elements33 - Evonik
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<strong>elements33</strong><br />
Quarterly Science Newsletter Ausgabe 4 | 2010<br />
Gesundheit & Ernährung<br />
Mehr Effizienz am Trog<br />
Professioneller Schutz für die Haut<br />
Coating & Bonding Technologies<br />
Clever kleben wie von selbst
02 Inhalt<br />
08<br />
22<br />
36<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
nEWS<br />
04 Dr. Klaus Engel neuer VCI-Präsident<br />
04 <strong>Evonik</strong> plant neue Methioninanlage in Singapur<br />
05 Kooperieren mit der ehrgeizigsten Uni der Welt<br />
06 Erstmalig im Einsatz: Autofrontscheibe aus PLEXIGLAS®<br />
07 Verkauf der weltweiten Carbon-Black-Aktivitäten beschlossen<br />
07 Starke Effekte mit PLEXIGLAS® Struktur RADIANT<br />
GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />
08 Aminosäurendiät macht Schweinezucht umwelt- und<br />
klimaverträglicher: Mehr Effizienz im Trog<br />
14 Professioneller Schutz für ältere Haut<br />
nEWS<br />
20 Von <strong>Evonik</strong> betreute Bachelorarbeit von<br />
Max-Buchner-Forschungsstiftung ausgezeichnet<br />
21 <strong>Evonik</strong> Meets Science China 2010<br />
21 Ausbau der Produktionskapazitäten für TAA in China<br />
nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />
katEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />
22 Bringt verbrauchte Energie zurück: CreAMINO® für die Tierernährung<br />
23 SAVOSIL TM bringt Licht in neue Märkte<br />
24 Sinkender Kraftstoffverbrauch dank neuer Viskositätsverbesserer<br />
katEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />
25 Siridion® HCDS 500 E: ein neuer Rohstoff für die Halbleiterindustrie<br />
26 Ein neuer Weg zu hochreinem Isobuten<br />
27 Neue Biotechnologieplattform macht LOLA zum Renner<br />
vERfahREnStEChnIk<br />
28 Selbstlernende Programme: Im EU-Projekt INFER werden<br />
adaptive Softsensoren entwickelt<br />
30 Professorentreffen: geballtes Prozess- und Technologiewissen<br />
nEWS<br />
34 Lacke mit VESTOSINT® glänzen in Durbans Flughafen<br />
34 Deutliche Kapazitätssteigerung bei gefällten Kieselsäuren<br />
35 So leuchten LEDs länger strahlend hell<br />
35 PLEXIGLAS® Fassade für Münchner Wetterturm<br />
CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />
36 UV-härtende Silicone als Trennbeschichtung:<br />
Clever kleben wie von selbst<br />
nEWS<br />
43 Noch höhere Effizienz bei Erdwärme<br />
43 Impressum
And the winner is ...<br />
Der zweite Platz führt oft ein stiefmütterliches Dasein, das gerne mit einem „nur“<br />
zum Ausdruck gebracht wird. Dabei wird schnell übersehen, dass auch hinter dem<br />
zweiten oder dritten Platz eine großartige Leistung steckt. Um sie stärker zu würdigen,<br />
haben wir uns für unseren Innovationspreis, den wir traditionell im Dezember<br />
verleihen, nun den Oscar zum Vorbild genommen: Wir haben erstmals vorab<br />
drei Teams in den beiden Kategorien neue Produkte und neue Verfahren nominiert<br />
und werden erst am Tag der Preisverleihung entscheiden, wer in jeder Kategorie<br />
auf den ersten Platz kommt. Eine Entscheidung, die uns auch diesmal wieder erfreulich<br />
schwer fallen wird, weil unsere Forscher viele innovative Projekte eingereicht<br />
haben; einen Eindruck davon können Sie sich ab Seite 22 verschaffen. Mit den<br />
Nominierungen wollen wir die Zweit und Drittplatzierten stärker ins Rampenlicht<br />
rücken, denn auch ihre Leistungen sind ein Gewinn für <strong>Evonik</strong>.<br />
Klar auf der Gewinnerseite stehen wir auch mit DLMethionin, einer Aminosäure,<br />
die insbesondere dem Futter von Geflügel zugesetzt wird. Schon heute sind<br />
wir der weltweit größte Hersteller und um unsere Position noch einmal kräftig auszubauen,<br />
planen wir derzeit eine neue Anlage in Singapur. Wenn die zuständigen<br />
Gremien dem Bau der Anlage zustimmen, werden wir schon 2014 über eine Kapazität<br />
von insgesamt 580.000 Tonnen DLMethionin verfügen und einen mittleren dreistelligen<br />
Millionenbetrag investiert haben.<br />
Gut angelegtes Geld, denn der Markt für Methionin wächst seit Jahren kontinuierlich.<br />
Zum einen ändert sich das Verbraucherverhalten weltweit, und insbesondere<br />
in den sich entwickelnden Ländern steht immer häufiger Fleisch auf der Speisekarte.<br />
In den wohlhabenden Regionen wächst zudem der Wunsch, sich gesund zu ernähren,<br />
und die Verbraucher greifen hier deshalb immer häufiger zu fettarmem Geflügelfleisch<br />
statt zu Schweine oder Rindfleisch.<br />
Zum anderen muss die stetig wachsende Weltbevölkerung mit qualitativ hochwertigen<br />
und sicheren Lebensmitteln ernährt werden – was mit Blick auf die begrenzten<br />
Ressourcen an fruchtbarem Boden und Wasser nur mit hochproduktiven<br />
landwirtschaftlichen Prozessen möglich ist. Einen wichtigen Beitrag leisten hier<br />
innovative Fütterungskonzepte, bei denen dem Futter statt proteinreichem Soja oder<br />
Rapsschrot unsere Aminosäuren zugesetzt werden – das haben wir in einer Ökobilanz<br />
wissenschaftlich nachgewiesen. Als Faustregel gilt: Wird der Gehalt an<br />
pflanzlichem Protein im Futter um ein Prozent reduziert, verringert sich der Stickstoffgehalt<br />
in der Gülle um zehn Prozent, die Ammoniakemissionenen in die Luft<br />
sinken ebenfalls um zehn Prozent und der Wasserverbrauch geht um drei Prozent<br />
zurück. Und die 580.000 Tonnen Methionin, die wir dem Markt ab 2014 zur Verfügung<br />
stellen wollen, sparen 11,6 Millionen Hektar Agrarfläche, die beispielsweise<br />
zum Anbau von Lebensmitteln genutzt werden können. Dabei gewinnen alle.<br />
EDItoRIal 03<br />
patrik Wohlhauser<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
04 nEWS<br />
Dr. Klaus Engel neuer VCI-Präsident<br />
Die Mitgliederversammlung des Verbandes<br />
der Chemischen Industrie (VCI) hat<br />
am 24. September 2010 in Dresden Dr.<br />
Klaus Engel, den Vorstandsvorsitzenden<br />
der <strong>Evonik</strong> Industries AG, zum VCIPräsidenten<br />
gewählt. Engel gehört bereits seit<br />
2008 dem Präsidium des Verbandes an.<br />
Engel erklärte anlässlich seiner Wahl:<br />
„Als VCIPräsident will ich mich dafür<br />
ein setzen, dass die Chemieunternehmen<br />
und ihre Mitarbeiter am Standort Deutschland<br />
gute Perspektiven haben. Produkte<br />
und Innovationen der chemischen Industrie<br />
werden in den nächsten Jahren mehr<br />
denn je gefragt sein: Herausforderungen<br />
gibt es bei der Energie und Res sourceneffizienz<br />
im Gebäude und Verkehrs<br />
<strong>Evonik</strong> Industries beabsichtigt, in Singapur<br />
einen neuen Anlagenkomplex zur<br />
Herstellung der Aminosäure DLMethionin<br />
für die Tierernährung zu bauen. In<br />
dem rückintegrierten Komplex wird <strong>Evonik</strong><br />
nicht nur Methionin, sondern auch<br />
sämtliche strategisch wichtigen Rohstoffe<br />
dafür produzieren. Die Verbundproduktion<br />
soll bereits 2014 mit einer Kapazität<br />
von 150.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb<br />
gehen. <strong>Evonik</strong>, schon heute Weltmarktführer<br />
bei Methionin, wird damit seine<br />
Kapazität auf dann insgesamt 580.000<br />
Tonnen pro Jahr steigern. Der Vorstand<br />
von <strong>Evonik</strong> hat jetzt der Vor und Basisplanung<br />
am Standort Jurong Island zugestimmt.<br />
Sie bedarf noch der Zustimmung<br />
der Gremien.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
bereich, bei der Ernährung einer wachsenden<br />
Weltbevölkerung sowie der Gesundheitsversorgung<br />
einer älter werdenden<br />
Bevölkerung. Uns allen muss daran<br />
gelegen sein, dass Innovationen hierfür in<br />
Deutschland entwickelt und produziert<br />
werden. Hierzu brauchen die Unternehmen<br />
ein international wettbewerbsfähiges<br />
Umfeld. Ich werde den Dialog mit Politik,<br />
Gewerkschaft und Gesellschaft suchen,<br />
wie wir die optimalen Rahmenbedingungen<br />
dafür schaffen können.“<br />
Der VCI steht für mehr als 90 Prozent<br />
der deutschen Chemie. Die Branche<br />
setzte 2009 über 145 Milliarden Euro um<br />
und beschäftigte mehr als 416.000 Mitarbeiter.<br />
<strong>Evonik</strong> plant neue Methioninanlage in Singapur<br />
„Methionin gehört für <strong>Evonik</strong> zum Kerngeschäft.<br />
Der Markt für Methionin wächst<br />
beständig und hat sich auch in der Wirtschaftskrise<br />
als sehr robust erwiesen.<br />
Deshalb wollen wir mit der Planung der<br />
neuen Anlage in Asien, der zukünftig<br />
wichtigsten Marktregion überhaupt, unsere<br />
Marktführerschaft stärken“, begründete<br />
Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender<br />
der <strong>Evonik</strong> Industries AG, die Genehmigung<br />
der Planungsmittel. Der Umfang der<br />
endgültigen Investition liegt im mittleren<br />
dreistelligen Millionenbereich und bedarf<br />
noch der Zustimmung des Aufsichtsrates.<br />
„Die Anlage in Singapur ist für uns der<br />
nächste Baustein in einem weltumspannenden<br />
Produktionsnetz für Methionin“,<br />
sagte Dr. Reiner Beste, Leiter des Geschäftsbereichs<br />
Health & Nutrition. „Damit<br />
sind wir dann in allen wesentlichen<br />
Großregionen – Europa, USA und Lateinamerika<br />
sowie Asien – vertreten und können<br />
unsere Kunden in der Ernährungsindustrie<br />
direkt aus lokaler Produktion versorgen.“<br />
Aktuell produziert <strong>Evonik</strong> die<br />
Aminosäure in vier Anlagen in Wesseling<br />
(Deutschland), Mobile (USA) und Antwerpen<br />
(Belgien). Wegen der robusten Nachfrageentwicklung<br />
werden die bestehenden<br />
Anlagen gerade schrittweise erweitert.<br />
Bis 2013 sollen sie eine Kapazität von<br />
insgesamt 430.000 Jahrestonnen bereitstellen.<br />
Auch die Rückintegration bei den Rohstoffen<br />
ist für Beste ein wesentlicher Pluspunkt:<br />
„Wir bieten unseren Kunden damit<br />
ein Höchstmaß an Liefersicherheit und<br />
Wettbewerbsfähigkeit. Das zeigt die Erfahrung<br />
mit unseren anderen Standorten,<br />
die ebenfalls weitestgehend rückintegriert<br />
sind.“ Zudem wird die Anlage in Singapur<br />
die modernste ihrer Art sein. „Unser<br />
Erfolg als Marktführer beruht nicht<br />
zuletzt darauf, dass wir auch technologisch<br />
führend sind“, erklärte Beste. „Das<br />
werden wir mit der neuen Anlage in Singapur<br />
einmal mehr beweisen.“<br />
Die Vorbereitungen für den neuen Anlagenkomplex<br />
sind bereits weit fortgeschritten.<br />
„Das liegt auch an der starken<br />
Unterstützung der Behörden und Partner<br />
vor Ort“, betonte Beste. Sie war, ebenso<br />
wie die hervorragende Rohstoffversorgung<br />
in Singapur, ausschlaggebend für die<br />
Wahl des Standorts.<br />
DLMethionin ist eine essenzielle Aminosäure<br />
für die gesunde und umweltschonende<br />
Ernährung von landwirtschaftlichen<br />
Nutztieren, speziell von Geflügel<br />
und Schweinen. Der Bedarf an Methionin<br />
ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich<br />
gestiegen. Zum einen verändert sich
mit steigendem Wohlstand in den sich entwickelnden,<br />
bevölkerungsreichen Ländern<br />
wie China das Konsumentenverhalten<br />
mit wachsender Nachfrage nach<br />
Fleisch. So geht die FAO davon aus, dass<br />
der weltweite Verbrauch an Fleisch von<br />
derzeit 37,4 kg pro Kopf und Jahr auf 52 kg<br />
im Jahr 2050 ansteigen wird. Zum anderen<br />
nimmt in den wohlhabenden Ländern das<br />
Gesundheitsbewusstsein zu und hat den<br />
Verzehr von fettarmem Geflügelfleisch im<br />
Vergleich zu anderen Fleischsorten überproportional<br />
steigen lassen. Ein weiterer<br />
Wachstumstreiber für den Einsatz von<br />
Aminosäuren sind Innovationen aus der<br />
Tierernährungswissenschaft. Neue Füt<br />
Kooperieren mit der ehrgeizigsten Uni der Welt<br />
36 Quadratkilometer groß, 12 Milliarden<br />
USDollar teuer, die technische und finanzielle<br />
Ausstattung auf Weltklasseniveau:<br />
Mit der neuen King Abdullah University<br />
of Science and Technology (KAUST), an<br />
der einmal 2.000 Studenten ausgebildet<br />
werden sollen, verfolgt Saudi Arabien ein<br />
ehrgeiziges Ziel: Die im September 2009<br />
in Betrieb gegangene Hochschule will die<br />
weltbesten Forscher anlocken und bis 2020<br />
bei Wissenschaft und Technologie zu den<br />
international besten Unis gehören. Grund<br />
genug für <strong>Evonik</strong>, Kontakt mit KAUST zu<br />
knüpfen und den Weg für Kooperationen<br />
zu bereiten, zumal das Unternehmen in<br />
Saudi Arabien nun auch mit Produktion<br />
Fuß fassen und sich an einem Joint Venture<br />
zur Herstellung von Superabsorbern<br />
beteiligen will: „Wir haben hier die<br />
Chance, die Entstehung eines der künftig<br />
vielleicht leistungsfähigsten Technologie<br />
zentren aktiv zu begleiten und davon zu<br />
profitieren“, sagt Dr. Peter Nagler, Leiter<br />
des Bereichs Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis (IMC), der die Hochschule<br />
im Oktober gemeinsam mit Dr.<br />
Bernhard Schleich, ebenfalls IMC, und<br />
Kollegen aus der Verfahrenstechnik besuchte.<br />
Erste Anknüpfungspunkte gibt es bereits:<br />
Mit Prof. Dr. Jean Marie Basset beispielsweise<br />
hat KAUST einen renommierten<br />
Katalyseexperten gewonnen, zu<br />
dem <strong>Evonik</strong> bereits gute Kontakte unterhält<br />
und durch das Wissenschaftsforum<br />
„<strong>Evonik</strong> Meets Science“ pflegt. Basset hat<br />
sich nun revanchiert und <strong>Evonik</strong> zur Eröffnung<br />
des Catalysis Research Centers<br />
am KAUST Ende des Jahres eingeladen.<br />
Aktuell arbeiten hier bereits 60 Forscher;<br />
in den kommenden Monaten soll die Zahl<br />
auf 120 aufgestockt werden.<br />
nEWS 05<br />
terungskonzepte für eine ausgewogenere<br />
Ernährung der Tiere, die optimal auf die<br />
Schonung von Ressourcen und Umwelt<br />
ausgerichtet sind, finden zunehmende<br />
Verbreitung. <strong>Evonik</strong> hat in einer jetzt vom<br />
TÜV Rheinland zertifizierten Ökobilanz<br />
diese Nachhaltigkeitsvorteile wissenschaftlich<br />
bewiesen.<br />
Dass Saudi Arabien nicht nur über üppige<br />
Gas und Ölquellen verfügt, sondern<br />
auch das Zeug zu einer leistungsfähigen<br />
Hochschule hat, hat es bereits bewiesen:<br />
mit der 1963 gegründeten King Fahd University<br />
