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3.5. Lacans Erweiterungen des Unbewussten Jacques Lacan spürt ...

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Frage gestellt wird. Der Blick <strong>des</strong> anderen, der aus psychoanalytischer Sicht insbesondere<br />

auf die Mutter-Kind-Beziehung zentriert wird, strukturiert die Sicherheit<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>, die es benötigt, um mittels Erinnerungen an solche Anwesenheit<br />

auch die Momente von Abwesenheit zu ertragen. Allerdings erscheint dieser<br />

Andere bei <strong>Lacan</strong> verdoppelt: als klein „a“, sofern das imaginäre Begehren<br />

spiegelbildlich vorgestellt wird, als groß „A“, sofern der große Andere eine Welterklärung<br />

symbolisiert, die für das Subjekt vorgängig die Realität strukturiert. 1<br />

Diese Verdopplung lässt sich durch einen Rückgriff auf Mead illustrieren. Für<br />

Mead war das „I“ jene Instanz, die als relativ spontane und offene, ereignisbezogene<br />

und kreative sich in der Welt situierte, ohne dass er Gefühle und<br />

Empfindungen ausschließen wollte. Dieses Ich wird mit <strong>Lacan</strong> radikalisiert, weil<br />

es mit einem imaginären Begehren verknüpft wird, das sich einerseits als Ganzheit<br />

in sich und für sich spiegelt (identisch wird), ohne darin identisch bloß mit<br />

sich sein zu können. Identität wird zu einer Stelle der Anwesenheit, die zugleich<br />

Abwesenheit solcher Identität ist, weil sie imaginär an Vorstellungen eines<br />

anderen geknüpft ist und so vermittelt erst gedacht wird. Wird sie aber gedacht, so<br />

taucht schon ein großer Anderer auf, der dieses Spiel von Identität in ein<br />

symbolisches System zwängt, seine Schubladen <strong>des</strong> Identischen aufzieht und sich<br />

Personen konstruiert, die in diese passen. Hier erscheint Meads Ort <strong>des</strong> „Me“, der<br />

schon ein Ort der Generalisierung im Diskurs von Anderen ist, wobei diese<br />

Anderen festhalten, was mein Begehren umgreift oder umgreifen soll, darf, muss.<br />

Damit steht das Subjekt in einer doppelten imaginären Spannung. Wo empfindet<br />

es diese Spannung?<br />

Das Ich ist vorrangig eine imaginäre Konstruktion (<strong>Lacan</strong> 1980, 309). Wäre es<br />

nicht imaginär, dann wären wir keine Menschen, sondern Monde, Planeten in bestimmten<br />

Umlaufbahnen, berechenbar. Dieses imaginäre Ich begegnet z.B. als<br />

Patient einem Analytiker, der es als analytisches Subjekt auffasst, ohne damit aussagen<br />

zu können, was ein Subjekt in seiner Totalität ist. Davon weiß er nichts. Er<br />

weiß als Psychoanalytiker gerade von seinen Auffassungen – also seinen Beobachterpositionen<br />

–, und es steht für <strong>Lacan</strong> überhaupt in Frage, wie totale Wesen<br />

ausgesagt werden sollten. Welche Beobachterposition müssten wir einnehmen,<br />

um sie zu beobachten? Das weiß niemand – außer Gott, der wiederum eine totale<br />

Projektion menschlicher Beobachter ist und damit bloß das Problem aufwirft,<br />

ohne es zu lösen. Dieses Ich nun spiegelt sich, indem es sich – nach seinem<br />

Spiegelstadium (eine Erfahrung, die wir alle in früher Kindheit machen) – als abgeschlossen,<br />

begrenzt, kurzum als Ich imaginiert. „Es kann glauben, dass es<br />

dieses Ich ist, so weit ist alle Welt, und es ist unmöglich, da herauszukommen.“<br />

(Ebd., 310) Aus diesem Ich heraus sieht es alle Objekte der Welt, die auch die<br />

anderen Menschen sind, und wie es im Spiegelstadium bereits über den Blick <strong>des</strong><br />

Dritten sich in seinem Subjekt-Objekt-Wechselspielen erlebte, 2 so erlebt es sein<br />

Ich in seinen Imaginationen immer über die Imaginationen von seinesgleichen –<br />

über Blicke, Körpersprache, Gefühle usw. –, denn kein Ich kann ohne An-<br />

1 Diese Unterscheidung von a/A wird bei <strong>Lacan</strong> ab den 50er Jahren durch das Objekt klein a ausgedrückt,<br />

das einerseits die eindringenden Bilder und Vorstellungen umfasst, andererseits aber<br />

auch den mimetischen Übergang <strong>des</strong> Spiegelstadiums symbolisiert. Vgl. dazu einführend z.B.<br />

Ragland-Sullivan (1989, 109 ff.).<br />

2 Diese Wechselspiele schließen auch Subjekt-Subjekt-Spiele ein.<br />

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