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3.5. Lacans Erweiterungen des Unbewussten Jacques Lacan spürt ...

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vorräte zuteilt und deren richtigen Gebrauch kontrolliert, sondern zugleich auch<br />

jene Spiegelung <strong>des</strong> imaginären anderen in uns, die als Begehren die Vorstellungen<br />

in Gang setzt, mit denen wir variantenreich unser Ego behaupten, ohne<br />

es je abgeschlossen sein zu können. Das Ich ist daher immer schon gespalten, es<br />

ist widersprüchlich, macht Sprünge, verwirrt den Beobachter, weil er als Beobachter<br />

verwirrt ist, es verhält sich nicht determiniert in einem determiniertem<br />

System, es ist paradox. Das Ich, so macht <strong>Lacan</strong> (1980) klar, wechselt von einem<br />

Ich (je) zu einem anderen Ich (moi), es ist einmal symbolisch klar fixiert und mit<br />

einem Namen und sozialen Funktionen überzogen, erscheint aber im gleichen Zug<br />

als imaginär und gespiegelt und auf den anderen bezogen, der sich in einen großen<br />

Anderen verwandeln kann. Das Ich (je) ist dem Ich (moi) der Übersetzer solcher<br />

Wechselspiele, denn nur symbolisch können wir uns abgrenzend über das Imaginäre<br />

und Reale verständigen. Daher auch die Rede von der Spiegelung, die als<br />

prismatische bloß erscheint, sich aber nicht als Gegenstand fangen lässt. 1<br />

Gleichwohl geht der Tanz der Wissenschaft um diese Gefangennahme. Folgender<br />

Umstand mag dies illustrieren: <strong>Lacan</strong> fasst das Auge als ein Symbol <strong>des</strong> Subjekts<br />

auf. Die Wissenschaft beruht nun darauf, „dass man das Subjekt auf ein Auge<br />

reduziert, und <strong>des</strong>halb ist sie vor sie hin projiziert, d.h. objektiviert“ (<strong>Lacan</strong> 1990,<br />

106). Es hängt aber ganz und gar von den Stellungen <strong>des</strong> Auges ab, von den<br />

Perspektiven, die es einnimmt, um aus der Symbolik heraus das Imaginäre und<br />

das Reale zu situieren. Das Subjekt ist wesentlich durch seinen Platz in der<br />

symbolischen Welt charakterisiert, d.h. für <strong>Lacan</strong> wesentlich durch seine Welt <strong>des</strong><br />

Sprechens und die Voraussetzungen der Sprache.<br />

Warum sprechen die Planeten nicht? <strong>Lacan</strong> führt dieses Bild ein (1980, 299), um<br />

uns vor der Vergegenständlichung menschlicher Beziehungen nach dem Planetenmodell<br />

zu warnen: „Die Freudsche Welt ist keine Welt der Dinge, sie ist keine<br />

Welt <strong>des</strong> Seins, sie ist eine Welt <strong>des</strong> Begehrens als solchem.“ (Ebd., 283) Hier<br />

lassen sich keine Modelle sinnvoll bilden, die wie in einem Modell der Planeten<br />

oder Sterne einander nach festen Laufbahnen umkreisen. Existenzphilosophisch<br />

gesprochen erscheint das Begehren für <strong>Lacan</strong> als eine Beziehung <strong>des</strong> Seins zum<br />

Mangel: Der Mensch hat hier nicht Mangel an diesem oder jenem, sondern einen<br />

„Mangel an Sein, wodurch das Sein existiert.“ (Ebd.) Das Begehren ist ein Begehren<br />

nach nichts Benennbarem, es ist zugleich Quelle menschlicher Lebendigkeit<br />

(vgl. ebd., 284). In der klassischen, aufgeklärten Welt menschlicher Vernunft<br />

wird solches Sein durchsichtig zu machen versucht, indem die Dinge einen klaren<br />

Ort und die Beobachter eine eindeutige Perspektive erhalten, indem also in einer<br />

Objektwelt das Begehren selbst in verdinglichter Gestalt erscheint. Aber in dieser<br />

Objektwelt kann es sich nicht in seinem Begehren sehen, es sei denn in seinem<br />

Mangel: „In diesem Seinsmangel gewahrt es, dass das Sein ihm mangelt und dass<br />

das Sein da ist, in all den Dingen, die sich nicht seiend wissen. Und es imaginiert<br />

sich seinerseits als ein weiteres Objekt, denn es sieht keinen anderen Unterschied.<br />

1 Hier besteht der fundamentale Unterschied etwa zu Laings „geteilten Selbst“ oder dem „Selbst“<br />

bei Kohut oder Kernberg und anderen Psychoanalytikern, die uns eine Topologie der menschlichen<br />

Psyche anbieten, die Ordnung zwischen dem Bewussten und <strong>Unbewussten</strong> schafft. Bei<br />

<strong>Lacan</strong> sind alle Teile <strong>des</strong> Ichs sowohl eingewoben in bewusste als auch unbewusste Strukturen, so<br />

dass sich auch nicht eindeutig wahre und falsche Selbstbilder unterscheiden lassen - wie überhaupt<br />

die psychoanalytische Wahrheit damit eine Relativierung erfährt.<br />

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