elements36 - Evonik
elements36 - Evonik
elements36 - Evonik
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>elements36</strong><br />
Quarterly Science Newsletter Ausgabe 3|2011<br />
Energieeffizienz<br />
Ionische Flüssigkeiten:<br />
kühlen und heizen mit Wärme<br />
Ressourceneffizienz<br />
Hochleistungspolymere<br />
erzeugen Biomethan
2 Inhalt<br />
12<br />
22<br />
32<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
tItelmotIv<br />
Lohnenswerter Blick ins Detail: Verteilersystem und<br />
Kühlschleife einer Absorptionskältemaschine<br />
n e W S<br />
4 Dr. Peter Nagler zum Chief Innovation Officer ernannt<br />
4 Neue Monosilananlage in Japan<br />
5 Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Unilever verlängert<br />
5 Lupinesse: Eiszeit für Milchallergiker<br />
ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />
6 Hochleistungspolymere erzeugen Biomethan<br />
eneRgIeeFFIZIenZ<br />
12 Ionische Flüssigkeiten: kühlen und heizen mit Wärme<br />
neWS<br />
18 <strong>Evonik</strong>-Mitarbeiter erhält Preis für herausragende Dissertation<br />
18 Wärmedämmen mit hinterschäumtem PLEXIGLAS®<br />
19 Neue Faserverbundwerkstoffe für leichtere Autos<br />
KatalYSe<br />
20 Lindlar-Katalysatoren: die bleifreie Alternative<br />
ÖKobIlanZ<br />
22 Präziser Blick aufs Ganze<br />
Life Cycle Thinking: Eigenes Expertenteam bewertet bei<br />
neuen Produkten und Prozessen den gesamten Lebenszyklus<br />
n e W S<br />
30 Zahnersatz auf Basis von VESTAKEEP® PEEK auch für<br />
Allergiker geeignet<br />
30 Neue Liner-Technologie spart bis zu 50 Prozent Kosten<br />
30 Neues 0W-20 Motorenöl reduziert Kraftstoffverbrauch<br />
und CO 2 -Ausstoß<br />
31 Kapazität für Glycin erweitert<br />
CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />
32 UV-härtende Lacke: Mehr Spielraum bei der Mattierung<br />
n e W S<br />
39 SEA LIFE Speyer: seltene Kuba-Krokodile hinter<br />
PLEXIGLAS® zu bestaunen<br />
39 Impressum
Neuland<br />
Was passiert, wenn Sie etwa 15 Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen in einen<br />
Raum stecken mit der Aufgabe, eine neue Technologieplattform zu entwickeln,<br />
und mit drei Jahren Zeit, sie zu lösen? Werden sie es schaffen oder scheitern? Vor<br />
elf Jahren ist <strong>Evonik</strong> dieser Frage erstmals nachgegangen – mit der Gründung des<br />
Projekthauses Nanomaterialien.<br />
Insbesondere die Befristung auf drei Jahre, die verhindern sollte, dass sich<br />
Projekte zur Never-Ending Story entwickeln, rief die Kritiker auf den Plan. Sie sind<br />
mittlerweile deutlich leiser geworden, weil sich dieser damals sehr ungewöhnliche<br />
Blick über den Tellerrand hinaus als überaus erfolgreich erwiesen hat. Neun Projekthäuser<br />
haben wir bisher gestartet, und sie haben zahlreiche innovative Produkte<br />
und Prozesse hervorgebracht. Beispielsweise wäre unser Joint Venture Li-Tec, in<br />
dem wir gemeinsam mit Daimler Lithium-Ionen-Batteriezellen für Elektroautos produzieren,<br />
nicht möglich gewesen ohne die neue keramische Membran, die Anode<br />
und Kathode trennt. Für die Realisierung hat das damalige Projekthaus Nanomaterialien<br />
einen entscheidenden Beitrag geleistet. Andere Beispiele sind die Fermentationstechnologie,<br />
mit der wir Spezialaminosäuren produzieren, oder – um ein<br />
aktuelles Arbeitsgebiet aus dem noch laufenden Projekthaus Systemintegration zu<br />
nennen – serientaugliche Prozesse zur wirtschaftlichen Herstellung von Leichtbauteilen<br />
aus PLEXIGLAS® und ROHACELL® für automobile Anwendungen.<br />
Weil sich die Märkte stetig ändern, passen wir auch unser Konzept stetig an.<br />
Beschäftigten sich die ersten Projekthäuser noch mit der Erforschung von technischen<br />
Grundlagen und der Entwicklung von Technologieplattformen, so wird im<br />
Projekthaus Systemintegration ganzheitlich in Systemen gedacht. Es geht nicht<br />
mehr nur um ein isoliertes Produkt, sondern auch um die dazugehörige Prozess-<br />
und Verarbeitungstechnik.<br />
Noch einen Schritt weiter geht unser neuestes Projekthaus Light & Electronics,<br />
das als erstes Projekthaus außerhalb Deutschlands buchstäblich Neuland betritt.<br />
Light & Electronics hat sich jetzt im ITRI (Industrial Technology Research Institute)<br />
in der taiwanesischen Stadt Hsinchu angesiedelt. ITRI ist das führende Forschungsinstitut<br />
Taiwans und gilt als die Keimzelle der starken Elektronikindustrie des Landes.<br />
Hier soll das Projekthaus an Displays, Fotovoltaik und Beleuchtung arbeiten,<br />
Forschungskooperationen anstoßen und uns einen neuen Zugang zum Elektronikmarkt<br />
verschaffen.<br />
Die Rahmenbedingungen sind gut: Das ITRI, das seit den 70er Jahren industrienahe<br />
Elektronikforschung betreibt, beschäftigt 6.000 Mitarbeiter, von denen<br />
mehr als 60 Prozent einen Abschluss als Master oder einen Doktortitel besitzen.<br />
Seit seinem Bestehen hat ITRI über 10.000 Patente geschrieben, 70 Geschäftsführer<br />
bzw. Vorstände hervorgebracht und war an der Gründung von 165 Unternehmen<br />
beteiligt – Zahlen, die die Innovationskraft des Instituts eindrucksvoll belegen.<br />
Langfristig soll aus dem neuen Projekthaus in Taiwan, mitten in einem der<br />
wichtigsten Elektronikmärkte der Welt, ein neues F&E-Kompetenzzentrum hervorgehen.<br />
Ich bin optimistisch, dass wir auch das schaffen werden – und dass sich<br />
unser Projekthaus einmal mehr als erfolgreiches Forschungskonzept erweisen wird.<br />
Patrik Wohlhauser<br />
Mitglied des Vorstandes der<br />
<strong>Evonik</strong> Industries AG<br />
eDItoRIal 3<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
4 neWS<br />
Dr. Peter Nagler zum Chief Innovation Officer ernannt<br />
Zum 1. Juli 2011 h at Dr. Peter Nagler die neu<br />
geschaffene Funktion des Chief Innovation<br />
Officer (CIO) von <strong>Evonik</strong> übernommen. Damit<br />
setzt <strong>Evonik</strong> ein klares Signal, das deutlich<br />
macht, dass die gewachsene Innovationskultur<br />
als Spezial chemieunternehmen weiter vorangetrieben<br />
werden wird. Nagler leitet seit<br />
2009 den Bereich Corporate Innovation<br />
Strategy & Management, zu dem die AQura<br />
GmbH, das Intellectual Property Management<br />
und, seit 2009, die Creavis gehören.<br />
In seiner neuen Tätigkeit wird Nagler die<br />
Wachstumspläne von <strong>Evonik</strong> insbesondere<br />
durch eine adäquate Innovationsstrategie für<br />
den Gesamtkonzern unterstützen. Dazu gehört,<br />
Best-Practice-Erfahrungen aus laufenden<br />
Innovationsprojekten zu verbreitern,<br />
neue Methoden zu implementieren sowie<br />
globale Aktivitäten im Bereich Forschung &<br />
Entwicklung durch zusätzliche Kompe tenzzentren<br />
in strategisch wichtigen Wachstumsregionen<br />
zu fördern. Weitere wesentliche<br />
Arbeitsschwerpunkte in der neuen Funktion<br />
Neue Monosilananlage in Japan<br />
<strong>Evonik</strong> Industries hat im Juni gemeinsam mit<br />
seinem Partner Taiyo Nippon Sanso Cor poration<br />
(TNSC) im japanischen Yok kai chi, 400<br />
Kilo meter südlich von Tokyo, die neue Verbund<br />
anlage zur Herstellung von Mo nosilan<br />
und AEROSIL® eingeweiht. Damit realisiert<br />
<strong>Evonik</strong> ein zukunftsweisendes Projekt zur<br />
Nutzung von Solarenergie und investiert<br />
gleichzeitig in den Zu kunftsmarkt Elektronik.<br />
Der Neubau hat ein Volumen von rund 150<br />
Mil lionen € und war im Jahr 2010 das größte<br />
Einzelprojekt des Unternehmens. Mit TNSC<br />
hat <strong>Evonik</strong> einen langfristigen Liefervertrag<br />
für Monosilan geschlossen. Monosilan wird<br />
bei der Herstellung von Siliziumschichten für<br />
Solarzellen und Flachbildschirme sowie für<br />
Halb lei ter in der Elektronikindustrie verwendet.<br />
AEROSIL® wird beispielsweise in Kunststof<br />
fen, Farben und Lacken verarbeitet.<br />
Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von<br />
<strong>Evonik</strong>, sagte anlässlich der Einweihungsfeier<br />
in Yokkaichi: „Mit dieser erheblichen Investition<br />
in Japan bauen wir unsere bedeutende<br />
Technologie- und Marktposition im Zu kunftsmarkt<br />
Solarenergie aus. Damit leisten wir zugleich<br />
erneut einen wesentlichen Beitrag zum<br />
globalen Megatrend Ressourceneffizienz.“<br />
Engel zeigte sich betroffen von der gewal-<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
des CIO liegen in den Bereichen Wissensvernetzung<br />
mit internen und externen Partnern,<br />
im Schutz geistigen Eigentums sowie<br />
in der gezielten Förderung von Unter neh mertum<br />
und Innovationskultur.<br />
Der promovierte Chemiker Nagler begann<br />
seine Karriere 1986 bei der dama ligen<br />
tigen Naturkatastrophe, die Japan im März<br />
heimsuchte, ebenso wie von den Folgen, die<br />
diese für das Atomkraftwerk Fukushima hatte.<br />
Er betonte: „Umso wichtiger ist es, heute<br />
mit unseren Mitarbeitern, Partnern und Gästen<br />
ein Signal zu setzen und gemeinsam die<br />
neue Anlage einzuweihen.“<br />
Thomas Hermann, Leiter des Geschäftsbereichs<br />
Inorganic Materials, erläuterte: „Das<br />
in Yokkaichi produzierte Monosilan ermöglicht<br />
es uns, an dem insbesondere in Asien<br />
starken Wachstum für Anwendungen in<br />
der Dünnschichtfotovoltaik, bei Flachbildschir<br />
men und Halbleitern teilzuhaben.“ Der<br />
Part ner TNSC ist einer der bedeutendsten<br />
Die neue Monosilananlage<br />
von <strong>Evonik</strong><br />
in Yokkaichi (Japan)<br />
De gussa AG. Neben mehreren leitenden<br />
Funk tionen an den Standorten Hanau-<br />
Wolfgang und Frankfurt am Main war er<br />
ab 1993 Corporate De velop ment Manager<br />
und schließlich Ge schäftsführer der Firma<br />
Rexim S.A. in Paris (Frankreich). Zurück in<br />
Deutschland leitete er ab 1997 das Geschäftsgebiet<br />
Fine Chem ic als bzw. ab 1999<br />
das Geschäftsgebiet Advanced Intermed i -<br />
ates bei der damaligen Degussa-Hüls AG in<br />
Frankfurt am Main und übernahm dort 2001<br />
die Leitung des Geschäftsbereichs Fine<br />
Chemicals und anschließend des Ge schäftsbereichs<br />
Exclusive Synthesis & Cata lysts.<br />
Ab dem Jahr 2005 leitete er in São Paulo<br />
(Bra silien) die Region Südamerika. Von hier<br />
aus wechselte er zwei Jahre später erneut an<br />
den Standort Hanau als Head of Research &<br />
Development und war ab Anfang 2008<br />
Leiter Innovation Manage ment des Geschäfts<br />
bereichs Inor ganic Materials in Frankfurt<br />
am Main, bis er seine neue Posi tion<br />
übernahm.<br />
globalen Distributoren für Industrie- und<br />
Spe zial gase, zu denen die Silane gehören,<br />
und beliefert seit vielen Jahren Großkunden<br />
der Elektronikindustrie in Asien.<br />
<strong>Evonik</strong> hat das Verfahren für die Monosilan<br />
her stel lung selbst entwickelt und betreibt<br />
bereits eine Anlage in Rheinfelden. Die<br />
An lage in Yokkaichi ermöglicht dem Unterneh<br />
men nun die Produktion von Monosilan<br />
mit Elektronikqualität für den asiatischen<br />
Markt. <strong>Evonik</strong> ist weltweit ein bedeutender<br />
Her steller von Chlorsilanen sowie von Monosilan<br />
und produziert somit entscheidende<br />
Schlüs selkomponenten für die Solarenergie<br />
und die Elektronikindustrie.
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Unilever verlängert<br />
Bereits seit 25 Jahren vertraut die Unilever-<br />
Tochter Lipton, der weltweit führende Anbieter<br />
von Tee, bei der Entkoffeinierung seiner<br />
Schwarz-, Grün- und Coldbrew-Tees auf<br />
das spezielle Know-how des Ge schäfts bereichs<br />
Advanced Intermediates von <strong>Evonik</strong><br />
Industries. Lipton ist der globale Marktführer<br />
bei entkoffeinierten Tees, die besonders im<br />
nordamerikanischen Markt stark nachgefragt<br />
werden.<br />
Beide Parteien, Lipton und <strong>Evonik</strong>, setzen<br />
ihre bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit<br />
auf Grundlage eines neuen Vertrages nahtlos<br />
fort. „Mit dem Vertrag bauen wir das Tee-<br />
Lupinesse: Eiszeit für Milchallergiker<br />
Wer Laktose oder Milch nicht verträgt, kann<br />
trotzdem unbeschwert Eis schlecken – dank<br />
Lupinesse, einer Neuentwicklung des Fraunhofer-Instituts<br />
für Verfahrenstechnik und<br />
Verpackung IVV in Freising, bei der die CO 2 -<br />
Extraktion des Geschäfts bereichs Ad vanced<br />
Intermediates von <strong>Evonik</strong> eine wichtige Rolle<br />
spielt. Lupinesse ist ein rein pflanzliches Eis,<br />
enthält Proteine aus den Samen der Süßlupine<br />
und ist völlig frei von Laktose, Gluten,<br />
Cholesterin sowie tierischen Eiwei ßen und<br />
Fetten. Eisliebhaber können Lupi nesse seit<br />
Mai 2011 bei EDEKA Süd bayern und EDEKA<br />
Südwest in den Ge schmacks rich tungen Vanilla<br />
Cherry, Straw berry Mousse, Walnut<br />
Dream und Choco Flakes kaufen.<br />
Die Prolupin GmbH, eine Ausgründung<br />
des Fraunhofer-Instituts, die Lupinesse vermarktet,<br />
verwendet für das Eis die alkaloidarme<br />
Blaue Süßlupine (Lupinus angustifolius),<br />
eine besonders proteinreiche Hülsenfrucht,<br />
die in Deutschland heimisch ist und<br />
seit einigen Jahren verstärkt in Mecklenburg-<br />
Vor pommern gezüchtet und angebaut wird.<br />
Die Lupinen stammen aus kontrolliertem<br />
Anbau und sind frei von Gentechnik.<br />
Verantwortlich für die Cremigkeit des<br />
Eises sind die im Vergleich zu Sojaproteinen<br />
besseren Emulgier- und Schaumeigenschaften<br />
der Lupinenproteine. Sie können deshalb die<br />
tierischen Eiweiße aus der Milch vollständig<br />
ersetzen, ohne dass Cremigkeit und Textur<br />
des Eises leiden. „Das heißt aber auch“, erklärt<br />
Dr. Ralf Kahleyss, der bei <strong>Evonik</strong> Forschung<br />
und Entwicklung der CO 2 -Extraktionstechnologie<br />
leitet, „dass sich ihre technofunktionellen<br />
Eigenschaften, insbesondere<br />
geschäft mit Lipton in den kommenden<br />
Jahren weiter aus“, erklärte Dr. Manfred<br />
Schmidt, Produktmanager von <strong>Evonik</strong>.<br />
Mit einem speziellen Verfahren, der Extraktion<br />
mit überkritischem Kohlendioxid unter<br />
hohen Drücken, entfernt <strong>Evonik</strong> an seinem<br />
oberbayrischen Standort Münchs mün ster<br />
Koffein sowie mögliche Schadstoffe aus<br />
Tee, bewahrt aber zugleich im hohen Maße<br />
dessen geschmacks- und gesundheitsfördernden<br />
Inhaltsstoffe. Gegenüber herkömmlichen<br />
Methoden gilt dieses Verfahren als besonders<br />
schonend, umweltfreundlich und<br />
ressourceneffizient. Die Tee-Entkoffe inie-<br />
die Emulgiereigenschaften, bei der Ex trak tion<br />
aus den Samen nicht verändern dürfen.“<br />
Um die Proteine unverändert und möglichst<br />
vollständig isolieren zu können, muss<br />
man aus den Samen zunächst den Fettan -<br />
teil – er liegt bei rund sieben Prozent – möglichst<br />
schonend entfernen. Übliche Ent -<br />
f ettungs mittel wie Hexan sind ungeeignet,<br />
da sie vergleichsweise hohe Temperaturen<br />
erfordern, die die Proteine schädigen<br />
können. „Einzig die CO 2 -Extraktion ist so<br />
schonend, dass sie das Fett effizient entfernt,<br />
ohne die funktionale Proteinstruktur zu<br />
zerstören“, betont Kahleyss. Zudem gilt sie<br />
als besonders umweltfreundlich und ressourceneffizient.<br />
Prolupin lässt die Samen<br />
deshalb von <strong>Evonik</strong> entfetten, da das Unternehmen<br />
an seinem Standort Münchsmüns -<br />
ter über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der<br />
CO 2 -Extraktion verfügt.<br />
Dazu werden die aus den Hülsen abgetrennten<br />
Samen geschält, konditioniert, zu<br />
Flocken verarbeitet und in Münchsmünster<br />
neWS 5<br />
rungsanlage am Standort Münchsmünster ist<br />
von der Deutschen Gesellschaft für Qualität<br />
(DGQ) nach dem International Food Standard<br />
(IFS) zertifiziert worden.<br />
„<strong>Evonik</strong> ist ein seit vielen Jahren äußerst<br />
verlässlicher Partner und liefert entkof feinierten<br />
Tee in höchster Qualität“, sagte<br />
Gil bert Kendzior, Tea and Herbals Supply<br />
Ma nager bei Lipton. Auf dieser Basis planen<br />
beide Unternehmen, ihre Zusammenarbeit<br />
über die Tee-Entkoffeinierung hinaus auf<br />
weitere Produkte und Anwendungen im<br />
Lebensmit telsektor des Unilever-Konzerns<br />
auszudehnen.<br />
Lupinesse, ein neues<br />
Speiseeis mit Lupinenproteinen,<br />
das nach<br />
einem von Fraunhofer<br />
Forschern entwickelten<br />
Verfahren hergestellt<br />
wird<br />
mit CO 2 entfettet. Prolupin gewinnt daraus<br />
in einer anschließenden Extraktion die Lupinenproteine.<br />
Diese bilden mit anderen<br />
typischen Zutaten die Basis für das rein<br />
pflanzliche Lupineneis.<br />
Entwickelt wurde Lupinesse vor allem für<br />
Menschen mit Laktose- und Glutenunver -<br />
t räglichkeit sowie für Kuhmilch-Allergiker.<br />
Sie könnten künftig auch in den Genuss von<br />
anderen, normalerweise milchhaltigen Produkten<br />
kommen: Prolupin denkt bereits darüber<br />
nach, in weiteren Lebensmitteln Milcheiweiß<br />
durch Lupinenproteine zu ersetzen,<br />
etwa in Joghurt, Pudding und Quark. Ein<br />
Vorhaben, das <strong>Evonik</strong> mit Interesse verfolgt:<br />
„Milcheiweiß durch Lupinenproteine zu<br />
ersetzen ist ein innovatives Lebensmittel -<br />
kon zept, das dem Verbraucher einen echten<br />
Zu satznutzen bietet“, sagt Dr. Thomas Sauer,<br />
Leiter des Marktsegments Custom Manufacturing<br />
Agro. „Wir sehen darin für unsere<br />
CO 2 -Extraktion einen interessanten Markt<br />
mit viel Potenzial.“<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
6 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />
Hochleistungspolymere<br />
erzeugen Biomethan<br />
Neue Polymermembranen machen die Aufbereitung von Biomethan aus nachwachsenden Rohstoffen einfach und effizient<br />
Biogas als umweltverträglicher und heimischer Energieträger wird in Zukunft<br />
eine immer größere Rolle spielen. Für die Aufbereitung und Reinigung des Gases<br />
haben Spezialisten von <strong>Evonik</strong> hochselektive Polymermembranen entwickelt.<br />
Seit Jahresbeginn stellt eine Testanlage in Neukirchen an der Vöckla (Österreich)<br />
unter Beweis, dass die Membranen zuverlässig und kostengünstig Rohgas in<br />
hochreines Biomethan verwandeln, das direkt ins Netz eingespeist werden kann.<br />
[ text Dr. Goetz Baumgarten, Dr. Markus Ungerank, Dr. Christian Schnitzer, Dr. Axel Kobus ]<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Anlage zur Erzeugung von Biogas.<br />
Unter den erneuerbaren Energien<br />
besitzt Biogas den Vorteil, dass<br />
es kontinuierlich nutzbar ist. Zudem<br />
kann es nach Aufbereitung zu<br />
Biomethan in das bestehende Erdgasnetz<br />
eingespeist werden
IogaS nImmt Im Reigen der erneuerbaren Energien eine besondere<br />
