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<strong>elements36</strong><br />

Quarterly Science Newsletter Ausgabe 3|2011<br />

Energieeffizienz<br />

Ionische Flüssigkeiten:<br />

kühlen und heizen mit Wärme<br />

Ressourceneffizienz<br />

Hochleistungspolymere<br />

erzeugen Biomethan


2 Inhalt<br />

12<br />

22<br />

32<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

tItelmotIv<br />

Lohnenswerter Blick ins Detail: Verteilersystem und<br />

Kühlschleife einer Absorptionskältemaschine<br />

n e W S<br />

4 Dr. Peter Nagler zum Chief Innovation Officer ernannt<br />

4 Neue Monosilananlage in Japan<br />

5 Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Unilever verlängert<br />

5 Lupinesse: Eiszeit für Milchallergiker<br />

ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />

6 Hochleistungspolymere erzeugen Biomethan<br />

eneRgIeeFFIZIenZ<br />

12 Ionische Flüssigkeiten: kühlen und heizen mit Wärme<br />

neWS<br />

18 <strong>Evonik</strong>-Mitarbeiter erhält Preis für herausragende Dissertation<br />

18 Wärmedämmen mit hinterschäumtem PLEXIGLAS®<br />

19 Neue Faserverbundwerkstoffe für leichtere Autos<br />

KatalYSe<br />

20 Lindlar-Katalysatoren: die bleifreie Alternative<br />

ÖKobIlanZ<br />

22 Präziser Blick aufs Ganze<br />

Life Cycle Thinking: Eigenes Expertenteam bewertet bei<br />

neuen Produkten und Prozessen den gesamten Lebenszyklus<br />

n e W S<br />

30 Zahnersatz auf Basis von VESTAKEEP® PEEK auch für<br />

Allergiker geeignet<br />

30 Neue Liner-Technologie spart bis zu 50 Prozent Kosten<br />

30 Neues 0W-20 Motorenöl reduziert Kraftstoffverbrauch<br />

und CO 2 -Ausstoß<br />

31 Kapazität für Glycin erweitert<br />

CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />

32 UV-härtende Lacke: Mehr Spielraum bei der Mattierung<br />

n e W S<br />

39 SEA LIFE Speyer: seltene Kuba-Krokodile hinter<br />

PLEXIGLAS® zu bestaunen<br />

39 Impressum


Neuland<br />

Was passiert, wenn Sie etwa 15 Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen in einen<br />

Raum stecken mit der Aufgabe, eine neue Technologieplattform zu entwickeln,<br />

und mit drei Jahren Zeit, sie zu lösen? Werden sie es schaffen oder scheitern? Vor<br />

elf Jahren ist <strong>Evonik</strong> dieser Frage erstmals nachgegangen – mit der Gründung des<br />

Projekthauses Nanomaterialien.<br />

Insbesondere die Befristung auf drei Jahre, die verhindern sollte, dass sich<br />

Projekte zur Never-Ending Story entwickeln, rief die Kritiker auf den Plan. Sie sind<br />

mittlerweile deutlich leiser geworden, weil sich dieser damals sehr ungewöhnliche<br />

Blick über den Tellerrand hinaus als überaus erfolgreich erwiesen hat. Neun Projekthäuser<br />

haben wir bisher gestartet, und sie haben zahlreiche innovative Produkte<br />

und Prozesse hervorgebracht. Beispielsweise wäre unser Joint Venture Li-Tec, in<br />

dem wir gemeinsam mit Daimler Lithium-Ionen-Batteriezellen für Elektroautos produzieren,<br />

nicht möglich gewesen ohne die neue keramische Membran, die Anode<br />

und Kathode trennt. Für die Realisierung hat das damalige Projekthaus Nanomaterialien<br />

einen entscheidenden Beitrag geleistet. Andere Beispiele sind die Fermentationstechnologie,<br />

mit der wir Spezialaminosäuren produzieren, oder – um ein<br />

aktuelles Arbeitsgebiet aus dem noch laufenden Projekthaus Systemintegration zu<br />

nennen – serientaugliche Prozesse zur wirtschaftlichen Herstellung von Leichtbauteilen<br />

aus PLEXIGLAS® und ROHACELL® für automobile Anwendungen.<br />

Weil sich die Märkte stetig ändern, passen wir auch unser Konzept stetig an.<br />

Beschäftigten sich die ersten Projekthäuser noch mit der Erforschung von technischen<br />

Grundlagen und der Entwicklung von Technologieplattformen, so wird im<br />

Projekthaus Systemintegration ganzheitlich in Systemen gedacht. Es geht nicht<br />

mehr nur um ein isoliertes Produkt, sondern auch um die dazugehörige Prozess-<br />

und Verarbeitungstechnik.<br />

Noch einen Schritt weiter geht unser neuestes Projekthaus Light & Electronics,<br />

das als erstes Projekthaus außerhalb Deutschlands buchstäblich Neuland betritt.<br />

Light & Electronics hat sich jetzt im ITRI (Industrial Technology Research Institute)<br />

in der taiwanesischen Stadt Hsinchu angesiedelt. ITRI ist das führende Forschungsinstitut<br />

Taiwans und gilt als die Keimzelle der starken Elektronikindustrie des Landes.<br />

Hier soll das Projekthaus an Displays, Fotovoltaik und Beleuchtung arbeiten,<br />

Forschungskooperationen anstoßen und uns einen neuen Zugang zum Elektronikmarkt<br />

verschaffen.<br />

Die Rahmenbedingungen sind gut: Das ITRI, das seit den 70er Jahren industrienahe<br />

Elektronikforschung betreibt, beschäftigt 6.000 Mitarbeiter, von denen<br />

mehr als 60 Prozent einen Abschluss als Master oder einen Doktortitel besitzen.<br />

Seit seinem Bestehen hat ITRI über 10.000 Patente geschrieben, 70 Geschäftsführer<br />

bzw. Vorstände hervorgebracht und war an der Gründung von 165 Unternehmen<br />

beteiligt – Zahlen, die die Innovationskraft des Instituts eindrucksvoll belegen.<br />

Langfristig soll aus dem neuen Projekthaus in Taiwan, mitten in einem der<br />

wichtigsten Elektronikmärkte der Welt, ein neues F&E-Kompetenzzentrum hervorgehen.<br />

Ich bin optimistisch, dass wir auch das schaffen werden – und dass sich<br />

unser Projekthaus einmal mehr als erfolgreiches Forschungskonzept erweisen wird.<br />

Patrik Wohlhauser<br />

Mitglied des Vorstandes der<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG<br />

eDItoRIal 3<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


4 neWS<br />

Dr. Peter Nagler zum Chief Innovation Officer ernannt<br />

Zum 1. Juli 2011 h at Dr. Peter Nagler die neu<br />

geschaffene Funktion des Chief Innovation<br />

Officer (CIO) von <strong>Evonik</strong> übernommen. Damit<br />

setzt <strong>Evonik</strong> ein klares Signal, das deutlich<br />

macht, dass die gewachsene Innovationskultur<br />

als Spezial chemieunternehmen weiter vorangetrieben<br />

werden wird. Nagler leitet seit<br />

2009 den Bereich Corporate Innovation<br />

Strategy & Management, zu dem die AQura<br />

GmbH, das Intellectual Property Management<br />

und, seit 2009, die Creavis gehören.<br />

In seiner neuen Tätigkeit wird Nagler die<br />

Wachstumspläne von <strong>Evonik</strong> insbesondere<br />

durch eine adäquate Innovationsstrategie für<br />

den Gesamtkonzern unterstützen. Dazu gehört,<br />

Best-Practice-Erfahrungen aus laufenden<br />

Innovationsprojekten zu verbreitern,<br />

neue Methoden zu implementieren sowie<br />

globale Aktivitäten im Bereich Forschung &<br />

Entwicklung durch zusätzliche Kompe tenzzentren<br />

in strategisch wichtigen Wachstumsregionen<br />

zu fördern. Weitere wesentliche<br />

Arbeitsschwerpunkte in der neuen Funktion<br />

Neue Monosilananlage in Japan<br />

<strong>Evonik</strong> Industries hat im Juni gemeinsam mit<br />

seinem Partner Taiyo Nippon Sanso Cor poration<br />

(TNSC) im japanischen Yok kai chi, 400<br />

Kilo meter südlich von Tokyo, die neue Verbund<br />

anlage zur Herstellung von Mo nosilan<br />

und AEROSIL® eingeweiht. Damit realisiert<br />

<strong>Evonik</strong> ein zukunftsweisendes Projekt zur<br />

Nutzung von Solarenergie und investiert<br />

gleichzeitig in den Zu kunftsmarkt Elektronik.<br />

Der Neubau hat ein Volumen von rund 150<br />

Mil lionen € und war im Jahr 2010 das größte<br />

Einzelprojekt des Unternehmens. Mit TNSC<br />

hat <strong>Evonik</strong> einen langfristigen Liefervertrag<br />

für Monosilan geschlossen. Monosilan wird<br />

bei der Herstellung von Siliziumschichten für<br />

Solarzellen und Flachbildschirme sowie für<br />

Halb lei ter in der Elektronikindustrie verwendet.<br />

AEROSIL® wird beispielsweise in Kunststof<br />

fen, Farben und Lacken verarbeitet.<br />

Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von<br />

<strong>Evonik</strong>, sagte anlässlich der Einweihungsfeier<br />

in Yokkaichi: „Mit dieser erheblichen Investition<br />

in Japan bauen wir unsere bedeutende<br />

Technologie- und Marktposition im Zu kunftsmarkt<br />

Solarenergie aus. Damit leisten wir zugleich<br />

erneut einen wesentlichen Beitrag zum<br />

globalen Megatrend Ressourceneffizienz.“<br />

Engel zeigte sich betroffen von der gewal-<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

des CIO liegen in den Bereichen Wissensvernetzung<br />

mit internen und externen Partnern,<br />

im Schutz geistigen Eigentums sowie<br />

in der gezielten Förderung von Unter neh mertum<br />

und Innovationskultur.<br />

Der promovierte Chemiker Nagler begann<br />

seine Karriere 1986 bei der dama ligen<br />

tigen Naturkatastrophe, die Japan im März<br />

heimsuchte, ebenso wie von den Folgen, die<br />

diese für das Atomkraftwerk Fukushima hatte.<br />

Er betonte: „Umso wichtiger ist es, heute<br />

mit unseren Mitarbeitern, Partnern und Gästen<br />

ein Signal zu setzen und gemeinsam die<br />

neue Anlage einzuweihen.“<br />

Thomas Hermann, Leiter des Geschäftsbereichs<br />

Inorganic Materials, erläuterte: „Das<br />

in Yokkaichi produzierte Monosilan ermöglicht<br />

es uns, an dem insbesondere in Asien<br />

starken Wachstum für Anwendungen in<br />

der Dünnschichtfotovoltaik, bei Flachbildschir<br />

men und Halbleitern teilzuhaben.“ Der<br />

Part ner TNSC ist einer der bedeutendsten<br />

Die neue Monosilananlage<br />

von <strong>Evonik</strong><br />

in Yokkaichi (Japan)<br />

De gussa AG. Neben mehreren leitenden<br />

Funk tionen an den Standorten Hanau-<br />

Wolfgang und Frankfurt am Main war er<br />

ab 1993 Corporate De velop ment Manager<br />

und schließlich Ge schäftsführer der Firma<br />

Rexim S.A. in Paris (Frankreich). Zurück in<br />

Deutschland leitete er ab 1997 das Geschäftsgebiet<br />

Fine Chem ic als bzw. ab 1999<br />

das Geschäftsgebiet Advanced Intermed i -<br />

ates bei der damaligen Degussa-Hüls AG in<br />

Frankfurt am Main und übernahm dort 2001<br />

die Leitung des Geschäftsbereichs Fine<br />

Chemicals und anschließend des Ge schäftsbereichs<br />

Exclusive Synthesis & Cata lysts.<br />

Ab dem Jahr 2005 leitete er in São Paulo<br />

(Bra silien) die Region Südamerika. Von hier<br />

aus wechselte er zwei Jahre später erneut an<br />

den Standort Hanau als Head of Research &<br />

Development und war ab Anfang 2008<br />

Leiter Innovation Manage ment des Geschäfts<br />

bereichs Inor ganic Materials in Frankfurt<br />

am Main, bis er seine neue Posi tion<br />

übernahm.<br />

globalen Distributoren für Industrie- und<br />

Spe zial gase, zu denen die Silane gehören,<br />

und beliefert seit vielen Jahren Großkunden<br />

der Elektronikindustrie in Asien.<br />

<strong>Evonik</strong> hat das Verfahren für die Monosilan<br />

her stel lung selbst entwickelt und betreibt<br />

bereits eine Anlage in Rheinfelden. Die<br />

An lage in Yokkaichi ermöglicht dem Unterneh<br />

men nun die Produktion von Monosilan<br />

mit Elektronikqualität für den asiatischen<br />

Markt. <strong>Evonik</strong> ist weltweit ein bedeutender<br />

Her steller von Chlorsilanen sowie von Monosilan<br />

und produziert somit entscheidende<br />

Schlüs selkomponenten für die Solarenergie<br />

und die Elektronikindustrie.


Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Unilever verlängert<br />

Bereits seit 25 Jahren vertraut die Unilever-<br />

Tochter Lipton, der weltweit führende Anbieter<br />

von Tee, bei der Entkoffeinierung seiner<br />

Schwarz-, Grün- und Coldbrew-Tees auf<br />

das spezielle Know-how des Ge schäfts bereichs<br />

Advanced Intermediates von <strong>Evonik</strong><br />

Industries. Lipton ist der globale Marktführer<br />

bei entkoffeinierten Tees, die besonders im<br />

nordamerikanischen Markt stark nachgefragt<br />

werden.<br />

Beide Parteien, Lipton und <strong>Evonik</strong>, setzen<br />

ihre bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit<br />

auf Grundlage eines neuen Vertrages nahtlos<br />

fort. „Mit dem Vertrag bauen wir das Tee-<br />

Lupinesse: Eiszeit für Milchallergiker<br />

Wer Laktose oder Milch nicht verträgt, kann<br />

trotzdem unbeschwert Eis schlecken – dank<br />

Lupinesse, einer Neuentwicklung des Fraunhofer-Instituts<br />

für Verfahrenstechnik und<br />

Verpackung IVV in Freising, bei der die CO 2 -<br />

Extraktion des Geschäfts bereichs Ad vanced<br />

Intermediates von <strong>Evonik</strong> eine wichtige Rolle<br />

spielt. Lupinesse ist ein rein pflanzliches Eis,<br />

enthält Proteine aus den Samen der Süßlupine<br />

und ist völlig frei von Laktose, Gluten,<br />

Cholesterin sowie tierischen Eiwei ßen und<br />

Fetten. Eisliebhaber können Lupi nesse seit<br />

Mai 2011 bei EDEKA Süd bayern und EDEKA<br />

Südwest in den Ge schmacks rich tungen Vanilla<br />

Cherry, Straw berry Mousse, Walnut<br />

Dream und Choco Flakes kaufen.<br />

Die Prolupin GmbH, eine Ausgründung<br />

des Fraunhofer-Instituts, die Lupinesse vermarktet,<br />

verwendet für das Eis die alkaloidarme<br />

Blaue Süßlupine (Lupinus angustifolius),<br />

eine besonders proteinreiche Hülsenfrucht,<br />

die in Deutschland heimisch ist und<br />

seit einigen Jahren verstärkt in Mecklenburg-<br />

Vor pommern gezüchtet und angebaut wird.<br />

Die Lupinen stammen aus kontrolliertem<br />

Anbau und sind frei von Gentechnik.<br />

Verantwortlich für die Cremigkeit des<br />

Eises sind die im Vergleich zu Sojaproteinen<br />

besseren Emulgier- und Schaumeigenschaften<br />

der Lupinenproteine. Sie können deshalb die<br />

tierischen Eiweiße aus der Milch vollständig<br />

ersetzen, ohne dass Cremigkeit und Textur<br />

des Eises leiden. „Das heißt aber auch“, erklärt<br />

Dr. Ralf Kahleyss, der bei <strong>Evonik</strong> Forschung<br />

und Entwicklung der CO 2 -Extraktionstechnologie<br />

leitet, „dass sich ihre technofunktionellen<br />

Eigenschaften, insbesondere<br />

geschäft mit Lipton in den kommenden<br />

Jahren weiter aus“, erklärte Dr. Manfred<br />

Schmidt, Produktmanager von <strong>Evonik</strong>.<br />

Mit einem speziellen Verfahren, der Extraktion<br />

mit überkritischem Kohlendioxid unter<br />

hohen Drücken, entfernt <strong>Evonik</strong> an seinem<br />

oberbayrischen Standort Münchs mün ster<br />

Koffein sowie mögliche Schadstoffe aus<br />

Tee, bewahrt aber zugleich im hohen Maße<br />

dessen geschmacks- und gesundheitsfördernden<br />

Inhaltsstoffe. Gegenüber herkömmlichen<br />

Methoden gilt dieses Verfahren als besonders<br />

schonend, umweltfreundlich und<br />

ressourceneffizient. Die Tee-Entkoffe inie-<br />

die Emulgiereigenschaften, bei der Ex trak tion<br />

aus den Samen nicht verändern dürfen.“<br />

Um die Proteine unverändert und möglichst<br />

vollständig isolieren zu können, muss<br />

man aus den Samen zunächst den Fettan -<br />

teil – er liegt bei rund sieben Prozent – möglichst<br />

schonend entfernen. Übliche Ent -<br />

f ettungs mittel wie Hexan sind ungeeignet,<br />

da sie vergleichsweise hohe Temperaturen<br />

erfordern, die die Proteine schädigen<br />

können. „Einzig die CO 2 -Extraktion ist so<br />

schonend, dass sie das Fett effizient entfernt,<br />

ohne die funktionale Proteinstruktur zu<br />

zerstören“, betont Kahleyss. Zudem gilt sie<br />

als besonders umweltfreundlich und ressourceneffizient.<br />

Prolupin lässt die Samen<br />

deshalb von <strong>Evonik</strong> entfetten, da das Unternehmen<br />

an seinem Standort Münchsmüns -<br />

ter über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der<br />

CO 2 -Extraktion verfügt.<br />

Dazu werden die aus den Hülsen abgetrennten<br />

Samen geschält, konditioniert, zu<br />

Flocken verarbeitet und in Münchsmünster<br />

neWS 5<br />

rungsanlage am Standort Münchsmünster ist<br />

von der Deutschen Gesellschaft für Qualität<br />

(DGQ) nach dem International Food Standard<br />

(IFS) zertifiziert worden.<br />

„<strong>Evonik</strong> ist ein seit vielen Jahren äußerst<br />

verlässlicher Partner und liefert entkof feinierten<br />

Tee in höchster Qualität“, sagte<br />

Gil bert Kendzior, Tea and Herbals Supply<br />

Ma nager bei Lipton. Auf dieser Basis planen<br />

beide Unternehmen, ihre Zusammenarbeit<br />

über die Tee-Entkoffeinierung hinaus auf<br />

weitere Produkte und Anwendungen im<br />

Lebensmit telsektor des Unilever-Konzerns<br />

auszudehnen.<br />

Lupinesse, ein neues<br />

Speiseeis mit Lupinenproteinen,<br />

das nach<br />

einem von Fraunhofer­<br />

Forschern entwickelten<br />

Verfahren hergestellt<br />

wird<br />

mit CO 2 entfettet. Prolupin gewinnt daraus<br />

in einer anschließenden Extraktion die Lupinenproteine.<br />

Diese bilden mit anderen<br />

typischen Zutaten die Basis für das rein<br />

pflanzliche Lupineneis.<br />

Entwickelt wurde Lupinesse vor allem für<br />

Menschen mit Laktose- und Glutenunver -<br />

t räglichkeit sowie für Kuhmilch-Allergiker.<br />

Sie könnten künftig auch in den Genuss von<br />

anderen, normalerweise milchhaltigen Produkten<br />

kommen: Prolupin denkt bereits darüber<br />

nach, in weiteren Lebensmitteln Milcheiweiß<br />

durch Lupinenproteine zu ersetzen,<br />

etwa in Joghurt, Pudding und Quark. Ein<br />

Vorhaben, das <strong>Evonik</strong> mit Interesse verfolgt:<br />

„Milcheiweiß durch Lupinenproteine zu<br />

ersetzen ist ein innovatives Lebensmittel -<br />

kon zept, das dem Verbraucher einen echten<br />

Zu satznutzen bietet“, sagt Dr. Thomas Sauer,<br />

Leiter des Marktsegments Custom Manufacturing<br />

Agro. „Wir sehen darin für unsere<br />

CO 2 -Extraktion einen interessanten Markt<br />

mit viel Potenzial.“<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


6 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />

Hochleistungspolymere<br />

erzeugen Biomethan<br />

Neue Polymermembranen machen die Aufbereitung von Biomethan aus nachwachsenden Rohstoffen einfach und effizient<br />

Biogas als umweltverträglicher und heimischer Energieträger wird in Zukunft<br />

eine immer größere Rolle spielen. Für die Aufbereitung und Reinigung des Gases<br />

haben Spezialisten von <strong>Evonik</strong> hochselektive Polymermembranen entwickelt.<br />

Seit Jahresbeginn stellt eine Testanlage in Neukirchen an der Vöckla (Österreich)<br />

unter Beweis, dass die Membranen zuverlässig und kostengünstig Rohgas in<br />

hochreines Biomethan verwandeln, das direkt ins Netz eingespeist werden kann.<br />

[ text Dr. Goetz Baumgarten, Dr. Markus Ungerank, Dr. Christian Schnitzer, Dr. Axel Kobus ]<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Anlage zur Erzeugung von Biogas.<br />