of Petroleum and Minerals<br />
(KFUPM) in Dhahran. Die technische Uni<br />
legt ihren Schwerpunkt auf die Ausbildung<br />
der rund 8.200 Studenten. Mit Erfolg:<br />
Die Petroleumindustrie sowie die<br />
nachgelagerten Branchen in der Region<br />
rekrutieren einen Großteil ihres wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses von der KFUPM.<br />
Auch diese Uni stand deshalb auf dem Besuchsprogramm:<br />
„Wenn wir uns in der<br />
Region mit eigener Produktion etablieren<br />
wollen, brauchen wir natürlich auch exzellenten<br />
Nachwuchs vor Ort“, erläutert<br />
Tilmann Ehret, der als Regional President<br />
Middle East/North Africa von <strong>Evonik</strong><br />
seine Kollegen an dieser Uni begleitete.<br />
Blick von der King Abdullah University of<br />
Science and Technology auf das Meer<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
06 nEWS<br />
Erstmalig im Einsatz: Autofrontscheibe aus PLEXIGLAS®<br />
Erstmals wird eine Autofrontscheibe aus<br />
Polymethylmethacrylat (PMMA) von<br />
<strong>Evonik</strong> Industries im Rennsport eingesetzt.<br />
Das Unternehmen vertreibt seine<br />
PMMAProdukte unter dem Markennamen<br />
PLEXIGLAS®. Zunächst in der Erprobungsphase<br />
in einem Rennboliden, ist<br />
der Einsatz im Serienbau das Ziel. „Die<br />
Anforderungen im Rennsport“, sagt Rudolf<br />
Blass, bei <strong>Evonik</strong> für Automotive and<br />
Surface Design im Geschäftsgebiet Acrylic<br />
Polymers zuständig, „sind so hoch, dass es<br />
sich dabei um das ideale Trainingsfeld für<br />
neue Entwicklungen handelt.“ So muss<br />
eine Frontscheibe, die im Rennen bestehen<br />
soll, optisch einwandfrei sein, um<br />
dem Fahrer eine klare Sicht und damit die<br />
höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.<br />
Auch eine hohe Steinschlagfestigkeit<br />
ist gefordert.<br />
Diese beiden wichtigsten Herausforderungen<br />
haben die Spezialisten von <strong>Evonik</strong><br />
gemeistert. Und das erfolgreich, so<br />
Blass: „Die Steinschlagfestigkeit beispielsweise<br />
ist deutlich besser als bei einer vergleichbaren<br />
Frontscheibe aus Autoglas.“<br />
Zudem sorge eine solche Frontscheibe aus<br />
PMMA alleine schon in dem von <strong>Evonik</strong><br />
gesponserten Lotus Exige Sportwagen von<br />
REDMotorsport für eine Gewichtsersparnis<br />
von bemerkenswerten 40 Prozent:<br />
von elf Kilogramm bei der Serienscheibe<br />
auf sechs Kilogramm.<br />
Für den Rennsport ist das Gewicht außerordentlich<br />
wichtig, allerdings verfügt<br />
PLEXIGLAS®, so der Chef des Automotive<br />
Industry Teams (AIT) von <strong>Evonik</strong>, Klaus<br />
Hedrich, „noch über weitere, beeindruckende<br />
Vorteile.“ So zeichne sich eine solche<br />
Scheibe auch durch hohe Steifigkeit<br />
aus, biete sehr gute Trans pa renz, gute<br />
akustische Eigenschaften und eine hohe<br />
UV und Witterungsbeständigkeit und damit<br />
Langlebigkeit. Außerdem verfügt das<br />
Material im Vergleich zu Glas über eine<br />
niedrige Infra rotTrans mission, so dass<br />
sich das Wageninnere weniger aufheizt.<br />
In dem BritRacer sind zudem seit längerem<br />
schon Seitenscheiben aus PMMA verbaut.<br />
Dennoch: Front und Seitenscheiben<br />
sind nur ein Teil der Verscheibungsstrategie<br />
von <strong>Evonik</strong>. Im Blickpunkt der Entwickler<br />
sind auch Heck oder Panoramadachscheiben,<br />
die vielleicht schon bald zur<br />
Serienreife kommen.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
„Eine potenzielle Gewichtersparnis von<br />
40 bis 50 Prozent für ein Bauteil lässt das<br />
Herz jedes Renningenieurs höher schlagen“,<br />
unterstreicht Martin Roos, Besitzer<br />
von REDMotorsport aus dem nordrheinwestfälischen<br />
Mettmann, die Bedeutung<br />
von Leichtbau im Auto. So auch bei seinem<br />
Lotus Exige Renner – veredelt und<br />
erleichtert mit Teilen von <strong>Evonik</strong> Industries.<br />
Light Weight Design heißt ein Hauptaugenmerk<br />
der AutomotiveSpezialisten<br />
des Konzerns. So wurden bei dem Leichtbaurenner<br />
Karosserieteile aus CFK und<br />
dem Strukturschaum ROHACELL® gefertigt.<br />
Erstmals wurden auch am Motor des<br />
Boliden Ladeluftrohre aus Kunststoff verbaut,<br />
die nur halb so schwer sind wie die<br />
bisher üblichen Metallteile. Sie bestehen<br />
aus Polyamid12, Markenname VEST<br />
AMID®, und aus Polyphthalamid, Markenname<br />
VESTAMID® HTplus, und halten<br />
Temperaturen bis 180 Grad Celsius aus.<br />
Auch im Motor kommt <strong>Evonik</strong> zum Einsatz:<br />
RohMax® Öladditive sorgen für verbesserte<br />
Fließeigenschaften von Schmierstoffen<br />
und damit für mehr Leistung bei<br />
geringerem Verbrauch. Und den Strom<br />
liefert eine LithiumIonenBatterie, in<br />
Summe nur ein Drittel so schwer wie herkömmliche<br />
Bleibatterien.<br />
Der Motorsport ist für <strong>Evonik</strong> ein Testgelände<br />
für Alltagsanwendungen – die<br />
Der Lotus Exige mit einer<br />
Frontscheibe aus<br />
PLEXIGLAS® von <strong>Evonik</strong><br />
harte Vorstufe zur Serie. Denn nur was<br />
auf der Rennstrecke funktioniert, beweist<br />
die grundsätzliche Tauglichkeit für ein Serienfahrzeug.<br />
Daher ging <strong>Evonik</strong> jetzt<br />
konsequent den nächsten Schritt und entwickelte<br />
zusammen mit der Sportwagenschmiede<br />
von Lotus Engineering im britischen<br />
Hethel einen ganz speziellen und<br />
straßenzugelassenen Lotus Exige – mit<br />
allen Leichtbaulösungen von <strong>Evonik</strong> und<br />
noch einigem mehr. „Die Vorlage war unser<br />
Rennwagen von REDMotorsport“, so<br />
AITChef Klaus Hedrich, „mit dem wir in<br />
der Vergangenheit zahlreiche Rennsporterfolge<br />
in der Dutch Super Car Challenge<br />
feierten sowie beim 24 h Rennen in<br />
Silverstone 2008 den ersten Platz in der<br />
Klasse erreichten.“<br />
Das Konzept des Straßenrenners: Geringes<br />
Gewicht wirkt immer und bei vielen<br />
wichtigen Eigenschaften des Autos –<br />
beim Benzinverbrauch, in der Beschleunigung,<br />
beim Bremsen, in der Kurve. Die<br />
Aufgabe des Boliden mit dem Nummernschild:<br />
aufzeigen, wie rennerprobte<br />
Leichtbaulösungen ihren Weg in die Serienanwendung<br />
finden. Und ganz nebenbei,<br />
wie attraktiv wirkliches Abspecken aussehen<br />
kann. Das Ergebnis: der <strong>Evonik</strong><br />
Light Weight Design Lotus, der in Summe<br />
satte 75 Kilogramm weniger auf die Waage<br />
bringt als der schon sehr leichte Serien<br />
Exige S.
Verkauf der weltweiten Carbon-Black-Aktivitäten beschlossen<br />
<strong>Evonik</strong> Industries hat den Verkauf seines<br />
CarbonBlackGeschäfts beschlossen. Dr.<br />
Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender der<br />
<strong>Evonik</strong> Industries AG, sagte: „Erklärtes<br />
Ziel ist es, eine für Kunden, Mitarbeiter<br />
und Geschäftspartner gleichermaßen<br />
überzeugende Lösung zu finden. Der nun<br />
beschlossene Verkauf ist die beste Basis<br />
für nachhaltige Investitionen in Carbon<br />
Black, neue Wachstumsperspektiven und<br />
eine langfristige Sicherung zukunftsfähiger<br />
Arbeitsplätze.“<br />
Mit seinem CarbonBlackGeschäft ist<br />
der Konzern die globale Nummer zwei im<br />
Wettbewerb und verfügt über starke, eingeführte<br />
Produktmarken. Die Aktivitäten<br />
mit insgesamt 1.700 Mitarbeitern in zwölf<br />
Ländern umfassen einen Umsatz von rund<br />
einer Milliarde Euro. Carbon Black ist ein<br />
attraktives Geschäft. Nach dem Einbruch<br />
des Markts im Krisenjahr 2009 wird Carbon<br />
Black bereits 2010 wieder an das gute<br />
Ergebnisniveau von 2008 anknüpfen kön<br />
Starke Effekte mit PLEXIGLAS®<br />
Struktur RADIANT<br />
Farbenspiel mit PLEXIGLAS®<br />
Struktur RADIANT<br />
nen. „Aus einer Position der Stärke heraus<br />
nutzen wir jetzt aktiv die Gelegenheit,<br />
Carbon Black neue Perspektiven zu eröffnen.<br />
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um<br />
mit einem neuen Eigentümer die weltweite<br />
Präsenz von Carbon Black abzusichern<br />
und auszubauen“, so Engel.<br />
<strong>Evonik</strong> nimmt in rund 80 Prozent seines<br />
gesamten Chemiegeschäfts marktführende<br />
Positionen ein. Seit Ende 2009 setzt<br />
der Konzern auf eine strategische Neuausrichtung<br />
und hat eine weitere Fokussierung<br />
des Portfolios sowie eine stärkere<br />
Konzentration der Investitionen auf wesentliche<br />
Wachstumsmärkte angekündigt.<br />
Die strategische PortfolioEntwicklung<br />
erfolgt entlang der drei globalen Megatrends<br />
Ressourceneffizienz, Gesundheit<br />
und Ernährung sowie Globalisierung von<br />
Technologien. <strong>Evonik</strong> will damit sein Profil<br />
als eines der weltweit führenden Unternehmen<br />
der Spezialchemie stärken.<br />
Dazu hat sich der Vorstand entschieden,<br />
nEWS 07<br />
Investitionen auf Bereiche mit überdurchschnittlichen<br />
Wachstumspotenzialen zu<br />
konzentrieren.<br />
Vor diesem Hintergrund sowie angesichts<br />
einer zunehmenden Konsolidierung<br />
der Branche und der steigenden Bedeutung<br />
asiatischer Absatzmärkte sieht <strong>Evonik</strong><br />
für Carbon Black bessere Perspektiven<br />
außerhalb des Konzerns. Carbon Black gehört<br />
daher nicht mehr zum Kerngeschäft<br />
von <strong>Evonik</strong> Industries. Es wurde bereits<br />
rechtlich verselbstständigt.<br />
<strong>Evonik</strong> produziert und vertreibt Carbon<br />
Black für die Reifen und Gummiindustrie<br />
und als Pigmentruße für die Verwendung<br />
unter anderem in Lacken, Kunststoffen,<br />
Druckfarben und Tonern. Seit<br />
Jahresanfang hatte <strong>Evonik</strong> die Optionen<br />
für Carbon Black mit Blick auf eine werthaltige<br />
Weiterentwicklung dieses Geschäfts<br />
intensiv geprüft. Zur Vorbereitung<br />
des Verkaufsprozesses hat <strong>Evonik</strong> jetzt<br />
eine Investmentbank beauftragt.<br />
Das neue PLEXIGLAS® Struktur RADIANT, das <strong>Evonik</strong> seit September<br />
anbietet, fällt auf: Zum einen durch die strukturierte<br />
Oberfläche, die das Licht auf interessante Weise streut und zum<br />
anderen durch die wechselnden Farben, die sich je nach Betrachtungswinkel<br />
verändern – bekannt unter dem Namen RA<br />
DIANTEffekt. Im Vorbeigehen sieht der Betrachter ein buntes<br />
Farbenspiel, das wegen der Oberflächenstruktur besonders zur<br />
Geltung kommt.<br />
Die spezielle RADIANTOberflächenvergütung ist auf drei<br />
verschiedenen Strukturen erhältlich: Wabe, Rippe und Pyramide.<br />
Aufgrund der Kombination aus Struktur und Farbeffekten<br />
zieht PLEXIGLAS® Struktur RADIANT alle Blicke auf sich. Es<br />
eignet sich daher für Anwendungen, die Aufmerksamkeit erzielen<br />
sollen, beispielsweise im Laden und Messebau. Auch für<br />
die Raumgestaltung in Bars, Clubs oder Lounges bietet das Material<br />
vielfältige Möglichkeiten. Dabei nutzen Designer und Kreative<br />
die spiegelartigen Farbreflexe und die wechselnde Farbenpracht.<br />
Hingucker aus dem neuen Werkstoff sind auch Lichtelemente<br />
in Decken und Böden oder Leuchten.<br />
Für den Regenbogeneffekt ist das normale Tageslicht ausreichend.<br />
Besonders starke Farbeffekte lassen sich jedoch erzielen,<br />
wenn der Werkstoff be oder hinterleuchtet wird. Je<br />
nach Fokus der Lichtquelle erscheinen so eindrucksvolle Farbwechsel.<br />
Ein Effekt, der sehr beliebt ist: Schon das bestehende<br />
PLEXIGLAS® RADIANT ist in einer Vielzahl von Anwendungen<br />
verbaut. Die Weiterentwicklung des Geschäftsgebiets Acrylic<br />
Polymers bei <strong>Evonik</strong> knüpft nun an diesen Erfolg an.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
Aminosäurendiät macht Schweinezucht umwelt- und klimaverträglicher<br />
Mehr Effizienz im Trog<br />
Moderne Tierzucht versorgt Milliarden Menschen mit lebensnotwendigen<br />
Proteinen. Gleichzeitig ist sie eine der Hauptquellen von Treibhausgasen und<br />
Umweltschadstoffen. Eine neue Ökobilanz zeigt, dass hocheffiziente und<br />
damit ressourcenschonende Fütterungskonzepte ein wichtiger Beitrag sind,<br />
um diese negativen Auswirkungen zu mindern.<br />
[ text Dr. Michael Binder, Dr. Mark Redshaw ]<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
IntEnSIvE tIERhaltUnG gehört zu den<br />
Hauptverursachern schädlicher Treibhausgase<br />
– allein in Europa werden der<br />
Produktion von Milch und Fleisch rund 22<br />
Prozent der Klima gasemissionen zugerechnet.<br />
Bei der Aufzucht entstehen zudem<br />
große Mengen an Nitrat und Ammoniak,<br />
die Luft und Wasser belasten. Die<br />
Emissionen fallen nicht nur in den landwirtschaftlichen<br />
Betrieben selbst an – die<br />
Ernährung großer Tierpopu lationen macht<br />
Futterimporte aus Schwellen und Entwicklungsländern<br />
notwendig, wo ökologisch<br />
wertvolle Naturflächen dem Anbau<br />
von Soja und anderen Futtermitteln weichen<br />
müssen. Die Probleme werden sich<br />
weiter verschärfen: Die Welternährungsorganisation<br />
(FAO) schätzt, dass der weltweite<br />
Verbrauch an Fleisch von derzeit<br />
etwa 38 kg pro Kopf und Jahr auf 52 kg im<br />
Jahr 2050 ansteigen wird.<br />
Die Umwelt und Klimaprobleme der<br />
Intensivtierzucht sind bekannt. Unbestritten<br />
ist aber auch: Eine stetig wachsende<br />
Weltbevölkerung muss mit qualitativ<br />
hochwertigen und sicheren Lebensmitteln<br />
langfristig verlässlich ernährt werden. Zur<br />
optimalen Ernährung von Mensch und<br />
Tier gehören Aminosäuren. Sie sind die<br />
Bausteine für Haar und Haut, Muskeln und<br />
Bindegewebe. Als Bestandteile der Hormone<br />
steuern sie lebensnotwendige Vorgänge<br />
im Körper, als Antikörper wehren<br />
sie Infektionen ab, als Transportproteine<br />
befördern sie wichtige Substanzen durch<br />
den Körper.<br />
Im Analytiklabor in Hanau ermittelt<br />
<strong>Evonik</strong> die Aminosäuren zusam mensetzung<br />
von Futter pflanzen. Dies ist<br />
Voraussetzung, um das Aminosäurenspektrum<br />
optimal an die Bedürfnisse<br />
der Tiere anzupassen<br />
Alle Organismen bauen ihre Proteine aus<br />
21 verschiedenen Aminosäuren auf. Je<br />
nach Lebewesen müssen acht bis zehn dieser<br />
Aminosäuren, die so genannten essenziellen,<br />