Stellung ein. Zunächst einmal ist es ein heimischer<br />
Energie träger und ein wichtiger Baustein für dezentrale Versorgungsstrukturen,<br />
der unabhängig von Wind, Wasser oder<br />
Sonne Tag und Nacht genutzt werden kann – sowohl zur Gewinnung<br />
von Strom und Wärme als auch als Kraftstoff oder als<br />
Erdgassubstitut. Außerdem steht Biogas für die höchsten Energieerträge<br />
pro Flächeneinheit und für Umwandlungseffizienz:<br />
Wird Biogas als Kraftstoff genutzt, lässt sich aus einem Hektar<br />
Anbaufläche in einem Jahr so viel Biogas erzeugen, dass ein Auto<br />
damit mehr als 100.000 Kilometer fahren kann. Ein Kilometeräquivalent,<br />
das alle anderen Energiegewinnungsmethoden aus<br />
Biomasse übertrifft – so reicht das aus einem Hektar Anbaufläche<br />
pro Jahr gewonnene Bioethanol nur etwa 70.000 Kilometer<br />
weit. Zusätzlich sind bei der Strom gewinnung aus Sonne und<br />
Wind die Produktionskosten pro Kilowattstunde im Vergleich<br />
zu Biogas wesentlich höher.<br />
Ein weiterer Vorteil bei der Biogasproduktion ist, dass als<br />
Rückstand bei der Biogasproduktion nur geringe Mengen an<br />
Gärgut und Schlamm entstehen. Diese können dann für die Gewinnung<br />
von Humus weiterverwendet werden. Das aus Biogas<br />
gewonnene Biomethan lässt sich zudem gut speichern und kann<br />
einfach über das bestehende Erdgasnetz zum Verbraucher transportiert<br />
werden. Ein weiterer, sehr wichtiger Pluspunkt bei der<br />
Energiegewinnung aus Biogasanlagen ist die CO 2 -arme Energieerzeugung<br />
aus den regenerativen Rohstoffen.<br />
Biogas entsteht durch mikrobielle Vergärung von nachwachsenden<br />
Rohstoffen wie beispielsweise Mais, aber auch von Klärschlamm,<br />
Gülle oder Abfällen der Landwirtschaft. Der entscheidende<br />
Vorteil gegenüber Erdgas liegt darin, dass bei der Verbrennung<br />
von Biogas nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird,<br />
wie die vergärte Biomasse zuvor der Atmosphäre entzogen hat.<br />
Daher setzen sowohl Politik als auch Gasversorger große<br />
Hoffnung in Biogas. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzprogramm<br />
(IEKP) der Bundesregierung sieht vor, dass in den<br />
kommenden Jahren mehr Biogas in das deutsche Erdgasnetz eingespeist<br />
und damit breit verfügbar wird. Bis zum Jahr 2020<br />
sollen jährlich 60 Milliarden Kilowattstunden, bis 2030 rund<br />
100 Milliarden Kilowattstunden erzeugt und ins Netz eingespeist<br />
werden. 100 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2030 entsprechen<br />
rund zehn Prozent des aktuellen Erdgasverbrauchs in<br />
Deutschland. Selbstverpflichtungen der Gasversorger sehen im<br />
Kraftstoffsektor sogar Anteile an Erdgassubstituten von zehn<br />
bzw. 20 Prozent für die Jahre 2010 und 2020 vor.<br />
Abbildung 1<br />
Erzeugung von Biogas: Aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen wie Mais, aber auch aus Klärschlamm,<br />
Gülle oder landwirt schaft lichen Abfällen entsteht<br />
durch mikrobielle Vergärung in einer entsprechenden<br />
Anlage das Biogas. Nach Abtrennung von insbesondere<br />
CO 2 und verschiedenen Neben bestand teilen<br />
wie etwa Wasserdampf und Schwefelwasserstoff<br />
kann das Biogas dann genutzt werden – im Gasnetz,<br />
in Blockheiz kraftwerken und an Tankstellen<br />
ReSSoURCeneFFIZIenZ 7<br />
Wie entsteht nun das zu verwertende Methan? Bei der Vergärung<br />
setzen Mikroorganismen unter Sauerstoffausschluss die<br />
Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette aus Pflanzen, Gülle oder Klärschlamm<br />
in die Hauptprodukte Methan und Kohlendioxid um.<br />
In Spuren entstehen dabei meist außerdem Wasserstoff, Stickstoff,<br />
Sauerstoff, Schwefelwasserstoff und Ammoniak. Die Zusammensetzung<br />
des entstehenden Gases hängt wesentlich vom<br />
Substrat und der Betriebsweise des Faulbehälters ab. Wertvoll<br />
ist immer das enthaltene Methan: Je höher dessen Anteil, desto<br />
energiereicher ist das Gas.<br />
Konventionell wird Biogas direkt am Ort der Erzeugung verstromt.<br />
Dabei können allerdings maximal 40 Prozent der enthaltenen<br />
Energiemenge als Strom genutzt werden, die entstehende<br />
Wärme wird nur in den seltensten Fällen ausreichend<br />
verwertet. Wird das Gas dagegen ins Netz eingespeist, können<br />
mehr als 90 Prozent des Energiegehalts tatsächlich auch genutzt<br />
werden.<br />
Abtrennung von CO 2 wesentlich<br />
für Biogasaufbereitung<br />
Bevor Biogas eingespeist werden kann, sind eine umfangreiche<br />
Reinigung, Trocknung und Konditionierung nötig. Schwefelwasserstoff<br />
und Ammoniak beispielsweise müssen entfernt werden,<br />
damit Korrosion in Motoren und nachgeschalteten Komponenten<br />
wie Wärmetauschern verhindert wird. Auch Wasserdampf<br />
im Biogas kann kondensieren und zu Korrosion führen. Daher<br />
wird das Rohgas getrocknet. Außerdem muss das gereinigte<br />
Biogas bezüglich Trockenheit, Druck und Heizwert präzise auf<br />
das Erdgas im Netz abgestimmt sein. 333<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
8 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />
333 Der zentrale Schritt der Aufbereitung ist die weitgehende<br />
Abtrennung des Kohlendioxids. CO2 ist nicht brennbar und mindert<br />
daher den Heizwert. Nach den Vorgaben des Deutschen<br />
Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) muss der CO2-Ge halt von üblicherweise 25 bis 45 Volumenprozent (Vol.-%) auf<br />
unter 6 Vol.-% abgesenkt werden. Je nach Anforderungen der<br />
Netzbetreiber darf der Restgehalt manchmal sogar 2 Vol.-% nicht<br />
überschreiten, damit durch die Einspeisung von Biomethan die<br />
Qualität des Gemischs aus Erdgas und Biomethan nicht unter die<br />
vom Netzbetreiber zu gewährleistenden Werte absinkt.<br />
Konventionelle Anlagen für künftige dezentrale<br />
Energieversorgung oft ungeeignet<br />
Für die Abtrennung des CO 2 haben sich in den vergangenen Jahren<br />
unterschiedliche Verfahren am Markt etabliert. Die Mehrzahl<br />
der Aufbereitungsanlagen nutzt die sogenannte Druckwechseladsorption,<br />
bei der das CO 2 und enthaltene Spurengase an<br />
porösen Materialien adsorbiert werden. Ein weiteres etabliertes<br />
Verfahren ist die Druckwasserwäsche, bei der CO 2 , Schwefelwasserstoff<br />
und Ammoniak in Wasser gelöst und ausgewaschen<br />
werden. Speziell für größere Anlagen wird häufig die Aminwäsche<br />
eingesetzt, bei der das CO 2 mittels einer Waschflüssigkeit<br />
aus Aminverbindungen aus dem Biogasstrom ausgewaschen<br />
Abbildung 2<br />
Übersicht über die verschiedenen<br />
Aufbereitungsverfahren<br />
(in Anlehnung an G. Dachs, C. Zach,<br />
Biogasaufbereitungssysteme zur<br />
Einspeisung in das Erdgasnetz – ein<br />
Praxisvergleich, SEV Bayern,<br />
(2008))<br />
Abbildung 3<br />
Durchtrittsgeschwindigkeiten<br />
unterschiedlicher Gase<br />
in einer Polyimidmembran<br />
Abbildung 4<br />
Gasseparation mit Membranen<br />
Abbildung 5<br />
Funktionsweise<br />
eines Membranmoduls<br />
zur Gastrennung<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
H 2O<br />
H 2<br />
CO 2<br />
wird. Eine noch relativ neue Technik im Zusammenhang mit<br />
der Biogasaufbereitung ist die kryogene Gastrennung, die das<br />
Kohlendioxid bei tiefen Temperaturen aus dem Gasstrom ausfriert.<br />
All diese Verfahren haben einige gewichtige Nachteile: Sie<br />
benötigen Energie, Hilfsmittel und Hilfschemikalien. Es entstehen<br />
Abfälle und Abwasser, die aufbereitet und entsorgt werden<br />
müssen. Zudem steht das Biogas nach der Aufbereitung meist<br />
unter geringem Druck und muss für die Einspeisung beispielsweise<br />
in ein Mitteldrucknetz mithilfe eines zusätzlichen Kompressors<br />
auf Drücke von 15 bis 20 bar verdichtet werden.<br />
Daher arbeiten konventionelle Aufbereitungsanlagen meist<br />
erst ab einer Rohbiogasmenge von über 500 Normkubikmeter<br />
pro Stunde (Nm³/h) wirtschaftlich. Das bedeutet: Für eine künftige<br />
dezentrale Energieversorgung mit zahlreichen kleineren<br />
Anlagen sind sie in der Regel ungeeignet.<br />
Mehr Effizienz mit<br />
Membrantechnologie<br />
Weitaus mehr Flexibilität, Energie- und Kosteneffizienz verspricht<br />
die Membrantechnologie, mit der <strong>Evonik</strong> als Hersteller<br />
von Hochleistungskunststoffen schon seit Jahren Erfahrungen<br />
gesammelt hat. Die Gastrennung mit Polymermembranen nutzt<br />
Verfahren Trenneffekt An/Durch Abtrennung von<br />
Druckwechseladsorption Adsorption Aktivkohle (Molekularsieb) CO 2 H 2 S H 2 O<br />
Druckwasserwäsche Physikalische Adsorption Wasser CO2 H2S NH3 Genosorb® Physikalische Adsorption Genosorb® CO2 H2S NH3 H2O MonoethanolaminWäsche Chemische Adsorption Monoethanolamin CO 2 H 2 S<br />
Membranverfahren Permeation Membran CO 2 H 2S NH 3 H 2O<br />
Kryogene Gastrennung Rektifikation Tiefe Temperaturen CO 2 H 2 S<br />
O 2<br />
N 2<br />
CH 4<br />
Schnell Langsam<br />
Biogas<br />
CH 4<br />
Membran<br />
CO 4 NH 3 H 2 S H 2 O<br />
Permeat<br />
Hohlfasermembran<br />
Mit Methan angereichertes Retentat<br />
Mit CO 2 angereichertes Permeat<br />
Biogas Retentat
die Tatsache, dass Gasmoleküle unterschiedlich groß und unterschiedlich<br />
gut im Polymer löslich sind.<br />
Das gilt auch für die Aufbereitung von Biogas: Da CO 2 -<br />
Moleküle kleiner sind als Methanmoleküle und sich zudem in<br />
Polymeren besser lösen, können sie die Mikroporen der Membran<br />
wesentlich schneller durchwandern. An der Hochdruckseite<br />
der Membran sammelt sich somit das Methan an, während<br />
Wasserdampf, Ammoniak, Schwefelwasserstoff und der Großteil<br />
des CO 2 das molekulare Sieb passieren. Da das methanreiche<br />
Gas an der Hochdruckseite abgezogen wird, muss es für die Einspeisung<br />
zudem nicht mehr eigens verdichtet werden.<br />
Robust und selektiv:<br />
Membranen aus Polyimid<br />
Polyimide sind Hochleistungskunststoffe, die sehr druck- und<br />
temperaturbeständig sind. Sie werden beispielsweise seit<br />
Längerem erfolgreich für Filterschläuche in der Zementindustrie<br />
eingesetzt mit dem Ziel, dort den Staub vom heißen Abgas<br />
zu trennen.<br />
<strong>Evonik</strong> hat in den vergangenen Jahren Membranen auf Basis<br />
von Polyimiden entwickelt. Sie zeigen eine beständig hohe Selektivität<br />
und sind insbesondere für die Trennung von CO 2 und<br />
Methan geeignet. Im Gegensatz zu anderen Polymeren zeigen<br />
Hohlfaserbündel<br />
und Membranmodule<br />
(links) von <strong>Evonik</strong><br />
ReSSoURCeneFFIZIenZ 9<br />
die hier eingesetzten Polyimide kaum Wechselwirkung mit Kohlendioxid,<br />
das bei längerer Einwirkung bestimmte Kunststoffmembranen<br />
plastifiziert und dabei deren Selektivität deutlich<br />
senkt.<br />
Polyimide entstehen durch Polymerisation von Carbonsäuredianhydrid<br />
und Diaminen. Das Polymer wird durch den sogenannten<br />
Phaseninversionsprozess zu feinen Fasern gesponnen.<br />
Ein Lösemittel sorgt dafür, dass die Fasern beim Durchgang<br />
durch die Spinndüse ausgehöhlt werden. So entstehen nach<br />
Trocknung und Nachbehandlung dünne Hohlfasern mit einem<br />
Außendurchmesser von wenigen 100 Mikrometern und einer<br />
Membranwandung von weniger als 100 Mikrometer Stärke. Mehrere<br />
1.000 dieser Hohlfasern werden gebündelt, die Enden in ein<br />
Harz eingebettet und das Bündel wird schließlich in ein Metallrohr<br />
eingeführt. Das fertige Modul kann nun mit einem Gasgemisch<br />
unter Druck beaufschlagt werden.<br />
Bisherige Erfahrungen zeigen: Polyimidmembrane zur<br />
Gas trennung sind ein robustes und einfaches Instrument zur<br />
Gasreinigung. Bei ihrem Einsatz in der Biogasaufbereitung<br />
zeigen sie eine höhere Anlagenverfügbarkeit, geringeren Energiebedarf<br />
und niedrigere Wartungskosten gegenüber alternativen<br />
Ver fahren.<br />
Allerdings haben bisher am Markt verfügbare Polyimidmembranen<br />
den Nachteil, dass nennenswerte Mengen 333<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
10 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />
333 Methan über den „Schlupf“ verloren gehen, weil ihre Selektivität<br />
nicht groß genug ist. Eine ausreichend gute Trennung von<br />
CO2 und Methan muss daher entweder mit energetisch aufwendigen<br />
hohen Rückführströmen oder mit einer Serienschaltung<br />
mehrerer Mem branen hintereinander erkauft werden – beides<br />
erhöht die Investitions- und Betriebskosten. Oder das Verfahren<br />
benötigt nachgeschaltet eine thermische Verwertung des methanhaltigen<br />
Abgases, was in der Regel ebenfalls hohe Zusatzkosten<br />
verursacht. Durch diese Schwächen waren bisherige<br />
Membrantechnologien im Vergleich zu anderen Trennmethoden<br />
weniger konkurrenzfähig.<br />
Neues <strong>Evonik</strong>-Polyimid zeigt<br />
optimale Trennleistung<br />
In den vergangenen Jahren gelang es Membranspezialisten und<br />
Polymerforschern von <strong>Evonik</strong>, besonders selektive Polyimidmembranen<br />
zu entwickeln. Für die neuen Polyimidmembranen<br />
setzen die Polymerchemiker auf eine speziell für die Herstellung<br />
von Membranen optimierte Form des bewährten Polyimid P84®<br />
von <strong>Evonik</strong>. Mit diesen Membranen wird in nur einem Schritt<br />
Abbildung 6<br />
Der mehrstufige Prozess<br />
zur Aufbereitung<br />
von Biogas von <strong>Evonik</strong><br />
Rohbiogas aus Fermenter:<br />
ca. 53 % CH 4 , 47 % CO 2<br />
Kompressor<br />
10 bis 25 bar<br />
Abbildung 7<br />
Rückstrom<br />
Erste Ergebnisse der mit<br />
den Mem branen von<br />
<strong>Evonik</strong> erzeugten Gas qualitäten:<br />
Das Methan aus<br />
dem Roh gas lässt sich auf<br />
über 99 % aufreinigen<br />
CH4Produktgas CH4 im Rohgas<br />
CO2 im Rohgas<br />
CH4Offgas <strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Mehrstufenmembranverfahren<br />
von <strong>Evonik</strong><br />
Gasgehalt [%]<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Produktstrom Biomethan:<br />
(> 97 % Methan) 10 bis 25 bar<br />
Schwachgasstrom,<br />
vorwiegend aus CO 2 :<br />
< 1 % Methan<br />
bereits eine deutlich verbesserte Trennung von Kohlendioxid<br />
und Methan möglich. Sie zeigen auch noch bei CO 2 -Partialdrücken<br />
von bis zu 25 bar – wie sie bei der Biogasaufbereitung vorkommen<br />
– eine stabile Selektivität und unterscheiden sich dadurch<br />
von bisher am Markt verfügbaren Membranen.<br />
Gemeinsam mit Creavis, der strategischen Forschungs- und<br />
Entwicklungseinheit von <strong>Evonik</strong>, sowie dem Servicebereich Verfahrenstechnik<br />
& Engineering wurde ein Verfahren entwickelt,<br />
das die Trenneigenschaften der Polyimidmembranen optimal<br />
nutzt. Die Module werden seit Kurzem mit zwei unterschiedlichen<br />
Durchmessern und in zwei verschiedenen Längen gefertigt.<br />
Derzeit erproben die <strong>Evonik</strong>-Experten die Produktionsmodule<br />
im österreichischen Neukirchen an der Vöckla in einer<br />
Testanlage. Das Rohgas stammt aus der Vergärungsanlage eines<br />
Landwirts, der aus nachwachsenden Rohstoffen Biogas gewinnt.<br />
Im vergangenen Herbst wurde in unmittelbarer Nähe zur Vergärungsanlage<br />
ein Container installiert, der die gesamte Technik<br />
zur Biogasreinigung und -anreicherung enthält. Der Prozess<br />
wird von den Entwicklern von <strong>Evonik</strong> über eine Datenleitung<br />
fernüberwacht und gesteuert.<br />
Seit Anfang 2011 betreibt <strong>Evonik</strong> im österreichischen<br />
Neukirchen an der Vöckla eine<br />
Testanlage zur Aufbereitung von Biogas<br />
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200<br />
Zeit [h]
Die Aufbereitungskapazität der Testanlage beträgt 10 Nm³/h.<br />
Das Rohgas kommt als Mischung von CO 2 , Methan und den<br />
typischen Nebenkomponenten aus der Vergärungsanlage an und<br />
wird zunächst mit Aktivkohle entschwefelt, gefiltert und vorgetrocknet.<br />
Das stellt sicher, dass sich kein Kondensat auf der Membran<br />
bildet und sich auch keine Partikel oder Schwefelkomponenten<br />
auf der Membran ablagern können. Das vorgereinigte<br />
Gas wird anschließend mit einem ölfreien Kompressor angesaugt<br />
und auf rund 16 bar verdichtet.<br />
Entscheidend für den Erfolg ist eine geschickte Verschaltung<br />
der einzelnen Module. Wie die Module im Einzelfall verschaltet<br />
werden, hängt von deren Anzahl ab und von den Anforderungen,<br />
die an die Reinheit des Methans gestellt werden. In der Testanlage<br />
in Neukirchen wird ein Teil des Gasstroms von der drucklosen<br />
Permeatseite wieder in das erste Modul zurückgeführt.<br />
Praxistest erfolgversprechend<br />
Seit Inbetriebnahme der Testanlage im ersten Quartal 2011<br />
arbeitet die Technik störungsfrei. In Neukirchen untersuchen<br />
die Experten von <strong>Evonik</strong> wesentliche Parameter, beispielsweise<br />
die Kapazitäten verschiedener Module, ihre Langlebigkeit und<br />
die Stabilität der Selektivität. Sie variieren Druck und Stoffströme,<br />
um die optimalen Prozessbedingungen herauszu -<br />
ar beiten. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: Das<br />
Methan aus dem Rohgas lässt sich auf über 99 Prozent aufreinigen,<br />
im Abgas sind weniger als 0,5 Prozent Methan vorhanden.<br />
Damit wird nahezu das gesamte Methan aus der Vergärung in<br />
Biomethanqualität gewonnen.<br />
Zudem ist das Biomethan nach dem Aufbereitungsverfahren<br />
mit Membranen bereits trocken und erfüllt die Taupunktanforderung<br />
für die Netzeinspeisung. Da der Schlupf unter 0,5 Prozent<br />
liegt, ist außerdem zur Einhaltung der TA Luft keine zusätzliche<br />
Verbrennung des Schwachgases notwendig. Die Aufbereitung<br />
ist energieeffizient, erzeugt weder Abfälle noch Emissionen<br />
und benötigt keine Hilfsmittel wie Wasser oder<br />
Sorptionsmittel. All diese Vorteile schlagen sich direkt in den<br />
Kosten nieder: Verglichen mit Gaswäsche oder Adsorptionsverfahren<br />
ist eine Biogasaufbereitung mithilfe dieser neuen<br />
Membranmodule speziell bei den typischen Biogasanlagengrößen<br />
signifikant günstiger.<br />
Ein weiterer Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass<br />
nicht zuletzt das Verfahren eine hohe Flexibilität zeigt. Es ist<br />
sowohl für Klein- als auch für Großanlagen anwendbar und kann<br />
an sich ändernde Volumenströme und Gaszusammensetzungen<br />
leicht angepasst werden. Die Anlagen können zudem in kurzen<br />
Intervallen gestartet und gestoppt werden und sind daher ideal<br />
zum Betrieb einer Biomethantankstelle vor Ort geeignet. Die<br />
neuartigen Membranen können aber noch mehr: Sie reinigen<br />
nicht nur schnell und effizient Biogas, sondern gewinnen ebenso<br />
wirksam Stickstoff aus der Luft. Sie reichern Sauerstoff an, und<br />
sie können Wasserstoff aus Synthesegas separieren oder Gase<br />
und Luft trocknen.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Im Vergleich mit<br />