Unter den erneuerbaren Energien<br />

besitzt Biogas den Vorteil, dass<br />

es kontinuierlich nutzbar ist. Zudem<br />

kann es nach Aufbereitung zu<br />

Biomethan in das bestehende Erdgasnetz<br />

eingespeist werden


IogaS nImmt Im Reigen der erneuerbaren Energien eine besondere<br />

Stellung ein. Zunächst einmal ist es ein heimischer<br />

Energie träger und ein wichtiger Baustein für dezentrale Versorgungsstrukturen,<br />

der unabhängig von Wind, Wasser oder<br />

Sonne Tag und Nacht genutzt werden kann – sowohl zur Gewinnung<br />

von Strom und Wärme als auch als Kraftstoff oder als<br />

Erdgassubstitut. Außerdem steht Biogas für die höchsten Energieerträge<br />

pro Flächeneinheit und für Umwandlungseffizienz:<br />

Wird Biogas als Kraftstoff genutzt, lässt sich aus einem Hektar<br />

Anbaufläche in einem Jahr so viel Biogas erzeugen, dass ein Auto<br />

damit mehr als 100.000 Kilometer fahren kann. Ein Kilometeräquivalent,<br />

das alle anderen Energiegewinnungsmethoden aus<br />

Biomasse übertrifft – so reicht das aus einem Hektar Anbaufläche<br />

pro Jahr gewonnene Bioethanol nur etwa 70.000 Kilometer<br />

weit. Zusätzlich sind bei der Strom gewinnung aus Sonne und<br />

Wind die Produktionskosten pro Kilowattstunde im Vergleich<br />

zu Biogas wesentlich höher.<br />

Ein weiterer Vorteil bei der Biogasproduktion ist, dass als<br />

Rückstand bei der Biogasproduktion nur geringe Mengen an<br />

Gärgut und Schlamm entstehen. Diese können dann für die Gewinnung<br />

von Humus weiterverwendet werden. Das aus Biogas<br />

gewonnene Biomethan lässt sich zudem gut speichern und kann<br />

einfach über das bestehende Erdgasnetz zum Verbraucher transportiert<br />

werden. Ein weiterer, sehr wichtiger Pluspunkt bei der<br />

Energiegewinnung aus Biogasanlagen ist die CO 2 -arme Energieerzeugung<br />

aus den regenerativen Rohstoffen.<br />

Biogas entsteht durch mikrobielle Vergärung von nachwachsenden<br />

Rohstoffen wie beispielsweise Mais, aber auch von Klärschlamm,<br />

Gülle oder Abfällen der Landwirtschaft. Der entscheidende<br />

Vorteil gegenüber Erdgas liegt darin, dass bei der Verbrennung<br />

von Biogas nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird,<br />

wie die vergärte Biomasse zuvor der Atmosphäre entzogen hat.<br />

Daher setzen sowohl Politik als auch Gasversorger große<br />

Hoffnung in Biogas. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzprogramm<br />

(IEKP) der Bundesregierung sieht vor, dass in den<br />

kommenden Jahren mehr Biogas in das deutsche Erdgasnetz eingespeist<br />

und damit breit verfügbar wird. Bis zum Jahr 2020<br />

sollen jährlich 60 Milliarden Kilowattstunden, bis 2030 rund<br />

100 Milliarden Kilowattstunden erzeugt und ins Netz eingespeist<br />

werden. 100 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2030 entsprechen<br />

rund zehn Prozent des aktuellen Erdgasverbrauchs in<br />

Deutschland. Selbstverpflichtungen der Gasversorger sehen im<br />

Kraftstoffsektor sogar Anteile an Erdgassubstituten von zehn<br />

bzw. 20 Prozent für die Jahre 2010 und 2020 vor.<br />

Abbildung 1<br />

Erzeugung von Biogas: Aus nachwachsenden<br />

Rohstoffen wie Mais, aber auch aus Klärschlamm,<br />

Gülle oder landwirt schaft lichen Abfällen entsteht<br />

durch mikrobielle Vergärung in einer entsprechenden<br />

Anlage das Biogas. Nach Abtrennung von insbesondere<br />

CO 2 und verschiedenen Neben bestand teilen<br />

wie etwa Wasserdampf und Schwefelwasserstoff<br />

kann das Biogas dann genutzt werden – im Gasnetz,<br />

in Blockheiz kraftwerken und an Tankstellen<br />

ReSSoURCeneFFIZIenZ 7<br />

Wie entsteht nun das zu verwertende Methan? Bei der Vergärung<br />

setzen Mikroorganismen unter Sauerstoffausschluss die<br />

Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette aus Pflanzen, Gülle oder Klärschlamm<br />

in die Hauptprodukte Methan und Kohlendioxid um.<br />

In Spuren entstehen dabei meist außerdem Wasserstoff, Stickstoff,<br />

Sauerstoff, Schwefelwasserstoff und Ammoniak. Die Zusammensetzung<br />

des entstehenden Gases hängt wesentlich vom<br />

Substrat und der Betriebsweise des Faulbehälters ab. Wertvoll<br />

ist immer das enthaltene Methan: Je höher dessen Anteil, desto<br />

energiereicher ist das Gas.<br />

Konventionell wird Biogas direkt am Ort der Erzeugung verstromt.<br />

Dabei können allerdings maximal 40 Prozent der enthaltenen<br />

Energiemenge als Strom genutzt werden, die entstehende<br />

Wärme wird nur in den seltensten Fällen ausreichend<br />

verwertet. Wird das Gas dagegen ins Netz eingespeist, können<br />

mehr als 90 Prozent des Energiegehalts tatsächlich auch genutzt<br />

werden.<br />

Abtrennung von CO 2 wesentlich<br />

für Biogasaufbereitung<br />

Bevor Biogas eingespeist werden kann, sind eine umfangreiche<br />

Reinigung, Trocknung und Konditionierung nötig. Schwefelwasserstoff<br />

und Ammoniak beispielsweise müssen entfernt werden,<br />

damit Korrosion in Motoren und nachgeschalteten Komponenten<br />

wie Wärmetauschern verhindert wird. Auch Wasserdampf<br />

im Biogas kann kondensieren und zu Korrosion führen. Daher<br />

wird das Rohgas getrocknet. Außerdem muss das gereinigte<br />

Biogas bezüglich Trockenheit, Druck und Heizwert präzise auf<br />

das Erdgas im Netz abgestimmt sein. 333<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


8 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />

333 Der zentrale Schritt der Aufbereitung ist die weitgehende<br />

Abtrennung des Kohlendioxids. CO2 ist nicht brennbar und mindert<br />

daher den Heizwert. Nach den Vorgaben des Deutschen<br />

Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) muss der CO2-Ge halt von üblicherweise 25 bis 45 Volumenprozent (Vol.-%) auf<br />

unter 6 Vol.-% abgesenkt werden. Je nach Anforderungen der<br />

Netzbetreiber darf der Restgehalt manchmal sogar 2 Vol.-% nicht<br />

überschreiten, damit durch die Einspeisung von Biomethan die<br />

Qualität des Gemischs aus Erdgas und Biomethan nicht unter die<br />

vom Netzbetreiber zu gewährleistenden Werte absinkt.<br />

Konventionelle Anlagen für künftige dezentrale<br />

Energieversorgung oft ungeeignet<br />

Für die Abtrennung des CO 2 haben sich in den vergangenen Jahren<br />

unterschiedliche Verfahren am Markt etabliert. Die Mehrzahl<br />

der Aufbereitungsanlagen nutzt die sogenannte Druckwechseladsorption,<br />

bei der das CO 2 und enthaltene Spurengase an<br />

porösen Materialien adsorbiert werden. Ein weiteres etabliertes<br />

Verfahren ist die Druckwasserwäsche, bei der CO 2 , Schwefelwasserstoff<br />

und Ammoniak in Wasser gelöst und ausgewaschen<br />

werden. Speziell für größere Anlagen wird häufig die Aminwäsche<br />

eingesetzt, bei der das CO 2 mittels einer Waschflüssigkeit<br />

aus Aminverbindungen aus dem Biogasstrom ausgewaschen<br />

Abbildung 2<br />

Übersicht über die verschiedenen<br />

Aufbereitungsverfahren<br />

(in Anlehnung an G. Dachs, C. Zach,<br />

Biogasaufbereitungssysteme zur<br />

Einspeisung in das Erdgasnetz – ein<br />

Praxisvergleich, SEV Bayern,<br />

(2008))<br />

Abbildung 3<br />

Durchtrittsgeschwindigkeiten<br />

unterschiedlicher Gase<br />

in einer Polyimidmembran<br />

Abbildung 4<br />

Gasseparation mit Membranen<br />

Abbildung 5<br />

Funktionsweise<br />

eines Membranmoduls<br />

zur Gastrennung<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

H 2O<br />

H 2<br />

CO 2<br />

wird. Eine noch relativ neue Technik im Zusammenhang mit<br />

der Biogasaufbereitung ist die kryogene Gastrennung, die das<br />

Kohlendioxid bei tiefen Temperaturen aus dem Gasstrom ausfriert.<br />

All diese Verfahren haben einige gewichtige Nachteile: Sie<br />

benötigen Energie, Hilfsmittel und Hilfschemikalien. Es entstehen<br />

Abfälle und Abwasser, die aufbereitet und entsorgt werden<br />

müssen. Zudem steht das Biogas nach der Aufbereitung meist<br />

unter geringem Druck und muss für die Einspeisung beispielsweise<br />

in ein Mitteldrucknetz mithilfe eines zusätzlichen Kompressors<br />

auf Drücke von 15 bis 20 bar verdichtet werden.<br />

Daher arbeiten konventionelle Aufbereitungsanlagen meist<br />

erst ab einer Rohbiogasmenge von über 500 Normkubikmeter<br />

pro Stunde (Nm³/h) wirtschaftlich. Das bedeutet: Für eine künftige<br />

dezentrale Energieversorgung mit zahlreichen kleineren<br />

Anlagen sind sie in der Regel ungeeignet.<br />

Mehr Effizienz mit<br />

Membrantechnologie<br />

Weitaus mehr Flexibilität, Energie- und Kosteneffizienz verspricht<br />

die Membrantechnologie, mit der <strong>Evonik</strong> als Hersteller<br />

von Hochleistungskunststoffen schon seit Jahren Erfahrungen<br />

gesammelt hat. Die Gastrennung mit Polymermembranen nutzt<br />

Verfahren Trenneffekt An/Durch Abtrennung von<br />

Druckwechseladsorption Adsorption Aktivkohle (Molekularsieb) CO 2 H 2 S H 2 O<br />

Druckwasserwäsche Physikalische Adsorption Wasser CO2 H2S NH3 Genosorb® Physikalische Adsorption Genosorb® CO2 H2S NH3 H2O Monoethanolamin­Wäsche Chemische Adsorption Monoethanolamin CO 2 H 2 S<br />

Membranverfahren Permeation Membran CO 2 H 2S NH 3 H 2O<br />

Kryogene Gastrennung Rektifikation Tiefe Temperaturen CO 2 H 2 S<br />

O 2<br />

N 2<br />

CH 4<br />

Schnell Langsam<br />

Biogas<br />

CH 4<br />

Membran<br />

CO 4 NH 3 H 2 S H 2 O<br />

Permeat<br />

Hohlfasermembran<br />

Mit Methan angereichertes Retentat<br />

Mit CO 2 angereichertes Permeat<br />

Biogas Retentat


die Tatsache, dass Gasmoleküle unterschiedlich groß und unterschiedlich<br />

gut im Polymer löslich sind.<br />

Das gilt auch für die Aufbereitung von Biogas: Da CO 2 -<br />

Moleküle kleiner sind als Methanmoleküle und sich zudem in<br />

Polymeren besser lösen, können sie die Mikroporen der Membran<br />

wesentlich schneller durchwandern. An der Hochdruckseite<br />

der Membran sammelt sich somit das Methan an, während<br />

Wasserdampf, Ammoniak, Schwefelwasserstoff und der Großteil<br />

des CO 2 das molekulare Sieb passieren. Da das methanreiche<br />

Gas an der Hochdruckseite abgezogen wird, muss es für die Einspeisung<br />

zudem nicht mehr eigens verdichtet werden.<br />

Robust und selektiv:<br />

Membranen aus Polyimid<br />

Polyimide sind Hochleistungskunststoffe, die sehr druck- und<br />

temperaturbeständig sind. Sie werden beispielsweise seit<br />

Längerem erfolgreich für Filterschläuche in der Zementindustrie<br />

eingesetzt mit dem Ziel, dort den Staub vom heißen Abgas<br />

zu trennen.<br />

<strong>Evonik</strong> hat in den vergangenen Jahren Membranen auf Basis<br />

von Polyimiden entwickelt. Sie zeigen eine beständig hohe Selektivität<br />

und sind insbesondere für die Trennung von CO 2 und<br />

Methan geeignet. Im Gegensatz zu anderen Polymeren zeigen<br />

Hohlfaserbündel<br />

und Membranmodule<br />

(links) von <strong>Evonik</strong><br />

ReSSoURCeneFFIZIenZ 9<br />

die hier eingesetzten Polyimide kaum Wechselwirkung mit Kohlendioxid,<br />

das bei längerer Einwirkung bestimmte Kunststoffmembranen<br />

plastifiziert und dabei deren Selektivität deutlich<br />

senkt.<br />

Polyimide entstehen durch Polymerisation von Carbonsäuredianhydrid<br />

und Diaminen. Das Polymer wird durch den sogenannten<br />

Phaseninversionsprozess zu feinen Fasern gesponnen.<br />

Ein Lösemittel sorgt dafür, dass die Fasern beim Durchgang<br />

durch die Spinndüse ausgehöhlt werden. So entstehen nach<br />

Trocknung und Nachbehandlung dünne Hohlfasern mit einem<br />

Außendurchmesser von wenigen 100 Mikrometern und einer<br />

Membranwandung von weniger als 100 Mikrometer Stärke. Mehrere<br />

1.000 dieser Hohlfasern werden gebündelt, die Enden in ein<br />

Harz eingebettet und das Bündel wird schließlich in ein Metallrohr<br />

eingeführt. Das fertige Modul kann nun mit einem Gasgemisch<br />

unter Druck beaufschlagt werden.<br />

Bisherige Erfahrungen zeigen: Polyimidmembrane zur<br />

Gas trennung sind ein robustes und einfaches Instrument zur<br />

Gasreinigung. Bei ihrem Einsatz in der Biogasaufbereitung<br />

zeigen sie eine höhere Anlagenverfügbarkeit, geringeren Energiebedarf<br />

und niedrigere Wartungskosten gegenüber alternativen<br />

Ver fahren.<br />

Allerdings haben bisher am Markt verfügbare Polyimidmembranen<br />

den Nachteil, dass nennenswerte Mengen 333<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


10 ReSSoURCeneFFIZIenZ<br />

333 Methan über den „Schlupf“ verloren gehen, weil ihre Selektivität<br />

nicht groß genug ist. Eine ausreichend gute Trennung von<br />

CO2 und Methan muss daher entweder mit energetisch aufwendigen<br />

hohen Rückführströmen oder mit einer Serienschaltung<br />

mehrerer Mem branen hintereinander erkauft werden – beides<br />

erhöht die Investitions- und Betriebskosten. Oder das Verfahren<br />

benötigt nachgeschaltet eine thermische Verwertung des methanhaltigen<br />

Abgases, was in der Regel ebenfalls hohe Zusatzkosten<br />

verursacht. Durch diese Schwächen waren bisherige<br />

Membrantechnologien im Vergleich zu anderen Trennmethoden<br />

weniger konkurrenzfähig.<br />

Neues <strong>Evonik</strong>-Polyimid zeigt<br />

optimale Trennleistung<br />

In den vergangenen Jahren gelang es Membranspezialisten und<br />

Polymerforschern von <strong>Evonik</strong>, besonders selektive Polyimidmembranen<br />

zu entwickeln. Für die neuen Polyimidmembranen<br />

setzen die Polymerchemiker auf eine speziell für die Herstellung<br />

von Membranen optimierte Form des bewährten Polyimid P84®<br />

von <strong>Evonik</strong>. Mit diesen Membranen wird in nur einem Schritt<br />

Abbildung 6<br />

Der mehrstufige Prozess<br />

zur Aufbereitung<br />

von Biogas von <strong>Evonik</strong><br />

Rohbiogas aus Fermenter:<br />

ca. 53 % CH 4 , 47 % CO 2<br />

Kompressor<br />

10 bis 25 bar<br />

Abbildung 7<br />

Rückstrom<br />

Erste Ergebnisse der mit<br />

den Mem branen von<br />

<strong>Evonik</strong> erzeugten Gas qualitäten:<br />

Das Methan aus<br />

dem Roh gas lässt sich auf<br />

über 99 % aufreinigen<br />

CH4­Produktgas CH4 im Rohgas<br />

CO2 im Rohgas<br />

CH4­Offgas <strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Mehrstufenmembranverfahren<br />

von <strong>Evonik</strong><br />

Gasgehalt [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Produktstrom Biomethan:<br />

(> 97 % Methan) 10 bis 25 bar<br />

Schwachgasstrom,<br />

vorwiegend aus CO 2 :<br />

< 1 % Methan<br />

bereits eine deutlich verbesserte Trennung von Kohlendioxid<br />

und Methan möglich. Sie zeigen auch noch bei CO 2 -Partialdrücken<br />

von bis zu 25 bar – wie sie bei der Biogasaufbereitung vorkommen<br />

– eine stabile Selektivität und unterscheiden sich dadurch<br />

von bisher am Markt verfügbaren Membranen.<br />

Gemeinsam mit Creavis, der strategischen Forschungs- und<br />

Entwicklungseinheit von <strong>Evonik</strong>, sowie dem Servicebereich Verfahrenstechnik<br />

& Engineering wurde ein Verfahren entwickelt,<br />

das die Trenneigenschaften der Polyimidmembranen optimal<br />

nutzt. Die Module werden seit Kurzem mit zwei unterschiedlichen<br />

Durchmessern und in zwei verschiedenen Längen gefertigt.<br />

Derzeit erproben die <strong>Evonik</strong>-Experten die Produktionsmodule<br />

im österreichischen Neukirchen an der Vöckla in einer<br />

Testanlage. Das Rohgas stammt aus der Vergärungsanlage eines<br />

Landwirts, der aus nachwachsenden Rohstoffen Biogas gewinnt.<br />

Im vergangenen Herbst wurde in unmittelbarer Nähe zur Vergärungsanlage<br />

ein Container installiert, der die gesamte Technik<br />

zur Biogasreinigung und -anreicherung enthält. Der Prozess<br />

wird von den Entwicklern von <strong>Evonik</strong> über eine Datenleitung<br />

fernüberwacht und gesteuert.<br />

Seit Anfang 2011 betreibt <strong>Evonik</strong> im österreichischen<br />

Neukirchen an der Vöckla eine<br />

Testanlage zur Aufbereitung von Biogas<br />

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200<br />

Zeit [h]


Die Aufbereitungskapazität der Testanlage beträgt 10 Nm³/h.<br />

Das Rohgas kommt als Mischung von CO 2 , Methan und den<br />

typischen Nebenkomponenten aus der Vergärungsanlage an und<br />

wird zunächst mit Aktivkohle entschwefelt, gefiltert und vorgetrocknet.<br />

Das stellt sicher, dass sich kein Kondensat auf der Membran<br />

bildet und sich auch keine Partikel oder Schwefelkomponenten<br />

auf der Membran ablagern können. Das vorgereinigte<br />

Gas wird anschließend mit einem ölfreien Kompressor angesaugt<br />

und auf rund 16 bar verdichtet.<br />

Entscheidend für den Erfolg ist eine geschickte Verschaltung<br />

der einzelnen Module. Wie die Module im Einzelfall verschaltet<br />

werden, hängt von deren Anzahl ab und von den Anforderungen,<br />

die an die Reinheit des Methans gestellt werden. In der Testanlage<br />

in Neukirchen wird ein Teil des Gasstroms von der drucklosen<br />

Permeatseite wieder in das erste Modul zurückgeführt.<br />

Praxistest erfolgversprechend<br />

Seit Inbetriebnahme der Testanlage im ersten Quartal 2011<br />

arbeitet die Technik störungsfrei. In Neukirchen untersuchen<br />

die Experten von <strong>Evonik</strong> wesentliche Parameter, beispielsweise<br />

die Kapazitäten verschiedener Module, ihre Langlebigkeit und<br />

die Stabilität der Selektivität. Sie variieren Druck und Stoffströme,<br />

um die optimalen Prozessbedingungen herauszu -<br />

ar beiten. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend: Das<br />

Methan aus dem Rohgas lässt sich auf über 99 Prozent aufreinigen,<br />

im Abgas sind weniger als 0,5 Prozent Methan vorhanden.<br />

Damit wird nahezu das gesamte Methan aus der Vergärung in<br />

Biomethanqualität gewonnen.<br />

Zudem ist das Biomethan nach dem Aufbereitungsverfahren<br />

mit Membranen bereits trocken und erfüllt die Taupunktanforderung<br />

für die Netzeinspeisung. Da der Schlupf unter 0,5 Prozent<br />

liegt, ist außerdem zur Einhaltung der TA Luft keine zusätzliche<br />

Verbrennung des Schwachgases notwendig. Die Aufbereitung<br />

ist energieeffizient, erzeugt weder Abfälle noch Emissionen<br />

und benötigt keine Hilfsmittel wie Wasser oder<br />

Sorptionsmittel. All diese Vorteile schlagen sich direkt in den<br />

Kosten nieder: Verglichen mit Gaswäsche oder Adsorptionsverfahren<br />

ist eine Biogasaufbereitung mithilfe dieser neuen<br />

Membranmodule speziell bei den typischen Biogasanlagengrößen<br />

signifikant günstiger.<br />

Ein weiterer Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass<br />

nicht zuletzt das Verfahren eine hohe Flexibilität zeigt. Es ist<br />

sowohl für Klein- als auch für Großanlagen anwendbar und kann<br />

an sich ändernde Volumenströme und Gaszusammensetzungen<br />

leicht angepasst werden. Die Anlagen können zudem in kurzen<br />

Intervallen gestartet und gestoppt werden und sind daher ideal<br />

zum Betrieb einer Biomethantankstelle vor Ort geeignet. Die<br />

neuartigen Membranen können aber noch mehr: Sie reinigen<br />

nicht nur schnell und effizient Biogas, sondern gewinnen ebenso<br />

wirksam Stickstoff aus der Luft. Sie reichern Sauerstoff an, und<br />

sie können Wasserstoff aus Synthesegas separieren oder Gase<br />

und Luft trocknen.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Im Vergleich mit<br />

anderen Prozessen ist die membranbasierte Gasseparation die<br />

meistversprechende Technologie zur Aufbereitung von Biogas.<br />

Auf Basis der bisherigen Testergebnisse kann die <strong>Evonik</strong>-Membran<br />