über die Nahrung aufgenommen<br />
werden. Wesentlich für die Proteinsynthese<br />
im Körper ist, dass die über das Futter<br />
zugeführten Aminosäuren im richtigen<br />
Verhältnis vorliegen, nur so kann der<br />
Organismus die Vielzahl der benötigten Eiweißstoffe<br />
in ausreichender Menge bilden.<br />
Auf das richtige Aminosäurenspektrum<br />
kommt es an<br />
Herkömmliche Futterrohstoffe weisen in<br />
der Regel eine unausgewogene Proteinversorgung<br />
für die Tierernährung auf.<br />
Das verfügbare Aminosäurenspektrum<br />
entspricht meist nicht dem tatsächlichen<br />
phy sio logischen Bedarf der Tiere. Selbst<br />
in einem Mischfutter aus Mais, Weizen<br />
und Sojaschrot mangelt es je nach Bedarf<br />
und Mastzweck an den essenziellen Aminosäuren<br />
Methionin, Lysin, Threonin oder<br />
Tryptophan.<br />
Weil gängige pflanzliche Futtermittel<br />
immer Defizite an einer oder mehreren<br />
Aminosäuren aufweisen, sind die Folgen<br />
beträchtlich: Die Tiere brauchen mehr<br />
Futter, weil sie es nicht optimal verwerten<br />
können. Entsprechend produzieren sie<br />
auch mehr Gülle, die das Grundwasser mit<br />
Nitrat und die Luft mit Ammoniak belastet.<br />
Der Tierhalter hat nicht zuletzt höhere<br />
Ausgaben für seine Futtermittel.<br />
GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 09<br />
Die Lösung liegt auf der Hand: Tierfutter<br />
muss so komponiert werden, dass es ein<br />
maßgeschneidertes Aminosäuren spektrum<br />
bietet und damit eine optimale Versorgung<br />
der Tiere sicherstellt. Dadurch<br />
können sowohl die stickstoffhaltigen<br />
Emissionen als auch die Treibhausgase der<br />
Mast gemindert werden. Um dieses Ziel<br />
zu erreichen, gibt es im Prinzip zwei<br />
Wege. Defizite an bestimmten Aminosäuren<br />
können entweder durch einen höheren<br />
Anteil an eiweißreichen Futterkomponenten<br />
wie z.B. Schrote aus Ölsaaten<br />
ausgeglichen werden. Oder das Futter<br />
wird mit essenziellen Aminosäuren angereichert,<br />
die <strong>Evonik</strong> speziell für diesen<br />
Zweck produziert.<br />
Maßgeschneiderte<br />
Supplementierung<br />
Der letztere Weg ist unter Effizienzgesichtspunkten<br />
der bessere: Werden dem<br />
Futter von Geflügel und Schweinen gezielt<br />
bestimmte Aminosäuren beigemischt,<br />
sorgt das nicht nur für eine ausgewogenere<br />
Ernährung der Tiere, sondern schont<br />
auch Ressourcen und Umwelt. Zu diesem<br />
Ergebnis kommt <strong>Evonik</strong> in einer vergleichenden<br />
Ökobilanz, bei der die beiden<br />
Möglichkeiten zur Anreicherung von<br />
Tierfutter miteinander verglichen wurden.<br />
Ökobilanzen haben sich international<br />
als anerkannte Methodik für eine Bewertung<br />
der Umweltauswirkungen eines 333<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
10 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />
Abbildung 1<br />
Darstellung der funktionellen Einheit zur ökolo gischen<br />
Bewertung der einzelnen Optionen der Futter mischungen<br />
in der Schweinemast. Alle drei Optionen legen die<br />
gleiche Basismischung aus Weizen und Gerste zugrunde;<br />
bei Option 2 und 3 sind jeweils die Unterschiede zu<br />
Option 1 dar gestellt. Danach entspricht zum Beispiel die<br />
Aminosäurenmischung aus Option 1 einer Mischung aus<br />
29,1 kg Sojaschrot und 1,9 kg Sojaöl in Option 2. Um<br />
Menge und Energiegehalt auszugleichen, müssen Option<br />
1 im Vergleich zu Option 2 aber zusätzlich 4,6 kg Weizen,<br />
17 kg Gerste und 7,5 kg MaisDDGS zugesetzt werden<br />
Abbildung 2<br />
Darstellung der einzelnen Lebenswege für den Aus <br />
gleich defizitärer Futtermischungen für die Geflügeloder<br />
Schweinemast entweder mit Soja oder mit<br />
den von <strong>Evonik</strong> produzierten Aminosäuren<br />
Abbildung 3<br />
Beitrag der einzelnen Optionen zum Treib haus <br />
effekt (Global Warming Potential, GWP) in Form<br />
von CO2Äquivalenten je funktio nelle Einheit<br />
[CO2e/fE] Option 1 Option 2 Option 3<br />
GWP [kg CO 2 e/fE]<br />
28<br />
24<br />
20<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
Anbau<br />
Raps<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Anbau<br />
Sojabohne<br />
Ölmühle<br />
Anbau<br />
Weizen<br />
Mischfutterwerk<br />
Tiermast/Stall<br />
Ausbringung<br />
Wirtschaftsdünger<br />
Option 2: Sojaschrot<br />
+ 4,6 kg Weizen<br />
+ 17,0 kg Gerste<br />
+ 7,5 kg MaisDDGS<br />
– 29,1 kg Sojaschrot<br />
– 1,9 kg Sojaöl<br />
Abbildung 4<br />
Beiträge der einzelnen Optionen in der Schweinemast<br />
zum Versauerungspotenzial (Acidifcation<br />
Potential AP) in Form von SO2Äquivalenten je<br />
funktionelle Einheit [SO2e/fE] AP [kg SO 2 e/fE]<br />
1,4<br />
1,2<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
Anbau<br />
Gerste<br />
Option 1: AminosäurenPremix<br />
1,0kg Premix<br />
Herstellung<br />
Vormischung<br />
Chemische<br />
Produktion<br />
DLMethionin<br />
Biotechnische<br />
Produktion<br />
LThreonin<br />
Biotechnische<br />
Produktion<br />
LTryptophan<br />
Biotechnische<br />
Produktion<br />
Biolys®<br />
0,10kg DLMethionin<br />
0,67 kg LLysin<br />
0,20 kg LThreonin<br />
0,02 kg LTryptophan<br />
Option 3: Soja/Rapsschrot<br />
+ 21,6 kg Weizen<br />
+ 2,6 kg Gerste<br />
+ 7,5 kg MaisDDGS<br />
+ 1,0 kg Sojaöl<br />
– 27,9 kg Sojaschrot<br />
– 2,7 kg Rapsschrot<br />
– 3,9 kg Rapsöl<br />
Abbildung 5<br />
Beiträge der einzelnen Optio nen in der<br />
Schweine mast zum Eutrophierungspotenzial (EP)<br />
in Form von PO4Äquivalenten je funktionelle<br />
Einheit [PO4e/fE] EP [kg PO 4 e/fE]<br />
0,36<br />
0,32<br />
0,28<br />
0,24<br />
0,20<br />
0,16<br />
0,12<br />
0,08<br />
0,04<br />
0<br />
Anbau<br />
Rüben<br />
Zuckerfabrik<br />
Anbau<br />
Mais<br />
Stärke/<br />
Zuckerfabrik
333 Produktes oder Prozesses etabliert,<br />
weil sie als einzige ein weites Feld von Anwendungen<br />
schlüssig und länderübergreifend<br />
harmonisiert abdecken können. Das<br />
auch Life Cycle Assessment (LCA) genannte<br />
Instrument beschreibt den gesamten<br />
Lebensweg eines Produktes – von der<br />
Gewinnung der Rohstoffe über den Herstellungsprozess<br />
und die Anwendung bis<br />
zu seiner Entsorgung.<br />
Mit der neuen Ökobilanz ist <strong>Evonik</strong> der<br />
einzige Hersteller von Aminosäuren für<br />
die Tierernährung, der seine Produkte –<br />
DLMethionin, LLysin (Biolys®), LThreonin<br />
und LTryptophan – einer vergleichenden<br />
und umfassenden Bilanzierung<br />
unterzogen und alternativen Rohstoffen<br />
wie Sojamehl oder Rapsschrot gegenübergestellt<br />
hat. Die Ökobilanz wurde zudem<br />
vom TÜV Rheinland als weltweit anerkanntem,<br />
unabhängigem Gutachter zertifiziert.<br />
Das Zertifikat belegt, dass die Wissenschaftler<br />
alle Umweltauswirkungen<br />
sorgfältig und unvoreingenommen bilanziert<br />
haben.<br />
Futtermischungen im<br />
Vergleich<br />
Für die Ökobilanz hat <strong>Evonik</strong> eine repräsentative<br />
Basismischung aus Weizen und<br />
Gerste zugrunde gelegt, die Defizite an<br />
Methionin, Lysin, Threonin und Tryptophan<br />
aufweist. Um diese Defizite auszugleichen,<br />
beschritt <strong>Evonik</strong> drei Wege:<br />
• die Anreicherung mit den vier<br />
Aminosäuren aus eigener Produktion<br />
(Option 1)<br />
• die Zugabe einer Mischung aus<br />
Sojaschrot und Sojaöl (Option 2)<br />
• die Zugabe eine Mischung aus<br />
Sojaschrot und Rapsschrot (Option 3)<br />
Diese drei Optionen wurden in der Ökobilanz<br />
miteinander verglichen. Die Menge<br />
an zugesetzten Aminosäuren bzw. an Sojaschrot/Sojaöl<br />
oder Sojaschrot/Rapsschrot<br />
ergänzt die Basismischung jeweils<br />
um genau die Menge an Methionin, Lysin,<br />
Threonin und Tryptophan, die den durchschnittlichen<br />
Proteinbedarf eines<br />
Schweins optimal deckt. Der Einsatz von<br />
einem Kilogramm einer bedarfsgerechten<br />
Aminosäurenmischung ersetzt etwa 31 kg<br />
einer Futtermischung auf Sojaschrotbasis<br />
oder rund 34,5 kg einer alternativen Futtermischung<br />
auf SojaRapsBasis für die<br />
Schweinemast. Um eine Vergleichbarkeit<br />
der Systeme herzustellen und eine „funktionelle<br />
Einheit“ für die Bilanzierung zu<br />
Methioninanlage in<br />
Antwerpen. Für eine<br />
Tonne CO 2 , die<br />
während der Synthese<br />
von Methionin ausgestoßen<br />
wird, können<br />
insgesamt 23 Tonnen<br />
über den gesamten<br />
Produktlebenszyklus<br />
eingespart werden.<br />
Für Ammoniak beträgt<br />
dieser Einsparfaktor<br />
sogar 26, für Nitrat liegt<br />
er bei 7<br />
schaffen, mussten die Futtermischungen<br />
außerdem den Tieren jeweils den gleichen<br />
Nutzen bieten. Der Aminosäurenmischung<br />
(Option 1) wurde daher noch eine<br />
WeizenGersteMaisMischung von 29,1<br />
bzw. 31,7 kg zugesetzt, um Energiegehalt<br />
und Gewicht der Mischungen abzugleichen<br />
(Abb. 1).<br />
Analysiert und bewertet wurden die<br />
Umweltauswirkungen des gesamten<br />
Lebensweges, also der Anbau der pflanzlichen<br />
Rohstoffe, die Produktion der Aminosäuren,<br />
die Mischfutterherstellung sowie<br />
die Stallhaltung der konventionellen<br />
Landwirtschaft in Deutschland bzw. Europa<br />
(Abb. 2). Als wesentliche Faktoren<br />
der Auswirkungen auf Umwelt und Klima<br />
wurden folgende Indikatoren ermittelt<br />
und miteinander verglichen: Treibhauseffekt,<br />
Versauerungspotenzial, Eutrophierungspotenzial,<br />
Primärenergiebedarf,<br />
Ressourcenverbrauch und Landnutzungsänderungen.<br />
Ergebnisse der Ökobilanz<br />
Der Treibhauseffekt wird hauptsächlich<br />
durch die Schadgase Kohlendioxid (CO 2 ),<br />
Lachgas (N 2 O) und Methan (CH 4 ) verursacht,<br />
wobei bei den hier betrachteten<br />
Szenarien der Schweinemast CO 2 und N 2 O<br />
von vorrangiger Bedeutung sind. Methan<br />
als Klimagas spielt vor allem in der Rinderzucht<br />
eine wesentliche Rolle.<br />
Der Vergleich der drei Futtermischungen<br />
zeigt: Während die Option 1 mit zugesetzten<br />
Aminosäuren nur rund 5 kg<br />
CO 2 Äquivalente je funktionelle Einheit<br />
(kg CO 2 e/fE) zum Treibhauspotenzial beiträgt,<br />
liegen die Emissionen der Optionen<br />
2 und 3 mit 25 bzw. 8 kg CO 2e/fE deutlich<br />
höher (Abb. 3). Für den höheren Treibhauseffekt<br />
der Futtermischungen 2 und 3<br />
sind insbesondere die Lachgasemissionen<br />
der Ölsaatenanteile im Futter und bei der<br />
Ausbringung der Gülle als Wirtschaftsdünger<br />
verantwortlich.<br />
Versauerungs und Eutrophierungspotenzial<br />
sind zwei Faktoren, die die Ausbreitung<br />
von großflächigen Waldschäden<br />
– bekannt als „Waldsterben“ – beschleunigen.<br />
Beide Indikatoren werden hauptsächlich<br />
bestimmt durch Stickstoffemissionen<br />
aus dem Anbau der einzelnen Futtermittelkomponenten.<br />
Somit ist es nicht<br />
erstaunlich, dass der erhöhte Anteil an Ölsaaten<br />
in den Optionen 2 und 3 ein deutlich<br />
höheres Versauerungspotenzial zur<br />
Folge hat als bei Option 1: Die Futtermischung<br />
mit den supplementierten Aminosäuren<br />
hat ein Versauerungspotenzial von<br />
nur 0,1 kg SO2e/fE (gemessen als Menge<br />
SchwefeldioxidÄquivalent pro funktioneller<br />
Einheit) und liegt damit um den<br />
Faktor 12 bzw. 13 niedriger als die beiden<br />
ölsaatenreichen Alternativen (Abb. 4).<br />
Ähnlich deutlich ist das Ergebnis beim<br />
Euthropierungspotenzial (Abb. 5). Düngemittelinhaltsstoffe<br />
wie Nitrat und Phosphat<br />
sind Ursache für die Überdüngung von<br />
Gewässern, die zu Sauerstoffmangel und<br />
im Endstadium zum Absterben von Tieren<br />
und Pflanzen in Oberflächengewässern<br />
führen (Eutrophierung). Option 1 schneidet<br />
mit nur 0,022 kg PO4e/fE (gemessen<br />
in PhosphatÄquivalent pro funktionelle<br />
Einheit) gegenüber 0,357 kg PO4e/fE für<br />
die Optionen 2 und 3 weit besser ab. Dies<br />
bedeutet ein rund 16faches Entlastungspotenzial<br />
durch die Supplementierung mit<br />
Aminosäuren.<br />
Ein zentraler Indikator ist der Primärenergiebedarf<br />
der verschiedenen Optionen.<br />
Bei diesem Indikator ist die Diskrepanz<br />
der Ergebnisse nicht so augenfällig.<br />
Der Energiebedarf der Option 1 ist mit 154<br />
MJ/fE (gemessen in Megajoule pro funktioneller<br />
Einheit) annähernd so groß wie<br />
für die Option 2 mit rund 148 MJ/fE. Option<br />
3 enthält einen erhöhten Anteil 333<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
12 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />
Abbildung 6<br />
Beiträge der einzelnen Optionen in der<br />
Schweinemast zum Primärenergiebedarf<br />
(Primary Energy Demand, PED)<br />
Option 1 Option 2 Option 3<br />
PED [MJ/fE]<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
333 an Rapsöl in der Futtermischung– dies<br />
spiegelt sich im höheren Energiebedarf<br />
von 281 MJ/fE wieder, da die Ölgewinnung<br />
aus Raps recht energieaufwändig ist (Abb.<br />
6). Der hohe Bedarf an Primärenergie für<br />
Option 1 ist im Wesentlichen auf den großen<br />
Anteil an biotechnologisch hergestellten<br />
Aminosäuren in der Futtermischung<br />
zurückzuführen. Die in den Fermentationsprozessen<br />
eingesetzten Zuckerquellen<br />
benötigen in der Herstellung relativ hohe<br />
Energiemengen.<br />
Die Zugabe von Aminosäuren zu Futtermischungen<br />
ersetzt pflanzliche Ressourcen<br />
und beansprucht damit weniger<br />
Anbaufläche. Darüber hinaus muss weniger<br />
Energie zur Verarbeitung und Bereitstellung<br />
der erforderlichen Rohstoffe<br />
ver braucht werden. Diese Faktoren werden<br />
in RohölÄquivalenten pro funktionelle<br />
Einheit (Crude Oil equiv/fE) abgebildet.<br />
Die Ökobilanz ergab, dass der Ressourcenverbrauch<br />
der Option 2 gegenüber der Option<br />
1 mit rund 2,2 kg Crude Oil equiv/fE<br />
annähernd doppelt so hoch ist. Noch deutlicher<br />
wird dies im Vergleich zur Option<br />
3 mit 3,05 kg Crude Oil equiv/fE (Abb. 7).<br />
Um dem steigenden Bedarf an Rohstoffen<br />
für Futtermittel decken zu können,<br />
werden häufig ökologisch wertvolle Naturflächen<br />
gerodet. In erster Linie wirken<br />
sich solche Landnutzungsänderungen beispielsweise<br />
durch Abholzung oder Brandrodung<br />
auf die klimarelevanten Emissionen<br />
