eingeholt. Wir bewegen<br />

uns ungefähr in der gleichen Geschwindigkeit<br />

aufwärts.<br />

Neben dem Mt. Whitney und den Alabama<br />

Hills, die auf den letzten 17 km<br />

kommen werden, ist es hier die schönste<br />

Landschaftsformation der gesamten<br />

Reise. Die Farben der Felsen verändern<br />

sich ständig, von gelb über schwarz auf<br />

rot. Die Vegetation ist spärlich. Es ist<br />

wie in der Sahara, die nach Meinung der<br />

Einheimischen dort der Garten Allahs<br />

ist. In diesem seinen Garten hat Allah alles<br />

Überflüssige entfernt ...<br />

Der Himmel ist wolkenlos. Da wir jedoch<br />

immer mehr an Höhe gewinnen, stellt<br />

die Hitze überhaupt kein Problem mehr<br />

dar. Über viele Stunden geht es immer<br />

im gleichen Schema: gemütliches Bergaufgehen<br />

mit kleinen Stuhlsitzpausen.<br />

An einer Kurve sehe ich Christine Seil<br />

im Schatten von Felsen auf einer Matte<br />

liegen. Sie sieht nicht gut aus ...<br />

In den Nachmittagsstunden ist die Berghöhe<br />

geschafft. Nun führt es ein wenig<br />

bergab und die Wüstenvegetation wird<br />

dichter. Es gibt Tamarisken, und die ersten<br />

Josua-Bäume tauchen auf. Günther<br />

und Richard begleiten mich jetzt, tragen<br />

72<br />

meine Wasserflasche und gehen neben<br />

oder hinter mir her. Vor mir hergehende<br />

Pacer vertrage ich nicht, denn dann bekomme<br />

ich unangenehme Gefühle und<br />

fühle mich gedrängt, schneller als ich<br />

will voranzuschreiten. Ich laufe jetzt auf<br />

einen gewissen Butterick auf. Die Namen<br />

der Läufer kann man stets den sie'<br />

begleitenden Supporterfahrzeugen entnehmen.<br />

Butterick geht wie ein Roboter<br />

und ist überhaupt nicht kommunikativ.<br />

Er wird überholt.<br />

Ich warte auf die 4. Zeitmessstation Darwin.<br />

Richard hat den Punkt Darwin in Erinnerung,<br />

denn er kam mit seinem Wagen<br />

von Lonepine nach Stovepipe<br />

Wells. Und viel zu früh verkündet er,<br />

nach der nächsten Kurve würde das ersehnte<br />

Zwischenziel kommen. Viele<br />

Kurven werden noch genommen, und<br />

Darwin kommt nicht... Die mir neu erworbene<br />

Tugend der Geduld scheint an<br />

Glanz zu verlieren, und der "innere<br />

Schweinehund" meldet sich mit Unlustgefühlen.<br />

Doch gerade rechtzeitig sehe<br />

ich ein weißes Zelt, worin sich die Zeitmessstation<br />

befindet. Gegenüber machen<br />

wir jetzt eine Pause von mindestens<br />

30 Minuten.<br />

Der Leinenstuhl übt nun einen starken<br />

Magnetismus auf mich aus; ich lege die<br />

Beine hoch und fühle mich sitzend hier<br />

sehr wohl. So wohl, dass mir jeder Gedanke<br />

an weitere Fortbewegung als<br />

Albtraum erscheint. Ich reiße mich<br />

schließlich zusammen und laufe wieder<br />

an. Zum ersten Mal tut mir vom kleinen<br />

Zeh bis zum Hals alles weh. Nach nur<br />

zwei Minuten Bewegung sind die<br />

Schmerzen wieder weg. Da es jetzt<br />

ständig bergab geht, jogge ich wieder.<br />

So geht es über Stunden. Kleine Pausen<br />

sind inbegriffen, die aber in der Regel<br />

nicht länger als fünf Minuten dauern.<br />

Aber immer wieder sind die Schmerzen<br />

beim Anlaufen da. Essen kann ich jetzt<br />

überhaupt nichts mehr. Dafür trinke und<br />

pinkle ich viel.<br />

Es wird dunkel, und zwischenzeitlich<br />

habe ich mehrere Läufer überholt. 168<br />

km und somit der 4. Marathon sind geschafft.<br />

Ich plane ernsthaft, noch weitere<br />

32 km bis nach Lonepine in dieser<br />

Nacht zu laufen. Die Realität ist anders,<br />

trotz Coca-Cola und Red Bull bin ich<br />

müde, und zwar sehr, sehr müde. 12 km<br />

schaffe ich noch, dann verlange ich<br />

nach einer großen Pause. In der Ferne<br />

sehe ich, wie Glühwürmchen die Supporterfahrzeuge<br />

am Mt. Whitney umfliegen<br />

und beneide die weit vor mir laufenden<br />

Athleten, die es bald geschafft haben<br />

werden ....<br />

Ich sitze wieder auf dem Leinenstuhl,<br />

gebe der Vernunft den Vorzug und beschließe,<br />

da ich weniger als einen Marathon<br />

noch zu laufen habe und keinerlei<br />

Zeitlimitdruck ausgesetzt bin, noch mal<br />

eine 90-minütige Schlafpause einzulegen.<br />

Günther hat sich angeboten, das<br />

Auto so herzurichten, dass ich auf der<br />

Ladefläche mit ausgestreckten Beinen<br />

liegen könnte. Das Vorhaben wird umgesetzt,<br />

und wenig später schlafe ich tief<br />

und fest. Es bedarf schon heftigen Rütteins,<br />

um mich wach zu kriegen.<br />

Kurz nach dem Aufwachen merke ich,<br />

dass das vorher ständig vorhandene<br />

blümerante Gefühl im Magen verschwunden<br />

ist. Als "Frühstück" mitten in<br />

der Nacht esse ich jetzt eine große Portion<br />