aus Polyimid P84® hier einen zentralen und führenden<br />

Beitrag zur heimischen, dezentralisierten und klima verträglichen<br />

Energieversorgung leisten. 777<br />

ReSSoURCeneFFIZIenZ 11<br />

Dr. goetz baumgarten ist in der Wachstumslinie<br />

Fibres and Membranes des Geschäftsgebiets High Per -<br />

formance Polymers verantwortlich für die Geschäftsentwicklung<br />

Membranen. Nach Chemiestudium an<br />

der Universität Hannover und Promotion über die<br />

Behandlung von Deponiesickerwasser mit Membranverfahren<br />

startete er 1997 seine berufliche Laufbahn<br />

bei der Amafilter Deutschland GmbH in Düsseldorf.<br />

Ab 2001 war er als Produktmanager für die Produktsparte<br />

Membrantechnik der gesamten Amafilter-Gruppe<br />

verantwortlich, bis er 2005 zu <strong>Evonik</strong> wechselte.<br />

Dort leitete er zunächst die Membrantechnik gruppe im<br />

Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering, bevor<br />

er im Juli 2010 in seine heutige Position wechselte.<br />

+49 2365 49-4986, goetz.baumgarten@evonik.com<br />

Dr. markus Ungerank ist als Mitarbeiter der Tochtergesellschaft<br />

<strong>Evonik</strong> Fibres GmbH in Lenzing (Österreich)<br />

verantwortlich für F&E der Wachstums linie<br />

Fibres and Membranes des Geschäftsgebiets High<br />

Performance Polymers. Nach einem Chemiestudium<br />

an der TU Graz und Promotion über flüssigkristalline<br />

Poly mere startete er 1997 seine berufliche Laufbahn<br />

bei der <strong>Evonik</strong> Fibres GmbH als Projektleiter Entwicklung<br />

eines P84® Polyimidpulvers. Zwei Jahre später<br />

übernahm er die Leitung des Bereichs F&E und begleitete<br />

die Markteinführung des neuen P84® Polyimidpulvers.<br />

2007 initiierte er zusammen mit Dr. Goetz<br />

Baumgarten die Entwicklung neuartiger Membranen<br />

auf Basis von P84® Polyimid zur Gastrennung.<br />

+43 7672 701-2508, markus.ungerank@evonik.com<br />

Dr. Christian Schnitzer ist im Science-to-Business<br />

Center Eco² der für die dortigen Membranaktivitäten<br />

verantwortliche Projektmanager. Nach dem Studium<br />

des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik an<br />

der Technischen Universität Kaiserslautern und anschließender<br />

Promotion auf dem Gebiet der Mikrofiltration<br />

mit hochfeinen Multifilamentgeweben begann<br />

er 2008 seine berufliche Laufbahn bei <strong>Evonik</strong> im<br />

Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering,<br />

von wo aus er 2009 zu Creavis wechselte.<br />

+49 2365 49-5527, christian.schnitzer@evonik.com<br />

Dr. axel Kobus ist seit Juli 2010 im Geschäftsgebiet<br />

High Performance Polymers verantwortlich für die<br />

Wachs tumslinie Fibres and Membranes, die sich mit<br />

dem Einsatz von Hoch leis tungspolymeren für energie-<br />

und materialeffiziente Trennungen in der Prozessindustrie<br />

beschäftigt. Nach Studium der Verfahrenstechnik<br />

und Promotion auf dem Gebiet der Absorption und<br />

der thermischen Trenntechnik startete er 1999 seine<br />

berufliche Lauf bahn bei <strong>Evonik</strong> als Pro zessingenieur<br />

und Technikums leiter der Fluidverfah renstechnik.<br />

Nach einer Station in Elyria (Ohio, USA), wo er das<br />

Supply Chain Manage ment und den strategischen<br />

Einkauf des Bereichs Initiators verantwortete, leitete<br />

er ab 2005 in Hanau die Fluidverfahrenstechnik des<br />

Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering.<br />

+49 2365 49-5646, axel.kobus@evonik.com<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


12 eneRgIeeFFIZIenZ<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Ionische Flüssigkeiten<br />

Kühlen und<br />

heizen<br />

mit Wärme<br />

Absorptionsmaschinen nutzen thermische statt<br />

elektrischer Energie, um Räume zu klimatisieren<br />

oder Industriekälte bereitzustellen – so können<br />

sie zum Beispiel mit Sonnenwärme kühlen.<br />

Das Potenzial von Absorptionskältemaschinen<br />

und -wärmepumpen ist bislang jedoch nur unzureichend<br />

ausgeschöpft. Dank eines neuen<br />

Arbeitsstoffpaars auf der Basis von ionischen<br />

Flüssigkeiten, das <strong>Evonik</strong> Industries entwickelt<br />

hat, könnte sich das zukünftig ändern.<br />

[ text Dr. Matthias Seiler, Marc-Christoph Schneider ]<br />

DeR beRlIneR ReIChStag liefert nicht nur die<br />

Bühne für die Bundespolitik, sondern auch ein vorbildliches<br />

Beispiel für ökologisches Bauen. Eine<br />

spezielle Verglasung und Dämmung verringert Wärmeverluste.<br />

Eine Fotovoltaikanlage und zwei Blockheizkraftwerke,<br />

betrieben mit Biodiesel, können über<br />

drei Viertel des Strombedarfs decken. Und geothermische<br />

Energie aus dem Untergrund dient als Antrieb<br />

für Kälte- und Wärmespeicher. In den Sommermonaten<br />

nutzen Absorptionskälte maschinen einen Teil<br />

der Wärme, den die beiden Blockheizkraftwerke erzeugen,<br />

zur Kühlung der Räume im Reichstag.<br />

Solche Absorptionskältemaschinen tun auch<br />

20 Gehminuten entfernt im Immobilien- und Geschäftskomplex<br />

am Potsdamer Platz ihren Dienst.<br />

Ihre Stärke: Sie verdichten das Kältemittel nicht<br />

mithilfe von elektrischer, sondern von thermischer<br />

Energie – ein dickes Plus in Sachen Nachhaltigkeit.<br />

Weltweit nutzen immer mehr Geschäftsgebäude,<br />

Krankenhäuser und sogar ganze Stadtkomplexe<br />

(District Cool ing), aber auch Flug häfen und selbst der<br />

Vatikan Absorptionskälte maschinen, um nachhaltig<br />

Kälte zu erzeugen – oder bei entsprechender Nutzung<br />

auch Wärme.<br />

Die Thermodynamik des<br />

Arbeitsstoffpaars muss stimmen<br />

Eine Absorptionskältemaschine enthält in einem<br />

geschlossenen Kreislauf zwei gelöste Stoffe, das<br />

Kälte- und das Absorptionsmittel, die das sogenannte<br />

Arbeitsstoffpaar bilden. Der Prozess wird durch<br />

Wärme angetrieben und nutzt die Tatsache, dass die<br />

phy si ka lische Löslichkeit zweier Stoffe unter anderem<br />

temperaturabhängig ist. Allerdings reicht diese<br />

Anforderung an die beiden Stoffe noch nicht aus, um<br />

sie als Arbeitsstoffpaar für eine Absorptionskältemaschine<br />

interessant zu machen. Zusätzlich muss das<br />

Absorptionsmittel das Kältemittel möglichst effektiv<br />

absorbieren können und außerdem niedrigviskos


sein, um einen möglichst guten Wärme- und Stofftransport<br />

zu gewährleisten.<br />

Der Kreislauf einer Absorptionskältemaschine<br />

enthält vier Komponenten: Austreiber, Kondensator,<br />

Verdampfer und Absorber. Im Austreiber trennt die<br />

Absorptionskältemaschine mithilfe von zugeführter<br />

thermischer Energie die beiden Stoffe voneinander;<br />

sie erhitzt also das Arbeitsstoffpaar. Dabei verdampft<br />

das Kältemittel, gelangt in den Kondensator, kühlt<br />

dort ab und wird wieder flüssig. Über eine Drossel<br />

hinter dem Kondensator entspannt die Absorptionskältemaschine<br />

das Kälte mittel auf den Verdampferbzw.<br />

Absorberdruck mit den entsprechend niedrigen<br />

Betriebstemperaturen. So kann das Kältemittel im<br />

Verdampfer bei Aufnahme einer bestimmten Wärmemenge<br />

leicht verdampfen. Diese Wärme entzieht<br />

die Absorptions kältemaschine ihrer Umgebung.<br />

Das verdampfte Kältemittel strömt nun weiter in<br />

den Absorber, wo es vom Absorptionsmittel absorbiert<br />

wird. Anschließend werden beide Kompo-<br />

333<br />

eneRgIeeFFIZIenZ 13<br />

Der Berliner Reichstag.<br />

Absorptionskältemaschinen<br />

sorgen hier<br />

im Sommer nachhaltig<br />

für angenehme Temperaturen,<br />

indem sie die<br />

Wärme aus Blockheizkraftwerken<br />

nutzen<br />

Wird auch mit Absorp­<br />

tionskälte maschinen<br />

klimatisiert: der Changi<br />

Airport in Singapur<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


14 eneRgIeeFFIZIenZ<br />

Energieverbund der<br />

Parlamentsbauten in<br />

Berlin mit Kraft­Wärme­<br />

Kältekopplung und<br />

Aquiferspeichern.<br />

Aquifer sind Gesteinskörper<br />

mit Hohlräumen,<br />

durch die Grundwasser<br />

geleitet werden kann<br />

(Quelle Grafik: Die<br />

Woche, 10. Juli 1998)<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Strom<br />

Biodiesel Liefert Strom<br />

Blockheizkraftwerk<br />

Heizwärme direkt<br />

Rücklauf<br />

Heizung<br />

Warmwasser<br />

Warmwasser/Wärme als Antriebsenergie für die Wasserpumpe<br />

Überschüssige Wärme<br />

110 °C<br />

50 Meter Tiefe<br />

300 Meter Tiefe<br />

67 °C<br />

65 °C<br />

Aquiferwärmespeicher<br />

Hier wird warmes Wasser<br />

aus dem Sommerbetrieb für den<br />

Winter zwischengespeichert<br />

45 °C 65 °C<br />

65 °C<br />

333 nenten (das Arbeitsstoffpaar) über eine Pumpe<br />

wieder dem Austreiber zugeführt und der Kreislauf<br />

schließt sich.<br />

Kühlen und heizen mit einem Aggregat<br />

Der thermodynamische Kreisprozess lässt sich auch<br />

als Absorptionswärmepumpe einsetzen, denn er<br />

nimmt Wärme aus seiner Umgebung auf niedrigem<br />

Temperaturniveau im Verdampfer auf und gibt sie<br />

auf einem höheren Temperaturniveau unter Zu fuhr<br />

von thermischer Antriebsenergie wieder ab. Beide<br />

Funktionen – Kältemaschine und Wärmepumpe –<br />

lassen sich prinzipiell in einem Aggregat verwirklichen.<br />

Technisch gesehen konkurrieren solche Absorptionssysteme<br />

mit Kompressionswärmepumpen und<br />

-kältemaschinen. Eine Kompressionswärmepumpe<br />

zum Beispiel verdampft durch Wärmezufuhr auf<br />

niedrigem Temperaturniveau ein Kältemittel, das<br />

einen niedrigen Siedepunkt hat. Anschließend verdichtet<br />

sie mechanisch das gasförmige Kältemittel<br />

mithilfe eines elektrisch angetriebenen Kompressors,<br />

wobei sich das Kältemittel erwärmt. Bei hohem Druck<br />

gibt es dann seine Wärme an ein Umgebungsmedium<br />

ab, zum Beispiel ans Heizungswasser oder an einen<br />

Luftstrom. Das Kältemittel kühlt dabei ab und kondensiert<br />

wieder.<br />

Es gibt inzwischen viele Anwendungsbeispiele,<br />

bei denen mehrstufige Absorptionskältemaschinen,<br />

die mit Abwärme betrieben werden, einen Wir-<br />

90 °C<br />

Absorptionswärmepumpe<br />

Kühlt mit Wärme<br />

Kühlung<br />

6 °C<br />

6 °C<br />

5 °C<br />

Aquiferkältespeicher<br />

Hier wird kaltes Wasser<br />

für die Sommerkühlung<br />

zwischengespeichert<br />

Trockenkühler<br />

Kalte Luft<br />

kungsgrad erreichen, der genauso gut oder besser als<br />

der einer Kompressionskältemaschine ausfällt. Traditionell<br />

haben Absorptionskältemaschinen in Asien<br />

bereits eine sehr starke Marktposition. Experten<br />

gehen davon aus, dass die Technologie künftig auch<br />

in anderen Regionen der Welt aufgrund von Entwicklungsfortschritten<br />

bei den Arbeitsstoffpaaren<br />

sowie der Megatrends Ressourceneffizienz und<br />

Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen<br />

werden.<br />

Abwärme, Solar- oder<br />

Geothermie als Energiequelle<br />

Den Nachteil eines elektrisch angetriebenen, wenig<br />

nachhaltigen Kompressors haben Absorptionssysteme<br />

nicht: Sie lassen sich direkt mit thermischer<br />

Energie betreiben, die entweder aus einer regenerativen<br />

Energiequelle stammt – etwa der Geo- oder der<br />

Solarthermie – oder aus der Abwärme industrieller<br />

Prozesse. Die International Energy Agency schätzt,<br />

dass allein in Europa jedes Jahr mehrere Millionen<br />

Gigawatt indus trielle niederkalorische – und daher<br />

schwer verwertbare – Abwärme ungenutzt in die Umwelt<br />

entweichen. Ein Absorp tions sys tem kann Teile<br />

dieser Abwärme energieeffizient wieder in nutzbare<br />

Prozesswärme oder Kälte verwandeln. Darüber hinaus<br />

haben Absorptions- gegenüber Kompressionssystemen<br />

den Vorteil, dass sie völlig ohne ozonschädliche<br />

Kältemittel auskommen, weil sie Wasser anstatt beispielsweise<br />

Fluorkohlenwasserstoffe verwenden. 333


Ein Arbeitsstoffpaar, das die Rohre im Absorber gut benetzt,<br />

ist essentiell für einen effektiven Wärme­ und Stofftransport<br />

Fließbild einer einstufigen Absorp tions kältemaschine.<br />

Die vier wichtigsten Komponenten sind der Verdam pfer,<br />

an dem die Kälte bereitgestellt wird, der Austreiber,<br />

an den die An triebswärme geleitet wird, der Absor ber und<br />

der Kondensator, der die gepumpte Wärme bereitstellt<br />

Kältemittelkreislauf<br />

Kreislauf des Arbeitsstoffpaars<br />

Kondensator<br />

Verdampfer<br />

Nutzen (erzeugter Kältestrom)<br />

Aufwand (Antriebswärmestrom)<br />

Austreiber<br />

Absorber<br />

KURZInteRvIeW<br />

eneRgIeeFFIZIenZ 15<br />

Die INVEN Absorption GmbH, Erding bei München,<br />

konzipiert und baut Absorptionskälteanlagen, Absorp<br />

tionswärmepumpen und Wärmetransforma toren<br />

sowie Systeme für Industriekälte und Wärmerückgewinnung.<br />

Geschäftsführer Dr. Jürgen Scharfe über<br />

das Potenzial von Absorptionskältemaschinen.<br />

Welche Wünsche äußern Kunden häufig, die von<br />

Ihnen entworfene absorptionskältemaschinen<br />

kaufen?<br />

Immer mehr Kunden fragen vor allem nach Möglichkeiten,<br />

Kälte mit Abwärme aus der Stromproduk tion,<br />

also Gas- oder Dieselmotoren, zu nutzen. Hier besteht<br />

nach wie vor ein großes ungenutztes Poten zial.<br />

Leider können wir nicht in allen Fällen adäquate<br />

Lösungen anbieten, da die herkömmlichen Arbeitsstoffpaare<br />

dem Betrieb in heißen Ländern enge<br />

Grenzen setzen.<br />

Was ist in den augen der Kunden das größte<br />

Problem heutiger absorptionskältemaschinen?<br />

Das größte Problem der heute genutzten Arbeitsstoff<br />

paare ist der durch die LiBr-Kristallisation bedingte<br />

enge Einsatzbereich. Anlagen mit dem heute<br />

gängigen Paar Wasser/LiBr benötigen Kühlwasser<br />

mit einer Temperatur von maximal 32 °C, was nur<br />

mit Verdunstungskühlern erreichbar ist. In warmen<br />

Ländern, in denen Wasser oft knapp und mitunter<br />

sehr wertvoll ist, ist der Einsatz von Nass kühltürmen<br />

daher oft einfach nicht realisierbar.<br />

Welche eigenschaften müsste ein ideales arbeitsstoffpaar<br />

mitbringen?<br />

Es müsste mindestens den gleichen Coefficient of<br />

Performance – also das gleiche Verhältnis von Kältestrom<br />

(Nutzen) zu Antriebswärmestrom (Aufwand) –<br />

wie das Arbeitsstoffpaar Wasser/Lithiumbromid erlauben,<br />

sollte aber zu keinen Kristallisations- und<br />

Korrosionsproblemen führen. Die Performance der<br />

neuen <strong>Evonik</strong>-Systemlösungen geht hier in eine sehr<br />

vielversprechende Richtung.<br />

Welche Kundengruppen wären an absorptionskältemaschinen<br />

mit neuen arbeitsstoffpaaren<br />

besonders interessiert?<br />

Alle Kunden, die einen Bedarf an Kälte und gleichzeitig<br />

Wärme aus der Produktion von Strom zur<br />

Verfügung haben. Das reicht von Flughafen- und<br />

Hotelbetreibern über Städteplaner bis hin zu Industrie<br />

standorten. Insbesondere, wenn man wirklich<br />

an energieeffizienten, nachhaltigen Kältekonzepten<br />

interessiert ist, wird hier für viele Kunden kurz- bis<br />

mittelfristig kaum ein Weg an der Absorptionskälte<br />

vorbeiführen. Nicht vergessen sollte man auch den<br />

Einsatz von Solarenergie zur Kälteerzeugung.<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


16 eneRgIeeFFIZIenZ<br />

Zu den Stärken der neuen Arbeitsstoffpaare auf Basis ionischer<br />

Flüssigkeiten gehört, dass sie in einem deutlich breiteren Temperatur­<br />

und Druckbereich einsetzbar sind als die klassischen Varianten<br />

Bedingungen für den Einsatz des Arbeitsstoffpaars Lithiumbromid/Wasser<br />

Wasser (100 Gewichtsprozent)<br />

Ionische Flüssigkeiten von <strong>Evonik</strong>/Wasser<br />

56 58 80 88 Gewichtsprozent ionische Flüssigkeit<br />

Lithiumbromid/Wasser<br />

50 60 Gewichtsprozent<br />

Kristallisationsgrenze Lithiumbromid (60–70 Gewichtsprozent Lithiumbromid)<br />

Druck [mbar]<br />

70<br />

10<br />

6<br />

0<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

10 30 50 70 90 110<br />

Temperatur [°C]<br />

Maßschneidern von Absorptionsmitteln ohne Kristallisationsgrenzen<br />

im Temperaturbereich von –100 °C bis +200 °C<br />

Natriumchlorid (Tafelsalz)<br />

Lithiumbromid<br />

1­Methyl­3­Methylimidazoliumchlorid<br />

1­Buthyl­3­Methylimidazoliumchlorid<br />

Arbeitsstoffpaar von <strong>Evonik</strong> (nicht chloridbasiert)<br />

Schmelzpunkt [°C]<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

–200<br />

Klassische Arbeitsstoffpaare<br />

haben Kristallisations-, Korrosions-<br />

oder Toxizitätsprobleme<br />

In den meisten Fällen kommt als Kältemittel Wasser<br />

und als Absorptionsmittel Lithiumbromid zum Einsatz.<br />

Wasser/Lithiumbromid gilt als effizientes Arbeitsstoffpaar.<br />

Allerdings hat Wasserdampf ein großes<br />

spezifisches Volumen und unterliegt relativ engen<br />

Temperaturgrenzen, weshalb der Einsatz des Arbeitsstoffpaars<br />

Wasser/Lithiumbromid auf die Klima -<br />

ti sierung oder die Kältebereitstellung oberhalb von<br />

0 °C beschränkt ist.<br />

Das Arbeitsstoffpaar Wasser/Lithiumbromid hat<br />

aber noch weitere Nachteile. Ein großes Problem ist<br />

die Kristallisation des Lithiumbromids. Bei einem Anteil<br />

von mehr als 65 Prozent in wässrigen Lösungen<br />

kristallisiert Lithiumbromid bereits bei 25 °C – ein<br />

Problem, das vor allem in feuchten und heißen Ländern<br />

relevant ist. Dort sind deshalb mitunter teure<br />

Kühlsysteme erforderlich, die die Kristallisation des<br />

Lithiumbromids verhindern.<br />

Darüber hinaus wirkt Lithiumbromid gerade bei<br />

höheren Antriebstemperaturen stark korrosiv. Damit<br />

können die besonders energieeffizienten, weil mehrstufigen<br />

Absorptionskälteprozesse nur dann mit<br />

Lithiumbromid betrieben werden, wenn größere<br />

Mengen an Korrosionsinhibitoren oder teure korrosionsresistente<br />

Werkstoffe verwendet werden.<br />

Ionische Flüssigkeiten –<br />

umwelt freundlich, nicht korrosiv<br />

und nicht kristallisierend<br />

Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Advanced Intermediates<br />

von <strong>Evonik</strong> haben dieses Problem des klassischen<br />

Arbeitsstoffpaars schon vor Längerem erkannt.<br />

In enger Kooperation mit dem Ser vice bereich<br />

Verfahrenstechnik & Engineering des Unter nehmens<br />

entwickelten sie eine neue Systemlösung, die als Arbeitsstoffpaar<br />

in Absorptionskältemaschinen und<br />

Wärmepumpen eingesetzt werden kann.<br />

Ionische Flüssigkeiten sind Salze, also vollständig<br />

aus Ionen aufgebaut, deren Schmelzpunkt unterhalb<br />

von 100 °C liegt. Unterhalb ihrer Zersetzungstemperatur<br />

weisen ionische Flüssigkeiten keinen messbaren<br />

Dampfdruck auf, sie sind thermisch und elektrochemisch<br />

sehr stabil und lösen sich in vielen<br />

organischen, anorganischen und organometallischen<br />

Verbindungen. Ionische Flüssigkeiten bestehen für<br />

gewöhnlich aus organischen Kationen und organischen<br />

oder anorganischen Anionen. Ihre physikalischen<br />

Eigenschaften lassen sich durch die Variation<br />

der Ionenpaarung und -struktur gezielt einstellen.<br />

Darüber hinaus sind sie im Allgemeinen im Vergleich<br />

zu konven tionellen Salzen wie dem Lithiumbromid<br />

nur sehr wenig korrosiv.<br />

Aufgrund der Kompetenz in der großtechnischen<br />

Herstellung von ionischen Flüssigkeiten und von<br />

geeigneten Additiven ist es dem Team von <strong>Evonik</strong>


In einer Absorptionskältemaschine am Standort Hanau haben der<br />

Geschäftsbereich Advanced Intermediates und die Fluidverfahrenstechnik<br />

die neuen Arbeitsstoffpaare auf Basis ionischer Flüssig kei ten<br />

entwickelt und getestet. In Feldversuchen werden die Arbeits stoffpaare<br />

nun in Großanlagen einem Dauertest über mehrere Monate<br />

unterzogen. Dabei gilt: Für jede Anlage der verschiedenen Hersteller<br />

stellt <strong>Evonik</strong> das passende Arbeitsstoffpaar bereit, das direkt und ohne<br />

