08.10.2013 Aufrufe

DAS MEISTERHEFT Mai 2011 - Evonik

DAS MEISTERHEFT Mai 2011 - Evonik

DAS MEISTERHEFT Mai 2011 - Evonik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Evonik</strong>-Magazin<br />

<strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Mit Doppelposter<br />

zum Herausnehmen


Wir stehen hinter dem BVB.<br />

Für die einen ist es Dortmund,<br />

für die anderen das<br />

größte Vereinsheim der Welt.<br />

www.evonik.de<br />

FOTO: KIRSTEN NEUMANN<br />

Tempo, Leidenschaft und Strategie<br />

Borussia Dortmund ist deutscher Meister <strong>2011</strong>. Die Freude darüber bringen wir mit diesem<br />

Sonderheft des <strong>Evonik</strong>-Magazins zum Ausdruck<br />

Dr. Klaus Engel, Vorsitzender<br />

des Vorstandes der <strong>Evonik</strong> Industries AG<br />

„Aus dem Geschäft<br />

wurde eine Herzensangelegenheit.<br />

<strong>Evonik</strong> hat sich für<br />

den richtigen<br />

Partner entschieden“<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

EDITORIAL 3<br />

Sponsoren gehören zum modernen Fußball wie die Taktiktafel und computer<br />

gestützte Spielanalyse. Ein Unternehmen gibt Geld, um die eigene<br />

Bekanntheit zu erhöhen. Der Klub stellt im Gegenzug seine Popularität zur<br />

Verfügung. Ein Geschäft mit zwei Gewinnern. So weit, so gut.<br />

Doch dann steht man im Stadion und erlebt die Leidenschaft, mit der<br />

diese BVB-Mannschaft rennt und kämpft, Spiele und Punkte gewinnt oder<br />

vielleicht auch mal verliert. Von den Rängen wird die Elf bedingungslos<br />

unterstützt und nach vorne gepeitscht, mit Jubel, Gesängen und viel Herzblut.<br />

Das ist ansteckend, das lässt niemanden kalt. Und plötzlich wird aus<br />

dem Geschäft eine echte Herzensangelegenheit. Wie emotional das Thema<br />

BVB nicht nur für die Region, sondern inzwischen für das ganze Land ist,<br />

zeigen die vielfältigen Autoren- und Fotobeiträge dieses Sonderhefts.<br />

Tempo, Leidenschaft und eine klare Strategie, das zeichnet den BVB in<br />

dieser Saison aus und hat ihn so erfolgreich gemacht. Davon konnten sich<br />

die vielen Fans live im größten Stadion Deutschlands überzeugen. Das hat<br />

aber auch Millionen Menschen im ganzen Land begeistert. Die Faszination<br />

BVB und Bundesliga bleibt nicht auf die Heimat beschränkt. So schauen<br />

etwa 150 Millionen Chinesen Woche für Woche die „Sportschau“,<br />

und in Japan ist ein Spieler wie Shinji Kagawa ein echter Popstar mit der<br />

entsprechend hohen medialen Aufmerksamkeit.<br />

Das zeigt, dass Sponsoring funktioniert und sich <strong>Evonik</strong> für den<br />

richtigen Partner entschieden hat. Das zeigt aber auch, dass Fußball vor<br />

allem gelebte Leidenschaft ist. Bei <strong>Evonik</strong> freuen wir uns über die<br />

sensa tionelle Leistung dieser Mannschaft, die nun mit dem Meistertitel<br />

und dem Einzug in die Beletage des europäischen Fußballs zu einem<br />

krönenden Abschluss geführt hat.<br />

Herzlichst<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


4 INHALT<br />

Die Autoren<br />

Sie haben die Beiträge für dieses<br />

Sonderheft verfasst:<br />

Hansi Küpper, Kommentator für die<br />

Sender Sat.1 und Liga total sowie<br />

Experte bei Sport1. Der gebürtige Essener<br />

verfolgt seit über 20 Jahren aus nächster<br />

Nähe die Bundesliga und den internationalen<br />

Fußball. Küpper schrieb „Das Wunder<br />

von Dortmund“ auf Seite 6.<br />

Andreas Brannasch, Sportwissenschaftler<br />

und freier Journalist mit dem Schwerpunkt<br />

Sport-Business. In den 90ern arbeitete<br />

er bei der Zeitschrift „Sports“, heute ist er<br />

unter anderem für W&V oder Sportfive<br />

tätig. Brannasch berichtet über „Elf Freunde<br />

für <strong>Evonik</strong>“ auf Seite 19.<br />

Klaus Jopp, Diplomchemiker, Redakteur<br />

für Wissenschaft und Technik und freier<br />

Jour nalist. Autor des Buches „Nanotechnologie<br />

– Aufbruch ins Reich der Zwerge“.<br />

Jopp erklärt „Hightech stürmt immer mit“<br />

auf Seite 32.<br />

Tom Schimmeck, Journalist, Autor und<br />

Mitbegründer der TAZ. In den 90ern berichtete<br />

er aus Südafrika über die Zeit nach<br />

der Freilassung Nelson Mandelas. Arbeitete<br />

unter anderem für den NDR und die Zeitschriften<br />

„Stern“, „Geo“ und „Die Woche“.<br />

Schimmeck schrieb die große Reportage<br />

„Rote Erde, gelbe Wand“ auf Seite 38.<br />

Sascha Fligge ist zurzeit stellvertretender<br />

Ressortleiter und Leiter Sport-Online<br />

der Tageszeitung „Ruhr Nachrichten“. Sein<br />

Schwerpunkt: der BVB und die Fußballnationalmannschaft.<br />

Fligge betreute das<br />

Aufklappposter „Die Meistermacher“.<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

So sehen Meister<br />

aus: Das 2:0 gegen<br />

Nürnberg am 30.<br />

April brachte die<br />

Meisterschale. Wie<br />

der BVB gewann –<br />

„Das Wunder<br />

von Dortmund“<br />

Seite 6<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG<br />

Christian Kullmann<br />

Rellinghauser Straße 1–11<br />

45128 Essen<br />

Objektleitung/<br />

Leitung In terne<br />

Kommunikation<br />

und Konzernmedien:<br />

Stefan Haver<br />

Chefredaktion:<br />

Urs Schnabel (V.i.S.d.P.)<br />

Beratung:<br />

Lutz Dreesbach<br />

Jürgen Klopp, Dr. Klaus Engel und Hans-Joachim Watzke (v.l.) im Gespräch Seite 26<br />

Art Direction:<br />

Wolf Dammann<br />

Redaktion:<br />

Michael Hopp (Leitung),<br />

Christiane Oppermann<br />

Chef vom Dienst:<br />

Stefan Glowa<br />

Fotoredaktion:<br />

Ulrich Thiessen,<br />

Beatrice Linnenbrügger<br />

Dokumentation:<br />

Kerstin Weber,<br />

Tilman Baucken; Hamburg<br />

Gestaltung:<br />

Teresa Nunes (Leitung),<br />

Anja Giese, Heike Hentschel/<br />

Redaktion 4<br />

Schlussredaktion:<br />

Wilm Steinhäuser<br />

Verlag und Anschrift der<br />

Redaktion:<br />

Hoffmann und Campe<br />

Verlag GmbH,<br />

ein Unternehmen der<br />

GANSKE VERLAGSGRUPPE<br />

Harvestehuder Weg 42<br />

20149 Hamburg<br />

Telefon +49 40 44188-457<br />

Telefax +49 40 44188-236<br />

E-<strong>Mai</strong>l cp@hoca.de<br />

Computeranalyse und Hightech im Fußball Seite 32<br />

FOTOS: DEFODI.DE (3), KIRSTEN NEUMANN, IMPIRE AG; TITELFOTO: MARTIN KUNZE<br />

Geschäftsführung:<br />

Dr. Kai Laakmann,<br />

Dr. Andreas Siefke,<br />

Bernd Ziesemer<br />

Objektleitung:<br />

Dr. Ingo Kohlschein<br />

Herstellung:<br />

Claude Hellweg (Leitung),<br />

Oliver Lupp<br />

BVB-Fans stehen wie eine Wand – die Reportage Seite 38<br />

<strong>Evonik</strong> am<br />

Trikot –<br />

die Hintergründe<br />

Seite 19<br />

Litho: PX2, Hamburg<br />

Druck: Neef+Stumme<br />

premium printing, Wittingen<br />

Copyright: © <strong>2011</strong> by<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG, Essen.<br />

Nachdruck nur mit<br />

Genehmigung des Verlages.<br />

Der Inhalt gibt nicht in<br />

jedem Fall die Meinung des<br />

Herausgebers wieder<br />

Die Meistermacher<br />

Vom Busfahrer bis zum Platzwart,<br />

vom Stadionsprecher bis zum<br />

Zeugwart. Wir stellen das Team<br />

hinter dem Erfolg des BVB vor.<br />

Als Aufklappposter – exklusiv im<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin.<br />

Die Ergebnisse: die Erfolge<br />

des BVB von 1963 bis heute<br />

Kontakt:<br />

Fragen oder Anregungen<br />

zum Inhalt des Magazins:<br />

Telefon<br />

+49 201 177-3340,<br />

Telefax<br />

+49 201 177-3013,<br />

E-<strong>Mai</strong>l<br />

magazin@evonik.com<br />

EDITORIAL<br />

3 Tempo, Leidenschaft und Strategie<br />

Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender der <strong>Evonik</strong> Industries AG,<br />

über die Motive, Borussia Dortmund für weitere zwei Jahre als<br />

Trikotsponsor zu begleiten<br />

BORUSSIA LIVE<br />

INHALT 5<br />

6 Das Wunder von Dortmund<br />

Der große Exklusivbericht über den Weg zur Meisterschaft, mit<br />

seltenen, sehr persönlichen Fotos von Großkreutz, Sahin, Schmelzer,<br />

Götze und Co. Eine Dokumentation von bleibendem Wert<br />

DER BVB-FAKTOR<br />

19 Elf Freunde für <strong>Evonik</strong><br />

Trikotsponsor <strong>Evonik</strong> lebt seine Partnerschaft mit dem BVB<br />

auf besonders kreative Weise und wird durch die siegreiche Saison<br />

der Dortmunder mit erstklassigen Werbewerten belohnt<br />

BVB-TALK<br />

Fragen zum Versand<br />

oder Bestellungen:<br />

Telefon<br />

+49 40 68879-139<br />

Telefax<br />

+49 40 68879-199<br />

E-<strong>Mai</strong>l<br />

magazin-vertrieb@hoca.de<br />

26 „Ein unfassbares Glück“<br />

BVB-Trainer Jürgen Klopp, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke<br />

und der Vorstandsvorsitzende der <strong>Evonik</strong> Industries AG Dr. Klaus<br />

Engel im Gespräch mit Manfred Bissinger über Erfolg, Leistung und<br />

das entscheidende Zusammenspiel<br />

BVB-HIGHTECH<br />

32 Hightech stürmt immer mit<br />

Der Signal Iduna Park, Heimat des BVB, und die Zukunft<br />

des Fußballs: Informationstechnik und neue Materialien tragen<br />

immer stärker zum Erfolg bei<br />

MYTHOS BVB<br />

38 Rote Erde, gelbe Wand<br />

Es sind die Fans, die den BVB so stark machen. Eine exklusive<br />

Foto reportage ergibt das große Porträt des überschäumenden<br />

Lebensgefühls in Schwarz-Gelb<br />

Michael Zorc im Interview: Der BVB-Sportdirektor über Scouts<br />

und die Suche nach Talenten<br />

Reinhold Beckmann im Interview: Der bekannte Sportjournalist<br />

beschreibt erstmals seine Sozialisierung durch die Dortmunder<br />

Glückwünsche: Zum Titelgewinn des BVB hätte jeder Fußballfan<br />

etwas zu sagen. Das <strong>Evonik</strong>-Magazin bat Prominente um Grußworte<br />

Quiz: Sind Sie BVB-Experte?<br />

VESTAMID® ist eine geschützte<br />

Marke der <strong>Evonik</strong> Industries AG oder<br />

ihrer Toch ter unternehmen. Sie ist im<br />

Text in Groß buchstaben geschrieben<br />

Diese Ausgabe des<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazins fi nden<br />

Sie auch online<br />

unter www.evonik.de<br />

und als<br />

iPad-App<br />

im App Store<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


6 BORUSSIA LIVE<br />

Das Wunder<br />

von Dortmund<br />

Borussia Dortmund ist deutscher Meister. Damit wurde wahr, was<br />

sich zunächst niemand vorstellen konnte: Die Schale ist in den<br />

Pott zurück gekommen. Hansi Küpper, Sportreporter bei Liga total,<br />

begleitete die Mannschaft während der letzten Saison und wurde<br />

Zeuge, wie Trainer Jürgen Klopp die Jungs zu Meistern machte<br />

TEXT HANSI KÜPPER<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

BORUSSIA LIVE 7<br />

Es ist vollbracht: Kapitän<br />

Roman Weidenfeller<br />

reckt den über 80.000 Fans<br />

im Stadion die Meisterschale<br />

entgegen. Im schwarzgelben<br />

Konfettiregen<br />

erreicht die Euphorie über<br />

eine grandiose Saison<br />

ihren Höhepunkt<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

FOTO: DEFODI.DE


8 BORUSSIA LIVE<br />

Volksfest auf dem Spielfeld<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Große Rasenparty: Nach der Zeremonie gibt es für die<br />

Fans kein Halten mehr. Sie strömen auf das Grün, um ihren<br />

Idolen möglichst nahe zu sein. Das friedliche Happening<br />

eröffnet die Meisterfeiern, die am Sonntag mit Autokorso<br />

und Partymeile auf der B 1 zum Fest für alle werden<br />

FOTO: GETTY IMAGES<br />

FOTO: DEFODI.DE<br />

Heiliges Grün: ein Stück vom Rasen für Vitrine,<br />

Schrebergarten, Balkon oder Blumentopf. Die Fans sichern sich<br />

an einem denkwürdigen Tag ein Souvenir mit Eigenleben<br />

AM 14. MAI, UM 17 UHR 42, wird ein Traum<br />

wahr. Als Kapitän Roman Weidenfeller von Liga- und<br />

BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball die Meisterschale<br />

entgegennimmt, um sie in den Himmel über Dortmund<br />

zu recken, ist der BVB 09 für diesen Moment<br />

der glücklichste Verein der Fußballwelt. Schon die<br />

Choreografie auf der Südtribüne vor dem Anpfiff ließ<br />

erkennen, wie sehr diese deutsche Meisterschaft eine<br />

leidenschaftliche und leidensbereite Fan gemeinde<br />

mit Stolz erfüllt.<br />

Dieses letzte Saisonspiel gegen Eintracht Frankfurt<br />

verlief nach dem gleichen Drehbuch wie viele Par tien<br />

zuvor, die den Anhang monatelang in Ekstase versetzt<br />

hatten. Wieder einmal traf Barrios, sogar doppelt, wieder<br />

einmal verschoss der BVB Elfmeter, sogar doppelt.<br />

Die 90 Minuten gegen Eintracht Frankfurt und<br />

die Übergabe der Schale bildeten Abschluss und Höhepunkt<br />

einer glanzvollen Saison.<br />

Als nach dem Abpfiff die Fans auf den Rasen drängen,<br />

geht Trainer Jürgen Klopp zunächst alleine, dann<br />

mit seinen Spielern vor die Südtribüne, um die Fans<br />

zu beruhigen, damit die Meisterkür auf dem Rasen<br />

stattfinden kann. Und nicht nur auf dem Platz verfällt<br />

Dortmund in diesem Moment in schwarz- gelben<br />

Freudentaumel: Autokorsos durch die Innenstadt, der<br />

Borsigplatz wird gesperrt. Am Sonntag die Meisterparty<br />

mit einer halben Million Menschen auf der<br />

Straße. So was gab es noch nie.<br />

Klopp ist der Mann der Stunde, der selbst im größten<br />

Jubel noch die Übersicht behält. Der wie ein Derwisch<br />

am Spielfeldrand toben, rennen und springen<br />

kann. Und der doch am 30. April <strong>2011</strong>, als die BVB-<br />

Elf mit einem 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg den Titel<br />

klargemacht hatte, – im Augenblick seines größ-<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


10 BORUSSIA LIVE<br />

Beim Siegen gut – und beim Feiern<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Meister-Ritual: In der Dortmunder<br />

Kabine adelt Dede den Meistertrainer<br />

Jürgen Klopp mit einer ordentlichen<br />

Bierdusche, die Meisterschale taugt<br />

dabei nur bedingt als Schutz. Nuri Sahin<br />

schreit seine Freude heraus, Shinji<br />

Kagawa macht Fotos fürs Familienalbum<br />

FOTO: DEFODI.DE<br />

ten Triumphes – ganz still wurde. „Es fühlt sich so<br />

ganz anders an, als ich gedacht hatte“, sagte er später<br />

und: „Die Erleichterung ist tausendmal größer als<br />

die Euphorie.“<br />

Es waren die stillen Szenen dieses Tages, die von<br />

der Größe des Augenblicks zeugten, die das Unfassbare<br />

deutlich werden ließen. Wenige Sekunden währte<br />

die Umarmung zwischen Roman Weidenfeller und<br />

Jürgen Klopp. Mit einer großen Geste und mit wenigen<br />

Worten drückten der Coach und der Kapitän ihre<br />

gegenseitige Wertschätzung aus: der Meistertrainer<br />

und sein Meisterkeeper. Fast ungläubig verfolgten<br />

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor<br />

Michael Zorc das schwarz-gelbe Happy End<br />

ihres Vereins, der beinahe ein trauriges Ende genommen<br />

hätte.<br />

Rettung in letzter Minute<br />

Im März 2005 stand die Zukunft des BVB auf der<br />

Kippe: Nur ein Rettungsplan, dem die Stadion-<br />

Anteilseigner zustimmen mussten, konnte die Pleite<br />

des BVB in letzter Minute abwenden. Zwei Monate<br />

später errichteten die Fans auf der Südtribüne eine<br />

beeindruckende Kulisse, die „gelbe Wand“ aus 4.000<br />

Trans parenten.<br />

Doch bis der Kurs, der die Borussia zum Ausbildungsverein<br />

ohne namhafte Stars und Sterne degradierte,<br />

Erfolge zeigte, vergingen mehr als drei harte<br />

Jahre, mit Abstiegskampf, Trainerwechsel, aber auch<br />

DFB-Pokal-Finale. Erst 2008 gelang der entscheidende<br />

Coup: Jürgen Klopp, der frühere TV-Kommentator<br />

von Europa- und Weltmeisterschaft, der Coach, der<br />

<strong>Mai</strong>nz 05 in die erste Bundesliga geführt hatte, wurde<br />

Trainer von Borussia Dortmund.<br />

FOTO: KIRSTEN NEUMANN<br />

Nur Fliegen ist schöner: BVB-Pressesprecher<br />

Josef Schneck wirft sich in die Arme von<br />

Jürgen Klopp – und dieses Mal hat die Brille gehalten<br />

Die Aufbruchstimmung war – obwohl der BVB im<br />

ersten Jahr unter Klopp gleich zweimal knapp die<br />

Qualifikation für Europa verpasste – schnell spürbar.<br />

Dennoch dauerte es drei Jahre, bis er aus hoffnungsvollen<br />

Talenten eine Meister-Elf geformt hatte.<br />

Sie sind einen weiten Weg gegangen. Vom Basislager<br />

der Bundesliga bis zum Gipfel. Mehr als 4.000<br />

Kilometer hat die BVB-Elf an den 34 Spieltagen auf<br />

dem Feld zurückgelegt – 120 Kilometer pro Partie<br />

fast immer im Sprinttempo und mit immer schwererem<br />

Gepäck.<br />

Am Anfang war alles noch ganz leicht. Als am 22.<br />

August 2010 um 19.20 Uhr der erste Bundesligaspieltag<br />

zu Ende ging, hatten die Borussen ordentlich<br />

Ballast abgeworfen und allzu hohe Erwartungen an<br />

die Saison erst einmal im Keim erstickt: Bei der Partie<br />

gegen Bayer Leverkusen schossen die Dortmunder<br />

kein einziges Tor, die Gäste im Signal Iduna Park<br />

dafür zwei. 70.000 BVB-Fans gingen ernüchtert nach<br />

Hause. Ihre Truppe ist bestenfalls oberes Mittelmaß.<br />

Vielleicht schafft sie es ja am Ende der Saison wenigstens<br />

in die Europa League.<br />

Dabei war doch alles getan worden, um die Mannschaft<br />

auf die Bundesliga einzustimmen. Im Trainingslager<br />

im österreichischen Stegersbach wurden<br />

die Fußballer sorgfältig nach aktuellen sportwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen auf die Saison vorbereitet.<br />

Zwei bis drei Trainingseinheiten pro Tag für die<br />

athletische Fitness und ein buntes Spaß- und Spielprogramm<br />

mit Kanutouren zur Entspannung und<br />

Stärkung des Teamgeistes. Vermutlich war die<br />

Mannschaft eben doch zu jung, zu unerfahren. Die<br />

Mehrheit der Truppe war gerade mal zwischen 21<br />

und 25 Jahre alt, der Jüngste, Mario Götze, erst 18.<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


12 BORUSSIA LIVE<br />

FOTOS: DEFODI.DE<br />

Teambuilding: Wenn sich Johannes Focher, Marco Stiepermann und Mario<br />

Götze (v.l.) im Kajak aufeinander verlassen können, dann auch auf dem Platz<br />