Beef Jerkey (luftgetrocknetes Büffelfleisch,<br />

das nach Indianerart hergestellt<br />

ist). Es bekommt mir gut, und so trinke<br />

ich noch eine Dose Red Bull. Danach<br />

bin ich so wach, als hätte ich 12 Stunden<br />

geschlafen. Jedoch die Schmerzen<br />

in den Füßen und Beinen sind beim<br />

Start noch da, und zwar stärker als je<br />

zuvor. An Keeler geht es jetzt vorbei, einer<br />

halbverlassenen verwahrlosten<br />

Siedlung, wo jeder Einwohner seinen eigenen<br />

privaten Autofriedhof neben seinem<br />

hüttenartigen Anwesen zu haben<br />

scheint. Ich bin jetzt auf der Strecke, wo<br />

vergangenes Jahr Alfred Hintzmann verzweifelte.<br />

Denn endlos gerade führt die<br />

Straße Lonepine entgegen. Immer wieder<br />

laufe ich an Stellen vorbei, wo widrige<br />

Aasgerüche meine Nase belästigen.<br />

Es scheinen Kadaver größerer totgefahrener<br />

Tiere zu sein. Die Morgendämmerung<br />

setzt ein und der Autoverkehr wird<br />

stärker. Viele Autofahrer grüßen begeistert,<br />

denn die meisten wissen wohl über<br />

dieses Rennen Bescheid und bezeichnen<br />

uns als Heroes ...<br />

Wir kommen jetzt an eine Stelle, wo es<br />

richtig kalt wird. Eine Fleece-Jacke würde<br />

jetzt von Segen sein. Es gibt hier einen<br />

fließenden Bach, den man Owens<br />

River nennt. Gleich wird er überquert.<br />

Günther ist bei mir, und ich will ihm die<br />

Kaulquappen der Ochsenfrösche zeigen,<br />

die ich vergangenes Jahr hier gesehen<br />

habe. Doch wir bekommen nichts<br />

zu Gesicht. Das Licht ist noch zu<br />

schwach, denn die Sonne ist noch nicht<br />

aufgegangen.<br />

Von weitem sieht man schon die Hauptverkehrsstraße,<br />

die von Los Angeles<br />

kommt und nach Lonepine führt. Ein<br />

Frühmorgenjogger kommt entgegen und<br />

verkündet höchsten Respekt. Nach einer<br />

starken Geduldsprobe ist nun endlich<br />

die Hauptverkehrstraße erreicht. Wir<br />

biegen nach rechts ab und sehen auf<br />

der linken Seite das Holzhaus-Motel, in<br />

dem wir vergangenes Jahr nächtigten.<br />

Bis zur 5. und somit letzten Zeitmessstation<br />

sind es noch mehr als 3 Kilometer,<br />

die ich nicht im Hirn einprogrammiert<br />

hatte. Ich dachte, nach Erreichen der<br />

Hauptverkehrsstraße wird diese überquert,<br />

und es geht gleich zum Mt.<br />

Withney hoch. Sehr schwer fällt mir das


Ganze jetzt. Die Straße ist sehr stark mit<br />

PKW's und LKW's frequentiert. Eine<br />

Joggerin läuft lauthals applaudierend an<br />

uns vorbei. Nach einer gewissen Zeit erreichen<br />

wir die Zeitmessstation, die auf<br />

der anderen Straßenseite liegt. Eine<br />

junge Frau von der Rennorganisation<br />

kommt mir entgegen und notiert meine<br />

Startnummer. Sie ergeht sich mit besten<br />

Glückwünschen, denn für sie habe ich<br />

das Rennen so gut wie geschafft. Nur<br />

noch 17 km sind zu laufen.<br />

Nach 100 Metern kommt dann der Abzweig,<br />

der zum Mt. Whitney Portal hinaufführt.<br />

Eine Pause ist fällig; ich setze<br />

mich auf meinen geliebten Leinenstuhl,<br />

verspeise eine Tafel Schokolade und<br />

trinke Coca-Cola. Ha, wenn ich jetzt<br />

vorsichtig bin, kann nichts mehr schief<br />

gehen, denn ich habe alle Zeit der Welt,<br />

denke ich. An Viehweiden mit hohen<br />

Bäumen geht es ins Gebirge. Anfangs<br />

nur moderat ansteigend, erreiche ich<br />

das Vorgebirge, die so genannten Alabama<br />

Hills. Dort wurden in den 50er und<br />

60er Jahren viele Wild-West-Filme gedreht.<br />

John Wayne war hier sehr aktiv,<br />

und die Felsen, die manche als Kulissen<br />

vermutet haben, waren echt.<br />

Ein schnellfließender Bach mit eiskaltem<br />

Wasser und hohen Bäumen und Büschen<br />

am Ufer verläuft einige Kilometer<br />

links bzw. rechts der Straße. Die Sonne<br />

steigt höher, und es wird wieder richtig<br />

heiß. Und was noch schlimmer ist, die<br />

Steigung wird immer schroffer. Zum ersten<br />

Mal beim ganzen Rennen verspüre<br />

ich jetzt einen exorbitanten Pulsanstieg,<br />

der sich durch tack, tack, tack an der<br />

Halsschlagader bemerkbar macht. Sofort<br />

erschrillt bei mir die innere Alarmanlage,<br />

und ich nehme mein Gehtempo<br />

erheblich zurück. Eine innere Stimme<br />

sagt mir, dass das Rennen noch nicht<br />

gelaufen ist und ich noch hier im finalen<br />

Bereich kollabieren kann.<br />

Der Badwater-Ultramarathon bleibt also<br />

tückisch bis zum Ziel. In meiner jetzt ruhigen<br />

Gangart betrachte ich die umliegenden<br />

Felsen genauer, und was muss<br />

ich sehen: ich setze die Sonnenbrille ab<br />

und wieder auf, ich kann's nicht glauben,<br />