technische Änderungen in die jeweilige Anlage eingefüllt werden<br />

kann. Das ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung<br />

gelungen, ein neues Arbeitsstoffpaar mit deutlichen<br />

Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik zu entwickeln.<br />

Voraussetzung dafür war die genaue Kenntnis<br />

der Bedürfnisse und der Systeme der Kunden. Sie<br />

erlaubte es, komplexe, nachhaltige Systemlösungen<br />

zu erarbeiten, die aus neuen Absorptionsmitteln und<br />

Performance-Additiven maßgeschneidert sind und<br />

die umfangreichen Anforderungsprofile der Kältemaschinenbauer<br />

erfüllen.<br />

Und auch sonst punkten die neuen Arbeitsstoffpaare:<br />

Sie sind deutlich weniger korrosiv als Wasser/<br />

Lithiumbromid und besitzen einen deutlich breiteren<br />

Arbeitsbereich. Grund hierfür ist, dass die ionischen<br />

Flüssigkeiten von <strong>Evonik</strong> in Anwesenheit von Wasser<br />

keine Kristallisationsgrenzen im Arbeitsbereich von<br />

Absorptions kältemaschinen oder -wärmepumpen<br />

aufweisen.<br />

Die frühe Einbindung von Kunden, die die Anforderungen<br />

des Marktes genau kennen, hat diese<br />

Innovation deutlich begünstigt. Im Jahr 2012 will<br />

<strong>Evonik</strong> Formulierungen von Arbeitsstoffpaaren für<br />

Kältemaschinen und Wärmepumpen in den Markt<br />

einführen.<br />

Vielversprechende Feldtests<br />

Derzeit laufen Feldtests mit verschiedenen Industriepartnern,<br />

unter anderem zur Bereitstellung von Kälte<br />

im Megawattbereich. Die Industriepartner, mit denen<br />

<strong>Evonik</strong> zusammen arbeitet, wollen ganz unterschiedliche<br />

Anwendungen mit dem neuen Arbeitsstoffpaar<br />

von <strong>Evonik</strong> erschließen.<br />

Bisher zeigen alle Technikumsversuche und<br />

industriellen Feldtests, dass Kältemaschinen und<br />

Wärmepumpen nach einem Wechsel des Arbeitsstoffpaars<br />

von Wasser/Lithiumbromid auf die Systemlösung<br />

von <strong>Evonik</strong> immer einen mindestens gleich<br />

guten Wirkungsgrad (Coefficient of Performance)<br />

aufweisen. Hinsichtlich Kristallisation und Korrosion<br />

schneidet die ionische Flüssigkeit dagegen deutlich<br />

besser ab.<br />

Dank der neuen Formulierungen von <strong>Evonik</strong> für<br />

Arbeitsstoffpaare lassen sich die Betriebsparameter<br />

eines Absorptionssystems viel flexibler auslegen, was<br />

sich positiv auf die Kosten auswirkt. So wird zum<br />

Beispiel die effizientere Nutzung höherer Antriebstemperaturen<br />

in mehrstufigen Anlagen mit trockener<br />

Rückkühlung möglich. Das Potenzial von Absorptionssystemen<br />

könnte sich also bald deutlich stärker<br />

ausschöpfen lassen als bislang – zum Wohle einer<br />

nachhaltigen und effizienten Energienutzung. 777<br />

eneRgIeeFFIZIenZ 17<br />

Dr. matthias Seiler arbeitet als Director New Business<br />

Development im Geschäftsbereich Advanced Inter -<br />

me diates von <strong>Evonik</strong>. Nach Studium der Verfahrens-<br />

und Energietechnik an der TU Berlin und Promotion<br />

im Bereich Polymerverfahrenstechnik/Polymer thermodynamik<br />

an der Universität Erlangen-Nürnberg star tete<br />

er 2004 seine berufliche Karriere im Service bereich<br />

Verfahrenstechnik & Engineering von <strong>Evonik</strong>. Hier<br />

leitete er zuletzt die Abteilung „Bringing Tech no logy<br />

to Market“, bevor er 2010 seine aktuelle Position<br />

übernahm. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit<br />

absolvierte er einen Executive MBA an der ESSEC &<br />

Mannheim Business School.<br />

+49 6181 59-3049, matthias.seiler@evonik.com<br />

marc­Christoph Schneider beschäftigt sich im<br />

Bereich New Business Development des Ge schäfts -<br />

be reichs Advanced Intermediates mit Kälte an lagen<br />

und Wärmepumpen. Nach Studium der Mathe matik<br />

und Chemie an der TU Darmstadt arbeitete er ab<br />

2008 im Bereich Business Development Form mas sen<br />

der <strong>Evonik</strong> Röhm GmbH und studierte parallel dazu<br />

Wirtschafts ingenieurwesen Chemie an der Hoch schule<br />

Fresenius. 2009 wechselte er in die Ab teilung „Bringing<br />

Techno lo gy to Market“ des Service bereichs Verfahrens<br />

technik & Engineering und übernahm 2011 seine<br />

aktuelle Position.<br />

+49 6181 59-6664<br />

marc-christoph.schneider@evonik.com<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


18 neWS<br />

<strong>Evonik</strong>-Mitarbeiter erhält Preis für herausragende Dissertation<br />

Dr. Stephan Peitz (29), Mitarbeiter von<br />

<strong>Evonik</strong>, hat für seine 2010 abgeschlossene<br />

Dissertation den mit 2.000 € dotierten<br />

Joachim-Jungius-Preis der Gesellschaft der<br />

Förderer der Universität Rostock e.V. (GFUR)<br />

erhalten. Peitz beschäftigte sich am LIKAT –<br />

dem Leibniz-Institut für Katalyse e.V. der<br />

Universität Rostock – im Arbeitskreis von<br />

Prof. Dr. Uwe Rosenthal mit der selek tiven<br />

Tri- und Tetramerisierung von Ethylen zu unverzweigten<br />

α-Olefinen. Mit dem Joachim-<br />

Jungius-Preis würdigt die GFUR an der Uni<br />

Rostock durchgeführte Arbeiten, die sich, so<br />

die Vergabeordnung, „bezüglich Ex zellenz<br />

und Originalität von den übrigen Disser tationen<br />

herausheben und neue Im pulse für die<br />

Wissenschaft liefern“.<br />

„Wir freuen uns mit Herrn Peitz über die<br />

Auszeichnung“, sagte Dr. Markus Winterberg,<br />

im Geschäftsgebiet Performance Intermediates<br />

verantwortlich für die Forschung in<br />

Wärmedämmen mit hinterschäumtem PLEXIGLAS®<br />

Wie lassen sich sanierungsbedürftige Altbauten<br />

effizient wärmedämmen? Eine Antwort<br />

darauf erarbeitet <strong>Evonik</strong> derzeit in seinem<br />

Science-to-Business (S2B) Center Eco²,<br />

das unter der Leitung der strategischen Forschungseinheit<br />

Creavis Technologies & Innovation<br />

steht. In der Entwicklungslinie „Lösungen<br />

zur Steigerung der Energie ef fi zienz beim<br />

Kunden“ entwickeln die Forscher des S2B<br />

Eco² neuartige Fassadenelemente für sanierungsbedürftige<br />

Altbauten, die Energie und<br />

CO 2 sparen sollen.<br />

Die Verringerung des Endenergie verbrauchs<br />

beim Heizen von Gebäuden bietet<br />

ein großes Potenzial für Energie- und CO 2 -<br />

Einsparung. Auf den Gebäudebereich entfallen<br />

rund 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs<br />

und etwa 30 Prozent des klimaschädlichen<br />

CO 2 -Ausstoßes. Um die Treibhaus<br />

gasemissionen bis 2020 um 40 Prozent<br />

zu senken, wird die Bundesregierung die<br />

Energieeinsparverordnung (EnEV) kontinuierlich<br />

überarbeiten.<br />

Aktuell gilt die EnEV 2009; die nächste<br />

Ver schärfung – voraussichtlich um 30 Pro -<br />

zent – soll schon 2012 erfolgen. Laut dem<br />

kürzlich verabschiedeten Energiekonzept der<br />

Bundes regierung ist die energetische Sanierung<br />

des Gebäudebestandes ein zentraler<br />

Schlüssel dafür, die Klimaschutzziele zu er-<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

der C4-Chemie. „Sie zeigt uns einmal mehr,<br />

dass wir mit Herrn Peitz einen hervorragenden<br />

Wissenschaftler gewonnen haben.“ Seit<br />

November 2010 arbeitet Peitz im Geschäftsgebiet<br />

Performance Intermediates von<br />

<strong>Evonik</strong> an Projekten der C4-Forschung.<br />

Unverzweigte α-Olefine sind wertvolle<br />

Bausteine für die industrielle Produktion beispielsweise<br />

von speziellem Polyethylen, von<br />

synthetischen Schmier ölen oder Reinigungsmitteln.<br />

Bei ihrer Herstellung durch Oligomerisierung<br />

von Ethylen entsteht jedoch üblicherweise<br />

ein Olefingemisch, das nur mit hohem<br />

Aufwand getrennt werden kann. Mit<br />

seiner Dissertation zur homogenkatalytischen,<br />

selektiven Tri- und Tetra me risierung<br />

von Ethylen hat Peitz einen wesent lichen<br />

Beitrag dazu geleistet, den Reaktionsmechanismus<br />

aufzuklären. Dies ist Grund vor aussetzung<br />

für das Auffinden geeigneter Kataly<br />

satoren und für die Entwicklung eines<br />

Schlanke Wärmedämmung: Mit dem PMMA Rigid<br />

Foam Board, einer mit Polyurethan hinterschäumten<br />

PMMA­Fassadenplatte aus PLEXIGLAS® Mineral, lässt<br />

sich im Vergleich zu klassischen Wärmedäm m verbundsystemen<br />

die Dämmdicke um ca. 30 Pro zent verringern<br />

reichen; daher soll der Gebäudebestand in<br />

Deutschland bis zum Jahr 2050 nahezu komplett<br />

CO 2 -neutral sein. Die Sanierungsrate<br />

für Gebäude soll von derzeit weniger als ein<br />

Prozent des gesamten Gebäudebestandes pro<br />

Jahr auf zwei Prozent verdoppelt werden.<br />

Damit steigt der Bedarf an baulichem Wärme<br />

schutz kontinuierlich.<br />

Die sogenannten Nachkriegsbauten machen<br />

etwa drei Viertel des Altbaubestandes<br />

in Deutschland aus und bieten damit das<br />

größte Potenzial, bei Gebäuden Energie und<br />

selektiven, industriellen Prozesses mit hoher<br />

Ausbeute. Eine Kommerzialisierung der<br />

Arbeit von Peitz ist geplant.<br />

Die Gesellschaft der Förderer der Uni versität<br />

Rostock wurde am 17. Januar 1991 von<br />

Mitgliedern der Universität und Vertretern<br />

aus der Wirtschaft auf Initiative des damaligen<br />

Rektors, Prof. Dr. Gerhard Maeß, gegründet.<br />

Zu den 250 Mitgliedern zählen<br />

Absolventen und Freunde der Universität,<br />

Politiker und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Kultur. Um den wissenschaftlichen<br />

Nach wuchs zu fördern, verleiht die<br />

GFUR jährlich unter anderem den Joachim-<br />

Jungius-Förderpreis für hervorragende Disserta<br />

tio nen. Joachim Jung ius (1587–1657) war<br />

ein deutscher Mathe matiker, Physiker und<br />

Philo soph und gilt als Wegbereiter einer<br />

neuartigen naturwissenschaftlichen Denkweise<br />

und der wissenschaftlichen Metho dologie<br />

in Deutschland.<br />

CO 2 einzusparen. Durch undichte Fen s ter<br />

und Dächer sowie schlecht gedämmte oder<br />

ungedämmte Wände geht bei diesen Gebäuden<br />

viel Wärme verloren. Da sie der aktuellen<br />

EnEV nicht genügen, ist eine Nach rüstung<br />

zwingend erforderlich.<br />

Eine Sanierung nach EnEV 2012 würde<br />

aber bedeuten, dass die heute verwendeten<br />

Dämmdicken von etwa 14 Zentimeter bei den<br />

konventionellen Dämmstoffen wie Styropor<br />

oder Mineralwolle nicht mehr ausreichten –<br />

es wären Dämmdicken von etwa 20 Zentimeter<br />

erforderlich. Kritische Bereiche einer<br />

Fassade wie Fenster und Fensterlaibungen<br />

oder auch das Einhalten von Grenzabständen<br />

erschweren dann die fachgemäße Ausführung<br />

und können zudem die Optik stören. Architektonisch<br />

ansprechende Lösungen, die in<br />

Neubauten leicht umgesetzt werden können,<br />

erfordern bei bestehenden Bauten einen erhöhten<br />

Aufwand. Demnach steigt der Bedarf<br />

an neuartigen Dämmstoffen mit verbesserten<br />

Dämm eigenschaften und vergleichsweise<br />

geringen Dicken.<br />

<strong>Evonik</strong> will diesen bedeutenden Markt<br />

mit innovativen Produkten für die Ge bäudehülle<br />

bedienen, die auch der zukünftigen<br />

EnEV genügen. Eines dieser Produkte ist das<br />

sogenannte PMMA Rigid Foam Board, eine<br />

vor gefertigte, mit Polyurethan hinterschäumte


PMMA-Fassadenplatte aus PLEXIGLAS®<br />

Mineral. Da Polyurethan besser dämmt als<br />

Styropor oder Mineralwolle, bietet es einen<br />

sehr guten Wärmeschutz bei vergleichs weise<br />

geringen Dicken. Die Dämmdicke lässt sich<br />

damit um rund 30 Prozent verringern.<br />

Die Deckschicht der Fassadenplatte aus<br />

PMMA dient als Witterungs- und UV-Schutz<br />

und hält darüber hinaus mechanischen Beanspruchungen<br />

stand. Für den „Sanierer“ bietet<br />

das Produkt zudem ein alternatives Erscheinungs<br />

bild zum klassischen Wärmedämm<br />

verbundsystem mit verschiedenen<br />

Gestaltungsmöglichkeiten etwa bei Farbe,<br />

Struktur und Muster.<br />

Um sich von marktüblichen Fassaden -<br />

ele menten abzusetzen, lassen sich auch Licht-<br />

Neue Faserverbundwerkstoffe für leichtere Autos<br />

Ein schwerer Name für ein leichtes Ziel: Das<br />

Projekt CAMISMA steht für Carbonfaser/<br />

Amid/Metall-basiertes Innenstruktur-Bauteil<br />

im Multimaterialsystem-Ansatz und will<br />

Autos leichter machen. <strong>Evonik</strong> arbeitet in diesem<br />

Projekt gemeinsam mit Partnern an<br />

Materialien, die im Vergleich zu herkömmlichen<br />

Systemen um 40 Prozent leichter sind<br />

und sich kostengünstig in Serie produzieren<br />

lassen.<br />

Vor dem Hintergrund des Klimawandels<br />

und der endlichen fossilen Energie vorkommen<br />

ist die Entwicklung von ressourceneffizienten<br />

und emissionsarmen Fahrzeu gen eine<br />

zentrale Herausforderung. Das Fahrzeuggewicht<br />

spielt dabei als verbrauchsrelevante<br />

Größe eine besonders wichtige Rolle. Die<br />

Notwendigkeit einer leichteren Fahrzeugstruktur<br />

wird durch die Entwicklung batteriegetriebener<br />

Elektrofahrzeuge noch verstärkt:<br />

Leichtere Fahrzeuge machen in beiden<br />

Fällen einen niedrigeren Verbrauch mög -<br />

lich – beim Verbrennungsmotor reicht die<br />

Tank füllung für mehr Kilometer, das Elektroauto<br />

kommt mit einer Batterieladung weiter.<br />

Seit Jahren arbeitet <strong>Evonik</strong> erfolgreich an<br />

Materialien und Systemen für Leichtbauanwendungen.<br />

Jetzt entwickelt <strong>Evonik</strong> in der<br />

strategischen Forschungs- und Entwicklungseinheit<br />

Creavis mit drei weiteren Industriepartnern<br />

(Johnson Controls GmbH, Jacob<br />

Plastics GmbH und Toho Tenax Europe<br />

GmbH) sowie der Universität RWTH Aachen<br />

(Institut für Textiltechnik und Institut für<br />

Kraftfahrzeuge) ein neuartiges Leicht baukonzept,<br />

um Stähle sowie Leichtmetalle teilweise<br />

zu ersetzen. Das Projekt mit dem<br />

effekte mit integrierter LED-Technik in der<br />

Deckplatte erreichen. Ein wesentliches Merkmal<br />

der Fassadenplatte ist auch die einfache<br />

Montage mit bekannten, am Markt erhältlichen<br />

Systemen. Eine fertige Fassade mit diesem<br />

Produkt erfordert weniger Arbeitsschritte<br />

als das herkömmliche Wärmedämmverbundsystem.<br />

Die schnellere Montage und<br />

die geringeren Montagekosten sind weitere<br />

Vorteile für den Endkunden. Die PMMA-<br />

Deckplatte lässt sich zudem plastisch verformen,<br />

sodass auch besondere Detailelemente,<br />

speziell Rundungen, einfach hergestellt und<br />

montiert werden können.<br />

Gemeinsam mit dem Architekturteam<br />

des Geschäftsgebiets Acrylic Polymers und<br />

dem Geschäftsgebiet Polyurethane Additives<br />

Namen CAMISMA wird vom Bundes ministerium<br />

für Bildung und Forschung gefördert<br />

und gehört zum Rahmenprogramm „Werkstoffinnovationen<br />

für Industrie und Gesellschaft“.<br />

Es ist Anfang April 2011 gestartet und<br />

zunächst auf drei Jahre angelegt.<br />

Im Forschungsprojekt CAMISMA werden unter<br />

anderem unidirektionale Carbonfaser­Tapes entwickelt.<br />

Dabei handelt es sich um Halbzeuge aus längsgerichteten<br />

Carbonfasern, die mittels eines thermischen<br />

Polymers konsolidiert werden. Aufheizen und Verformen<br />

führen dann zu einem Bauteil<br />

Es geht dabei um Multimaterialsysteme –<br />

zukünftige Leichtbauweisen für ressourcensparende<br />

Mobilität. Bisher wurde ein niedrigeres<br />

Gewicht unter anderem durch dünnere<br />

Bleche erreicht. Mittlerweile sind diese Möglich<br />

kei ten zu einem großen Teil ausgeschöpft.<br />

Da her müssen neue Werkstoffe und Konstruk<br />

tionsweisen entwickelt werden. In<br />

diesem Zusammenhang erfahren faserver-<br />

neWS 19<br />

haben die Entwickler im S2B Eco² bereits<br />

erste Demonstratoren erstellt. Sie bestehen<br />

aus Platten aus PLEXIGLAS® Mineral, die mit<br />

Polyurethan hinterschäumt, nachbearbeitet<br />

und schließlich mit einem Nut-und-Feder-<br />

System versehen wurden. Die Idee, die Fas -<br />

sa denelemente mit marktüblichen Sys temen<br />

an der Wand zu befestigen, sowie das Nutund-Feder-System<br />

kamen vom Archi tek turteam<br />

von Acrylic Polymers, das über entsprechende<br />

Kompetenzen beim Einsatz von<br />

PLEXIGLAS® in der Fassade verfügt. Das Geschäftsgebiet<br />

Polyurethane Additives beriet<br />

und unterstützte technisch insbesondere in<br />

Bezug auf den Dämmstoff Poly ure than. Die<br />

Fassadenplatte ist bereits zum Patent angemeldet.<br />

stärkte Kunststoffe (FVK), insbesondere auf<br />

Basis von Kohlenstofffasern, zunehmende<br />

Auf merk samkeit. Bekannt aus dem Flugzeugbau,<br />

bietet diese Materialgruppe durch ihre<br />

hohe spezifische Festigkeit und aufgrund<br />

ihrer hohen Formgebungsfreiheit die Möglichkeit<br />

für neue Leichtbaukonzepte.<br />

Allerdings sind diese Materialien für<br />

Serienproduktionen im Kraftfahrzeugbau<br />

bislang noch zu teuer. Wesentliche Gründe<br />

hierfür sind die hohen Kosten für die Ausgangs<br />

stoffe und die sehr zeitintensive Herstellung<br />

von Bauteilen aus FVK. Sie kann<br />

wirtschaftlich bislang nicht mit den üblichen<br />

Blech umformverfahren konkurrieren. Genau<br />

hier setzt das Projekt CAMISMA an: „Wir<br />

planen hier kurze Taktzeiten, die auch eine<br />

Groß serienproduktion wirtschaftlich ermöglichen“,<br />

sagt Dr. Matthias Berghahn, Leiter<br />

der Entwicklungslinie „Energieeffizienz Kunden<br />

lösungen“ im Science-to-Business Center<br />

Eco² von <strong>Evonik</strong> und zuständig für das Projekt<br />

CAMISMA.<br />

Ferner ist die Anbindung von FVK-Bauteilen<br />

an die metallbasierte Fahrzeug struktur<br />

noch nicht zufriedenstellend gelöst. Das<br />

Pro jekt soll einen ganzheitlichen Lö sungsansatz<br />

aufzeigen, der einen Zugang zu preiswerten<br />

kohlenstofffaserverstärkten Multimaterial<br />

systemen ermöglicht. Um die Machbarkeit<br />

dieses Konzeptes zu belegen, wird<br />

zum Bei spiel eine Autositzlehnenstruktur<br />

als Funk tions muster entwickelt, gefertigt<br />

und getestet. Ziel ist es, insgesamt mehr als<br />

40 Pro zent des Gewichts im Vergleich zu<br />

her kömm lichen metallbasierten Konstruktio<br />

nen einzusparen.<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


20 KatalYSe<br />

Lindlar-Katalysatoren: die bleifreie Alter<br />

Für die stereoselektive Hydrierung<br />

von Kohlen stoffdreifachbindungen zu<br />

Koh lenstoffdoppel bindungen mit<br />

Lindlar-Katalysatoren hat <strong>Evonik</strong> eine<br />

Technologie entwickelt, die den Einsatz<br />

von Blei überflüssig macht. Im Vergleich<br />

zu den etablierten, bleihaltigen Lindlar-<br />

Katalysatoren überzeugen die neuen<br />

Katalysatoren auch mit ihren katalytischen<br />

Eigenschaften: Sie sind ebenso<br />

selektiv, zeigen aber eine deutlich<br />

höhere Aktivität bei gleichzeitig geringerer<br />

Beladung mit Palladium.<br />

[ text Dr. Dorit Wolf ]<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

beI DeR hYDRIeRUng von Alkinen zu cis-Alkenen sind Lindlar-<br />

Katalysatoren das Mittel der Wahl. Entsprechende Amin-<br />

(Quinolin-)modifizierte und auf CaCO 3 geträgerte Palladiumkatalysatoren,<br />

die partiell mit Blei vergiftet sind, eignen sich nicht<br />

nur für die Hydrierung von Alkinen, sondern auch für die selektive<br />

Hydrierung von Alkenen und von ungesättigten Aldehyden<br />

sowie für die Bildung Boc(tert-Butyloxycarbonyl)-geschützter<br />

Amine aus Aziden. Für diese Anwendungen bietet das Portfolio<br />

von <strong>Evonik</strong> eine besonders leistungsfähige Variante bleihaltiger<br />