anderen Prozessen ist die membranbasierte Gasseparation die<br />
meistversprechende Technologie zur Aufbereitung von Biogas.<br />
Auf Basis der bisherigen Testergebnisse kann die <strong>Evonik</strong>-Membran<br />
aus Polyimid P84® hier einen zentralen und führenden<br />
Beitrag zur heimischen, dezentralisierten und klima verträglichen<br />
Energieversorgung leisten. 777<br />
ReSSoURCeneFFIZIenZ 11<br />
Dr. goetz baumgarten ist in der Wachstumslinie<br />
Fibres and Membranes des Geschäftsgebiets High Per -<br />
formance Polymers verantwortlich für die Geschäftsentwicklung<br />
Membranen. Nach Chemiestudium an<br />
der Universität Hannover und Promotion über die<br />
Behandlung von Deponiesickerwasser mit Membranverfahren<br />
startete er 1997 seine berufliche Laufbahn<br />
bei der Amafilter Deutschland GmbH in Düsseldorf.<br />
Ab 2001 war er als Produktmanager für die Produktsparte<br />
Membrantechnik der gesamten Amafilter-Gruppe<br />
verantwortlich, bis er 2005 zu <strong>Evonik</strong> wechselte.<br />
Dort leitete er zunächst die Membrantechnik gruppe im<br />
Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering, bevor<br />
er im Juli 2010 in seine heutige Position wechselte.<br />
+49 2365 49-4986, goetz.baumgarten@evonik.com<br />
Dr. markus Ungerank ist als Mitarbeiter der Tochtergesellschaft<br />
<strong>Evonik</strong> Fibres GmbH in Lenzing (Österreich)<br />
verantwortlich für F&E der Wachstums linie<br />
Fibres and Membranes des Geschäftsgebiets High<br />
Performance Polymers. Nach einem Chemiestudium<br />
an der TU Graz und Promotion über flüssigkristalline<br />
Poly mere startete er 1997 seine berufliche Laufbahn<br />
bei der <strong>Evonik</strong> Fibres GmbH als Projektleiter Entwicklung<br />
eines P84® Polyimidpulvers. Zwei Jahre später<br />
übernahm er die Leitung des Bereichs F&E und begleitete<br />
die Markteinführung des neuen P84® Polyimidpulvers.<br />
2007 initiierte er zusammen mit Dr. Goetz<br />
Baumgarten die Entwicklung neuartiger Membranen<br />
auf Basis von P84® Polyimid zur Gastrennung.<br />
+43 7672 701-2508, markus.ungerank@evonik.com<br />
Dr. Christian Schnitzer ist im Science-to-Business<br />
Center Eco² der für die dortigen Membranaktivitäten<br />
verantwortliche Projektmanager. Nach dem Studium<br />
des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik an<br />
der Technischen Universität Kaiserslautern und anschließender<br />
Promotion auf dem Gebiet der Mikrofiltration<br />
mit hochfeinen Multifilamentgeweben begann<br />
er 2008 seine berufliche Laufbahn bei <strong>Evonik</strong> im<br />
Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering,<br />
von wo aus er 2009 zu Creavis wechselte.<br />
+49 2365 49-5527, christian.schnitzer@evonik.com<br />
Dr. axel Kobus ist seit Juli 2010 im Geschäftsgebiet<br />
High Performance Polymers verantwortlich für die<br />
Wachs tumslinie Fibres and Membranes, die sich mit<br />
dem Einsatz von Hoch leis tungspolymeren für energie-<br />
und materialeffiziente Trennungen in der Prozessindustrie<br />
beschäftigt. Nach Studium der Verfahrenstechnik<br />
und Promotion auf dem Gebiet der Absorption und<br />
der thermischen Trenntechnik startete er 1999 seine<br />
berufliche Lauf bahn bei <strong>Evonik</strong> als Pro zessingenieur<br />
und Technikums leiter der Fluidverfah renstechnik.<br />
Nach einer Station in Elyria (Ohio, USA), wo er das<br />
Supply Chain Manage ment und den strategischen<br />
Einkauf des Bereichs Initiators verantwortete, leitete<br />
er ab 2005 in Hanau die Fluidverfahrenstechnik des<br />
Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering.<br />
+49 2365 49-5646, axel.kobus@evonik.com<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
12 eneRgIeeFFIZIenZ<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Ionische Flüssigkeiten<br />
Kühlen und<br />
heizen<br />
mit Wärme<br />
Absorptionsmaschinen nutzen thermische statt<br />
elektrischer Energie, um Räume zu klimatisieren<br />
oder Industriekälte bereitzustellen – so können<br />
sie zum Beispiel mit Sonnenwärme kühlen.<br />
Das Potenzial von Absorptionskältemaschinen<br />
und -wärmepumpen ist bislang jedoch nur unzureichend<br />
ausgeschöpft. Dank eines neuen<br />
Arbeitsstoffpaars auf der Basis von ionischen<br />
Flüssigkeiten, das <strong>Evonik</strong> Industries entwickelt<br />
hat, könnte sich das zukünftig ändern.<br />
[ text Dr. Matthias Seiler, Marc-Christoph Schneider ]<br />
DeR beRlIneR ReIChStag liefert nicht nur die<br />
Bühne für die Bundespolitik, sondern auch ein vorbildliches<br />
Beispiel für ökologisches Bauen. Eine<br />
spezielle Verglasung und Dämmung verringert Wärmeverluste.<br />
Eine Fotovoltaikanlage und zwei Blockheizkraftwerke,<br />
betrieben mit Biodiesel, können über<br />
drei Viertel des Strombedarfs decken. Und geothermische<br />
Energie aus dem Untergrund dient als Antrieb<br />
für Kälte- und Wärmespeicher. In den Sommermonaten<br />
nutzen Absorptionskälte maschinen einen Teil<br />
der Wärme, den die beiden Blockheizkraftwerke erzeugen,<br />
zur Kühlung der Räume im Reichstag.<br />
Solche Absorptionskältemaschinen tun auch<br />
20 Gehminuten entfernt im Immobilien- und Geschäftskomplex<br />
am Potsdamer Platz ihren Dienst.<br />
Ihre Stärke: Sie verdichten das Kältemittel nicht<br />
mithilfe von elektrischer, sondern von thermischer<br />
Energie – ein dickes Plus in Sachen Nachhaltigkeit.<br />
Weltweit nutzen immer mehr Geschäftsgebäude,<br />
Krankenhäuser und sogar ganze Stadtkomplexe<br />
(District Cool ing), aber auch Flug häfen und selbst der<br />
Vatikan Absorptionskälte maschinen, um nachhaltig<br />
Kälte zu erzeugen – oder bei entsprechender Nutzung<br />
auch Wärme.<br />
Die Thermodynamik des<br />
Arbeitsstoffpaars muss stimmen<br />
Eine Absorptionskältemaschine enthält in einem<br />
geschlossenen Kreislauf zwei gelöste Stoffe, das<br />
Kälte- und das Absorptionsmittel, die das sogenannte<br />
Arbeitsstoffpaar bilden. Der Prozess wird durch<br />
Wärme angetrieben und nutzt die Tatsache, dass die<br />
phy si ka lische Löslichkeit zweier Stoffe unter anderem<br />
temperaturabhängig ist. Allerdings reicht diese<br />
Anforderung an die beiden Stoffe noch nicht aus, um<br />
sie als Arbeitsstoffpaar für eine Absorptionskältemaschine<br />
interessant zu machen. Zusätzlich muss das<br />
Absorptionsmittel das Kältemittel möglichst effektiv<br />
absorbieren können und außerdem niedrigviskos
sein, um einen möglichst guten Wärme- und Stofftransport<br />
zu gewährleisten.<br />
Der Kreislauf einer Absorptionskältemaschine<br />
enthält vier Komponenten: Austreiber, Kondensator,<br />
Verdampfer und Absorber. Im Austreiber trennt die<br />
Absorptionskältemaschine mithilfe von zugeführter<br />
thermischer Energie die beiden Stoffe voneinander;<br />
sie erhitzt also das Arbeitsstoffpaar. Dabei verdampft<br />
das Kältemittel, gelangt in den Kondensator, kühlt<br />
dort ab und wird wieder flüssig. Über eine Drossel<br />
hinter dem Kondensator entspannt die Absorptionskältemaschine<br />
das Kälte mittel auf den Verdampferbzw.<br />
Absorberdruck mit den entsprechend niedrigen<br />
Betriebstemperaturen. So kann das Kältemittel im<br />
Verdampfer bei Aufnahme einer bestimmten Wärmemenge<br />
leicht verdampfen. Diese Wärme entzieht<br />
die Absorptions kältemaschine ihrer Umgebung.<br />
Das verdampfte Kältemittel strömt nun weiter in<br />
den Absorber, wo es vom Absorptionsmittel absorbiert<br />
wird. Anschließend werden beide Kompo-<br />
333<br />
eneRgIeeFFIZIenZ 13<br />
Der Berliner Reichstag.<br />
Absorptionskältemaschinen<br />
sorgen hier<br />
im Sommer nachhaltig<br />
für angenehme Temperaturen,<br />
indem sie die<br />
Wärme aus Blockheizkraftwerken<br />
nutzen<br />
Wird auch mit Absorp<br />
tionskälte maschinen<br />
klimatisiert: der Changi<br />
Airport in Singapur<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
14 eneRgIeeFFIZIenZ<br />
Energieverbund der<br />
Parlamentsbauten in<br />
Berlin mit KraftWärme<br />
Kältekopplung und<br />
Aquiferspeichern.<br />
Aquifer sind Gesteinskörper<br />
mit Hohlräumen,<br />
durch die Grundwasser<br />
geleitet werden kann<br />
(Quelle Grafik: Die<br />
Woche, 10. Juli 1998)<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Strom<br />
Biodiesel Liefert Strom<br />
Blockheizkraftwerk<br />
Heizwärme direkt<br />
Rücklauf<br />
Heizung<br />
Warmwasser<br />
Warmwasser/Wärme als Antriebsenergie für die Wasserpumpe<br />
Überschüssige Wärme<br />
110 °C<br />
50 Meter Tiefe<br />
300 Meter Tiefe<br />
67 °C<br />
65 °C<br />
Aquiferwärmespeicher<br />
Hier wird warmes Wasser<br />
aus dem Sommerbetrieb für den<br />
Winter zwischengespeichert<br />
45 °C 65 °C<br />
65 °C<br />
333 nenten (das Arbeitsstoffpaar) über eine Pumpe<br />
wieder dem Austreiber zugeführt und der Kreislauf<br />
schließt sich.<br />
Kühlen und heizen mit einem Aggregat<br />
Der thermodynamische Kreisprozess lässt sich auch<br />
als Absorptionswärmepumpe einsetzen, denn er<br />
nimmt Wärme aus seiner Umgebung auf niedrigem<br />
Temperaturniveau im Verdampfer auf und gibt sie<br />
auf einem höheren Temperaturniveau unter Zu fuhr<br />
von thermischer Antriebsenergie wieder ab. Beide<br />
Funktionen – Kältemaschine und Wärmepumpe –<br />
lassen sich prinzipiell in einem Aggregat verwirklichen.<br />
Technisch gesehen konkurrieren solche Absorptionssysteme<br />
mit Kompressionswärmepumpen und<br />
-kältemaschinen. Eine Kompressionswärmepumpe<br />
zum Beispiel verdampft durch Wärmezufuhr auf<br />
niedrigem Temperaturniveau ein Kältemittel, das<br />
einen niedrigen Siedepunkt hat. Anschließend verdichtet<br />
sie mechanisch das gasförmige Kältemittel<br />
mithilfe eines elektrisch angetriebenen Kompressors,<br />
wobei sich das Kältemittel erwärmt. Bei hohem Druck<br />
gibt es dann seine Wärme an ein Umgebungsmedium<br />
ab, zum Beispiel ans Heizungswasser oder an einen<br />
Luftstrom. Das Kältemittel kühlt dabei ab und kondensiert<br />
wieder.<br />
Es gibt inzwischen viele Anwendungsbeispiele,<br />
bei denen mehrstufige Absorptionskältemaschinen,<br />
die mit Abwärme betrieben werden, einen Wir-<br />
90 °C<br />
Absorptionswärmepumpe<br />
Kühlt mit Wärme<br />
Kühlung<br />
6 °C<br />
6 °C<br />
5 °C<br />
Aquiferkältespeicher<br />
Hier wird kaltes Wasser<br />
für die Sommerkühlung<br />
zwischengespeichert<br />
Trockenkühler<br />
Kalte Luft<br />
kungsgrad erreichen, der genauso gut oder besser als<br />
der einer Kompressionskältemaschine ausfällt. Traditionell<br />
haben Absorptionskältemaschinen in Asien<br />
bereits eine sehr starke Marktposition. Experten<br />
gehen davon aus, dass die Technologie künftig auch<br />
in anderen Regionen der Welt aufgrund von Entwicklungsfortschritten<br />
bei den Arbeitsstoffpaaren<br />
sowie der Megatrends Ressourceneffizienz und<br />
Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen<br />
werden.<br />
Abwärme, Solar- oder<br />
Geothermie als Energiequelle<br />
Den Nachteil eines elektrisch angetriebenen, wenig<br />
nachhaltigen Kompressors haben Absorptionssysteme<br />
nicht: Sie lassen sich direkt mit thermischer<br />
Energie betreiben, die entweder aus einer regenerativen<br />
Energiequelle stammt – etwa der Geo- oder der<br />
Solarthermie – oder aus der Abwärme industrieller<br />
Prozesse. Die International Energy Agency schätzt,<br />
dass allein in Europa jedes Jahr mehrere Millionen<br />
Gigawatt indus trielle niederkalorische – und daher<br />
schwer verwertbare – Abwärme ungenutzt in die Umwelt<br />
entweichen. Ein Absorp tions sys tem kann Teile<br />
dieser Abwärme energieeffizient wieder in nutzbare<br />
Prozesswärme oder Kälte verwandeln. Darüber hinaus<br />
haben Absorptions- gegenüber Kompressionssystemen<br />
den Vorteil, dass sie völlig ohne ozonschädliche<br />
Kältemittel auskommen, weil sie Wasser anstatt beispielsweise<br />
Fluorkohlenwasserstoffe verwenden. 333
Ein Arbeitsstoffpaar, das die Rohre im Absorber gut benetzt,<br />
ist essentiell für einen effektiven Wärme und Stofftransport<br />
Fließbild einer einstufigen Absorp tions kältemaschine.<br />
Die vier wichtigsten Komponenten sind der Verdam pfer,<br />
an dem die Kälte bereitgestellt wird, der Austreiber,<br />
an den die An triebswärme geleitet wird, der Absor ber und<br />
der Kondensator, der die gepumpte Wärme bereitstellt<br />
Kältemittelkreislauf<br />
Kreislauf des Arbeitsstoffpaars<br />
Kondensator<br />
Verdampfer<br />
Nutzen (erzeugter Kältestrom)<br />
Aufwand (Antriebswärmestrom)<br />
Austreiber<br />
Absorber<br />
KURZInteRvIeW<br />
eneRgIeeFFIZIenZ 15<br />
Die INVEN Absorption GmbH, Erding bei München,<br />
konzipiert und baut Absorptionskälteanlagen, Absorp<br />
tionswärmepumpen und Wärmetransforma toren<br />
sowie Systeme für Industriekälte und Wärmerückgewinnung.<br />
Geschäftsführer Dr. Jürgen Scharfe über<br />
das Potenzial von Absorptionskältemaschinen.<br />
Welche Wünsche äußern Kunden häufig, die von<br />
Ihnen entworfene absorptionskältemaschinen<br />
kaufen?<br />
Immer mehr Kunden fragen vor allem nach Möglichkeiten,<br />
Kälte mit Abwärme aus der Stromproduk tion,<br />
also Gas- oder Dieselmotoren, zu nutzen. Hier besteht<br />
nach wie vor ein großes ungenutztes Poten zial.<br />
Leider können wir nicht in allen Fällen adäquate<br />
Lösungen anbieten, da die herkömmlichen Arbeitsstoffpaare<br />
dem Betrieb in heißen Ländern enge<br />
Grenzen setzen.<br />
Was ist in den augen der Kunden das größte<br />
Problem heutiger absorptionskältemaschinen?<br />
Das größte Problem der heute genutzten Arbeitsstoff<br />
paare ist der durch die LiBr-Kristallisation bedingte<br />
enge Einsatzbereich. Anlagen mit dem heute<br />
gängigen Paar Wasser/LiBr benötigen Kühlwasser<br />
mit einer Temperatur von maximal 32 °C, was nur<br />
mit Verdunstungskühlern erreichbar ist. In warmen<br />
Ländern, in denen Wasser oft knapp und mitunter<br />
sehr wertvoll ist, ist der Einsatz von Nass kühltürmen<br />
daher oft einfach nicht realisierbar.<br />
Welche eigenschaften müsste ein ideales arbeitsstoffpaar<br />
mitbringen?<br />
Es müsste mindestens den gleichen Coefficient of<br />
Performance – also das gleiche Verhältnis von Kältestrom<br />
(Nutzen) zu Antriebswärmestrom (Aufwand) –<br />
wie das Arbeitsstoffpaar Wasser/Lithiumbromid erlauben,<br />
sollte aber zu keinen Kristallisations- und<br />
Korrosionsproblemen führen. Die Performance der<br />
neuen <strong>Evonik</strong>-Systemlösungen geht hier in eine sehr<br />
vielversprechende Richtung.<br />
Welche Kundengruppen wären an absorptionskältemaschinen<br />
mit neuen arbeitsstoffpaaren<br />
besonders interessiert?<br />
Alle Kunden, die einen Bedarf an Kälte und gleichzeitig<br />
Wärme aus der Produktion von Strom zur<br />
Verfügung haben. Das reicht von Flughafen- und<br />
Hotelbetreibern über Städteplaner bis hin zu Industrie<br />
standorten. Insbesondere, wenn man wirklich<br />
an energieeffizienten, nachhaltigen Kältekonzepten<br />
interessiert ist, wird hier für viele Kunden kurz- bis<br />
mittelfristig kaum ein Weg an der Absorptionskälte<br />
vorbeiführen. Nicht vergessen sollte man auch den<br />
Einsatz von Solarenergie zur Kälteerzeugung.<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
16 eneRgIeeFFIZIenZ<br />
Zu den Stärken der neuen Arbeitsstoffpaare auf Basis ionischer<br />
Flüssigkeiten gehört, dass sie in einem deutlich breiteren Temperatur<br />
und Druckbereich einsetzbar sind als die klassischen Varianten<br />
Bedingungen für den Einsatz des Arbeitsstoffpaars Lithiumbromid/Wasser<br />
Wasser (100 Gewichtsprozent)<br />
Ionische Flüssigkeiten von <strong>Evonik</strong>/Wasser<br />
56 58 80 88 Gewichtsprozent ionische Flüssigkeit<br />
Lithiumbromid/Wasser<br />
50 60 Gewichtsprozent<br />
Kristallisationsgrenze Lithiumbromid (60–70 Gewichtsprozent Lithiumbromid)<br />
Druck [mbar]<br />
70<br />
10<br />
6<br />
0<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
10 30 50 70 90 110<br />
Temperatur [°C]<br />
Maßschneidern von Absorptionsmitteln ohne Kristallisationsgrenzen<br />
im Temperaturbereich von –100 °C bis +200 °C<br />
Natriumchlorid (Tafelsalz)<br />
Lithiumbromid<br />
1Methyl3Methylimidazoliumchlorid<br />
1Buthyl3Methylimidazoliumchlorid<br />
Arbeitsstoffpaar von <strong>Evonik</strong> (nicht chloridbasiert)<br />
Schmelzpunkt [°C]<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
–200<br />
Klassische Arbeitsstoffpaare<br />
haben Kristallisations-, Korrosions-<br />
oder Toxizitätsprobleme<br />
In den meisten Fällen kommt als Kältemittel Wasser<br />
und als Absorptionsmittel Lithiumbromid zum Einsatz.<br />
Wasser/Lithiumbromid gilt als effizientes Arbeitsstoffpaar.<br />
Allerdings hat Wasserdampf ein großes<br />
spezifisches Volumen und unterliegt relativ engen<br />
Temperaturgrenzen, weshalb der Einsatz des Arbeitsstoffpaars<br />
Wasser/Lithiumbromid auf die Klima -<br />
ti sierung oder die Kältebereitstellung oberhalb von<br />
0 °C beschränkt ist.<br />
Das Arbeitsstoffpaar Wasser/Lithiumbromid hat<br />
aber noch weitere Nachteile. Ein großes Problem ist<br />
die Kristallisation des Lithiumbromids. Bei einem Anteil<br />
von mehr als 65 Prozent in wässrigen Lösungen<br />
kristallisiert Lithiumbromid bereits bei 25 °C – ein<br />
Problem, das vor allem in feuchten und heißen Ländern<br />
relevant ist. Dort sind deshalb mitunter teure<br />
Kühlsysteme erforderlich, die die Kristallisation des<br />
Lithiumbromids verhindern.<br />
Darüber hinaus wirkt Lithiumbromid gerade bei<br />
höheren Antriebstemperaturen stark korrosiv. Damit<br />
können die besonders energieeffizienten, weil mehrstufigen<br />
Absorptionskälteprozesse nur dann mit<br />
Lithiumbromid betrieben werden, wenn größere<br />
Mengen an Korrosionsinhibitoren oder teure korrosionsresistente<br />
Werkstoffe verwendet werden.<br />
Ionische Flüssigkeiten –<br />
umwelt freundlich, nicht korrosiv<br />
und nicht kristallisierend<br />
Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates<br />
von <strong>Evonik</strong> haben dieses Problem des klassischen<br />
Arbeitsstoffpaars schon vor Längerem erkannt.<br />
In enger Kooperation mit dem Ser vice bereich<br />
Verfahrenstechnik & Engineering des Unter nehmens<br />
entwickelten sie eine neue Systemlösung, die als Arbeitsstoffpaar<br />
in Absorptionskältemaschinen und<br />
Wärmepumpen eingesetzt werden kann.<br />
Ionische Flüssigkeiten sind Salze, also vollständig<br />
aus Ionen aufgebaut, deren Schmelzpunkt unterhalb<br />
von 100 °C liegt. Unterhalb ihrer Zersetzungstemperatur<br />
weisen ionische Flüssigkeiten keinen messbaren<br />
Dampfdruck auf, sie sind thermisch und elektrochemisch<br />
sehr stabil und lösen sich in vielen<br />