aus – ein Großteil des in Boden und<br />
Biomasse gespeicherten Kohlenstoffs wird<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Abbildung 7<br />
Beiträge der einzelnen Optionen in der<br />
Schweinemast zum Ressourcenbedarf in Form<br />
von Verbrauch an RohölÄquivalenten<br />
(Crude Oil Equivalents)<br />
Ressourcenbedarf [kg Crude Oil equiv./fE]<br />
3,2<br />
2,8<br />
2,4<br />
2,0<br />
1,6<br />
1,2<br />
0,8<br />
0,4<br />
0<br />
dabei als CO 2 freigesetzt. Um diese Effekte<br />
quantifizieren und bewerten zu können,<br />
wurde in der Ökobilanz von <strong>Evonik</strong> erstmals<br />
auch der Einfluss einer sogenannten<br />
Landnutzungsänderung erfasst.<br />
Am Beispiel des Sojaanbaus können die<br />
Auswirkungen der Landnutzungsänderung<br />
deutlich gemacht werden. Dabei entspricht<br />
das Basisszenario dem Treibhausgaspotenzial<br />
der jeweiligen Futtermischung.<br />
Die Minimalwerte stehen für eine<br />
Halbierung des Sojaanteils mit Landnutzungsänderung,<br />
die Maximalwerte für<br />
eine Verdoppelung. Da Option 1 keinen<br />
Sojaschrot enthält, bleibt der Wert im Vergleich<br />
zum Basisszenario unverändert.<br />
Option 2 hat den größten Anteil an Sojaschrot<br />
in der Mischung und zeigt somit<br />
auch die größten Schwankungsbreiten<br />
von 18 kg CO 2 e/fE bis 33 kg CO 2 e/fE gegenüber<br />
der Referenz im Basisszenario<br />
mit 25 kg CO 2 e/fE. Bei Option 3 werden<br />
Sojaschrot und öl teilweise durch Rapsschrot<br />
und öl ersetzt – daher sind die<br />
Minimalwerte mit 2 kg CO 2 e/fE noch<br />
günstiger als in der Option 1 (Abb. 8).<br />
Innovatives Fütterungskonzept<br />
als Beitrag zur Nachhaltigkeit<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die<br />
Supplementierung von herkömmlichem<br />
Futter für die Schweinemast durch gezielte<br />
Zugabe von Aminosäuren hat deutlich<br />
geringere negative Auswirkungen auf<br />
Klima und Umwelt als der Zusatz von pro<br />
Abbildung 8<br />
Einfluss der Landnutzungsänderung auf<br />
die Beiträge zum Treibhauseffekt GWP<br />
Basisszenario<br />
Minimum Maximum<br />
GWP [kg CO 2e/fE]<br />
36<br />
32<br />
28<br />
24<br />
20<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
Option 1 Option 2 Option 3<br />
teinreichem Soja oder Rapsschrot: Die<br />
Emissionen von Stickstoffverbindungen<br />
und Treibhausgasen sinken, Versauerung<br />
und Eutrophierung sind deutlich geringer,<br />
ökologisch wertvolle Naturflächen werden<br />
geschont, nicht zuletzt spart der Tierhalter<br />
Kosten, da die Schweine mit Aminosäuren<br />
supplementiertes Futter weit effizienter<br />
verwerten.<br />
Das führt zur Frage: Kann intensive<br />
Tierhaltung nachhaltig sein? Ja – wenn<br />
die Wechselwirkungen zwischen Nutzvieh<br />
und Umwelt verstanden sind und<br />
wenn die Erkenntnisse in Wachstumsszenarien<br />
und in die Fütterungspraxis Eingang<br />
finden. Moderne Proteinernährung<br />
spielt bei der Tierzucht eine Schlüsselrolle.<br />
Da Futteranbau und Mast in einer globalisierten<br />
Welt oft in weit voneinander<br />
entfernten Regionen stattfinden, genügt<br />
dabei schon lange nicht mehr nur der Blick<br />
auf nationale Gegebenheiten. Vielmehr<br />
müssen soziale, ökologische und wirtschaftliche<br />
Dimensionen über alle Grenzen<br />
hinweg analysiert und bewertet werden.<br />
Die Ökobilanz ist dabei ein wichtiges,<br />
international genormtes Werkzeug. Sie<br />
ermöglicht den Vergleich von weltweiten<br />
Stoff und Produktionsketten. Sie öffnet<br />
gleichzeitig den Blick auf Schwachstellen,<br />
an denen Wissenschaft und Industrie ihre<br />
Expertise gezielt einsetzen können, um<br />
effizientere, umweltverträglichere und<br />
damit letzten Endes nachhaltigere Produkte<br />
zu entwickeln. 777
lIfE CyClE aSSESSmEnt von amInoSÄUREn füR hühnERfUttER<br />
Hühner auf Diät<br />
Der Hunger der Welt auf Fleisch wächst rasant – besonders auf<br />
Geflügelfleisch. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass<br />
der Verbrauch an Geflügelfleisch von derzeit 88 Millionen Tonnen<br />
auf über 140 Millionen Tonnen im Jahr 2030 ansteigen wird. Der<br />
Zuwachs wird vor allem in Asien, Osteuropa und Südamerika erfolgen,<br />
hier erwartet die FAO jedes Jahr Wachstumsraten von fünf<br />
bis zehn Prozent.<br />
Um die ökologischen Auswirkungen der Hühner mast zu begrenzen,<br />
ist es von zentraler Bedeutung, dass die Tiere ein auf ihre<br />
physiologischen Bedürfnisse optimal zugeschnittenes Futter erhalten.<br />
Bei herkömmlichem Hühnerfutter ist die Ami no säure<br />
Methio nin oft Mangelware. Ist es verbraucht, kann das Tier andere<br />
Bausteine im Futter nicht verwerten und scheidet sie ungenutzt<br />
wieder aus. Aber auch Lysin und Threonin gehören zu den essenziellen<br />
Amino säuren, die darüber bestimmen, wie effizient Hühner<br />
das Futter physiologisch verwerten können.<br />
In einer Ökobilanz hat <strong>Evonik</strong> daher auch für Hühnerfutter<br />
un ter sucht, auf welchem Weg sich die Mängel im Aminosäurenspek<br />
trum an sinnvollsten ausgleichen lassen: durch Zusatz einer<br />
Mischung aus Methionin, Lysin und Threonin oder durch An -<br />
Dr. michael binder ist im Geschäfts bereich Health &<br />
Nutrition für die Produktzulassung von Aminosäuren<br />
für die Tierernährung zuständig. Nach Studium der<br />
Technischen Biologie und Pro mo tion an der Univer sität<br />
Stuttgart begann er seine berufliche Laufbahn 1997<br />
bei <strong>Evonik</strong> in der biotechnologischen Forschung und<br />
Ent wicklung Futter mittel additive. Nach einer weiteren<br />
Station in der Anwen dungstechnik Futtermitteladditive<br />
wechselte er 2005 in die Abteilung Product Quality<br />
and Regulatory Affairs und übernahm dort 2007 seine<br />
jetzige Aufgabe. Darüber hinaus vertritt er den Geschäfts<br />
bereich Health & Nutrition in der AWT (Arbeitsgemeinschaft<br />
Wirkstoffe in der Tierernährung) und<br />
der FEFANA, dem europäischen Verband der Her steller<br />
von Zusatz stoffen in der Tierernährung, wo er die<br />
Task Forces nachhaltige Landwirtschaft und Fermentation<br />
leitet.<br />
+49 6181 59-3404, michael.binder@evonik.com<br />
GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 13<br />
rei cherung des Futters mit proteinreichem Soja- oder Raps schrot<br />
und Pflanzenöl.Die Ergebnisse sprechen eine ähnlich deutliche<br />
Sprache wie bei der Ökobilanz für Schweinefutter (siehe nebenstehenden<br />
Beitrag): Die mit Aminosäuren angereicherte Futtermischung<br />
(Option 1) hat einen Beitrag zum Treibhauseffekt von<br />
rund 4 kg CO 2 -Äqui va len ten je funktioneller Einheit, während die<br />
mit Soja und Raps ange rei cherten Alternativen mit 48 bzw. 34 kg<br />
CO 2 e/fE wesentlich höher liegen. Das Versauerungspotenzial der<br />
Soja-Raps-Mischungen liegt gar um den Faktor 80 bzw. 60 höher<br />
als bei einer Amino säurendiät. Der Primärenergiebedarf für die<br />
Herstellung der zugesetzten Aminosäuren liegt im Vergleich zur<br />
Gewinnung von Sojaschrot relativ niedrig und der Verbrauch an<br />
natürlichen Ressou rcen ist bei einer Futtermischung mit hohem<br />
Anteil an Soja und Raps fast zehnmal so hoch wie bei Option 1.<br />
Das Fütterungskonzept auf Basis einer reduzierten Proteinversor<br />
gung der Tiere ist damit eine win-win-Situation: Das ausgeglichene<br />
Aminosäurenspektrum garantiert, dass die Hühner optimal<br />
wachsen, die Belastungen für Umwelt und Klima werden deutlich<br />
gemindert und der Tierhalter profitiert von niedrigeren Kosten<br />
für seine Futtermittel.<br />
Dr. mark Redshaw ist im Geschäftsbereich Health &<br />
Nutrition verantwortlich für die Entwicklung und<br />
Bereitstellung neuer Kundenservices. Nach dem Studium<br />
der Agrarwirtschaft an der Universität Reading<br />
(Großbritannien) und der Promotion über Tierernährung<br />
an der Universität Nottingham (Großbritannien)<br />
begann er seine berufliche Laufbahn im Bereich Futter<br />
mit tel additive von <strong>Evonik</strong>, damals Degussa Limited.<br />
Hier arbeitete er zunächst als Technical Service Manager,<br />
wechselte dann nach Deutschland und war für das<br />
Geschäft in Afrika und im mittleren Osten verantwortlich.<br />
Ab 2005 leitete er die Gruppe Animal Nutrition<br />
Services, die den Kunden weltweit analytische Services<br />
sowie Services rund um die Tierernährung bereitstellt.<br />
+49 61 81 59-6788, mark.redshaw@evonik.com<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
14 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />
Professioneller Schutz für ältere Haut<br />
Cosmedis®: Maßgeschneiderte Rezepturen optimieren Pflege im Gesundheitsbereich<br />
Immer mehr Menschen benötigen im Alter professionelle Pflege. Wenig Beachtung<br />
fand bisher, dass die empfindliche und oft stark belastete Haut älterer Menschen<br />
einen besonderen Schutz braucht. Spezialisten des <strong>Evonik</strong>-Geschäftsbereichs Consumer<br />
Specialties am Standort Krefeld haben eine neue Produktserie entwickelt, die<br />
die Pflege einfacher macht und beanspruchte Haut optimal schützt – zum Wohl der<br />
Betroffenen und zum Nutzen von Pflegepersonal und Angehörigen.<br />
[ text Dr. Petra Allef, Andreas Klotz, Dr. Thomas Mangen ]<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
ImmER mEhR mEnSChEn werden immer älter. Die<br />
Zahl derjenigen, die nur noch eingeschränkt mobil<br />
und zeitweise oder vollständig auf Pflege angewiesen<br />
sind, wächst von Jahr zu Jahr. Bereits heute gibt es<br />
allein in Deutschland nach Angaben des statistischen<br />
Bundesamts rund 2,4 Millionen Pflegebedürftige, in<br />
zehn Jahren könnten es bereits drei Millionen sein.<br />
Rund 700.000 alte Menschen leben derzeit in Senioren<br />
und Pflegeheimen und werden rund um die Uhr<br />
versorgt. Doch in solchen Einrichtungen ist das Personal<br />
knapp und die Zeit für die Pflege kurz bemessen.<br />
Professionelle Hautpflege hat daher zwei Kriterien<br />
zu erfüllen: Sie muss auf die physiologischen<br />
Bedürfnisse älterer Haut abgestimmt sein und diese<br />
optimal schützen – auch bei Inkontinenz. Und sie<br />
sollte gleichzeitig eine einfache und zeitsparende Anwendung<br />
ermöglichen, um Angehörige und Pflegepersonal<br />
zeitlich zu entlasten.<br />
<strong>Evonik</strong> hat dazu die Produktserie Cosmedis® entwickelt,<br />
mit der sich die ältere Haut schützen, reinigen<br />
und pflegen lässt und die zudem Hauterkrankungen<br />
etwa bei inkontinenten Menschen vorbeugt. Die<br />
Experten des Geschäftsbereichs Consumer Specialties<br />
nutzten dafür ihr besonderes Knowhow im professionellen<br />
Hautschutz, das sie sich in den vergangenen<br />
Jahrzehnten als einer der führenden europäischen<br />
Hersteller von Schutz, Reinigungs und Pflegeprodukten<br />
für die beruflich belastete Haut<br />
erworben haben. Ein Team aus Chemikern, Mikrobiologen<br />
und Ingenieuren entwickelt und testet Pro<br />
dukte nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen,<br />
auch unter Einbeziehung externer Institute. In<br />
einem Code of Practice verpflichtet sich <strong>Evonik</strong>, über<br />
die gesetzlichen Regelungen hinaus höchste Maßstäbe<br />
an die Rohstoffauswahl in Bezug auf dermatologische,<br />
ökologische und kosmetische Aspekte anzulegen.<br />
Dies schließt den freiwilligen Verzicht auf<br />
bestimmte Parfüm oder Konservierungsstoffe ein,<br />
die häufig für Unverträglichkeitsreaktionen verantwortlich<br />
gemacht werden.<br />
Wie sich die Haut im Alter verändert<br />
Wenn Haut altert, ändert sich vieles: Die Epidermis<br />
wird dünner, die Kraft des Bindegewebes schwindet,<br />
die Haut verliert an Elastizität und Feuchtigkeit.<br />
Schweiß und Talgdrüsen produzieren weniger, die<br />
natürliche Regeneration der Oberhaut verlangsamt<br />
sich. Das muss übrigens nicht erst im hohen Alter<br />
passieren. Wie schnell Haut altert, ist individuell verschieden.<br />
Hautalterung ist zum Teil genetisch bedingt<br />
(intrinsische Faktoren), daneben spielen extrinsische<br />
Faktoren wie UVStrahlung, Rauchgewohnheiten und<br />
Ernährung eine große Rolle. Alte Haut können also<br />
auch schon Menschen haben, die erst um die 50 sind.<br />
Bei älterer Haut wird die Verzahnung zwischen<br />
Ober und Unterhaut flacher. Die Folge: Mechanische<br />
Belastung, Druck und Reibung hinterlassen ihre Spuren.<br />
Das Zusammenspiel von Druck und Belastung<br />
führt dazu, dass betroffene Stellen nicht mehr ausreichend<br />
durchblutet werden, toxische Stoffwechsel
produkte sammeln sich im Gewebe, Zellen sterben<br />
ab. Durch langes Liegen werden Haut und Gewebe<br />
lokal geschädigt, in Extremfällen bilden sich Druckgeschwüre,<br />
auch als Dekubitus oder Wundliegen bekannt.<br />
Daneben belasten Inkontinenz und Hautquellungen<br />
durch Verbände oder Medizinprodukte die<br />
Haut pflegebedürftiger Personen stark.<br />
Der Markt für Hautpflege bietet heute eine nahezu<br />
unüberschaubare Vielfalt an Produkten, aber<br />
nur wenige davon sind auf die Haut pflegebedürftiger<br />
Patienten abgestimmt. Unter den wenigen spezialisierten<br />
Produkten finden sich viele, die auf alten<br />
Rezepturen basieren, schlecht wirkende Inhaltsstoffe<br />
enthalten und in ihrer Wirkung kaum oder gar nicht<br />
dokumentiert sind.<br />
Professionelle Pflege für ältere Haut folgt einem<br />
anderen Ansatz und orientiert sich an klaren Fragestellungen:<br />
Welche Inhaltsstoffe und Formulierungen<br />
schützen gereizte und beanspruchte Haut am wirksamsten?<br />
Welchen spezifischen Belastungen ist die<br />
Haut von Pflegebedürftigen ausgesetzt und wie können<br />
die Belastungen abgemildert werden? Mit welchen<br />
Tests lässt sich die Wirkung transparent und<br />
eindeutig dokumentieren?<br />
Wichtige Fragen sind aber auch: Durch welche<br />
Rezepturen wird die Hautpflege einfacher? Wie muss<br />
eine Verpackung aussehen, die Verletzungen vermeidet<br />
und ein einhändiges Arbeiten ermöglicht? Nicht<br />
zuletzt ist die Wechselwirkung mit InkontinenzArtikeln<br />
wichtig. Der Standort Krefeld von <strong>Evonik</strong> ist<br />