Palladium(Pd)-Katalysatoren.<br />

Unter Umweltaspekten ist der Einsatz des giftigen Bleis – es<br />

galt lange als unverzichtbar, weil verantwortlich für die hohe<br />

Stereoselektivität – allerdings ein Nachteil. Hier hat <strong>Evonik</strong> angesetzt<br />

und eine bleifreie Alternative für die Hydrierung von<br />

Alkinen zu cis-Alkenen entwickelt.<br />

Die Basis dafür waren neueste wissenschaftliche Erkenntnisse,<br />

wonach sich die Selektivität der Katalysatoren nicht durch<br />

das Blei, sondern durch Form und Größe der Pd-Nanopartikel<br />

steuern lässt. Die Pd-Partikel müssen dazu sehr klein sein, da<br />

sie nur dann koordinativ ungesättigte Oberflächenplätze aufweisen.<br />

Diese Oberflächenplätze ermöglichen es, durch den<br />

Einbau von nicht toxischen Fremdatomen die elektronischen<br />

Eigenschaften des Pd-Gitters so zu variieren, dass die Löslichkeit<br />

von Wasserstoff im Pd-Gitter herabgesetzt wird. Da der im<br />

Pd-Gitter gelöste Wasserstoff für die nicht selektiven Hydrierreaktionen<br />

– die vollständige Hydrierung zum Alkan – verant-


Abbildung 1<br />

Stereoselektive Hydrierung von 2­Hexin<br />

zu cis­2­Hexen<br />

Abbildungen 2–4<br />

Gezeigt ist die Produktverteilung bei der Umsetzung<br />

von 2­Hexin zu cis­2­Hexen, trans­2­Hexen und<br />

Hexan für einen klassischen Lindlar­Katalysator (links)<br />

und neu entwickelte kolloidbasierte Systeme:<br />

Pd/CaCO 3 (Mitte) und Pd/C (rechts)<br />

native<br />

2­Hexin cis­2­Hexen<br />

trans­2­Hexen Hexan<br />

Lindlar (5 % Pd und 3,5 % Pb/CaCO3) Molarer Anteil [%]<br />

100<br />

●<br />

●<br />

●<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

●<br />

0<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

20<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

40<br />

●<br />

●<br />

●<br />

60<br />

●<br />

● ●<br />

● ●<br />

● ●<br />

80<br />

●<br />

1 % Pd/CaCO3 Molarer Anteil [%]<br />

100<br />

●●●<br />

●<br />

●<br />

80<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

wortlich ist, weisen derartig modifizierte Katalysatoren eine<br />

signifikante Selektivitätsverbesserung auf.<br />

Dieses Prinzip lässt sich auf verschiedenen Trägermateri alien<br />

(oxidische und Aktivkohlen) realisieren. Voraussetzung ist<br />

allerdings, dass die winzigen Palladiumpartikel noch für die<br />

Substrate zugänglich bleiben und nicht im Mikroporengefüge,<br />

beispielsweise von Aktivkohlen, verschwinden.<br />

<strong>Evonik</strong> hat hierzu basierend auf der Kolloidtechnologie ein<br />

entsprechendes Herstellungsverfahren für die Katalysatoren<br />

entwickelt. Auf diese Weise lässt sich die Aktivität im Vergleich<br />

zur Lindlar-Technologie nahezu verfünffachen bzw. die Pd-<br />

Beladung entsprechend senken. Die Selektivitäten der so erzeugten<br />

Katalysatoren bei der Umsetzung von Alkinen zu<br />

cis-Alkenen liegen auf einem vergleichbar hohen Niveau wie die<br />

der klassischen Lindlar-Katalysatoren.<br />

Eine einfache Modellreaktion, die stereoselektive Hydrierung<br />

von 2-Hexin zu cis-2-Hexen (Abb. 1), verdeutlicht die Leistungsfähigkeit<br />

der bleifreien Katalysatoren. Während der mit<br />

Blei dotierte Lindlar-Katalysator eine Pd-Beladung von fünf Prozent<br />

aufweist, konnte die Edelmetallbeladung bei den kolloidbasierten<br />

bleifreien Systemen auf ein Prozent reduziert werden,<br />

ohne dass die Aktivität abnahm. Gleichzeitig werden sehr hohe<br />

Stereoselektivitäten und damit Ausbeuten zum gewünschten<br />

cis-2-Hexen erzielt (Abb. 2–4). Aktuell optimiert das Geschäftsgebiet<br />

Catalysts die Technologie gemeinsam mit einem Kunden<br />

für industriell relevante Substrate. 777<br />

100<br />

Zeit [min]<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

●<br />

H 2<br />

Katalysator Katalysator<br />

● ● ● ●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

● ● ● ● ●<br />

0<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

45 90 135 180 225<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Zeit [min]<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

ReFeRenZen<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

KatalYSe 21<br />

PD Dr. Dorit Wolf ist seit 2004<br />

Grup penleiterin in F&E im <strong>Evonik</strong>-<br />

Ges chäftsgebiet Catalysts. Nach Studium<br />

der Chemie an der Univer sität Leipzig<br />

und der Promotion 1991 habilitierte sie<br />

sich 1997 am Lehrstuhl für Technische<br />

Chemie der Ruhr-Universität Bochum.<br />

Nach ihrer Habi litation übernahm sie<br />

die Leitung der Arbeitsgruppe Reaktions<br />

technik am Institut für Angewandte<br />

Chemie Berlin Adlershof e.V. 2001<br />

wechselte sie zu <strong>Evonik</strong> und leitete im<br />

Projekt haus Katalyse die Gruppe<br />

Hete rogene Katalyse.<br />

+49 6181 59-8746<br />

dorit.wolf@evonik.com<br />

[1] Lindlar, H.: Helv. Chim. Acta 1952, 35, 446<br />

[2] Ghosh, A. K.; Krishnan, K.: Tetrahedron Letters 1998, 39, 947<br />

[3] Righi, G.; Rossi, L.: Synthetic Communications 1996, 26, 1321<br />

[4] Teschner, D. et al.: J. Catal. 2006, 242, 26<br />

[5] Klasovsky, F.; Wolf, D.: Top. Catal. 2009, 52, 412–423<br />

H 2<br />

1 % Pb/C<br />

Molarer Anteil [%]<br />

100<br />

●<br />

● ● ●<br />

●<br />

● ● ● ● ● ●<br />

● ● ●<br />

●<br />

0<br />

●<br />

●<br />

●●●●●●● ● ● ● ● ●<br />

● ●<br />

● ● ● ●<br />

40 80 120<br />

160<br />

200<br />

Zeit [min]<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


22 ÖKobIlanZ<br />

Präziser Blick aufs Ganze<br />

Life Cycle Thinking: Eigenes Expertenteam bewertet bei neuen Produkten und Prozessen den gesamten Lebenszyklus<br />

Mit Mengen und Marktpreis allein lässt sich heute die Wertigkeit eines chemischen Produkts nicht<br />

mehr beschreiben. Experten von <strong>Evonik</strong> nutzen Ökobilanzen und Carbon Footprints, um den<br />

kompletten Lebenszyklus zu analysieren. Denn durch Life Cycle Thinking kann ein Unternehmen<br />

Wirtschaftlichkeit und Ökologie über die Werksgrenzen hinaus eng verzahnen.<br />

[ text Thomas Engenhorst, Dr. Karsten Grönke ]<br />

e10 ja oDeR neIn? Über Wochen beherrschte die Debatte um<br />

den mit Bioethanol versetzten Kraftstoff in Deutschland die<br />

Schlagzeilen. Die Lehren daraus? Verbraucher sind schnell verunsichert,<br />

wenn ihnen die Vorteile eines neuen Produkts nicht<br />

klar kommuniziert werden. Bio hin oder her. Rohstoff- und Produktionsketten<br />

sind heute so komplex, dass keiner auf Anhieb<br />

sagen kann, wie „öko“ eigentlich ein Produkt wirklich ist, das<br />

Bio im Namen trägt.<br />

Noch vor einigen Jahren hätte sich kaum jemand Gedanken<br />

darüber gemacht, ob der zusätzliche Bioethanol in deutschen<br />

Kraftstofftanks womöglich an anderer Stelle der Welt negative<br />

Auswirkungen mit sich bringen könnte. Das wäre beispielsweise<br />

dann der Fall, wenn zur Erzeugung der pflanzlichen Rohstoffe<br />

für die Alkoholgewinnung Wald oder Weideflächen in Ackerland<br />

umgewandelt würden. Oder wenn dafür dringend benötigte<br />

Nahrungsmittel statt auf den Teller letzten Endes in den Tank<br />

wanderten.<br />

Heute ist dieser Blick aufs Ganze in nahezu allen innovativen<br />

Branchen angekommen. Auch in der chemischen Industrie. Bei<br />

der Entwicklung neuer oder der Verbesserung bestehender Produkte<br />

geht es nicht mehr nur um den ökonomischen Mehrwert.<br />

Im Mittelpunkt stehen noch ganz andere Fragen: Wie umwelt-<br />

und klimaverträglich ist die gesamte Wertschöpfungskette? Ist<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

der gesamte Lebenszyklus wirklich nachhaltig? Und wie sehr<br />

unterscheiden sich „neu“ und „alt“ bei ihren Umweltauswirkungen<br />

ganz konkret?<br />

Ökobilanz und Carbon Footprint<br />

Das Instrumentarium, um diese Fragen zu beantworten, gibt es<br />

seit Jahren: die Ökobilanz, englisch Life Cycle Assessment (LCA).<br />

Mit einer Ökobilanz werden systematisch die Auswirkungen von<br />

Produkten und Prozessketten auf die Umwelt analysiert. Abhängig<br />

von der konkreten Fragestellung kann der gesamte Lebensweg<br />

des Produkts betrachtet und bilanziert werden – von der<br />

Rohstoffgewinnung über die Erzeugung der benötigten Energie,<br />

die Materialherstellung, den Transport, die Anwendung und<br />

Nutzung bis hin zum Recycling oder zur endgültigen Beseitigung.<br />

Mithilfe des Life Cycle Thinking können verschiedene Prozessrouten<br />

für das gleiche Produkt oder aber Alternativen mit gleichem<br />

Kundennutzen miteinander verglichen werden. Daneben<br />

decken Ökobilanzen auch Schwachstellen auf und zeigen Möglichkeiten<br />

zur Verbesserung der Umwelteigenschaften in den<br />

verschiedenen Phasen der Wertschöpfungskette.<br />

Obwohl mit einer Ökobilanz eine Vielzahl von Umweltauswirkungen<br />

von Produkten und Dienstleistungen betrachtet 333


In Ökobilanzen werden die einzelnen<br />

Phasen des Produktlebens wegs sowie<br />

sämtliche Umweltaspekte betrachtet<br />

Wirkungskategorien<br />

Rohstoffe<br />

. . .<br />

Ozonabbau<br />

Eutrophierung<br />

Versauerung<br />

Globale Erwärmung<br />

Cradle to Gate<br />

Produktion<br />

. . .<br />

Ozonabbau<br />

Eutrophierung<br />

Versauerung<br />

Globale Erwärmung<br />

Gate to Gate<br />

Cradle to Cradle/Grave<br />

Lebenszyklus<br />

Gebrauch des Produkts<br />

. . .<br />

Ozonabbau<br />

Eutrophierung<br />

Versauerung<br />

Globale Erwärmung<br />

ÖKobIlanZ 23<br />

Wie umwelt­ und klimaverträglich<br />

ist die gesamte Wertschöpfungskette<br />

für ein Produkt – hier das Beispiel<br />

Wärmedämmung – von den Rohstoffen<br />

über seine Herstellung bis hin zu<br />

seiner Entsorgung? Ist der gesamte<br />

Lebenszyklus wirklich nachhaltig?<br />

Antworten darauf liefert die Ökobilanz<br />

Recycling/Entsorgung<br />

. . .<br />

Ozonabbau<br />

Eutrophierung<br />

Versauerung<br />

Globale Erwärmung<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


24 ÖKobIlanZ<br />

Mit der selbst entwickelten und von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

PricewaterhouseCoopers<br />

zertifizierten Methode der Carbon Footprint Estimation<br />

untersucht die LCA­Gruppe alle Projekte im<br />

Forschungs­ und Entwicklungsstadium des S2B Eco²<br />

333 werden können, konzentriert sich die öffentliche Diskussion<br />

seit wenigen Jahren vor allem auf deren Relevanz für den Klimaschutz.<br />

Daher haben internationale Experten speziell für die<br />

produktspezifische Bilanzierung von Klimagasen in den vergangenen<br />

Jahren Methoden zur Errechnung des sogenannten Carbon<br />

Footprint entwickelt. Der „CO2-Fußabdruck“ ist ein Maß<br />

für alle Treibhausgasemissionen (angegeben in CO2-Äquivalen ten, CO2e), die im Lebenszyklus eines bestimmten Produkts anfallen.<br />

Der Carbon Footprint ist damit ein wirksames Instrument,<br />

um die Klimawirksamkeit von Waren und Dienstleistungen zu<br />

bestimmen, zu bewerten und zu kommunizieren.<br />

Sowohl LCA als auch der Carbon Footprint sind mittlerweile<br />

international anerkannte Werkzeuge. Ökobilanzen basieren auf<br />

der ISO-Norm 14040, ebenso wie aktuell noch der Carbon Footprint.<br />

Speziell für Letzteren wird allerdings zusätzlich die ISO-<br />

Norm 14067 ausgearbeitet, die 2012 veröffentlicht werden soll.<br />

Denn der CO2-Fußabdruck hat sich mittlerweile zu einem Leitwert<br />

innerhalb einer LCA entwickelt und gilt derzeit als wichtigster<br />

Indikator mit großer politischer und internationaler Relevanz.<br />

So steigert er bei Unternehmen und deren Lieferanten<br />

und Kunden das Bewusstsein für die Klimarelevanz von Produkten<br />

und Dienstleistungen. Ökobilanzen und Carbon Footprints<br />

sind daher wertvolle Marketinginstrumente und gleichzeitig für<br />

das Unternehmen selbst wichtige Bausteine bei der Weiterentwicklung<br />

einer nachhaltigen Unternehmensstrategie.<br />

Kunden wollen Bescheid wissen<br />

Auch bei <strong>Evonik</strong> haben diese Themen innerhalb relativ kurzer<br />

Zeit enorm an Bedeutung gewonnen. Im Unternehmen wurde<br />

dazu im Science-to-Business (S2B) Center Eco² der Creavis Technologies<br />

& Innovation, das sich mit Projekten zu Megatrends rund<br />

um die Themen Klima und Energie beschäftigt, ein neunköpfiges<br />

LCA-Expertenteam etabliert. Dieses setzt sich aus Wissenschaftlern<br />

und Ingenieuren verschiedener Disziplinen aus dem<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering zusammen.<br />

Seine Aufgabe: konzernübergreifende LCA-Standards zu entwickeln,<br />

die Produkte und Prozesse von <strong>Evonik</strong> hinsichtlich ihrer<br />

Nachhaltigkeit und Klimarelevanz zu bewerten und die LCA-<br />

Experten in den einzelnen Geschäftsbereichen mit internen Prozessanalysen<br />

und kundenwirksamen Studien zu unterstützen.<br />

Denn: <strong>Evonik</strong> mit seinem großen Produktportfolio ist auf<br />

eine Vielzahl von importierten Rohstoffen angewiesen, die sich<br />

in Umwelt- und Klimarelevanz, Gewinnung und Erzeugung stark<br />

unterscheiden. Ein international agierendes Unternehmen wie<br />

<strong>Evonik</strong> kann durch seine engen Beziehungen zu Rohstofflieferanten<br />

einerseits und zu Kunden andererseits einen wichtigen<br />

Beitrag zu einer ökologischen Verbesserung der Wertschöpfungsketten<br />

leisten.<br />

Dieses Ziel spiegelt sich in konkreten Fragen wider, denen<br />

sich die Experten und Entwickler bei <strong>Evonik</strong> stellen: Wie können<br />

Produkte und Prozesse nachhaltiger werden? Welchen CO 2 -<br />

Fußabdruck hat eine bestimmte Chemikalie? Wie viel CO 2 spart<br />

ein Kunde ein, der künftig ein verbessertes Produkt einsetzt?<br />

Wie kann das Gesamtunternehmen seine Treibhausgasemissionen<br />

am effizientesten reduzieren?<br />

Mit Fragen dieser Art beschäftigen sich die Experten nicht aus<br />

Altruismus. Vielmehr wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der diesbezüglichen<br />

konkreten Kundenanfragen. Das gilt insbesondere<br />

für Geschäftsbereiche, die ihre Produkte an die Konsumgüterindustrie<br />

liefern oder die in „CO 2 -sensiblen“ Märkten operieren,<br />

etwa in der Automobilindustrie. Ein willkommener Nebeneffekt<br />

bei der Beschäftigung mit Lebenszyklen und der Klimarelevanz<br />

von Produkten: Häufig entsteht dabei eine Ko operation zwischen<br />

<strong>Evonik</strong> und Kunden, die sich gemeinsam die Frage stellen, wie<br />

Produkte weiter verbessert werden können.<br />

Life Cycle Thinking beginnt bereits im Labor. Also dort, wo<br />

sich Entwickler Gedanken machen über neue oder verbesserte<br />

Produkte und Prozesse. So nimmt die LCA-Gruppe seit 2009 alle<br />

Projekte des S2B Eco² im Forschungs- und Entwicklungsstadium


Rohstoffe<br />

Transport<br />

CO 2 e­Rucksack<br />

Thermische Energie Strom<br />

Bei der Carbon­Footprint­Estimation­<br />

Methodik stehen die Treibhausgase im<br />

Mittelpunkt. Dabei werden die Emissionen<br />

an CO 2 ­Äquivalenten (CO 2 e) über den<br />

gesamten Lebensweg abgeschätzt<br />

Produktionsprozess<br />

Produkt<br />

Nebenprodukt<br />

Prozessbedingte<br />

CO 2e­Emissionen<br />

unter die Lupe und erarbeitet sowohl für die dort bearbeiteten<br />

Forschungsprojekte als auch für die Vorhaben der unterschiedlichen<br />

Geschäftsbereiche im Konzern Ökobilanzen und Carbon<br />

Footprints. Denn nicht alles, was neu ist, ist per se nachhaltig.<br />

Und damit ein ökonomisches Plus Hand in Hand geht mit ökologischem<br />

Mehrwert, müssen die für eine gute Ökobilanz wesentlichen<br />

Punkte frühzeitig adressiert werden.<br />

Wie aber führt man solche Analysen durch, wenn das neue<br />

Produkt oder der verbesserte Prozess erst im Laborstadium existiert?<br />

In dieser frühen Phase sind viele Randbedingungen noch<br />

ungeklärt, beispielsweise an welchem Standort später produziert<br />

werden soll, welche realen Ausbeuten der Prozess im großtechnischen<br />

Maßstab haben wird oder wie sich der konkrete Energiemix<br />

bei Aufnahme der Produktion zusammensetzt.<br />

Für Berechnungen in diesem frühen Stadium hat die LCA-<br />

Gruppe im S2B Eco² die Carbon-Footprint-Estimation-(CFE-)<br />

Me thodik entwickelt. Diese erlaubt eine standardisierte Bewertung<br />

von Forschungsprojekten in allen Lebenszyklusphasen und<br />

stellt dadurch sicher, dass unterschiedliche Produktentwicklungen<br />

von <strong>Evonik</strong> nach vergleichbaren Kriterien bewertet werden.<br />

Das Modell sieht verschiedene Möglichkeiten vor, um das Risiko<br />

unvollständiger oder schlechter Daten zu minimieren, beispielsweise<br />

durch iterative Expertenkontrollen und die Verwendung<br />

konservativer Annahmen. Die von der unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