aber ich erspähe Felsformationen,<br />

die aussehen wie nackte, in den verschiedensten<br />

Stellungen liegende fortpflanzungswillige<br />

Frauen mit großen<br />

Brüsten und wohlig geformten Hintern<br />

und Schenkeln. Ja, spinne ich jetzt? Ist<br />

es also soweit, dass das Hirn im "vermutlich<br />

sterbenden Körper" schnell noch<br />

mal Zeugungsreize vorgaukelt.<br />

Ich fühle mich schon fast wie Odysee<br />

bei den Sirenen; nur Gesang bekomme<br />

ich leider nicht zu hören. Festbinden<br />

muss man mich auch nicht, denn mein<br />

Fortpflanzungstrieb ist gegenwärtig noch<br />

nicht mal mehr rudimentär vorhanden.<br />

Das "Terrain der wilden Weiber" verlasse<br />

ich wieder, und es geht noch mal<br />

kurz bergab, um dann brutal anzusteigen.<br />

Später erfahre ich, dass hier ein<br />

schneller Läufer noch kollabiert ist und'<br />

nicht mehr weiter konnte. Ein DNF also<br />

kurz vor dem Ziel ...<br />

Viel Coca-Cola trinke ich jetzt und werde<br />

trotzdem immer langsamer. Und dennoch,<br />

später werde ich erfahren, dass<br />

ich in Relation zu manch anderen gar<br />

nicht so langsam war. Immer öfter<br />

kommen jetzt Supporterfahrzeuge mit<br />

Läufern entgegen, die bereits gefinisht<br />

haben, immer mit lautem Hupen und<br />

Jubeln begleitet. Ich habe immer größere<br />

Schwierigkeiten, sentimentale Flenngefühle<br />

zu unterdrücken. Ganz langsam<br />

zwar, aber ich komme voran, und ich<br />

habe viel, viel Zeit. Bereits jetzt beginne<br />

ich innerlich zu jubeln, denn nun bin ich<br />

sicher; ich werde es schaffen, ich werde<br />

mein Ziel erreichen und in der Zeit den<br />

Badwater finishen. Irgendwann ruft mir<br />

jemand zu, es sei nur noch eine Meile<br />

zu überwinden ...<br />

Ich ziehe jetzt mein Shirt vom 100 MC<br />

an, um damit zu finishen, so wie ich es<br />

Christian Hottas beim Spreewald-Marathon<br />

versprochen hatte. Günther sagt<br />

mir, dass er soeben das Supporterfahrzeug<br />

von Sigrid gesehen hat und rätselt,<br />

was das zu bedeuten hat. Für mich ist<br />

das keine Frage; sie hat mich überholt,<br />

während ich geschlafen habe. Ich gönne<br />

es ihr von ganzem Herzen und freue<br />

mich. Ja, hinter einer Kurve taucht das<br />

Zielbanner auf, das für jeden Läufer immer<br />

wieder neu gespannt wird. Ich fühle<br />

mich wie ein 15-jähriger Bub und total fit<br />

und wir laufen - Richard auf meiner linken<br />

und Günther auf meiner Rechten ­<br />

händehochreißend in Siegerpositur mit<br />

lautem Hurra-Geschrei ins Ziel ...<br />

Es ist ein Rausch. Eine Riesenglücksgefühlwoge<br />

schwappt über mich. Die Tränen<br />

lassen sich nicht mehr zurückhalten,<br />

und ich werde von Sigrid, Karlheinz,<br />

Heribert, Bodo und Angela, die im Ziel<br />

auf mich warteten, sowie Richard und<br />

Günther umarmt.<br />

Ein sehr hartes, aber dennoch sehr<br />

schönes und extrem emotionalisierendes<br />

Rennen ist soeben glücklich zu Ende<br />

gegangen. Ich bin Badwater-Finisher<br />

. nach 54 Stunden und 18 Minuten ist es<br />

vollbracht. Chris Costman, der Renndirektor,<br />

hängt mir die schwarze, schwere<br />

Finishermedaille um und schüttelt mir<br />

die Hand, und es werden von der Rennorganisation,<br />

dem Adventure Corps,<br />

Photos gemacht ...<br />

Ein gutes Training, kombiniert mit eisernem<br />

Willen und klarem Verstand, sind<br />

die Grundlage für das Gelingen dieses<br />

wirklich einzigartigen Abenteuers. Einen<br />

.weiteren großen Anteil an meinem groß­<br />

artigen Erfolg haben meine beiden Supporter,<br />

die wirklich allerbeste Arbeit geleistet<br />

haben. Zu keiner Zeit fiel auch<br />

nur einmal ein böses Wort ...<br />

Zwei Wochen nach der Heimreise telefoniere<br />

ich mit Klaus Micka, und er ist<br />

genau wie ich der Meinung, dass dieses<br />

Rennen im Leben zweimal gelaufen<br />

werden muss ... Nicht nächstes Jahr,<br />

und auch nicht in 2007, aber irgendwann<br />

auf jeden Fall wieder... -<br />

Resümee<br />

Von insgesamt 81 Läufern am Start erreichten<br />

67 das Ziel, 14 gaben vorher<br />

auf. Die für diesen Marathon sehr geringe<br />

Ausscheidungsquote stellt einen der<br />

Rekorde im Jahr 2005 dar. Einen weiteren<br />

Rekord brach der beste Läufer: Mit<br />

24 Stunden und 36 Minuten ist der 31jährige<br />

Amerikaner Scott Jurek der<br />

schnellste Badwater Finisher, seit es<br />

diesen Lauf gibt. Gleichzeitig unterschreitet<br />

er den bisherigen Rekord<br />

(25:09:05) um mehr als eine halbe Stunde.<br />

Alle 13 angemeldeten deutschen Läufer<br />

haben teilgenommen und das Ziel innerhalb<br />

der 60 Stunden erreicht - 100%<br />

