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fürchte ich immer noch, mein Magen<br />

würde es wieder hergeben wollen ...<br />

Coca-Cola erweist sich dagegen äußerst<br />

hilfreich, das von mir früher oft<br />

verschmähte und mit spöttischer Ironie<br />

bedachte Getränk kann ich gar nicht genug<br />

loben. Es ist das Sportgetränk für<br />

die langen und heißen Strecken ...<br />

Panamint Springs liegt am Fuße eines<br />

hohen Bergmassivs, und weitere 32 km'<br />

führen nach oben zur höchsten Stelle<br />

mit über 5.000 feet. Es ist diese Passage,<br />

wo vergangenes Jahr Alfred Hintzmann<br />

mich immer und immer wieder<br />

fragte, wie weit es denn zur Bergspitze<br />

noch sei, nachdem ich in Panamint<br />

Springs als Mitläufer endgültig ins Rennen<br />

eingestiegen war. Doch wie gesagt,<br />

ich bin seit dem Start im Badwater­<br />

Bassin auf das Finishen programmiert.<br />

Ich wundere mich über mich selbst;<br />

denn die Tugend der Geduld war bei mir<br />

bisher nicht exorbitant stark ausgeprägt.<br />

Eher war das Gegenteil der Fall.<br />

Extreme Langläufe jedoch sind die Lehrmeister<br />

der Geduld, was sich auch in<br />

den Niederungen des Alltags auszahlt.<br />

Denn, wenn man mit diesen Mammutstrapazen<br />

zurecht kommt, sollte man<br />

doch auch kleinere Problemchen meistern<br />

können ...<br />

Ca. 8 km hinter Panamint ist der 3. Marathon<br />

gemacht, und es geht langsam<br />

aber beständig nach oben. Dr. Micka<br />

überholt mich gerade, als ich eine kleine<br />

Pause mache. Kurze Zeit später habe<br />

ich ihn wieder eingeholt. Wir bewegen<br />

uns ungefähr in der gleichen Geschwindigkeit<br />

aufwärts.<br />

Neben dem Mt. Whitney und den Alabama<br />

Hills, die auf den letzten 17 km<br />

kommen werden, ist es hier die schönste<br />

Landschaftsformation der gesamten<br />

Reise. Die Farben der Felsen verändern<br />

sich ständig, von gelb über schwarz auf<br />

rot. Die Vegetation ist spärlich. Es ist<br />

wie in der Sahara, die nach Meinung der<br />

Einheimischen dort der Garten Allahs<br />

ist. In diesem seinen Garten hat Allah alles<br />

Überflüssige entfernt ...<br />

Der Himmel ist wolkenlos. Da wir jedoch<br />

immer mehr an Höhe gewinnen, stellt<br />

die Hitze überhaupt kein Problem mehr<br />

dar. Über viele Stunden geht es immer<br />

im gleichen Schema: gemütliches Bergaufgehen<br />

mit kleinen Stuhlsitzpausen.<br />

An einer Kurve sehe ich Christine Seil<br />

im Schatten von Felsen auf einer Matte<br />

liegen. Sie sieht nicht gut aus ...<br />

In den Nachmittagsstunden ist die Berghöhe<br />

geschafft. Nun führt es ein wenig<br />

bergab und die Wüstenvegetation wird<br />

dichter. Es gibt Tamarisken, und die ersten<br />

Josua-Bäume tauchen auf. Günther<br />

und Richard begleiten mich jetzt, tragen<br />

72<br />

meine Wasserflasche und gehen neben<br />

oder hinter mir her. Vor mir hergehende<br />

Pacer vertrage ich nicht, denn dann bekomme<br />

ich unangenehme Gefühle und<br />

fühle mich gedrängt, schneller als ich<br />

will voranzuschreiten. Ich laufe jetzt auf<br />

einen gewissen Butterick auf. Die Namen<br />

der Läufer kann man stets den sie'<br />

begleitenden Supporterfahrzeugen entnehmen.<br />

Butterick geht wie ein Roboter<br />

und ist überhaupt nicht kommunikativ.<br />

Er wird überholt.<br />

Ich warte auf die 4. Zeitmessstation Darwin.<br />

Richard hat den Punkt Darwin in Erinnerung,<br />

denn er kam mit seinem Wagen<br />

von Lonepine nach Stovepipe<br />

Wells. Und viel zu früh verkündet er,<br />

nach der nächsten Kurve würde das ersehnte<br />

Zwischenziel kommen. Viele<br />

Kurven werden noch genommen, und<br />

Darwin kommt nicht... Die mir neu erworbene<br />

Tugend der Geduld scheint an<br />

Glanz zu verlieren, und der "innere<br />

Schweinehund" meldet sich mit Unlustgefühlen.<br />

Doch gerade rechtzeitig sehe<br />

ich ein weißes Zelt, worin sich die Zeitmessstation<br />

befindet. Gegenüber machen<br />

wir jetzt eine Pause von mindestens<br />

30 Minuten.<br />

Der Leinenstuhl übt nun einen starken<br />

Magnetismus auf mich aus; ich lege die<br />

Beine hoch und fühle mich sitzend hier<br />

sehr wohl. So wohl, dass mir jeder Gedanke<br />

an weitere Fortbewegung als<br />

Albtraum erscheint. Ich reiße mich<br />

schließlich zusammen und laufe wieder<br />

