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3.5. Lacans Erweiterungen des Unbewussten Jacques Lacan spürt ...

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Andersheit in die immer seienden Wesen der Welt einführt. In dem Spiel <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> kann die Anwesenheit der Worte und Begriffe über die Dinge nur dadurch<br />

auf das „Fort“und „Da“ gebracht werden, dass die Abwesenheit als Differenz<br />

zwischen die sensomotorischen Aktionen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> tritt und an die Stelle <strong>des</strong><br />

„aus den Augen, aus dem Sinn“ ein symbolisches Register setzt, das die Aktion<br />

selbst festhält. Diese Sichtweise unterscheidet sich gar nicht so sehr von Einsichten<br />

<strong>des</strong> Konstruktivisten Piaget.<br />

Aber dies gilt nur für den Aufbau der symbolischen Funktion. Diesem zur Seite<br />

steht ein imaginäres Register, das <strong>Lacan</strong> insbesondere durch das Spiegelstadium<br />

verdeutlicht. <strong>Lacan</strong> kritisiert an der herkömmlichen Psychologie, dass sie die Begegnung<br />

von Kind und Eltern, von Ich und Du, von Mensch zu Mensch einseitig<br />

an das symbolische Register gekettet habe. Die Behauptung aber, dass ein bestimmtes<br />

Subjekt eine bestimmte Wahrnehmung eines anderen als solches habe,<br />

erweist sich für <strong>Lacan</strong> als naiv. Sicher machen die Menschen sich wechselseitige<br />

Zuschreibungen über ihre Wahrnehmungen und über ihr Verhalten. „Es geht aber<br />

darum, auf welcher Ebene dieser Andere realisiert wird und wie, in welcher<br />

Funktion, in welchem Kreis der Subjektivität, in welcher Entfernung dieser<br />

Andere steht.“ (<strong>Lacan</strong> 1990, 67)<br />

Piagets Vorgehen, das von einem egozentrischen Weltbild <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> redet und<br />

die kindliche Entwicklung in unterschiedliche Stadien aufteilt, erscheint aus dieser<br />

Sicht als einseitig. Hier wird das symbolische Register der Erwachsenenwelt,<br />

einer spezifischen gar, der kindlichen Entwicklung aufgepfropft, um so eine universelle<br />

Beobachtung und ein universelles Konstrukt zu erzielen. <strong>Lacan</strong> sieht<br />

wenig den Konstruktivismus bei Piaget, den ich weiter oben hervorgehoben habe,<br />

er kritisiert vehement die Verengung auf das Symbolische. „Dies Kind sehen wir<br />

wunderbar offen für alles, was der Erwachsene ihm vom Sinn der Welt zuträgt.<br />

Bedenkt man jemals, dass diese wunderbare Durchlässigkeit für alles, was<br />

Mythos, Legende, Märchen, Geschichte, was diese Leichtigkeit, mit der sie sich<br />

von Erzählungen mitnehmen lassen, für das Gefühl <strong>des</strong> andern bedeutet? Glaubt<br />

man, das sei mit den kleinen Würfelspielen vergleichbar, mit deren Hilfe Herr<br />

Piaget uns zeigt, dass das Kind zu einer Kopernikanischen Weltansicht gelangt?“<br />

(<strong>Lacan</strong> 1990, 67)<br />

Das Spiegeln <strong>des</strong> anderen, das Begehren <strong>des</strong> anderen auf der imaginären Achse,<br />

die eine Fülle von lebendigen und vielseitigen Beziehungen ermöglicht, die für<br />

<strong>Lacan</strong> überhaupt erst die Perspektive der Intersubjektivität ermöglicht, wird bei<br />

Piaget in der Tat reduziert. Dies ist eine der Quellen eines reduktiven Verständnisses<br />

von Interaktion im Konstruktivismus. Ein interaktionistischer Konstruktivismus<br />

wird hingegen <strong>Lacan</strong> an der Stelle der Imaginationen ernst nehmen<br />

müssen, weil und insofern diese eine Verbindung insbesondere zu den Gefühlslagen,<br />

den Momenten <strong>des</strong> Lebendigen, die nicht direkten Laboruntersuchungen<br />

zugänglich sind, den tieferen Dimensionen menschlicher Handlung eröffnen.<br />

Zugleich wird sich bei näherer Betrachtung aufweisen lassen, dass <strong>Lacan</strong> die<br />

Interaktionstheorie aus ihrem dialogischen Verhältnis herauslöst, wie es für die<br />

zweite Kränkungsbewegung noch wesentlich war. Interaktion ist nie nur – auch<br />

dennoch eine letzte Begründungsgröße, die als Signifikant ohne Signifikat hinter den Unterscheidungen<br />

wirkt. Auch in der Theorie <strong>des</strong> borromäischen Knotens sucht <strong>Lacan</strong> nach einer<br />

totalen Wahrheit (vgl. Juranville 1990, 467 ff.), die ins Spekulative abgleitet.<br />

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