Von überragender Fitness war am ersten Spieltag<br />

auch wenig zu sehen gewesen: Sicher, sie hatten sich<br />

angestrengt, aber Mühe allein reichte eben nicht.<br />

Nur Cheftrainer Jürgen Klopp zeigte keine Enttäuschung,<br />

sondern sprach seinen Jungs das volle Vertrauen<br />

aus.<br />

Zu Recht, wie sich schon am zweiten Spieltag zeigte.<br />

Da haben die BVB-Bubis den VfB Stuttgart vorgeführt.<br />

Aber erst am 19. September im Revierderby<br />

gegen den Erzrivalen Schalke 04 zeigten die Dortmunder<br />

in Gelsenkirchen ihre wahre Klasse. Der BVB<br />

griff an, die Mannschaft spielte mit überraschender<br />

Sicherheit und Präzision. 3:1 lautete der Endstand.<br />

Der Japaner Shinji Kagawa traf zweimal, der Pole<br />

Robert Lewandowski einmal. Beide spielen ihre erste<br />

Saison in der Bundesliga.<br />

Kämpfen, rennen, siegen<br />

In Dortmund bereiteten die Fans ihren neuen Helden<br />

einen triumphalen Empfang. Damals stand zwar<br />

noch <strong>Mai</strong>nz 05 an der Tabellenspitze, doch die Mannschaft<br />

von Borussia Dortmund zog mit ihrem schnellen,<br />

angriffslustigen und kreativen Spiel die Aufmerksamkeit<br />

der Fußballfans auf sich.<br />

„Wir werden die eine oder andere Vollgasveranstaltung<br />

abhalten“, hatte Trainer Klopp zu Beginn der<br />

Saison versprochen, und seine Jungs hielten sich an<br />

die Ansage. Die Konkurrenz konnte dem Dortmunder<br />

Mix aus Leidenschaft und strategischer Brillanz<br />

wenig oder nichts entgegensetzen. Selbst hochkarätig<br />

besetzte Teams wie der FC Bayern hatten das<br />

Nachsehen. Im November hatte Borussia Dortmund<br />

die Tabellenspitze erobert und war zum Star der Liga<br />

und zum Lieblingsverein der Journalisten aufgestie-<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Star des Teams ist Trainer Jürgen Klopp: Er formte ein Spitzenteam und<br />

schenkte den jungen Spielern auch nach Rückschlägen sein Vertrauen<br />

gen. Das Phänomen BVB wurde in der Presse von allen<br />

Seiten beleuchtet und analysiert. Das System Klopp,<br />

die Fähigkeiten der Spieler wurden akribisch seziert<br />

und mit den Leistungen anderer Spitzenklubs der Liga<br />

verglichen. Und tatsächlich zeigten sich Unterschiede.<br />

Nach Jahren der Verwissenschaftlichung des professionellen<br />

Fußballspiels, das immer wieder mit neuen<br />

Modellen, Konzepten, Strategien und Systemen<br />

modernisiert werden sollte, setzte BVB-Cheftrainer<br />

Jürgen Klopp auf Urtugenden dieses Mannschaftssports.<br />

Die eigentliche Spielidee des „Kämpfens und<br />

Rennens“ hat er aufgegriffen und weiterentwickelt.<br />

Er hat die Defensive gestärkt – die Balleroberung<br />

gehört zum Pflichtprogramm, das eigentlich jeder<br />

BVB-Kicker beherrschen muss.<br />

Doch die Borussia aus Dortmund hat mit Mats<br />

Hummels und Neven Subotic auch zwei Innenverteidiger,<br />

die immer vorausschauend, mit klarsichtiger<br />

Spieleröffnung und sogar Torgefährlichkeit den Typ<br />

des modernen Verteidigers verkörpern. Beide können<br />

nicht nur die Gegenspieler auf dem Weg zum<br />

BVB-Tor ausbremsen, sondern verstehen es auch, den<br />

Ball im gegnerischen Kasten unterzubringen. Dazu<br />

kommt auf der Position des Außenverteidigers Marcel<br />

Schmelzer, der ebenfalls als Allroundtalent sowohl<br />

Das Trainingslager<br />

– Basis<br />

für den Erfolg<br />

Nach einer harten<br />

Trainingseinheit sind<br />

Felipe Santana (l.)<br />

und Dede froh, ihre<br />

Fußballschuhe für ein<br />

paar Stunden ablegen<br />

zu können<br />

Jürgen Klopp taucht unfreiwillig ab ins Wildwasser – eine Grenzerfahrung der<br />

anderen Art. Auch Mitpaddler Michael Zorc kann das Kentern nicht verhindern<br />

BORUSSIA LIVE 13<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


Die Ruhe vor dem Spiel: Marcel Schmelzer entspannt mit seinen Lieblingssongs auf den Ohren im Hotel<br />

Lennhof, dem Dortmunder Mannschaftshotel der Borussen vor ihren Heimspielen. Im Hintergrund ein Bild<br />

von Stéphane Chapuisat, BVB-Stürmerstar in den glorreichen 90er-Jahren<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

in der Defensive wie im Angriff hohe Dynamik ins<br />

Spiel bringt. Schmelzer gilt längst als würdiger Nachfolger<br />

des bei BVB-Fans sehr beliebten Brasilianers<br />

Dede, der nach 13 Jahren in Diensten der Borussia im<br />

März seinen Abschied aus dem aktiven Sportlerleben<br />

verkündet hat.<br />

Siegeswille und jugendliche Frische<br />

Zu den besonderen Stärken der Dortmunder zählt<br />

das Mittelfeld. Dort organisiert Nuri Sahin mit seiner<br />

außergewöhnlich hohen Spielintelligenz die Aktionen<br />

der Mannschaft und gibt Richtung und Rhythmus des<br />

Spiels vor. Neben ihm auf dem Platz steht einer der besten<br />

Athleten der Mannschaft: Sven Bender. Er zählt zu<br />

den schnellsten Sprintern im deutschen Profifußball.<br />

Das Nesthäkchen Mario Götze hat sich über den BVB<br />

hinaus einen Namen als einer der torgefährlichsten<br />

Mittelfeldspieler der Bundesliga gemacht.<br />

Faszinierend für Konkurrenz und Zuschauer ist<br />

die Teamarbeit, die die Spielweise der Mannschaft so<br />

kraftvoll und überzeugend macht. Nicht die brillante<br />

Einzelaktion ist für die Dortmunder Taktik entscheidend,<br />

sondern das optimale Zusammenspiel. Es geht<br />

nicht darum, wer das Tor schießt, sondern dass es zum<br />

Treffer kommt. Dies zeigt sich deutlich im Aufbau des<br />

Die Mannschaft –<br />

Teamwork auf<br />

höchstem Niveau<br />

Offensiv-Kaders: Lucas Barrios bekam in dieser Saison<br />

Verstärkung durch Shinji Kagawa, Robert Lewandowski<br />

und den schlagfertigen Kevin Großkreutz, dessen<br />

Kinderzimmer die Südtribüne im BVB-Stadion<br />

war. Seine Treffer werden lautstark mit Gesangseinlagen<br />

der Fans bejubelt. Wenn „Wir sind alle Dortmunder<br />

Jungs“ durch das Stadion schallt, ist es Zeit für<br />

den Schulterschluss von Zuschauer und Mannschaft.<br />

Die jungen Kollegen entlasten nicht nur den bisherigen<br />

Spitzenstürmer, Barrios übernimmt im Gegenzug<br />

auch Aufgaben in der Defensive. Diese Flexibilität<br />

entspringt der Strategie, die Jürgen Klopp vorgibt:<br />

Die Abwehr von gegnerischen Angriffen ist die Basisarbeit,<br />

die jeder Spieler jederzeit beherrschen und<br />

leisten muss.<br />

Wesentlicher Bestandteil für diese Spielweise ist<br />

der Teamgedanke. Jeder Spieler muss sich als Teil<br />

des Ganzen begreifen und verinnerlichen, dass der<br />

Erfolg nur gemeinsam möglich ist. Kein Wunder also,<br />

dass sich Klopp nicht nur in der Vorbereitung, sondern<br />

auch im Bundesliga-Alltag immer wieder mit<br />

dem Thema Teambildung beschäftigt hat. Eine seiner<br />

ungewöhnlichsten Methoden ist dabei die Belegung<br />

der Zweibettzimmer im Trainingslager: Klopp<br />

lässt die Betten verlosen. Bei der ersten Runde löste<br />

sein Vorschlag noch ungläubiges Staunen bei den Spielern<br />

aus. Mittlerweile hat die Bettenlotterie Kultstatus<br />

und wird als Party zelebriert. Nur wer laut schnarcht,<br />

bekommt ein Einzelzimmer.<br />

Die mannschaftliche Geschlossenheit und der<br />

gemeinsame Wille zum Sieg treiben die Elf auf dem<br />

Spielfeld an. „Fußballspielen heißt unbedingt gewinnen<br />

wollen“, sagt der Schriftsteller Péter Esterházy,<br />

selbst ein versierter Amateurkicker. Und genau<br />

Torhüter Roman<br />

Weidenfeller legte mit<br />

der ligaweit besten<br />

Quote von 80 Prozent<br />

abgewehrten Bällen<br />

den Grundstein für<br />

viele Siege<br />

FOTOS: DEFODI.DE<br />

BORUSSIA LIVE 15<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


16 BORUSSIA LIVE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Vor dem Spiel steht die Arbeit: Erstklassige Fitnesswerte machen ein<br />

hochklassiges Spiel erst möglich. Sebastian Kehl bei Sprintübungen<br />

Zum Spiel gehören Spaß und Abwechslung: Nach einem Ausfl ug im<br />

Trainingslager klatschen die Spieler ab<br />

Mario Götze in<br />

perfekter Haltung<br />

beim Kopfball.<br />

Damit erinnert er<br />

an Uwe Seeler,<br />

hinter dem er 2010<br />

mit 18 Jahren<br />

zweitjüngster<br />

Nationalspieler der<br />

Nachkriegszeit<br />

wurde<br />

FOTOS: DEFODI.DE<br />

diese „Gier“ nach Sieg, Tor und Anerkennung<br />

zeigt Klopps BVB-Team. Götze, Kagawa, Hummels<br />

und Co. bringen bedingungslosen Einsatzwillen, die<br />

Bereitschaft, für die Kollegen mitzuarbeiten, und ein<br />

erstaunliches Maß an Nervenstärke mit.<br />

Nach außen fasziniert vor allem ihre jungenhafte<br />

Unbefangenheit. Die halbe Mannschaft entstammt<br />

dem Jahrgang 1988. Mats Hummels, der bei den weiblichen<br />

Fans hoch im Kurs steht, Neven Subotic und<br />

Marcel Schmelzer wurden zu Beginn der Saison noch<br />

als „Kinderriegel“ belächelt.<br />

Heute ist den meisten Trainern und Konkurrenten<br />

das Lachen vergangen. Denn das Vertrauen des Trainers<br />

in seine jungen Spieler hat sich mehr als gelohnt.<br />

Für überkommene Merksätze der Trainerausbildung<br />

wie „Du brauchst erfahrene Leitwölfe, um Erfolg<br />

zu haben“, hatte Jürgen Klopp schon immer nur ein<br />

müdes Lächeln übrig.<br />

Seine jungen Kicker sind lernfähig, flexibel und<br />

offen für Beratung, zum Beispiel bei Strategie- oder<br />

Positionswechseln, die von etablierteren Spielern oft<br />

nur mit Murren akzeptiert werden. So entwickelte<br />

sich Sven Bender schnell zum Schlüsselspieler, der<br />

immer wieder hinten der Vierer-Abwehrkette zur<br />

Hilfe eilen und vorne Nuri Sahin den Rücken freihal-<br />

Die neuen<br />

Stars – jung, fit<br />

und flexibel<br />

BORUSSIA LIVE 17<br />

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Bei zwei bis drei Trainingseinheiten pro<br />

Tag muss man sich die Kraft einteilen und den „Mannschaftsbus“ nehmen<br />

ten kann. Shinji Kagawa, aus der zweiten japanischen<br />

Liga rekrutiert, avancierte in Windeseile zum torgefährlichsten<br />

Mittelfeldspieler und zum Bundesligaprofi<br />

mit der höchsten Wertsteigerung. Und Mario Götze<br />

wurde Deutschlands jüngster Nationalspieler, seit<br />

Uwe Seeler 1954 debütierte.<br />

Klopp hat auch für die notwendige Reserve ge -<br />

sorgt, das zeigte sich bei der Partie gegen Bayer Leverkusen<br />

im Januar. Ohne den beim Asiencup verletzten<br />

Kagawa und ohne Lucas Barrios, der nicht von<br />

Beginn an spielte, wurden die Leverkusener demontiert.<br />

Erstmals standen mit Lukas Piszczek, Jakub Blaszczykowski<br />

und Robert Lewandowski jene drei Spieler<br />

gemeinsam in der Startformation, die in Polen die<br />

Sympathiewerte für „Polonia Dortmund“ oder „Polska<br />

Borussia“ in die Höhe schnellen ließen. Spieler, die<br />

woanders noch als Perspektivprofis und „Genera tion<br />

Zukunft“ gehandelt würden, bilden in Dortmund<br />

bereits das Gerüst einer Bundesligamannschaft, die<br />

wie nie zuvor in der Geschichte der deutschen Eliteliga<br />

Jugend und Abgeklärtheit verbindet.<br />

Klopps größtes Verdienst ist zweifellos, dass es ihm<br />

gelungen ist, aus einer Truppe talentierter Sportler<br />

eine Mannschaft zu formen, die sich trotz aller Erfolge<br />

ihre Bodenständigkeit bewahrt hat.<br />

Sympathiepunkte für das junge Team<br />

Diese Normalität der kickenden Belegschaft ist gerade<br />

in einem Verein wie Dortmund wichtig. Die Profispieler<br />

mit ihrer herausgehobenen Stellung werden<br />

von den Fans sorgsam beäugt. Eskapaden und Fehltritte<br />

der Fußballmillionäre kommen bei der Anhängerschaft<br />

nicht gut an – vor allem, wenn die Leistungen<br />

mal nicht stimmen sollten. Und tatsächlich<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


18 BORUSSIA LIVE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

wurden BVB-Spieler vergangener Jahre schon mal<br />

mit Sitzstreik und Schmährufen bestraft, wenn die<br />

Fans das Gefühl hatten, dass die Kicker ihr Geld nicht<br />

wert seien.<br />

Der gegenwärtigen schwarz-gelben Elf kann das<br />

nicht passieren. Die Spieler nehmen ihren Job ernst<br />

und richten ihr Leben auf ihren Beruf als Profifußballer<br />

aus. Die Fans sehen sie als Teil der großen Dortmunder<br />

Fußballfamilie. Klopp sorgt mit fast väterlicher<br />

Strenge dafür, dass sie keine Extratouren<br />

unternehmen und nicht in zahllosen Interviews verheizt<br />

werden. Seinem Jüngsten, Mario Götze, hat er<br />

gar ein striktes Redeverbot erteilt. Diese Bodenhaftung<br />

der Spieler honorieren die Fans. Auch wenn die<br />

Siegesserien des BVB durch Niederlagen oder Unentschieden<br />

unterbrochen wurden und die Leistung auf<br />

dem Platz mal nicht stimmte – die Fans standen während<br />

der ganzen Saison wie eine Wand hinter ihrer<br />

Mannschaft: im heimischen Stadion genauso wie bei<br />

Die Saison –<br />

Fußball intensiv,<br />

typisch BVB<br />

Blick in die BVB-<br />

Kabine. Alles muss<br />

am richtigen Platz<br />

liegen, darauf legen<br />

aber gläubische Spieler<br />

Wert – auch darauf,<br />

welchen Fußballschuh<br />

sie zuerst anziehen<br />

den vielen Auswärtsspielen. Nie kam auf den Rängen<br />

Unmut auf, immer wurde die Mannschaft unterstützt<br />

und nach vorne gesungen.<br />

Zweifellos beschwerten die immer höher in den<br />

Himmel wachsenden Erwartungen die Nerven der<br />

jugendlichen Elf. Doch wann immer sie mal eine<br />

Schwäche gezeigt hatte, am nächsten Spieltag fand das<br />

Team um Klopp zu seiner Qualität zurück. Wenn es<br />

darauf ankam, stand die junge Elf ihren Mann. Dabei<br />

haben sie auch immer wieder die wichtigen Spiele<br />

gewonnen. Ob gegen den alten Rivalen aus Gelsenkirchen,<br />

gegen den Meister der vorletzten Saison aus<br />

Wolfsburg oder bei den Bayern in München. Besonders<br />

dieser 3:1-Auswärtssieg in der Allianz Arena war der<br />

Beweis, dass diese junge Mannschaft reif ist für den<br />

Meistertitel.<br />

Und so war es auch für die Freunde des BVB kein<br />

Wunder, dass schon am 32. Spieltag das Klassenziel<br />

erreicht war. Nur Spieler und Trainer brauchten noch<br />

ein wenig Zeit, bis sie begreifen konnten, dass sie auf<br />

dem Gipfel angekommen waren. Als jüngster deutscher<br />

Meister in der Geschichte der Bundesliga.<br />

Und weil nach dem Spiel immer vor dem Spiel ist,<br />

freuen sich die Fans schon auf die nächste Saison, dann<br />

soll Klopps „Kindergarten“ mit seiner jugendlichen<br />

Unbekümmertheit auch die Königsklasse, die Champions<br />

League, aufmischen.<br />

FOTOS: DEFODI.DE<br />

Elf Freunde für <strong>Evonik</strong><br />

Markenbekanntheit, Imagetransfer, Kundenbindung, Mitarbeitermotivation – das Potenzial<br />

von Sportsponsoring kann man kaum hoch genug einschätzen. Trikotsponsor <strong>Evonik</strong><br />

zeigt in der Partnerschaft mit dem BVB jede Menge Kreativität und hat viele Gründe, sich<br />

über den Erfolg des neuen deutschen Fußballmeisters zu freuen<br />

TEXT ANDREAS BRANNASCH<br />

FOTOS: PICFOUR, DEFODI.DE<br />

Sportberichte<br />

in „Bild“, „Welt<br />

am Sonntag“,<br />

„Süddeutscher<br />

Zeitung“ über den<br />

BVB verstärken<br />

die Wirkung von<br />

Trikot- und<br />

Bandenwerbung<br />

DER BVB-FAKTOR 19


20 DER BVB-FAKTOR<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Förderung<br />

junger Talente<br />

Mario Götze ist seit<br />

2001 beim BVB, sein<br />

Bundesliga-Debüt<br />

absolvierte er am<br />

21. November 2009<br />

mit 17 Jahren und fünf<br />

Monaten<br />

DIE SCHWARZ-GELBE VIELFALT im Fan-Shop<br />

sorgt für Begeisterung: „Hier darf ich nicht zu oft herkommen,<br />

sonst gebe ich einfach zu viel Geld aus“, lacht<br />

ein junger Vater, der sich gerade nicht nur mit einem<br />

Fantrikot, sondern auch mit dem Nötigsten für seinen<br />

Nachwuchs eingedeckt hat: ein Schnuller-Doppelpack<br />

mit BVB-Logo, eine Mütze „Baby-Beanie“ mit BVB-<br />

Emblem auf der Stirnseite und ein kuscheliger Rasselball<br />

mit dem aufgedruckten Vereins-Maskottchen<br />

„Emma“, benannt nach dem im Jahr 2003 verstorbenen<br />

Kultstürmer Lothar „Emma“ Emmerich. „Eigentlich<br />

wollte ich mir noch diesen Toaster kaufen, der das<br />

BVB-Logo auf jede Scheibe Toastbrot bräunt – aber<br />

dafür muss ich zu Hause erst noch etwas Überzeugungsarbeit<br />

leisten. Ich lasse es erst mal bei sechs Eierlöffeln“,<br />

erklärt der BVB-Fan, während er zufrieden<br />

seinen Einkauf betrachtet. Seit er 14 Jahre alt sei, stehe<br />

er bei fast jedem Heimspiel in der Südkurve, Dauerkarte<br />

Ehrensache.<br />

Matthias Zerber ist Geschäftsführer BVB-Merchandising<br />

und freut sich über die enorme Nachfrage:<br />

„Unser Sortiment umfasst circa 750 Fanartikel –<br />

wegen der Erfolgsserie unserer Mannschaft waren<br />

allerdings etliche Bestseller gegen Ende der Saison<br />

ausverkauft.“ Hier wird schnell klar: Im Profifußball<br />

bilden Sport, Leidenschaft und Geschäft eine Einheit.<br />

In diese Welt gehören Spieler und Fans genauso wie<br />

Medien und Sponsoren.<br />

„<strong>Evonik</strong> und der BVB – das ist eine ganz besondere<br />

Partnerschaft, weil man sich gut versteht und weil viele<br />

Erfolgsfaktoren ähnlich sind.“ Wer das sagt, sollte es<br />

wissen: Markus Langer ist Leiter Konzernmarketing<br />

und PR bei der <strong>Evonik</strong> Industries AG. Man sieht ihm an,<br />

wie zufrieden er mit dem Engagement seines Unter-<br />

Dr. Klaus Engel, Vorstandschef von <strong>Evonik</strong>, und BVB-Torwart<br />