Erfolgsquote. Bester Deutscher ist Jürgen<br />

Hofmann auf dem insgesamt 6.<br />

Platz mit 33 Stunden und 47 Minuten.<br />

Gegenüber dem bisherigen Rekord von<br />

etwas mehr als 27 Stunden ist das ein<br />

hervorragendes Ergebnis.<br />

Klaus Micka erzielt den 51. Platz insgesamt<br />

und liegt damit zeitlich deutlich unter<br />

seiner persönlichen Planung (Sein<br />

Ziel: Finishen innerhalb der vorgegebenen<br />

60 Stunden). Unter den 13 deutschen<br />

<strong>Teil</strong>nehmern ist er an achter Stei­<br />

le. ­<br />

UM - MINI-LEXIKON<br />

Mit 135 Meilen (217 km) Non-Stop von<br />

Death Valley bis zu Mount Whitney, CA,<br />

ist der Badwater Ultramarathon das anstrengendste<br />

und extremste Laufrennen<br />

der Welt. Startpunkt ist Badwater, Death<br />

Valley, welches mit 85 m unter dem<br />

Meeresspiegel den tiefsten Punkt der<br />

westlichen Hemisphäre darstellt. Das<br />

Rennen endet bei Mount Whitney Portals<br />

auf einer Höhe von 2.30 m. Die<br />

Strecke beinhaltet drei Bergetappen mit<br />

insgesamt 3.962 m Anstieg und 1.433 m<br />

Abstieg. "The Portals are the trailhead to<br />

the Mt. Whitney summit, the highest<br />

point in the contiguous United States."<br />

Die Läufer passieren Stationen mit Namen<br />

wie Mushroom Rock, Furnace<br />

Creek, Salt Creek, Devil's Cornfield,<br />

Devil's Golf Course, Stovepipe Wells,<br />

Keeler und Lone Pine. ­<br />

73


24 Stunden Selbsttranszendenz-Party in Köln<br />

16.117.07.05<br />

Internationaler Sri Chinmoy<br />

24-Stunden-Lauf<br />

in Köln<br />

lIona Schlegel<br />

Der vierte Auftritt der "Dilledöppchen"<br />

über 24 Stunden am 16./17. Juli sollte<br />

eine Art Heimspiel werden, doch nicht<br />

nur deshalb waren die Vorbereitungen<br />

intensiv wie nie. Die Vorbereitung und<br />

der Saisonverlauf ließen die 200 km und<br />

eine neue Bestmarke machbar erscheinen,<br />

und so fieberten wir dem dritten Ju­<br />

. liwochenende entgegen. Allen voran Elisabeth<br />

(Kraemer), die ihre Betreuerinnenaufgabe<br />

als persönliche Herausforderung<br />

begriff und sich schon im Frühjahr<br />

zur Eventagentur umbenannte. Zunächst<br />

wurde aus der Eventagentur<br />

Wörschach die Eventagentur Köln. Profiagenturen<br />

erkennt man eben an ihrer<br />

Flexibilität und Kundenorientierung. Raffiniert<br />

verschlüsselte Botschaften an Elisabeths<br />

Dienstmail im Fachbereich<br />

Schuhe konnten nur die eingeweihten<br />

Empfängerinnen, sprich die Dilledöppchen,<br />

dechiffrieren. Betreffs wie "Produktion<br />

unserer Sommersandale Wörschach<br />

eingestellt" und Inhalte wie die<br />

Entwicklung des Alternativmodells Cologne<br />

für das Marktsegment Sportorthopädie<br />

machten die Vorbereitungsphase<br />

noch spannender. Natürlich wurde auch<br />

der Betreuerinnenschlüssel verbessert.<br />

Statt zwei Betreuerinnen sollte ich drei<br />

bekommen, aus denen dann sogar vier<br />

wurden. Der Druck war wahrlich nicht<br />

gering. Zunächst galt es aber am Wochenende<br />

vor Köln bei einem Grillabend<br />

das letzte briefing durchzuführen und<br />

die entscheidenden Teamabsprachen<br />

zu treffen. Die da lauteten: Was sollen<br />

wir trinken? Was werden wir essen?<br />

Wer bringt die Knabbereien mit? Elke<br />

(Melzer) blieb ja eigentlich eh nichts anderes<br />

übrig, als wieder dabei zu sein<br />

(das silberne Dilledöppchen winkt langsam),<br />

doch war es ihr gelungen, sich<br />

mehr auf delegierende Aufgaben zu<br />

konzentrieren und Dagmar (Kömpf) als<br />

Marathonläuferin zu überreden, das<br />

Wochenende mal bei einem 24-Stundenlauf<br />

zu verbringen. Dagmar brachte<br />

als Novizin nicht nur großes Engagement,<br />

sondern auch kreative Ideen mit:<br />

verschiedene Sorten Hippbrei wurden<br />

vorgekostet und Erkenntnisse der Aromatherapie<br />

fanden Einzug in Gestalt<br />

von Bergamotteöl, das belebend und aktivierend<br />

wirken soll. Nach dem wichtigen<br />

Vorbereitungsgrillen konnte ich<br />

74<br />

beim Zählen der leeren Weizenbierflaschen<br />

schon mal feststellen, dass ich<br />

unbemerkt und gemeinschaftlich mit unseren<br />

"chef de la logistique" Rüdiger<br />

meinen persönlichen Weizenbierrekord<br />

aufgestellt hatte. Das stimmte mich optimistisch,<br />

wenngleich mir schon klar<br />

war, dass eine Woche später nicht alle<br />

Runden so flüssig laufen würden. Die<br />

Wetteraussichten waren sommerlich mit<br />

möglichen Gewitterschauern, aber das<br />

war mir nach der Kälte von Hamburg nur<br />

recht. Das Motto für das Dilledöppchen­<br />

T-Shirt 2005 war übrigens schnell gefunden<br />

und hieß "flectere si nequeo superos,<br />