organischen, anorganischen und organometallischen<br />
Verbindungen. Ionische Flüssigkeiten bestehen für<br />
gewöhnlich aus organischen Kationen und organischen<br />
oder anorganischen Anionen. Ihre physikalischen<br />
Eigenschaften lassen sich durch die Variation<br />
der Ionenpaarung und -struktur gezielt einstellen.<br />
Darüber hinaus sind sie im Allgemeinen im Vergleich<br />
zu konven tionellen Salzen wie dem Lithiumbromid<br />
nur sehr wenig korrosiv.<br />
Aufgrund der Kompetenz in der großtechnischen<br />
Herstellung von ionischen Flüssigkeiten und von<br />
geeigneten Additiven ist es dem Team von <strong>Evonik</strong>
In einer Absorptionskältemaschine am Standort Hanau haben der<br />
Geschäftsbereich Advanced Intermediates und die Fluidverfahrenstechnik<br />
die neuen Arbeitsstoffpaare auf Basis ionischer Flüssig kei ten<br />
entwickelt und getestet. In Feldversuchen werden die Arbeits stoffpaare<br />
nun in Großanlagen einem Dauertest über mehrere Monate<br />
unterzogen. Dabei gilt: Für jede Anlage der verschiedenen Hersteller<br />
stellt <strong>Evonik</strong> das passende Arbeitsstoffpaar bereit, das direkt und ohne<br />
technische Änderungen in die jeweilige Anlage eingefüllt werden<br />
kann. Das ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung<br />
gelungen, ein neues Arbeitsstoffpaar mit deutlichen<br />
Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik zu entwickeln.<br />
Voraussetzung dafür war die genaue Kenntnis<br />
der Bedürfnisse und der Systeme der Kunden. Sie<br />
erlaubte es, komplexe, nachhaltige Systemlösungen<br />
zu erarbeiten, die aus neuen Absorptionsmitteln und<br />
Performance-Additiven maßgeschneidert sind und<br />
die umfangreichen Anforderungsprofile der Kältemaschinenbauer<br />
erfüllen.<br />
Und auch sonst punkten die neuen Arbeitsstoffpaare:<br />
Sie sind deutlich weniger korrosiv als Wasser/<br />
Lithiumbromid und besitzen einen deutlich breiteren<br />
Arbeitsbereich. Grund hierfür ist, dass die ionischen<br />
Flüssigkeiten von <strong>Evonik</strong> in Anwesenheit von Wasser<br />
keine Kristallisationsgrenzen im Arbeitsbereich von<br />
Absorptions kältemaschinen oder -wärmepumpen<br />
aufweisen.<br />
Die frühe Einbindung von Kunden, die die Anforderungen<br />
des Marktes genau kennen, hat diese<br />
Innovation deutlich begünstigt. Im Jahr 2012 will<br />
<strong>Evonik</strong> Formulierungen von Arbeitsstoffpaaren für<br />
Kältemaschinen und Wärmepumpen in den Markt<br />
einführen.<br />
Vielversprechende Feldtests<br />
Derzeit laufen Feldtests mit verschiedenen Industriepartnern,<br />
unter anderem zur Bereitstellung von Kälte<br />
im Megawattbereich. Die Industriepartner, mit denen<br />
<strong>Evonik</strong> zusammen arbeitet, wollen ganz unterschiedliche<br />
Anwendungen mit dem neuen Arbeitsstoffpaar<br />
von <strong>Evonik</strong> erschließen.<br />
Bisher zeigen alle Technikumsversuche und<br />
industriellen Feldtests, dass Kältemaschinen und<br />
Wärmepumpen nach einem Wechsel des Arbeitsstoffpaars<br />
von Wasser/Lithiumbromid auf die Systemlösung<br />
von <strong>Evonik</strong> immer einen mindestens gleich<br />
guten Wirkungsgrad (Coefficient of Performance)<br />
aufweisen. Hinsichtlich Kristallisation und Korrosion<br />
schneidet die ionische Flüssigkeit dagegen deutlich<br />
besser ab.<br />
Dank der neuen Formulierungen von <strong>Evonik</strong> für<br />
Arbeitsstoffpaare lassen sich die Betriebsparameter<br />
eines Absorptionssystems viel flexibler auslegen, was<br />
sich positiv auf die Kosten auswirkt. So wird zum<br />
Beispiel die effizientere Nutzung höherer Antriebstemperaturen<br />
in mehrstufigen Anlagen mit trockener<br />
Rückkühlung möglich. Das Potenzial von Absorptionssystemen<br />
könnte sich also bald deutlich stärker<br />
ausschöpfen lassen als bislang – zum Wohle einer<br />
nachhaltigen und effizienten Energienutzung. 777<br />
eneRgIeeFFIZIenZ 17<br />
Dr. matthias Seiler arbeitet als Director New Business<br />
Development im Geschäftsbereich Advanced Inter -<br />
me diates von <strong>Evonik</strong>. Nach Studium der Verfahrens-<br />
und Energietechnik an der TU Berlin und Promotion<br />
im Bereich Polymerverfahrenstechnik/Polymer thermodynamik<br />
an der Universität Erlangen-Nürnberg star tete<br />
er 2004 seine berufliche Karriere im Service bereich<br />
Verfahrenstechnik & Engineering von <strong>Evonik</strong>. Hier<br />
leitete er zuletzt die Abteilung „Bringing Tech no logy<br />
to Market“, bevor er 2010 seine aktuelle Position<br />
übernahm. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit<br />
absolvierte er einen Executive MBA an der ESSEC &<br />
Mannheim Business School.<br />
+49 6181 59-3049, matthias.seiler@evonik.com<br />
marcChristoph Schneider beschäftigt sich im<br />
Bereich New Business Development des Ge schäfts -<br />
be reichs Advanced Intermediates mit Kälte an lagen<br />
und Wärmepumpen. Nach Studium der Mathe matik<br />
und Chemie an der TU Darmstadt arbeitete er ab<br />
2008 im Bereich Business Development Form mas sen<br />
der <strong>Evonik</strong> Röhm GmbH und studierte parallel dazu<br />
Wirtschafts ingenieurwesen Chemie an der Hoch schule<br />
Fresenius. 2009 wechselte er in die Ab teilung „Bringing<br />
Techno lo gy to Market“ des Service bereichs Verfahrens<br />
technik & Engineering und übernahm 2011 seine<br />
aktuelle Position.<br />
+49 6181 59-6664<br />
marc-christoph.schneider@evonik.com<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
18 neWS<br />
<strong>Evonik</strong>-Mitarbeiter erhält Preis für herausragende Dissertation<br />
Dr. Stephan Peitz (29), Mitarbeiter von<br />
<strong>Evonik</strong>, hat für seine 2010 abgeschlossene<br />
Dissertation den mit 2.000 € dotierten<br />
Joachim-Jungius-Preis der Gesellschaft der<br />
Förderer der Universität Rostock e.V. (GFUR)<br />
erhalten. Peitz beschäftigte sich am LIKAT –<br />
dem Leibniz-Institut für Katalyse e.V. der<br />
Universität Rostock – im Arbeitskreis von<br />
Prof. Dr. Uwe Rosenthal mit der selek tiven<br />
Tri- und Tetramerisierung von Ethylen zu unverzweigten<br />
α-Olefinen. Mit dem Joachim-<br />
Jungius-Preis würdigt die GFUR an der Uni<br />
Rostock durchgeführte Arbeiten, die sich, so<br />
die Vergabeordnung, „bezüglich Ex zellenz<br />
und Originalität von den übrigen Disser tationen<br />
herausheben und neue Im pulse für die<br />
Wissenschaft liefern“.<br />
„Wir freuen uns mit Herrn Peitz über die<br />
Auszeichnung“, sagte Dr. Markus Winterberg,<br />
im Geschäftsgebiet Performance Intermediates<br />
verantwortlich für die Forschung in<br />
Wärmedämmen mit hinterschäumtem PLEXIGLAS®<br />
Wie lassen sich sanierungsbedürftige Altbauten<br />
effizient wärmedämmen? Eine Antwort<br />
darauf erarbeitet <strong>Evonik</strong> derzeit in seinem<br />
Science-to-Business (S2B) Center Eco²,<br />
das unter der Leitung der strategischen Forschungseinheit<br />
Creavis Technologies & Innovation<br />
steht. In der Entwicklungslinie „Lösungen<br />
zur Steigerung der Energie ef fi zienz beim<br />
Kunden“ entwickeln die Forscher des S2B<br />
Eco² neuartige Fassadenelemente für sanierungsbedürftige<br />
Altbauten, die Energie und<br />
CO 2 sparen sollen.<br />
Die Verringerung des Endenergie verbrauchs<br />
beim Heizen von Gebäuden bietet<br />
ein großes Potenzial für Energie- und CO 2 -<br />
Einsparung. Auf den Gebäudebereich entfallen<br />
rund 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs<br />
und etwa 30 Prozent des klimaschädlichen<br />
CO 2 -Ausstoßes. Um die Treibhaus<br />
gasemissionen bis 2020 um 40 Prozent<br />
zu senken, wird die Bundesregierung die<br />
Energieeinsparverordnung (EnEV) kontinuierlich<br />
überarbeiten.<br />
Aktuell gilt die EnEV 2009; die nächste<br />
Ver schärfung – voraussichtlich um 30 Pro -<br />
zent – soll schon 2012 erfolgen. Laut dem<br />
kürzlich verabschiedeten Energiekonzept der<br />
Bundes regierung ist die energetische Sanierung<br />
des Gebäudebestandes ein zentraler<br />
Schlüssel dafür, die Klimaschutzziele zu er-<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
der C4-Chemie. „Sie zeigt uns einmal mehr,<br />
dass wir mit Herrn Peitz einen hervorragenden<br />
Wissenschaftler gewonnen haben.“ Seit<br />
November 2010 arbeitet Peitz im Geschäftsgebiet<br />
Performance Intermediates von<br />
<strong>Evonik</strong> an Projekten der C4-Forschung.<br />
Unverzweigte α-Olefine sind wertvolle<br />
Bausteine für die industrielle Produktion beispielsweise<br />
von speziellem Polyethylen, von<br />
synthetischen Schmier ölen oder Reinigungsmitteln.<br />
Bei ihrer Herstellung durch Oligomerisierung<br />
von Ethylen entsteht jedoch üblicherweise<br />
ein Olefingemisch, das nur mit hohem<br />
Aufwand getrennt werden kann. Mit<br />
seiner Dissertation zur homogenkatalytischen,<br />
selektiven Tri- und Tetra me risierung<br />
von Ethylen hat Peitz einen wesent lichen<br />
Beitrag dazu geleistet, den Reaktionsmechanismus<br />
aufzuklären. Dies ist Grund vor aussetzung<br />
für das Auffinden geeigneter Kataly<br />
satoren und für die Entwicklung eines<br />
Schlanke Wärmedämmung: Mit dem PMMA Rigid<br />
Foam Board, einer mit Polyurethan hinterschäumten<br />
PMMAFassadenplatte aus PLEXIGLAS® Mineral, lässt<br />
sich im Vergleich zu klassischen Wärmedäm m verbundsystemen<br />
die Dämmdicke um ca. 30 Pro zent verringern<br />
reichen; daher soll der Gebäudebestand in<br />
Deutschland bis zum Jahr 2050 nahezu komplett<br />
CO 2 -neutral sein. Die Sanierungsrate<br />
für Gebäude soll von derzeit weniger als ein<br />
Prozent des gesamten Gebäudebestandes pro<br />
Jahr auf zwei Prozent verdoppelt werden.<br />
Damit steigt der Bedarf an baulichem Wärme<br />
schutz kontinuierlich.<br />
Die sogenannten Nachkriegsbauten machen<br />
etwa drei Viertel des Altbaubestandes<br />
in Deutschland aus und bieten damit das<br />
größte Potenzial, bei Gebäuden Energie und<br />
selektiven, industriellen Prozesses mit hoher<br />
Ausbeute. Eine Kommerzialisierung der<br />
Arbeit von Peitz ist geplant.<br />
Die Gesellschaft der Förderer der Uni versität<br />
Rostock wurde am 17. Januar 1991 von<br />
Mitgliedern der Universität und Vertretern<br />
aus der Wirtschaft auf Initiative des damaligen<br />
Rektors, Prof. Dr. Gerhard Maeß, gegründet.<br />
Zu den 250 Mitgliedern zählen<br />
Absolventen und Freunde der Universität,<br />
Politiker und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Kultur. Um den wissenschaftlichen<br />
Nach wuchs zu fördern, verleiht die<br />
GFUR jährlich unter anderem den Joachim-<br />
Jungius-Förderpreis für hervorragende Disserta<br />
tio nen. Joachim Jung ius (1587–1657) war<br />
ein deutscher Mathe matiker, Physiker und<br />
Philo soph und gilt als Wegbereiter einer<br />
neuartigen naturwissenschaftlichen Denkweise<br />
und der wissenschaftlichen Metho dologie<br />
in Deutschland.<br />
CO 2 einzusparen. Durch undichte Fen s ter<br />
und Dächer sowie schlecht gedämmte oder<br />
ungedämmte Wände geht bei diesen Gebäuden<br />
viel Wärme verloren. Da sie der aktuellen<br />
EnEV nicht genügen, ist eine Nach rüstung<br />
zwingend erforderlich.<br />
Eine Sanierung nach EnEV 2012 würde<br />
aber bedeuten, dass die heute verwendeten<br />
Dämmdicken von etwa 14 Zentimeter bei den<br />
konventionellen Dämmstoffen wie Styropor<br />
oder Mineralwolle nicht mehr ausreichten –<br />
es wären Dämmdicken von etwa 20 Zentimeter<br />
erforderlich. Kritische Bereiche einer<br />
Fassade wie Fenster und Fensterlaibungen<br />
oder auch das Einhalten von Grenzabständen<br />
erschweren dann die fachgemäße Ausführung<br />
und können zudem die Optik stören. Architektonisch<br />
ansprechende Lösungen, die in<br />
Neubauten leicht umgesetzt werden können,<br />
erfordern bei bestehenden Bauten einen erhöhten<br />
Aufwand. Demnach steigt der Bedarf<br />
an neuartigen Dämmstoffen mit verbesserten<br />
Dämm eigenschaften und vergleichsweise<br />
geringen Dicken.<br />
<strong>Evonik</strong> will diesen bedeutenden Markt<br />
mit innovativen Produkten für die Ge bäudehülle<br />
bedienen, die auch der zukünftigen<br />
EnEV genügen. Eines dieser Produkte ist das<br />
sogenannte PMMA Rigid Foam Board, eine<br />
vor gefertigte, mit Polyurethan hinterschäumte
PMMA-Fassadenplatte aus PLEXIGLAS®<br />
Mineral. Da Polyurethan besser dämmt als<br />
Styropor oder Mineralwolle, bietet es einen<br />
sehr guten Wärmeschutz bei vergleichs weise<br />
geringen Dicken. Die Dämmdicke lässt sich<br />
damit um rund 30 Prozent verringern.<br />
Die Deckschicht der Fassadenplatte aus<br />
PMMA dient als Witterungs- und UV-Schutz<br />
und hält darüber hinaus mechanischen Beanspruchungen<br />
stand. Für den „Sanierer“ bietet<br />
das Produkt zudem ein alternatives Erscheinungs<br />
bild zum klassischen Wärmedämm<br />
verbundsystem mit verschiedenen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten etwa bei Farbe,<br />
Struktur und Muster.<br />
Um sich von marktüblichen Fassaden -<br />
ele menten abzusetzen, lassen sich auch Licht-<br />
Neue Faserverbundwerkstoffe für leichtere Autos<br />
Ein schwerer Name für ein leichtes Ziel: Das<br />
Projekt CAMISMA steht für Carbonfaser/<br />
Amid/Metall-basiertes Innenstruktur-Bauteil<br />
im Multimaterialsystem-Ansatz und will<br />
Autos leichter machen. <strong>Evonik</strong> arbeitet in diesem<br />
Projekt gemeinsam mit Partnern an<br />
Materialien, die im Vergleich zu herkömmlichen<br />
Systemen um 40 Prozent leichter sind<br />
und sich kostengünstig in Serie produzieren<br />
lassen.<br />
Vor dem Hintergrund des Klimawandels<br />
und der endlichen fossilen Energie vorkommen<br />
ist die Entwicklung von ressourceneffizienten<br />
und emissionsarmen Fahrzeu gen eine<br />
zentrale Herausforderung. Das Fahrzeuggewicht<br />
spielt dabei als verbrauchsrelevante<br />
Größe eine besonders wichtige Rolle. Die<br />
Notwendigkeit einer leichteren Fahrzeugstruktur<br />
wird durch die Entwicklung batteriegetriebener<br />
Elektrofahrzeuge noch verstärkt:<br />
Leichtere Fahrzeuge machen in beiden<br />
Fällen einen niedrigeren Verbrauch mög -<br />
lich – beim Verbrennungsmotor reicht die<br />
Tank füllung für mehr Kilometer, das Elektroauto<br />
kommt mit einer Batterieladung weiter.<br />
Seit Jahren arbeitet <strong>Evonik</strong> erfolgreich an<br />
Materialien und Systemen für Leichtbauanwendungen.<br />
Jetzt entwickelt <strong>Evonik</strong> in der<br />
strategischen Forschungs- und Entwicklungseinheit<br />
Creavis mit drei weiteren Industriepartnern<br />
(Johnson Controls GmbH, Jacob<br />
Plastics GmbH und Toho Tenax Europe<br />
GmbH) sowie der Universität RWTH Aachen<br />
(Institut für Textiltechnik und Institut für<br />
Kraftfahrzeuge) ein neuartiges Leicht baukonzept,<br />
um Stähle sowie Leichtmetalle teilweise<br />
zu ersetzen. Das Projekt mit dem<br />
effekte mit integrierter LED-Technik in der<br />
Deckplatte erreichen. Ein wesentliches Merkmal<br />
der Fassadenplatte ist auch die einfache<br />
Montage mit bekannten, am Markt erhältlichen<br />
Systemen. Eine fertige Fassade mit diesem<br />
Produkt erfordert weniger Arbeitsschritte<br />
als das herkömmliche Wärmedämmverbundsystem.<br />
Die schnellere Montage und<br />
die geringeren Montagekosten sind weitere<br />
Vorteile für den Endkunden. Die PMMA-<br />
Deckplatte lässt sich zudem plastisch verformen,<br />
sodass auch besondere Detailelemente,<br />
speziell Rundungen, einfach hergestellt und<br />
montiert werden können.<br />
Gemeinsam mit dem Architekturteam<br />
des Geschäftsgebiets Acrylic Polymers und<br />
dem Geschäftsgebiet Polyurethane Additives<br />
Namen CAMISMA wird vom Bundes ministerium<br />
für Bildung und Forschung gefördert<br />
und gehört zum Rahmenprogramm „Werkstoffinnovationen<br />
für Industrie und Gesellschaft“.<br />
Es ist Anfang April 2011 gestartet und<br />
zunächst auf drei Jahre angelegt.<br />
Im Forschungsprojekt CAMISMA werden unter<br />
anderem unidirektionale CarbonfaserTapes entwickelt.<br />
Dabei handelt es sich um Halbzeuge aus längsgerichteten<br />
Carbonfasern, die mittels eines thermischen<br />
Polymers konsolidiert werden. Aufheizen und Verformen<br />
führen dann zu einem Bauteil<br />
Es geht dabei um Multimaterialsysteme –<br />
zukünftige Leichtbauweisen für ressourcensparende<br />
Mobilität. Bisher wurde ein niedrigeres<br />
Gewicht unter anderem durch dünnere<br />
Bleche erreicht. Mittlerweile sind diese Möglich<br />
kei ten zu einem großen Teil ausgeschöpft.<br />
Da her müssen neue Werkstoffe und Konstruk<br />
tionsweisen entwickelt werden. In<br />
diesem Zusammenhang erfahren faserver-<br />
neWS 19<br />
haben die Entwickler im S2B Eco² bereits<br />
erste Demonstratoren erstellt. Sie bestehen<br />
aus Platten aus PLEXIGLAS® Mineral, die mit<br />
Polyurethan hinterschäumt, nachbearbeitet<br />
und schließlich mit einem Nut-und-Feder-<br />
System versehen wurden. Die Idee, die Fas -<br />
sa denelemente mit marktüblichen Sys temen<br />
an der Wand zu befestigen, sowie das Nutund-Feder-System<br />
kamen vom Archi tek turteam<br />
von Acrylic Polymers, das über entsprechende<br />
Kompetenzen beim Einsatz von<br />
PLEXIGLAS® in der Fassade verfügt. Das Geschäftsgebiet<br />
Polyurethane Additives beriet<br />
und unterstützte technisch insbesondere in<br />
Bezug auf den Dämmstoff Poly ure than. Die<br />
Fassadenplatte ist bereits zum Patent angemeldet.<br />
stärkte Kunststoffe (FVK), insbesondere auf<br />
Basis von Kohlenstofffasern, zunehmende<br />
Auf merk samkeit. Bekannt aus dem Flugzeugbau,<br />
bietet diese Materialgruppe durch ihre<br />
hohe spezifische Festigkeit und aufgrund<br />
ihrer hohen Formgebungsfreiheit die Möglichkeit<br />
für neue Leichtbaukonzepte.<br />
Allerdings sind diese Materialien für<br />
Serienproduktionen im Kraftfahrzeugbau<br />
bislang noch zu teuer. Wesentliche Gründe<br />
hierfür sind die hohen Kosten für die Ausgangs<br />
stoffe und die sehr zeitintensive Herstellung<br />
von Bauteilen aus FVK. Sie kann<br />
wirtschaftlich bislang nicht mit den üblichen<br />
Blech umformverfahren konkurrieren. Genau<br />
hier setzt das Projekt CAMISMA an: „Wir<br />
planen hier kurze Taktzeiten, die auch eine<br />
Groß serienproduktion wirtschaftlich ermöglichen“,<br />
sagt Dr. Matthias Berghahn, Leiter<br />
der Entwicklungslinie „Energieeffizienz Kunden<br />
lösungen“ im Science-to-Business Center<br />
Eco² von <strong>Evonik</strong> und zuständig für das Projekt<br />
CAMISMA.<br />
Ferner ist die Anbindung von FVK-Bauteilen<br />
an die metallbasierte Fahrzeug struktur<br />
noch nicht zufriedenstellend gelöst. Das<br />
Pro jekt soll einen ganzheitlichen Lö sungsansatz<br />
aufzeigen, der einen Zugang zu preiswerten<br />
kohlenstofffaserverstärkten Multimaterial<br />
