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3.5. Lacans Erweiterungen des Unbewussten Jacques Lacan spürt ...

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Menschen als Leser dieses Berichts die eigene Zerrissenheit symbolisiert: Die<br />

Menschwerdung als eine Gefangenschaft und als Ausweg, der als Freiheit erscheinen<br />

mag, eine nunmehr scheinbare Freiheit aber als ein Ausweg, die nicht<br />

mehr in ihrer instinktgebundenen Naivität erscheinen kann. In diesem symbolischen<br />

Gefüge ist der Mensch das bessere, das zivilisiertere Wesen als das Tier,<br />

<strong>des</strong>sen Instinkt der Freiheit sich allenfalls in Flucht artikulieren kann, das aber,<br />

indem es menschliche Symbolwelten repräsentiert, sich selbst beherrschen lernen<br />

muss, um uns menschenähnlich zu erscheinen. Die Komik, die dieser Affe auslöst,<br />

wenn er in seinem äffischen Gewand uns als Mensch begegnet, lässt den Riss<br />

dieser symbolischen Welt deutlich erscheinen. Der Autor Kafka hebt diesen Bericht<br />

auf eine symbolische Bühne, wo wir uns dieses Erscheinen erst imaginieren<br />

müssen. Um es uns leichter zu machen, hat man gerade diesen Bericht <strong>des</strong> Affen<br />

oft in der Verkleidung eines Affen in Schauspielhäusern gespielt.<br />

Wenn die symbolische Ordnung sich im Spannungsfeld von Artikulation und<br />

Repräsentation abspielt, so ist die imaginäre Ordnung durch das Spiegelstadium<br />

gekennzeichnet, das sie veranlasst, zwischen einem Bild der Ganzheit, der Abgeschlossenheit<br />

und der Kontur und einem Mangel <strong>des</strong>selben zu unterscheiden.<br />

Nachdem der Affe gefangen war, imaginiert er sich Möglichkeiten seiner Flucht,<br />

einer Wunscherfüllung als Ausweg, die aber den Mangel seiner Gefangenschaft,<br />

den er erlebt, nicht ausgleichen können. So wandelt sich als eben dieser Ausweg<br />

sein Wunsch hin zu dem Streben, als Mensch anerkannt zu sein. Die menschlichen<br />

Verhaltensweisen bedeuten Menschsein, Gesten, Gewohnheiten, Worte,<br />

einen Grund und einen Sinn zu finden, wo es doch gerade zum Mangel <strong>des</strong> Affen<br />

gehörte, über keinen Sinn zu verfügen. Den Mangel ver<strong>spürt</strong>e der Affe zum ersten<br />

Mal – so stellt es sich für ihn im nachhinein dar –, als er ohne Ausweg, eingepfercht<br />

in seinem Käfig hockte. Warum ist es ihm so ergangen? Er kann den<br />

Grund nicht finden. So findet er ein Ziel: Aus dem Mangel heraus strebt er zum<br />

Menschsein. Dieses Streben wird zu seiner Wunsch-Erfüllung, der aber bis zum<br />

Ende das Bild <strong>des</strong> Affen als Mangel entgegensteht.<br />

Kafka spielt als Autor andererseits hier mit einem anderen Mangel: Der Komik<br />

<strong>des</strong> Affenmenschen, im realen Register der Unmöglichkeit dieses Bil<strong>des</strong> eines<br />

Affen, der Menschen in einer Akademie Bericht abgibt. Und so ironisiert Kafka<br />

das menschliche Streben: Seinen Wunsch kann sich der Affe nur über das Lernen<br />

erfüllen, für das er sich einen doppelten Mangel entdeckt: Es bleibt je unabgeschlossen<br />

auch für die Menschen und besonders schwierig für das Leben eines<br />

Tieres in der Menschenwelt. So sind es immer weitere Versuche in seinem Begehren,<br />

Mensch zu werden, die alle in eine ungehörte Anstrengung münden: Ich<br />

spreche, also bin ich. Aber bin ich damit Mensch? Die Ausgeschlossenheit gegenüber<br />

dem Menschen ist durch die tierische Gestalt definiert. Also: Ich denke, wo<br />

ich nicht bin; aber damit eben doch: Also bin ich. Aber was ist nun dieser fiktive<br />

Affe?<br />

Im realen Register erscheint das Unmögliche dieses Bil<strong>des</strong>, das Kafka uns zumutet<br />

und das damit zugleich unsere Imaginationen in Gang setzt und unsere<br />

symbolische Ordnungswelt erschüttert. Wollte der Affe in die Realität <strong>des</strong><br />

Äffischen zurückkehren, so müsste er in das Loch in der Ferne, durch das er gekommen<br />

ist, zurückkehren und – wie Kafka erkennt – sich das Fell vom Leib<br />

schinden, um wieder Affe zu werden. Aber der Sturm der tierischen Herkunft<br />

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