PricewaterhouseCoopers (PwC) geprüfte<br />

Methodik richtet den Fokus zwar insbesondere auf die<br />

Klimaauswirkungen, kann jedoch um zusätzliche ökolo gische<br />

oder soziale Faktoren erweitert werden. Sie lässt sich darüber<br />

hinaus auf gezielte Fragestellungen in anderen F&E-Bereichen<br />

übertragen.<br />

Die Projekte des S2B Eco² durchlaufen in der Bewertung einen<br />

mehrstufigen iterativen Prozess und müssen in ihren verschiedenen<br />

Entwicklungsstadien einen positiven Einfluss auf die<br />

Klimabilanz unter Beweis stellen. Die entscheidende Frage bei<br />

den Analysen ist, ob das neue Produkt oder der verbesserte Pro-<br />

Produktgebrauch<br />

Thermische Verwertung<br />

Ende des<br />

Produktlebenszyklus<br />

Cradle to Gate Gate to Grave<br />

ÖKobIlanZ 25<br />

duktionsprozess in der Lage ist, jährlich die vorgegebene Menge<br />

CO 2 -Äquivalente über den gesamten Lebenszyklus einzusparen.<br />

Nur wenn diese Frage mit Ja beantwortet werden kann, erhält<br />

das Forschungsprojekt in dieser Dimension grünes Licht.<br />

Aminosäurediät für eine<br />

nachhaltigere Tiermast<br />

Recycling<br />

Entsorgung<br />

Eine Ökobilanz allein hat nur beschränkten Nutzen. Ihren Wert<br />

spielt sie immer im direkten Vergleich aus – idealerweise mit<br />

einem Produkt, das bereits am Markt etabliert ist oder das denselben<br />

Zweck erfüllt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der<br />

Vergleich von verschiedenen Futtermitteln für Schweine oder<br />

Hühner. <strong>Evonik</strong> produziert die vier für die Tierernährung wichtigsten<br />

Aminosäuren, die wesentlich darüber bestimmen, wie<br />

effizient das Eiweiß im Futter verwertet werden kann. Weil gängige<br />

pflanzliche Futtermittel immer Defizite an einer oder mehreren<br />

Aminosäuren aufweisen, brauchen die Tiere in der Regel<br />

mehr Futter. In der Folge produzieren sie auch mehr Gülle, die<br />

das Grundwasser mit Nitrat und die Luft mit Ammoniak belastet.<br />

Wird Tierfutter dagegen so zusammengestellt, dass es ein<br />

maßgeschneidertes Aminosäurespektrum bietet, ist damit nicht<br />

nur eine optimale Versorgung der Tiere sichergestellt. Gleichzeitig<br />

werden sowohl die stickstoffhaltigen Emissionen als auch<br />

die Treibhausgase der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion<br />

im gesamten Lebenszyklus (Ackerbau,Verarbeitung<br />

etc.) gemindert.<br />

In umfangreichen Ökobilanzen wiesen Experten von <strong>Evonik</strong><br />

nach, dass der gezielte Zusatz bestimmter Aminosäuren zum<br />

Futter wesentliche Vorteile hat gegenüber einer Supplementierung<br />

mit proteinreichem Raps- oder Sojaschrot (s. elements33,<br />

S. 8ff). Für die Schweinemast beispielsweise haben sie errechnet,<br />

dass die Emissionen an CO 2-Äquivalenten um den Faktor zwei<br />

bis fünf, das Versauerungspotenzial um den Faktor zwölf, das Eutrophierungspotenzial<br />

um den Faktor 16 niedriger liegen. 333<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


26 ÖKobIlanZ<br />

AminoFootprint, der „Ökorechner“ von<br />

<strong>Evonik</strong>: Mit dieser Software können Kunden<br />

aus der Futter mittel industrie verschiedene<br />

Futtermittel mischungen im Hinblick auf die<br />

Umweltauswirkungen über den gesamten<br />

Lebensweg vergleichen<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


333 Die Zugabe von Aminosäuren ersetzt zudem pflanzliche Ressourcen<br />

und verringert die notwendige Anbaufläche. Darüber<br />

hinaus muss weniger Energie zur Verarbeitung und Bereitstellung<br />

der erforderlichen Rohstoffe aufgewendet werden. Für die<br />

Unterstützung der Kunden des Geschäftsbereichs Health & Nutrition<br />

bei der ökologischen Bewertung von unterschiedlichen<br />

Futtermittelmischungen über den gesamten Lebensweg hat die<br />

LCA-Gruppe in Zusammenarbeit mit den Experten des Geschäftsbereichs<br />

die Software AminoFootprint entwickelt.<br />

Aus Rizinusöl entstehen hochwertige Polymere<br />

Viele Ökobilanzen in der chemischen Industrie stellen die Frage<br />

„Bio oder fossil?“, suchen also den Vergleich von nachwachsenden<br />

mit öl-, gas- oder kohlebasierten Rohstoffen. Nachwachsende<br />

Rohstoffe (NaWaRo) gewinnen selbst in technisch anspruchsvollen<br />

Einsatzbereichen immer mehr an Bedeutung. Ihr<br />

Vorteil kann die günstigere CO 2 -Bilanz sein: Werden Inhaltsstoffe<br />

von Pflanzen in chemischen Prozessen umgewandelt und<br />

weiterverarbeitet, wird dabei zwangsläufig Energie verbraucht<br />

und Kohlendioxid erzeugt. Je nach Effizienz der Verfahren wird<br />

in Summe entsprechend mehr oder weniger als die Menge des<br />

zuvor beim Wachstum pflanzlich gebundenen CO 2 ausgestoßen.<br />

Auch Polymerketten lassen sich ganz oder teilweise aus biobasierten<br />

Bausteinen synthetisieren. Zu den seit Langem am<br />

Markt bewährten Polyamiden von <strong>Evonik</strong> gehört die Produktfamilie<br />

VESTAMID® des Geschäftsbereichs Performance Polymers,<br />

die meist für langlebige und technisch anspruchsvolle Anwendungen<br />

genutzt wird: für Kraftstoff- und Bremsleitungen<br />

im Automobil, für Erdölförderleitungen und Gasdruckrohre, für<br />

Sohlen hochwertiger Sportschuhe oder für antielektrostatische<br />

Gehäuse von Geräten.<br />

Seit 2008 produziert <strong>Evonik</strong> in einer Anlage südlich von<br />

Schanghai aus Rizinusöl eine Reihe von Monomeren für mehrere<br />

biobasierte Polyamide, die unter dem Namen VESTAMID®<br />

Terra vermarktet werden. Die Berechnungen zeigten, dass das<br />

globale Erderwärmungspotenzial beispielsweise des VESTAMID®<br />

Terra HS (Polyamid 610) geringer ausfällt als das des chemisch<br />

Der tropische Wunderbaum<br />

(Ricinus communis) als Rohstoffquelle:<br />

In Schanghai produziert <strong>Evonik</strong> aus<br />

Rizinusöl, das aus den Samen der<br />

Pflanze gewonnen wird, Monomere<br />

für biobasierte Polyamide<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

6 8<br />

O O<br />

VESTAMID® Terra HS<br />

PA 610<br />

Basiert zu 62 Prozent auf<br />

nachwachsenden Rohstoffen<br />

n<br />

ÖKobIlanZ 27<br />

ähnlichen und fossil erzeugten Polyamids 6 („Perlon“, Vergleich<br />

basiert auf Literaturwerten). Wird darüber hinaus noch der Produktionsprozess<br />

für den Kunststoff optimiert, sinken die Emissionen<br />

an CO 2 -Äquivalenten um 15 bis 20 Prozent.<br />

Nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzenöle oder Zucker haben<br />

sich in den vergangenen Jahren einen festen Platz im<br />

Stoffspektrum der chemischen Industrie erobert. Bei <strong>Evonik</strong> sind<br />

derzeit etwa sieben Prozent aller Ausgangsmaterialien biobasiert.<br />

Für Rohstoffe vom Acker spricht vieles: Sie sind nicht<br />

endlich. Sie haben oftmals ein gutes Image bei Kunden, Politik,<br />

Medien und Endverbrauchern. Außerdem hat die Natur insbesondere<br />

in Pflanzen eine unüberschaubar große Vielfalt an Substanzen<br />

geschaffen, deren Potenzial die chemische Industrie<br />

noch längst nicht ausgeschöpft hat.<br />

Dass der Chemie dabei eine ähnliche Debatte wie dem E10<br />

droht, ist eher unwahrscheinlich. Im Vergleich zur kraftstofferzeugenden<br />

Industrie benötigt die chemische Industrie eine um<br />

Größenordnungen geringere Menge an pflanzlichen Rohstoffen.<br />

In einer groß angelegten Studie des internationalen Chemieverbandes<br />

ICCA (www.icca-chem.org) konnte gezeigt werden, dass<br />

die chemische Industrie viele Produkte und Lösungen anbietet,<br />

die zur Verringerung von Treibhausgasemissionen führen. So<br />

kann beispielsweise der Einsatz von neuen Hochleistungspolymeren<br />

im Automobilbau zu einer Verringerung des Fahrzeuggewichts<br />

und damit zur Kraftstoffeinsparung beitragen.<br />

„Bio“ ist nicht immer ökologischer<br />

Allerdings: Nicht immer ist „bio“ nachhaltig und ökologisch sinnvoller<br />

als die klassische Chemie. Beispielsweise dann nicht, wenn<br />

die Nutzung nachwachsender Rohstoffe einen besonders hohen<br />

Energieinput benötigt oder wenn im Lebenszyklus des Produkts<br />

schädliche oder gar giftige Emissionen freigesetzt werden.<br />

Ökobilanzierer tun sich mit NaWaRo manchmal noch etwas<br />

schwer. Denn gerade die regionalen Besonderheiten und die<br />

häufig noch schlechte Datenlage führen zu einer großen Bandbreite<br />

an Ergebnissen. Darüber hinaus wird in verschiedenen<br />

Gremien noch an einer Standardisierung der Methodik 333<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

10 8<br />

O O<br />

VESTAMID® Terra DS<br />

PA 1010<br />

Basiert zu 100 Prozent auf<br />

nachwachsenden Rohstoffen<br />

n<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

10 10<br />

O O<br />

VESTAMID® Terra DD<br />

PA 1012<br />

Basiert zu 45 Prozent auf<br />

nachwachsenden Rohstoffen<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

n


28 ÖKobIlanZ<br />

naChhaltIgeRe ChemIe<br />

Chemie oder Bio? Chemie und Bio!<br />

Schon seit vielen Jahren gibt es den scheinbaren<br />

Konflikt zwischen Chemie und Bio.<br />

Erstere steht typischerweise für die Produk<br />

t ion mit organischen Lösemitteln unter<br />

hohem Druck und erhöhten Temperaturen.<br />

Bio umfasst die biotechnologischen Verfahren,<br />

bei denen spezielle Mikroorganismen<br />

oder daraus isolierte Enzyme in wässriger<br />

Lösung unter milden Bedingungen die gewünschten<br />

Rohstoffe bilden.<br />

Tatsächlich haben biotechnologische<br />

Prozesse große Fortschritte gemacht. Sie<br />

sind heute effizienter und wirtschaftlicher<br />

als noch vor wenigen Jahren. Sie sparen<br />

Fließschema des enzymatischen<br />

und des chemischen<br />

Herstel lungsprozesses für<br />

Emollient­Ester, die <strong>Evonik</strong><br />

mittels einer Ökobilanz<br />

verglichen hat<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Lassen sich Holzabfälle<br />

vollständig für Che mieprodukte<br />

verwerten?<br />

Dieser Frage geht ein<br />

Forschungsverbund aus<br />

20 Partnern, darunter<br />

<strong>Evonik</strong>, in Leuna nach<br />

Konventionell<br />

Flüchtige Verbindungen<br />

Abwasser<br />

Abwasser<br />

Feststoffabfälle<br />

in der Regel Energie, erzeugen wenig Abfall,<br />

die Gefahren für Mensch und Umwelt sind<br />

gering.<br />

Dieses Potenzial nutzt <strong>Evonik</strong> beispielsweise<br />

für die biotechnologische Produktion<br />

sogenannter Emollient-Ester, wichtiger<br />

Inhalts stoffe für zahlreiche Hautpflege produkte.<br />

<strong>Evonik</strong> produziert sechs dieser Ester<br />

als weltweit einziger Anbieter auf biotechnologischem<br />

Weg mit maßgeschneiderten<br />

Enzymen. Das jüngste Pro dukt dieser Reihe,<br />

TEGOSOFT® AC, zeichnet sich durch besondere<br />

Leichtig keit und geringe Öligkeit<br />

aus. Die Ökobilanz spricht eine deutliche<br />

Rohstoffe<br />

Reaktion<br />

Desodorierung<br />

Bleichen<br />

Trocknen<br />

Filtration<br />

Verpackung<br />

Katalysator<br />

Dampf<br />

Bleichmittel<br />

Filterhilfsstoffe<br />

Sprache. Der Vergleich der Herstellung<br />

eines Emollient-Esters durch Lipase B aus<br />

einem Candida-Bakterium mit der konventionellen<br />

Synthese bei 220 °C mit Zinn(II)salzen<br />

als Katalysator zeigte: Der biokatalytische<br />

Weg spart mehr als 60 Prozent<br />

Energie und vermeidet 88 Prozent umweltbelastende<br />

Verunreinigungen.<br />

Trotz solcher Erfolge wird auch heute<br />

noch die überwiegende Zahl der Chemiepro<br />

dukte klassisch synthetisiert. Denn biotechnologische<br />

Prozesse benötigen eine<br />

lange Entwicklungszeit, die Aufar beitung,<br />

Reinigung und Konzentration der erzeug-<br />

Enzymatisch<br />

Rezyklierter<br />

Katalysator<br />

Temperatur<br />

> 180 °C<br />

140 °C<br />

100 °C<br />

60 °C<br />

20 °C<br />

Rohstoffe<br />

Reaktion<br />

Verpackung


ten Bioche mikalien ist aufwendig, der Umgang<br />

mit empfindlichen Zellen oder Enzymen<br />

nicht immer einfach.<br />

Chemie oder Bio? In vielen Fällen stellt<br />

sich diese Frage so gar nicht. In Zukunft<br />

wird die Kombination aus beidem der Königsweg<br />

sein. Wenn chemische und biologische<br />

Synthesen verzahnt werden, können<br />

beide Disziplinen ihre Stärken kombinieren:<br />

die Che mie beim Umsatz großer Volumina<br />

und bei der Synthese einfacher Mole küle,<br />

die Biologie bei der Bildung komplexer<br />

Struk tu ren und der Umwand lung schwer<br />

spaltbarer Ausgangsstoffe.<br />

Ein Einstieg in diese neue Kooperation<br />

könnten Bioraffinerien sein. In diesen Anlagen<br />

entstehen analog zu petrochemischen<br />

Raf finerien kaskadenartig ganz unterschiedliche<br />

Chemikalien, Roh stoffe oder Kraftstoffe<br />

– allerdings nicht aus Rohöl, sondern<br />

aus Biomasse. Bioraffinerien der zweiten<br />

Generation verarbeiten nicht mehr nur<br />

Stärke und Zucker wie ihre Vorgänger, sondern<br />

Ligno cellulose aus Pflanzenab fäl len<br />

wie Stroh und Bagasse, den fase rigen Überresten<br />

der Zuckerherstellung.<br />

<strong>Evonik</strong> beteiligt sich an einem Forschungsverbund<br />

aus 20 Part nern, der eine<br />

Testanlage im 100-Tonnen-Maßstab am<br />

Chemie standort Leuna in Betrieb nehmen<br />

will. In der dreijährigen Pilot phase soll die<br />

vollständige Verwertung von Holzab fällen<br />

in Chemie produkte erstmals getestet und<br />

die Basis für industrietaugliche Prozes se<br />

gelegt werden. Gelingt es, wertvolle Rohstoffe<br />

aus Materialien herzustellen, die<br />

bisher nichts weiter als Abfälle oder billige<br />

Brennstoffe sind, wäre das ein großer Schritt<br />

nach vorn – für die weiße Biotech no logie<br />

als Disziplin, aber auch ganz allgemein für<br />

eine nachhaltigere Chemie.<br />

ÖKobIlanZ 29<br />

333<br />

gearbeitet. Die objektive Darstellung inklusive aller Randbedingungen<br />

und die Interpretation der Ergebnisse sind daher<br />

von zentraler Bedeutung.<br />

Dagegen sind die Resultate für fossile Rohstoffe recht gut<br />

nach vollziehbar und zeigen relativ geringe Abweichungen. Auf<br />

Ökobilanzen spezialisierte Firmen haben mittlerweile Software-<br />

Pakete entwickelt, die die vielen Einflussfaktoren in einen praktikablen<br />

Zusammenhang bringen. <strong>Evonik</strong> nutzt für seine Berechnungen<br />

eine Software mit dem Namen GaBi, entwickelt von<br />

PE International mit Sitz in Stuttgart – eine Firma, die Marktführer<br />

ist bei Ökobilanzmodulen für industrielle Prozesse.<br />

Trotz aller Fragen, die Ökobilanzen und Carbon Footprint<br />

derzeit noch aufwerfen: In fünf bis zehn Jahren, davon sind wir<br />

überzeugt, wird die ganzheitliche Bilanzierung von alternativen<br />

Rohstoffen, von neuen Produkten und Prozessen im chemischen<br />

Alltag fest verankert sein. Bis dahin werden sich Standardisierung<br />

und Normung weiterentwickelt haben. Transparenz, Glaubwürdigkeit,<br />

Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Resul tate<br />

werden wachsen.<br />

Allerdings: Life Cycle Thinking ist eine bestimmt nicht einfache<br />

Herausforderung. Wir stehen erst am Anfang einer umwälzenden<br />

Entwicklung. Die chemische Industrie muss über<br />

kurz oder lang ihre gesamte Rohstoffbasis neu entwickeln. Sie<br />

muss ihre endlichen fossilen Rohstoffe wann immer möglich und<br />

sinnvoll gegen nachwachsende ersetzen. Und das nicht nur durch<br />

bloßen Austausch, sondern auch durch wirtschaftliche und geschickte<br />

Integration in die bestehenden Produktionsketten.<br />

LCA und Carbon Footprint helfen dabei, den Blick aufs Ganze<br />

zu richten, Zusammenhänge zu verstehen, einzelne Abschnitte<br />

einer Wertschöpfungskette zu bewerten und Schwachstellen<br />

aufzuspüren. Sie helfen, anders gesagt, ganzheitlich zu denken –<br />

eine unabdingbare Voraussetzung in einer Welt mit immer komplexeren<br />

Rohstoff- und Produktströmen, mit weiter wachsenden<br />

Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz, mit der Verpflichtung,<br />

zur Verfügung stehende Rohstoffe so sparsam, so intelligent<br />

und so effizient wie nur möglich zu nutzen. 777<br />

thomas engenhorst studierte Bioingenieurwesen<br />

an der TU Braunschweig, wobei er ein Jahr unter<br />

Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes<br />

an der Universität Waterloo in Kanada absolvierte.<br />

Er ist seit 2008 Mitarbeiter bei Verfahrenstechnik<br />

& Engineering. Neben der Bearbeitung von<br />

bioverfahrenstechnischen Fragestellungen ist er in der<br />

LCA-Gruppe für Koordination, Durchführung und<br />

Weiterentwicklung von Life Cycle Assessments und<br />

deren Nutzung unter anderem bei Kunden, Industrieverbänden<br />

sowie im Rahmen von Förderprojekten<br />

verantwortlich.<br />

+49 6181 59-3865, thomas.engenhorst@evonik.com<br />

Dr. Karsten grönke studierte Verfahrenstechnik an<br />

der TU Cottbus. Nach einem Auslandsjahr an der TU<br />

Delft im Bereich Biotechnologie, Diplomarbeit bei der<br />

Bayer AG in der Bioverfahrenstechnik und Promotion<br />

in der Fermentationstechnik am Institut für Biotech nologie<br />

im Forschungszentrum Jülich ist er seit 2006 in<br />

der biotechnologischen Prozessentwicklung im Service -<br />

bereich Verfahrenstechnik & Engineering tätig.<br />

Da ne ben entwickelt er in der LCA-Gruppe im S2B Eco²<br />

LCA-Methoden und erstellt Ökobilanzen – für Produkte<br />

und Forschungsprojekte von <strong>Evonik</strong>.<br />

+49 2365 49-2384, karsten.groenke@evonik.com<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