nehmens als Trikotsponsor des frisch gekürten deutschen<br />

Meisters Borussia Dortmund ist, Sportsponsoring<br />

eröffnet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten,<br />

auf das Konto ihrer Marke einzuzahlen. Im Fall <strong>Evonik</strong><br />

stehen die Zeichen nach dem beispiellosen Siegeszug<br />

des BVB in dieser Saison besonders günstig.<br />

<strong>Evonik</strong> auf der Brust<br />

Als die damalige RAG zu Saisonbeginn 2006/07 als<br />

Trikotsponsor bei Borussia Dortmund einstieg, waren<br />

Siege des BVB noch nicht so selbstverständlich. Der<br />

Klub hatte nur acht Jahre nach dem Gewinn der Champions<br />

League gerade knapp die Insolvenz abgewendet<br />

und spielte im Niemandsland der Tabelle. „Wir haben<br />

uns damals trotzdem für den BVB entschieden, weil<br />

der Verein bundesweit hohe Sympathien genießt und<br />

damit das Potenzial hatte, für einen Sponsor besonders<br />

schnell auf sympathische Weise Markenbekanntheit<br />

aufzubauen“, erklärt Markus Langer. Der Faszination<br />

BVB könne man sich kaum entziehen, da sei<br />

man schnell mit ganzem Herzen dabei. „Das ist es<br />

eben, was den BVB ausmacht. Wir konnten mit die-<br />

Roman Weidenfeller nach dem Sieg über den SC Freiburg<br />

FOTOS: DEFODI.DE (3)<br />

ser Sponsorship ein Bekenntnis zur Region ablegen.“<br />

Diese Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit: „Wir<br />

waren damals sehr froh, ein so bedeutendes Unternehmen<br />

aus dem Ruhrgebiet als Sponsor gewinnen<br />

zu können“, erinnert sich Carsten Cramer, beim neuen<br />

deutschen Meister Direktor für die Bereiche Marketing,<br />

Vertrieb und Business Development. Experten<br />

bestätigen, dass die beiden Partner gut zusammenpassen,<br />

der sogenannte „Fit-Faktor“ zwischen Sponsor<br />

und Klub ist hoch. Stephan Schröder, Mitglied der<br />

Geschäftsleitung beim Kölner Marktforschungs- und<br />

Beratungsunternehmen Sport + Markt: „Imagefaktoren<br />

wie ‚Identifikation‘ oder ‚leidenschaftlich‘ werden<br />

bei entsprechenden Erfolgen besonders intensiv<br />

erlebbar und belegen das Potenzial zu einer großen<br />

Marke im Fußball. Als Unternehmen aus der Region<br />

mit dem Anspruch eines Global Players passt <strong>Evonik</strong><br />

sehr gut zum BVB.“<br />

Der Trikotwerber nimmt im Profifußball eine<br />

besondere Rolle ein und trägt den Premium-Titel<br />

„Hauptsponsor“. Das Firmenlogo direkt neben dem<br />

Vereinsemblem ist immer im (Kamera)bild – die<br />

FOTO: KNSK<br />

„Geht doch“: TV-Image-Kampagne von <strong>Evonik</strong> mit BVB-Faktor<br />

Massive Präsenz im TV und in<br />

den Printmedien<br />

kontinuierliche Berichterstattung über die Bundesliga<br />

garantiert eine massive Präsenz bei TV-Übertragungen<br />

sowie bebilderten Artikeln in Zeitungen und<br />

Zeitschriften.<br />

Bekanntheitsgrade für Hauptsponsoren erreichen<br />

meist Spitzenwerte, die Akzeptanz für Trikotwerbung<br />

belegt im Ranking der Werbeformen im Fußball Platz<br />

eins (siehe Grafik Seite 24). Viele Klubs sind über Jahre<br />

mit ihrem Hauptsponsor verbunden, und viele Fans<br />

bauen ein besonderes Verhältnis zum Sponsorunternehmen<br />

auf. Das Bekenntnis zur Region macht den<br />

Sponsor eines so bodenständigen Klubs wie des BVB<br />

bei den Fans auf Anhieb sympathisch. Trotzdem ist<br />

für <strong>Evonik</strong> auch der Auftritt im internationalen Fußball<br />

wichtig: „Wir sind ein weltweit tätiges Unternehmen<br />

und freuen uns deshalb besonders, dass Borussia<br />

Dortmund auch international einen renommierten<br />

Namen hat und nach dem Jahr in der Europa League<br />

in der kommenden Saison sogar in der Champions<br />

League spielen wird“, betont <strong>Evonik</strong>-Marketing-Chef<br />

Langer. Für <strong>Evonik</strong> könnte nach Umsatzsprung und<br />

Gewinnrekord im vergangenen Jahr der geplante Börsengang<br />

einen vergleichbaren Aufstieg in die Champions<br />

League der deutschen Unternehmen bedeuten.<br />

Sponsoring wirkt<br />

Klar ist: Sportsponsoring lohnt sich auch für einen<br />

Konzern, dessen Produkte wie bei <strong>Evonik</strong> vorwiegend<br />

von weiterverarbeitenden Unternehmen und selten<br />

von den Konsumenten direkt gekauft werden: Bereits<br />

wenige Monate nach Vorstellung des neuen Markennamens<br />

im September 2007 kannte jeder zweite Deutsche<br />

im Alter von 25 bis 54 Jahren den neuen Konzern.<br />

Dabei gab nahezu jeder Vierte an, er kenne<br />

DER BVB-FAKTOR 21<br />

Zielsicher und<br />

durchsetzungsstark:<br />

Lucas Barrios (26)<br />

aus San Fernando in<br />

Argentinien<br />

ist der Torschützenkönig<br />

des BVB<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


22 DER BVB-FAKTOR<br />

Jede Chance nutzen<br />

Marcel Schmelzer (23)<br />

wechselte mit 17 aus<br />

Magdeburg zum BVB in<br />

die Jugendmannschaft<br />

und gehört seit 2008<br />

zum Bundesliga-Kader<br />

<strong>Evonik</strong> als Hauptsponsor von Borussia Dortmund.<br />

In der <strong>Evonik</strong>-Kernzielgruppe der Finanz- und Wirtschaftsentscheider<br />

lag der Bekanntheitsgrad bei 90<br />

Prozent. Jeder Dritte von ihnen war über das BVB-<br />

Engagement auf <strong>Evonik</strong> aufmerksam geworden.<br />

„Kein anderer Klub in der Bundesliga bringt das<br />

Massen- und Mengenphänomen im Fußball so zum<br />

Ausdruck wie der BVB. Die Sympathiewerte sind absolut<br />

top, unser Klub steht glaubwürdig für ehrlichen<br />

und intensiven Fußball“, erklärt BVB-Direktor Cramer<br />

die herausragende Stellung seines Vereins. Der<br />

BVB hat das größte Stadion der Liga und verzeichnet<br />

mit fast 79.000 Besuchern pro Spiel und rund 1,3 Millionen<br />

Zuschauern bei 17 Heimspielen die mit Abstand<br />

höchsten Zuschauerzahlen – und spielt damit europaweit<br />

in einer Liga mit Klubs wie FC Barcelona, Real<br />

Madrid und Manchester United.<br />

Das besondere Verhältnis zwischen dem Klub und<br />

seinen Fans war unmittelbar spürbar auf der letzten<br />

Hauptversammlung des Vereins im November 2010<br />

in der Westfalenhalle – lange bevor irgendjemand<br />

an den möglichen Titelgewinn dachte: Die Spieler<br />

wurden mit minutenlangem, donnerndem Applaus<br />

begrüßt. „Wir waren vielleicht noch nie so glücklich<br />

mit einer Mannschaft wie mit dieser“, bekennt eine<br />

ältere Frau, eines von mittlerweile über 40.000 Vereinsmitgliedern.<br />

„Egal, wo die Mannschaft am Ende<br />

der Saison landen wird, dieses junge sympathische<br />

Team und diesen tollen Trainer werden wir in Dortmund<br />

nicht so schnell vergessen.“<br />

Carsten Cramer sieht aber auch die Verpflichtung,<br />

die aus der Zuneigung der Fans entsteht: „Trotz dieses<br />

sensationellen Saisonverlaufes für unsere Mannschaft<br />

mit dem Gewinn der Meisterschaft dürfen wir nicht<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Wir stehen hinter dem BVB.<br />

Münchner kriegen Kinder.<br />

Dortmunder kriegen BVB-Fans.<br />

Printmedien-Kampagne von <strong>Evonik</strong> mit BVB-Faktor zu Beginn der Saison<br />

davon ausgehen, dass diese Erfolgsserie zum Automatismus<br />

wird. Deshalb werden wir jetzt nicht die<br />

Hände in den Schoß legen, sondern müssen uns noch<br />

unabhängiger machen vom rein sportlichen Erfolg und<br />

vom Tabellenplatz.“ Dazu gelte es, die Faszination des<br />

Klubs, seine Bindungskraft und die besonderen Emotionen,<br />

die das oft extreme Erlebnis Fußball beim BVB<br />

ausmachen, zu nutzen, um die Marke Borussia Dortmund<br />

weiter zu stärken. Ein Markenpotenzial, von<br />

dem auch Hauptsponsor <strong>Evonik</strong> profitiert.<br />

Merchandising-Chef Matthias Zerber lässt Zahlen<br />

sprechen: „Wir werden bis zum Ende der Saison bis zu<br />

150.000 Fantrikots verkauft haben, das ist Rekord. Die<br />

Fans identifizieren sich mit den Jungs“, berichtete er<br />

von gestiegenen Umsätzen in den Fan-Shops. Übrigens:<br />

Die Trikots mit dem Namen der Spieler Lucas<br />

Barrios und Shinji Kagawa sind in dieser Saison die<br />

absoluten Bestseller. Aber auch ein Sparschwein, das<br />

die BVB-Hymne spielt, wenn man Geld hineinwirft,<br />

oder ein karierter Schal, wie ihn Trainer Jürgen Klopp<br />

Strategie und<br />

Sicherheit<br />

Mats Hummels (22)<br />

zählt zu den<br />

torgefährlichsten<br />

Abwehrspezialisten<br />

der Liga. Der<br />

Nationalspieler war<br />

zuvor beim FC Bayern<br />

und wechselte<br />

2008 zur Borussia<br />

www.evonik.de<br />

„Klare Positionierung“<br />

Stephan Schröder ist Mitglied der Geschäftsleitung beim Marktforschungs-<br />

und Beratungsunternehmen Sport + Markt, Köln<br />

Herr Schröder, hätten Sie der<br />

damaligen RAG 2006 zu einem Trikotsponsoring<br />

beim BVB geraten?<br />

Ja, denn Borussia Dortmund hat im Vergleich<br />

zu den meisten anderen Bundesligaklubs<br />

ein eindeutiges Imageprofil<br />

und eine sehr klare Positionierung. Der<br />

Traditionsverein aus der Ruhr gebietsmetropole<br />

war von Anfang an eine glaubhafte<br />

Plattform, um die dann später<br />

neu geschaffene Unternehmens marke<br />

„<strong>Evonik</strong>“ breit zu kommunizieren.<br />

Was macht den BVB so besonders?<br />

Imagefaktoren wie „Identifikation“<br />

Cramer ist bewusst, dass der Erfolgsfaktor BVB sehr<br />

empfindlich auf übertriebenen Kommerz reagieren<br />

würde. „Wir sind zwar professionell aufgestellt, aber<br />

wir vergessen nie, woher wir kommen.“<br />

Mit Sportsponsoring lassen sich Zielgruppen erreichen,<br />

die man mit klassischen Werbemaßnahmen<br />

nicht erreichen kann. Die unvergleichliche Atmosphäre<br />

im größten Fußballtempel Deutschlands, die sympathische<br />

Ausstrahlung von Trainer und Team und die<br />

große Fangemeinde von über 3,5 Millionen Menschen<br />

nicht nur aus der Region machen den BVB besonders<br />

attraktiv für seine Partner aus der Wirtschaft.<br />

Das Sponsoring von <strong>Evonik</strong> zeigt Wirkung: Das<br />

Marktforschungsinstitut Brand Science befragte im<br />

Dezember 2010 eine Zielgruppe von 25- bis 54-Jährigen<br />

nach positiven Imagewerten von <strong>Evonik</strong> wie<br />

kreativ, innovativ, modern oder sympathisch. In der<br />

Zielgruppe der „BVB-Sponsoring-Kenner“ lag die<br />

Zustimmung durchweg höher als in der Vergleichsgruppe.<br />

In Zeiten, in denen der Konzern eine Werbekampagne<br />

schaltet, wirkt dieses Sponsoring als Verstärker<br />

– in kampagnenfreien Zeiten hält es die Marke<br />

im Blickfeld der Öffentlichkeit.<br />

„Mit einer herausragenden Saison hat es Borussia<br />

Dortmund geschafft, sich die Sympathien von mehr<br />

als 50 Prozent der Fußballinteressierten zu sichern“,<br />

so Markus Lichti, Leiter Lösungen und Mitglied der<br />

Geschäftsleitung beim Institut für Medienanalysen<br />

IFM Sports Gruppe, Karlsruhe. Von den seit Anfang<br />

der Saison um mehr als 20 Prozentpunkte gestiegenen<br />

Sympathiewerten profitiere auch der Sponsor <strong>Evonik</strong>,<br />

auf den sich das positive Image von Borussia Dortmund<br />

übertrage. Auch sei es <strong>Evonik</strong> gelungen, seine unge-<br />

FOTOS: DEFODI.DE (3), PR (2) häufig trägt, waren zeitweilig ausverkauft. Carsten<br />

oder „leidenschaftlich“ werden in der<br />

Atmosphäre in Dortmund besonders<br />

intensiv erlebbar und belegen das Potenzial<br />

zu einer großen Marke im Fußball.<br />

Als Unternehmen aus der Region<br />

mit dem Anspruch eines Global Players<br />

passt <strong>Evonik</strong> sehr gut zum BVB.<br />

Kann man die Sponsorship von<br />

<strong>Evonik</strong> als erfolgreich bezeichnen?<br />

Die Partnerschaft mit dem BVB hat<br />

<strong>Evonik</strong> bei Fußballfreunden bekannt<br />

gemacht. Das Ergebnis unserer Umfrage<br />

unter deutschen Fans ergab: 18<br />

Prozent ordnen <strong>Evonik</strong> als Trikotwer-<br />

stützte Bekanntheit seit der letzten Saison zu verdoppeln.<br />

Dieser Wert gilt als härteste Währung, denn es<br />

werden bei dieser Abfrage keine Marken namen zur<br />

Auswahl vorgegeben, sondern der Befragte muss<br />

selbst darauf kommen – eben ungestützt.<br />

„Medienpräsenz und Reichweite des BVB in der<br />

ARD-Sportschau liegen auf einem Topwert, womit<br />

auch ein höherer Mediendruck des Sponsors <strong>Evonik</strong><br />

einhergeht“, erklärt Markus Lichti. Bei jedem Torjubel<br />

im Blick: <strong>Evonik</strong>. Borussia Dortmund kann Hauptsponsor<br />

<strong>Evonik</strong> durch die attraktivere Positionierung in der<br />

ARD-Sportschau in dieser Saison um circa zehn Prozent<br />

höhere Werbewerte bieten als andere Vereine.<br />

Bekanntheit und Image<br />

„Weiche Faktoren“ wie Image oder Bekanntheit<br />

einerseits, „harte kaufmännische Aspekte“ wie<br />

Vertrieb oder Kundenbindung andererseits sind<br />

es, die Sponsoring für Unternehmen reizvoll<br />

machen. Aber auch unternehmensinterne –<br />

nur sind diese mit einem Firmensitz mitten im<br />

Ruhrgebiet manchmal von lebhaften Diskussionen<br />

geprägt, wie <strong>Evonik</strong>-Marketingchef Markus Langer<br />

einräumt: „Unser Konzernbetriebsratsvorsitzender<br />

Ralf Hermann ist Schalke-Fan – und genau<br />

wie er ein großer Teil der Mitarbeiter.“ Schließlich<br />

liegen der Firmensitz Essen und der größte Werksstandort<br />

Marl näher an Gelsenkirchen als an Dortmund.<br />

Aber auch Ralf Hermann ist davon überzeugt,<br />

dass das im Jahre 2006 beschlossene Hauptsponsoring<br />

bei Borussia Dortmund richtig war und ist: „Es gibt<br />

keinen besseren Weg, als seinen Namen über einen<br />

Bundesligisten mit hoher Beliebtheit bekannt zu<br />

machen. Der BVB spielt einen sehr guten Fußball<br />

DER BVB-FAKTOR 23<br />

ber korrekt dem BVB zu – für einen<br />

Industriekonzern ein sehr guter Wert.<br />

Der Einstieg 2006 war vermutlich<br />

ausgesprochen günstig. Stimmt<br />

bei der mittler weile erhöhten<br />

Sponsoring summe für <strong>Evonik</strong> noch<br />

das Preis-Leistungs-Verhältnis?<br />

Aktuell profitiert <strong>Evonik</strong> als<br />

Hauptsponsor von den Sympathiewellen,<br />

die den jungen Himmelsstürmern<br />

um Trainer Jürgen Klopp entgegenschlagen.<br />

Dafür bezahlt <strong>Evonik</strong> sicherlich<br />

heute mehr als vor fünf Jahren,<br />

aber das ist auch angemessen.<br />

Internationales<br />

Know-how<br />

Shinji Kagawa (22)<br />

ist erst seit 2010<br />

beim BVB und<br />

bereits einer der<br />

Shootingstars der<br />

Dortmunder. Er hat<br />

22 Länderspiele mit<br />

der japanischen<br />

Nationalmannschaft<br />

absolviert<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


24 DER BVB-FAKTOR<br />

„Der Titel ist nicht mit Geld zu bezahlen“<br />

Werbeform Akzeptanz in Prozent<br />

Trikotwerbung 94<br />

Bandenwerbung 93<br />

Plakatwerbung 92<br />

Anzeigen 87<br />

Namensgebung von Stadien 74<br />

TV-Presenting 67<br />

Kinowerbung 63<br />

Bannerwerbung Internet 48<br />

TV-Gewinnspiele 47<br />

TV-Werbespots 47<br />

Prospektwerbung per Post 44<br />

Splitscreen im TV 33<br />

Telefonmarketing 7<br />

Höchste Akzeptanz durch Fußballfreunde erfährt Werbung auf den Trikots,<br />

an der Bande und auf Plakaten. Andere Werbeträger schneiden schlechter ab<br />

QUELLE: SPORTFIVE, FUSSBALLSTUDIE 2009, INFOGRAFIK: PICFOUR<br />

Ausdauer und Erfahrung<br />

Nuri Sahin (22) war mit<br />

16 Jahren, 11Monaten und<br />

einem Tag jüngster<br />

Bundes liga spieler. In der<br />

gerade abgeschlossenen<br />

Saison hatte er im<br />

Durchschnitt 87 Ball -<br />

kontakte pro Spiel – mehr<br />

als er hat keiner im BVB<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

und steht in dieser Saison zu Recht ganz oben. Und<br />

wir sind mit dabei. Irgendwie ist es toll, Hauptsponsor<br />

des deutschen Meisters zu sein“, freut sich der Schalke-Fan.<br />

Dagegen schlägt das Herz von Ludwig Ladzinski<br />

Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte<br />

in der RAG-Stiftung, der Mehrheitseigentümerin<br />

des Essener Industriekonzerns <strong>Evonik</strong>, „seit meiner<br />

Geburt“ schwarz-gelb. Ladzinski, der auch dem<br />

Gesamtbetriebsrat der RAG vorsitzt, betont: „Die<br />

positiven Auswirkungen des Titelgewinns sind mit<br />

Geld nicht zu bezahlen!“<br />

Das Engagement von <strong>Evonik</strong> macht sich zum Beispiel<br />

auch beim Kontakt mit Bewerbern bezahlt,<br />

erhöht im Sinne des „Employer-Branding“ die Attraktivität<br />

als Arbeitgeber und unterstützt so auch die eigene<br />

Zukunftsfähigkeit. „Das gilt besonders für unsere<br />

Standorte in Deutschland. Aber wir wissen, dass<br />

es auch in Südostasien und Japan viele Fans der Bundesliga<br />

gibt. Bewerber am Firmenstandort Singapur<br />

erwähnen bei Vorstellungsgesprächen häufig, sie seien<br />

auf <strong>Evonik</strong> über den BVB aufmerksam geworden“,<br />

berichtet Markus Langer. Oder das Beispiel Japan: Dort<br />

bringt das Fernsehen Sondersendungen über den BVB,<br />

und durch die glanzvollen Auftritte von Shinji Kagawa<br />

ist auch die Bekanntheit von <strong>Evonik</strong> in Japan sprunghaft<br />

gestiegen – die japanischen Kollegen freuen sich<br />

über jedes Tor des Mittelfeldspielers besonders.<br />

<strong>Evonik</strong> spielt bei Heimspielen die gesamte Klaviatur<br />

eines Hauptsponsors: Trikotwerbung, Bandenwerbung,<br />

Cam-Carpets neben den Toren (Werbeteppiche,<br />

die aus der Perspektive der TV-Kamera<br />

dreidimensional wirken), Bannerwerbung im Umfeld<br />

des Stadions und Hospitality-Maßnahmen zur Kun-<br />

Der Name von Hauptsponsor <strong>Evonik</strong> ist bei jeder TV-<br />

denbetreuung und Mitarbeitermotivation. Bei wichtigen<br />

Auswärtsspielen sponsert das Unternehmen auch<br />

schon einmal einen Fan-Zug.<br />

Im Umfeld von Fußballübertragungen wird die<br />

Chance zum doppelten Kontakt genutzt – ein Bericht<br />

vom BVB-Spiel und die Ausstrahlung eines BVB-Spots<br />

erzielen zusammen eine besonders hohe Aufmerksamkeit.<br />

Der vor jedem Heimspiel eingespielte Spot<br />

„Tochter“ sorgte in der Rückrunde immer für beste<br />

Stimmung im Stadion. Die Story: Spießer-Mama und<br />

Spießer-Papa sitzen vor dem Kamin und lesen. Plötzlich<br />

blickt die streng aussehende Mama auf, sie scheint<br />

ihren Augen nicht zu trauen: Ihre Teenie-Tochter hat<br />

sich fürs Ausgehen zurechtgemacht und präsentiert<br />

sich im Mikromini und bauchfreiem Shirt. Mama<br />

scheucht ihr Kind zurück aufs Zimmer. Augenblicke<br />

später präsentiert sich die Tochter im gleichen Outfit –<br />

nur jetzt mit BVB-Fanmütze, was Mama mit einem entzückten<br />

„Geht doch!“ kommentiert.<br />

Auch in schlechten Zeiten<br />

Zu jedem Heimspiel schaltet <strong>Evonik</strong> ein neues Anzeigenmotiv<br />