systemen ermöglicht. Um die Machbarkeit<br />
dieses Konzeptes zu belegen, wird<br />
zum Bei spiel eine Autositzlehnenstruktur<br />
als Funk tions muster entwickelt, gefertigt<br />
und getestet. Ziel ist es, insgesamt mehr als<br />
40 Pro zent des Gewichts im Vergleich zu<br />
her kömm lichen metallbasierten Konstruktio<br />
nen einzusparen.<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
20 KatalYSe<br />
Lindlar-Katalysatoren: die bleifreie Alter<br />
Für die stereoselektive Hydrierung<br />
von Kohlen stoffdreifachbindungen zu<br />
Koh lenstoffdoppel bindungen mit<br />
Lindlar-Katalysatoren hat <strong>Evonik</strong> eine<br />
Technologie entwickelt, die den Einsatz<br />
von Blei überflüssig macht. Im Vergleich<br />
zu den etablierten, bleihaltigen Lindlar-<br />
Katalysatoren überzeugen die neuen<br />
Katalysatoren auch mit ihren katalytischen<br />
Eigenschaften: Sie sind ebenso<br />
selektiv, zeigen aber eine deutlich<br />
höhere Aktivität bei gleichzeitig geringerer<br />
Beladung mit Palladium.<br />
[ text Dr. Dorit Wolf ]<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
beI DeR hYDRIeRUng von Alkinen zu cis-Alkenen sind Lindlar-<br />
Katalysatoren das Mittel der Wahl. Entsprechende Amin-<br />
(Quinolin-)modifizierte und auf CaCO 3 geträgerte Palladiumkatalysatoren,<br />
die partiell mit Blei vergiftet sind, eignen sich nicht<br />
nur für die Hydrierung von Alkinen, sondern auch für die selektive<br />
Hydrierung von Alkenen und von ungesättigten Aldehyden<br />
sowie für die Bildung Boc(tert-Butyloxycarbonyl)-geschützter<br />
Amine aus Aziden. Für diese Anwendungen bietet das Portfolio<br />
von <strong>Evonik</strong> eine besonders leistungsfähige Variante bleihaltiger<br />
Palladium(Pd)-Katalysatoren.<br />
Unter Umweltaspekten ist der Einsatz des giftigen Bleis – es<br />
galt lange als unverzichtbar, weil verantwortlich für die hohe<br />
Stereoselektivität – allerdings ein Nachteil. Hier hat <strong>Evonik</strong> angesetzt<br />
und eine bleifreie Alternative für die Hydrierung von<br />
Alkinen zu cis-Alkenen entwickelt.<br />
Die Basis dafür waren neueste wissenschaftliche Erkenntnisse,<br />
wonach sich die Selektivität der Katalysatoren nicht durch<br />
das Blei, sondern durch Form und Größe der Pd-Nanopartikel<br />
steuern lässt. Die Pd-Partikel müssen dazu sehr klein sein, da<br />
sie nur dann koordinativ ungesättigte Oberflächenplätze aufweisen.<br />
Diese Oberflächenplätze ermöglichen es, durch den<br />
Einbau von nicht toxischen Fremdatomen die elektronischen<br />
Eigenschaften des Pd-Gitters so zu variieren, dass die Löslichkeit<br />
von Wasserstoff im Pd-Gitter herabgesetzt wird. Da der im<br />
Pd-Gitter gelöste Wasserstoff für die nicht selektiven Hydrierreaktionen<br />
– die vollständige Hydrierung zum Alkan – verant-
Abbildung 1<br />
Stereoselektive Hydrierung von 2Hexin<br />
zu cis2Hexen<br />
Abbildungen 2–4<br />
Gezeigt ist die Produktverteilung bei der Umsetzung<br />
von 2Hexin zu cis2Hexen, trans2Hexen und<br />
Hexan für einen klassischen LindlarKatalysator (links)<br />
und neu entwickelte kolloidbasierte Systeme:<br />
Pd/CaCO 3 (Mitte) und Pd/C (rechts)<br />
native<br />
2Hexin cis2Hexen<br />
trans2Hexen Hexan<br />
Lindlar (5 % Pd und 3,5 % Pb/CaCO3) Molarer Anteil [%]<br />
100<br />
●<br />
●<br />
●<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
●<br />
0<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
20<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
40<br />
●<br />
●<br />
●<br />
60<br />
●<br />
● ●<br />
● ●<br />
● ●<br />
80<br />
●<br />
1 % Pd/CaCO3 Molarer Anteil [%]<br />
100<br />
●●●<br />
●<br />
●<br />
80<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
wortlich ist, weisen derartig modifizierte Katalysatoren eine<br />
signifikante Selektivitätsverbesserung auf.<br />
Dieses Prinzip lässt sich auf verschiedenen Trägermateri alien<br />
(oxidische und Aktivkohlen) realisieren. Voraussetzung ist<br />
allerdings, dass die winzigen Palladiumpartikel noch für die<br />
Substrate zugänglich bleiben und nicht im Mikroporengefüge,<br />
beispielsweise von Aktivkohlen, verschwinden.<br />
<strong>Evonik</strong> hat hierzu basierend auf der Kolloidtechnologie ein<br />
entsprechendes Herstellungsverfahren für die Katalysatoren<br />
entwickelt. Auf diese Weise lässt sich die Aktivität im Vergleich<br />
zur Lindlar-Technologie nahezu verfünffachen bzw. die Pd-<br />
Beladung entsprechend senken. Die Selektivitäten der so erzeugten<br />
Katalysatoren bei der Umsetzung von Alkinen zu<br />
cis-Alkenen liegen auf einem vergleichbar hohen Niveau wie die<br />
der klassischen Lindlar-Katalysatoren.<br />
Eine einfache Modellreaktion, die stereoselektive Hydrierung<br />
von 2-Hexin zu cis-2-Hexen (Abb. 1), verdeutlicht die Leistungsfähigkeit<br />
der bleifreien Katalysatoren. Während der mit<br />
Blei dotierte Lindlar-Katalysator eine Pd-Beladung von fünf Prozent<br />
aufweist, konnte die Edelmetallbeladung bei den kolloidbasierten<br />
bleifreien Systemen auf ein Prozent reduziert werden,<br />
ohne dass die Aktivität abnahm. Gleichzeitig werden sehr hohe<br />
Stereoselektivitäten und damit Ausbeuten zum gewünschten<br />
cis-2-Hexen erzielt (Abb. 2–4). Aktuell optimiert das Geschäftsgebiet<br />
Catalysts die Technologie gemeinsam mit einem Kunden<br />
für industriell relevante Substrate. 777<br />
100<br />
Zeit [min]<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
●<br />
H 2<br />
Katalysator Katalysator<br />
● ● ● ●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
● ● ● ● ●<br />
0<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
45 90 135 180 225<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Zeit [min]<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
ReFeRenZen<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
KatalYSe 21<br />
PD Dr. Dorit Wolf ist seit 2004<br />
Grup penleiterin in F&E im <strong>Evonik</strong>-<br />
Ges chäftsgebiet Catalysts. Nach Studium<br />
der Chemie an der Univer sität Leipzig<br />
und der Promotion 1991 habilitierte sie<br />
sich 1997 am Lehrstuhl für Technische<br />
Chemie der Ruhr-Universität Bochum.<br />
Nach ihrer Habi litation übernahm sie<br />
die Leitung der Arbeitsgruppe Reaktions<br />
technik am Institut für Angewandte<br />
Chemie Berlin Adlershof e.V. 2001<br />
wechselte sie zu <strong>Evonik</strong> und leitete im<br />
Projekt haus Katalyse die Gruppe<br />
Hete rogene Katalyse.<br />
+49 6181 59-8746<br />
dorit.wolf@evonik.com<br />
[1] Lindlar, H.: Helv. Chim. Acta 1952, 35, 446<br />
[2] Ghosh, A. K.; Krishnan, K.: Tetrahedron Letters 1998, 39, 947<br />
[3] Righi, G.; Rossi, L.: Synthetic Communications 1996, 26, 1321<br />
[4] Teschner, D. et al.: J. Catal. 2006, 242, 26<br />
[5] Klasovsky, F.; Wolf, D.: Top. Catal. 2009, 52, 412–423<br />
H 2<br />
1 % Pb/C<br />
Molarer Anteil [%]<br />
100<br />
●<br />
● ● ●<br />
●<br />
● ● ● ● ● ●<br />
● ● ●<br />
●<br />
0<br />
●<br />
●<br />
●●●●●●● ● ● ● ● ●<br />
● ●<br />
● ● ● ●<br />
40 80 120<br />
160<br />
200<br />
Zeit [min]<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
22 ÖKobIlanZ<br />
Präziser Blick aufs Ganze<br />
Life Cycle Thinking: Eigenes Expertenteam bewertet bei neuen Produkten und Prozessen den gesamten Lebenszyklus<br />
Mit Mengen und Marktpreis allein lässt sich heute die Wertigkeit eines chemischen Produkts nicht<br />
mehr beschreiben. Experten von <strong>Evonik</strong> nutzen Ökobilanzen und Carbon Footprints, um den<br />
kompletten Lebenszyklus zu analysieren. Denn durch Life Cycle Thinking kann ein Unternehmen<br />
Wirtschaftlichkeit und Ökologie über die Werksgrenzen hinaus eng verzahnen.<br />
[ text Thomas Engenhorst, Dr. Karsten Grönke ]<br />
e10 ja oDeR neIn? Über Wochen beherrschte die Debatte um<br />
den mit Bioethanol versetzten Kraftstoff in Deutschland die<br />
Schlagzeilen. Die Lehren daraus? Verbraucher sind schnell verunsichert,<br />
wenn ihnen die Vorteile eines neuen Produkts nicht<br />
klar kommuniziert werden. Bio hin oder her. Rohstoff- und Produktionsketten<br />
sind heute so komplex, dass keiner auf Anhieb<br />
sagen kann, wie „öko“ eigentlich ein Produkt wirklich ist, das<br />
Bio im Namen trägt.<br />
Noch vor einigen Jahren hätte sich kaum jemand Gedanken<br />
darüber gemacht, ob der zusätzliche Bioethanol in deutschen<br />
Kraftstofftanks womöglich an anderer Stelle der Welt negative<br />
Auswirkungen mit sich bringen könnte. Das wäre beispielsweise<br />
dann der Fall, wenn zur Erzeugung der pflanzlichen Rohstoffe<br />
für die Alkoholgewinnung Wald oder Weideflächen in Ackerland<br />
umgewandelt würden. Oder wenn dafür dringend benötigte<br />
Nahrungsmittel statt auf den Teller letzten Endes in den Tank<br />
wanderten.<br />
Heute ist dieser Blick aufs Ganze in nahezu allen innovativen<br />
Branchen angekommen. Auch in der chemischen Industrie. Bei<br />
der Entwicklung neuer oder der Verbesserung bestehender Produkte<br />
geht es nicht mehr nur um den ökonomischen Mehrwert.<br />
Im Mittelpunkt stehen noch ganz andere Fragen: Wie umwelt-<br />
und klimaverträglich ist die gesamte Wertschöpfungskette? Ist<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
der gesamte Lebenszyklus wirklich nachhaltig? Und wie sehr<br />
unterscheiden sich „neu“ und „alt“ bei ihren Umweltauswirkungen<br />
ganz konkret?<br />
Ökobilanz und Carbon Footprint<br />
Das Instrumentarium, um diese Fragen zu beantworten, gibt es<br />
seit Jahren: die Ökobilanz, englisch Life Cycle Assessment (LCA).<br />
Mit einer Ökobilanz werden systematisch die Auswirkungen von<br />
Produkten und Prozessketten auf die Umwelt analysiert. Abhängig<br />
von der konkreten Fragestellung kann der gesamte Lebensweg<br />
des Produkts betrachtet und bilanziert werden – von der<br />
Rohstoffgewinnung über die Erzeugung der benötigten Energie,<br />
die Materialherstellung, den Transport, die Anwendung und<br />
Nutzung bis hin zum Recycling oder zur endgültigen Beseitigung.<br />
Mithilfe des Life Cycle Thinking können verschiedene Prozessrouten<br />
für das gleiche Produkt oder aber Alternativen mit gleichem<br />
Kundennutzen miteinander verglichen werden. Daneben<br />
decken Ökobilanzen auch Schwachstellen auf und zeigen Möglichkeiten<br />
zur Verbesserung der Umwelteigenschaften in den<br />
verschiedenen Phasen der Wertschöpfungskette.<br />
Obwohl mit einer Ökobilanz eine Vielzahl von Umweltauswirkungen<br />
von Produkten und Dienstleistungen betrachtet 333
In Ökobilanzen werden die einzelnen<br />
Phasen des Produktlebens wegs sowie<br />
sämtliche Umweltaspekte betrachtet<br />
Wirkungskategorien<br />
Rohstoffe<br />
. . .<br />
Ozonabbau<br />
Eutrophierung<br />
Versauerung<br />
Globale Erwärmung<br />
Cradle to Gate<br />
Produktion<br />
. . .<br />
Ozonabbau<br />
Eutrophierung<br />
Versauerung<br />
Globale Erwärmung<br />
Gate to Gate<br />
Cradle to Cradle/Grave<br />
Lebenszyklus<br />
Gebrauch des Produkts<br />
. . .<br />
Ozonabbau<br />
Eutrophierung<br />
Versauerung<br />
Globale Erwärmung<br />
ÖKobIlanZ 23<br />
Wie umwelt und klimaverträglich<br />
ist die gesamte Wertschöpfungskette<br />
für ein Produkt – hier das Beispiel<br />
Wärmedämmung – von den Rohstoffen<br />
über seine Herstellung bis hin zu<br />
seiner Entsorgung? Ist der gesamte<br />
Lebenszyklus wirklich nachhaltig?<br />
Antworten darauf liefert die Ökobilanz<br />
Recycling/Entsorgung<br />
. . .<br />
Ozonabbau<br />
Eutrophierung<br />
Versauerung<br />
Globale Erwärmung<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
24 ÖKobIlanZ<br />
Mit der selbst entwickelten und von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
PricewaterhouseCoopers<br />
zertifizierten Methode der Carbon Footprint Estimation<br />
untersucht die LCAGruppe alle Projekte im<br />
Forschungs und Entwicklungsstadium des S2B Eco²<br />
333 werden können, konzentriert sich die öffentliche Diskussion<br />
seit wenigen Jahren vor allem auf deren Relevanz für den Klimaschutz.<br />
Daher haben internationale Experten speziell für die<br />
produktspezifische Bilanzierung von Klimagasen in den vergangenen<br />
Jahren Methoden zur Errechnung des sogenannten Carbon<br />
Footprint entwickelt. Der „CO2-Fußabdruck“ ist ein Maß<br />
für alle Treibhausgasemissionen (angegeben in CO2-Äquivalen ten, CO2e), die im Lebenszyklus eines bestimmten Produkts anfallen.<br />
Der Carbon Footprint ist damit ein wirksames Instrument,<br />
um die Klimawirksamkeit von Waren und Dienstleistungen zu<br />
bestimmen, zu bewerten und zu kommunizieren.<br />
Sowohl LCA als auch der Carbon Footprint sind mittlerweile<br />
international anerkannte Werkzeuge. Ökobilanzen basieren auf<br />
der ISO-Norm 14040, ebenso wie aktuell noch der Carbon Footprint.<br />
Speziell für Letzteren wird allerdings zusätzlich die ISO-<br />
Norm 14067 ausgearbeitet, die 2012 veröffentlicht werden soll.<br />
Denn der CO2-Fußabdruck hat sich mittlerweile zu einem Leitwert<br />
innerhalb einer LCA entwickelt und gilt derzeit als wichtigster<br />
Indikator mit großer politischer und internationaler Relevanz.<br />
So steigert er bei Unternehmen und deren Lieferanten<br />
und Kunden das Bewusstsein für die Klimarelevanz von Produkten<br />
und Dienstleistungen. Ökobilanzen und Carbon Footprints<br />
sind daher wertvolle Marketinginstrumente und gleichzeitig für<br />
das Unternehmen selbst wichtige Bausteine bei der Weiterentwicklung<br />
einer nachhaltigen Unternehmensstrategie.<br />
Kunden wollen Bescheid wissen<br />
Auch bei <strong>Evonik</strong> haben diese Themen innerhalb relativ kurzer<br />
Zeit enorm an Bedeutung gewonnen. Im Unternehmen wurde<br />
dazu im Science-to-Business (S2B) Center Eco² der Creavis Technologies<br />
& Innovation, das sich mit Projekten zu Megatrends rund<br />
um die Themen Klima und Energie beschäftigt, ein neunköpfiges<br />
LCA-Expertenteam etabliert. Dieses setzt sich aus Wissenschaftlern<br />
und Ingenieuren verschiedener Disziplinen aus dem<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering zusammen.<br />
Seine Aufgabe: konzernübergreifende LCA-Standards zu entwickeln,<br />
die Produkte und Prozesse von <strong>Evonik</strong> hinsichtlich ihrer<br />
Nachhaltigkeit und Klimarelevanz zu bewerten und die LCA-<br />
Experten in den einzelnen Geschäftsbereichen mit internen Prozessanalysen<br />
und kundenwirksamen Studien zu unterstützen.<br />
Denn: <strong>Evonik</strong> mit seinem großen Produktportfolio ist auf<br />
eine Vielzahl von importierten Rohstoffen angewiesen, die sich<br />
in Umwelt- und Klimarelevanz, Gewinnung und Erzeugung stark<br />
unterscheiden. Ein international agierendes Unternehmen wie<br />
<strong>Evonik</strong> kann durch seine engen Beziehungen zu Rohstofflieferanten<br />
einerseits und zu Kunden andererseits einen wichtigen<br />
Beitrag zu einer ökologischen Verbesserung der Wertschöpfungsketten<br />
leisten.<br />
Dieses Ziel spiegelt sich in konkreten Fragen wider, denen<br />
sich die Experten und Entwickler bei <strong>Evonik</strong> stellen: Wie können<br />
Produkte und Prozesse nachhaltiger werden? Welchen CO 2 -<br />
Fußabdruck hat eine bestimmte Chemikalie? Wie viel CO 2 spart<br />
ein Kunde ein, der künftig ein verbessertes Produkt einsetzt?<br />
Wie kann das Gesamtunternehmen seine Treibhausgasemissionen<br />
am effizientesten reduzieren?<br />
Mit Fragen dieser Art beschäftigen sich die Experten nicht aus<br />
Altruismus. Vielmehr wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der diesbezüglichen<br />
konkreten Kundenanfragen. Das gilt insbesondere<br />
für Geschäftsbereiche, die ihre Produkte an die Konsumgüterindustrie<br />
liefern oder die in „CO 2 -sensiblen“ Märkten operieren,<br />
etwa in der Automobilindustrie. Ein willkommener Nebeneffekt<br />
bei der Beschäftigung mit Lebenszyklen und der Klimarelevanz<br />
von Produkten: Häufig entsteht dabei eine Ko operation zwischen<br />
<strong>Evonik</strong> und Kunden, die sich gemeinsam die Frage stellen, wie<br />
Produkte weiter verbessert werden können.<br />
Life Cycle Thinking beginnt bereits im Labor. Also dort, wo<br />
sich Entwickler Gedanken machen über neue oder verbesserte<br />
Produkte und Prozesse. So nimmt die LCA-Gruppe seit 2009 alle<br />
Projekte des S2B Eco² im Forschungs- und Entwicklungsstadium
Rohstoffe<br />
Transport<br />
CO 2 eRucksack<br />
Thermische Energie Strom<br />
Bei der CarbonFootprintEstimation<br />
Methodik stehen die Treibhausgase im<br />
Mittelpunkt. Dabei werden die Emissionen<br />
an CO 2 Äquivalenten (CO 2 e) über den<br />
gesamten Lebensweg abgeschätzt<br />
Produktionsprozess<br />
Produkt<br />
Nebenprodukt<br />
Prozessbedingte<br />
CO 2eEmissionen<br />
unter die Lupe und erarbeitet sowohl für die dort bearbeiteten<br />
Forschungsprojekte als auch für die Vorhaben der unterschiedlichen<br />
Geschäftsbereiche im Konzern Ökobilanzen und Carbon<br />
Footprints. Denn nicht alles, was neu ist, ist per se nachhaltig.<br />
Und damit ein ökonomisches Plus Hand in Hand geht mit ökologischem<br />
Mehrwert, müssen die für eine gute Ökobilanz wesentlichen<br />
Punkte frühzeitig adressiert werden.<br />
Wie aber führt man solche Analysen durch, wenn das neue<br />
Produkt oder der verbesserte Prozess erst im Laborstadium existiert?<br />
In dieser frühen Phase sind viele Randbedingungen noch<br />
ungeklärt, beispielsweise an welchem Standort später produziert<br />
werden soll, welche realen Ausbeuten der Prozess im großtechnischen<br />
Maßstab haben wird oder wie sich der konkrete Energiemix<br />
bei Aufnahme der Produktion zusammensetzt.<br />
Für Berechnungen in diesem frühen Stadium hat die LCA-<br />
Gruppe im S2B Eco² die Carbon-Footprint-Estimation-(CFE-)<br />
Me thodik entwickelt. Diese erlaubt eine standardisierte Bewertung<br />
von Forschungsprojekten in allen Lebenszyklusphasen und<br />
stellt dadurch sicher, dass unterschiedliche Produktentwicklungen<br />
von <strong>Evonik</strong> nach vergleichbaren Kriterien bewertet werden.<br />
Das Modell sieht verschiedene Möglichkeiten vor, um das Risiko<br />
unvollständiger oder schlechter Daten zu minimieren, beispielsweise<br />
durch iterative Expertenkontrollen und die Verwendung<br />
konservativer Annahmen. Die von der unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
PricewaterhouseCoopers (PwC) geprüfte<br />
Methodik richtet den Fokus zwar insbesondere auf die<br />
Klimaauswirkungen, kann jedoch um zusätzliche ökolo gische<br />
oder soziale Faktoren erweitert werden. Sie lässt sich darüber<br />
hinaus auf gezielte Fragestellungen in anderen F&E-Bereichen<br />
übertragen.<br />
Die Projekte des S2B Eco² durchlaufen in der Bewertung einen<br />
mehrstufigen iterativen Prozess und müssen in ihren verschiedenen<br />