30 neWS<br />

Zahnersatz auf Basis von VESTAKEEP® PEEK auch für Allergiker geeignet<br />

VESTAKEEP® PEEK von <strong>Evonik</strong> Industries<br />

dient als Basismaterial für die neuen Halbzeuge<br />

der NT-Trading GmbH zur Produktion<br />

von Zahnersatz. Die Halbzeuge mit dem<br />

Na men Dentokeep bieten gegenüber den<br />

bisher verwendeten Materialien eine Reihe<br />

von Vor teilen: Halbzeuge aus Dentokeep<br />

haben bes sere mechanische Eigenschaften als<br />

herkömmliche Halbzeuge, sind leichter zu<br />

verarbeiten als Keramik und im Gegensatz zu<br />

Titan auch für Allergiker geeignet. Zudem ist<br />

der Hochleistungskunststoff Polyethe r etherketon<br />

(PEEK) elastischer als Metall. Für den<br />

Patienten bedeutet dies einen angenehmeren<br />

und natürlicheren Tragekomfort.<br />

Dentokeep eignet sich für Kronen,<br />

Brü cken und Schienen genau so wie für<br />

herausnehmbare Konstruktionen mit Halteele<br />

men ten. „Wir haben uns nicht nur wegen<br />

der guten mechanischen Eigenschaften und<br />

der Biokompatibilität für VESTAKEEP® PEEK<br />

entschieden“, so Dirk Jahn, geschäftsführen-<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

der Gesellschafter von NT-Trading. „Für uns<br />

war vor allem von Bedeutung, dass PEEK<br />

schon seit Jahren als Werkstoff für medizinische<br />

Eigenschaften eingesetzt wird.“ Die ohnehin<br />

schon einzigartigenMaterialeigenschaften<br />

des neuen Biomaterials werden<br />

durch ausgewählte Zusatzstoffe und ein spezielles<br />

Fertigungsverfahren noch weiter verbessert.<br />

Die per CAD/CAM-Verfahren konstruierten<br />

prothetischen Komponenten können<br />

auf Restzahnstümpfen oder Implantat-<br />

Natürlicher<br />

Tragekomfort mit<br />

Zahnersatz aus<br />

VESTAKEEP® PEEK<br />

Neue Liner-Technologie spart bis zu 50 Prozent Kosten<br />

<strong>Evonik</strong> Industries und Swagelining Limited,<br />

Glasgow (UK), arbeiten an einer alternativen<br />

Technologie für Tiefseerohre zur Ölför derung.<br />

Noch befindet sich die gemeinsame<br />

Entwicklung in einem frühen Stadium, doch<br />

das Potenzial ist immens. Anstelle der bisher<br />

häufig genutzten Edelstahlrohre zur Öl förderung<br />

in großen Meerestiefen entwickeln<br />

die beiden Unternehmen nun ein ganz neues<br />

Konzept: eine Kombination aus etablierter<br />

Liner-Technologie von Swagelining und dem<br />

speziell zugeschnittenen Polyamid 12<br />

VESTAMID® von <strong>Evonik</strong>. In Wasser injektionsleitungen<br />

ist diese Technolo gie auf Basis<br />

von PE-Linern seit vielen Jahren weltweit etabliert.<br />

VESTAMID® von <strong>Evonik</strong> ermöglicht<br />

nun die Weiterentwicklung, um Ölförder leitungen<br />

bis zu 100 °C Betriebs temperatur zu<br />

schützen. Schwarzstahlrohre sind im Vergleich<br />

zu den bisher verwendeten Edel-<br />

Abutments befestigt werden und gewähren<br />

eine grundlegende ästhetische und funktionelle<br />

Versorgung.<br />

Die besondere Eigenschaftskombination<br />

der VESTAKEEP® PEEK Polymere macht sie<br />

auch in anderen Teilen des Körpers zum bevorzugten<br />

Implantatmaterial: In der Orthopä<br />

die, im Herz-Kreislauf-Bereich und in<br />

Wirbelsäulenimplantaten ist PEEK den klassischen<br />

Materialien wie Titan und Kobalt-<br />

Chrom in beinahe allen Belangen überlegen.<br />

stahlrohren deutlich günstiger und wesentlich<br />

einfacher verfügbar. Doch gleichzeitig sind<br />

sie bedeutend anfälliger gegen Korrosion.<br />

Schwarz stahlrohre mit Linern auf Basis von<br />

VESTA MID® hingegen sind vor Innen korrosion<br />

geschützt und bieten weiterhin einen<br />

enormen Ge wichts- und Preisvorteil. In der<br />

derzeitigen Entwickl ungsphase wird das<br />

Poly amid 12 in die bewährte Technologie von<br />

Swagelining integriert.<br />

Neues 0W-20 Motorenöl reduziert Kraftstoffverbrauch und CO 2 -Ausstoß<br />

Für das RED-Motorsport-Team war es ein<br />

guter Auftakt: Im ersten von sechs AVD-100-<br />

Meilen-Rennen der Saison belegte sein Lotus<br />

Exige den ersten Platz in der Klasse GT4. In<br />

der Gesamtwertung des Mitte Mai im italienischen<br />

Franciacorta durchgeführten Rennens<br />

kam der Wagen auf Platz 16 von insgesamt<br />

31 Teilnehmern.<br />

Ein Erfolg ist das auch für den <strong>Evonik</strong>-<br />

Konzern, der den Lotus Exige sponsert. Denn<br />

das Rennen war gleichzeitig ein Test lauf für<br />

ein neues Motorenöl, zu dem das Ge schäftsge<br />

biet Oil Additives mit neuen und inno va-<br />

tiven Schmierstoffkomponenten beigetragen<br />

hat. „Zusammen mit unserem strate gischen<br />

Part ner, der Fuchs Europe Schmier stoffe<br />

GmbH, wurde ein neues Motorenöl entwickelt,<br />

das den Kraftstoffverbrauch und die<br />

CO 2 -Emis sionen erheblich reduziert“, betont<br />

Geschäfts gebietsleiter Norbert Wester holt.<br />

VISCOPLEX® und VISCOBASE® heißen<br />

die Schmierstoffkomponenten von <strong>Evonik</strong>,<br />

die als Bestandteil des innovativen Hoch leistungsmotorenöls<br />

zu einer deutlichen Reibungs<br />

minderung im Motor beitragen. Dies<br />

führt einerseits zu einer messbaren Leistungs-<br />

steigerung, andererseits zu einem geringeren<br />

Kraftstoffverbrauch. Und der kommt nicht<br />

nur dem Geldbeutel der Autofahrer zugute,<br />

sondern auch der Umwelt – schließlich bedeutet<br />

geringer Kraftstoffverbrauch auch weniger<br />

CO 2 -Ausstoß.<br />

Die Automobil- und Zulieferindustrie ist<br />

permanent auf der Suche nach Optimierungspotenzialen<br />

hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs.<br />

Verbesserungen im niedrigen<br />

einstelligen Prozentbereich gelten hier bereits<br />

als Errungenschaften. Das gilt umso<br />

mehr, als die EU mittlerweile CO 2-Ober-


grenzen für Neuwagen festgelegt hat. Für<br />

<strong>Evonik</strong> wiederum ist Ressourceneffizienz<br />

schon seit Langem ein großes Thema. Daher<br />

war es kein Zufall, dass sich der Schmier stoffhersteller<br />

Fuchs auf der Suche nach neuen<br />

Kom ponenten an <strong>Evonik</strong> wandte – und fündig<br />

wurde.<br />

Dank eines ausgeklügelten Entwicklungsprozesses<br />

konnte das neue 0W-20 Motorenöl<br />

rechtzeitig zum Beginn der Rennsaison an<br />

den Start gehen. „Da die Anforderungen an<br />

die Einzelkomponenten technisch sehr hoch<br />

waren, mussten sie bei uns teilweise neu<br />

entwickelt und hergestellt werden“, so Dr.<br />

Thors ten Bartels, Leiter des Testlabors für<br />

Öl ad di tive bei <strong>Evonik</strong> in Darmstadt. Bartels<br />

und sein Team haben im vergangenen Jahr<br />

den neu entwickelten Hochleistungs schmierstoff<br />

im Motorenprüfstand optimiert sowie<br />

im Renn fahrzeug unter praxisnahen Fahrbedingungen<br />

auf mehreren Teststrecken erprobt,<br />

bis er letz tendlich für den Renneinsatz<br />

startklar war.<br />

Im Lotus Exige bringt das Automotive<br />

Industry Team (AIT) von <strong>Evonik</strong> regelmäßig<br />

in novative Technologien für den Auto mobilbau<br />

zum Einsatz – nicht nur im Bereich<br />

Kapazität für Glycin erweitert<br />

<strong>Evonik</strong> Industries hat aufgrund steigender<br />

Nach frage seine Kapazität für die Pharmaaminosäure<br />

Glycin um 50 Prozent erhöht.<br />

Dies wurde durch Effizienzsteigerungen im<br />

Glycin dient unter<br />

anderem als Inhaltsstoff<br />

für Infusionslösungen<br />

Schmierstoffe und Kraftstoffeinsparung, sondern<br />

auch aus den Kompetenzfeldern Leichtbau<br />

oder Oberflächentechnologien. So ist das<br />

für diese Saison konstruierte Lotus-Modell<br />

gerade einmal 780 Kilogramm schwer. Die<br />

Ge wichtsreduktion resultiert aus dem Einsatz<br />

verschiedener <strong>Evonik</strong>-Technologien wie zum<br />

Beispiel dem struktursteifen Schaumkern<br />

ROHACELL® in der Karosserie.<br />

Für das AIT, in dem sich Auto mobil experten<br />

des Konzerns zusammengeschlossen<br />

Herstellungsprozess möglich. <strong>Evonik</strong> produziert<br />

die Aminosäure an seinem chinesischen<br />

Standort Nanning entsprechend den strengen<br />

Vorgaben der cGMP (current Good Manufacturing<br />

Practice) und des Europäischen<br />

Arzneibuchs (CEP; Certificate of Suitability<br />

of Monographs of the European Pharmacopoeia).<br />

Derzeit investiert <strong>Evonik</strong> in Nanning<br />

in eine neue Anlage, um durch Mahlen<br />

und Sieben das Spektrum an Spezialitäten zu<br />

erweitern. Die neuen Qualitäten sollen ab<br />

Ende 2011 verfügbar sein.<br />

„Wir verzeichnen derzeit eine starke<br />

Nachfrage nach unserem Glycin“, sagt Dr.<br />

Thomas Hermann, Leiter der Produktline<br />

Rexim. „Dank der Erhöhung unserer Produktions<br />

kapazität können wir mit dieser Nachfrage<br />

Schritt halten und unsere gute Marktposition<br />

weiter festigen.“<br />

Durch die technischen Verbesserungen<br />

insbesondere im Aufreinigungsprozess hat<br />

<strong>Evonik</strong> auch die Produktqualität weiter<br />

verbessert. „Wir können Glycin nun in allen<br />

Kris tallformen und Partikelgrößen verteilungen<br />

bereitstellen, die der Kunde wünscht“,<br />

so Dr. Jean-Louis Philippe, verantwortlich für<br />

das Marketing der Pharmaaminosäuren.<br />

Belegte im ersten<br />

AVD­100­Meilen­<br />

Rennen der Saison<br />

den ersten Platz<br />

in der Klasse GT4:<br />

der Lotus Exige<br />

neWS 31<br />

haben, ist der Motorsport das Testfeld für die<br />

Serien produktion: „Nur was sich unter den<br />

harten Bedingungen auf der Rennstrecke<br />

bewährt, beweist seine grundsätzliche Tauglichkeit<br />

für Serienfahrzeuge“, erklärt AIT-<br />

Leiter Klaus Hedrich. Derweil wird das neu<br />

entwickelte Öl auf dem Motoren- und dem<br />

Rollen prü fstand bei <strong>Evonik</strong> in Darmstadt<br />

bereits weiter getestet. In einer Flotte aus<br />

Stra ßenfahrzeugen wird dieser innovative<br />

Schmier stoff bereits langzeiterprobt.<br />

Glycin kommt insbesondere in der Pharma-<br />

und in der Lebensmittelindustrie, aber auch<br />

in Haustiernahrung zum Einsatz. Es dient<br />

unter anderem als Inhaltsstoff für Infusionslösungen<br />

und für Spezialernäh rungsprodukte.<br />

Darüber hinaus wird es in Zell kulturmedien<br />

eingesetzt. Entsprechend bietet<br />

<strong>Evonik</strong> Gly cin in Pharma- und in Le bens mittelqualität<br />

an.<br />

<strong>Evonik</strong> ist mit seiner hundertprozentigen<br />

Tochter Rexim ein bedeutender Produzent<br />

von Aminosäuren, Peptiden und Aminosäure<br />

derivaten in Pharmaqualität. Erst im vergangenen<br />

Jahr hatte das Unternehmen das<br />

Glycin-Geschäft der belgischen Tessenderlo<br />

Group übernommen, um das Geschäft weiter<br />

auszubauen. Die Produkte kommen vor allem<br />

in der Pharmaindustrie zum Einsatz – für<br />

Infusionslösungen und zur Herstellung von<br />

Wirkstoffen etwa zur Behandlung von Bluthochdruck<br />

und Diabetes – sowie in der<br />

Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Die<br />

Stärken von <strong>Evonik</strong> sind unter anderem das<br />

weltweite Vertriebsnetz und die cGMP-konforme<br />

Fertigung über die gesamte Pro zesskette<br />

bis hin zur cGMP-konformen Aufreinigung<br />

der Aminosäuren.<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


32 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />

UV-härtende Lacke<br />

Mehr Spielraum bei der Mattierung<br />

Konventionelle, lösemittelbasierte Lacke lassen sich relativ<br />

leicht mattieren – im Gegensatz zu UV-härtenden Lacken.<br />

<strong>Evonik</strong> hat mit umfangreichen Versuchsreihen Grund -<br />

lagen arbeit geleistet und aufgezeigt, wie auch diese Lacke<br />

effektiver mattiert werden können. Sicht bares Ergebnis<br />

ist das neue Mattierungsmittel ACEMATT® 3600, das mehr<br />

Freiheiten in der Formu lierung matter UV-Lacke schafft.<br />

[ text Reinhard Behl, Hans-Dieter Christian ]<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

UV­härtende Lacke<br />

haben den Vorteil, dass<br />

sie nicht nur wenig<br />

Energie, sondern auch<br />

wenig Zeit benötigen,<br />

um auszuhärten – das<br />

beschichtete Objekt<br />

kann schon wenige<br />

Se kunden nach der<br />

Här tung weiterverarbeitet<br />

werden<br />

UV­härtende Lacke<br />

kommen vor allem dort<br />

zum Einsatz, wo ebene<br />

Flächen oder Leisten<br />

zu beschichten sind –<br />

zum Beispiel in der<br />

Möbelindustrie, bei<br />

hochwertigen Druck ­<br />

er zeugnissen oder der<br />

Fertigung von Folien


Wenn SICh DIe Konsole im Auto, die Oberfläche<br />

des Esstischs oder der Parfümflakon besonders angenehm<br />

anfühlen, liegt das auch an der speziellen Rauigkeit<br />

der Oberfläche. Sie wird üb licherweise mit einem<br />

mattierten Lack erzeugt, und oftmals sieht nur<br />

der Fachmann, dass eine dünne Beschichtung aufgetragen<br />

wurde. Die Rauigkeit sorgt aber nicht nur für<br />

Wohlgefühl beim Anfassen, sondern auch für den<br />

edlen matten Look, wie er etwa beim Parkett sehr<br />

beliebt ist. Doch matter Glanz ist nicht nur aus ästhetischen<br />

Gründen begehrt: Bei Böden von Industriehallen<br />

oder bei Fassadenelementen an Gebäuden zum<br />

Beispiel können störende Reflexe auf einer glänzenden<br />

Oberfläche Unfälle verursachen.<br />

Je nach Anwendung steht aber auch Hochglanz in<br />

der Gunst des Verbrauchers – beim Konzertflügel<br />

ebenso wie (noch) beim Auto. Die Lackindustrie hat<br />

deshalb großes Interesse daran, Lacke von hochglänzend<br />

bis matt möglichst einfach formulieren zu können.<br />

Was bei lösemittelbasierten Lacken kein Problem<br />

darstellt, ist bei den strahlenhärtenden Beschichtungen<br />

eine enorme Herausforderung – sie zu mattieren<br />

ist eine Kunst.<br />

Ein zu vernachlässigendes Problem könnte man<br />

meinen, da strahlenhärtende Lacke bezogen auf die<br />

verkauften Mengen nur 2 bis 3 Prozent am gesamten<br />

Lackmarkt ausmachen. Eine kleine, aber dennoch<br />

feine Nische, denn strahlenhärtende Lacke, meistens<br />

sind sie UV-härtend, verzeichnen wegen ihrer guten<br />

Umwelteigenschaften zweistellige Wachstumsraten.<br />

Gegenüber Lacken auf Wasser- oder Lösemittelbasis<br />

punkten sie mit einer deutlich günstigeren Energiebilanz:<br />

Wasserbasierte Lacke müssen unter hohem<br />

Energieeinsatz erwärmt werden, damit das Wasser<br />

verdunstet; lösemittelbasierte Lacke erfordern in den<br />

Anlagen eine energieintensive Nachverbrennung, damit<br />

die flüchtigen, gesundheitsgefährdenden Substanzen<br />

nicht in die Umwelt gelangen.<br />

CoatIng & bonDIng teChnologIeS 33<br />

Dagegen ist bei UV-härtenden Lacken nur relativ wenig<br />

Energie erforderlich, um die Lacke mittels UV-<br />

Licht auszuhärten und das entstehende Ozon abzuführen.<br />

Mit UV-härtenden Lacken beschichtete Objekte<br />

haben außerdem den Vorteil, dass sie sich bereits<br />

unmittelbar nach der Härtung, also schon nach<br />

wenigen Sekunden, weiterverarbeiten lassen.<br />

Aber diese Lacke haben auch Nachteile: Die UV-<br />

Strahlenquelle muss das zu lackierende Werkstück<br />

gut ausleuchten können, sonst härtet der Lack nicht<br />

richtig aus. Komplizierte Oberflächengeometrien<br />

sind mit dieser Anforderung nur schwer in Einklang<br />

zu bringen. Deshalb kommen UV-härtende Lacke vor<br />

allem dort zum Einsatz, wo plane Flächen oder Leisten<br />

zu beschichten sind – zum Beispiel in der Möbelindustrie,<br />

bei hochwertigen Druckerzeugnissen oder<br />

der Fertigung von Folien.<br />

Mattierung von UV-Lacken nur<br />

schwer zu erreichen<br />

Deutschland ist bei strahlenhärtenden Lacken technologischer<br />

Vorreiter und Europa ist noch immer der<br />

größte Lackmarkt der Welt, auch wenn Asien in<br />

jüngster Zeit stark aufgeholt hat. Einer der bedeutenden<br />

Zulieferer der Branche ist <strong>Evonik</strong>. Das Spezialchemieunternehmen<br />

hat mit ACEMATT® 3600 nun<br />

ein Mattierungsmittel entwickelt, das auf Kieselsäure<br />

basiert und sich aufgrund seiner speziellen Oberflächenbelegung<br />

besonders für UV-härtende Beschichtungen<br />

eignet. Mattierungen sind bei rein UVhärtenden<br />

Lacken bislang nur schwer zu erreichen,<br />

weil es wegen des fehlenden Lösungsmittels zu keinem<br />

ausreichenden Filmschrumpf kommt – und dieser ist<br />

wesentlich für die Aufrauung der Oberfläche.<br />

Die chemisch-physikalischen Grundlagen der<br />

Mattierung von UV-Lacken haben die Anwendungstechniker<br />

des Geschäftsbereichs Inorganic 333<br />

Am Computer simulierte<br />

Polymerisation.<br />

Während der Härtung<br />

kann der Lack um bis zu<br />

15 Prozent schrumpfen.<br />

Verant wort lich für diesen<br />

sogenannten Volu menschrumpf<br />

ist haupt sächlich<br />

das Bin de mittel,<br />

da sich die Abstände<br />

zwischen den Binde mittel<br />

ketten beim Härten<br />

deutlich verkürzen<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


34 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />

333 Materials zusammen mit Partnern ausführlich<br />

untersucht. Der Grundgedanke dabei: Matte UV-<br />

Lacke erfreuen sich zwar einer steigenden Nachfrage,<br />

ihre Formulierung beruht aber oftmals auf Intuition<br />

und Erfahrung, da zusammenfassende wissenschaftliche<br />

Modelle zur Beschreibung der Zusammenhänge<br />

fehlen. Zudem steht nur ein sehr schmales Fenster<br />

für die Festlegung der Parameter zur Verfügung.<br />

Einfaches Modell für komplexe<br />

Zusammenhänge<br />

Den ersten Parameter, den die Entwickler unter die<br />

Lupe genommen haben, ist die Teilchengröße des<br />

Mattierungsmittels. Untersucht wurden zwei herkömmliche<br />

Mattierungs-Kieselsäuren, deren mittlere<br />

Agglomerat-Teilchengröße bei 4,5 µm (ACEMATT®<br />

OK 607) bzw. bei 14,5 µm (ACEMATT® HK 440) liegt.<br />

Anhand eines einfachen, den gesamten Teilchengrößenbereich<br />

von Kieselsäure-Mattierungsmitteln abdeckenden<br />

Modells, das die Projektmitarbeiter erarbeitet<br />

haben, lässt sich der Einfluss der Teilchengröße<br />

beschreiben. Im Modell repräsentieren Kugeln gleicher<br />

Größe in der dichtestmöglichen Packung die<br />

Partikel der Kieselsäure. Agglomeratverteilung und<br />

Morphologie der Kieselsäure bleiben dabei unberücksichtigt.<br />

Die im flüssigen Lack gleichmäßig verteilten Kieselsäureagglomerate<br />

bilden eine Mattierungsmittelmatrix,<br />

die während der Härtung weniger stark<br />

schrumpft als die umgebende Bindemittelmatrix. Der<br />

sogenannte Volumenschrumpf des Lackes beim<br />

Härten – er kann in der Praxis bis zu 15 Prozent betragen<br />

– wird dabei hauptsächlich durch das Bindemittel<br />

verursacht, da sich die Abstände zwischen den<br />

Bindemittelketten beim Härten deutlich verkürzen.<br />

Über die Größe der Mattierungsmittelteilchen, so die<br />

Überlegung der Lackexperten, sollte sich damit in<br />

gewissen Grenzen die Mattierung steuern lassen.<br />

Die Lackbranche unterscheidet in der Praxis zwischen<br />

dünnen Schichten, die in der Regel in Mengen<br />

von weniger als 20 bis 25 Gramm pro Quadratmeter<br />

aufgetragen werden, und dicken Schichten, deren<br />

Auftragsgewicht darüber liegt.<br />

Dickschichtige UV-Lacke:<br />

Kleine Teilchen mattieren besser<br />

Enthält ein dickschichtiger UV-härtender Lack ein<br />

Mattierungsmittel, dessen Teilchen mit 14,5 µm relativ<br />

groß sind, bilden sich gemäß dem Kugelmodell an<br />

der Lackfilmoberfläche infolge des Volumenschrumpfs<br />

beim Aushärten wenig ausgeprägte, langwellige<br />

Strukturen. Sie bewirken nur eine geringe<br />

Rauheit – also eine niedrige Mattierung.<br />

Mit feinteiligeren Mattierungsmitteln mit einer<br />

Teilchengröße von nur 4,5 µm entsteht dagegen, entsprechend<br />

dem Modell, eine Lackfilmoberfläche, die<br />

eine ausgeprägte kurzwellige Struktur aufweist –<br />

ideal für eine starke Streuung des einfallenden Lichts,<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Abbildung 1<br />

Modell zur Mattierung dickschichtiger UV­Lacke durch den Volumenschrumpf<br />

Applikationsschichtdicke: 55 µm<br />

Volumenschrumpf: ca. 8 %<br />

Wirkungsgrad Schrumpf: ca. 50 %<br />

Effektiver Schrumpf: ca. 2 µm<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />

Abbildung 2<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />

Darstellung der virtuellen Oberflächenstrukturen eines ausgehärteten dicken Lackfilms.<br />

Die wenig ausgeprägten, langwelligen Strukturen mit grobteiligen Mattierungsmitteln<br />

sorgen für den unerwünscht hohen Glanz<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />

Ableitung aus Modell<br />

Höhendifferenz: ca. 2,0 µm<br />

bei niedriger Aufrauung<br />

Hoher Glanz bei beiden Messwinkeln<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />

Ableitung aus Modell<br />

Höhendifferenz: ca. 2,0 µm<br />

bei höherer Aufrauung<br />

Niedriger Glanz bei Messwinkel 60°,<br />

aber hoher Glanz bei Messwinkel 85°<br />

Abbildung 3<br />

Oberflächentopogramme von dickschichtig applizierten mattierten<br />

UV­Lacken (TSD = Trockenschichtdicke)<br />

Lackformulierung: #1 TSD: ca. 75 µm<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® OK 607<br />

1,35 µm<br />

Lackformulierung: #3 TSD: ca. 75 µm<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® HK 440<br />

