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Ausgabe lesen - Rheinkiesel

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Natur<br />

kraut konstant und daran gut zu<br />

erkennen. Weitere Hinweise liefern<br />

die langen, lanzettlich geformten<br />

Blätter. Ihre Grundfarbe ist blaugrün,<br />

manchmal mit dunklen<br />

Flecken. Sie befinden sich in einer<br />

Rosette am Grunde des Stengels,<br />

dicht über dem Boden.<br />

Die Blütezeit erstreckt sich von<br />

Mai bis Juni. Dabei hat das<br />

Knabenkraut die Tendenz, früher<br />

als die meisten anderen Orchideen<br />

zu blühen. In warmen, trockenen<br />

Frühjahren kann das Mannsknabenkraut,<br />

das über ganz<br />

Deutschland verbreitet ist, Ende<br />

Mai schon verblüht sein. In höheren<br />

Lagen, vor allem im Hochgebirge,<br />

wo die Art wie auf der Südseite<br />

der Alpen noch in 3.000<br />

Meter Höhe vorkommt, trifft man<br />

bis Ende Juni auf die violetten<br />

„Farbsäulchen“ in den grünen<br />

Almwiesen.<br />

Ohne Hilfe der Pilze<br />

geht es nicht<br />

Die geradezu verführerische Farbenpracht<br />

der Orchideen wird<br />

ihnen oft zum Verhängnis, da egoistische<br />

selbsternannte Pflanzenliebhaber<br />

sie abpflücken, um sie<br />

anschließend in der Vase verwelken<br />

zu lassen, oder ausgraben, um<br />

sie im eigenen Garten anzusiedeln.<br />

Das geht so gut wie immer schief,<br />

denn abgesehen davon, daß andere<br />

Bodenverhältnisse herrschen,<br />

brauchen Orchideen spezielle<br />

Pilze, um überhaupt keimen zu<br />

können.<br />

Charakteristisch für die mit üppigen<br />

Blüten ausgestattete Pflanzen-<br />

8 Juni 2009<br />

Männliches Knabenkraut<br />

Orchis mascula<br />

familie sind ganz im Gegensatz<br />

dazu winzige, fast staubfeine<br />

Samen. Diese produziert zwar jede<br />

Blume zu Tausenden, aber nur<br />

wenige haben das Glück, auf<br />

einen Untergrund zu fallen, der<br />

ihren hohen Ansprüchen gerecht<br />

wird und eben jenen spezifischen<br />

Pilz beherbergt, den ein Samenkörnchen<br />

zum Keimen benötigt:<br />

Die Samen enthalten keine Nährstoffvorräte,<br />

um austreiben zu<br />

können. Dies gelingt nur mit<br />

Hilfe des feinen, unsichtbaren<br />

Pilzgewebes im Boden, der den<br />

Orchideensamen umwächst und<br />

ihm die Nährstoffe zuführt. Es ist<br />

ein bemerkenswerter Kontrast,<br />

daß die teils verschwenderisch blühenden<br />

Orchideen bei ihren<br />

Samen in so großem Maße sparen,<br />

Systematik<br />

Familie: Orchideen<br />

(Orchidaceae)<br />

Unterfamilie: Orchidoideae<br />

Tribus: Orchideae<br />

Untertribus: Orchidinae<br />

Gattung: Knabenkräuter<br />

(Orchis)<br />

Art: Männliches<br />

Knabenkraut<br />

Wissenschaftlicher Name:<br />

Orchis mascula L.<br />

daß sie in ein Abhängigkeitsverhältnis<br />

geraten, das ihnen auch<br />

zum Verhängnis werden kann.<br />

Als wollte die Kuckuckblume ihr<br />

ganz unprätentiöses Wesen unterstreichen,<br />

geizt sie zudem mit<br />

ihrem Duft. Zumindest wird man<br />

„rein menschlich enttäuscht“, die<br />

Bestäuberinsekten scheinen ihn ja<br />

zu mögen. Analog zum geläufigen<br />

Spruch der Naturschützer „Ansehen<br />

immer – abpflücken nie!“<br />

gilt beim Mannsknabenkraut:<br />

„Ansehen immer – riechen besser<br />

nicht!“ Zwar können tropische<br />

Verwandte herrliche Düfte produzieren,<br />

etwa die Vanille oder die<br />

die winzige Kohlröschen-Orchidee,<br />

die nach einer Mischung aus<br />

Schokolade und Vanille duftet.<br />

Die zarte Honigorchis verströmt<br />

ebenso Honigaroma wie die<br />

völlig farblose Vogelnestwurz.<br />

Auch manche heimische Art bietet<br />

aromatischen Wohlgeruch. Das<br />

männliche Knabenkraut hingegen<br />

stinkt schlichtweg.<br />

Vorkommen rar bis<br />

weit verbreitet<br />

Die Arbeitskreise Heimischer<br />

Orchideen haben die stinkende<br />

Schönheit zur Orchidee des Jahres<br />

gewählt. Sie möchten mit ihrer<br />

Aktion darauf aufmerksam<br />

machen, daß Orchideen wichtige<br />

Anzeiger für die Qualität unserer<br />

Umwelt sind. Veränderungen der<br />

mageren, feuchten Wiesen oder das<br />

Verbuschen von Offenlandflächen<br />

etwa durch Beweidung oder andere<br />

landwirtschaftliche Nutzung<br />

führen dazu, daß Deutschlands<br />

häufigste Orchideenart sich mancherorts<br />

rar macht. Zwar ist sie in<br />

den meisten Regionen noch weit<br />

verbreitet und steht wie alle wildlebenden<br />

Orchideenarten unter<br />

Naturschutz. Die Standorte mit<br />

Vorkommen und die jeweilige<br />

Zahl der Pflanzen sind aber rückläufig.<br />

Mancherorts beschreiben<br />

Naturschützer dramatische Verluste<br />

von 15 bis 30 Prozent.<br />

Insofern ist die Sorge verständlich,<br />

daß in nicht allzuferner Zukunft<br />

auch das Mannsknabenkraut vielleicht<br />

auf der Roten Liste der gefährdeten<br />

Arten landet. Man darf<br />

sich sicher sein, daß die im<br />

Grunde genügsame Orchidee an<br />

dieser Art von Popularität keinerlei<br />

Interesse hat. •<br />

Ulrich Sander

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