im Stadionmagazin, das meist auf den nächsten<br />

Gegner bezogen ist. Im ersten, sportlich eher<br />

wenig erfolgreichen Jahr der Partnerschaft litt der<br />

Sponsor mit den Fans und bezog kritisch Position –<br />

Übertragung groß im Bild – egal, ob auf dem Trikot oder auf der Bande<br />

ge waren drei Tipp-Kick-Figuren in schwarz-gelben<br />

Trikots des BVB mit folgendem Dialog zu sehen: „Verloren<br />

gegen Hamburg! Selbst meine Oma spielt besser<br />

als wir.“ – „Und? Hat sie nächste Woche Zeit?“<br />

Die Fans fanden die Aktion gut. Aber auch die Verantwortlichen<br />

beim BVB konnten mit dieser Kritik<br />

leben: „Das war damals genau die richtige Sprache,<br />

da hätten die Spieler echt mal einen Tritt in den Hintern<br />

gebraucht“, erinnert sich auf der Hauptversammlung<br />

des Vereins ein langjähriges Mitglied, das auch in<br />

der gut beheizten Westfalenhalle den schwarz-gelben<br />

Fan-Schal nicht ablegt.<br />

Die große mediale Beachtung fand die Derby-<br />

Anzeige 2009 vor dem Spiel gegen den FC Schalke<br />

04: Ein Pärchen, das Arm in Arm an einer Bushaltestelle<br />

steht und auf den Fahrplan schaut – nichts könnte<br />

alltäglicher sein. Wäre da nicht die unterschiedliche<br />

Fankluft: Er trägt Schwarz-Gelb, sie trägt Blau-Weiß.<br />

Grund genug für <strong>Evonik</strong>, die beiden in einer Anzeige<br />

für den „Friedensnobelpreis 2009“ zu nominieren.<br />

Zweimal pro Saison stellt der Konzern seine werblichen<br />

Zusatzleistungen als „Sponsor of the day“ kostenlos<br />

einer karitativen Einrichtung zur Verfügung:<br />

In der Hinserie konnte sich das Netzwerk Roter Keil<br />

zur Bekämpfung von Kinderprostitution und -por-<br />

FOTOS: DEFODI.DE allerdings mit einem Augenzwinkern: In einer Anzei-<br />

nografie mit Promotion-Aktivitäten einer breiten<br />

Öffentlichkeit vorstellen. <strong>Evonik</strong> verzichtete auf seinen<br />

Schriftzug auf den T-Shirts der Balljungen, vergab<br />

diesen Werbeauftritt an ein anderes Unternehmen<br />

und spendete den Erlös an das Netzwerk.<br />

Außerdem riefen auf Initiative von <strong>Evonik</strong> auch<br />

andere Klub-Sponsoren zu einer Spendenaktion auf.<br />

„Eine tolle Idee, für die wir sehr dankbar sind“, so der<br />

Initiator des Netzwerks Pfarrer Dr. Jochen Reidegeld.<br />

Insgesamt flossen 43.500 € auf das Konto der Stiftung<br />

Roter Keil, zu deren Schutzengeln auch die BVB-Spieler<br />

Sebastian Kehl, Roman Weidenfeller und Florian<br />

Kringe zählen.<br />

<strong>Evonik</strong> versteht es, bei den Fans im Gespräch zu<br />

bleiben – ob mit der Finanzierung von Reisen zu Auswärtsspielen<br />

oder zum Pokalfinale nach Berlin Ende<br />

der Saison 2008, ob durch Charity-Aktionen im Stadion,<br />

die von den BVB-Fans finanziell unterstützt<br />

wurden, oder mit kreativen Anzeigenmotiven. In der<br />

Saison 2007/08 schenkte <strong>Evonik</strong> jedem der mehr als<br />

50.000 Dauerkartenkäufer sogar ein Fantrikot.<br />

Der nächste Baustein dieser Partnerschaft zwischen<br />

Fußballklub und Wirtschaftsunternehmen:<br />

Für diesen Sommer ist der gemeinsame Aufbau einer<br />

Kinder-und-Jugend-Fußballschule vereinbart, die sich<br />

ausdrücklich an Breitensportler wendet und nicht an<br />

jene Supertalente, die im vereinseigenen Fußball-<br />

Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet werden.<br />

Eine alte Fußballweisheit lautet „Never change a<br />

winning team“ – das gilt auch für die Partnerschaft von<br />

Klub und Sponsor: <strong>Evonik</strong> verlängerte seinen Vertrag<br />

als Hauptsponsor von Borussia Dortmund vorzeitig bis<br />

zum Jahr 2013. Kontinuität gilt als oberstes Gebot für<br />

erfolgreiches Sportsponsoring.<br />

DER BVB-FAKTOR 25<br />

Kreativ und schnell<br />

Jakub (Kuba) Błaszczykowski<br />

(25) ist seit 2007 beim BVB.<br />

Er ist „der Tempomacher und<br />

Knotenlöser“ – ein sehr<br />

schneller Spieler im Mittelfeld<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


26 BVB-TALK<br />

„Ein unfassbares Glück“<br />

Das lange Zeit Unerreichbare ist geschafft: Der BVB ist deutscher Meister –<br />

mit der jüngsten Mannschaft der Bundesliga. Wie der BVB-Faktor <strong>Evonik</strong><br />

befl ügelt, analysiert Manfred Bissinger mit Cheftrainer Jürgen Klopp,<br />

Vereins-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und <strong>Evonik</strong>-Chef Dr. Klaus Engel<br />

FOTOS: KIRSTEN NEUMANN<br />

MEINE HERREN, Sie sind das „Dreigestirn“ des<br />

Erfolgs von Dortmund: Jürgen Klopp, der Trainer,<br />

Taktiker und wortgewaltige Motivator; Hans- Joachim<br />

Watzke, der umsichtige Geschäfts führer, der die Vo -<br />

raus setzungen für den reibungs losen Spiel betrieb<br />

schafft, und Dr. Klaus Engel, der als Vorstandsvorsitzender<br />

des Hauptsponsors <strong>Evonik</strong> Industries AG fest<br />

an die Leistungskraft seines BVB geglaubt und den<br />

Vertrag vor zwei Jahren verlängert hat. Ihnen erst mal<br />

herzlichen Glückwunsch zur Saison! Wir wollen jetzt<br />

ein Gespräch über Erfolg, über Leistung, über Teamgeist<br />

führen.<br />

Als Sie in diese Saison gestartet sind, Jürgen Klopp,<br />

hatten Sie da ein Motto und ein Ziel, das Sie den<br />

Spielern mitgegeben haben?<br />

Klopp: Ja, ich habe den Jungs erst mal klar gemacht,<br />

dass alle über uns lästern werden, weil wir zu jung und<br />

zu früh dran sind. Ich habe ihnen gesagt: „Wir haben<br />

keine Zeit zu verschenken. Alles, was möglich ist, wollen<br />

wir jetzt haben. In dieser Saison.“ Und da wir keine<br />

Erfahrungswerte haben, müssen wir eben neue<br />

Maßstäbe setzen. Ein Beispiel: Sieben Auswärtsspiele<br />

zu gewinnen und daraus abzuleiten, das achte hat<br />

noch keiner gewonnen, das macht dann den unglaublichen<br />

Reiz aus. Die besondere Geschichte war auch,<br />

dass uns das niemand zugetraut hat.<br />

Engel: Es war grandios, wie Sie die Spieler zum Endspurt<br />

aufgerufen haben. Zum ersten Mal wurde es<br />

richtig eng mit dem Spiel gegen Leverkusen. Das ist<br />

dann aber optimal gelaufen. Es war fantastisch. Von<br />

da an war das Saisonende vorgezeichnet.<br />

Herr Watzke, Sie haben schon früh vom dritten Platz<br />

gesprochen. Wollten Sie damit die Emotionen zügeln?<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Watzke: Ich habe gesagt, wenn wir am Ende, nach dem<br />

34. Spieltag, den Eindruck haben, diese Mannschaft<br />

hat alles gegeben, dann ist auch der dritte Platz für uns<br />

ein Erfolg. Wir müssen das Gefühl haben, alles für den<br />

Sieg eingesetzt zu haben.<br />

Klopp: Zu Beginn der Saison haben wir mit dieser blutjungen<br />

Mannschaft niemals mit einem solchen Erfolg<br />

gerechnet. Wir haben gewusst, es wird unglaublich<br />

schwer, und uns dann selbst überrascht. Das Schönste<br />

war die Konstanz, mit der die Mannschaft in der Spur<br />

blieb; damit konnten wir nicht rechnen.<br />

Herr Dr. Engel, Sie sitzen im Wirtschaftsrat<br />

des BVB. Da kann man sich ein gutes Bild machen.<br />

Haben sich die Herren Klopp und Watzke mit<br />

zunehmendem Erfolg verändert, oder sind sie die<br />

Gleichen geblieben?<br />

Engel: Jürgen Klopp und Hans-Joachim Watzke waren<br />

bei Saisonstart so gelassen und souverän, wie sie es<br />

jetzt auch sind. Was mich beeindruckt hat, war zum<br />

einen die hohe Professionalität im sportlichen Bereich.<br />

Aber im Profisport ebenso wichtig ist die wirtschaftliche<br />

Seite. Der Verein hat nach einer existenziellen<br />

Krise wieder eine solide Basis geschaffen und sich für<br />

die Zukunft gut aufgestellt. Das finde ich schon klasse.<br />

Da passt alles zusammen.<br />

Herr Watzke, war der Erfolg dieser Saison planbar?<br />

Watzke: Pläne gehen selten auf, im Fußball noch viel<br />

seltener.<br />

Engel: Warum so bescheiden? Sie haben Ihre Ziele<br />

doch verwirklichen können.<br />

Watzke: Bevor wir an den Plan gingen, haben wir erst<br />

mal unsere Plus- und unsere Minuspunkte herausgearbeitet.<br />

Uns war schnell klar, dass wir auf der einen<br />

Seite nicht unerschöpflich viel Geld zur Verfü-<br />

BVB-TALK 27<br />

Gruppenfoto mit Fan-Schal:<br />

BVB-Cheftrainer Jürgen Klopp,<br />

Dr. Klaus Engel, Vorstands vorsitzender<br />

von <strong>Evonik</strong>, BVB-Geschäftsführer<br />

Hans-Joachim Watzke


Der Hauptsponsor: Dr. Klaus Engel (55) ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender<br />

von <strong>Evonik</strong> Industries und hat den Sponsorenvertrag mit dem BVB, der bereits 2006 –<br />

damals noch zwischen der RAG und dem Bundesligisten – geschlossen wurde,<br />

vorzeitig bis 2013 verlängert. Gefragt ist aber auch die Fachkompetenz des Konzernchefs<br />

im Wirtschaftsrat von Deutschlands einzigem börsennotierten Fußballklub<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

gung, unsere Fans auf der anderen Seite aber hohe<br />

Erwartungen haben. Wir brauchten also junge Spieler.<br />

Und der entscheidende Schritt war, einen Trainer<br />

zu finden, der sich mit der Philosophie junger Spieler<br />

identifizieren kann und sich in diesem Umfeld wohlfühlt.<br />

Ottmar Hitzfeld beispielsweise, den ich als Trainer<br />

sehr schätze, der hätte das niemals gekonnt. So<br />

entstand die Königsidee mit Jürgen Klopp. Es sollte ein<br />

geschlossenes System werden.<br />

Engel: Und es hat prima geklappt.<br />

Uli Hoeneß von Bayern München hat kürzlich<br />

eingeräumt, auch mit Jürgen Klopp geliebäugelt<br />

zu haben.<br />

Watzke: Er hätte ihn verpflichten können. Er war vor<br />

uns an ihm dran. Er hat sich offenbar nicht getraut.<br />

Herr Klopp, Sie erstürmen gerade den Gipfel Ihrer<br />

Karriere als beliebter, als angesehener, als<br />

erfolgreicher Trainer. Wie lebt es sich damit, bei<br />

einem Riesenverein ein Riesenheld zu sein?<br />

Klopp: Für mich ist das unproblematisch. Ich kann<br />

mich einschätzen. Ich bin schließlich 43 Jahre mit<br />

mir zusammen und habe das Talent, meine Schwächen<br />

zu tolerieren und mich trotzdem weiterzuentwickeln.<br />

Dabei ist die öffentliche Wahrnehmung<br />

durchaus wichtig. Sie ist ein entscheidender<br />

Teil meines Berufes und lässt sich nicht ignorieren.<br />

Ich arbeite nun mal in der Öffentlichkeit und<br />

bin damit öffentlich. Ich weiß auch: Bisher hatte ich<br />

deutlich mehr Glück als Verstand. Schon als Trainer<br />

bei <strong>Mai</strong>nz 05.<br />

Man hatte mich oft gewarnt, wer weiß, ob ich das<br />

in ähnlicher Weise auch in einem größeren Verein<br />

verwirklichen könnte. Was ich dann bei Borussia<br />

Dortmund vorgefunden habe, war nicht nur ein Rie-<br />

senverein, sondern auch eine große Menschlichkeit.<br />

Glauben Sie mir, es war ein unfassbares Glück, in diesem<br />

Verein zu landen, wo die Menschen mit wahnsinnigem<br />

Herzblut arbeiten.<br />

Herr Dr. Engel, was können Sie als Vorstandsvorsitzender<br />

von <strong>Evonik</strong> Industries von Borussia<br />

Dortmund lernen?<br />

Engel: Darüber könnte man abendfüllend reden. Es<br />

gibt tatsächlich viele Parallelen, eine wichtige ist vielleicht:<br />

Man muss in den beiden Spitzenpositionen, als<br />

Trainer und als Vorstandschef, authentisch bleiben.<br />

Auch wenn alles gut läuft, darf man sich nicht größer<br />

machen, als man ist. Auch keine Dinge verkünden,<br />

die nicht zur Kernkompetenz gehören, das merken<br />

die Menschen schnell. Auf dem Boden bleiben, wie<br />

es die Herren Klopp und Watzke vormachen, ist auch<br />

meine Devise. Wer einseitig auf Show und Inszenierung<br />

setzt, bekommt schnell ein Glaubwürdigkeitsproblem.<br />

Im Fußball braucht es nur eine Fehlentscheidung,<br />

eine verpasste Torchance oder einen verletzten<br />

Spieler, und schon kann es auch mal danebengehen.<br />

Solche Rückschläge muss man aushalten und zurückkommen.<br />

Im Sport ebenso wie in einem internationalen<br />

Industrieunternehmen.<br />

Sie würden also auch sagen, dass Sie für Ihr<br />

Unternehmen Vorbild sein müssen, so wie<br />

die beiden – der eine für das Team und der andere<br />

für den Verein – Vorbild sind?<br />

Engel: Ein Cheftrainer, ein Wirtschaftskapitän, ein<br />

Geschäftsführer, jemand, der Verantwortung trägt<br />

in einer Organisation, lebt natürlich die Kultur des<br />

Unternehmens vor, und die Menschen schauen auf<br />

ihn. Ich kann doch nicht sagen, meine Mitarbeiter sollen<br />

auf dem Teppich bleiben und pflege selbst höfische<br />

Rituale. Das geht nicht.<br />

Herr Watzke, es gibt Spieler, die sind<br />

17 Millionen € wert, und andere werden mit<br />

150.000 gehandelt. Wie geht die<br />

Mannschaft mit solchen Unterschieden um?<br />

Watzke: Ich glaube, dass jeder, der mit 18 auf dem<br />

Transfermarkt mit 150.000 bewertet wird, da reinwachsen<br />

muss. Diesen Prozess zu begleiten ist die<br />

Aufgabe des Trainers und unseres Sportdirektors<br />

Michael Zorc. Die beiden machen das auch sehr gut.<br />

Jürgen Klopp beispielsweise legt größten Wert auf<br />

Charakter. Da beobachtet er die Spieler unglaublich<br />

intensiv. Wenn sich einer verändert, bemerkt er das<br />

sofort, reagiert und holt ihn auf den Boden zurück.<br />

„Der Borussia-Faktor ist keine Mode, die glücklich vom Himmel gefallen ist,<br />

sondern Ergebnis einer logischen und systematischen Arbeit“ Dr. Klaus Engel<br />