Acheronta movebo1." Und so·<br />

bauten wir am Freitagnachmittag unser<br />

(bzw. Barbaras) inzwischen mit Kultstatus<br />

behaftetes aufblasbares Zelt gegenüber<br />

der Verpflegungsstation auf. Da in<br />

Köln auch 48 Stunden gelaufen werden,<br />

Ilona unterwegs mit Georg Weiß<br />

nahm ich quasi nur am Bambinilauf teil,<br />

und am Freitag konnte man schon mal<br />

Atmo schnuppern und viele bekannte<br />

Gesichter wie auch Ultra-Prominenz begrüßen.<br />

Wolfgang Schwerk drehte frisch<br />

und locker seine Runden. Er trainierte<br />

wie viele für den 6-Tage-Lauf in Erkrath.<br />

Conny und Sigi Bullig waren auch da.<br />

Conny musste auf den geplanten Start<br />

verzichten, weil sie verletzt war. Dennoch<br />

war das wohl berühmteste Wohnmobil<br />

der Ultraszene die ganze Zeit dabei.<br />

Else Bayer lief, Martin betreute. Ingeborg<br />

Krieger probierte, wie sich die 48<br />

1 Wenn ich den Himmel nicht erstürme, werde<br />

ich die Unterwelt erschüttern, Vergil. Das Zitat<br />

nahm Freud 1900 als Motto für seine<br />

Traumdeutung<br />

Stunden ohne Training laufen. Und natürlich<br />

durfte Heike Pawzik nicht fehlen,<br />

die wie immer beste Lauflaune ausstrahlte<br />

und stets Zeit für ein Schwätzchen<br />

am Rande hatte.<br />

Wie schön, nach dem Zeltaufbau (mit<br />

dem Adapter für die Fußpumpe wäre es<br />

einfacher gewesen, aber es ist immer<br />

besser, wenn die Pannen vor dem Lauf<br />

passieren) als Kurzstrecklerin nach<br />

Hause fahren und schlafen zu dürfen.<br />

Am Samstag um 12 Uhr wurde es dann<br />

aber auch für mich ernst. Mein erster Sri<br />

Chinmoy Lauf, und ich hatte bisher nur<br />

Gutes über die Verpflegung, die Stimmung<br />

und die Freundlichkeit der Helfer<br />

und Helferinnen gehört. Von der Kölner<br />

Strecke hatte ich allerdings vernommen,<br />

dass der Untergrund uneben und nicht<br />

ganz einfach ist. Nun gut, ich bin von<br />

Hamburg letztes Jahr nicht verwöhnt.<br />

. Die 1,5-km-Runde in Köln ist eine Pendeistrecke<br />

am Rhein und sehr kurzweilig.<br />

Ein großer <strong>Teil</strong> ist im Schatten, was<br />

sehr angenehm ist. Der Belag ist allerdings<br />

in der Tat nicht ohne. Die Bodenplatten<br />

aus Beton gehen direkt in die<br />

Knochen und sind durchgängig uneben.<br />

Hier wird man gerade in der Nacht sehr<br />

konzentriert laufen müssen, denn wenn<br />

man die Füße nicht mehr richtig heben<br />

kann oder mag, hat man schnell mehr<br />

Bodenkontakt als einem lieb ist. Doch<br />

zunächst gilt es, die ersten Stunden einzulaufen.<br />

Hierbei beschäftige ich mich<br />

zunächst mit der Rückenaufschrift eines<br />

Laufshirts, die ich auswendig lerne:<br />

"There is only one perfekt road. And that<br />

road is ahead of you. Always ahead of


you (Sri Chinmoy)." Das werde ich in<br />

meine Spruchsammlung aufnehmen. Als<br />

viertes Dilledöppchen und recht spontan<br />

ist Esther (Weiß) dabei. Tibeterfahren<br />

kann sie mich über die bei Sri Chinmoy<br />

zu erwartenden Mantragesänge, Tantra<br />

(das gibt's allerdings nicht) und Karma<br />

aufklären. Tatsächlich gibt es Xylophonmusik<br />

und Gesang, der für mich fremd<br />

und eher meditativ klingt. Ungewöhnlich<br />

für eine Laufveranstaltung, aber auch interessant<br />

und irgendwie stimmig, denn<br />

die Atmosphäre ist wirklich eine ganz<br />

eigene und - obwohl ich keine Berührungspunkte<br />

mit dem Buddhismus habe<br />

- eine, in der ich mich wohl fühle. Es ist<br />

alles sehr herzlich, sehr familiär und einfach<br />

authentisch. Ohne Missionsabsichten<br />

kommt die Sri-Chinmoy-Philosophie<br />

irgendwie rüber, und alles ist bestens<br />

organisiert. Die Verpflegung ist ein exzellenter<br />

Buffettisch, es wird frisch gekocht,<br />

und die Rundenzähler sind immer<br />

wach. Sie feuern jeden und jede kräftig<br />

an und sind zuverlässiger als jeder Chip.<br />

Es gibt also keine Ausreden, ich werde<br />

gut laufen müssen, zumal sich viele Bekannte<br />

zum Zuschauen angekündigt haben.<br />

Ein simple, aber ungeheuer wirkungsvolle<br />

Idee, sind auch die Fahnen,<br />

die es ab Kilometer 100 alle 50 km gibt.<br />

So werden die Kilometer für alle sichtbar,<br />

es gibt Gratulationen auf der Strecke<br />

und damit natürlich auch neue Motivation,<br />

die man gegen Ende so gut<br />

brauchen kann. Die dritte Fahne, das ist<br />

mein großes Ziel, aber bis dahin ist es<br />

noch ein weiter Weg.<br />

Ich bestelle wegen der Hitze frühzeitig<br />

bei Elisabeth mein erstes Trinkfläschchen.<br />

Das bekomme ich auch eine Runde<br />

später, allerdings verschlossen mit<br />