bekannt für seine Superabsorber – pulverförmige<br />
Polymere, die unter Bildung eines Gels Flüssigkeitsmengen<br />
bis zum 500fachen ihres Eigengewichts aufnehmen<br />
und speichern. Daher hatten die Entwickler<br />
der neuen Produktlinie Cosmedis® bei <strong>Evonik</strong> stets<br />
ein Auge darauf, dass die neuen Sprays, Lotionen oder<br />
Cremes die Aufnahmekapazität von InkontinenzArtikeln<br />
nicht beeinträchtigen.<br />
Zinkpaste ist out<br />
Um es klar zu sagen: Herkömmliche Zinkpasten erfüllen<br />
keinen dieser Ansprüche. Die dicken Pasten<br />
verdecken Wunden und gerötete Stellen, lassen sich<br />
schwer auf der Haut verteilen und nur durch starkes<br />
Reiben wieder entfernen. Zudem versiegeln sie die<br />
Windeloberfläche und behindern damit die Flüssigkeitsaufnahme.<br />
Es ist also offensichtlich, dass solche<br />
Pasten für die Haut von Älteren und Pflegebedürftigen<br />
ungeeignet sind. Auch moderne Formulierungen<br />
speziell für die beanspruchte, ältere Haut können<br />
kein Wundliegen verhindern und keinen Alterungsprozess<br />
aufhalten. Sie bieten allerdings einen maximalen<br />
Schutz vor zu viel Reibung, Druck und Belastung<br />
und mildern den Einfluss von aggressiven Inhaltsstoffen<br />
in menschlichen Ausscheidungen.<br />
Zentral bei der Entwicklung der Cosmedis® Produkte<br />
war die Dokumentation der Wirkung. Was einfach<br />
klingt, ist in der Praxis durchaus eine bedeutsame<br />
Frage: Für kosmetische Produkte gibt es, anders<br />
als für Medizinprodukte, keine standardisierten<br />
Tests. Daher stützten sich die Experten bei 333<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
Unterarmtest zur Ermittlung<br />
der allgemeinen<br />
Hautverträglichkeit. Die<br />
Abdeckung mit einer<br />
Alukappe verstärkt die<br />
Wirkung der aufgetragenen<br />
Substanzen<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Abbildung 1<br />
Test auf Hautverträglichkeit,<br />
der Standard ist Vaseline<br />
Cosmedis® Hautschutzcreme<br />
Standard<br />
Hautschädigung<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
333 <strong>Evonik</strong> auf bewährte Methoden, die teilweise im<br />
eigenen Haus entwickelt wurden und mit denen sich<br />
eine Reihe wichtiger Parameter wie etwa Keimhemmung,<br />
Hautverträglichkeit, alkalische Hautreizung<br />
und Waschleistung bestimmen lassen. Dabei kam ihnen<br />
die langjährige Erfahrung aus der Entwicklung<br />
von Hautschutzprodukten für die Arbeitswelt zugute.<br />
Produkte für die Haut dürfen auch nach langer<br />
Einwirkung nicht reizen und müssen auch bei regelmäßiger<br />
und intensiver Anwendung stets gut verträglich<br />
sein. Zur Messung der allgemeinen Hautverträglichkeit<br />
von Cosmedis® wurden Freiwilligen kleine<br />
unverdünnte Testmengen der neuen Produkte auf die<br />
relativ dünne Haut am Unterarm aufgetragen und mit<br />
einer Alukappe abgedeckt. Durch die Okklusion entsteht<br />
ein Feuchtigkeitsstau, der zu einer Quellung der<br />
Hornschicht führt und den Effekt der applizierten<br />
Substanzen verstärkt. Je nach Produkt wird die Applikationsdauer<br />
gewählt, im Extremfall je 24 Stunden<br />
an 3 aufeinander folgenden Tagen. In diesen Tests ergaben<br />
sich für die Cosmedis® Produkte fast durchweg<br />
gute und sehr gute Hautverträglichkeiten (Abb. 1).<br />
Zur Beurteilung der Schutzwirkung wurde die<br />
Haut zunächst mit 0,5prozentigem Ammoniakwasser<br />
drei Stunden lang gereizt, da Ammoniak einer der<br />
Hauptverursacher der Windeldermatitis ist. Bei einer<br />
visuellen Begutachtung der verschiedenen Testfelder<br />
Maximale Applikationszeit [h]<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Abbildung 2<br />
Hautschutzwirkung gegen<br />
Ammoniaklösung<br />
Cosmedis® Hautschutzcreme<br />
Cosmedis® Hautschutzspray<br />
ohne Hautschutz<br />
Hautschädigung nach 3stündiger<br />
Reizung mit 0,5% NH 3<br />
0,9<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
0
zeigte sich, dass die durch den Ammoniak hervorgerufene<br />
Rötung und Austrocknung der Haut durch das<br />
Auftragen der Cosmedis® Schutzprodukte vermindert<br />
werden konnte (Abb.2).<br />
Wirkstoffe gegen schädliche Enzyme<br />
Bei der Entwicklung der neuen Hautpflegeserie beschäftigten<br />
sich die Spezialisten erstmals gezielt mit<br />
den vielfachen Reizwirkungen durch Enzyme, die<br />
der geschwächten älteren Haut besonders zusetzen.<br />
Menschliche Ausscheidungen enthalten eine Vielzahl<br />
von Enzymen: Proteasen, Lipasen, Ureasen. Die Ureasen<br />
bauen den im Urin enthaltenen Harnstoff zu Ammoniak<br />
ab, der pHWert auf der Hautoberfläche<br />
steigt, der Säureschutzmantel der Haut geht verloren.<br />
Das alkalische Milieu fördert das Wachstum von Pilzen<br />
wie Candida albicans, die sich im Stuhl vieler<br />
Menschen finden. Bei immungeschwächten Menschen<br />
vermehren sich die Pilze ungehindert, es bildet<br />
sich eine so genannte Candidose aus. Diese ist im Gesundheitswesen<br />
leider ein häufiges Problem.<br />
Weiterhin scheiden Pilze Enzyme, insbesondere<br />
Proteasen, aus. Zusammen mit den Proteasen, die mit<br />
dem Stuhl ausgeschieden werden, bauen sie die Proteine<br />
der Haut ab und greifen sie so an. Lipasen<br />
befinden, spalten Fett in unangenehm riechende,<br />
niedrigkettige Fettsäuren.<br />
Die Aktivität all dieser Keime und Enzyme führt<br />
also zu Abbauprodukten, die die Haut reizen oder gar<br />
schädigen. Das Cosmedis® Hautschutzspray enthält<br />
daher Inhibitoren wie Zinksalizylat, die die Enzymaktivität<br />
blockieren und Pilzwachstum inhibieren. Tests<br />
im Labor für Toxikologie und Ökologie von <strong>Evonik</strong><br />
haben gezeigt, dass das Spray über eine Zeit von<br />
zwölf Stunden Ureasen deaktiviert und die Freisetzung<br />
von Ammoniak aus Harnstoff verhindert (Abb.<br />
3). Auch Proteasen werden inaktiviert. Für diesen<br />
Test wird Fluoresceinmarkiertes Casein verwendet,<br />
dessen Abbau durch das Schutzspray fast vollständig<br />
unterbunden wird. Das Produkt verhindert zudem<br />
das Wachstum der Keime von Candida albicans: Im<br />
Wachstumshemmtest zeigt sich, dass bereits nach 20<br />
Minuten 99 Prozent der Keime absterben, nach einer<br />
Stunde Einwirkzeit waren keine Keime mehr nachweisbar<br />
(Abb. 4, 5).<br />
Vielen Produkten aus der Cosmedis® Reihe werden<br />
außerdem GinkgoExtrakte zugesetzt. Auszüge<br />
von Ginkgo biloba enthalten Flavonoide und Terpenoide,<br />
die eine pharmazeutische Wirkung entfalten<br />
können. Beispielsweise verbessern sie Durchblutung<br />
und Mikrozirkulation und schützen vor oxidativem<br />
schließlich, die sich überall im und auf dem Körper Stress durch freie Radikale.<br />
333<br />
Abbildung 3<br />
Ureaseaktivität, Maß für die<br />
Freisetzung von Ammoniak<br />
Cosmedis® Hautschutzspray<br />
Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />
ppm NH 3 x h<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
Abbildung 4<br />
Wachstumshemmung von<br />
Candida albicans<br />
Cosmedis® Hautschutzspray<br />
Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />
Konzentration Candida albicans [KBE/ml]<br />
10 6<br />
10 5<br />
10 4<br />
10 3<br />
10 2<br />
10<br />
0 2 4 6 8 10 12 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180<br />
Zeit [h]<br />
Zeit [min]<br />
GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 17<br />
Abbildung 5<br />
Hemmung der<br />
Proteaseaktivität<br />
Cosmedis® Hautschutzspray<br />
Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />
Hemmung [%]<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
29<br />
10<br />
0<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
Ammoniaktest im Labor für Toxikologie und Ökologie von <strong>Evonik</strong><br />
Abbildung 8<br />
Reinigungseffekt im Lederlappenwaschtest<br />
Cosmedis®<br />
Hautreinigungsschaum<br />
Wettbewerb<br />
Hautreinigungsschaum<br />
Cosmedis® 3in1<br />
Hautreinigungslotion<br />
Wettbewerbsprodukt<br />
3in1<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Abbildung 6<br />
Schematische Darstellung einer<br />
WasserinÖlinWasserEmulsion<br />
(W/O/W), der Basis für die<br />
Cosmedis® Hautschutzcreme<br />
Mikroskopische Aufnahme einer<br />
W/O/WFormulierung<br />
Abbildung 7<br />
Schnitt durch ein 3DHautmodell<br />
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />
Sauber<br />
Kein Reinigungseffekt<br />
Pflege wird einfacher,<br />
schneller, schonender<br />
Professioneller Schutz braucht nicht nur hochwirksame<br />
Inhaltsstoffe. Genauso bedeutend ist, dass die<br />
häufige Anwendung der Haut nicht zusetzt, sich also<br />
ohne Drücken, Reiben und Zerren auftragen und<br />
wieder entfernen lässt. Hier spielt die richtige Wahl<br />
des Emulsionstyps eine entscheidende Rolle.<br />
WasserinÖlEmulsionen (W/O) sind oft fettig<br />
und schwer, entsprechen also nicht den Anforderungen<br />
an dünnflüssige und schnell einziehende Produkte.<br />
ÖlinWasserEmulsionen (O/W) dagegen<br />
sind leicht und bilden auf der Haut einen dünnen, allerdings<br />
nicht dauerhaften Film. Für die Pflege dünner<br />
und wundgelegener Haut wurde ein kühlender<br />
Schaum entwickelt, der auf einer stabilen Mikroemulsion<br />
basiert und besonders leicht zu verteilen<br />
ist. Die Schutzcreme basiert dagegen auf einer WasserinÖlinWasserEmulsion<br />
(W/O/W) (Abb. 6).<br />
Sie verleiht ein angenehmes, leichtes Hautgefühl und<br />
schützt zugleich durch einen stabilen Film. Hinzu<br />
kommt, dass die in der innersten Phase gelösten<br />
Wirkstoffe in tiefere Hautschichten transportiert<br />
werden.<br />
Die Cosmedis® Hautschutzcreme ist eine ebensolche<br />
W/O/WFormel. Ihre Wirksamkeit wurde nicht<br />
nur in vivo, sondern auch ex vivo bestätigt. Dazu<br />
wurde die Creme im Labor für Toxikologie und Öko
logie in einem 3DHautmodell getestet (Abb. 7). Ein<br />
3DHautmodell ist eine künstliche Haut, gezüchtet<br />
aus Zellen, die einer Operation entstammen. Aufgebaut<br />
wie eine normale Haut, konnte an dem Modell<br />
die Stärkung der Hautbarriere gezeigt werden. So<br />
wird durch die Cosmedis® Hautschutzcreme die Synthese<br />
hauteigener Barrierelipide, wie Ceramide und<br />
Cholesterol, angeregt.<br />
Keine Hautpflege ohne<br />
gute Reinigung<br />
Bei der Entwicklung der Cosmedis® Reinigungsprodukte<br />
kommen nur sanft wirkende Tenside zur Anwendung,<br />
da die Haut von Pflegebedürftigen mehrmals<br />
täglich gesäubert werden muss. Außerdem<br />
wurde darauf geachtet, dass sich hohe Reinigungswirkung<br />
mit schneller und einfacher Anwendung verbindet:<br />
Die Lotion benötigt weder Wasser noch eine<br />
nachträgliche Pflege.<br />
Der Cosmedis® Antibakterielle Hautreinigungsschaum<br />
unterstützt allgemeine Hygienemaßnahmen<br />
und die Vorbeugung von Infektionen. Er entwickelt<br />
besonders schnell seine keimhemmende Wirkung:<br />
Bereits nach 15 Sekunden sind InfluenzaViren inaktiviert,<br />
Bakterien wie Staphylokokken und Enterokokken<br />
nach 30 Sekunden. Der antibakterielle<br />
Schaum ist dabei insbesondere wirksam gegen Antibiotikaresistente<br />
StaphylococcusAureusStämme,<br />
so genannte MRSA. Obwohl das Bakterium weit verbreitet<br />
und etwa ein Viertel der Weltbevölkerung<br />
Träger ist, kann es im Falle eines geschwächten Immunsystems<br />
zu Hautinfektionen und Muskelerkrankungen<br />
führen. Aus der Resistenz gegen Antibiotika<br />
resultiert eine schlechte Behandlungsmöglichkeit,<br />
das heißt eine hohe Morbilität (Erkrankungsziffer)<br />
und Mortalität (Todesfallrate). Problematisch ist dieser<br />
Keim daher insbesondere in Krankenhäusern und<br />
Pflegeheimen.<br />
Um die Waschleistung der Reiniger zu belegen,<br />
wurde künstliches Exkrement entwickelt. Es besteht<br />
aus zwei Dritteln Leitungswasser, zehn Prozent Margarine,<br />
15 Prozent Stärke, fünf Prozent Kakao, außerdem<br />
kleinen Mengen Gelatine, Konservierungsstoffen<br />
und Verdickungsmittel. Für den so genannten Lederlappenwaschtest<br />
werden kleine Felder auf glatt<br />
gegerbtem Leder mit 0,5 Gramm künstlichem Kot<br />
bestrichen. Nach einer Stunde Trocknungszeit tragen<br />
die Tester 0,6 Gramm Reinigungsprodukt auf und<br />
waschen die Felder unter fließendem Wasser 35 Sekunden<br />
lang ab. Die Cosmedis® Produkte zeigen eine<br />
gleich gute oder bessere Reinigungswirkung als der<br />
Marktstandard, obwohl sie besonders mild zur Haut<br />
sind (Abb. 8).<br />
Auch im Gesundheitsbereich gilt: Die Vorlieben<br />
bei der Hautpflege sind so vielfältig wie die Produktpalette.<br />
Creme oder Lotion? Lieber fettig oder leicht?<br />
Mit Parfüm oder ohne? Diesen individuellen Vorlieben<br />
haben die Entwickler von Cosmedis® entsprochen,<br />
indem sie so unterschiedliche Formen wie<br />
Spray, Lotion, Creme und Schaum in einem einzigen<br />
Sortiment anbieten. Besonders anwenderfreundlich<br />
wird die Cosmedis® Reihe durch eine eindeutige Unterteilung<br />
des Sortiments in die Bereiche Schutz, Reinigung<br />
und Pflege durch unterschiedliche Farben der<br />
Verpackung. Jedes Produkt basiert auf einer eigenen<br />
Rezeptur, die der gewünschten Wirkung und Anwendungsform<br />
entspricht und die zugleich die unterschiedlichen<br />
Vorlieben der Kunden adressiert.<br />
Der Gesundheitsbereich ist ein wachsender<br />
Markt. <strong>Evonik</strong> hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb<br />
der kommenden fünf bis zehn Jahre einen nennenswerten<br />
Anteil des Geschäftes im Pflege und Gesundheitsbereich<br />
zu erwirtschaften. Dabei profitieren die<br />
Chemiker, Mikrobiologen, Ingenieure und Marketingexperten<br />
von langjährigen Erfahrungen mit professioneller<br />
Hautpflege für Industrie und Arbeitswelt,<br />
von engen Kontakten zu Kunden und Lieferanten und<br />
vor allem von einer detaillierten Kenntnis von Kundenwünschen<br />
und anforderungen. 777<br />
GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 19<br />
Dr. petra allef ist im Geschäftsbereich Consumer<br />
Specialties als Head of Innovation Management STOKO<br />
Skin Care für die Forschung, Entwicklung und Anwendungstechnik<br />
des Produktbereiches STOKO Skin<br />