Wer gibt denn die Beurteilungen vor?<br />

Klopp: Erst mal – ich respektiere meine Jungs absolut.<br />

Und die mich auch. Für die habe ich die einzig relevante<br />

Meinung zum Spiel. Nicht, weil ich der Einzige<br />

bin, der Ahnung hat, sondern weil wir uns auf einen<br />

gemeinsamen Weg geeinigt haben. Den gehen wir<br />

zusammen. Mir ist es lieber, elf Mann machen das<br />

Gleiche falsch, als elf Mann machen, was sie wollen.<br />

Dann ist die Chance für einen Sieg vorbei. Aber<br />

machen alle das Gleiche falsch, kann man immer noch<br />

gewinnen.<br />

Engel: Ja, da hat Jürgen Klopp recht. Weil wir eben<br />

nicht alle als Genies auf die Welt gekommen sind, sind<br />

Einsatzbereitschaft und Teamfähigkeit umso wichtiger.<br />

Und Charakter. Ob nun im Sport oder in der Wirtschaft,<br />

Genies neigen schon irgendwie zur Egomanie.<br />

Ich bin mit den Teamplayern gut gefahren.<br />

Aber einer muss doch das letzte Wort haben?<br />

Engel: Klar, auch wenn bei <strong>Evonik</strong> vermutlich ebenso<br />

wie bei der Borussia viel diskutiert wird. Am Ende<br />

muss einer sagen: „Wir spielen jetzt dieses System<br />

oder jenes.“ Dabei gibt es natürlich auch Entscheidungen,<br />

die man letztendlich nicht mit Zahlen allein<br />

begründen kann. Dann muss ich halt Ja oder Nein<br />

sagen. Das wird bei den Herren Klopp und Watzke<br />

nicht anders sein als bei uns.<br />

Watzke: Im Fußball würde ich immer dafür kämpfen,<br />

dass die Exekutive klare Entscheidungsvollmachten<br />

erhält. Ich halte nichts davon, vor wichtigen Fragen<br />

Wahlkampf zu machen und dann 5 :3 abzustimmen.<br />

Das ist für jeden Fußballklub fatal, wenn Vorstand und<br />

Aufsichtsräte Wochen brauchen, um ein Problem zu<br />

lösen. Das lähmt auch das Spiel.<br />

Sie haben viel Macht…<br />

Watzke: …und deshalb brauchen wir starke Kontrolleure,<br />

die kraft ihrer Persönlichkeit, wie bei uns Dr.<br />

Engel, Friedrich Merz oder Peer Steinbrück, auch in<br />

der Lage sind, den Weg zu weisen und von den Medien<br />

auch als starke Kontrolleure wahrgenommen werden.<br />

Unter vier Augen können und sollen Sie uns ruhig<br />

die Leviten lesen.<br />

In puncto Nachwuchsarbeit jedenfalls scheint dazu<br />

kein Anlass zu bestehen. Welchen Stellenwert hat das<br />

Thema für den aktuellen Erfolg des BVB?<br />

Klopp: Nachwuchsförderung ist ganz, ganz schwierig.<br />

Heute musst du die Jungs mit 14 Jahren im Verein<br />

haben, weil 16- oder 17-Jährige in der Bundes liga<br />

nicht mehr abgeworben werden. In dem Alter kann<br />

aber noch in alle Richtungen viel passieren. Es ist also<br />

wirklich schwer, aber natürlich wichtig. Wir haben in<br />

den letzten drei Jahren jeweils den besten Jugendjahrgang<br />

gehabt. Die kommen alle aus Dortmund oder der<br />

näheren Umgebung. Fantastisch. Das sind die Herren<br />

Ginczek, Stiepermann, Götze war dabei, das ist Hornschuh,<br />

das ist Sobiech.<br />

Kein leichter Weg für die jungen Männer.<br />

Klopp: Es ist wahnsinnig schwierig für die Jungs, denn<br />

die haben einen Tagesablauf, den möchte keiner von<br />

uns haben. Die stehen mitten im Wachstum zu einer<br />

Uhrzeit auf, wo sie eigentlich noch fünf Stunden Schlaf<br />

bräuchten. Es geht früh los, dann ab in die Schu-<br />

BVB-TALK 29<br />

Der Cheftrainer:<br />

Jürgen Klopp (43) trainiert<br />

seit Juli 2008 die BVB-Elf.<br />

Der Diplomsportwissenschaftler<br />

war zuvor beim<br />

1. FSV <strong>Mai</strong>nz 05 – von 1990<br />

bis 2001 als Profispieler<br />

und danach als Trainer. Im<br />

TV hat er die WM 2006,<br />

die EM 2008 und die<br />

WM 2010 kommentiert


30 BVB-TALK<br />

„Wir haben fünf Nationalspieler. Das sind die alle unter Jürgen<br />

Klopp geworden. Viel mehr ist nicht zu bieten“ Hans-Joachim Watzke<br />

Der Geschäfts führer:<br />

Hans-Joachim Watzke (51)<br />

führt seit 2005 die Geschäfte<br />

der Borussia Dortmund<br />

GmbH & Co. KGaA und der<br />

Tochterfirma BVB Stadion<br />

Holding GmbH. Zuvor war er<br />

seit 2001 Schatzmeister des<br />

BVB und hat die Watex-Schutz-<br />

Bekleidungs-GmbH geleitet<br />

le, dann zurück von der Schule und wieder ab ins<br />

Training, erst abends gehts nach Hause.<br />

Ist die Nachwuchsfrage bei <strong>Evonik</strong> ähnlich schwierig?<br />

Engel: Ja, denn wir bilden weltweit aus. Einen guten<br />

Manager für China, den können wir kaum von draußen<br />

holen. Und mit Geld alleine ist der auch nicht mehr<br />

zu ködern. Wir müssen diesen Mitarbeitern eine Perspektive,<br />

ein gutes Team geben und die Möglichkeit,<br />

sich bei uns besser weiterzuentwickeln als in anderen<br />

Unternehmen. Dazu gehören auch Programme,<br />

um die Familien anzubinden.<br />

Herr Klopp, Sie werden gerne der Generation der<br />

Laptop-Trainer zugerechnet…<br />

Klopp: … ich nutze tatsächlich einen Laptop, aber nur<br />

zur Spielanalyse. Ich mache mir beispielsweise keine<br />

Notizen. Ich bin mir ganz sicher, dass das, was ich mir<br />

merken kann, das jeweils Wichtige ist.<br />

Sie haben keine Zettel, die Sie hinterher abarbeiten?<br />

Klopp: Nein, wozu? Das Spiel ist heute, auch wenn der<br />

eine oder andere, der früher gespielt hat, das weniger<br />

gern hört, deutlich schneller geworden. Und das nicht,<br />

weil sich das Wetter geändert hat, sondern weil die<br />

Jungs besser trainiert sind. Dafür ist natürlich der Trainerstab<br />

verantwortlich. Wir haben das nicht erfunden,<br />

wir nutzen nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse.<br />

Heute wissen wir: Es ist nicht notwendig, einen<br />

Trainingseffekt darin zu erkennen, dass ein Spieler auf<br />

den Rasen kotzt.<br />

So war das in Ihrer aktiven Spielerzeit?<br />

Klopp: Als ich noch spielte, war es tatsächlich so, wenn<br />

einer auf den Rasen brach, konnte die Trainingseinheit<br />

so langsam, aber sicher beendet werden. Das war<br />

natürlich völliger Senf. Wir waren alle übertrainiert<br />

und haben uns gefragt, warum wir im Laufe unserer<br />

Karriere nicht schneller wurden, sondern sehr früh<br />

langsamer. In der Wirtschaft ist das nicht anders –<br />

oder, Herr Dr. Engel? Die Unternehmen wurden vor<br />

20, 30 Jahren völlig anders geführt als heute. Wir sind<br />

in der Lage, die Informationen, die wir bekommen,<br />

richtig einzuschätzen.<br />

Watzke: Das Faszinierende an Jürgen Klopps Arbeit<br />

ist, dass er neben seiner Rhetorik, seinem sympathischen<br />

Auftritt vor allem jemand ist, der analysiert<br />

und extrem strategisch denkt. Unsere Mannschaft hat<br />

einen klaren Plan. Das ist am Ende wichtiger als jede<br />

Motivation. Es gibt im Spiel Automatismen. Wenn ich<br />

oben auf der Tribüne sitze, weiß ich schon, wenn der<br />

Ball noch bei A ist, wo nicht nur B hingeht, sondern sich<br />

auch schon C platziert hat. Da erkenne ich die Qualität<br />

des Trainers. Man kann nicht jede Woche erzählen<br />

„Ihr müsst jetzt Gras fressen“ und diesen ganzen<br />

Quatsch, wir müssen analytisch denken.<br />

Engel: Auch in der Wirtschaft arbeiten wir heute<br />

mit ganz anderen Führungsmethoden, als noch vor<br />

20 Jahren. Die Diskussion, das Team, die Analyse der<br />

Gegebenheiten spielen eine wichtige Rolle für gute<br />

Entscheidungen und Erfolg. Für mich ist der Borussia-Faktor<br />

keine Mode, die irgendwie glücklich vom<br />

Himmel gefallen ist, sondern das Ergebnis einer logischen<br />

und systematischen Arbeit. Dazu kommt eine<br />

besondere Form der Emotionalität, die selbst meine<br />

Frau begeistert. Sie war keine ausgesprochene Fußballfreundin,<br />

inzwischen liebt sie im Stadion die „gelbe<br />

Wand“, und ich darf zu Hause ohne Widerspruch<br />

die Sportschau einschalten.<br />

Herr Klopp, Stichwort Emotionalität…<br />

Klopp: …die 25.000 auf der Südtribüne sind der reine<br />

Wahnsinn. Das ist nicht normal. Wer stellt sich schon<br />

drei Stunden rund um das Spiel da hin, hat kaum Luft<br />

zum Atmen und schreit sich die Seele aus dem Leib?<br />

Sie schreien aber auch schon mal gern?<br />

Klopp: Vor dem Spiel, das ist für mich der komplette<br />

Ausnahmezustand. Da darf mich niemand ansprechen,<br />

auch mein bester Freund nicht. Während des<br />

Spiels dann Emotion pur. Wenn ich das später sehe,<br />

verstehe ich mich auch nicht. Ich würde es, wenn ich<br />

ehrlich bin, gern abstellen.<br />

Oliver Kahn spricht gern von den Parallelen<br />

zwischen Spitzenfußball und Managern. Er sagt,<br />

beide müssen intern und extern mit Druck umgehen,<br />

sie müssen Mitspieler und Mitarbeiter zu Höchstleistungen<br />

anstacheln, sie müssen Verantwortung<br />

delegieren können. Vor allem aber müssen sie lernen,<br />

Niederlagen und Krisen in Chancen zu verwandeln?<br />

Klopp: Ja, aber ich weiß gar nicht, wie sich Druck<br />

anfühlt. Die Herausforderung nimmt im Laufe einer<br />

Saison zu, das ist das Gefühl, das ich habe. Druck ist<br />

mir zu passiv, Druck ist etwas, was ich nicht beeinflussen<br />

kann.<br />

Die immer größeren Erwartungen der Öffentlichkeit<br />

machen Ihnen keinen Druck?<br />

Klopp: Man muss sich der Situation stellen, um da -<br />

rin bei aller Schwierigkeit den Reiz zu erkennen. Die<br />

He raus forderung wächst, denn man möchte ja immer<br />

die nächste Stufe erreichen. Und wenn du dann auf<br />

der stehst, dann stehst du vor einer neuen, noch größeren<br />

Aufgabe. Stellen Sie sich vor: Wir sind in der<br />

Champions League und bekommen Real Madrid oder<br />

Barcelona zugelost, dann müssen wir uns trotz Champions-League-Platz<br />

eingestehen: Barcelona ist zu früh.<br />

Aber dann ist das auch wurst, wenn wir spielen, müssen<br />

wir versuchen, zu siegen. Das ist dann die nächste<br />

Herausforderung.<br />

Und wie ist das mit dem Druck an der Spitze<br />

eines im internationalen Wettbewerb stehenden<br />

Unternehmens, Herr Engel?<br />

Engel: Es gibt immer Situationen, da muss man<br />

persönlich mit Frust, Neid, Missgunst oder Rückschlägen<br />

zurechtkommen. Aber den Job hat man für ein<br />

Der Moderator: Manfred Bissinger (rechts) ist Publizist.<br />

Zuletzt moderierte er im <strong>Evonik</strong>-Magazin ein später viel zitiertes<br />

Streitgespräch zwischen <strong>Evonik</strong>-Vorstandsvorsitzendem<br />

Dr. Klaus Engel und Dr. Thilo Bode, dem Chef von Foodwatch<br />

ganzes Leben. Den kann man nicht vor jeder Hürde<br />

tauschen, man muss ihn aushalten, sich womöglich<br />

auch ein dickeres Fell wachsen lassen. Die Kunst<br />

ist, das Fell nicht so dick werden zu lassen, dass man<br />

unsensibel wird und nicht mehr mitkriegt, was um<br />

einen herum geschieht.<br />

Und bei Ihnen, Herr Watzke, der Fokus der<br />

Öffentlichkeit richtet sich ja gerade am<br />

Saisonende stark auf die Transferlisten? Wie<br />

gehen Sie damit um?<br />

Watzke: Jürgen, Michael Zorc und ich versuchen,<br />

unseren Spielern klarzumachen, dass in ihrem Alter<br />

das Gesamtpaket entscheidend ist. Man kann natürlich<br />

schnell zu Bayern München wechseln, scheitert<br />

womöglich, kehrt dann irgendwann zurück und hat<br />

einen riesigen Karriereknick. Mit 21 oder 22 Jahren<br />

sollte ein Spieler darauf schauen, dass er ordentlich<br />

verdient, das geht bei uns. Aber auch die anderen<br />

Fragen sollten stimmen: Vertrauen, Perspektive, das<br />

Umfeld. Das meine ich mit Gesamtpaket. Wir haben<br />

fünf Nationalspieler. Das sind die alle bei Borussia<br />

Dortmund geworden, alle unter Jürgen Klopp. Viel<br />

mehr ist nicht zu bieten.<br />

Engel: Manchmal fragen wir uns allerdings: Warum<br />

kommt der Jogi Löw nicht öfter mal vorbei?<br />

Watzke: Das würde ich mir auch wünschen. Und das<br />

tun unsere Spieler auch, deswegen ist es klasse, dass<br />

Jürgen Klopp seinen Vertrag bis 2014 verlängert hat.<br />

Jetzt weiß jeder Spieler: Ich habe den Trainer, der<br />

mich zum Nationalspieler gemacht hat, auch noch die<br />

nächsten drei, vier Jahre. Da ist eine relativ klare Karriereplanung<br />

möglich.<br />

Meine Herren, wir gratulieren noch einmal und danken<br />

für das aufschlussreiche Gespräch.<br />

BVB-TALK 31<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


32 BVB-HIGHTECH<br />

Hightech stürmt immer mit<br />

Titel und Erfolge erzielen Vereine heute mit modernen Methoden und Hightech<br />

auf allen Ebenen – vom Ball zum Rasen, vom Fußballschuh über die Trainingseinheit bis hin<br />

zum Stadion. Auch wenn der Signal Iduna Park immer wieder auf den neuesten Stand<br />

der Technik gebracht worden ist, für die Fans ist er einfach „das schönste Stadion der Welt“<br />

TEXT KLAUS JOPP<br />

DIE LEUCHTEND GELBEN STAHLPYLONEN sind<br />

schon von Weitem nicht zu übersehen: 62 Meter<br />

ragen die acht Pfeiler, die das Dach von Deutschlands<br />

größtem Stadion tragen, in den Dortmunder<br />

Himmel. Wahrlich eines deutschen Meisters würdig<br />

sind schon die Dimensionen der Spielstätte – Platz<br />

für 80.720 Zuschauer, davon allein 25.000 Stehplätze<br />

auf der Südtribüne, die damit die größte in Europa<br />

ist – und die Ausstattung des Hightechtempels, die für<br />

die digitale Übertragung jedes Spiels in alle Welt bestens<br />

gerüstet ist.<br />

Fußball ist heute vor allem ein Medienereignis,<br />

gigantische Datenmengen werden von jedem Match,<br />

von jeder Spielszene aus mehreren Perspektiven simultan<br />

aufgezeichnet und in Echtzeit übertragen. Glasfaserkabel,<br />

Stromleitungen und WLAN-Verbindungen<br />

sind die Arterien und Nervenzellen der BVB-Arena, die<br />

in den frühen 1970er-Jahren noch als West falen sta dion<br />

für die Fußballweltmeisterschaft 1974 gebaut worden<br />

war, aus heutiger Sicht in der Steinzeit der Informationstechnik.<br />

Seit Mitte der 1990er-Jahre wurde das<br />

Stadion in drei Ausbaustufen auf Weltklasseniveau<br />

umgebaut: In Dortmund können seitdem Matchs aller<br />

Kategorien ausgetragen werden. Dabei gilt: je größer<br />

das internationale Interesse an einer Begegnung, desto<br />

gewaltiger auch die Datenströme. Telekom Austria,<br />

die 2008 die Fußballeuropameisterschaft in Wort und<br />

Bild transportiert hat, schätzt, dass ihr Glasfasernetz<br />

eine Datenmenge von über zwei Petabyte (Billiarden<br />

Byte) transportiert hat – das entspricht etwa der fünffachen<br />

Datenmenge aller Bücher, die jemals geschrieben<br />

wurden. Und das in gerade einmal drei Wochen.<br />

Die multimediale Entwicklung in den Stadien geht<br />

weiter. Das zeigt sich besonders deutlich beim<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

FOTOS:DEFODI.DE, IMPIRE AG (6)<br />

Jeder Schritt der Spieler wird digital ausgewertet<br />

Für die Nachbereitung von Spiel- und Taktikanalysen wird das Geschehen auf dem Rasen mit Videokameras aufgenommen und mithilfe<br />

von hochleistungsfähigen Informationstechnik(IT)-Systemen grafi sch aufbereitet: Die erste Darstellung (Mitte oben) zeigt, wie viel und wie<br />

schnell jeder Spieler gelaufen ist. Die zweite Grafi k (oben rechts) demonstriert, wie sich Spielszenen entwickeln. Im dritten Bild (Mitte<br />

unten) werden die Bewegungen eines Spielers analysiert, auf welchen Strecken ein Fußballer in welchem Tempo gelaufen ist, und Schaubild<br />

vier (rechts unten) gibt Auskunft über die Position eines Kickers während eines Spiels, es zeigt an, wie lange er sich wo aufgehalten hat<br />

Zeitlupe allein bringts nicht<br />

mehr: Auch Sportjournalisten<br />

wie Marcel Reif profi tieren von den<br />

vielfältigen multimedialen<br />

Möglichkeiten, die die Infrastruktur<br />

moderner Sportstätten für die<br />

aktuelle Berichterstattung bietet


Im Rampenlicht: Der Signal Iduna Park liegt wie eine leuchtende Oase im früheren Zechen-Revier und ist für Spiele bis in die höchste<br />

internationale Klasse ausgerüstet. Zuschauer und Spieler profi tieren von der fast schattenwurffreien, taghellen Ausleuchtung des Spielfeldes<br />

Moderne Stadien sind auch Datentempel<br />

„Stadiondeckel“ und<br />

Lesegerät: Die elektronische<br />

Bezahl karte kann<br />

seit dieser Saison an allen<br />

Kiosken und Restaurants<br />

im Signal Iduna Park<br />

eingesetzt werden<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Bau der Donbass Arena im ukrainischen Donezk,<br />

einem der Schauplätze der nächsten Europameisterschaft.<br />

Hier hat der schweizerische Spezialist für Informationsinfrastruktur<br />

Reichle & De-Massari (Wetzikon)<br />

60 Kilometer Glasfaser- und über 400 Kilometer<br />

Kupferkabel verlegt. Mit 6.000 Kupfer- und 1.700<br />

Glasfaseranschlüssen beherbergt das neue Bauwerk<br />

eines der größten Netzwerke, die bisher in der Ukrai -<br />

ne installiert wurden. „Stadien sind heute Informationsknotenpunkte,<br />

in denen die Verfügbarkeit der<br />

IT-Systeme nicht nur für Sicherheit und Komfort der<br />

Zuschauer unverzichtbar ist, sondern auch die Basis<br />

für jeden erzielbaren Erlös darstellt, ob über Mediavermarktung,<br />

Ticketing, Shops oder Essen und Trinken“,<br />

erklärt Stefan Leibhard, CEO der BTD Internatio<br />

nal Consulting AG mit Sitz im schweizerischen Zug,<br />

ein international führender Technologieberater für<br />

Stadien und Veranstaltungsorte.<br />

Informationstechnik spielt eine große Rolle in der<br />

Betreuung und im Training der Spieler. So gibt es Software-Lösungen<br />

zur Erfassung der Positionsdaten von<br />

Spielern und Ball während eines Fußballspiels. Die<br />

Daten werden nicht nur zur Ermittlung von Laufwegen<br />

herangezogen, sondern auch zur Analyse des komplexen<br />

Spielgeschehens und der Taktik von Gruppen, wie<br />

der Abwehr oder der gesamten Mannschaft. In einem<br />

Projekt der Deutschen Sporthochschule Köln sollen<br />

künftig künstliche neuronale Netze eingesetzt werden.<br />

Solche Netze bilden Struktur und Informationsarchitektur<br />

von Gehirn und Nervensystem im Computer<br />

nach. Damit wollen die Forscher herausfinden,<br />

wie Kreativität und Originalität im Fußball zustande<br />

kommen und wie man sie trainieren kann. Erst vor<br />

Kurzem hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine<br />

Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Unternehmen<br />

MasterCoach Int. bis 2012 verlängert, das Spielanalysen<br />

zur Verfügung stellt. „Die Verknüpfung von Bildern,<br />

Animationen und Statistiken bietet den Trainern<br />

und Spielern ein visuelles Angebot, das den modernen<br />

Anforderungen entspricht“, urteilt Oliver Bierhoff,<br />

Teammanager der deutschen Fußballnationalmannschaft.<br />

Auch der BVB ist auf der Höhe der Zeit:<br />

„Wir nutzen solche Tools für die Taktikanalyse in der<br />

Halbzeit und zur Nachbetrachtung. Solche Erkenntnisse<br />

sind unerlässlich“, betont Dr. Christian Hockenjos,<br />

Leiter Organisation und Verwaltung beim BVB.<br />

Auch die Lederpille hat ausgedient<br />

Seit Beginn dieser Saison kommt beim BVB das System<br />

VIS.Track der Impire AG nicht nur bei Pflichtspielen, sondern<br />

auch im Trainingsbetrieb und im Jugendbereich zum<br />

Einsatz. Umfassende Leistungsdaten aller Spieler werden<br />

in Echtzeit erhoben und zur Spiel- und Trainingsanalyse<br />

ausgewertet. Dabei bedient sich das System neuester<br />

Computeralgorithmen und modernster Kameratechnologie.<br />

Die Software kann die Informationen live in Drei-D-<br />

Animationen oder Grafiken darstellen. So können Chefcoach<br />

Jürgen Klopp und sein Stab schnell Vorteile und<br />

Fehler erkennen und die Spieler darauf gezielt hinweisen<br />

– offenbar eine gute Grundlage für die erfolgreichste<br />

Fußballmannschaft Deutschlands.<br />

In manchen Bereichen tut sich der Fußball aber<br />

auch schwer mit technischen Neuerungen – so die<br />

Regelhüter des International Football Association<br />

Board (IFAB), deren Entscheidungen für den Weltfußballverband<br />

FIFA verbindlich sind. Die spielentscheidende<br />

Frage „Tor oder nicht Tor?“ wird auch künftig<br />

nur danach entschieden, was der Schiedsrichter<br />

FOTOS: PR (2), DEFODI.DE<br />

ILLUSTRATION: DANIEL BRITSCH, 3DPIXEL COMPANY G.M.B.H., DORTMUND<br />

Höhe Pylon<br />

62 Meter<br />

Zugang<br />

Osttribüne<br />

Zufahrt<br />

Mannschaften<br />

Zugang Nordtribüne<br />

Nordtribüne<br />

Zugang Nordtribüne<br />

Trilux<br />

Business<br />

Club<br />

Logistische Meisterleistung<br />

Borussia Park OBO Lounge<br />

Familienblock<br />

Stadionvorplatz<br />

Strobelallee<br />

Zugang Süd- und Westtribüne<br />

und sein Team mit ihren Augen gesehen haben. Erst<br />

Anfang März hatte die 125. IFAB-Jahresversammlung<br />

sich erneut gegen den Einsatz elektronischer Hilfsmittel<br />

zur Überwachung der Torlinie entschieden. Grundsätzlich<br />

zur Wahl stehen dabei entweder der Chip im<br />

Ball oder hochauflösende Kameras. „Menschliche Fehler“<br />

gäben dem Fußball ein „menschliches Gesicht“,<br />

äußerte sich FIFA-Präsident Joseph Blatter noch vor<br />

einigen Jahren beschwichtigend. Die Wächter über<br />

die Spielregeln begründen ihre ablehnende Haltung<br />

mittlerweile aber vor allem mit dem Argument, keines<br />

der ihnen bislang präsentierten Systeme sei für<br />

einen Einsatz auf höchster Ebene ausgereift. Dabei<br />

ist der Chip im Ball nach Auskunft der Entwicklerfirma<br />

Cairos technologies AG aus dem badischen Karlsbad<br />

nicht nur voll entwickelt, sondern schon seit 2007<br />

Osttribüne<br />

Zugang Spielfeld<br />

Trainerbänke<br />

Verteilerebene<br />

Südtribüne<br />

erfolgreich getestet. „Es dauert unter eine Sekunde,<br />

bis der Schiedsrichter weiß, ob der Ball im Tor war<br />

oder nicht“, so Christian Holzer, Vorstand der Cairos<br />

AG. Voraussetzung für das System sind dünne Kabel<br />

unter den Linien des Strafraums und der Tor linie. Sie<br />

erzeugen schwache Magnetfelder, die ein Sensor in<br />

der Mitte des Balles misst. Der Chip – etwa 15 Gramm<br />

leicht – sendet die Messwerte über Funk an zwei Empfangs<br />

anten nen, sobald er in den Strafraum eintritt. Auf<br />

dieser Basis ermittelt ein Computer in Sekundenbruchteilen,<br />

ob der Ball die Torlinie komplett überschritten<br />

hat. Das System funktioniert ähnlich der RFID-Technologie,<br />

die sich in verschiedensten Anwendungen<br />

bestens bewährt hat. Dabei werden Gegenstände<br />

automatisch mithilfe elektromagnetischer Wellen<br />

identifiziert und lokalisiert, so zum Beispiel bei<br />

BVB-HIGHTECH 35<br />

<strong>Evonik</strong><br />

Stammtisch<br />

Westtribüne<br />

Parkplätze<br />

Bis zu 80.720 Zuschauer erleben die Heimspiele des BVB live im Stadion mit – so viele wie bei keinem anderen Bundesliga-Verein. Die Menschenströme zügig<br />

auf die Tribünen und wieder zu den Ausgängen zu leiten verlangt logistisches Management auf höchstem Niveau. Im Signal Iduna Park sorgen 103 Drehkreuze<br />

und mehrere Verteilerebenen dafür, dass Spieler, Trainer, Journalisten und Fans sicher zu ihren Plätzen kommen<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