Die 200-km-Fahne<br />

Deckel. Ich reklamiere lautstark. Wie<br />

gut, dass wir noch über 20 Stunden haben,<br />

um das zu üben. Elisabeth ist als<br />

Eventagentur mit dem Rest des Betreuerinnenteams<br />

ohnehin nicht so richtig<br />

zufrieden. Da grüßt nämlich schon wieder<br />

die Muppetshow. Frau genießt die<br />

sommerliche Campingatmosphäre im<br />

Stuhl, unterhält sich, sitzt in der ersten<br />

Reihe für das 24-stündige Nonstopprogramm<br />

und wartet zunächst auf die angekündigten<br />

Abendgäste. Allerdings ist<br />

es schwer, zum Betreuen zu kommen,<br />

wenn Elisabeth dabei ist. Die ist nämlich<br />

immer in Bewegung, scheint so etwas<br />

wie Müdigkeit nicht zu kennen. Sie feuert<br />

alles an, was sich irgendwie fortbewegt.<br />

Jedenfalls machen die Dilledöppchen<br />

nach ihrem ruhmreichen Auftritt in<br />

Hamburg (viele Lobeshymnen im Internet;<br />

ob irgendwer noch wahrnimmt, dass<br />

und was ich laufe, weiß ich nicht, aber<br />

man weiß, dass ich die Glückliche bin,<br />

die von den Dilledöppchen betreut wird)<br />

aus den 24 Stunden wieder eine Party<br />

und bekommen verdientermaßen viel<br />

positives feedback für die Aufmunterung<br />

an der Strecke. Ich wusste ja, dass bereits<br />

in Biel über geeignete Events am<br />

Streckenrand nachgedacht wurde und<br />

dass mit Showeinlagen zu rechnen ist.<br />

Am Abend ist es dann so weit, und als<br />

ich auf das Zelt zulaufe, sehe ich eine<br />

bis zu den Knien verhüllte, unter einem<br />

mir vertrauten Bettbezug sitzende Per-<br />

son. Heiteres Prominentenraten ist angesagt,<br />

und ich soll überlegen, wer da<br />

wie ein Geist unter dem Tuch sitzt. Dank<br />

der Radschuhe und der unbehaarten<br />

Männerbeine habe ich Uwe schnell erraten.<br />

Das ist jedenfalls eine tolle Idee,<br />

und auch die anderen Läuferinnen und<br />

Läufer sind verblüfft über das Schau­<br />

spiel. Unsere Melpomene 1 -Vereinspräsidentin<br />

Barbara (Berk), die seit dem 12­<br />

Stunden-Lauf von Brühl den Kosenamen<br />

"Horrorgestalt" für. Ultras geprägt<br />

hat, ist auch gekommen, weigert sich<br />

aber zunächst, das Zauberwort zu sagen.<br />

Ich muss energisch fordern "Los,<br />

sag's", dann ruft sie mir "Horrorgestalt"<br />

hinterher. Jetzt bin ich endlich bei den<br />

24 Stunden angekommen; jetzt fühle ich<br />

mich im Rennen. Fritz (Waddey) ist<br />

auch da. Das ist wichtig, weil er den<br />

besten Nusskranz der Welt bäckt, und<br />

das ist wiederum wichtig für die Moral<br />

der Dilledöppchen (ausgenommen Elisabeth,<br />

da könnte der Kölner Dom einstürzen<br />

und sie würde nur sagen: "Das<br />

ist jetzt nicht wichtig, wir haben einen<br />

Lauf zu betreuen"). Fritz war vor einigen<br />

Jahren selber 48 Stunden gelaufen bzw.<br />

eben nicht, weil er abbrechen musste<br />

und erst am Sonntagvormittag noch mal<br />

für einen Halbmarathon zurück kam.<br />

Das scheint er erfolgreich verdrängt zu<br />

haben, denn Zuschauen und unverschämte<br />

Kommentare scheinen ihm<br />

noch besser zu liegen. Ich kündige an,<br />

ihm im Squashcourt zu zeigen, wo Bartel<br />

den Most holt. Er schlägt Montagmorgen<br />

um 8.00 Uhr als Termin vor und<br />

meint, er spielt nur mit mir, wenn ich 200<br />

km laufe. Es wird mir also gar nichts anderes<br />

übrig bleiben. Mag sein, ich vergesse,<br />

über den Lauf an sich zu berichten.<br />

Aber der Event dominiert diesmal<br />

eindeutig. Und die 24 Stunden sind, wie<br />

sie immer sind: ein Hauch von Unendlichkeit,<br />

eine kleiner Mikrokosmos auf<br />

einer überschaubaren Runde, gute Kilometer,<br />

schlechte Kilometer, viele Begegnungen,<br />

viel Gemeinschaft der Läuferinnen<br />

und Läufer und am Ende die<br />

Qual der letzten Stunden, wenn auf dem<br />

Zahnfleisch gelaufen werden muss, obwohl<br />

keins mehr da ist. Wer läuft, kennt<br />

das, wer UM liest, kennt die Berichte.<br />

Die abgründigen Tiefs, die Erfahrung,<br />

dass der Körper viel mehr Stellen hat,<br />

die weh tun können, als man für möglich<br />

gehalten hätte, und doch geht es immer<br />

weiter, weil man ja selbst schuld ist und<br />

weil es eben gehen muss. Beeindruckend<br />

wie gut einige 48-Stunden-Läuferlnnen<br />

noch immer unterwegs sind.<br />

Fast beschämend finde ich es, wie ich<br />

von vielen bereits in der ersten Hälfte<br />

angefeuert werde. In der ersten Hälfte<br />

des 24ers im 48-Stunden-Feld flott und<br />

locker zu laufen, ist schließlich keine<br />

Kunst.<br />

Die Nacht ist angenehm mild und bedeckt.<br />

Da es schwül war, nimmt Inge­<br />

1 Melpomene ist ein griechischer Frauenname<br />