Entwicklungsstadien einen positiven Einfluss auf die<br />
Klimabilanz unter Beweis stellen. Die entscheidende Frage bei<br />
den Analysen ist, ob das neue Produkt oder der verbesserte Pro-<br />
Produktgebrauch<br />
Thermische Verwertung<br />
Ende des<br />
Produktlebenszyklus<br />
Cradle to Gate Gate to Grave<br />
ÖKobIlanZ 25<br />
duktionsprozess in der Lage ist, jährlich die vorgegebene Menge<br />
CO 2 -Äquivalente über den gesamten Lebenszyklus einzusparen.<br />
Nur wenn diese Frage mit Ja beantwortet werden kann, erhält<br />
das Forschungsprojekt in dieser Dimension grünes Licht.<br />
Aminosäurediät für eine<br />
nachhaltigere Tiermast<br />
Recycling<br />
Entsorgung<br />
Eine Ökobilanz allein hat nur beschränkten Nutzen. Ihren Wert<br />
spielt sie immer im direkten Vergleich aus – idealerweise mit<br />
einem Produkt, das bereits am Markt etabliert ist oder das denselben<br />
Zweck erfüllt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der<br />
Vergleich von verschiedenen Futtermitteln für Schweine oder<br />
Hühner. <strong>Evonik</strong> produziert die vier für die Tierernährung wichtigsten<br />
Aminosäuren, die wesentlich darüber bestimmen, wie<br />
effizient das Eiweiß im Futter verwertet werden kann. Weil gängige<br />
pflanzliche Futtermittel immer Defizite an einer oder mehreren<br />
Aminosäuren aufweisen, brauchen die Tiere in der Regel<br />
mehr Futter. In der Folge produzieren sie auch mehr Gülle, die<br />
das Grundwasser mit Nitrat und die Luft mit Ammoniak belastet.<br />
Wird Tierfutter dagegen so zusammengestellt, dass es ein<br />
maßgeschneidertes Aminosäurespektrum bietet, ist damit nicht<br />
nur eine optimale Versorgung der Tiere sichergestellt. Gleichzeitig<br />
werden sowohl die stickstoffhaltigen Emissionen als auch<br />
die Treibhausgase der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion<br />
im gesamten Lebenszyklus (Ackerbau,Verarbeitung<br />
etc.) gemindert.<br />
In umfangreichen Ökobilanzen wiesen Experten von <strong>Evonik</strong><br />
nach, dass der gezielte Zusatz bestimmter Aminosäuren zum<br />
Futter wesentliche Vorteile hat gegenüber einer Supplementierung<br />
mit proteinreichem Raps- oder Sojaschrot (s. elements33,<br />
S. 8ff). Für die Schweinemast beispielsweise haben sie errechnet,<br />
dass die Emissionen an CO 2-Äquivalenten um den Faktor zwei<br />
bis fünf, das Versauerungspotenzial um den Faktor zwölf, das Eutrophierungspotenzial<br />
um den Faktor 16 niedriger liegen. 333<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
26 ÖKobIlanZ<br />
AminoFootprint, der „Ökorechner“ von<br />
<strong>Evonik</strong>: Mit dieser Software können Kunden<br />
aus der Futter mittel industrie verschiedene<br />
Futtermittel mischungen im Hinblick auf die<br />
Umweltauswirkungen über den gesamten<br />
Lebensweg vergleichen<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
333 Die Zugabe von Aminosäuren ersetzt zudem pflanzliche Ressourcen<br />
und verringert die notwendige Anbaufläche. Darüber<br />
hinaus muss weniger Energie zur Verarbeitung und Bereitstellung<br />
der erforderlichen Rohstoffe aufgewendet werden. Für die<br />
Unterstützung der Kunden des Geschäftsbereichs Health & Nutrition<br />
bei der ökologischen Bewertung von unterschiedlichen<br />
Futtermittelmischungen über den gesamten Lebensweg hat die<br />
LCA-Gruppe in Zusammenarbeit mit den Experten des Geschäftsbereichs<br />
die Software AminoFootprint entwickelt.<br />
Aus Rizinusöl entstehen hochwertige Polymere<br />
Viele Ökobilanzen in der chemischen Industrie stellen die Frage<br />
„Bio oder fossil?“, suchen also den Vergleich von nachwachsenden<br />
mit öl-, gas- oder kohlebasierten Rohstoffen. Nachwachsende<br />
Rohstoffe (NaWaRo) gewinnen selbst in technisch anspruchsvollen<br />
Einsatzbereichen immer mehr an Bedeutung. Ihr<br />
Vorteil kann die günstigere CO 2 -Bilanz sein: Werden Inhaltsstoffe<br />
von Pflanzen in chemischen Prozessen umgewandelt und<br />
weiterverarbeitet, wird dabei zwangsläufig Energie verbraucht<br />
und Kohlendioxid erzeugt. Je nach Effizienz der Verfahren wird<br />
in Summe entsprechend mehr oder weniger als die Menge des<br />
zuvor beim Wachstum pflanzlich gebundenen CO 2 ausgestoßen.<br />
Auch Polymerketten lassen sich ganz oder teilweise aus biobasierten<br />
Bausteinen synthetisieren. Zu den seit Langem am<br />
Markt bewährten Polyamiden von <strong>Evonik</strong> gehört die Produktfamilie<br />
VESTAMID® des Geschäftsbereichs Performance Polymers,<br />
die meist für langlebige und technisch anspruchsvolle Anwendungen<br />
genutzt wird: für Kraftstoff- und Bremsleitungen<br />
im Automobil, für Erdölförderleitungen und Gasdruckrohre, für<br />
Sohlen hochwertiger Sportschuhe oder für antielektrostatische<br />
Gehäuse von Geräten.<br />
Seit 2008 produziert <strong>Evonik</strong> in einer Anlage südlich von<br />
Schanghai aus Rizinusöl eine Reihe von Monomeren für mehrere<br />
biobasierte Polyamide, die unter dem Namen VESTAMID®<br />
Terra vermarktet werden. Die Berechnungen zeigten, dass das<br />
globale Erderwärmungspotenzial beispielsweise des VESTAMID®<br />
Terra HS (Polyamid 610) geringer ausfällt als das des chemisch<br />
Der tropische Wunderbaum<br />
(Ricinus communis) als Rohstoffquelle:<br />
In Schanghai produziert <strong>Evonik</strong> aus<br />
Rizinusöl, das aus den Samen der<br />
Pflanze gewonnen wird, Monomere<br />
für biobasierte Polyamide<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
6 8<br />
O O<br />
VESTAMID® Terra HS<br />
PA 610<br />
Basiert zu 62 Prozent auf<br />
nachwachsenden Rohstoffen<br />
n<br />
ÖKobIlanZ 27<br />
ähnlichen und fossil erzeugten Polyamids 6 („Perlon“, Vergleich<br />
basiert auf Literaturwerten). Wird darüber hinaus noch der Produktionsprozess<br />
für den Kunststoff optimiert, sinken die Emissionen<br />
an CO 2 -Äquivalenten um 15 bis 20 Prozent.<br />
Nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzenöle oder Zucker haben<br />
sich in den vergangenen Jahren einen festen Platz im<br />
Stoffspektrum der chemischen Industrie erobert. Bei <strong>Evonik</strong> sind<br />
derzeit etwa sieben Prozent aller Ausgangsmaterialien biobasiert.<br />
Für Rohstoffe vom Acker spricht vieles: Sie sind nicht<br />
endlich. Sie haben oftmals ein gutes Image bei Kunden, Politik,<br />
Medien und Endverbrauchern. Außerdem hat die Natur insbesondere<br />
in Pflanzen eine unüberschaubar große Vielfalt an Substanzen<br />
geschaffen, deren Potenzial die chemische Industrie<br />
noch längst nicht ausgeschöpft hat.<br />
Dass der Chemie dabei eine ähnliche Debatte wie dem E10<br />
droht, ist eher unwahrscheinlich. Im Vergleich zur kraftstofferzeugenden<br />
Industrie benötigt die chemische Industrie eine um<br />
Größenordnungen geringere Menge an pflanzlichen Rohstoffen.<br />
In einer groß angelegten Studie des internationalen Chemieverbandes<br />
ICCA (www.icca-chem.org) konnte gezeigt werden, dass<br />
die chemische Industrie viele Produkte und Lösungen anbietet,<br />
die zur Verringerung von Treibhausgasemissionen führen. So<br />
kann beispielsweise der Einsatz von neuen Hochleistungspolymeren<br />
im Automobilbau zu einer Verringerung des Fahrzeuggewichts<br />
und damit zur Kraftstoffeinsparung beitragen.<br />
„Bio“ ist nicht immer ökologischer<br />
Allerdings: Nicht immer ist „bio“ nachhaltig und ökologisch sinnvoller<br />
als die klassische Chemie. Beispielsweise dann nicht, wenn<br />
die Nutzung nachwachsender Rohstoffe einen besonders hohen<br />
Energieinput benötigt oder wenn im Lebenszyklus des Produkts<br />
schädliche oder gar giftige Emissionen freigesetzt werden.<br />
Ökobilanzierer tun sich mit NaWaRo manchmal noch etwas<br />
schwer. Denn gerade die regionalen Besonderheiten und die<br />
häufig noch schlechte Datenlage führen zu einer großen Bandbreite<br />
an Ergebnissen. Darüber hinaus wird in verschiedenen<br />
Gremien noch an einer Standardisierung der Methodik 333<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
10 8<br />
O O<br />
VESTAMID® Terra DS<br />
PA 1010<br />
Basiert zu 100 Prozent auf<br />
nachwachsenden Rohstoffen<br />
n<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
10 10<br />
O O<br />
VESTAMID® Terra DD<br />
PA 1012<br />
Basiert zu 45 Prozent auf<br />
nachwachsenden Rohstoffen<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
n
28 ÖKobIlanZ<br />
naChhaltIgeRe ChemIe<br />
Chemie oder Bio? Chemie und Bio!<br />
Schon seit vielen Jahren gibt es den scheinbaren<br />
Konflikt zwischen Chemie und Bio.<br />
Erstere steht typischerweise für die Produk<br />
t ion mit organischen Lösemitteln unter<br />
hohem Druck und erhöhten Temperaturen.<br />
Bio umfasst die biotechnologischen Verfahren,<br />
bei denen spezielle Mikroorganismen<br />
oder daraus isolierte Enzyme in wässriger<br />
Lösung unter milden Bedingungen die gewünschten<br />
Rohstoffe bilden.<br />
Tatsächlich haben biotechnologische<br />
Prozesse große Fortschritte gemacht. Sie<br />
sind heute effizienter und wirtschaftlicher<br />
als noch vor wenigen Jahren. Sie sparen<br />
Fließschema des enzymatischen<br />
und des chemischen<br />
Herstel lungsprozesses für<br />
EmollientEster, die <strong>Evonik</strong><br />
mittels einer Ökobilanz<br />
verglichen hat<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Lassen sich Holzabfälle<br />
vollständig für Che mieprodukte<br />
verwerten?<br />
Dieser Frage geht ein<br />
Forschungsverbund aus<br />
20 Partnern, darunter<br />
<strong>Evonik</strong>, in Leuna nach<br />
Konventionell<br />
Flüchtige Verbindungen<br />
Abwasser<br />
Abwasser<br />
Feststoffabfälle<br />
in der Regel Energie, erzeugen wenig Abfall,<br />
die Gefahren für Mensch und Umwelt sind<br />
gering.<br />
Dieses Potenzial nutzt <strong>Evonik</strong> beispielsweise<br />
für die biotechnologische Produktion<br />
sogenannter Emollient-Ester, wichtiger<br />
Inhalts stoffe für zahlreiche Hautpflege produkte.<br />
<strong>Evonik</strong> produziert sechs dieser Ester<br />
als weltweit einziger Anbieter auf biotechnologischem<br />
Weg mit maßgeschneiderten<br />
Enzymen. Das jüngste Pro dukt dieser Reihe,<br />
TEGOSOFT® AC, zeichnet sich durch besondere<br />
Leichtig keit und geringe Öligkeit<br />
aus. Die Ökobilanz spricht eine deutliche<br />
Rohstoffe<br />
Reaktion<br />
Desodorierung<br />
Bleichen<br />
Trocknen<br />
Filtration<br />
Verpackung<br />
Katalysator<br />
Dampf<br />
Bleichmittel<br />
Filterhilfsstoffe<br />
Sprache. Der Vergleich der Herstellung<br />
eines Emollient-Esters durch Lipase B aus<br />
einem Candida-Bakterium mit der konventionellen<br />
Synthese bei 220 °C mit Zinn(II)salzen<br />
als Katalysator zeigte: Der biokatalytische<br />
Weg spart mehr als 60 Prozent<br />
Energie und vermeidet 88 Prozent umweltbelastende<br />
Verunreinigungen.<br />
Trotz solcher Erfolge wird auch heute<br />
noch die überwiegende Zahl der Chemiepro<br />
dukte klassisch synthetisiert. Denn biotechnologische<br />
Prozesse benötigen eine<br />
lange Entwicklungszeit, die Aufar beitung,<br />
Reinigung und Konzentration der erzeug-<br />
Enzymatisch<br />
Rezyklierter<br />
Katalysator<br />
Temperatur<br />
> 180 °C<br />
140 °C<br />
100 °C<br />
60 °C<br />
20 °C<br />
Rohstoffe<br />
Reaktion<br />
Verpackung
ten Bioche mikalien ist aufwendig, der Umgang<br />
mit empfindlichen Zellen oder Enzymen<br />
nicht immer einfach.<br />
Chemie oder Bio? In vielen Fällen stellt<br />
sich diese Frage so gar nicht. In Zukunft<br />
wird die Kombination aus beidem der Königsweg<br />
sein. Wenn chemische und biologische<br />
Synthesen verzahnt werden, können<br />
beide Disziplinen ihre Stärken kombinieren:<br />
die Che mie beim Umsatz großer Volumina<br />
und bei der Synthese einfacher Mole küle,<br />
die Biologie bei der Bildung komplexer<br />
Struk tu ren und der Umwand lung schwer<br />
spaltbarer Ausgangsstoffe.<br />
Ein Einstieg in diese neue Kooperation<br />
könnten Bioraffinerien sein. In diesen Anlagen<br />
entstehen analog zu petrochemischen<br />
Raf finerien kaskadenartig ganz unterschiedliche<br />
Chemikalien, Roh stoffe oder Kraftstoffe<br />
– allerdings nicht aus Rohöl, sondern<br />
aus Biomasse. Bioraffinerien der zweiten<br />
Generation verarbeiten nicht mehr nur<br />
Stärke und Zucker wie ihre Vorgänger, sondern<br />
Ligno cellulose aus Pflanzenab fäl len<br />
wie Stroh und Bagasse, den fase rigen Überresten<br />
der Zuckerherstellung.<br />
<strong>Evonik</strong> beteiligt sich an einem Forschungsverbund<br />
aus 20 Part nern, der eine<br />
Testanlage im 100-Tonnen-Maßstab am<br />
Chemie standort Leuna in Betrieb nehmen<br />
will. In der dreijährigen Pilot phase soll die<br />
vollständige Verwertung von Holzab fällen<br />
in Chemie produkte erstmals getestet und<br />
die Basis für industrietaugliche Prozes se<br />
gelegt werden. Gelingt es, wertvolle Rohstoffe<br />
aus Materialien herzustellen, die<br />
bisher nichts weiter als Abfälle oder billige<br />
Brennstoffe sind, wäre das ein großer Schritt<br />
nach vorn – für die weiße Biotech no logie<br />
als Disziplin, aber auch ganz allgemein für<br />
eine nachhaltigere Chemie.<br />
ÖKobIlanZ 29<br />
333<br />
gearbeitet. Die objektive Darstellung inklusive aller Randbedingungen<br />
und die Interpretation der Ergebnisse sind daher<br />
von zentraler Bedeutung.<br />
Dagegen sind die Resultate für fossile Rohstoffe recht gut<br />
nach vollziehbar und zeigen relativ geringe Abweichungen. Auf<br />
Ökobilanzen spezialisierte Firmen haben mittlerweile Software-<br />
Pakete entwickelt, die die vielen Einflussfaktoren in einen praktikablen<br />
Zusammenhang bringen. <strong>Evonik</strong> nutzt für seine Berechnungen<br />
eine Software mit dem Namen GaBi, entwickelt von<br />
PE International mit Sitz in Stuttgart – eine Firma, die Marktführer<br />
ist bei Ökobilanzmodulen für industrielle Prozesse.<br />
Trotz aller Fragen, die Ökobilanzen und Carbon Footprint<br />
derzeit noch aufwerfen: In fünf bis zehn Jahren, davon sind wir<br />
überzeugt, wird die ganzheitliche Bilanzierung von alternativen<br />
Rohstoffen, von neuen Produkten und Prozessen im chemischen<br />
Alltag fest verankert sein. Bis dahin werden sich Standardisierung<br />
und Normung weiterentwickelt haben. Transparenz, Glaubwürdigkeit,<br />
Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Resul tate<br />
werden wachsen.<br />
Allerdings: Life Cycle Thinking ist eine bestimmt nicht einfache<br />
Herausforderung. Wir stehen erst am Anfang einer umwälzenden<br />
Entwicklung. Die chemische Industrie muss über<br />
kurz oder lang ihre gesamte Rohstoffbasis neu entwickeln. Sie<br />
muss ihre endlichen fossilen Rohstoffe wann immer möglich und<br />
sinnvoll gegen nachwachsende ersetzen. Und das nicht nur durch<br />
bloßen Austausch, sondern auch durch wirtschaftliche und geschickte<br />
Integration in die bestehenden Produktionsketten.<br />
LCA und Carbon Footprint helfen dabei, den Blick aufs Ganze<br />
zu richten, Zusammenhänge zu verstehen, einzelne Abschnitte<br />
einer Wertschöpfungskette zu bewerten und Schwachstellen<br />
aufzuspüren. Sie helfen, anders gesagt, ganzheitlich zu denken –<br />
eine unabdingbare Voraussetzung in einer Welt mit immer komplexeren<br />
Rohstoff- und Produktströmen, mit weiter wachsenden<br />
Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz, mit der Verpflichtung,<br />
zur Verfügung stehende Rohstoffe so sparsam, so intelligent<br />
und so effizient wie nur möglich zu nutzen. 777<br />
thomas engenhorst studierte Bioingenieurwesen<br />
an der TU Braunschweig, wobei er ein Jahr unter<br />
Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes<br />
an der Universität Waterloo in Kanada absolvierte.<br />
Er ist seit 2008 Mitarbeiter bei Verfahrenstechnik<br />
& Engineering. Neben der Bearbeitung von<br />
bioverfahrenstechnischen Fragestellungen ist er in der<br />
LCA-Gruppe für Koordination, Durchführung und<br />
Weiterentwicklung von Life Cycle Assessments und<br />
deren Nutzung unter anderem bei Kunden, Industrieverbänden<br />
sowie im Rahmen von Förderprojekten<br />
verantwortlich.<br />
+49 6181 59-3865, thomas.engenhorst@evonik.com<br />
Dr. Karsten grönke studierte Verfahrenstechnik an<br />
der TU Cottbus. Nach einem Auslandsjahr an der TU<br />
Delft im Bereich Biotechnologie, Diplomarbeit bei der<br />
Bayer AG in der Bioverfahrenstechnik und Promotion<br />
in der Fermentationstechnik am Institut für Biotech nologie<br />
im Forschungszentrum Jülich ist er seit 2006 in<br />
der biotechnologischen Prozessentwicklung im Service -<br />
bereich Verfahrenstechnik & Engineering tätig.<br />
Da ne ben entwickelt er in der LCA-Gruppe im S2B Eco²<br />
LCA-Methoden und erstellt Ökobilanzen – für Produkte<br />
und Forschungsprojekte von <strong>Evonik</strong>.<br />
+49 2365 49-2384, karsten.groenke@evonik.com<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
30 neWS<br />
Zahnersatz auf Basis von VESTAKEEP® PEEK auch für Allergiker geeignet<br />
VESTAKEEP® PEEK von <strong>Evonik</strong> Industries<br />
dient als Basismaterial für die neuen Halbzeuge<br />
der NT-Trading GmbH zur Produktion<br />
von Zahnersatz. Die Halbzeuge mit dem<br />
Na men Dentokeep bieten gegenüber den<br />
bisher verwendeten Materialien eine Reihe<br />
von Vor teilen: Halbzeuge aus Dentokeep<br />
haben bes sere mechanische Eigenschaften als<br />
herkömmliche Halbzeuge, sind leichter zu<br />
verarbeiten als Keramik und im Gegensatz zu<br />
Titan auch für Allergiker geeignet. Zudem ist<br />
der Hochleistungskunststoff Polyethe r etherketon<br />
(PEEK) elastischer als Metall. Für den<br />
Patienten bedeutet dies einen angenehmeren<br />
und natürlicheren Tragekomfort.<br />
Dentokeep eignet sich für Kronen,<br />
Brü cken und Schienen genau so wie für<br />
herausnehmbare Konstruktionen mit Halteele<br />
men ten. „Wir haben uns nicht nur wegen<br />
der guten mechanischen Eigenschaften und<br />
der Biokompatibilität für VESTAKEEP® PEEK<br />
entschieden“, so Dirk Jahn, geschäftsführen-<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
der Gesellschafter von NT-Trading. „Für uns<br />
war vor allem von Bedeutung, dass PEEK<br />
schon seit Jahren als Werkstoff für medizinische<br />
Eigenschaften eingesetzt wird.“ Die ohnehin<br />
schon einzigartigenMaterialeigenschaften<br />
des neuen Biomaterials werden<br />
durch ausgewählte Zusatzstoffe und ein spezielles<br />
Fertigungsverfahren noch weiter verbessert.<br />
Die per CAD/CAM-Verfahren konstruierten<br />
prothetischen Komponenten können<br />
auf Restzahnstümpfen oder Implantat-<br />
Natürlicher<br />
Tragekomfort mit<br />
Zahnersatz aus<br />
VESTAKEEP® PEEK<br />
Neue Liner-Technologie spart bis zu 50 Prozent Kosten<br />
<strong>Evonik</strong> Industries und Swagelining Limited,<br />
