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MI05S24D 01.08.2006 10:34 Uhr Seite 24<br />
24 25<br />
ZERSTÖRUNG DER ABTEI<br />
Die russische Invasion setzte der Arbeit<br />
der Benediktiner ein jähes Ende: Die<br />
Abtei wurde zerstört, das Kloster<br />
gewaltsam enteignet. Fünf einheimische<br />
und drei deutsche Patres wurden hingerichtet.<br />
Auch drei deutsche Brüder<br />
wurden an die Wand gestellt. Das Klostergelände<br />
wird heute wegen seiner<br />
vielen Ländereien als landwirtschaftliche<br />
Hochschule genutzt, in ganz Nordkorea<br />
gibt es keinen katholischen Priester<br />
mehr. Im vergangenen Jahr konnten<br />
die Benediktiner im Norden zwar ein<br />
Krankenhaus eröffnen, offiziell ist die<br />
Klinik jedoch eine staatliche Einrichtung.<br />
Holzkohle brennen. „Und immer<br />
stand ein Aufseher mit der Waffe<br />
in unserem Rücken. Keine ruhige<br />
Minute hatten wir.“ Die Kommunion<br />
konnten die Benediktiner<br />
in Oksadok nur heimlich empfangen.<br />
„Die fingernagelgroßen Hostien<br />
haben wir selber hergestellt.<br />
Den Weizen dafür säten wir verborgen<br />
zwischen Maisstauden aus“,<br />
erzählt Schwester Bertwine. „Und<br />
aus wild wachsenden Trauben konnten<br />
wir sogar Messwein machen.“<br />
Trotzdem hatten die Lagerinsassen<br />
immer Hunger. Draußen Arbeitende<br />
erhielten pro Tag nur eine<br />
Ration von 700 Gramm, die anderen<br />
600 Gramm. So geschwächt<br />
waren die Brüder und Schwestern<br />
ständig krank. „Das schlimmste<br />
waren die Würmer. Einigen von<br />
uns kamen sie sogar aus Mund und<br />
Nase heraus. Schwester Eva und<br />
Schwester Fruktuosa haben das<br />
nicht überlebt, genauso wie 15<br />
Brüder.“ Die Missionare liegen<br />
noch heute auf dem Perlensand-<br />
Hügel begraben.<br />
1953 endlich, nach drei Jahren<br />
Leiden, durften die Benediktiner<br />
nach Hause. Mit der transsibirischen<br />
Eisenbahn brauchten sie drei<br />
Wochen nach Deutschland, wo sie<br />
im Januar 1954 im Lager Friedland<br />
gemeinsam mit anderen<br />
Kriegsgefangenen ankamen. „Meine<br />
Güte, war das ein Hallo“, sagt<br />
Schwester Bertwina. „Schon auf<br />
dem Weg wurden wir gut behandelt,<br />
weil die Koreaner nicht wollten,<br />
dass wir Schlechtes über ihr<br />
Land erzählen. Und in Deutschland<br />
durften wir endlich wieder<br />
unseren Habit tragen!“ 13 Jahre<br />
lang hatte sie ihre Familie nicht<br />
gesehen, 13 Jahre lang keine einzige<br />
Nachricht von zu Hause bekommen.<br />
„Die dachten, ich wäre<br />
tot. Aber da haben sie sich getäuscht“,<br />
sagt sie und lacht befreit.<br />
„Lange habe ich’s daheim trotzdem<br />
nicht ausgehalten.“<br />
Schon 1958 kehrte Schwester<br />
Bertwina zurück – in den Süden,<br />
denn im Norden konnte die<br />
Kirche zu diesem Zeitpunkt schon<br />
nicht mehr arbeiten. Dort baute<br />
sie das erste Noviziat der Benediktinerinnen<br />
mit auf. „Ich hatte<br />
keinen Groll gegen dieses Land.<br />
Im Gegenteil: Ich hatte es sogar<br />
sehr vermisst.“ So konnte Schwes-<br />
ter Bertwina den Aufstieg Südkoreas<br />
verfolgen. Sie sah, wie aus<br />
dem zerstörten, korrupten Land<br />
nach und nach eine Wirtschaftsmacht<br />
und Demokratie wurde.<br />
„Selbst als ich 58 zurückkam,<br />
waren hier nur Hütten und Reisfelder.<br />
Straßen, Autos, Hochhäuser<br />
– davon war noch keine Rede.“<br />
Heute dagegen zählt die Volkswirtschaft<br />
Südkoreas zu den wichtigsten<br />
der Welt, die Hauptstadt<br />
Seoul ist eine hochmoderne Metropole.<br />
Futuristische Wolkenkratzer<br />
schrauben sich in den Himmel, die<br />
Straßen sind zu jeder Tageszeit mit<br />
Neuwagen verstopft, grelle Leuchtreklamen<br />
in englischer Schrift lokken<br />
in Vergnügungsviertel. Seoul<br />
ist laut, hektisch. Vom „Land der<br />
Morgenstille“, wie Korea sich<br />
selbst nennt, ist nicht viel zu sehen.<br />
Statt dessen prägen eilige Männer<br />
in dunklen Anzügen das Straßenbild.<br />
Traditionelle buddhistische<br />
Tempel mit Pagodendächern<br />
sind im Zentrum so gut wie gar<br />
nicht mehr erhalten. Auch in den<br />
grauen Trabantenstädten außerhalb<br />
der Hauptstadt muss man sie<br />
lange suchen. Dort reihen sich triste<br />
Plattenbauten aneinander.<br />
Pater Antonius, 56<br />
„Die russische Marine,<br />
ihre U-Boote und<br />
Minen konnten uns<br />
nichts anhaben. Gott<br />
muss seine Hand am<br />
Steuer gehabt haben.“<br />
reportage korea<br />
Nordkorea will mit gewaltigen<br />
Militäraufmärschen<br />
seine Stärke demonstrieren<br />
(l.). Pater Antonius<br />
zeigt ein Bild seiner Eltern,<br />
die mit ihm aus Nordkorea<br />
geflohen sind (u. Mitte). In<br />
der Klosterkirche in der<br />
Nähe des südkoreanischen<br />
Waegwan sind Schwestern<br />
ins Gebet versunken (u.).<br />
Eine Tafel erinnert an Brüder<br />
und Patres, die in Korea<br />
ihr Leben ließen (u. r.).