36 BVB-HIGHTECH<br />

Rasen<br />

Tragschicht<br />

Heizung (in Sand)<br />

Drainage<br />

Kiesbett<br />

Erdreich<br />

Aufbau des Rasens<br />

„Funketiketten“. Bei der Erprobung wurde der<br />

Chip-Ball 2.000-mal mit 140 Kilometern pro Stunde<br />

gegen eine Wand gespielt – ohne Schaden zu nehmen.<br />

Solche Ball geschwin digkeiten erreichen selbst Roberto<br />

Carlos oder Thomas Hitzlsperger, die zu den härtesten<br />

Schützen ihrer Zunft zählen, nur höchst selten.<br />

Immerhin: Endgültig ist die Ablehnung des IFAB nicht,<br />

es sollen noch weitere Tests stattfinden.<br />

Geht es um Ball und Schuhe sind auch hier die Zeiten<br />

von „Lederpille und -buffer“ längst vorbei. Schon 1957<br />

zogen Kunststoffe ins Schuhwerk ein und 1962 auch<br />

in den Ball. Das Runde, das ins Eckige muss, ist erst seit<br />

der Weltmeisterschaft (WM) 2010 wirklich rund, mit<br />

„Jabulani“ entwickelte Adidas den ersten nahezu vollständig<br />

runden Ball der Fußballgeschichte. Mit einem<br />

Drei-D-Scanner werden die Spielgeräte heute auf Formgenauigkeit<br />

geprüft. Entwickelt wurde er vom Prüf- und<br />

Forschungsinstitut Pirmasens (PFI), einer der wenigen<br />

Institutionen, die Fußbälle nach den von der FIFA vorgegebenen<br />

Richt linien (International Matchball Standard)<br />

testen darf. Die peniblen Prüfer aus der Pfalz haben<br />

zusätzlich weitere Geräte im Programm, die die Einhaltung<br />

der FIFA-Regularien im Hinblick auf die Wasseraufnahme<br />

von Fußbällen, ihre Rückprallhöhe und ihren<br />

Durchmesser prüft. Auch ihr Dauerbelastungsverhalten<br />

wird auf Herz und Nieren untersucht. Der 900 Kilogramm<br />

schwere PFI-Ballschussapparat kann bis zu drei<br />

Bälle simultan testen, die mit variabler Geschwindigkeit<br />

gegen eine Ablenkungsplatte geschossen werden.<br />

Auch die Fußballstiefel haben eine rasante Entwicklung<br />

hinter sich, die insbesondere durch Hochleistungskunststoffe<br />

vorangetrieben wird, wie sie<br />

BVB-Trikotsponsor <strong>Evonik</strong> Industries AG auch für<br />

den Sportbereich herstellt. So vereinbart das Polymer<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

ILLUSTRATION: PICFOUR<br />

DER RASEN: 7.500 Quadratmeter Rasen braucht<br />

man für ein Fußballfeld. Zuletzt bekam die<br />

Dortmunder Spielstätte im Februar <strong>2011</strong><br />

einen neuen Rasen. Die Experten setzen auf eine<br />

Rasen mischung von 25 Prozent Weidelgras<br />

und 75 Prozent Wiesenrispengras.<br />

TRAGSCHICHT: Sie gibt dem Rasen Halt für die<br />

großen Belastungen während eines Spieles.<br />

Sie wirkt so ähnlich wie ein Schockabsorber.<br />

HEIZUNG: Die Rasenheizung sorgt dafür, dass<br />

der Platz immer bespielbar ist.<br />

DRAINAGE: Durch sie wird das Regenwasser<br />

abgeleitet. Sie ruht auf dem Kiesbett, das<br />

über dem Erdreich aufgeschüttet worden ist<br />

FOTOS: DEFODI.DE (2), PR, PICTURE-ALLIANCE (2)<br />

Der Rasen im Signal Iduna Park kommt von der Rolle aus den<br />

Niederlanden. Kunstrasen (Mitte) fi ndet immer mehr Verbreitung – auch aufgrund verbesserter Materialien. Für festen Grip der Spielerfüße sorgen Kunststoffschuhe<br />

Der Ball<br />

ist rund<br />

und funkt<br />

Zwölf Glasfaserstränge<br />

fi xieren den nur etwa<br />

15 Gramm schweren Chip<br />

genau in der Mitte des<br />

Balls. Dank der Signale,<br />

die ein Sensor aufnimmt,<br />

könnte der Chip dem<br />

Empfänger am Arm des<br />

Schiedsrichters übermitteln,<br />

dass der Ball die<br />

Torlinie passiert hat<br />

VESTAMID E– chemisch gesehen ein Polyamid-12-<br />

Elastomer – scheinbar gegensätzliche Eigenschaften<br />

wie Elastizität, geringes Gewicht und Stabilität miteinander<br />

und ist zudem weitgehend unabhängig von<br />

Temperaturschwankungen. Diese Produkteigenschaften<br />

sorgen bei High-End-Fußballschuhen für<br />

eine außergewöhnliche Belastbarkeit – bei gleichzeitig<br />

geringem Gewicht. Immer wichtiger: Das verwendete<br />

Material muss farbneutral und leicht einzufärben,<br />

lackier- oder bedruckbar sein – denn der Trend<br />

bei den Stars geht zum individuell gestalteten Schuh,<br />

der aber nicht nur gut aussehen, sondern immer noch<br />

Tore schießen oder verhindern soll. Feine Rillen aus<br />

Gummi und Silikon auf der Innenseite der Schuhe sorgen<br />

dafür, dass der Ball möglichst gut am Fuß „klebt“.<br />

Völlig von der Rolle: der Spielfeld-Rasen<br />

Ein Dauerthema ist der Rasen. Beim BVB hegt und<br />

pflegt Willi Droste, Rasenmeister und „bekennender<br />

Grasflüsterer“, das heilige Grün – eine Mischung aus<br />

75 Prozent Poa pratensis, dem Wiesenrispengras, und<br />

25 Prozent Lolium perenne, dem Deutschen Weidelgras.<br />

Der Teppich der besonderen Art wächst allerdings<br />

in den Niederlanden und kommt auf großen<br />

Rollen ins Stadion. Nach dem Verlegen hält Droste<br />

seine Hand über die vielen Halme – wässern, lüften,<br />

schneiden und notfalls gut zureden heißt das Pflegeprogramm;<br />

vor jedem Spiel wird der Rasen dann auf<br />

Spielhöhe gebracht, auf exakt 28 Millimeter. Bei aller<br />

Hingabe der „Greenkeeper“ – in vielen modernen Stadien<br />

ist der Rasen aber gerade in der Winterperiode<br />

alles andere als grün und muss häufiger ausgetauscht<br />

werden. Hier soll moderne Technik helfen. Erste Tests<br />

mit Mischrasen aus Gras und Kunststoff hat die FIFA<br />

Wenn der Chip „Tor“ sendet<br />

bei der WM in Südafrika gestattet. In den Stadien von<br />

Nelspruit und Polokwane wurde das GrassMaster-System<br />

der Firma Desso installiert, ein Naturrasen, der<br />

durch 20 Millionen künstliche, bis in eine Tiefe von<br />

20 Zentimetern implantierte Fasern verstärkt wird.<br />

Die Wurzeln des Naturrasens verwachsen mit den<br />

Kunstrasenfasern, die etwa sieben Prozent des Grüns<br />

ausmachen und die Spielfläche stabilisieren. Viele<br />

englische Spitzenklubs wie Arsenal, Liverpool oder<br />

Tottenham Hotspur nutzen den „Mischrasen“. Natürlich<br />

gibt es aber auch „echten“ Kunstrasen, doch der<br />

hatte bisher ein ernstes Problem: Bei Sonneneinstrahlung<br />

heizt sich das schwarze Gummigranulat, das zwischen<br />

die künstlichen Rasenfasern eingestreut wird,<br />

stark auf und dünstet unangenehm aus. Auch hierfür<br />

hat das Chemieunternehmen <strong>Evonik</strong> eine Lösung<br />

gefunden: Ein Zweikomponentenlack haftet zuverlässig<br />

auf der Oberfläche der einzelnen Gummikörner,<br />

die Beschichtung zeigt eine hohe Flexibilität und<br />

dennoch genügend Härte – zudem unterbindet sie<br />

sicher die Aufheizung und die Ausdünstungen. So hat<br />

der Kunstrasen jetzt deutlich bessere Chancen, sich<br />

durchzusetzen und ganz nebenbei ein Recyclingproblem<br />

zu lösen. Denn meist besteht das Granulat, mit<br />

dem der Rasen zentimeterdick aufgefüllt wird, aus<br />

gemahlenen Altreifen. Dank des Lackes steht ihrer<br />

zweiten Karriere auf dem Fußballplatz nichts mehr<br />

im Weg. In jedem Fall eignen sich Kunstrasenplätze<br />

bestens dafür, weltweit einheitliche Platzstandards zu<br />

garantieren. Keine Frage, beim einfachsten Spiel der<br />

Welt geht die technische Entwicklung weiter – auch<br />

wenn Willi Droste das anders sieht: „Ein Match wird<br />

nicht im Ball, sondern am Ball gewonnen. Und Kunstrasen<br />

geht gar nicht.“<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


FOTO: DEFODI.DE<br />

38 MYTHOS BVB<br />

Rote Erde, gelbe<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

MYTHOS BVB 39<br />

Aus 24.454 Zuschauern in<br />

BVB-Fan-Kluft formiert sich<br />

die „gelbe Wand“ – und eine<br />

gewal tige Geräuschkulisse:<br />

motivierend für den<br />

BVB, furcht erregend für die<br />

Gastmannschaften<br />

Wand<br />

Die Fans des BVB sind legendär: Der deutsche Meister <strong>2011</strong> hat<br />

nicht nur eine treue Gemeinde leidenschaftlicher Anhänger, sondern<br />

auch die größte Stehtribüne aller Bundesligastadien. Mit<br />

echter Liebe stehen sie hinter ihrer Mannschaft und beleben den<br />

Mythos des BVB immer wieder neu<br />

TEXT TOM SCHIMMECK<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


40 MYTHOS BVB<br />

FOTOS: PLAINPICTURE, DEFODI.DE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Wand mit<br />

Botschaften<br />

von Borussia-<br />

Anhängern<br />

Leidenschaft und<br />

echte Liebe bringen<br />

die Fans mit ins<br />

Stadion. Mit vollem<br />

Körpereinsatz und<br />

„hochdekoriert“ steht<br />

dieser Fahnenträger<br />

hinter der Mannschaft<br />

und sorgt für<br />

Stimmung im Stadion<br />

MYTHOS BVB 41<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


42 MYTHOS BVB<br />

Im Freudentaumel: BVB-Fans feiern den deutschen Meister <strong>2011</strong> mit<br />

einem spontanen Autokorso durch die Dortmunder Innenstadt<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Hüterin der illustren<br />

Vergangenheit<br />

Kirsten Behnke, Leiterin des Borusseums in Dortmund,<br />

mit einem sehr jungen Schaustück: die Brille von<br />

Cheftrainer Jürgen Klopp, die nach dem Sieg über den<br />

FC Bayern beim Jubeln zu Bruch ging. Das<br />

Vereinsmuseum des BVB enthält viele Exponate, die an<br />

die alten Erfolge und Meisterschaften erinnern<br />

DIE GELBE WAND FORMIERT SICH. Südtribüne<br />

Dortmund: 25.000 Menschen, die jetzt, kurz vor An -<br />

pfiff, zu einem Körper verschmelzen, singend, la -<br />

chend, auch leidend. Auf dem Rasen flattern an die<br />

zwei Dutzend Fanklub-Fahnen, geschwungen von<br />

stolzen Trägern. In der Mitte wird voller Andacht das<br />

BVB-Abzeichen niedergelegt. Letzte Sonnenstrahlen<br />

lächeln über den Stadionrand. Rufe sind zu hören, Beifall,<br />

Trommelwirbel. Viele halten ein Pils in der Hand.<br />

Alle fiebern dem ersten Schuss entgegen. Die Stimmung<br />

steigt.<br />

Fußball lebt von Begeisterung, überall. Doch wer<br />

am Fuße dieser Menschenwand steht, in dieser Druckkammer<br />

der schwarz-gelben Euphorie, den Zaun und<br />

das Feld vor Augen, Europas größte Stehplatztribüne<br />

im Rücken, dem wird sofort klar, dass dies ein sehr<br />

spezieller Ort ist. Dass hier mehr mitschwingt als diese<br />

übliche Fußball-Anhänglichkeit, die man überall<br />

findet. Dass hier in über 100 Jahren etwas gewachsen<br />

ist, bei dessen Beschreibung schnell Pathosverdacht<br />

und Kitschgefahr aufkommen. Seis drum: Man fühlt<br />

sie gleich, diese Verwurzelung, diese tiefe Zugehörigkeit,<br />

diese unumstößliche Gewissheit. Spätestens,<br />

wenn sie alle wie auf Kommando ihre Schals vor sich<br />

strecken; oder inbrünstig singen: „Heute wolln wir<br />

siegen, wir gehen mächtig ran …“<br />

„Diese Liebe, diese Verbundenheit“, sagt Stefan,<br />

21. „Das Gefühl ist über die Jahre immer besser, immer<br />

größer geworden.“ Er lehnt ganz vorn in Block 13 an<br />

einem Metallrohr. Stefan kommt vom Niederrhein,<br />

meist mit einem Kumpel, braucht zwei Sunden bis zur<br />

Südtribüne. „Aber das ist es mir wert.“ Er war schon<br />

Fan, als er zur Schule kam. „Das war die erste große<br />

Liebe, und dabei bleib ich auch“, beteuert er eifrig,<br />

Im Obergeschoss der Gaststätte Zum Wildschütz (hier die Rekonstruktion<br />

im Borusseum) wurde 1909 der BVB gegründet<br />

schwärmt vom „geilsten Verein auf der Welt“, der ja<br />

viel mehr sei als Fußball. Und immer wieder von diesem<br />

Gefühl. Wie sich das anfühlt? Er grübelt. Das habe<br />

man „nirgendwo anders“, erklärt Stefan. „Das kann<br />

dir keine Frau auf der Welt geben. Nur der Verein.“<br />

In der achten Minute: ein Treffer. Verteidiger Mats<br />

Hummels macht mit dem Rücken das erste Tor. Ein<br />

Röhren geht durch die Wand. Die Fahnen flattern.<br />

Bierbecher fliegen durch die Luft.<br />

„Hunderttausend Freunde, ein Verein“<br />

Was macht diese Intensität aus? „Dass hier verschiedenste<br />

Menschen zusammenkommen und das Gleiche<br />

empfinden“, meint eine Frau mittleren Alters, die ein<br />

paar Schritte weiter steht. Petra, seit 22 Jahren Dortmunderin,<br />

seit 15 Jahren Besitzerin einer Dauerkarte,<br />

also perfekt assimiliert. Dass sie einst Bayern-Fan war,<br />

zählt sie zu ihren Jugendsünden. „Borussia Dortmund,<br />

das ist einfach so gewachsen“, sagt sie, „das gehört einfach<br />

dazu.“ Und es muss immer die Südtribüne sein –<br />

weil: „Da geht die Lucie ab.“ Und weil Sitzen sowieso<br />

gar nicht funktioniert: „Man muss stehen, man<br />

lebt mit, man schießt mit.“ Auch weil man Leute kennenlernt<br />

– „da steht man zig Jahre nebeneinander.“<br />

In ihrem Lieblingssong heißt es: „Hunderttausend<br />

Freunde, ein Verein.“<br />

Plötzlich stöhnen die Zuschauer, auf dem Rasen,<br />

nahe dem Dortmunder Tor, wird es brenzlig. Petra<br />

bleibt gelassen. „Da passiert nix“, sagt sie, „mein Bauch<br />

rumpelt nicht.“ Ach ja? Bei einem Gegentor, erläutert<br />

sie, zieht sich ihr Bauch etwa eineinhalb Minuten vorher<br />

zusammen.<br />

Für so viele ist das ein festes Ritual: alle zwei Wochen<br />

zum Signal Iduna Park. Ein Bier, eine Wurst, ein<br />

Heute befi ndet sich an gleicher Stelle der beliebte<br />

Imbiss Pommes Rot-Weiß<br />

„Einen BVB<br />

ohne Fans kann<br />

ich mir nicht<br />

vorstellen“<br />

Sportdirektor Michael Zorc<br />

über Scouts, Fans und Talente<br />

Herr Zorc, als Sportdirektor sind Sie für die Talentsuche und<br />

den Einkauf neuer Spieler zuständig. Finden Sie auch unter den<br />

Fans gute Nachwuchskicker?<br />

Michael Zorc: Einen BVB ohne Fans kann ich mir nicht vorstellen.<br />

Entscheidend ist aber ein funktionierendes Scouting-System,<br />

das uns einen Überblick über den nationalen und internationalen<br />

Spielermarkt ermöglicht.<br />

Was muss ein Kandidat, der zum BVB will, mitbringen?<br />

Michael Zorc: Es geht in erster Linie um fußballerische Qualität,<br />

darüber hinaus um die Frage, welche Positionen zu besetzen sind.<br />

Wir achten auf charakterliche Qualitäten und versuchen, uns ein Bild<br />

über das Umfeld des Spielers, auch im privaten Bereich, zu machen.<br />

Der BVB hat die jüngste Mannschaft in der Bundesliga. Warum<br />

haben Sie so viel Vertrauen in junge Spieler gesetzt?<br />

Michael Zorc: Die finanziellen Möglichkeiten von Borussia Dortmund<br />

ließen teure Transfers nicht zu. Aber mit Jürgen Klopp haben wir<br />

einen großartigen Trainer, der mit jungen Spielern arbeiten und sie<br />

weiterentwickeln kann. Der Erfolg gibt ihm und uns recht.<br />

FOTOS: DEFODI.DE (4), ANDREAS BUCK<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


44 MYTHOS BVB<br />

Zuschauer am BVB-Trainingsgelände in Dortmund-Brackel: gute Gelegenheit für Autogramme und Handschlag von den Spielern<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Spiel. Leute treffen, die auch immer da sind. Hoffen,<br />

fiebern, dann den Sieg feiern oder den Kummer<br />

he runterspülen. Deutschlands größtes Fußball sta dion<br />

ist gut besucht. Auch heute sind alle 80.720 Karten verkauft.<br />

Die Dortmunder sind verlässliche Zuschauer,<br />

selbst wenn es mal schlecht läuft. Darauf scheinen die<br />

Schwarz-Gelben sogar besonders stolz zu sein: dass sie<br />

keine Schönwetter-Fans sind, sondern Durch-dick-unddünn-Typen,<br />

immer da, gerade auch in miesen Zeiten.<br />

„Wir sind alle am Borsigplatz geboren“<br />

Und die Spieler? „Das sind keine gelackten Typen, die da<br />

rumlaufen. Die trifft man auch schon mal im Aldi“, sagt<br />

der Metzger und Stadionsänger Andy Schade. Sie mögen<br />

steinreich sein. Doch wenn sie nicht zum Anfassen sind,<br />

taugen sie nicht für Dortmund. „Was ich in Dortmund<br />

gefunden habe“, sagt der Sauerländer Schade, „ist genau,<br />

wonach ich mich gesehnt habe. Da weiß ich, wo ich dran<br />

bin. Da sagt man sich Bescheid, und dann ist das Thema<br />

vom Tisch.“ Dazu kommt diese Wucht: „Wenn man vor<br />

der Süd steht und mitkriegt, wie die bölken und pfeifen,<br />

dann ist das schon eine gewaltige Macht.“ In seiner<br />

BVB-Hymne singt er: „Wir sind alle am Borsigplatz<br />

geboren…“ Was ja eigentlich nicht stimmt, oder? „Na<br />

ja“, sagt der Sänger, „von der Seele her.“<br />

Der Himmel ist schon ganz schwarz, das grelle Flutlicht<br />

lässt den Rasen noch grüner wirken. Es wird kalt.<br />

Doch aus der Menge steigt Wärme auf. Zwei Freunde<br />

– ein Kräftiger und ein Schmaler mit Brille, Thomas<br />

und Ralf, beide 49, Fans seit Jahrzehnten – reden<br />

von Gemeinschaft und von Liebe. „Hier sind Ingenieure,<br />

hier sind Hilfsarbeiter. Wenn Spiel ist, ist das egal.<br />

Die stehen dahinter“, sagt Thomas, hier sei das „Feeling“.<br />

Ralf blickt kopfschüttelnd auf schwere Zeiten<br />

zurück, da Fans und Mannschaft keine Freunde mehr<br />

waren. Jetzt, sagt er strahlend, sei es „totale Sympathie“.<br />

Dauer karte? Beide nicken.<br />

Natürlich gibt es auch die Knalltüten, die „Idioten“,<br />

wie Petra sagt, die „ohne Kopp“, wie es Stefan ausdrückt.<br />

Kerle, die auf Krawall aus sind. Doch die Fans fühlen sich<br />

hier sicher, selbst mit Kindern. „Man sagt immer, die<br />

Tribüne sei die schlimmste, aber ich sehe das gar nicht<br />

so“, meint Ordner Marko, der unten ein Zwischengitter<br />

bewacht. „Ist schon anstrengend. Vor allem, wenn zu<br />

viel getrunken wird“, meint Ordnerin Lisa, die in Block<br />

83 steht, mitten im schwarz-gelben Meer. Sie passt auf,<br />

dass zum Beispiel keiner über die Bande klettert. Ihr<br />

Rezept: „Man ist einfach nur freundlich. Und das wirkt<br />

schon.“ Die Arbeit bringt ihr Spaß, seit zehn Jahren.<br />

„Das Tollste ist, wenn die Tribüne wirklich bebt.“ Was<br />

sie jetzt, in der 89. Spielminute, prompt tut. Der Gegner<br />

schafft den Ausgleich. Während sich ein Borussia-Spieler<br />

verletzt auf dem Rasen windet. Unfair? Die „Süd“ zittert<br />

vor Zorn. Ein riesiger Chorus kreischt, pfeift, brüllt,<br />

bis die Ohren vibrieren. Ein Unentschieden im letzten<br />

Augenblick. Schon gehen die Ersten, stapfen frustriert<br />

durch Pappteller, Senf und Bierlachen.<br />

So viel Gefühl. Das kaum einer wirklich in Worte<br />

fassen kann. Manche zeigen einfach auf ihr Herz, andere<br />

reden von Gänsehaut, Heimat, Geborgenheit, Hingabe<br />

und Leidenschaft. Menschen, die schon im BVB-<br />

Strampler laufen gelernt haben, gucken oft ganz hilflos<br />

und sagen dann: „Das kann man gar nicht beschreiben.“<br />

Auf zu den Wurzeln des Vereins, in die Nordstadt.<br />

Zur katholischen Kirchengemeinde Heilige Dreifaltigkeit<br />

in der Flurstraße, nicht weit vom Borsigplatz.<br />

Wo sich anno 1901 eine gleichnamige „Jünglings sodali<br />

tät“ formte, eine Gruppe junger Männer, die Sport<br />

MYTHOS BVB 45<br />

Die Kampfbahn Rote Erde war von 1937 bis 1974 Austragungsort der BVB-Heimspiele. Für die internationalen Spiele in den 60er-Jahren war das Stadion bald zu klein<br />