und die Muse der Tragödie. Einer schönen<br />

Legende nach war eine Griechin namens<br />

Melpomene auch die erste Marathonläuferin<br />

der Geschichte und wurde deshalb Namenspatronin<br />

für den einzigen deutschen Frauenlaufverein<br />

75


org Krieger zur Sicherheit ihr Regencape<br />

mit auf die Strecke. Wie in Hamburg<br />

wird es die Wettergötter milde<br />

stimmen, und es bleibt trocken. Umziehen<br />

ist auch eine Abwechslung, und die<br />

Pastaküche von Sri Chinmoy ist wirklich<br />

gut. In der Nacht wird es wie üblich ruhiger<br />

auf der Strecke. Nur noch die Dilledöppchen<br />

machen Musik. Mit der ersten<br />

Hälfte bin ich sportlich nicht ganz so zufrieden<br />

und habe zwei Kilometer weniger<br />

als in Hamburg. So locker wie sich<br />

das anfühlen sollte, ist es auch nicht.<br />

Dafür kann ich auf einmal in der Nacht<br />

richtig aufdrehen und Tempo machen.<br />

Angestachelt sicher durch Angie Ngamkam,<br />

die nach Badwaterbetreuung eingeflogen<br />

ist, auf einmal förmlich über die<br />

Piste rast und schon nachts die 116 km<br />

ihres ersten 24ers erreicht. Ich nutze<br />

das Zwischenhoch aus und gebe einfach<br />

Gas. Keine Ahnung, wie schnell<br />

das wirklich ist, aber es fühlt sich schnell<br />

an, und es muss schnell sein, denn<br />

auch die Dilledöppchen werden wieder<br />

putzmunter. Verblüffend, wie der Laufrhythmus<br />

sich in 24 Stunden manchmal<br />

so entwickelt. Ich habe keinen Kilometer<br />

Nachttraining investiert. Es geht aber<br />

nicht nur mir so. Auch Georg Weiß und<br />

Michael Krüger drehen gewaltig auf und<br />

schweben förmlich über die Unebenheiten<br />

des Rheinuferweges. Die beiden legen<br />

eine großartige zweite Hälfte hin<br />

und werden sich im Gesamtfeld noch<br />

weit nach vorne laufen. Damit gehört die<br />

zweite Hälfte in Köln den lsarrunnern,<br />

denn - um es gleich vorweg zu nehmen<br />

- wir drei sind nicht nur an der schönen<br />

blauen Isar entlang gewetzt, sondern<br />

laufen auch in Köln persönliche Bestleistungen.<br />

Das Tempo meines empfundenen<br />

Zwischensprints kann ich natürlich<br />

nicht bis in den Morgen halten, aber eine<br />

Sitzpause und ein Teller Spaghetti<br />

als Belohnung bauen mich wieder auf.<br />

Ich komme mit kleinen Sitzeinlagen immer<br />

wieder gut ins Laufen. In der Morgendämmerung<br />

gibt es schließlich die<br />

150-km-Fahne. Das ist die erste echte<br />

Marke für mich, und jetzt kommt langsam<br />

die (lange) Phase der Entscheidung.<br />

Als weiteres mentale Zwischenziel<br />

winken die 169 km, die magische Löhrmarke.<br />

Die ist auf meinem von Rüdiger<br />

als buntes Tabellenkunstwerk (Farblaserdrucker<br />

auf Papier, laminiert, Bonn<br />

2005) eingezeichnet, weil wir am Sonntag<br />

vor einer Woche beim Laufen im<br />

Kottenforst Richi und Beate getroffen<br />

hatten. Die hatten am Lauftreffparkplatz<br />

von Hertha Buschoven einen Vereinskasten<br />

mit Zeitungsberichten entdeckt.<br />

Hier war besonders die sportliche Leistung<br />

von Herrn Löhr genannt, der im<br />

Trikot von Hertha Buschoven bereits<br />

vier (in Ziffern: 4!) Marathons gelaufen<br />

ist. Da es einfach beeindruckend ist,<br />

was Menschen alles überleben können,<br />

wenn sie das Zeug zum Helden in sich<br />

haben, sind viermal 42,195 km also jetzt<br />

76<br />

die Löhrmarke. Auf die gibt es einen Becher<br />

Boullion. Sollte Herr Löhr seine<br />

vielversprechende Laufkarriere fortsetzen<br />

und noch einen fünften Marathon<br />

laufen, habe ich übrigens ein echtes<br />

Problem. Es wird hell am Rhein, leider<br />

ohne Sonnenaufgang. Langsam belebt<br />

sich das Rheinufer wieder mit den ersten<br />

Joggern. Eine Joggerin kann ich<br />

noch überholen, die wurde sicher von<br />

meiner Eventagentur engagiert, um<br />

mich aufzubauen. Die Morgenstimmung<br />

am Rhein hätte etwas Idyllisches, hätten<br />

die Beine nicht das empfundene Gewicht<br />

der Tanker, die gen Bonn tuckern.<br />

Noch einmal umziehen, denn die Sonne<br />

kommt durch und die wärmenden Sonnenstrahlen<br />

tun der Muskulatur gut.<br />

Herbert Grönemeyer (Mensch) kommt<br />

mir in den Sinn "Es ist o.k., es tut<br />

gleichmäßig weh." Die zweite Schicht<br />

der Zaungäste rückt an. Ich nehme alles<br />

nur noch marginal wahr und kann meine<br />

Dankbarkeit über die freundliche Anteilnahme<br />

an meinen letzten Stündlein<br />

nicht mehr richtig zum Ausdruck bringen.<br />

Auf der Strecke zu bleiben, kostet'<br />

alle Kraft. Und die ist ja eigentlich gar<br />

nicht mehr da. Aber die 200-km-Fahne<br />

ruft. Die Versuchung des Stuhles ist die<br />