Care verantwortlich. Nach Chemiestudium und Promotion<br />
im Bereich Naturstoffsynthesen im Arbeits kreis<br />
von Prof. Kunz an der Universität Mainz und einem<br />
Auslandssemester in Kyoto (Japan) startete sie ihre berufliche<br />
Laufbahn 2000 in der Forschung von Gillette<br />
(P&G). 2002 wechselte sie zu <strong>Evonik</strong> in das Geschäftsgebiet<br />
Care Specialties. Dort leitete sie eine Entwicklungsgruppe,<br />
die sich mit der Synthese von kosmetischen<br />
Rohstoffen beschäftigt, bevor sie 2005 ihre<br />
aktuelle Position übernahm.<br />
+49 2151 38-1399, petra.allef@evonik.com<br />
Dr. thomas mangen arbeitet seit 2009 als Gruppenleiter<br />
Biophysikalische Methoden in der Abteilung<br />
Innovation Management STOKO Skin Care der<br />
Produktlinie STOKO Skin Care, wo er die Entwicklung<br />
und Testung der Cosmedis® Produkte betreut. Nach<br />
Chemiestudium und Promotion an der Universität<br />
Bonn und Auslandsstudien in Ogden (USA), Granada<br />
und Madrid (Spanien) forschte er als Postdoc an der<br />
National Taiwan Normal University in Taipei. 2007<br />
startete er seine berufliche Laufbahn bei <strong>Evonik</strong> im<br />
Geschäftsgebiet Superabsorber als Leiter eines anwendungstechnischen<br />
Labors.<br />
+49 2151 38-3441, thomas.mangen@evonik.com<br />
andreas klotz arbeitet seit 2006 als Senior Markting<br />
Manager STOKO Skin Care, wo er die Konzep tionierung<br />
und Markteinführung der Altenpflegeserie Cosmedis®<br />
betreut. Nach einer Ausbildung zum Chemielabo<br />
ran ten bei der Firma Symrise und einem Studium<br />
an der Fachhochschule Lippe-Lemgo mit dem Schwerpunkt<br />
Kosmetik startete er seine berufliche Laufbahn<br />
bei <strong>Evonik</strong> in der Produktlinie STOKO Skin Care als<br />
Leiter der Qualitätsprüfung. 1998 übernahm er die<br />
Gruppenleitung Biophysikalische Methoden, bevor er<br />
2001 ins Marketing wechselte.<br />
+49 2151 38-1406, andreas.klotz@evonik.com<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
20 nEWS<br />
Von <strong>Evonik</strong> betreute<br />
Bachelorarbeit von<br />
Max-Buchner-<br />
Forschungsstiftung<br />
ausgezeichnet<br />
Die Chemiestudentin Marina Richter<br />
wurde für ihre bei <strong>Evonik</strong> Industries<br />
durchgeführte Bachelorarbeit mit einem<br />
Buchpreis der MaxBuchnerForschungsstiftung<br />
für Technische Chemie an Fachhochschulen<br />
ausgezeichnet. Die 23Jährige,<br />
die nach dem Bachelor an der Hochschule<br />
Bonn Rhein Sieg im Arbeitskreis<br />
von Prof. Dr. Wolfgang Fink das Masterstudium<br />
Chemie an der RWTH Aachen<br />
aufgenommen hat, beschäftigte sich in ihrer<br />
Abschlussarbeit mit Operandospektroskopischen<br />
Untersuchungen zum Mechanismus<br />
der Hydroformylierung von<br />
Olefinen. Die Grundzüge dieses Reaktionszyklus<br />
sind im Jahre 1961 in einer<br />
wegweisenden Arbeit von Richard Fred<br />
Heck veröffentlicht worden, der dieses<br />
Jahr zusammen mit Eiichi Negishi und<br />
Akira Suzuki den Nobelpreis für Chemie<br />
für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Palladiumkatalysierten<br />
Kreuzkupplungen<br />
erhalten hat.<br />
„Wir freuen uns mit Frau Richter über<br />
ihre verdiente Auszeichnung“, sagte Dr.<br />
Dieter Hess, der als Senior Scientist in der<br />
Oxoforschung des Geschäftsgebiets C4<br />
Chemistry von <strong>Evonik</strong> die Arbeit sechs<br />
Monate lang betreut hat. „Frau Richter hat<br />
ihre Arbeit sehr engagiert vorangetrieben<br />
und uns wertvolle Hinweise geliefert, wie<br />
Hydroformylierungsprozesse weiter optimiert<br />
werden können“, so Hess. „<strong>Evonik</strong><br />
hat es mir ermöglicht, an einem aktuellen<br />
Forschungsthema aktiv und selbstständig<br />
mitzuarbeiten – unter hervorragender<br />
Betreuung und technischer Ausstattung.<br />
Um weitere Einblicke in die Katalyse zu<br />
erhalten, habe ich in meinem Masterstudium<br />
dieses Thema als Schwerpunkt gewählt“,<br />
ergänzte Richter.<br />
Die Hydroformylierung, auch Oxosynthese<br />
genannt, dient der Herstellung von<br />
Aldehyden aus Olefinen und Synthesegas<br />
(CO und H 2 ) und hat auf der ganzen Welt<br />
überragende Bedeutung. Weltweit produziert<br />
die chemische Industrie jährlich<br />
neun Millionen Tonnen Oxoprodukte; die<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Das Autoklaventechnikum in Marl:<br />
Hier hat Marina Richter experimentiert<br />
tigste Beispiel für die industrielle Anwendung<br />
der homogenen Katalyse. <strong>Evonik</strong><br />
nutzt sie in seinem technisch anspruchsvollen<br />
C4Produktionsverbund in Marl,<br />
wo CrackC4 schrittweise zu einer Vielzahl<br />
von Stoffen umgesetzt wird; Beispiele<br />
sind Butadien, 1Buten, Isononanol oder<br />
Isotridecanol.<br />
Stand der Technik bei der Hydroformylierung<br />
sind hochselektive Prozesse,<br />
die mit Organophosphorliganden modifizierte<br />
Rhodiumkatalysatoren verwenden.<br />
Die Forschung in diesem Bereich konzentriert<br />
sich auf das Tuning der Liganden,<br />
um Aktivität, Selektivtät und Stabilität der<br />
Homogenkatalysatoren weiter zu verbessern.<br />
<strong>Evonik</strong> kombiniert hierfür Insitu<br />
NMR und IR unter Reaktionsbedingungen<br />
mit Molecular Modeling, um den komplexen<br />
Mechanismus der Hydroformylierungsreaktion<br />
zu beleuchten (s. auch<br />
Elements 27, S. 6 ff). Mit Hilfe dieser modernen<br />
Methoden und statistischer Versuchsplanung<br />
konnte Marina Richter die<br />
Kinetik beschreiben, mit der sich der ak<br />
tive Katalysator aus Rhodium und phosphororganischen<br />
Liganden bildet – und<br />
hat so für <strong>Evonik</strong> eine Grundlage geschaffen,<br />
um Hydroformylierungskatalysatoren<br />
für neue Produkte maßzuschneidern.<br />
Die MaxBuchnerForschungsstiftung<br />
für Technische Chemie an Fachhochschulen<br />
zeichnet jährlich auf Vorschlag der<br />
Hochschullehrer die besten Diplomarbeiten<br />
der Fachrichtungen Chemietechnik<br />
und Biotechnologie an Fachhochschulen<br />
und der Diplomstudiengänge an Gesamthochschulen<br />
aus. „Der Erfolg von Frau<br />
Richter bestätigt uns darin, uns aktiv an<br />
der Hochschulausbildung zu beteiligen<br />
und angehenden Chemikern die Möglichkeit<br />
zu geben, im Rahmen ihrer Abschlussarbeit<br />
praktische Erfahrungen in der Industrie<br />
zu sammeln“, betonte Hess. Sein<br />
Bereich betreut seit fünf Jahren regelmäßig<br />
FHDiplom oder Bachelorarbeiten,<br />
die üblicherweise zwischen vier und sechs<br />
Monaten dauern. Als Praktikant oder Diplomand<br />
bewerben kann sich jeder, der<br />
mindestens fünf Fachsemester des Bachelorstudiums<br />
absolviert und vor allem<br />
„Freude am Forschen hat“, so Hess. Die<br />
Bewerbung erfolgt online über die Homepage<br />
von <strong>Evonik</strong>, auf der ständig entsprechende<br />
Stellen ausgeschrieben sind. Ein<br />
Angebot, das gerne angenommen wird:<br />
Mitte August hat die neueste Kandidatin<br />
ihre Bachelorarbeit bei <strong>Evonik</strong> in Marl begonnen.<br />
Hydroformylierung ist damit das wich Informationen unter: www.evonik.de/karriere
<strong>Evonik</strong> Meets Science China 2010<br />
Bereits zum sechsten Mal in Folge hat <strong>Evonik</strong><br />
im September chinesische Wissenschaftler<br />
nach Schanghai geladen, um mit<br />
ihnen zwei Tage lang über aktuelle Forschungstrends<br />
zu diskutieren, bestehende<br />
Kontakte zu vertiefen und neue zu knüpfen.<br />
Thema des diesjährigen „<strong>Evonik</strong> Meets<br />
Science China“ waren anorganischorganische<br />
Polymerhybridmaterialien. Professoren<br />
und anerkannte Experten in diesem<br />
Bereich von mehr als zehn TopUniversitäten<br />
und Forschungseinrichtungen Chinas<br />
waren der Einladung gefolgt, darunter<br />
Prof. Charles Han vom Institut für Chemie<br />
der Chinesischen Akademie der Wissenschaften<br />
(ICCAS) in Peking als Keynote<br />
Speaker sowie Prof. Xiaosu Yi vom Pekinger<br />
Institut für Luftfahrtmaterialien.<br />
Aktuelle technologische Durchbrüche<br />
und der Wunsch nach neuen Funktionen<br />
haben die Nachfrage nach neuen Materialien<br />
enorm steigen lassen. „Unsere Innovationskraft<br />
ist unsere Stärke“, eröffnete<br />
Dr. Thomas Haeberle, Mitglied der<br />
Geschäftsführung der <strong>Evonik</strong> Degussa<br />
GmbH, die Veranstaltung. „Insbesondere<br />
in der Spezialchemie ist ein konstanter<br />
Strom an neuen, nachfragestarken Produkten<br />
und Anwendungen unverzichtbar,<br />
um sich langfristig erfolgreich gegen den<br />
globalen Wettbewerb zu behaupten. In<br />
unserem weltweiten Innovationsprozess<br />
spielt dabei der nachhaltige Wissensaustausch<br />
mit der Wissenschaft – Stichwort<br />
Open Innovation – eine wichtige Rolle.“<br />
Anorganischorganische Polymerhybridmaterialien<br />
unterscheiden sich in ihren<br />
Eigenschaften sowohl von den organischen<br />
Polymeren als auch von den anorganischen<br />
Materialien, aus denen sie aufgebaut<br />
sind. Die Möglichkeiten, die solche<br />
Hybridmaterialien eröffnen, scheinen unendlich.<br />
“<strong>Evonik</strong> sieht in diesem technologischen<br />
Megatrend ein enormes Marktpotenzial.<br />
Indem wir das Können herausragender<br />
chinesischer Wissenschaftler<br />
mit der führenden Technologie von <strong>Evonik</strong><br />
kombinieren, wollen wir unsere<br />
Marktposition hier künftig weiter ausbauen“,<br />
sagte Dr. Jing Feng, der bei <strong>Evonik</strong><br />
den Bereich Innovationsmanagement für<br />
die Region Greater China verantwortet.<br />
Da Kooperationen ein Schlüssel zum<br />
Erfolg sind, sucht <strong>Evonik</strong> den Dialog und<br />
Ausbau der Produktionskapazitäten für TAA in China<br />
TAADerivate sind Vorprodukte für<br />
Lichtstabilisatoren auf Basis von sterisch<br />
gehinderten Aminen, die unter anderem<br />
in Agrarfolien zum Einsatz kommen<br />
nEWS 21<br />
die Zusammenarbeit mit chinesischen<br />
Wissenschaftlern. „Wir haben in den vergangenen<br />
Jahren ein starkes Netzwerk zu<br />
chinesischen Wissenschaftlern geknüpft,<br />
das uns auch hilft, die Entwicklung von<br />
<strong>Evonik</strong> in China voranzutreiben“, erklärte<br />
Dr. Dahai Yu, Präsident der <strong>Evonik</strong> Degussa<br />
(China) Co., Ltd. „Durch die enge<br />
Zusammenarbeit sowohl mit den Hochschulen<br />
als auch mit den Unternehmen<br />
hier in der Region in allen Entwicklungsstufen<br />
eröffnen wir uns zusätzliche Innovationschancen<br />
und verkürzen die Entwicklungszeiten.“<br />
<strong>Evonik</strong> Meets Science hat in China,<br />
ebenso wie in Europa und den USA, bereits<br />
Tradition. Organisiert vom Bereich<br />
Innovationsmanagement Greater China<br />
und unterstützt von den deutschen Kollegen,<br />
war dies bereits die sechste Veranstaltung<br />
dieser Art, seit <strong>Evonik</strong> 2004 sein<br />
F&ECenter in China etabliert hat. Themen<br />
der fünf vorhergehenden Veranstaltungen<br />
waren nachwachsende Rohstoffe,<br />
funktionelle Polymere, Nanotechnologie,<br />
Biotechnologie sowie katalytische Prozesse.<br />
Die Nachfrage nach TriacetonaminDerivaten (TAADerivate) steigt<br />
seit Jahren kontinuierlich. <strong>Evonik</strong> Industries nutzt die wirtschaftlichen<br />
Chancen, die sich dadurch ergeben, und weitet die Produktionskapazitäten<br />
für diese Derivate in China massiv aus. Noch in diesem<br />
Jahr soll der Grundstein für ein neues Werk gelegt werden.<br />
Derzeit produziert <strong>Evonik</strong> die TAADerivate im Joint Venture<br />
<strong>Evonik</strong> Tianda (Liaoyang) Chemical Additive Co., Ltd. am Standort<br />
Liaoyang im Nordosten Chinas. Die bestehende Produktion soll innerhalb<br />
des Gebiets von Liaoyang an die Aromatic Site (LAS), einen<br />
der größten petrochemischen Standorte, verlegt und dabei signifikant<br />
ausgebaut werden. Die volle Produktionsaufnahme ist für das vierte<br />
Quartal 2011 geplant.<br />
Neben der Anlage im chinesischen Liaoyang betreibt <strong>Evonik</strong> eine<br />
weitere Produktion im Chemiepark Marl. Der Konzern ist bereits<br />
jetzt einer der weltweit führenden Anbieter von TAADerivaten. Es<br />
handelt sich dabei um essenzielle Vorprodukte für die Herstellung<br />
von Lichtstabilisatoren auf Basis von sterisch gehinderten Aminen<br />
(H.A.L.S.; Hindered Amine Light Stabilizers). Die Stabilisatoren verbessern<br />
die Eigenschaften von Kunststoffen, die intensiver Lichteinstrahlung<br />
ausgesetzt sind. Haupteinsatzgebiete sind die Automobil<br />
und Baubranche sowie Agrarfolien.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
22 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />
k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />
Bringt verbrauchte<br />
Energie zurück:<br />
CreAMINO® für die<br />
Tierernährung<br />
Dr. Ernst Krämer<br />
Ricardo Gobbi<br />
Dr. Andreas Lemme<br />
Dr. Michael Binder<br />
Dr. Alfred Petri<br />
Dr. Thomas Kaufmann<br />
Geschäftsbereich<br />
Health & Nutrition<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Immer mehr Nutztiere müssen mit immer mehr pflanzlichem Futter versorgt<br />
werden – weil die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Bedarf an Fleisch,<br />
Milch und Eiern. Auch der Verbrauch an Gemüse, Reis und Kartoffeln steigt.<br />
Doch die Anbauflächen sind begrenzt und die Produktion von Lebens- und<br />
Futtermitteln lässt sich nicht beliebig ausweiten. Einen Lösungsbeitrag bieten<br />
innovative Fütterungskonzepte, bei denen die Tiere das Futter optimal verwerten<br />
– so können mit der gleichen Menge Futter mehr Tiere ausgewogen ernährt<br />
werden. Der Geschäftsbereich Health & Nutrition, der dazu bereits einen<br />
wichtigen Beitrag mit Aminosäuren leistet (s. auch S. 8ff), hat nun einen<br />
weiteren Hebel zur nachhaltigen Tierernährung identifiziert: Guanidinoessigsäure<br />
(Guanidino Acetic Acid, GAA), die unter dem Namen CreAMINO® vermarktet<br />
wird.<br />
Aus GAA produziert der Körper Kreatin, das eine wesentliche Rolle im<br />
Energiehaushalt spielt: Es trägt dazu bei, die Muskelzellen von Mensch und<br />
Tier mit der notwendigen Energie zu versorgen. Zwar kann der Körper einen<br />