1,55 µm<br />

0,5 µm<br />

0,5 µm<br />

Volumenschrumpf hat großen Einfluss<br />

auf die Mattierungswirkung<br />

Werte aus der Praxis<br />

60°­Reflektometerwert: 46,1<br />

85°­Reflektometerwert: 86,0<br />

Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 0,77 µm<br />

Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,08 µm<br />

Werte aus der Praxis<br />

60°­Reflektometerwert: 22,6<br />

85°­Reflektometerwert: 77,8<br />

Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 1,20 µm<br />

Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,14 µm<br />

60°­Reflektometerwert: 24,9<br />

85°­Reflektometerwert: 84,8<br />

0,5 µm<br />

60°­Reflektometerwert: 46,2<br />

85°­Reflektometerwert: 87,9<br />

0,5 µm<br />

Applikation auf PMMA­Platte UV­Trocknung: Hg­Strahler Band: 100 W/cm, 5 m/min


Abbildung 4<br />

Modell zur Mattierung dünnschichtiger UV­Lacke bei Annäherung der Teilchengröße<br />

des Mattierungsmittels an die Schichtdicke des getrockneten Lacks<br />

Applikationsschichtdicke: 10 µm<br />

Volumenschrumpf: ca. 8%<br />

Wirkungsgrad Schrumpf: ca. 50%<br />

Effektiver Schrumpf: < 0,5 µm<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />

Abbildung 5<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />

Darstellung der virtuellen Oberflächenstrukturen eines ausgehärteten dünnen Lackfilms.<br />

Im Modell bilden die groben Teilchen an der Filmoberfläche eine stark ausgeprägte<br />

Struktur, was eine hohe Rauheit bedeutet<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® HK 440/d 50 = 14,5 µm<br />

Ableitung aus Modell<br />

Höhendifferenz: > 2,0 µm<br />

bei hoher Aufrauung<br />

Niedriger Glanz bei beiden Messwinkeln<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel ACEMATT® OK 607/d 50 = 4,5 µm<br />

Abteilung aus Modell<br />

Höhendifferenz: < 1,0 µm<br />

bei niedriger Aufrauung<br />

Hoher Glanz bei beiden Messwinkeln<br />

Abbildung 6<br />

Werte aus der Praxis<br />

60°­Reflektometerwert: 31,0<br />

85°­Reflektometerwert: 49,2<br />

Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 3,92 µm<br />

Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,21 µm<br />

Werte aus der Praxis<br />

60°­Reflektometerwert: 46,8<br />

85°­Reflektometerwert: 83,8<br />

Max. Rauheitsprofilhöhe Rz: 0,86 µm<br />

Arithm. Mittenrauwert Ra: 0,08 µm<br />

Oberflächentopogramme von dünnschichtig applizierten mattierten UV­Lacken<br />

Lackformulierung: #1 TSD: ca. 15 µm<br />

Feinteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® OK 607<br />

1,93 µm<br />

0,5 µm<br />

Lackformulierung: #3 TSD: ca. 15 µm<br />

Grobteiliges Mattierungsmittel<br />

ACEMATT® HK 440<br />

5,97 µm<br />

0,5 µm<br />

Volumenschrumpf ist nur<br />

von sekundärer Bedeutung<br />

60°­Reflektometerwert: 33,9<br />

85°­Reflektometerwert: 72,5<br />

0,5 µm<br />

60°­Reflektometerwert: 30,9<br />

85°­Reflektometerwert: 46,8<br />

0,5 µm<br />

Applikation auf PMMA­Platte UV­Trocknung: Hg­Strahler Band: 100 W/cm, 5 m/min<br />

CoatIng & bonDIng teChnologIeS 35<br />

also eine hohe Mattierung (Abb. 1, 2). Dies macht sich<br />

in einem niedrigen Glanz im 60°-Winkel bemerkbar.<br />

Allerdings zeigt der Glanz im 85°-Winkel wegen der<br />

geringen Höhendifferenzen an der Lackfilmoberfläche<br />

einen hohen Wert.<br />

Gestützt werden die theoretischen Annahmen im<br />

Mo dell durch die mit einem taktilen Rauheitsmessgerät<br />

ermittelten Topogramme (Abb. 3). Insgesamt<br />

lässt sich aus den Untersuchungen ablesen, dass sich<br />

feinteilige Mattierungs-Kieselsäuren mit mittleren<br />

Agglomerat-Teilchengrößen von weniger als 5,5 µm<br />

sehr gut eignen, um dickschichtige UV-Lacke zu mattieren.<br />

Dicke Teilchen für dünne Schichten<br />

Bei der Mattierung dünner Schichten profitiert der<br />

Lackformulierer dagegen nur eingeschränkt vom<br />

polymerisationsbedingten Volumenschrumpf, weil die<br />

Schichtdicken einfach zu gering sind. Grundsätzlich<br />

schneiden bei dünnen Schichten daher grob teiligere<br />

Kieselsäuren besser ab als feinteilige, wenn ihre Teilchengröße<br />

ungefähr der Schichtdicke entspricht.<br />

Auch hierfür liefert das Modell eine Erklärung:<br />

Die groben Teilchen bilden an der Filmoberfläche<br />

eine stark ausgeprägte Struktur, was eine hohe Rauheit<br />

bedeutet. Dagegen haben feinteilige Mattierungsmittel<br />

bei dünnen Schichten wenig ausgeprägte<br />

Strukturen zur Folge, die einfallendes Licht kaum<br />

streuen (Abb. 4, 5, 6). Für dünne Lackschichten heißt<br />

das: Die mittleren Agglomerat-Teilchengrößen der<br />

Mattierungskieselsäure sollten ungefähr beim 0,5- bis<br />

Einfachen der Lackfilmdicke liegen.<br />

Breites Verarbeitungsfenster<br />

mit neuer Kieselsäure<br />

Ein Ergebnis, das sich in der Praxis bestätigt, wie Abbildung<br />

7 zeigt: Dicke Lackfilme lassen sich besser<br />

mit der feinteiligen Kieselsäure ACEMATT® OK 607<br />

mit einer mittleren Agglomerat-Teilchengröße von<br />

4,5 µm mattieren. Dünnere Schichten dagegen werden<br />

mit der grobteiligeren Kieselsäure ACEMATT®<br />

HK 440 besser mattiert, deren mittlere Agglomerat-<br />

Teilchengröße bei 14,5 µm liegt.<br />

Zugleich wird deutlich, dass das neue, speziell zur<br />

Mattierung von UV-härtenden Lacken entwickelte<br />

Produkt ACEMATT® 3600 über nahezu alle Schichtdicken<br />

hinweg eine signifikant höhere Mattierungswirkung<br />

besitzt. Das Heißt: Mit ACEMATT® 3600<br />

steht dem Formulierer ein deutlich breiteres Anwendungsfenster<br />

zur Verfügung – obwohl die mittlere<br />

Agglomerat-Teilchengröße von ACEMATT® 3600 nur<br />

geringfügig von der des feinteiligen ACEMATT® OK<br />

607 abweicht (Abb. 7).<br />

Bei seiner Entwicklung griffen die Anwendungstechniker<br />

zu einem Trick: ACEMATT® 3600 basiert<br />

auf einer Kieselsäure, die mit Polydimethylsiloxan<br />

(PDMS) nachbehandelt wurde. Diese Nachbehandlung<br />

verbessert zum einen die Mattierungswirkung, 333<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


36 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />

333 zum anderen aber auch die rheologischen Eigenschaften<br />

des Mattierungsmittels. Deshalb kann es in<br />

einer höheren Konzentration in den Lack eingebracht<br />

werden.<br />

Die Nachbehandlung verdeutlicht aber auch, dass<br />

sich nicht nur die Teilchengröße des Mattierungsmittels<br />

auf das Reflexionsverhalten eines UV-härtenden<br />

Lackes auswirkt. Selbst bei unterschiedlichen Lackformulierungen<br />

mit gleichen Agglomeratgrößen der<br />

Mattierungskieselsäure treten Unterschiede im Glanz<br />

auf.<br />

Auch der zeitliche Ablauf der<br />

Polymerisation beeinflusst den Glanz<br />

Entscheidend dafür ist der zeitliche Ablauf des Polymerisationsprozesses<br />

bis zum Gelpunkt. Wobei Gelpunkt<br />

in diesem Fall als der Zeitpunkt definiert ist,<br />

ab dem die Polymerisation des Bindemittels so weit<br />

fort geschritten ist, dass Kieselsäure- und Bindemittelmatrix<br />

im gleichen Verhältnis weiter schrumpfen. Ab<br />

dem Gelpunkt sind die Agglomerate des Mattierungsmittels<br />

also im sich ausbildenden Polymernetzwerk<br />

fixiert und können daher nichts mehr zu einer Aufrauung<br />

beitragen. Je später der Gelpunkt eintritt, des to<br />

ausgeprägter ist deshalb die Mattierung (Abb. 8).<br />

Wann der Gelpunkt eintritt, hängt von verschiedenen<br />

Faktoren ab, etwa wie schnell die Molmasse<br />

steigt, wie stark sich die Segmentbeweglichkeit der<br />

Kettenmoleküle oder das rheologische Verhalten ändern.<br />

Einen maßgeblichen Einfluss auf die Mattierbarkeit<br />

UV-härtender Lacke haben deshalb auch die<br />

weiteren Bestandteile der Formulierung: die Acrylat-<br />

Oligomere und -Monomere, die zum Bindemittel polymerisieren,<br />

wobei die Monomere in UV-härtenden<br />

Lacken außerdem noch die Funktion des Lösungsmittels<br />

übernehmen, sowie die Photoinitiatoren.<br />

Zahl der Doppelbindungen<br />

spielt eine große Rolle<br />

Die Untersuchungen zeigen, dass eindeutige Aussagen<br />

in puncto Mattierbarkeit schwierig sind, was das<br />

Beispiel der Oligomere verdeutlicht: Zwar wirken<br />

sich die relative Molmasse, Funktionalität, Reaktivität<br />

und Viskosität neben weiteren Parametern auf die<br />

Mattierbarkeit des Lackes aus, aber die gegenseitigen<br />

Abhängigkeiten sind vielfältig und komplex.<br />

<strong>Evonik</strong> konnte allerdings nachweisen, dass der<br />

Doppelbindungsdichte, die wiederum von der Funktionalität<br />

und der Molmasse abhängt, eine besondere<br />

Bedeutung zukommt. Denn es gilt die generelle Aussage:<br />

Je höher die Doppelbindungsdichte der Oligomere<br />

ausfällt, desto besser ist die Mattierbarkeit des<br />

Lacks. Allerdings gilt auch hier: keine Regel ohne<br />

Ausnahme. Oligomere mit niedriger Doppelbindungsdichte<br />

und höherer Viskosität sind bei Verwendung<br />

geeigneter Monomere ebenfalls mattierbar.<br />

Die Experimente mit verschiedenen Monomeren<br />

haben gezeigt, dass ihr Beitrag zur Mattierung von der<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Abbildung 7<br />

Einfluss des Auftragsgewichts (proportional zur Schichtdicke) und der<br />

Teilchengröße des Mattierungsmittels auf den Glanz<br />

ACEMATT® OK 607 ACEMATT® 3600 ACEMATT® HK 440<br />

60°­Reflektometerwert<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

●<br />

●<br />

●●<br />

●<br />

●<br />

Formulierungen #1, #2 und #3<br />

Hg­Strahler 100 W/cm, 5 m/min<br />

Dosis: 850 mJ/cm 2 ; Peak: 1.480 mW/cm 2<br />

●<br />

0<br />

Auftragsgewicht [g/m2 0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />

]<br />

Abbildung 8<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Zu frühes Erreichen des Gelpunkts führt zu ungenügender Aufrauung (oben).<br />

Spätes Erreichen des Gelpunkts lässt genug Zeit für eine ausreichende Aufrauung (unten)<br />

UV­Strahler<br />

Modell für ungenügende<br />

Mattierung<br />

Modell für gute<br />

Mattierung<br />

●<br />

30 cm<br />

Bandgeschwindigkeit: 6 m/min = 3 sec Belichtung<br />

Reaktionsstart Gelpunkt Reaktionsende<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Früher Gelpunkt =<br />

hoher Schrumpfwirkungsgrad =<br />

ungenügende Aufrauung<br />

Später Gelpunkt = niedriger<br />

Schrumpfwirkungsgrad =<br />

genügend hohe Aufrauung


Molekülform und der Umsatzrate während der Polymerisation<br />

abhängt. Überwiegend lineare kettenförmige<br />

Monomermoleküle begünstigen die Mattierung,<br />

weil sie eine höhere Mobilität besitzen und besser umgesetzt<br />

werden, während räumlich geformte oder verzweigte<br />

Monomere wegen der sterischen Hinderung<br />

Berechnungsformel der Doppelbindungsdichte:<br />

CoatIng & bonDIng teChnologIeS 37<br />

eine verringerte Beweglichkeit haben, geringere Umsatzraten<br />

aufweisen und damit letztlich eine geringere<br />

Mattierung bewirken: Ein stark verzweigtes Monomer<br />

schrumpft im Modell zusammen mit der Kieselsäurematrix<br />

und komprimiert diese dabei, sodass die Aufrauung<br />

verloren geht. 333<br />

DB – Dichte = Funktionalität [DB/Mol] x 1.000 [g/kg Oligomer] = [DB]<br />

relative Molmasse [g/Mol] [kg Oligomer]<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


38 CoatIng & bonDIng teChnologIeS<br />

333 Bleibt der Photoinitiator als weiterer Parameter,<br />

der die Mattierbarkeit bei der Formulierung des<br />

Lackes beeinflusst. Sogenannte Oberflächentrockner<br />

wie zum Beispiel Benzophenon mit seinen Absorptionsmaxima<br />

im eher kurzwelligen Bereich, die den<br />

Lackfilm sehr schnell von oben beginnend trocknen,<br />

begünstigen den Glanz, während Trockner mit<br />

Absor p tionen im längerwelligen Bereich (Abb. 9) eine<br />

erheblich gleichmäßigere und verzögerte Härtung<br />

der Lackschicht begünstigen. Der Gelpunkt tritt dann<br />

also, wie erwünscht, später ein.<br />

Darüber hinaus eröffnet auch der eigentliche<br />

Härtungsprozess weiteren Spielraum, um den Glanz<br />

eines Lackfilms zu reduzieren. Hier spielen Parameter<br />

wie Art und Emissionsspektrum der Lichtquelle,<br />

Intensität und Bestrahlungsdauer, Strahlergeometrie<br />

Abbildung 9<br />

Darstellung der Absorptionskurven verschiedener Photoinitiatoren<br />

Benzophenon Bis­Acyl­Phosphinoxid<br />

Absorption [%]<br />

3,0<br />

Absorptionsspektrum 0,1 % in Acetonitril<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011<br />

Reinhard behl absolvierte in der früheren<br />

Degussa AG eine Lehre zum<br />

Chemielaboranten und trat 1978 in die<br />

anwendungstechnische Abteilung des<br />

heutigen Geschäftsbereichs Inorganic<br />

Materials von <strong>Evonik</strong> ein. Seitdem war<br />

er in verschiedenen Funktionen im<br />

Lacklabor tätig; aktuell betreut er die<br />

Mattierungsmittel, die unter dem<br />

Namen ACEMATT® vertrieben werden.<br />

+49 6181 59-6672<br />

reinhard.behl@evonik.com<br />

sowie Umgebungstemperatur und Substratart eine<br />

Rolle. Die Anwendungstechniker von <strong>Evonik</strong> haben<br />

auch diese Einflussgrößen untersucht und ihre Beiträge<br />

zur Beeinflussung des Mattgrades bestimmt.<br />

Noch immer ist die Formulierung von Lacken vor<br />

allem eine Sache von Erfahrung und Intuition. Die<br />

Analysen von <strong>Evonik</strong> zeigen aber, dass es möglich ist,<br />

die Prozess- und Formulierungsparameter gezielter<br />

aufeinander abzustimmen und so die Mattierung von<br />

UV-härtenden Lacken deutlich besser zu steuern. Die<br />

Experten von <strong>Evonik</strong> sind so ihrem Vorhaben, mehr<br />

System in die Entwicklung umweltschonender matter<br />

UV-Lacke zu bringen, einen großen Schritt<br />

näher gekommen. Das zeigt auch das neue Produkt<br />

ACEMATT® 3600, das dem Verarbeiter völlig neue<br />

Möglichkeiten bei der Mattierung bietet. 777<br />

0<br />

280 300 320 340 360 380 400 420 440 460<br />

Wellenlänge [nm]<br />

ReFeRenZen<br />

Benzophenon<br />

hans­Dieter Christian studierte von<br />

1971 bis 1975 an der Hochschule Niederrhein<br />

in Krefeld Lackchemie. Seit 1989<br />

arbeitet er bei <strong>Evonik</strong>, wo er seit 1996<br />

Leiter der anwendungstechnischen<br />

Abteilung für Mattierungsmittel mit<br />

weltweiter Verantwortung ist.<br />

+49 6181 59-4861<br />

hans-dieter.christian@evonik.com<br />

[1] Behl, R.; Christian, H.-D.: Radikal matt – zur Mattie rung<br />

lösemittelfreier UV-härtender Lacke, Farbe und Lack,<br />

Teile 1, 2 + 3, April, Juni und Juli 2011, Vincentz Network<br />

O<br />

O O<br />

O<br />

P<br />

Bis­Acyl­Phosphinoxid


SEA LIFE Speyer: seltene Kuba-Krokodile<br />

hinter PLEXIGLAS® zu bestaunen<br />

Als einziges Aquarium in Deutschland zeigt das SEA LIFE in Speyer<br />

Kuba-Krokodile. Damit sich die in ihrem Bestand äußerst gefährdeten<br />

Reptilien hier genauso wohlfühlen wie in ihrer kubanischen<br />

Heimat, wurde die Ausstellungsfläche um rund ein Drittel erweitert.<br />

Es entstand ein neuer Bereich ganz im Stil kubanischer Sümpfe:<br />

Landflächen wechseln sich mit bis zu 80 Zentimeter tiefem Wasser<br />

ab, ein Wasserfall rauscht in das 30.000 Liter fassende Becken – und<br />

das alles überwuchert von Grünpflanzen und Palmen. Das Wasser ist<br />

auf 28 °C aufgeheizt, eine Klimaanlage sorgt permanent für eine<br />

Raumtemperatur von etwa 30 °C sowie 75 Prozent Luftfeuchtigkeit,<br />

und eine Beregnungsanlage spendet Tropenregen.<br />

Sechs 60 Millimeter dicke PLEXIGLAS® Blöcke sorgen dafür,<br />

dass die Besucher die drei zu einer der aggressivsten Krokodilarten<br />

gehörenden Tiere sicher bestaunen können. Trotz der hohen Tempe<br />

ratur und Luftfeuchtigkeit beschlagen die Scheiben nicht und ermöglichen<br />

einen verzerrungsfreien Durchblick auf die exotischen<br />

Impressum<br />

herausgeber<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG<br />

Corporate Innovation<br />

Strategy & Management<br />

Rellinghauser Straße 1–11<br />

45128 Essen<br />

Wissenschaftlicher beirat<br />

Dr. Norbert Finke<br />

Corporate Innovation<br />

Strategy & Management<br />

norbert.finke@evonik.com<br />

Redaktion<br />

Dr. Karin Aßmann<br />

(verantwortlich)<br />

<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />

Konzernredaktion<br />

karin.assmann@evonik.com<br />

Redaktionelle mitarbeiter<br />

Christa Friedl<br />

Michael Vogel<br />

Fotos<br />

<strong>Evonik</strong> Industries<br />

Karsten Bootmann<br />

Dieter Debo<br />

Stefan Wildhirt<br />

Fraunhofer-Institut für Verfah rens -<br />

technik und Verpackung (S. 5)<br />

Fotolia/LianeM (S. 6)<br />

Getty Images/Cook+Jenshel (S. 13 o)<br />

Getty Images/Sot (S. 13 u)<br />

Fotolia/Electriceye (S. 23 r)<br />

Mauritius Images/CuboImages (S. 27)<br />

Mauritius Images/Imagebroker/<br />

Alfred Schauhuber (S. 28)<br />

Fotolia/Broker (S. 31 u)<br />

IST Metz GmbH, Torsten Becker<br />

Illustrationen (S. 32 u, 33)<br />

Mauritius Images/Age (S. 37)<br />

SEA LIFE Deutschland (S. 39)<br />

gestaltung<br />

Michael Stahl, München<br />

Druck<br />

Laupenmühlen Druck<br />

GmbH & Co. KG, Bochum<br />

Nachdruck nur mit<br />

Genehmigung der Redaktion<br />

neWS 39<br />

Reptilien. Dank der guten Isolation, die PLEXIGLAS® bietet, herrschen<br />

im Zuschauerbereich angenehme Temperaturen sowie eine<br />

gute Lärmdämmung. Das Rauschen des Wasserfalls ist kaum zu<br />

hören.<br />

Aber nicht nur diese Produkteigenschaften waren ausschlaggebend<br />

dafür, dass der Verarbeiter Aquarienbau Petermann PLEXIGLAS®<br />

auswählte. Durch bauliche Gegebenheiten musste besonders auf das<br />

Gesamtgewicht des Beckens geachtet werden. Das geringere Gewicht<br />

von Acrylglas gegenüber Glas sowie die guten Bearbeitungs- und<br />

Einbaumöglichkeiten waren mit ausschlaggebend.<br />

Der umfangreiche technische Service und das große Know-how<br />

von <strong>Evonik</strong> hinsichtlich des Einbaus von Aquarienbecken ermöglichten<br />

es dem Verarbeiter, der bisher hauptsächlich im Glasbau tätig war,<br />

die hohen Anforderungen an die Verscheibung des Krokodilgeheges<br />

zu erfüllen – und so den drei Kuba-Krokodilen ein neues Zuhause zu<br />

schaffen.<br />

<strong>elements36</strong> Ausgabe 3|2011


Wir haben für jedes Oberflächenproblem eine Lösung:<br />

die Kreativität unserer Mitarbeiter. Bei uns arbeiten<br />

die Experten fachübergreifend eng mit unseren Kunden<br />

zusammen. Das spart Zeit und gibt zusätzliche Impulse.<br />

Das Resultat: außergewöhnliche Problemlösungen für<br />

außergewöhnliche Anwendungen.<br />

Ein Ansprechpartner,<br />

viele Spezialisten.<br />

We love your problems.<br />

www.evonik.de

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