einzige Versuchung, die mich noch anficht<br />

(abgesehen von der Dauerversuchung,<br />

irgendwem heulend um den Hals<br />

zu fallen und "Ich will nach Hause" zu<br />

röcheln - aber wo ich dann landen würde,<br />

kann ich mir ungefähr ausrechnen).<br />

Eine Runde Gehen muss sein. Die Dilledöppchen<br />

werden nervös. Was in der<br />

Nacht erlaufen wurde, ist schnell verloren,<br />

wenn man gehen muss. Die 200 km<br />

geben noch einmal Auftrieb, und die<br />

letzte Stunde ist angebrochen.<br />

Mir ist nicht danach, um möglichst viele<br />

Zusatzkilometer zu kämpfen, aber ich<br />

werde doch schneller. Nur so ist es zu<br />

erklären, dass mich nach 204,5 km nicht<br />

eine halbe Restrunde erwartet, sondern<br />

ich noch mehr als eine komplette Runde<br />

habe. Peter Ludden hatte mir gegen Ende<br />

prognostiziert ,,205 km und dann<br />

noch etwas drauf, Du packst meine<br />

206,3 von Apeldoorn." Das hatte ich als<br />

Phantasterei am Streckenrand abgehakt,<br />

doch als ich 206,4 km habe, ist<br />

das natürlich ein innerer Rosenmontagszug,<br />

und jetzt ist erst mal Peter mit<br />

206,5 km dran. Am Ende habe ich dann<br />

.meine Fahne mit meiner Startnummer<br />

und Namen, einen Tross guter Seelen<br />

im Rücken, die mich auf den letzten Metern<br />

begleiten, einen Stuhl und Sekt. Ein<br />

Riesengefühl. Leider bin ich zu erschöpft,<br />

um es wirklich zu erleben. Aber<br />

ich weiß ja: das kommt nach ein paar<br />

Tagen. Es gab viele erwähnenswerte<br />

Leistungen in Köln, und die Veranstaltung<br />

zählt von der Organisation zweifellos<br />

zu den besten. Würde der Weg asphaltiert,<br />

wäre es eine echte Top-Strecke.<br />

Aber man kann nicht alles haben,<br />

und das SCMT lässt es an nichts fehlen.<br />

Pech hatte Else Bayer, die 48 Stunden<br />

laufen wollte, in der zweiten Nacht stürzte<br />

und sich die Hand brach. Auch Jutta<br />

Jöhring musste schon früh wegen Kreislaufproblemen<br />

aufgeben. Natürlich blieb<br />

sie in Köln und unterstützte nicht nur<br />

mich. Statt Haferschleim bekam ich regelmäßig<br />

Postkarten, und da hat Jutta<br />

einfach einen exquisiten Geschmack.<br />

Das Highlight war die mit Michael Jackson<br />

beim Bundesrichter: super gezeichnete<br />

Karikatur, und sein Anwalt sagt<br />

"Mein Mandant ist bereit, ein umfassendes<br />

Geständnis abzulegen. Allerdings<br />

unter einer Bedingung: Er besteht auf<br />

die Unterbringung in einer Jugendhaftanstalt."<br />

Wolfgang Schwerk gewinnt<br />

souverän sein 48-Stunden-Training mit<br />

377 km und hüpft locker auf das Siegerpodest.<br />

Heike Pawzik siegt ebenso souverän<br />

und läuft 300 km - wie immer ist<br />

dabei nicht nur die international nennenswerte<br />

Kilometermarke bemerkenswert,<br />

sondern auch die Lockerheit, mit<br />

der sie sie läuft. Heike hat immer Kraft,<br />

um die anderen noch anzufeuern, zu unterhalten<br />

oder aufzubauen. Mir machte<br />

sie immer die Innenkurve frei und<br />

. scheuchte mich auf die blaue Ideallinie,<br />

dabei hatte ich nur die halbe Zeit zu laufen.<br />

Den 24ern bei den Männern gewinnt<br />

Thomas Mirz mit 218 km, der ein<br />

konstant starkes Rennen lief. Michael<br />

Krüger (Platz 2, 216 km) lief wie an der<br />

lsar nicht nur auffällig schnell, sondern<br />

auch in einem für Ultradistanzen beachtenswert<br />

schönen Stil, ebenso wie Georg<br />

Weiß, der sich mit 205 km zurecht<br />

riesig freute, endlich die magische 200km-Marke<br />

geknackt zu haben. Dazwischen<br />

liegt noch auf Platz 3 Andre Drei­<br />

Iich mit 213 km. Angie Ngamkam überraschte<br />

ebenfalls sich selbst und lief<br />

ausgezeichnete 186 km. Und die Eventagentur<br />

bekam aus meiner Sicht unmoralische<br />

Anträge in Gestalt von Anfragen,<br />

ob man sie buchen könnte. Elisabeth<br />

versicherte mir aber, dass ich die<br />

Exklusivrechte habe. Ich glaube auch<br />

nicht, dass ich über Fremdbetreuen hinwegsehen<br />

könnte. _<br />

U M - MINI - LEXIKON<br />

Die Freude am Laufen und die menschliche<br />

Begegnung steht bei den Veranstaltungen<br />

des Sri-Chinmoy-Marathbn­<br />

Teams im Vordergrund. Nicht gegeneinander,<br />

sondern miteinander ist die Devise.<br />

Das Ziel ist es nicht, andere zu übertreffen,<br />

sondern sich gegenseitig zu inspirieren,<br />

die eigenen besten Fähigkeiten<br />

zum Vorschein zu bringen. Das Hinauswachsen<br />

über die eigenen Fähigkeiten<br />

und Grenzen erleben die Sportler<br />

bei Ausdauerwettkämpfen als große<br />

Freude, obwohl sie äußerlich oft durch<br />

große Mühen gegangen sind. ­

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