treiben wollte. Sie hatten vor allem Spaß an dem neuen<br />

Sport, den andere als „Fußlümmelei“ beschimpften.<br />

Eine Einwanderungsgeschichte: Denn ihre Familien<br />

waren zumeist aus katholischen Gegenden ins<br />

protestantische Dortmund gekommen, um in Hütten<br />

oder Zechen zu arbeiten. Und ein Konflikt: weil der<br />

Kaplan der Gemeinde das um sich greifende Fußballspiel<br />

missbilligte, als ungutes, rohes Treiben betrachtete.<br />

Nach langem Hickhack gründeten die Fußballer<br />

schließlich im Wirtshaus Zum Wildschütz, um die<br />

Ecke in der Oesterholzstraße, trotzig den „Ballspielverein<br />

Borussia 1909“, benannt nach dem Namen einer<br />

Brauerei und dem Gründungsjahr 1909. „Fußball, das<br />

war schon damals eine Inkarnation von Lebensfreude“,<br />

meint Ansbert Junk, 43, einige Jahre lang Pastor der<br />

Dreifaltigkeitsgemeinde, inzwischen nach Herne versetzt.<br />

Aber immer noch ganz BVB-Fan. Vor den Spielen<br />

eilt er meist noch flugs in die Kirche, um eine Kerze<br />

anzuzünden – für die Borussia. „Das ist so ein katholischer<br />

Reflex“, sagt er schmunzelnd. Junk ist zufrieden<br />

mit der Substanz des Vereins, spricht vom Zusammenhalt<br />

im Fußball, von Verbundenheit und dem schwarzgelb<br />

gestärkten Selbstvertrauen. „Und das macht Borussia<br />

heute auch zum Meister. Da ist die Stimmung einfach<br />

gut, da ist der eine für den anderen da.“<br />

„Du willst ja raus aus dem Dreck“<br />

Die stolzen Fußball-Pioniere spielten um die Ecke<br />

auf der Weißen Wiese. Aus der in den 20er-Jahren<br />

ein richtiges Stadion wurde – nachdem der Direktor<br />

der Union-Brauerei auf dem Chefsessel des Vereins<br />

Platz genommen hatte. Sie malochten fast alle<br />

nebenan in der Westfalenhütte der Hoesch AG. Die<br />

wuchs in den 30ern – ein Krieg wurde vorbereitet.<br />

Kirchlicher<br />

Segen und<br />

göttlicher<br />

Beistand<br />

In der Dreifaltig keits-<br />

Gemeinde fi ng<br />

alles an – allerdings<br />

war das Verhältnis<br />

zwischen Kirche und<br />

BVB anfangs nicht<br />

so harmonisch, wie<br />

die Plakette glauben<br />

machen möchte.<br />

Der damalige Kaplan<br />

wollte die Vereinsgründung<br />

1909 noch<br />

höchstpersönlich<br />

verhindern. Heutige<br />

Geistliche wie<br />

Andreas Coersmeier,<br />

Pfarrer der Propsteigemeinde<br />

Dortmund,<br />

sehen die Beziehung<br />

zum Fußball<br />

viel entspannter<br />

FOTOS: DEFODI.DE (3), ARCHIV GERD KOLBE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


46 MYTHOS BVB<br />

Die Top Five der Spieler-Trikots<br />

Unter circa 150.000 verkauften Trikots in dieser Saison sind die Hemden von Kagawa und Lucas (Barrios) die Bestseller<br />

1<br />

Die Top Ten unter den Fanartikeln<br />

Der echte BVB-Fan begnügt sich nicht mit Trikot und Schal, sondern nutzt auch Alltagsartikel im schwarz-gelben Outfi t<br />

1 Heimtrikot: absolutes Must-have<br />

für jeden wahren BVB-Fan. Wird<br />

nicht nur bei Heim spielen im Stadion<br />

getragen, sondern gerne auch<br />

in der Freizeit.<br />

2 Schal „Mein Verein – meine<br />

Stadt“: ein Bekenntnis zum<br />

BVB und zur Stadt Dortmund.<br />

3 Magic Mug „Südtribüne“: Beim<br />

Einfüllen eines heißen Getränks<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

1<br />

6<br />

2<br />

3<br />

2<br />

7<br />

4<br />

erscheint ein Foto der Südtribüne.<br />

Und im Sommer? Egal!<br />

4 Toaster: brennt das Vereinslogo<br />

auf je zwei Scheiben Toastbrot.<br />

Sechs verschiedene Bräunungsstufen.<br />

Für den guten Start in den Tag.<br />

5 Flaschenöffner „Jubel“: Beim<br />

Anheben ertönt „Alé alé alé alé oh –<br />

BVB 09“, beim Öffnen der Flasche<br />

„Olé, hier kommt der BVB.“<br />

3<br />

9<br />

8<br />

4<br />

6 Schneekugel: spielt die Vereinshymne<br />

„Borussia“.<br />

7 Schal „Kariert“: Dieses Modell<br />

trug Trainer Jürgen Klopp im<br />

Winter – war dann im Frühjahr<br />

ausverkauft.<br />

8 Kappe „Classic“: bei jedem<br />

Wetter einsetzbar, als Regenschutz<br />

wie als Sonnenschirm. Die Größe<br />

lässt sich individuell einstellen.<br />

5<br />

10<br />

5<br />

9 Kennzeichenverstärker<br />

„Borussia Dortmund“: dezente<br />

Variante mit Aufdruck „Borussia<br />

Dortmund“ und zwei BVB-<br />

Emblemen in Silber. Lieferung ohne<br />

Kennzeichen.<br />

10 Hissfahne „Emblem“: bräuchte<br />

eigentlich eine geeignete Aufhängung,<br />

lässt sich aber prima auch am<br />

Balkongeländer aufhängen.<br />

FOTOS:DEFODI.DE<br />

Gärtnern mit BVB-Faktor:<br />

In der Kleingartenanlage<br />

Einigkeit hat Borussia-<br />

Legende „Aki“ Schmidt<br />

seinen eigenen Fanklub<br />

rekrutiert. Nur zu gern<br />

werden seine Geschichten<br />

von früher gehört, als<br />

die „Millionäre“ noch auf<br />

der Tribüne saßen und<br />

nicht wie heute auf dem<br />

Platz waren<br />

Die Fußballer wurden verdrängt, kickten nun auf<br />

der „Kampfbahn Rote Erde“ im Dortmunder Süden.<br />

Eigentlich eher bürgerliches Terrain.<br />

„Wir waren alle Arbeiterjungs, Söhne von Stahloder<br />

Bergarbeitern, wir waren alle gleich, alle aus<br />

der Gegend“, erzählt Alfred „Aki“ Schmidt, Jahrgang<br />

1935. Und preist die Zeit seiner Anfänge, die Fußballkünste<br />

der Kraftpakete „mit -ki am Ende“, die aus<br />

Polen und Ostpreußen stammten. „Diese Typen waren<br />

prädestiniert für das Spiel“, doziert Aki, „technisch<br />

begabt, taktisch klug, sehr zäh. Und bescheiden, auch<br />

demütig, wenns sein musste.“ Keine Angeber, „keine<br />

große Fresse“. Die, sagt Aki und legt die Hand auf den<br />

Tisch, „waren der Ursprung von Borussia“.<br />

Sein Vater war Stahlkocher. „Und wir haben immer<br />

nur Fußball gespielt. Es gab ja nichts, was sollte man<br />

machen?“, erinnert sich Schmidt an die Nachkriegszeit.<br />

Er wurde „ein richtiger Straßenkicker“, bis Leute<br />

vorbeikamen, die einen Blick für sein Talent hatten.<br />

„Die haben mich dann da gesehen“, sagt Aki lächelnd.<br />

Sie wollten ihn. Er zögerte. Die Familie war ausgebombt<br />

worden, hatte „nichts mehr“. Aki lernte erst mal etwas<br />

Richtiges, Dreher, auch ein bisschen Maschinenbau in<br />

der Abendschule und ging dann auf die Hütte zu Hoesch.<br />

Doch der Fußball umwarb ihn weiter, nicht nur<br />

der BVB, auch der 1. FC Köln und Schalke 04. Ja, er<br />

hatte auch Bammel, oder „hohen Respekt“. Bei ihm in<br />

Dortmund-Berghofen kamen so 200 Leute gucken,<br />

wenn ein Spiel lief, bei der Borussia waren es schon<br />

mal 40.000. „Die Spieler, das waren Idole, Traumbilder“,<br />

sagt er. Mit 20 gab er sich einen Ruck, nach der<br />

ersten deutschen Meisterschaft. „Da haben sie mich<br />

dann festgenagelt“, sagt Aki. Klingt fast wie verhaftet?<br />

Nein, Aki grinst. „Du willst ja raus aus dem Dreck.“ Er<br />

MYTHOS BVB 47<br />

spielte gleich oben mit, schon in der ersten Saison beim<br />

BVB auch in der Nationalmannschaft. Wurde mit der<br />

Borussia 1957 und 1963 deutscher Meister, holte den<br />

DFB-Pokal 1965 und den Europapokal der Pokalsieger<br />

1966. Es war, sagt er, „ein Leben auf ein Ziel hin“.<br />

Bis 26 habe er kein Bier getrunken.<br />

Da funkeln die Pokale<br />

Damals verdiente man noch keine großen Summen.<br />

Offiziell malochten die Spieler nebenher weiter in ihren<br />

Betrieben – „ohne groß zu arbeiten“, sagt Aki. „Ich hab<br />

immer mein Geld gekriegt und nix getan dafür.“ Er war<br />

ja dauernd weg, auf dem Platz oder im Trainingslager.<br />

Wenn er bei Hoesch auftauchte, brachte er was vom<br />

Großmarkt mit und erzählte viel. „Und dann war ich<br />

wieder lieb Kind.“ Seine Chefs waren vollauf zufrieden,<br />

wenn sie Eintrittskarten für die Tribüne bekamen und<br />

Autogrammkarten vom Länderspiel.<br />

Sie waren Helden. Vor allem, als sie aus Glasgow<br />

mit dem Europacup wiederkamen. Sie fuhren in dem<br />

Autokorso durch ganz Dortmund, umjubelt. Und ganz<br />

zu Hause. Das war der Ansporn, meint Aki: „Da bist du<br />

so was von leistungswillig. Du tust alles, bist zu allem<br />

fähig. Weil du nicht verlieren darfst.“ Geld spielte<br />

damals noch keine große Rolle. Wenn die Alten aufhörten,<br />

arbeiteten sie weiter in ihrem Beruf, machten<br />

einen Laden auf oder eine Kneipe. August Lenz<br />

zum Beispiel, der erste Stürmerstar des BVB, der<br />

über 1.000 Spiele absolvierte. Und dann 33 Jahre die<br />

„Sportlerklause“ am Borsigplatz betrieb.<br />

Einst Arbeiterverein, heute börsennotiertes Un -<br />

ternehmen. Ist das ein Spagat, den man aushalten<br />

kann? „Früher saßen die reichen Leute auf der Tribüne,<br />

und die Malocher spielten auf dem Rasen.“<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


48 MYTHOS BVB<br />

Familienfest<br />

in Schwarz-<br />

Gelb<br />

Jahreshauptversammlung<br />

des BVB-Fanklubs<br />

in Oeventrop-Freienohl<br />

mit Blaskapelle, Tombola<br />

und Torte am 16. April<br />

<strong>2011</strong>. Vom Knirps bis zum<br />

Senior – 763 Mitglieder<br />

zählt der Klub. Gefeiert<br />

wird in der Halle der<br />

Schützenbruderschaft<br />

Sankt Sebastianus 1766.<br />

Besonders begehrt sind<br />

bei den jungen Mädchen<br />

die Autogramme des<br />

Torjägers Shinji Kagawa.<br />

Der BVB-Sänger Matthias<br />

„Kasche“ Kartner heizt<br />

die Stimmung ein. Neben<br />

erbaulichen Sinnsprüchen<br />

und beschaulichem<br />

Fangesang gibt es viel<br />

Bier und „ordentlich<br />

was auf die Gabel“:<br />

deftige Hausmannskost.<br />

Außerdem werden<br />

Fußmatten und<br />

Pürier stäbe verlost<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong> <strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

FOTOS:DEFODI.DE<br />

Aki lacht „Heute sind die Millionäre die auf dem<br />

Platz.“ Die Gemeinschaften währen nicht mehr ewig.<br />

Die Spieler sind keine Sandkastenfreunde mehr. Sie<br />

kommen von überall her. Sie ziehen weiter, wenn das<br />

richtige Angebot kommt.<br />

Und trotzdem ist dieses BVB-Gefühl geblieben,<br />

dieser schwarz-gelbe Kern. Jetzt wird der Kult im<br />

Borusseum hochgehalten, dem Vereinsmuseum im<br />

Stadion. Da funkeln die Pokale, da kann der Borussia-Anbeter<br />

die alten und neuen Triumphe einatmen,<br />

die Fotos sehen, die Trikots, Maskottchen, Schallplatten,<br />

Plakate. Fans gibt es heute mehr denn je. Borussia<br />

Dortmund hat rund 540 eingetragene Fanklubs,<br />

von „Abfahrt 23“ bis „Zone09“. Mit schrägen Namen<br />

wie „Verstreute Westfalen“, „Durch Dick und Dünn“,<br />

„Rising Sunz“ oder „Rock the Block Schwerte Ruhr“.<br />

Von Aachen bis Xanten fiebern sie, am Jadebusen und<br />

in Oberhessen, in Norwegen und in Österreich.<br />

„Die Masse macht viel aus“<br />

„Mit 52.000 Dauerkarten haben wir einen Rekord für<br />

die Ewigkeit. Und viele dieser Karten sind vererbt worden“,<br />

sagt Norbert Dickel, der „Held von Berlin“, einst<br />

Stürmer, heute Stadionsprecher in Dortmund, der die<br />

Rituale der Fans bestens kennt. Der hier seine Heimat<br />

gefunden hat, der Teil jener Zeremonie ist, die hier<br />

„alle 14 Tage abgeht“. Die „echte Liebe“, die der Verein<br />

heute plakatiert, die habe es auch schon vor 20 oder<br />

30 Jahren gegeben. Aber es sind mehr geworden. „Die<br />

Masse macht viel aus“, findet „Nobby“ Dickel. Und die<br />

zelebriert ihren Verein, lebt ihn, reist gemeinsam zu<br />

Spielen. „Früher fuhren fünf Fans mit uns in der Bahn<br />

zum Auswärtsspiel“, erinnert sich Aki. Heute stehen<br />

auch auswärts große Fanscharen hinter dem BVB.<br />

Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD)<br />

vor seinem Bürofenster mit BVB-Fahne<br />

In Oeventrop, 50 Kilometer östlich von Dortmund<br />

im Sauerland gelegen, feiert der größte Fanklub sein<br />

32-jähriges Bestehen. 763 Mitglieder vermeldet der<br />

Schatzmeister Eugen Kraas. Er trägt zur frohen Kunde<br />

einen schwarzen Anzug und einen gelben Schlips.<br />

Blasmusik lärmt durch die Halle der Schützenbruderschaft<br />

Sankt Sebastianus. An der Wand die Liste<br />

der Könige seit 1766. Dazu der Spruch: „Der Heimat<br />

die Liebe, die Treue dem Brauch, so dachten die<br />

Väter, so denken wir auch.“ Eine lange Schlange hofft<br />

auf ein Autogramm von Offensiv-Star Shinji Kagawa.<br />

Die Tombola lockt mit Fußmatten, Handtüchern und<br />

Pürierstäben. Gerstensaft strömt. Und natürlich gibt<br />

es ordentlich was auf die Gabel, wie man hier sagt:<br />

Rouladen, Frikadellen und Würstchen, dazu eine Torte<br />

in Fußballform. Selbst die Stiefmütterchen auf den<br />

Tischen sind schwarz-gelb.<br />

Die Feier hat etwas von einem überdimensionierten<br />

Familientreffen. Man hängt in Cliquen an den Tischen<br />

herum, erzählt Geschichten. Kleine Jungs laufen im Trikot<br />

herum, allzeit bereit, dem Verein ewige Treue zu<br />

schwören. Alte Herren lehnen sich würdig zurück. Wie<br />

etwa Klaus Althoff, der eine echte Havanna schmaucht,<br />

vor sich eine Urkunde für 25-jährige Mitgliedschaft im<br />

Fanklub Oeventrop-Freienohl. Früher hat er Fans im<br />

Bus kutschiert. 2009, zum 100. des BVB, ließ er sich<br />

„Borussendriver“ auf den Arm tätowieren. Und rezitiert<br />

nun fröhlich die BVB-Version eines alten Liedes: „Ob<br />

ich verroste oder verkalke, ich werde nie ein Fan von<br />

Schalke.“ Herrje, Schalke. Die Blau-Weißen aus Gelsenkirchen.<br />

Seit Menschengedenken die schärfste Konkurrenz<br />

von nebenan. Auch so ein Arbeiterklub. Eigentlich<br />

aus dem gleichen Holz. Aber das darf man einem BVB-<br />

Fan auf keinen Fall sagen.


50 BVB-ALBUM<br />

„Von dem Tag an sympathisch“<br />

Deutschlands bekanntester Sportreporter bekennt im Interview,<br />

wie er als Jungspund von einem Verein aus Dortmund sozialisiert wurde<br />

TEXT ANDREAS BRANNASCH<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> | <strong>2011</strong><br />