Teil des Kreatins selbst herstellen, doch bei hohem Bedarf, etwa bei starker<br />
körperlicher Beanspruchung oder in der Wachstumsphase, ist er auf die Zufuhr<br />
von außen angewiesen – auf Fleisch. Hühner, von Natur aus keine Vegetarier,<br />
wurden deshalb bis vor einigen Jahren mit Fleisch- und Knochenmehl gefüttert.<br />
Doch seit BSE ist dies in der EU verboten und in anderen Ländern wird<br />
das Fleischmehl aus hygienischen Gründen seither so hoch erhitzt, dass das<br />
Kreatin zerstört wird. Als Folge kann das Geflügel sein Futter nicht optimal<br />
verwerten.<br />
Diese Lücke haben die Tierernährungsexperten von <strong>Evonik</strong> nicht nur identifiziert,<br />
sondern mit CreAMINO® nun auch erstmals geschlossen. Durch die<br />
Beimischung von rund 600 g CreAMINO® zu einer Tonne rein pflanzlichem<br />
Futtermittel kann das Fehlen von Kreatin kompensiert werden. In der EU ist<br />
das Produkt, das die AlzChem GmbH in Trostberg für <strong>Evonik</strong> produziert, bereits<br />
zugelassen; die Zulassung in anderen Regionen wie Asien, USA und<br />
Lateinamerika läuft, und die ersten Tonnen sind bereits verkauft. Und auch<br />
eine von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) eingesetzte internationale<br />
Expertenkommission ist von CreAMINO® überzeugt: Sie hat das<br />
Produkt jetzt mit der EuroTier 2010 Silbermedaille ausgezeichnet. Damit hat<br />
<strong>Evonik</strong> einmal mehr seine Kompetenz in nachhaltiger Tierernährung unter<br />
Beweis gestellt.
k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />
Aus SAVOSIL TM<br />
gefertige<br />
Linsen für LEDs<br />
SAVOSIL TM bringt<br />
Licht in neue Märkte<br />
Dr. Daniele Fregonese<br />
Dr. Iordanis Savvopoulos<br />
Glen Marston<br />
Fulvio Costa<br />
Junglin Tsai<br />
Geschäftsbereich<br />
Inorganic Materials<br />
nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 23<br />
Leuchtdioden (LED) machen aus wenig Strom viel Licht und erobern deshalb<br />
zunehmend verschiedenste Beleuchtungsanwendungen. Schon jetzt stecken sie<br />
in Blinker und Rücklicht von Autos, in Ampeln, Nachttisch- und Taschen lampen,<br />
in Scannern oder in der Hintergrundbeleuchtung von Flachbildschirmen.<br />
<strong>Evonik</strong> positioniert sich derzeit in diesem Markt: mit SAVOSIL TM , dem Markennamen<br />
für umweltfreundlich erzeugte, hochreine Glaslinsen, die in nahezu<br />
jede Form gebracht werden können, entsprechend dem Markenkonzept der<br />
maßgeschneiderten Lösung. Seit Ende 2009 entwickelt und produziert das<br />
eigens dafür gegründete Joint Venture <strong>Evonik</strong> Cristal Materials Corporation die<br />
Linsen und hat praktisch aus dem Stand den Sprung in einen sich rasant entwickelnden<br />
Markt geschafft: Der LED-Markt verzeichnet ein jährliches Wachstum<br />
von etwa 20 Prozent.<br />
Die Produktion basiert dabei auf der von <strong>Evonik</strong> entwickelten, patentierten<br />
SiVARA TM Sol-Gel-Technologie, die <strong>Evonik</strong> bereits 2005 mit dem Innova tionspreis<br />
würdigte. Dabei wird eine wässrige AEROSIL®-Dispersion in die gewün -<br />
schte Form gegossen, wo sie geliert und nach mehreren Behandlungs stufen im<br />
Ofen zu hochreinem Kieselglas sintert. Ob Maßanfertigung oder komplizierte<br />
Designs – der Kreavitität wird freien Lauf gelassen. Aus dieser im Vergleich zur<br />
konventionellen Glasherstellung sehr energieeffizienten Techno logie hat<br />
<strong>Evonik</strong> die Produktfamilie SAVOSIL TM abgeleitet und sich damit in der Wertschöpfungskette<br />
auf einen der vorderen Plätze nahe am Endkunden gebracht.<br />
Neben den LED haben die Entwickler schon längst eine neue, zukunftsträchtige<br />
Anwendung im Visier: die konzentrierende Fotovoltaik. Diese noch<br />
junge Technologie lockt mit hohen Wirkungsgraden, weil sie das Sonnenlicht<br />
durch Linsen bündelt und auf die Solarzellen fokussiert. Das verstärkt nicht nur<br />
das Sonnenlicht, sondern spart auch Material bei der Herstellung der Solarzellen.<br />
Entsprechende Linsen aus SAVOSIL TM führt <strong>Evonik</strong> derzeit im Markt ein.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
24 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />
k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />
Sinkender Kraftstoffverbrauch<br />
dank<br />
neuer Viskositätsverbesserer<br />
Dr. Torsten Stöhr<br />
Boris Eisenberg<br />
Dr. Michael Müller<br />
Dieter Janßen<br />
Dr. Thorsten Bartels<br />
Roland Schweder<br />
Miriam Stihulka<br />
Geschäftsbereich<br />
Coatings & Additives<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Schmiermittel spielen in der Fahrzeugindustrie eine wichtige Rolle, unter anderem<br />
auch um den Treibstoffverbrauch zu senken. Je geringer die Reibung der<br />
Fahrzeugkomponenten, desto weniger Energie geht verloren. Damit die interne<br />
Reibung im Schmiermittel sinkt, sollte es eine möglichst geringe Vis kosität<br />
bei tiefen Temperaturen aufweisen. Polyalkylmethacrylate (PAMA) und Polyolefine<br />
dienen seit Jahrzehnten als wichtigste Ausgangsstoffe für die For mulierung<br />
von Viskositätsverbesserern.<br />
Bereits in den frühen 90er Jahren hat das zu Coatings & Additives gehörende<br />
Geschäftsgebiet Lubricant Additives von <strong>Evonik</strong> erste Erfahrungen damit gesammelt,<br />
wie sich aus der PAMA- und Polyolefinchemie Kammpolymere erzeugen<br />
lassen. Kammpolymere bestehen aus einer linearen PAMA-Hauptkette,<br />
von der in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen längere, untereinander<br />
nahezu gleich lange Polyolefin-Seitenketten abzweigen. Doch das Kammpolymerprojekt<br />
wurde aufgrund von fehlenden, kommerziell nicht erhältlichen Rohmaterialien<br />
und den damals noch „unspektakulären“ viskosimetrischen Eigenschaften<br />
eingestellt.<br />
Mit dem Wissen, dass sich die viskosimetrischen Eigenschaften eines Polymers<br />
durch seine Architektur wesentlich verändern lassen, griffen Mitarbeiter<br />
die Idee der Kammpolymere zehn Jahre später wieder auf und entwickelten<br />
hochleistungsfähige Viskositätsverbesserer, deren Viskositätsindizes und Verdickungseigenschaften<br />
die der aktuellen Produkte auf Basis von reinen PAMA<br />
bei gleicher Scherstabilität weit übertreffen.<br />
In einer Reihe von Leistungstests – intern und extern – sowie in einem<br />
Feld versuch mit drei Fahrzeugen konnten die Wissenschaftler des Teams die<br />
überlegenen Eigenschaften der Kammpolymere nachweisen: Mit ihrer Hilfe<br />
lässt sich der Kraftstoffverbrauch um 1,5 Prozent senken. Zu dem Ziel der<br />
Europäischen Union, die Flottenemissionen der Automobilhersteller bis 2015<br />
um weitere 20 Gramm CO 2 pro Kilometer zu reduzieren, können die neuen<br />
Produkte einen Beitrag von mehr als 10 Prozent leisten. Die im VISCOPLEX®-<br />
Produktportfolio vermarkteten neuen Viskositätsverbesserer sind in industriellen<br />
Mengen bereits an einen ersten Kunden geliefert worden; mit einer<br />
Vielzahl weiterer Kunden sind die Projekte in Arbeit.
k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />
Dr. Christian Götz<br />
Dr. Harald Klein<br />
Dr. Ekkehard Müh<br />
Dr. Hartwig Rauleder<br />
Geschäftsbereich<br />
Inorganic Materials<br />
Dr. Jürgen Lang<br />
Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik &<br />
Engineering<br />
Siridion® HCDS 500 E<br />
ist ein wichtiger Rohstoff<br />
zur Herstellung<br />
von Flash-Speichern,<br />
wie sie in mobilen elektronischen<br />
Geräten<br />
verwendet werden<br />
nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 25<br />
Siridion® HCDS 500 E:<br />
ein neuer Rohstoff für die<br />
Halbleiterindustrie<br />
Klein, erschütterungsfest und mit einer Speicherkapazität von derzeit<br />
bis zu 64 Gigabyte pro Chip erhältlich: Flash-Speicher sind das<br />
ideale Transportmittel, um Daten mit auf Reisen zu nehmen. Sie<br />
stecken in Smartphones, Digitalkameras und MP3-Playern, in USB-<br />
Sticks und Tablet-PCs und stellen einen attraktiven Wachstumsmarkt<br />
dar, getrieben vom Wunsch der Verbraucher, immer mehr<br />
Informationen auf kleinstem Raum unterzubringen. Dazu müssen<br />
jedoch die Strukturen auf dem Chip weiter schrumpfen, um so die<br />
Transistoren dichter packen zu können. Modernste Fertigungsverfahren<br />
für die Massenproduktion von Flash-Speichern arbeiten<br />
heute bereits mit Strukturgrößen von 25 Nanometern (ca. 3.000-mal<br />
kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares). Neue<br />
Generationen mit noch feineren Strukturbreiten sind aber bereits<br />
in der Pipeline der großen Speicherchiphersteller.<br />
Ein Technologiesprung, für den <strong>Evonik</strong> gut gerüstet ist: mit<br />
Siridion® HCDS 500 E (Hexachlordisilan). Mit dem siliziumhaltigen<br />
Rohstoff lassen sich durch chemische Gasphasenabscheidung die<br />
hauchdünnen, funktionellen Schichten erzeugen, die für diese feinen<br />
Strukturen notwendig sind. Verglichen mit etablierten siliziumhaltigen<br />
Rohstoffen weist HCDS überragende Eigenschaften auf, mit<br />
denen bei niedrigen Temperaturen uniforme und dichte Filme abgeschieden<br />
werden können.<br />
Möglich macht dies ein neues, plasmabasiertes und patentgeschütztes<br />
Herstellungsverfahren, das HCDS in hochreiner Form<br />
liefert. Im September 2010 nahm <strong>Evonik</strong> in Rheinfelden eine erste<br />
Pilotanlage in Betrieb, die pro Jahr 1.000 kg Siridion® HCDS 500 E<br />
liefert. Und da die Pilotanlage bereits voll ausgelastet ist, wird schon<br />
eine Erweiterung der Produktion um weitere 5.000 kg pro Jahr<br />
geplant – ein vergleichsweise leichtes Unterfangen, da das für den<br />
Innovationspreis nominierte Team ein sehr robustes und gut skalierbares<br />
Produktionsverfahren entwickelt hat. Hier konnten die<br />
Vorteile einer flexiblen Verfahrensentwicklung in der modularen<br />
Containeranlage voll genutzt werden. Verhandlungen über den Ver-<br />
kauf dieser Mehrmengen sind in vollem Gange. Es bestehen sehr<br />
gute Wachstumschancen, denn neben den tragbaren mobilen Geräten<br />
sind auch Computer ein wachsender Markt für die schnellen<br />
Flash-Speicher: Sie nutzen zunehmend statt der üblichen Festplatte<br />
so genannte Solid State Drives, die ebenfalls aus Flash-Speicher chips<br />
bestehen. Siridion® HCDS 500 E reiht sich so nahtlos in die über -<br />
aus erfolgreiche Produktfamilie der Marke Siridion® ein, unter der<br />
<strong>Evonik</strong> Schlüsselrohstoffe für die Herstellung von Solarsilizium,<br />
optischen Glasfasern, Halbleitern und Flachbildschirmen anbietet.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
26 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />
k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />
Dr. Christian Böing<br />
Reiner Bukohl, Helmut Kamps<br />
Dr. Dietrich Maschmeyer<br />
Peter Nothhaft, Dr. Udo Peters<br />
Dr. Dirk Röttger, Arnd Schade<br />
Dr. Markus Winterberg<br />
Geschäftsgebiet C4 Chemistry<br />
Dr. Torsten Balduf, Dr. Wilfried Schmidt<br />
Geschäftsgebiet Methacrylates<br />
Thomas Quandt<br />
Geschäftsgebiet Catalysts<br />
Walter Luh, Dr. Armin Rix<br />
Dr. Horst-Werner Zanthoff<br />
Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik &<br />
Engineering<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Die neue Isobutenanlage<br />
in Antwerpen<br />
Ein neuer<br />
Weg zu hochreinem<br />
Isobuten<br />
September 2009, Schanghai (China): Inbetriebnahme Methyl meth -<br />
a crylat(MMA)-Verbund. Oktober 2010, Antwerpen (Belgien):<br />
Inbetriebnahme Isobutenproduktion. Erfolgsmeldungen zweier<br />
unterschiedlicher <strong>Evonik</strong>-Geschäftsbereiche, die scheinbar nur<br />
wenig gemeinsam haben. Doch in beiden Fällen wird Isobuten<br />
nach einem neuen, <strong>Evonik</strong>-eigenen Verfahren durch Spaltung von<br />
MTBE (Methyl-tertiär-butylether) produziert – ein Prozess, der<br />
weniger Energie verbraucht als die etablierten Verfahren und<br />
zudem weniger Abfälle produziert. Während in Antwerpen das<br />
Isobuten direkt in hochreiner Form vermarktet wird, dient das<br />
Isobuten in Schanghai als Rohstoff zur Herstellung von MMA.<br />
Die Inbetriebnahme gleich zweier großtechnischer Anlagen mit<br />
einem Abstand von nur einem Jahr in zwei verschiedenen Geschäftsbe<br />
reichen auf zwei verschiedenen Kontinenten war der Höhepunkt<br />
einer Verfahrensentwicklung, die mit einer Idee aus dem Geschäftsgebiet<br />
C4 Chemistry ihren Anfang nahm.<br />
C4 Chemistry unterhält in Marl und in Antwerpen einen C4-<br />
Produktionsverbund, der alle Komponenten des Crack-C4 – eines<br />
Kohlenwasserstoffschnitts, der bei der Produktion von Ethylen und<br />
Propylen als Nebenprodukt anfällt – in vermarktbare Produkte umsetzt.<br />
Dazu gehört auch MTBE. Doch weil Isobuten, ein Rohstoff<br />
nicht nur für MMA, sondern auch für andere chemische Erzeugnisse<br />
wie z. B. Butylkautschuk oder Polyisobuten, eine höhere<br />
Wertschöpfung besitzt, stellten sich die Chemiker, Ingenieure und<br />
Techniker der Aufgabe, ein wirtschaftlich und ökologisch attraktives<br />
Spaltverfahren zu entwickeln.<br />
Der Weg von der Idee bis zur technischen Produktionsanlage<br />
war lang: Viele verschiedene Katalysatoren mit unterschiedlichen<br />
Trägern, Aktivkomponenten und Dotierungen wurden, ausgehend<br />
von bekannten Materialien mit bestimmten Strukturen, systematisch<br />
optimiert und, unterstützt von Hochdurchsatzmethoden, in<br />
über 1.500 Experimenten getestet. Darüber hinaus mussten die<br />
Katalysator-Präparationsmethode für die technische Realisierung<br />
erarbeitet, das Verfahren entwickelt und ein Pilotreaktor entworfen<br />
werden. Dennoch hat das Team dafür nur zweieinhalb Jahre gebraucht,<br />
weil es neueste Experimentaltechnik mit Computer si mulationen<br />
kombinierte. So konnte es alle Schritte von der Suche des<br />
Katalysators bis hin zum Design des Pilotreaktors nahezu parallel<br />
ausführen. Genauso wichtig war der interdisziplinäre Ansatz: Ob<br />
Katalyse, Reaktordesign oder Trenntechnik, Prozesssimulation oder<br />
Anlagenbau – für jede Fragestellung gab es Experten im Projektteam.