Glasgow (UK), arbeiten an einer alternativen<br />
Technologie für Tiefseerohre zur Ölför derung.<br />
Noch befindet sich die gemeinsame<br />
Entwicklung in einem frühen Stadium, doch<br />
das Potenzial ist immens. Anstelle der bisher<br />
häufig genutzten Edelstahlrohre zur Öl förderung<br />
in großen Meerestiefen entwickeln<br />
die beiden Unternehmen nun ein ganz neues<br />
Konzept: eine Kombination aus etablierter<br />
Liner-Technologie von Swagelining und dem<br />
speziell zugeschnittenen Polyamid 12<br />
VESTAMID® von <strong>Evonik</strong>. In Wasser injektionsleitungen<br />
ist diese Technolo gie auf Basis<br />
von PE-Linern seit vielen Jahren weltweit etabliert.<br />
VESTAMID® von <strong>Evonik</strong> ermöglicht<br />
nun die Weiterentwicklung, um Ölförder leitungen<br />
bis zu 100 °C Betriebs temperatur zu<br />
schützen. Schwarzstahlrohre sind im Vergleich<br />
zu den bisher verwendeten Edel-<br />
Abutments befestigt werden und gewähren<br />
eine grundlegende ästhetische und funktionelle<br />
Versorgung.<br />
Die besondere Eigenschaftskombination<br />
der VESTAKEEP® PEEK Polymere macht sie<br />
auch in anderen Teilen des Körpers zum bevorzugten<br />
Implantatmaterial: In der Orthopä<br />
die, im Herz-Kreislauf-Bereich und in<br />
Wirbelsäulenimplantaten ist PEEK den klassischen<br />
Materialien wie Titan und Kobalt-<br />
Chrom in beinahe allen Belangen überlegen.<br />
stahlrohren deutlich günstiger und wesentlich<br />
einfacher verfügbar. Doch gleichzeitig sind<br />
sie bedeutend anfälliger gegen Korrosion.<br />
Schwarz stahlrohre mit Linern auf Basis von<br />
VESTA MID® hingegen sind vor Innen korrosion<br />
geschützt und bieten weiterhin einen<br />
enormen Ge wichts- und Preisvorteil. In der<br />
derzeitigen Entwickl ungsphase wird das<br />
Poly amid 12 in die bewährte Technologie von<br />
Swagelining integriert.<br />
Neues 0W-20 Motorenöl reduziert Kraftstoffverbrauch und CO 2 -Ausstoß<br />
Für das RED-Motorsport-Team war es ein<br />
guter Auftakt: Im ersten von sechs AVD-100-<br />
Meilen-Rennen der Saison belegte sein Lotus<br />
Exige den ersten Platz in der Klasse GT4. In<br />
der Gesamtwertung des Mitte Mai im italienischen<br />
Franciacorta durchgeführten Rennens<br />
kam der Wagen auf Platz 16 von insgesamt<br />
31 Teilnehmern.<br />
Ein Erfolg ist das auch für den <strong>Evonik</strong>-<br />
Konzern, der den Lotus Exige sponsert. Denn<br />
das Rennen war gleichzeitig ein Test lauf für<br />
ein neues Motorenöl, zu dem das Ge schäftsge<br />
biet Oil Additives mit neuen und inno va-<br />
tiven Schmierstoffkomponenten beigetragen<br />
hat. „Zusammen mit unserem strate gischen<br />
Part ner, der Fuchs Europe Schmier stoffe<br />
GmbH, wurde ein neues Motorenöl entwickelt,<br />
das den Kraftstoffverbrauch und die<br />
CO 2 -Emis sionen erheblich reduziert“, betont<br />
Geschäfts gebietsleiter Norbert Wester holt.<br />
VISCOPLEX® und VISCOBASE® heißen<br />
die Schmierstoffkomponenten von <strong>Evonik</strong>,<br />
die als Bestandteil des innovativen Hoch leistungsmotorenöls<br />
zu einer deutlichen Reibungs<br />
minderung im Motor beitragen. Dies<br />
führt einerseits zu einer messbaren Leistungs-<br />
steigerung, andererseits zu einem geringeren<br />
Kraftstoffverbrauch. Und der kommt nicht<br />
nur dem Geldbeutel der Autofahrer zugute,<br />
sondern auch der Umwelt – schließlich bedeutet<br />
geringer Kraftstoffverbrauch auch weniger<br />
CO 2 -Ausstoß.<br />
Die Automobil- und Zulieferindustrie ist<br />
permanent auf der Suche nach Optimierungspotenzialen<br />
hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs.<br />
Verbesserungen im niedrigen<br />
einstelligen Prozentbereich gelten hier bereits<br />
als Errungenschaften. Das gilt umso<br />
mehr, als die EU mittlerweile CO 2-Ober-
grenzen für Neuwagen festgelegt hat. Für<br />
<strong>Evonik</strong> wiederum ist Ressourceneffizienz<br />
schon seit Langem ein großes Thema. Daher<br />
war es kein Zufall, dass sich der Schmier stoffhersteller<br />
Fuchs auf der Suche nach neuen<br />
Kom ponenten an <strong>Evonik</strong> wandte – und fündig<br />
wurde.<br />
Dank eines ausgeklügelten Entwicklungsprozesses<br />
konnte das neue 0W-20 Motorenöl<br />
rechtzeitig zum Beginn der Rennsaison an<br />
den Start gehen. „Da die Anforderungen an<br />
die Einzelkomponenten technisch sehr hoch<br />
waren, mussten sie bei uns teilweise neu<br />
entwickelt und hergestellt werden“, so Dr.<br />
Thors ten Bartels, Leiter des Testlabors für<br />
Öl ad di tive bei <strong>Evonik</strong> in Darmstadt. Bartels<br />
und sein Team haben im vergangenen Jahr<br />
den neu entwickelten Hochleistungs schmierstoff<br />
im Motorenprüfstand optimiert sowie<br />
im Renn fahrzeug unter praxisnahen Fahrbedingungen<br />
auf mehreren Teststrecken erprobt,<br />
bis er letz tendlich für den Renneinsatz<br />
startklar war.<br />
Im Lotus Exige bringt das Automotive<br />
Industry Team (AIT) von <strong>Evonik</strong> regelmäßig<br />
in novative Technologien für den Auto mobilbau<br />
zum Einsatz – nicht nur im Bereich<br />
Kapazität für Glycin erweitert<br />
<strong>Evonik</strong> Industries hat aufgrund steigender<br />
Nach frage seine Kapazität für die Pharmaaminosäure<br />
Glycin um 50 Prozent erhöht.<br />
Dies wurde durch Effizienzsteigerungen im<br />
Glycin dient unter<br />
anderem als Inhaltsstoff<br />
für Infusionslösungen<br />
Schmierstoffe und Kraftstoffeinsparung, sondern<br />
auch aus den Kompetenzfeldern Leichtbau<br />
oder Oberflächentechnologien. So ist das<br />
für diese Saison konstruierte Lotus-Modell<br />
gerade einmal 780 Kilogramm schwer. Die<br />
Ge wichtsreduktion resultiert aus dem Einsatz<br />
verschiedener <strong>Evonik</strong>-Technologien wie zum<br />
Beispiel dem struktursteifen Schaumkern<br />
ROHACELL® in der Karosserie.<br />
Für das AIT, in dem sich Auto mobil experten<br />
des Konzerns zusammengeschlossen<br />
Herstellungsprozess möglich. <strong>Evonik</strong> produziert<br />
die Aminosäure an seinem chinesischen<br />
Standort Nanning entsprechend den strengen<br />
Vorgaben der cGMP (current Good Manufacturing<br />
Practice) und des Europäischen<br />
Arzneibuchs (CEP; Certificate of Suitability<br />
of Monographs of the European Pharmacopoeia).<br />
Derzeit investiert <strong>Evonik</strong> in Nanning<br />
in eine neue Anlage, um durch Mahlen<br />
und Sieben das Spektrum an Spezialitäten zu<br />
erweitern. Die neuen Qualitäten sollen ab<br />
Ende 2011 verfügbar sein.<br />
„Wir verzeichnen derzeit eine starke<br />
Nachfrage nach unserem Glycin“, sagt Dr.<br />
Thomas Hermann, Leiter der Produktline<br />
Rexim. „Dank der Erhöhung unserer Produktions<br />
kapazität können wir mit dieser Nachfrage<br />
Schritt halten und unsere gute Marktposition<br />
weiter festigen.“<br />
Durch die technischen Verbesserungen<br />
insbesondere im Aufreinigungsprozess hat<br />
<strong>Evonik</strong> auch die Produktqualität weiter<br />
verbessert. „Wir können Glycin nun in allen<br />
Kris tallformen und Partikelgrößen verteilungen<br />
bereitstellen, die der Kunde wünscht“,<br />
so Dr. Jean-Louis Philippe, verantwortlich für<br />
das Marketing der Pharmaaminosäuren.<br />
Belegte im ersten<br />
AVD100Meilen<br />
Rennen der Saison<br />
den ersten Platz<br />
in der Klasse GT4:<br />
der Lotus Exige<br />
neWS 31<br />
haben, ist der Motorsport das Testfeld für die<br />
Serien produktion: „Nur was sich unter den<br />
harten Bedingungen auf der Rennstrecke<br />
bewährt, beweist seine grundsätzliche Tauglichkeit<br />
für Serienfahrzeuge“, erklärt AIT-<br />
Leiter Klaus Hedrich. Derweil wird das neu<br />
entwickelte Öl auf dem Motoren- und dem<br />
Rollen prü fstand bei <strong>Evonik</strong> in Darmstadt<br />
bereits weiter getestet. In einer Flotte aus<br />
Stra ßenfahrzeugen wird dieser innovative<br />
Schmier stoff bereits langzeiterprobt.<br />
Glycin kommt insbesondere in der Pharma-<br />
und in der Lebensmittelindustrie, aber auch<br />
in Haustiernahrung zum Einsatz. Es dient<br />
unter anderem als Inhaltsstoff für Infusionslösungen<br />
und für Spezialernäh rungsprodukte.<br />
Darüber hinaus wird es in Zell kulturmedien<br />
eingesetzt. Entsprechend bietet<br />
<strong>Evonik</strong> Gly cin in Pharma- und in Le bens mittelqualität<br />
an.<br />
<strong>Evonik</strong> ist mit seiner hundertprozentigen<br />
Tochter Rexim ein bedeutender Produzent<br />
von Aminosäuren, Peptiden und Aminosäure<br />
derivaten in Pharmaqualität. Erst im vergangenen<br />
Jahr hatte das Unternehmen das<br />
Glycin-Geschäft der belgischen Tessenderlo<br />
Group übernommen, um das Geschäft weiter<br />
auszubauen. Die Produkte kommen vor allem<br />
in der Pharmaindustrie zum Einsatz – für<br />
Infusionslösungen und zur Herstellung von<br />
Wirkstoffen etwa zur Behandlung von Bluthochdruck<br />
und Diabetes – sowie in der<br />
Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Die<br />
Stärken von <strong>Evonik</strong> sind unter anderem das<br />
weltweite Vertriebsnetz und die cGMP-konforme<br />
Fertigung über die gesamte Pro zesskette<br />
bis hin zur cGMP-konformen Aufreinigung<br />
der Aminosäuren.<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
32 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />
UV-härtende Lacke<br />
Mehr Spielraum bei der Mattierung<br />
Konventionelle, lösemittelbasierte Lacke lassen sich relativ<br />
leicht mattieren – im Gegensatz zu UV-härtenden Lacken.<br />
<strong>Evonik</strong> hat mit umfangreichen Versuchsreihen Grund -<br />
lagen arbeit geleistet und aufgezeigt, wie auch diese Lacke<br />
effektiver mattiert werden können. Sicht bares Ergebnis<br />
ist das neue Mattierungsmittel ACEMATT® 3600, das mehr<br />
Freiheiten in der Formu lierung matter UV-Lacke schafft.<br />
[ text Reinhard Behl, Hans-Dieter Christian ]<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
UVhärtende Lacke<br />
haben den Vorteil, dass<br />
sie nicht nur wenig<br />
Energie, sondern auch<br />
wenig Zeit benötigen,<br />
um auszuhärten – das<br />
beschichtete Objekt<br />
kann schon wenige<br />
Se kunden nach der<br />
Här tung weiterverarbeitet<br />
werden<br />
UVhärtende Lacke<br />
kommen vor allem dort<br />
zum Einsatz, wo ebene<br />
Flächen oder Leisten<br />
zu beschichten sind –<br />
zum Beispiel in der<br />
Möbelindustrie, bei<br />
hochwertigen Druck <br />
er zeugnissen oder der<br />
Fertigung von Folien
Wenn SICh DIe Konsole im Auto, die Oberfläche<br />
des Esstischs oder der Parfümflakon besonders angenehm<br />
anfühlen, liegt das auch an der speziellen Rauigkeit<br />
der Oberfläche. Sie wird üb licherweise mit einem<br />
mattierten Lack erzeugt, und oftmals sieht nur<br />
der Fachmann, dass eine dünne Beschichtung aufgetragen<br />
wurde. Die Rauigkeit sorgt aber nicht nur für<br />
Wohlgefühl beim Anfassen, sondern auch für den<br />
edlen matten Look, wie er etwa beim Parkett sehr<br />
beliebt ist. Doch matter Glanz ist nicht nur aus ästhetischen<br />
Gründen begehrt: Bei Böden von Industriehallen<br />
oder bei Fassadenelementen an Gebäuden zum<br />
Beispiel können störende Reflexe auf einer glänzenden<br />
Oberfläche Unfälle verursachen.<br />
Je nach Anwendung steht aber auch Hochglanz in<br />
der Gunst des Verbrauchers – beim Konzertflügel<br />
ebenso wie (noch) beim Auto. Die Lackindustrie hat<br />
deshalb großes Interesse daran, Lacke von hochglänzend<br />
bis matt möglichst einfach formulieren zu können.<br />
Was bei lösemittelbasierten Lacken kein Problem<br />
darstellt, ist bei den strahlenhärtenden Beschichtungen<br />
eine enorme Herausforderung – sie zu mattieren<br />
ist eine Kunst.<br />
Ein zu vernachlässigendes Problem könnte man<br />
meinen, da strahlenhärtende Lacke bezogen auf die<br />
verkauften Mengen nur 2 bis 3 Prozent am gesamten<br />
Lackmarkt ausmachen. Eine kleine, aber dennoch<br />
feine Nische, denn strahlenhärtende Lacke, meistens<br />
sind sie UV-härtend, verzeichnen wegen ihrer guten<br />
Umwelteigenschaften zweistellige Wachstumsraten.<br />
Gegenüber Lacken auf Wasser- oder Lösemittelbasis<br />
punkten sie mit einer deutlich günstigeren Energiebilanz:<br />
Wasserbasierte Lacke müssen unter hohem<br />
Energieeinsatz erwärmt werden, damit das Wasser<br />
verdunstet; lösemittelbasierte Lacke erfordern in den<br />
Anlagen eine energieintensive Nachverbrennung, damit<br />
die flüchtigen, gesundheitsgefährdenden Substanzen<br />
nicht in die Umwelt gelangen.<br />
CoatIng & bonDIng teChnologIeS 33<br />
Dagegen ist bei UV-härtenden Lacken nur relativ wenig<br />
Energie erforderlich, um die Lacke mittels UV-<br />
Licht auszuhärten und das entstehende Ozon abzuführen.<br />
Mit UV-härtenden Lacken beschichtete Objekte<br />
haben außerdem den Vorteil, dass sie sich bereits<br />
unmittelbar nach der Härtung, also schon nach<br />
wenigen Sekunden, weiterverarbeiten lassen.<br />
Aber diese Lacke haben auch Nachteile: Die UV-<br />
Strahlenquelle muss das zu lackierende Werkstück<br />
gut ausleuchten können, sonst härtet der Lack nicht<br />
richtig aus. Komplizierte Oberflächengeometrien<br />
sind mit dieser Anforderung nur schwer in Einklang<br />
zu bringen. Deshalb kommen UV-härtende Lacke vor<br />
allem dort zum Einsatz, wo plane Flächen oder Leisten<br />
zu beschichten sind – zum Beispiel in der Möbelindustrie,<br />
bei hochwertigen Druckerzeugnissen oder<br />
der Fertigung von Folien.<br />
Mattierung von UV-Lacken nur<br />
schwer zu erreichen<br />
Deutschland ist bei strahlenhärtenden Lacken technologischer<br />
Vorreiter und Europa ist noch immer der<br />
größte Lackmarkt der Welt, auch wenn Asien in<br />
jüngster Zeit stark aufgeholt hat. Einer der bedeutenden<br />
Zulieferer der Branche ist <strong>Evonik</strong>. Das Spezialchemieunternehmen<br />
hat mit ACEMATT® 3600 nun<br />
ein Mattierungsmittel entwickelt, das auf Kieselsäure<br />
basiert und sich aufgrund seiner speziellen Oberflächenbelegung<br />
besonders für UV-härtende Beschichtungen<br />
eignet. Mattierungen sind bei rein UVhärtenden<br />
Lacken bislang nur schwer zu erreichen,<br />
weil es wegen des fehlenden Lösungsmittels zu keinem<br />
ausreichenden Filmschrumpf kommt – und dieser ist<br />
wesentlich für die Aufrauung der Oberfläche.<br />
Die chemisch-physikalischen Grundlagen der<br />
Mattierung von UV-Lacken haben die Anwendungstechniker<br />
des Geschäftsbereichs Inorganic 333<br />
Am Computer simulierte<br />
Polymerisation.<br />
Während der Härtung<br />
kann der Lack um bis zu<br />
15 Prozent schrumpfen.<br />
Verant wort lich für diesen<br />
sogenannten Volu menschrumpf<br />
ist haupt sächlich<br />
das Bin de mittel,<br />
da sich die Abstände<br />
zwischen den Binde mittel<br />
ketten beim Härten<br />
deutlich verkürzen<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
34 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />
333 Materials zusammen mit Partnern ausführlich<br />
untersucht. Der Grundgedanke dabei: Matte UV-<br />
Lacke erfreuen sich zwar einer steigenden Nachfrage,<br />
ihre Formulierung beruht aber oftmals auf Intuition<br />
und Erfahrung, da zusammenfassende wissenschaftliche<br />
Modelle zur Beschreibung der Zusammenhänge<br />
fehlen. Zudem steht nur ein sehr schmales Fenster<br />
für die Festlegung der Parameter zur Verfügung.<br />
Einfaches Modell für komplexe<br />
Zusammenhänge<br />
Den ersten Parameter, den die Entwickler unter die<br />
Lupe genommen haben, ist die Teilchengröße des<br />
Mattierungsmittels. Untersucht wurden zwei herkömmliche<br />
Mattierungs-Kieselsäuren, deren mittlere<br />
Agglomerat-Teilchengröße bei 4,5 µm (ACEMATT®<br />
OK 607) bzw. bei 14,5 µm (ACEMATT® HK 440) liegt.<br />
Anhand eines einfachen, den gesamten Teilchengrößenbereich<br />
von Kieselsäure-Mattierungsmitteln abdeckenden<br />
Modells, das die Projektmitarbeiter erarbeitet<br />
haben, lässt sich der Einfluss der Teilchengröße<br />
beschreiben. Im Modell repräsentieren Kugeln gleicher<br />
Größe in der dichtestmöglichen Packung die<br />
Partikel der Kieselsäure. Agglomeratverteilung und<br />
Morphologie der Kieselsäure bleiben dabei unberücksichtigt.<br />
Die im flüssigen Lack gleichmäßig verteilten Kieselsäureagglomerate<br />
bilden eine Mattierungsmittelmatrix,<br />
die während der Härtung weniger stark<br />
schrumpft als die umgebende Bindemittelmatrix. Der<br />
sogenannte Volumenschrumpf des Lackes beim<br />
Härten – er kann in der Praxis bis zu 15 Prozent betragen<br />
– wird dabei hauptsächlich durch das Bindemittel<br />
verursacht, da sich die Abstände zwischen den<br />
Bindemittelketten beim Härten deutlich verkürzen.<br />
Über die Größe der Mattierungsmittelteilchen, so die<br />
Überlegung der Lackexperten, sollte sich damit in<br />
gewissen Grenzen die Mattierung steuern lassen.<br />
Die Lackbranche unterscheidet in der Praxis zwischen<br />
dünnen Schichten, die in der Regel in Mengen<br />
von weniger als 20 bis 25 Gramm pro Quadratmeter<br />
aufgetragen werden, und dicken Schichten, deren<br />
Auftragsgewicht darüber liegt.<br />
Dickschichtige UV-Lacke:<br />
Kleine Teilchen mattieren besser<br />
Enthält ein dickschichtiger UV-härtender Lack ein<br />
Mattierungsmittel, dessen Teilchen mit 14,5 µm relativ<br />
groß sind, bilden sich gemäß dem Kugelmodell an<br />
der Lackfilmoberfläche infolge des Volumenschrumpfs<br />
beim Aushärten wenig ausgeprägte, langwellige<br />
Strukturen. Sie bewirken nur eine geringe<br />
Rauheit – also eine niedrige Mattierung.<br />
Mit feinteiligeren Mattierungsmitteln mit einer<br />
Teilchengröße von nur 4,5 µm entsteht dagegen, entsprechend<br />
dem Modell, eine Lackfilmoberfläche, die<br />
eine ausgeprägte kurzwellige Struktur aufweist –<br />
ideal für eine starke Streuung des einfallenden Lichts,<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Abbildung 1<br />
Modell zur Mattierung dickschichtiger UVLacke durch den Volumenschrumpf<br />
Applikationsschichtdicke: 55 µm<br />
Volumenschrumpf: ca. 8 %<br />
Wirkungsgrad Schrumpf: ca. 50 %<br />
Effektiver Schrumpf: ca. 2 µm<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />
Abbildung 2<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />
Darstellung der virtuellen Oberflächenstrukturen eines ausgehärteten dicken Lackfilms.<br />
Die wenig ausgeprägten, langwelligen Strukturen mit grobteiligen Mattierungsmitteln<br />
sorgen für den unerwünscht hohen Glanz<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />
Ableitung aus Modell<br />
Höhendifferenz: ca. 2,0 µm<br />
bei niedriger Aufrauung<br />
Hoher Glanz bei beiden Messwinkeln<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />
Ableitung aus Modell<br />
Höhendifferenz: ca. 2,0 µm<br />
bei höherer Aufrauung<br />