Herr Beckmann, können Sie sich noch an Ihre erste<br />

Begegnung mit Borussia Dortmund erinnern?<br />

Am 8. <strong>Mai</strong> 1965 nahm mich mein Vater zum<br />

ersten Mal mit zu einem Fußballspiel ins Weserstadion.<br />

Tabellenführer Werder Bremen spielte<br />

gegen Borussia Dortmund, es ging um die<br />

deutsche Meisterschaft. Zu einer eigenen Karte<br />

reichte es nicht, ich saß auf dem Schoß meines<br />

Vaters. Am Ende hieß es nach einem grandiosen<br />

Sturmlauf 3:0 für Werder. Klaus Matischak,<br />

Theo Klöckner und Gerhard Zebrowski hatten<br />

getroffen. Was für ein Erlebnis: meine Bundesligapremiere<br />

und gleich Meister. Von dem Tag<br />

an war mir der damals sehr dankbare Gegner BVB<br />

sympathisch.<br />

Damals waren Sie neun Jahre alt. Hatten Sie dann erst<br />

wieder als Sportreporter mit dem BVB zu tun?<br />

Nein, noch vorher: 1966 spielte Borussia Dortmund<br />

im Europapokal der Pokalsieger im Finale gegen<br />

den FC Liverpool. Ich musste damals zwei Stunden<br />

vorschlafen, damit ich das Spiel dann im Pyjama im<br />

Fernsehen sehen durfte. Mein Vater hat mich<br />

zum Anpfiff geweckt. Der BVB gewann 2:1 in der<br />

Verlängerung durch ein sagenhaftes Tor von<br />

Stan Libuda. Danach konnte ich überhaupt nicht<br />

mehr einschlafen.<br />

Sie waren schon früh vom Fußballfieber gepackt.<br />

Ich habe Autogrammkarten gesammelt, und ich habe<br />

heute noch eine vom BVB-Spieler Reinhold Wosab.<br />

Den kannte außerhalb des Ruhrpotts kaum einer,<br />

aber ich wollte unbedingt ein Autogramm von ihm…<br />

Wieso gerade von Wosab?<br />

Wegen seines Vornamens! Ich adressierte meinen<br />

Brief mit einem frankierten Rückumschlag an<br />

„Reinhold Wosab, Dortmund, Bundesligaspieler“.<br />

Der Brief kam an, und ich bekam meine Autogrammkarte<br />

– das sind herrliche Erinnerungen.<br />

Später als Reporter waren Sie dann in Dortmund<br />

immer sehr willkommen.<br />

Der heilige Reinoldus ist immerhin der Schutz heilige<br />

der Stadt Dortmund. Ich war auch immer gerne<br />

im neuen Dortmunder Westfalenstadion. Das wurde<br />

zur WM 1974 gebaut und war damals das erste<br />

echte größere Fußballstadion in Deutschland, mit<br />

über 50.000 Plätzen. Ohne Aschenbahn, die Fans<br />

ganz eng am Geschehen, in der Tradition englischer<br />

Stadien. Tolle Atmosphäre.<br />

Anfang der 70er-Jahre waren Sie ein großer Fan der<br />

Meistermannschaft von Borussia Mönchengladbach.<br />

Damals galt für mich: Puma statt Adidas. Lange<br />

Mähne statt Seitenscheitel. Revolte statt System.<br />

Netzer, le Fevre, Simonsen statt <strong>Mai</strong>er, Müller und<br />

Co. Mit einem Satz: Gladbach statt Bayern.<br />

Und es gibt Parallelen zur heutigen Meistermannschaft<br />

der Dortmunder: Auch diese junge Mannschaft<br />

hat überrascht. Sie spielt mit großem jugendlichem<br />

Selbstbewusstsein frisch nach vorne und spielt<br />

einen schnelleren Tempofußball als alle anderen<br />

Mannschaften in dieser Saison.<br />

Es gibt ein Foto vom Pokalfinale 1989 in Berlin,<br />

Borussia Dortmund gegen Werder Bremen.<br />

Da stehen Sie hinter dem Tor von Werder-Torwart<br />

Oliver Reck und erleben das Tor zum 3:1 für den<br />

BVB durch Norbert Dickel, heute Stadionsprecher.<br />

Dieses Spiel werde ich nie vergessen. Ich war als<br />

Reporter für die WDR-Sendung „Sport im Westen“<br />

mit eigenem Kameramann am Spielfeldrand.<br />

Norbert Dickel und auch Frank Mill spielten an<br />

FOTOS: PICTURE-ALLIANCE (2), PAUL SCHIRNHOFER<br />

BVB-ALBUM 51<br />

„Um abends das Europacup-Finale 1966 des BVB<br />

gegen Liverpool sehen zu können, musste ich vorschlafen<br />

und wurde von meinem Vater geweckt“<br />

diesem Tag wie von einem anderen Stern. Favorit<br />

Werder war schnell durch ein Tor von Riedle<br />

in Führung gegangen, aber dann wurden sie<br />

förmlich von den Dortmundern überrollt. Die zwei<br />

Tore von Dickel gaben den Ausschlag für die<br />

Wende zum späteren 4:1-Sieg der Borussia. Das war<br />

der erste Titel für die Dortmunder seit 1966.<br />

Norbert Dickel begründete an diesem Tag seinen<br />

Status als Kultspieler.<br />

Dieser Pokalsieg war Grundstein für weitere Erfolge,<br />

die in den Jahren danach folgten.<br />

In der Saison 1992/93 haben wir bei Sat.1 eins nach<br />

dem anderen die Übertragungsrechte an allen<br />

Spielen des BVB im UEFA-Cup gekauft. Ich bin<br />

damals selbst zu den Gesellschaftern gefahren, um<br />

sie davon zu überzeugen. Das Ganze entwickelte<br />

Liverpools Kapitän Ron<br />

Yeats nach missglücktem<br />

Rettungsversuch<br />

beim 2:1-Siegtor durch<br />

Stan Libuda im<br />

Europacup-Finale 1966.<br />

Rechts: Norbert Dickels<br />

Volleyschuss zum<br />

3:1 gegen Bremen im<br />

Pokalfi nale 1989<br />

sich für uns zu einem Glücksfall. Der BVB war bald<br />

der einzige deutsche Verein, der noch international<br />

spielte, und schaffte es bis in Finale.<br />

Das war für Sat.1 ja wie ein Monopol.<br />

Das gab richtig gute TV-Quoten. Wir haben den<br />

Weg der Dortmunder bei Sat.1 treu begleitet<br />

und uns mit unserer Berichterstattung vom internationalen<br />

Fußball viel Respekt unter den Fußballfans<br />

verschaffen können.<br />

Abschlussfrage: Haben Sie zu Saisonbeginn auf den<br />

BVB getippt?<br />

Ehrlich gesagt: nein. Und wer heute behauptet, er hätte<br />

diesen Durchmarsch schon im letzten Sommer prophezeit,<br />

der ist ein Klugschwätzer. Der will sich nachträglich<br />

als selbst ernannter Fußballkenner aufspielen,<br />

sagt aber sehr wahrscheinlich nicht die Wahrheit.<br />

Reinhold Beckmann, geboren 1956 in Twistringen bei Bremen, ist Fernsehmoderator<br />

und Fußballkommentator und moderiert zurzeit unter anderem die ARD-Sportschau.<br />

Er studierte in Köln Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Vielfach<br />

ausgezeichnet, erhielt er für seine Sportmoderationen, Unterhaltungsshows und<br />

Talksendungen unter anderem den Deutschen Fernsehpreis und die Goldene Kamera.<br />

1999 gründete er die Initiative NestWerk e.V., die sich für benachteiligte Jugendliche<br />

in Hamburg einsetzt. 2008 wurde ihm für sein soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz<br />

verliehen. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Hamburg.<br />

Während seiner Zeit beim WDR, bei Sat.1 und bei der ARD kommentierte er viele<br />

Spiele von Borussia Dortmund. Seine erste Begegnung mit dem BVB liegt allerdings viel<br />

weiter zurück.<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> | <strong>2011</strong>


52 GRUSSWORTE<br />

Das habt ihr<br />

schön gemacht<br />

Selten war ein Titelgewinn so verdient,<br />

selten war ein Meister so beliebt – und selten<br />

fi el es Prominenten so leicht, dem<br />

neuen deutschen Meister zu gratulieren<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Dr. Werner Müller, Politiker, Exminister,<br />

Exvorstandsvorsitzender <strong>Evonik</strong><br />

Dr. Norbert Blüm, Politiker, Exminister<br />

Habt ihr gut gemacht!<br />

Weiter so! Bleibt auf dem Boden!<br />

Borussia ist stolz auf euch!<br />

Franz Müntefering, Politiker, Exminister, MdB<br />

Anerkennung und Respekt: eine sympathische<br />

Mannschaft, die erfolgreich modernen<br />

Fußball spielt. Das sieht einfach gut aus.<br />

Als wir 2006 den Sponsorenvertrag mit dem BVB schlossen,<br />

waren zwei Dinge maßgeblich: die bundesweit hohen Sympathiewerte<br />

des Fußballteams und die solide, auch wirtschaftlich<br />

vernünftige Vereinsführung. Nun kommt der große sportliche<br />

Erfolg hinzu. Mit viel Freude danke ich dem BVB, dass der Name<br />

<strong>Evonik</strong> jetzt in die großen europäischen Stadien getragen wird.<br />

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, MdL<br />

Borussia Dortmund kann wahrlich stolz auf<br />

seine Fans sein. Mannschaft und Fans bilden<br />

eine Einheit, wie es sie nur selten gibt.<br />

Alfred „Aki“ Schmidt, BVB-Ikone<br />

Steffi Jones, OK-Präsidentin<br />

FIFA-Frauen-WM <strong>2011</strong><br />

Danke, das habt ihr schön gemacht!<br />

Ich freue mich riesig! Der Erfolg<br />

ist sensationell – und das mit so einer<br />

jungen Mannschaft!<br />

Das Team spielt einen<br />

wunderschönen und erfolgreichen<br />

Fußball. Faszinierend,<br />

mit welcher Leidenschaft und<br />

Spielfreude die junge Mannschaft<br />

auf dem Platz agiert.<br />

Dr. Gerhard Schröder, Altbundeskanzler<br />

Als Jugendlicher spielte ich beim TuS in Talle, wo ich von 1956 bis 1972 lebte.<br />

Sie nannten mich „Acker“, weil ich mich immer voll reingehängt habe. Über<br />

den Kampf zum Spiel finden war meine Devise. So wurde ich BVB-Anhänger.<br />

Manche sagen, es gäbe Parallelen zwischen meiner Entwicklung<br />

und der des BVB. So sei ich vom Rückenwind des DFB-Pokal-Erfolges der<br />

Dortmunder 1989 schließlich 1990 ins Amt des Ministerpräsidenten<br />

von Niedersachsen getragen worden. Darauf hätten für den BVB und für<br />

mich die große Zeit der 90er-Jahre begonnen: Vizemeister 1992,<br />

gute Auftritte im UEFA-Cup, die Meisterschaften 1995 und 1996 – ich<br />

wurde 1994 und 1998 als Ministerpräsident wiedergewählt, und 1998<br />

dann Bundeskanzler. Ab 1999/2000 gemeinsame Turbulenzen. Doch<br />

2002 sei wieder alles gut gewesen: der BVB Meister, ich als Kanzler<br />

wiedergewählt. Alle, die glaubten, wir seien erledigt, sahen sich getäuscht.<br />

So wird es auch jetzt sein, wo der BVB Meister ist. Was hat es nicht<br />

alles geheißen: zu jung, zu früh dran, zu wenig Geld in der Kasse. Die<br />

Aktie weniger wert als ein Bier. Doch dann kam ein Trainer, der an das Team<br />

glaubte. Ein Sponsor, der nicht die Nerven verlor. Und es kam der Erfolg.<br />

Nachher kennen alle die Gründe. „Ackern“ wird einer gewesen sein.<br />

Einfach toll, wie die Dortmunder ihre Modernisierung hinbekommen<br />

haben, ohne ihre Wurzeln im Revier zu verlieren. Der BVB hat robuste<br />

Kämpfertypen, filigrane Techniker, zeigt taktische Disziplin. Gratulation!<br />

Piet Klocke, Comedian<br />

Männer! Atem- und restlos begeistert<br />

rufe ich euch jungen Spunten zu:<br />

„G R A T U L A T I O N zur deutschen<br />

Meisterschaft!!“<br />

Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München<br />

FOTOS: STRUSSFOTO/INTERTOPICS, PICTURE ALLIANCE (3), SPD-PRÄSIDIUM, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PHOTO, PR,<br />

MAT HENNEK/EMIMUSIC, PRIVAT (2), ULLSTEIN, LAIF, IMAGO, EVENTPRESS, H. BREDEHORST<br />

Peer Steinbrück, Politiker, Exminister, MdB:<br />

GRUSSWORTE 53<br />

Andreas Möller, Exprofi beim BVB<br />

Eine so junge, kombinationsfreudige<br />

und unwiderstehlich auf das gegnerische<br />

Tor spielende Mannschaft, aus der sich<br />

in einer Saison so viele Nationalspieler<br />

entwickelt haben und die ihre Linie<br />

auch bei kritischen Rückständen nie<br />

aufgab, hat es selten in der nun fast<br />

50- jährigen Geschichte der Bundesliga<br />

gegeben. Im Ruhrgebiet redet sich<br />

niemand besoffen. Aber diese<br />

Mannschaft ist einfach ein Hammer.<br />

Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck<br />

Bei aller Konkurrenz zwischen den Reviervereinen gibt es durch<br />

den Titelgewinn des BVB in diesem Jahr für das gesamte<br />

Ruhrgebiet etwas zu feiern. Da kann ich den Spielern zu ihren großen<br />

Leistungen nur gratulieren und mich mit den Fans freuen!<br />

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie<br />

viel ein solcher Titel für Region und Verein<br />

bedeutet, deshalb kann ich nur jedem,<br />

der seinen Anteil daran hatte, gratulieren.<br />

Alle haben einen tollen Job gemacht.<br />

Ich habe immer gesagt: Wenn es der BVB schafft, dann bin<br />

ich einer der Ersten, der gratuliert. Die Borussia hat großartigen,<br />

begeisternden und erfolgreichen Fußball gespielt.<br />

Uwe Seeler, Ehrenspielführer<br />

der deutschen Nationalmannschaft<br />

An unsere Spiele gegen den BVB habe ich eine<br />

besonders schöne Erinnerung: Im Pokalfinale 1963 in<br />

Hannover habe ich drei Tore geschossen – und wir wurden<br />

Pokalsieger. In dieser Saison steht Borussia Dortmund in<br />

der Bundesliga weit vor unserem HSV – zu Recht. Deshalb<br />

herzlichen Glückwunsch zur verdienten Meisterschaft!<br />

Sepp <strong>Mai</strong>er, Exnationaltorwart<br />

JUNGS, MACHT WEITER SO! ES IST<br />

NICHT NUR FÜR MICH EIN<br />

GENUSS, EUCH SPIELEN ZU SEHEN!<br />

Dr. Götz Alsmann, Unterhaltungskünstler<br />

Wer sich für die Leistung<br />

des BVB in dieser<br />

Saison nicht begeistert,<br />

ist kein Fußballfan!<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin Evon<br />

<strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong>


54 GRUSSWORTE<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> <strong>Mai</strong> <strong>2011</strong><br />

Dieter Nuhr, Kabarettist<br />

Meisterschaft! Es ist vollbracht! Aber am Ende einer Saison sollte man nicht nur feiern! Man sollte<br />

auch zurückschauen und besinnlich sein, in sich gehen und fragen: Muss man immer Erster sein?<br />

Es ist doch gerade erst neun Jahre her, dass sich die Borussia die Meisterschale erkämpft hat. Und jetzt<br />

schon wieder! Da stellt sich die Frage: Muss man sich immer vordrängeln? Hier hätte man vom<br />

FC Schalke lernen können. Dort verzichtet man seit über 50 Jahren auf den Meistertitel. Das nenne<br />

ich Bescheidenheit! Haben wir Deutsche nicht im letzten Jahrhundert gelernt, dass unbedingter<br />

Siegeswille auch ins Abseits führen kann? Nicht zuletzt aufgrund unserer Geschichte gilt<br />

in Deutschland das Immer-Vorneweglaufen als unsozial, also quasi als unlauterer Versuch, sich<br />

einen Vorteil zu verschaffen. Wer immer Erster sein will, ist ein Egoist! Man muss auch mal<br />

höflich an der Seite stehen – und andere vorlassen! Die Bayern haben es vorgemacht in diesem<br />

Jahr. Sie haben sich ausgesprochen ritterlich verhalten, vorbildhaft in Zurückhaltung und<br />

Contenance. Und sie haben Punkte verschenkt an jene Teams, die es niemals aus eigener Kraft<br />

zum Sieg gebracht hätten. Respekt!<br />

Doro Pesch, Rock-Lady und Sängerin<br />

Mir war ziemlich klar, dass Dortmund in diesem Jahr<br />

deutscher Meister wird. Und wisst ihr auch, warum: Euer<br />

Trainer sieht aus wie ein Rock ’n’ Roller, und euer<br />

junges Team rockt auf dem Rasen wie sonst kein anderes.<br />

Herzlichen Glückwunsch an alle Dortmunder!<br />

Ulli Potofski , Sportmoderator und -kommentator<br />

Als Schalker dem BVB zu gratulieren mag dem einen oder<br />

anderen schwerfallen – mir nicht! Denn die Borussia<br />

hat so erfrischend schönen Fußball gespielt, dass man sich<br />

als Fußballfreund einfach daran ergötzen muss.<br />

Dr. Michael Groß,<br />

Schwimm-Olympiasieger<br />

Herzlichen Glückwunsch an die Spieler und<br />

an die Fans – eine glanzvolle Saison mit<br />

einem perfekten Abschluss. Jetzt heißt es:<br />

Immer schön auf dem Teppich bleiben.<br />

Daniel Bahr, Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen, MdB<br />

Eine junge Mannschaft, der viele am Anfang nicht<br />

die Konstanz zugetraut haben, hat Willen und Einsatzbereitschaft<br />

gezeigt und eine tolle Saison gespielt.<br />

Schwarz-Gelb konnte beeindrucken und begeistern.<br />

FOTOS: PR (2), PRIVAT, F. DURSTHOFF, IMAGETRUST, F. OSSENBRINK, PICTURE ALLIANCE<br />

Wotan Wilke Möhring, Schauspieler<br />

Keiner hat es mehr verdient, die Meisterschaft<br />

nach Hause zu tragen, als ihr: der Vorstand, der<br />

Manager und der beispiellose Trainer, der so sehr<br />

zum Verein passt, dass er für immer bleiben soll.<br />

Bodo Hombach, Geschäftsführer<br />

der WAZ-Mediengruppe<br />

Schalke hat eine eigene Kapelle.<br />

Borussia Dortmund entstand gegen<br />

das moralische Donnerwetter<br />

eines Kaplans. Man sieht aber, wer<br />

den Himmel auf seiner Seite hat.<br />

Ich mag sie beide – und alles drum herum. Man sah<br />

es die ganze Legislaturperiode: Schwarz-Gelb<br />

bringt ja doch was zustande! Glückwunsch von Essen<br />

nach Dortmund. Unverdünnt, weil voll verdient!<br />

FOTOS:PICTURE-ALLIANCE, GETTY IMAGES, IMAGO, ULLSTEIN<br />

24. Juni 1989: Norbert Dickel<br />

feiert den DFB-Pokal-Sieg<br />

5. <strong>Mai</strong> 1966: Finalsieg im Europacup<br />

gegen den FC Liverpool<br />

Sind Sie BVB-Experte?<br />

1. Welcher Spieler wechselte in der<br />

Winter pause 2000/2001 für die<br />

Rekord ablöse von 29 Millionen D-Mark<br />

zur Borussia?<br />

a Tomáš Rosický<br />

b Jan Koller<br />

c Sebastian Kehl<br />

2. Wie oft stand die Borussia in ihrer<br />

Geschichte im DFB-Pokal-Finale?<br />

a 2-mal<br />

b 3-mal<br />

c 4-mal<br />

3. Welcher Spieler wurde in Sprechchören<br />

zum „Fußballgott“ erhoben?<br />

a Lucas Barrios<br />

b Márcio Amoroso<br />

c Jürgen Kohler<br />

4. Wo trägt die zweite Mannschaft des<br />

BVB ihre Heimspiele aus?<br />

a Weiße Wiese<br />

b Brackel<br />

c Rote Erde<br />

5. Wie kam Michael Zorc zu seinem<br />

Spitznamen „Susi“?<br />

a Seine Freundin hieß Susanne.<br />

b Rolf Rüssmann verpasste ihm diesen<br />

Namen wegen seiner Frisur.<br />

c In seiner Kindheit mochte er den<br />

Zeichentrickfilm „Susi und Strolch“.<br />

1994/1995: Abschied<br />

von Flemming Povlsen<br />

Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten – das weiß jeder. Mit 15 nicht ganz<br />

einfachen Fragen können Sie Ihr Wissen rund um den BVB testen<br />

6. In welcher Spielminute gelang 1966<br />

„Stan“ Libuda der 2:1-Siegtreffer<br />

im Europapokalfinale gegen Liverpool?<br />

a 63. Minute<br />

b 81. Minute<br />

c 106. Minute<br />

7. Wie oft trainierte Udo Lattek den BVB?<br />

a 1-mal<br />

b 2-mal<br />

c 3-mal<br />

8. Wie oft wurde die Borussia<br />

deutscher Vize-Meister?<br />

a 3-mal<br />

b 4-mal<br />

c 5-mal<br />

9. Mit welchem Trainer gewann<br />

die Borussia 1997 den Weltpokal?<br />

a Michael Skibbe<br />

b Ottmar Hitzfeld<br />

c Nevio Scala<br />

10. Warum musste Flemming Povlsen<br />

seine Karriere beim BVB in der Saison<br />

1994/1995 beenden?<br />

a Adduktorenverletzung<br />

b Knieverletzung<br />

c Achillessehnenriss<br />

14. April – 20. <strong>Mai</strong> 2000: Udo Lattek, Trainer für<br />

fünf Spieltage, rettet den BVB vor dem Abstieg<br />

11. Welcher Trainer errang mit dem<br />

BVB 1989 den DFB-Pokal?<br />

a Reinhard Saftig<br />

b Horst Köppel<br />

c Ottmar Hitzfeld<br />

12. Wer behauptete: „Grau is alle Theorie,<br />

maßgebend is aufm Platz“?<br />

a Alfred „Adi“ Preißler<br />

b Paul Koschmieder<br />

c Alfred „Aki“ Schmidt<br />

13. Wer waren die „drei Alfredos“?<br />

a Alfred „Aki” Schmidt, Alfred „Adi“ Preißler<br />

und Alfred Kelbassa<br />

b Alfred „Adi“ Preißler, Alfred Niepieklo<br />

und Alfred Kelbassa<br />

c Alfred Nijhuis, Alfred „Adi“ Preißler<br />

und Alfred Niepieklo<br />

14. Welcher deutsche Fußballer hat<br />

als BVB-Spieler die meisten Länderspiele<br />

absolviert?<br />

a Andreas Möller<br />

b Jürgen Kohler<br />

c Michael Zorc<br />

15. Die Trikots des BVB waren nicht immer<br />

schwarz-gelb. Wie sah das erste aus?<br />

a Gelb-weiß gestreift mit roter Schärpe<br />

b Blau-weiß gestreift mit roter Schärpe<br />

c Grün-weiß gestreift mit blauer Schärpe<br />

1. a Tomáš Rosický; 2. c 4-mal: 1963, 1965, 1989 und 2008; 3. c Jürgen Kohler; 4. c Rote Erde; 5. b Rolf Rüssmann verpasste ihm diesen Namen wegen seiner Frisur; 6. c 106. Minute; 7. b 2-mal:<br />

1979–1981 und 2000; 8. b 4-mal: 1948/1949, 1960/1961, 1965/1966, 1991/1992; 9. c Nevio Scala; 10. b Knieverletzung; 11. b Horst Köppel; 12. a Alfred „Adi“ Preißler; 13. b Alfred „Adi“<br />

Preißler, Alfred Niepieklo und Alfred Kelbassa; 14. a Andreas Möller, 53 Länderspiele als BVB-Spieler; 15. b Blau-weiß gestreiftes Trikot mit roter Schärpe<br />

QUIZ 55<br />

<strong>Evonik</strong>-Magazin <strong>DAS</strong> <strong>MEISTERHEFT</strong> MAI | <strong>2011</strong>


Ihr habt die Schale gewonnen! Doch was noch wichtiger ist:<br />

auch unsere Herzen. Danke, BVB.<br />

Ihr habt’s geschafft, Jungs:<br />

Ganz Deutschland ist schwarz-gelb.<br />

www.evonik.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!