an. Zum ersten Mal tut mir vom kleinen<br />

Zeh bis zum Hals alles weh. Nach nur<br />

zwei Minuten Bewegung sind die<br />

Schmerzen wieder weg. Da es jetzt<br />

ständig bergab geht, jogge ich wieder.<br />

So geht es über Stunden. Kleine Pausen<br />

sind inbegriffen, die aber in der Regel<br />

nicht länger als fünf Minuten dauern.<br />

Aber immer wieder sind die Schmerzen<br />

beim Anlaufen da. Essen kann ich jetzt<br />

überhaupt nichts mehr. Dafür trinke und<br />

pinkle ich viel.<br />

Es wird dunkel, und zwischenzeitlich<br />

habe ich mehrere Läufer überholt. 168<br />

km und somit der 4. Marathon sind geschafft.<br />

Ich plane ernsthaft, noch weitere<br />

32 km bis nach Lonepine in dieser<br />

Nacht zu laufen. Die Realität ist anders,<br />

trotz Coca-Cola und Red Bull bin ich<br />

müde, und zwar sehr, sehr müde. 12 km<br />

schaffe ich noch, dann verlange ich<br />

nach einer großen Pause. In der Ferne<br />

sehe ich, wie Glühwürmchen die Supporterfahrzeuge<br />

am Mt. Whitney umfliegen<br />

und beneide die weit vor mir laufenden<br />

Athleten, die es bald geschafft haben<br />

werden ....<br />

Ich sitze wieder auf dem Leinenstuhl,<br />

gebe der Vernunft den Vorzug und beschließe,<br />

da ich weniger als einen Marathon<br />

noch zu laufen habe und keinerlei<br />

Zeitlimitdruck ausgesetzt bin, noch mal<br />

eine 90-minütige Schlafpause einzulegen.<br />

Günther hat sich angeboten, das<br />

Auto so herzurichten, dass ich auf der<br />

Ladefläche mit ausgestreckten Beinen<br />

liegen könnte. Das Vorhaben wird umgesetzt,<br />

und wenig später schlafe ich tief<br />

und fest. Es bedarf schon heftigen Rütteins,<br />

um mich wach zu kriegen.<br />

Kurz nach dem Aufwachen merke ich,<br />

dass das vorher ständig vorhandene<br />

blümerante Gefühl im Magen verschwunden<br />

ist. Als "Frühstück" mitten in<br />

der Nacht esse ich jetzt eine große Portion<br />

Beef Jerkey (luftgetrocknetes Büffelfleisch,<br />

das nach Indianerart hergestellt<br />

ist). Es bekommt mir gut, und so trinke<br />

ich noch eine Dose Red Bull. Danach<br />

bin ich so wach, als hätte ich 12 Stunden<br />

geschlafen. Jedoch die Schmerzen<br />

in den Füßen und Beinen sind beim<br />

Start noch da, und zwar stärker als je<br />

zuvor. An Keeler geht es jetzt vorbei, einer<br />

halbverlassenen verwahrlosten<br />

Siedlung, wo jeder Einwohner seinen eigenen<br />

privaten Autofriedhof neben seinem<br />

hüttenartigen Anwesen zu haben<br />

scheint. Ich bin jetzt auf der Strecke, wo<br />

vergangenes Jahr Alfred Hintzmann verzweifelte.<br />

Denn endlos gerade führt die<br />

Straße Lonepine entgegen. Immer wieder<br />

laufe ich an Stellen vorbei, wo widrige<br />

Aasgerüche meine Nase belästigen.<br />

Es scheinen Kadaver größerer totgefahrener<br />

Tiere zu sein. Die Morgendämmerung<br />

setzt ein und der Autoverkehr wird<br />

stärker. Viele Autofahrer grüßen begeistert,<br />

denn die meisten wissen wohl über<br />

dieses Rennen Bescheid und bezeichnen<br />

uns als Heroes ...<br />

Wir kommen jetzt an eine Stelle, wo es<br />

richtig kalt wird. Eine Fleece-Jacke würde<br />

jetzt von Segen sein. Es gibt hier einen<br />

fließenden Bach, den man Owens<br />

River nennt. Gleich wird er überquert.<br />

Günther ist bei mir, und ich will ihm die<br />

Kaulquappen der Ochsenfrösche zeigen,<br />

die ich vergangenes Jahr hier gesehen<br />

habe. Doch wir bekommen nichts<br />

zu Gesicht. Das Licht ist noch zu<br />

schwach, denn die Sonne ist noch nicht<br />

aufgegangen.<br />

Von weitem sieht man schon die Hauptverkehrsstraße,<br />

die von Los Angeles<br />

kommt und nach Lonepine führt. Ein<br />

Frühmorgenjogger kommt entgegen und<br />

verkündet höchsten Respekt. Nach einer<br />

starken Geduldsprobe ist nun endlich<br />

die Hauptverkehrstraße erreicht. Wir<br />

biegen nach rechts ab und sehen auf<br />

der linken Seite das Holzhaus-Motel, in<br />

dem wir vergangenes Jahr nächtigten.<br />

Bis zur 5. und somit letzten Zeitmessstation<br />

sind es noch mehr als 3 Kilometer,<br />

die ich nicht im Hirn einprogrammiert<br />

hatte. Ich dachte, nach Erreichen der<br />

Hauptverkehrsstraße wird diese überquert,<br />

und es geht gleich zum Mt.<br />

Withney hoch. Sehr schwer fällt mir das

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