Niedriger Glanz bei Messwinkel 60°,<br />
aber hoher Glanz bei Messwinkel 85°<br />
Abbildung 3<br />
Oberflächentopogramme von dickschichtig applizierten mattierten<br />
UVLacken (TSD = Trockenschichtdicke)<br />
Lackformulierung: #1 TSD: ca. 75 µm<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® OK 607<br />
1,35 µm<br />
Lackformulierung: #3 TSD: ca. 75 µm<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® HK 440<br />
1,55 µm<br />
0,5 µm<br />
0,5 µm<br />
Volumenschrumpf hat großen Einfluss<br />
auf die Mattierungswirkung<br />
Werte aus der Praxis<br />
60°Reflektometerwert: 46,1<br />
85°Reflektometerwert: 86,0<br />
Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 0,77 µm<br />
Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,08 µm<br />
Werte aus der Praxis<br />
60°Reflektometerwert: 22,6<br />
85°Reflektometerwert: 77,8<br />
Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 1,20 µm<br />
Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,14 µm<br />
60°Reflektometerwert: 24,9<br />
85°Reflektometerwert: 84,8<br />
0,5 µm<br />
60°Reflektometerwert: 46,2<br />
85°Reflektometerwert: 87,9<br />
0,5 µm<br />
Applikation auf PMMAPlatte UVTrocknung: HgStrahler Band: 100 W/cm, 5 m/min
Abbildung 4<br />
Modell zur Mattierung dünnschichtiger UVLacke bei Annäherung der Teilchengröße<br />
des Mattierungsmittels an die Schichtdicke des getrockneten Lacks<br />
Applikationsschichtdicke: 10 µm<br />
Volumenschrumpf: ca. 8%<br />
Wirkungsgrad Schrumpf: ca. 50%<br />
Effektiver Schrumpf: < 0,5 µm<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />
Abbildung 5<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />
Darstellung der virtuellen Oberflächenstrukturen eines ausgehärteten dünnen Lackfilms.<br />
Im Modell bilden die groben Teilchen an der Filmoberfläche eine stark ausgeprägte<br />
Struktur, was eine hohe Rauheit bedeutet<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />
Ableitung aus Modell<br />
Höhendifferenz: > 2,0 µm<br />
bei hoher Aufrauung<br />
Niedriger Glanz bei beiden Messwinkeln<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />
Abteilung aus Modell<br />
Höhendifferenz: < 1,0 µm<br />
bei niedriger Aufrauung<br />
Hoher Glanz bei beiden Messwinkeln<br />
Abbildung 6<br />
Werte aus der Praxis<br />
60°Reflektometerwert: 31,0<br />
85°Reflektometerwert: 49,2<br />
Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 3,92 µm<br />
Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,21 µm<br />
Werte aus der Praxis<br />
60°Reflektometerwert: 46,8<br />
85°Reflektometerwert: 83,8<br />
Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 0,86 µm<br />
Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,08 µm<br />
Oberflächentopogramme von dünnschichtig applizierten mattierten UVLacken<br />
Lackformulierung: #1 TSD: ca. 15 µm<br />
Feinteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® OK 607<br />
1,93 µm<br />
0,5 µm<br />
Lackformulierung: #3 TSD: ca. 15 µm<br />
Grobteiliges Mattierungsmittel<br />
ACEMATT® HK 440<br />
5,97 µm<br />
0,5 µm<br />
Volumenschrumpf ist nur<br />
von sekundärer Bedeutung<br />
60°Reflektometerwert: 33,9<br />
85°Reflektometerwert: 72,5<br />
0,5 µm<br />
60°Reflektometerwert: 30,9<br />
85°Reflektometerwert: 46,8<br />
0,5 µm<br />
Applikation auf PMMAPlatte UVTrocknung: HgStrahler Band: 100 W/cm, 5 m/min<br />
CoatIng & bonDIng teChnologIeS 35<br />
also eine hohe Mattierung (Abb. 1, 2). Dies macht sich<br />
in einem niedrigen Glanz im 60°-Winkel bemerkbar.<br />
Allerdings zeigt der Glanz im 85°-Winkel wegen der<br />
geringen Höhendifferenzen an der Lackfilmoberfläche<br />
einen hohen Wert.<br />
Gestützt werden die theoretischen Annahmen im<br />
Mo dell durch die mit einem taktilen Rauheitsmessgerät<br />
ermittelten Topogramme (Abb. 3). Insgesamt<br />
lässt sich aus den Untersuchungen ablesen, dass sich<br />
feinteilige Mattierungs-Kieselsäuren mit mittleren<br />
Agglomerat-Teilchengrößen von weniger als 5,5 µm<br />
sehr gut eignen, um dickschichtige UV-Lacke zu mattieren.<br />
Dicke Teilchen für dünne Schichten<br />
Bei der Mattierung dünner Schichten profitiert der<br />
Lackformulierer dagegen nur eingeschränkt vom<br />
polymerisationsbedingten Volumenschrumpf, weil die<br />
Schichtdicken einfach zu gering sind. Grundsätzlich<br />
schneiden bei dünnen Schichten daher grob teiligere<br />
Kieselsäuren besser ab als feinteilige, wenn ihre Teilchengröße<br />
ungefähr der Schichtdicke entspricht.<br />
Auch hierfür liefert das Modell eine Erklärung:<br />
Die groben Teilchen bilden an der Filmoberfläche<br />
eine stark ausgeprägte Struktur, was eine hohe Rauheit<br />
bedeutet. Dagegen haben feinteilige Mattierungsmittel<br />
bei dünnen Schichten wenig ausgeprägte<br />
Strukturen zur Folge, die einfallendes Licht kaum<br />
streuen (Abb. 4, 5, 6). Für dünne Lackschichten heißt<br />
das: Die mittleren Agglomerat-Teilchengrößen der<br />
Mattierungskieselsäure sollten ungefähr beim 0,5- bis<br />
Einfachen der Lackfilmdicke liegen.<br />
Breites Verarbeitungsfenster<br />
mit neuer Kieselsäure<br />
Ein Ergebnis, das sich in der Praxis bestätigt, wie Abbildung<br />
7 zeigt: Dicke Lackfilme lassen sich besser<br />
mit der feinteiligen Kieselsäure ACEMATT® OK 607<br />
mit einer mittleren Agglomerat-Teilchengröße von<br />
4,5 µm mattieren. Dünnere Schichten dagegen werden<br />
mit der grobteiligeren Kieselsäure ACEMATT®<br />
HK 440 besser mattiert, deren mittlere Agglomerat-<br />
Teilchengröße bei 14,5 µm liegt.<br />
Zugleich wird deutlich, dass das neue, speziell zur<br />
Mattierung von UV-härtenden Lacken entwickelte<br />
Produkt ACEMATT® 3600 über nahezu alle Schichtdicken<br />
hinweg eine signifikant höhere Mattierungswirkung<br />
besitzt. Das Heißt: Mit ACEMATT® 3600<br />
steht dem Formulierer ein deutlich breiteres Anwendungsfenster<br />
zur Verfügung – obwohl die mittlere<br />
Agglomerat-Teilchengröße von ACEMATT® 3600 nur<br />
geringfügig von der des feinteiligen ACEMATT® OK<br />
607 abweicht (Abb. 7).<br />
Bei seiner Entwicklung griffen die Anwendungstechniker<br />
zu einem Trick: ACEMATT® 3600 basiert<br />
auf einer Kieselsäure, die mit Polydimethylsiloxan<br />
(PDMS) nachbehandelt wurde. Diese Nachbehandlung<br />
verbessert zum einen die Mattierungswirkung, 333<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
36 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />
333 zum anderen aber auch die rheologischen Eigenschaften<br />
des Mattierungsmittels. Deshalb kann es in<br />
einer höheren Konzentration in den Lack eingebracht<br />
werden.<br />
Die Nachbehandlung verdeutlicht aber auch, dass<br />
sich nicht nur die Teilchengröße des Mattierungsmittels<br />
auf das Reflexionsverhalten eines UV-härtenden<br />
Lackes auswirkt. Selbst bei unterschiedlichen Lackformulierungen<br />
mit gleichen Agglomeratgrößen der<br />
Mattierungskieselsäure treten Unterschiede im Glanz<br />
auf.<br />
Auch der zeitliche Ablauf der<br />
Polymerisation beeinflusst den Glanz<br />
Entscheidend dafür ist der zeitliche Ablauf des Polymerisationsprozesses<br />
bis zum Gelpunkt. Wobei Gelpunkt<br />
in diesem Fall als der Zeitpunkt definiert ist,<br />
ab dem die Polymerisation des Bindemittels so weit<br />
fort geschritten ist, dass Kieselsäure- und Bindemittelmatrix<br />
im gleichen Verhältnis weiter schrumpfen. Ab<br />
dem Gelpunkt sind die Agglomerate des Mattierungsmittels<br />
also im sich ausbildenden Polymernetzwerk<br />
fixiert und können daher nichts mehr zu einer Aufrauung<br />
beitragen. Je später der Gelpunkt eintritt, des to<br />
ausgeprägter ist deshalb die Mattierung (Abb. 8).<br />
Wann der Gelpunkt eintritt, hängt von verschiedenen<br />
Faktoren ab, etwa wie schnell die Molmasse<br />
steigt, wie stark sich die Segmentbeweglichkeit der<br />
Kettenmoleküle oder das rheologische Verhalten ändern.<br />
Einen maßgeblichen Einfluss auf die Mattierbarkeit<br />
UV-härtender Lacke haben deshalb auch die<br />
weiteren Bestandteile der Formulierung: die Acrylat-<br />
Oligomere und -Monomere, die zum Bindemittel polymerisieren,<br />
wobei die Monomere in UV-härtenden<br />
Lacken außerdem noch die Funktion des Lösungsmittels<br />
übernehmen, sowie die Photoinitiatoren.<br />
Zahl der Doppelbindungen<br />
spielt eine große Rolle<br />
Die Untersuchungen zeigen, dass eindeutige Aussagen<br />
in puncto Mattierbarkeit schwierig sind, was das<br />
Beispiel der Oligomere verdeutlicht: Zwar wirken<br />
sich die relative Molmasse, Funktionalität, Reaktivität<br />
und Viskosität neben weiteren Parametern auf die<br />
Mattierbarkeit des Lackes aus, aber die gegenseitigen<br />
Abhängigkeiten sind vielfältig und komplex.<br />
<strong>Evonik</strong> konnte allerdings nachweisen, dass der<br />
Doppelbindungsdichte, die wiederum von der Funktionalität<br />
und der Molmasse abhängt, eine besondere<br />
Bedeutung zukommt. Denn es gilt die generelle Aussage:<br />
Je höher die Doppelbindungsdichte der Oligomere<br />
ausfällt, desto besser ist die Mattierbarkeit des<br />
Lacks. Allerdings gilt auch hier: keine Regel ohne<br />
Ausnahme. Oligomere mit niedriger Doppelbindungsdichte<br />
und höherer Viskosität sind bei Verwendung<br />
geeigneter Monomere ebenfalls mattierbar.<br />
Die Experimente mit verschiedenen Monomeren<br />
haben gezeigt, dass ihr Beitrag zur Mattierung von der<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Abbildung 7<br />
Einfluss des Auftragsgewichts (proportional zur Schichtdicke) und der<br />
Teilchengröße des Mattierungsmittels auf den Glanz<br />
ACEMATT® OK 607 ACEMATT® 3600 ACEMATT® HK 440<br />
60°Reflektometerwert<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
●<br />
●<br />
●●<br />
●<br />
●<br />
Formulierungen #1, #2 und #3<br />
HgStrahler 100 W/cm, 5 m/min<br />
Dosis: 850 mJ/cm 2 ; Peak: 1.480 mW/cm 2<br />
●<br />
0<br />
Auftragsgewicht [g/m2 0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
]<br />
Abbildung 8<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Zu frühes Erreichen des Gelpunkts führt zu ungenügender Aufrauung (oben).<br />
Spätes Erreichen des Gelpunkts lässt genug Zeit für eine ausreichende Aufrauung (unten)<br />
UVStrahler<br />
Modell für ungenügende<br />
Mattierung<br />
Modell für gute<br />
Mattierung<br />
●<br />
30 cm<br />
Bandgeschwindigkeit: 6 m/min = 3 sec Belichtung<br />
Reaktionsstart Gelpunkt Reaktionsende<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Früher Gelpunkt =<br />
hoher Schrumpfwirkungsgrad =<br />
ungenügende Aufrauung<br />
Später Gelpunkt = niedriger<br />
Schrumpfwirkungsgrad =<br />
genügend hohe Aufrauung
Molekülform und der Umsatzrate während der Polymerisation<br />
abhängt. Überwiegend lineare kettenförmige<br />
Monomermoleküle begünstigen die Mattierung,<br />
weil sie eine höhere Mobilität besitzen und besser umgesetzt<br />
werden, während räumlich geformte oder verzweigte<br />
Monomere wegen der sterischen Hinderung<br />
Berechnungsformel der Doppelbindungsdichte:<br />
CoatIng & bonDIng teChnologIeS 37<br />
eine verringerte Beweglichkeit haben, geringere Umsatzraten<br />
aufweisen und damit letztlich eine geringere<br />
Mattierung bewirken: Ein stark verzweigtes Monomer<br />
schrumpft im Modell zusammen mit der Kieselsäurematrix<br />
und komprimiert diese dabei, sodass die Aufrauung<br />
verloren geht. 333<br />
DB – Dichte = Funktionalität [DB/Mol] x 1.000 [g/kg Oligomer] = [DB]<br />
relative Molmasse [g/Mol] [kg Oligomer]<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
38 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />
333 Bleibt der Photoinitiator als weiterer Parameter,<br />
der die Mattierbarkeit bei der Formulierung des<br />
Lackes beeinflusst. Sogenannte Oberflächentrockner<br />
wie zum Beispiel Benzophenon mit seinen Absorptionsmaxima<br />
im eher kurzwelligen Bereich, die den<br />
Lackfilm sehr schnell von oben beginnend trocknen,<br />
begünstigen den Glanz, während Trockner mit<br />
Absor p tionen im längerwelligen Bereich (Abb. 9) eine<br />
erheblich gleichmäßigere und verzögerte Härtung<br />
der Lackschicht begünstigen. Der Gelpunkt tritt dann<br />
also, wie erwünscht, später ein.<br />
Darüber hinaus eröffnet auch der eigentliche<br />
Härtungsprozess weiteren Spielraum, um den Glanz<br />
eines Lackfilms zu reduzieren. Hier spielen Parameter<br />
wie Art und Emissionsspektrum der Lichtquelle,<br />
Intensität und Bestrahlungsdauer, Strahlergeometrie<br />
Abbildung 9<br />
Darstellung der Absorptionskurven verschiedener Photoinitiatoren<br />
Benzophenon BisAcylPhosphinoxid<br />
Absorption [%]<br />
3,0<br />
Absorptionsspektrum 0,1 % in Acetonitril<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />
Reinhard behl absolvierte in der früheren<br />
Degussa AG eine Lehre zum<br />
Chemielaboranten und trat 1978 in die<br />
anwendungstechnische Abteilung des<br />
heutigen Geschäftsbereichs Inorganic<br />
Materials von <strong>Evonik</strong> ein. Seitdem war<br />
er in verschiedenen Funktionen im<br />
Lacklabor tätig; aktuell betreut er die<br />
Mattierungsmittel, die unter dem<br />
Namen ACEMATT® vertrieben werden.<br />
+49 6181 59-6672<br />
reinhard.behl@evonik.com<br />
sowie Umgebungstemperatur und Substratart eine<br />
Rolle. Die Anwendungstechniker von <strong>Evonik</strong> haben<br />
auch diese Einflussgrößen untersucht und ihre Beiträge<br />
zur Beeinflussung des Mattgrades bestimmt.<br />
Noch immer ist die Formulierung von Lacken vor<br />
allem eine Sache von Erfahrung und Intuition. Die<br />
Analysen von <strong>Evonik</strong> zeigen aber, dass es möglich ist,<br />
die Prozess- und Formulierungsparameter gezielter<br />
aufeinander abzustimmen und so die Mattierung von<br />
UV-härtenden Lacken deutlich besser zu steuern. Die<br />
Experten von <strong>Evonik</strong> sind so ihrem Vorhaben, mehr<br />
System in die Entwicklung umweltschonender matter<br />
UV-Lacke zu bringen, einen großen Schritt<br />
näher gekommen. Das zeigt auch das neue Produkt<br />
ACEMATT® 3600, das dem Verarbeiter völlig neue<br />
Möglichkeiten bei der Mattierung bietet. 777<br />
0<br />
280 300 320 340 360 380 400 420 440 460<br />
Wellenlänge [nm]<br />
ReFeRenZen<br />
Benzophenon<br />
hansDieter Christian studierte von<br />
1971 bis 1975 an der Hochschule Niederrhein<br />
in Krefeld Lackchemie. Seit 1989<br />
arbeitet er bei <strong>Evonik</strong>, wo er seit 1996<br />
Leiter der anwendungstechnischen<br />
Abteilung für Mattierungsmittel mit<br />
weltweiter Verantwortung ist.<br />
+49 6181 59-4861<br />
hans-dieter.christian@evonik.com<br />
[1] Behl, R.; Christian, H.-D.: Radikal matt – zur Mattie rung<br />
lösemittelfreier UV-härtender Lacke, Farbe und Lack,<br />
Teile 1, 2 + 3, April, Juni und Juli 2011, Vincentz Network<br />
O<br />
O O<br />
O<br />
P<br />
BisAcylPhosphinoxid
SEA LIFE Speyer: seltene Kuba-Krokodile<br />
hinter PLEXIGLAS® zu bestaunen<br />
Als einziges Aquarium in Deutschland zeigt das SEA LIFE in Speyer<br />
Kuba-Krokodile. Damit sich die in ihrem Bestand äußerst gefährdeten<br />
Reptilien hier genauso wohlfühlen wie in ihrer kubanischen<br />
Heimat, wurde die Ausstellungsfläche um rund ein Drittel erweitert.<br />
Es entstand ein neuer Bereich ganz im Stil kubanischer Sümpfe:<br />
Landflächen wechseln sich mit bis zu 80 Zentimeter tiefem Wasser<br />
ab, ein Wasserfall rauscht in das 30.000 Liter fassende Becken – und<br />
das alles überwuchert von Grünpflanzen und Palmen. Das Wasser ist<br />
auf 28 °C aufgeheizt, eine Klimaanlage sorgt permanent für eine<br />
Raumtemperatur von etwa 30 °C sowie 75 Prozent Luftfeuchtigkeit,<br />
und eine Beregnungsanlage spendet Tropenregen.<br />
Sechs 60 Millimeter dicke PLEXIGLAS® Blöcke sorgen dafür,<br />
dass die Besucher die drei zu einer der aggressivsten Krokodilarten<br />
gehörenden Tiere sicher bestaunen können. Trotz der hohen Tempe<br />
ratur und Luftfeuchtigkeit beschlagen die Scheiben nicht und ermöglichen<br />
einen verzerrungsfreien Durchblick auf die exotischen<br />
Impressum<br />
herausgeber<br />
<strong>Evonik</strong> Industries AG<br />
Corporate Innovation<br />
Strategy & Management<br />
Rellinghauser Straße 1–11<br />
45128 Essen<br />
Wissenschaftlicher beirat<br />
Dr. Norbert Finke<br />
Corporate Innovation<br />
Strategy & Management<br />
norbert.finke@evonik.com<br />
Redaktion<br />
Dr. Karin Aßmann<br />
(verantwortlich)<br />
<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />
Konzernredaktion<br />
karin.assmann@evonik.com<br />
Redaktionelle mitarbeiter<br />
Christa Friedl<br />
Michael Vogel<br />
Fotos<br />
<strong>Evonik</strong> Industries<br />
Karsten Bootmann<br />
Dieter Debo<br />
Stefan Wildhirt<br />
Fraunhofer-Institut für Verfah rens -<br />
technik und Verpackung (S. 5)<br />
Fotolia/LianeM (S. 6)<br />
Getty Images/Cook+Jenshel (S. 13 o)<br />
Getty Images/Sot (S. 13 u)<br />
Fotolia/Electriceye (S. 23 r)<br />
Mauritius Images/CuboImages (S. 27)<br />
Mauritius Images/Imagebroker/<br />
Alfred Schauhuber (S. 28)<br />
Fotolia/Broker (S. 31 u)<br />
IST Metz GmbH, Torsten Becker<br />
Illustrationen (S. 32 u, 33)<br />
Mauritius Images/Age (S. 37)<br />
SEA LIFE Deutschland (S. 39)<br />
gestaltung<br />
Michael Stahl, München<br />
Druck<br />
Laupenmühlen Druck<br />
GmbH & Co. KG, Bochum<br />
Nachdruck nur mit<br />
Genehmigung der Redaktion<br />
neWS 39<br />
Reptilien. Dank der guten Isolation, die PLEXIGLAS® bietet, herrschen<br />
im Zuschauerbereich angenehme Temperaturen sowie eine<br />
gute Lärmdämmung. Das Rauschen des Wasserfalls ist kaum zu<br />
hören.<br />
Aber nicht nur diese Produkteigenschaften waren ausschlaggebend<br />
dafür, dass der Verarbeiter Aquarienbau Petermann PLEXIGLAS®<br />
auswählte. Durch bauliche Gegebenheiten musste besonders auf das<br />
Gesamtgewicht des Beckens geachtet werden. Das geringere Gewicht<br />
von Acrylglas gegenüber Glas sowie die guten Bearbeitungs- und<br />
Einbaumöglichkeiten waren mit ausschlaggebend.<br />
Der umfangreiche technische Service und das große Know-how<br />
von <strong>Evonik</strong> hinsichtlich des Einbaus von Aquarienbecken ermöglichten<br />
es dem Verarbeiter, der bisher hauptsächlich im Glasbau tätig war,<br />
die hohen Anforderungen an die Verscheibung des Krokodilgeheges<br />
zu erfüllen – und so den drei Kuba-Krokodilen ein neues Zuhause zu<br />
schaffen.<br />
<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011
Wir haben für jedes Oberflächenproblem eine Lösung:<br />
die Kreativität unserer Mitarbeiter. Bei uns arbeiten<br />
die Experten fachübergreifend eng mit unseren Kunden<br />
zusammen. Das spart Zeit und gibt zusätzliche Impulse.<br />
Das Resultat: außergewöhnliche Problemlösungen für<br />
außergewöhnliche Anwendungen.<br />
Ein Ansprechpartner,<br />
viele Spezialisten.<br />
We love your problems.<br />
www.evonik.de