k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />
Dr. Andreas Karau<br />
Dr. Hans-Josef Ritzert<br />
Dr. Thomas Hermann<br />
Dr. Robert Gerstmeir<br />
Dr. Wilfried Claes<br />
Dr. Ulrich Becker<br />
Dr. Stefan Eils<br />
Friedhelm Merz<br />
Dr. Ingrid Dechamps<br />
Christian Klus<br />
Erika Kohutovicova<br />
Jaroslav Sochor<br />
Geschäftsbereich<br />
Health & Nutrition<br />
Christian Alt<br />
Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik &<br />
Engineering<br />
Produktion bei der<br />
<strong>Evonik</strong> Rexim SAS. Hier<br />
werden in Zusammenarbeit<br />
mit der Fermas<br />
die L-Ornithin-Derivate<br />
produziert. An der Entwicklung,<br />
die im Rahmen<br />
des Science-to-Business<br />
Centers Bio der Creavis<br />
gestartet wurde, waren<br />
neben Rexim auch die<br />
Biotechnologen des Geschäftsbereichs<br />
Health &<br />
Nutrition in Halle-Künsebeck<br />
beteiligt<br />
nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 27<br />
Neue Biotechnologieplattform<br />
macht<br />
LOLA zum Renner<br />
Die Aminosäure L-Ornithin und ihre Derivate – allen voran LOLA<br />
(L-Ornithin-L-Aspartat) – sind die Wirkstoffe der Wahl, um Patienten<br />
mit eingeschränkter Leberfunktion zu behandeln. Bislang<br />
wurde die Aminosäure entweder chemisch oder über ein enzymatisches<br />
Verfahren hergestellt, die aber beide einen entscheidenden<br />
Nachteil haben: Die Aufarbeitung des so hergestellten L-Ornithins<br />
ist ebenso wie die Aufarbeitung der daraus gewonnen Derviate<br />
aufwändig und teuer; das enzymatische Verfahren nutzt zudem ein<br />
aus Tierzellen gewonnenes Enzym, das in der Pharmaindustrie<br />
immer weniger Akzeptanz findet. Diese Nachteile gehören nun der<br />
Vergangenheit an: <strong>Evonik</strong> hat ein fermentatives Verfahren entwickelt,<br />
bei dem Bakterien direkt aus Zucker L-Ornithin produzieren.<br />
Die Aminosäure kann zudem aus der Fermentationsbrühe<br />
ohne kom plexe Aufarbeitung zu hochreinen Derivaten umgesetzt<br />
werden.<br />
Den Schlüssel zu dem neuen Verfahren lieferte ein über klassische<br />
Mutagenese gewonnener Ausgangsstamm, den die Forscher<br />
mit molekularbiologischen Methoden analysierten und dann über<br />
gezielte Eingriffe in den Stoffwechselweg optimierten. Damit konnten<br />
sie die Leistung der Bakterien mehr als verdoppeln und kritische<br />
Nebenprodukte eliminieren. Da sie parallel dazu sowohl den Fermentationsprozess<br />
als auch die Aufarbeitung zur technischen Reife<br />
gebracht haben, dauerte die Gesamtentwicklung gerade mal zwei<br />
Jahre. Seit Ende 2009 läuft die großtechnische Produktion von<br />
L-Ornithin und dessen Derivaten bei der <strong>Evonik</strong> Rexim SAS in Ham<br />
in Zusammenarbeit mit der slowakischen <strong>Evonik</strong>-Tochtergesellschaft<br />
Fermas und bedient einen hochattraktiven Markt: Wirkstoffe auf<br />
Basis von L-Ornithin verzeichnen derzeit ein Wachstum von jährlich<br />
zehn Prozent.<br />
Eingesetzt werden diese Wirkstoffe zur Behandlung der hepatischen<br />
Enzephalopathie. Bei dieser Krankheit ist die Entgiftungs leistung<br />
der Leber für den im Körper gebildeten Ammoniak nicht mehr<br />
ausreichend. Als Folge gelangt ammoniakreiches Blut ins Gehirn und<br />
reduziert die Gehirnfunktion, was bis zu einem hepatischen Koma<br />
führen kann. Wirkstoffe auf Basis von L-Ornithin wirken dem entgegen,<br />
indem sie die Entgiftungsleistung der Leber steigern. Mit der<br />
neuen Technologieplattform ergänzt <strong>Evonik</strong> so nicht nur sein Portfolio<br />
an qualitativ hochwertigen Pharmaaminosäuren, sondern trägt<br />
auch dazu bei, die Lebensqualität von Patienten mit eingeschränkter<br />
Leberfunktion zu verbessern<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
28 vERfahREnStEChnIk<br />
Selbstlernende Programme<br />
Im EU-Projekt INFER werden adaptive Softsensoren entwickelt<br />
Arbeitsweise eines adaptiven Softsensors. Basis sind alle<br />
zugänglichen Prozessdaten, die mit Prozess Informationsmanagementsystemen<br />
(PIMS) erfasst werden. Der Soft <br />
sensor trifft damit Vorhersagen bezüglich Prozessdaten, die<br />
nicht direkt messbar sind. Der adaptive Soft sensor reagiert<br />
auf Ver ände rungen des Prozesses, und der Vergleich mit den<br />
Analy se daten aus dem Labor zeigt, dass er das Ge schehen<br />
im Reaktor mit großer Genauigkeit vorhersagt<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Sensordaten<br />
Laboranalyse der<br />
nicht direkt<br />
messbaren Daten<br />
PIMS<br />
Softsensor<br />
Softsensor passt sich an<br />
Direkt messbare Daten –<br />
Input für den Softsensor<br />
Vorhersage des<br />
Softsensors für nicht<br />
direkt messbare Daten<br />
Softsensor passt sich an<br />
Leistungsmonitoring<br />
Laboranalyse<br />
Vorhersagen des adaptiven Softsensors<br />
Vorhersagen eines nicht adaptiven Softsensors
SElbStlERnEnDE pRoGRammE, die einen Prozess auch dann<br />
zuverlässig steuern, wenn sich die Rahmenbedingungen plötzlich<br />
ändern, sind begehrt: in der chemischen Industrie ebenso<br />
wie etwa bei Fluggesellschaften, die damit den tatsächlichen<br />
Marktwert ihrer Flugtickets zeitnah ermitteln wollen. Noch sind<br />
solche breit einsetzbaren Programme, so genannte adaptive Softsensoren,<br />
Zukunftsmusik, doch soll sich das bald ändern. INFER,<br />
ein von der EU im 7. Forschungsrahmenprogramm gefördertes<br />
Projekt, hat zum Ziel, eine modulare Softwareplattform zu entwickeln,<br />
mit der sich adaptive Softsensoren für ein breites Anwendungsspektrum<br />
erstellen lassen. INFER steht für Computational<br />
Intelligence Platform for Evolving and Robust Predictive<br />
Systems und ist im Marie Curie IndustryAcademia Partnerships<br />
& Pathways (IAPP) Programm der EU verankert.<br />
An dem im Juli 2010 gestarteten Projekt sind drei Partner beteiligt:<br />
das Smart Technology Research Centre der Universität<br />
Bournemouth (England), das sich intensiv mit maschinellem Lernen<br />
und automatisierten intelligenten Systemen beschäftigt, die<br />
<strong>Evonik</strong> Industries AG, die über anerkannt breites Wissen in der<br />
Prozesstechnik verfügt, sowie das in Polen ansässige Research<br />
& Engineering Centre (REC), ein hochinnovatives Unternehmen<br />
im Bereich Softwareentwicklung.<br />
Vier Jahre haben die Partner Zeit, um ihr ehrgeiziges Ziel zu<br />
erreichen: Bis Juni 2014 wollen sie die Softwareplattform zur<br />
Marktreife entwickelt haben. Die damit erstellten Softsensoren<br />
sollen dann sowohl in technischen als auch kaufmännischen Geschäftsprozessen<br />
als präzise Prognosewerkzeuge zum Einsatz<br />
kommen, die Änderungen von technischen Parametern, Märkten<br />
oder menschlichem Verhalten sofort erkennen und das zu<br />
Grunde liegende Prozessmodell iterativ an die neuen Gegebenheiten<br />
anpassen. Den Projektpartnern stehen für die Entwicklung<br />
insgesamt 1,55 Millionen Euro zur Verfügung.<br />
Vorhersagen statt nachmessen<br />
Softsensoren, eine Wortschöpfung aus Software und Sensor,<br />
sind heute schon gang und gäbe. „<strong>Evonik</strong> programmiert Softsensoren<br />
beispielsweise, um chemische Verfahren zu optimieren<br />
oder die Mitarbeiter täglich bei der Prozessführung zu unterstützen“,<br />
erklärt Reinhard Dudda. Er verantwortet INFER auf<br />
Seiten von <strong>Evonik</strong>, wo er im Servicebereich Verfahrenstechnik<br />
& Engineering die Gruppe Quality Engineering leitet. Die Softsensoren<br />
messen keine physikalische Größe, sondern berechnen<br />
ihre „Messwerte“ aus allen zugänglichen Prozessdaten. Sie können<br />
so den Verlauf nicht direkt messbarer Merkmale vorhersagen,<br />
etwa die resultierende Qualität der Produkte. „Zudem liefern<br />
die Softsensoren ihre Ergebnisse in Echtzeit und machen so<br />
das stundenlange Warten auf Analysenergebnisse überflüssig“,<br />
beschreibt Dudda den Nutzen.<br />
Allerdings haben diese empirischen Prozessmodelle derzeit<br />
noch einen Nachteil. Sie „merken“ es nicht, wenn sich der zugrunde<br />
liegende Prozess ändert – etwa die Betriebspunkte einer<br />
chemischen Anlage, weil diese umgebaut wurde, oder das Buchungsverhalten<br />
von Fluggästen, weil ein anderer Anbieter<br />
plötzlich Billigangebote auf den Markt bringt. In solchen Fällen<br />
müssen sie mühsam nachtrainiert werden.<br />
Hier setzt INFER mit der Entwicklung adaptiver Softsensoren<br />
an. Zukünftig sollen diese selbstlernenden Systeme auch<br />
geänderte Rahmenbedingungen erkennen und sich selbstständig<br />
an den neuen Zustand anpassen – ein Prognosewerkzeug, das<br />
vERfahREnStEChnIk 29<br />
nicht nur die chemische Industrie oder Fluglinien zu schätzen<br />
wüssten, sondern auch zahlreiche andere Branchen wie etwa<br />
Banken oder Telekommunikationsanbieter. <strong>Evonik</strong> fällt dabei die<br />
Aufgabe zu, die zu entwickelnden Algorithmen an Prozessen zu<br />
überprüfen, die zwar gut bekannt, aber schwer vorhersagbar<br />
sind.<br />
Neuland in der Softwareentwicklung<br />
Die Projektbeteiligten betreten damit Neuland. „Bislang gibt es<br />
keine technischen Anwendungen von adaptiven Softsensoren“,<br />
bestätigt Dudda. „Es existieren zwar viele wissenschaftliche<br />
Arbeiten dazu, aber die dort beschriebenen Methoden sind sehr<br />
speziell. Sie passen immer nur auf das betrachtete System und<br />
lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Anwendungen übertragen.<br />
Deshalb arbeiten im Moment viele Unternehmen an<br />
einer eigenen Insellösung.“ Das wollen die drei Projektpartner<br />
mit INFER ändern – durch die Bereitstellung einer modularen<br />
Softwareplattform, mit der sich schnell und flexibel adaptive<br />
Softsensoren für die jeweiligen Anwendungen entwickeln<br />
lassen.<br />
Dazu werden die rund 30 beteiligten Forscher, darunter<br />
sechs Verfahrenstechniker von <strong>Evonik</strong>, in den nächsten vier<br />
Jahren eng zusammen arbeiten, zwischen den drei Standorten<br />
Deutschland, Polen und Großbritannien pendeln und ihr Wis <br />
sen bereitwillig austauschen. Die an das Projekt geknüpften<br />
Erwartungen sind groß: „Wir versprechen uns davon eine Standardsoftware,<br />
mit der wir unsere Prozesse effizienter steuern<br />
können, und die wir vor allem auch sofort bei neuen Anlagen<br />
einsetzen können, um schnell den optimalen Betriebspunkt zu<br />
finden“, fasst Dudda zusammen. Das REC und die Universität<br />
Bournemouth planen dagegen, ein Spinoff zu gründen, um<br />
die Softwareplattform zu vermarkten. Eine Entwicklung, die<br />
<strong>Evonik</strong> begrüßen würde. „Die Vermarktung durch ein eigens<br />
gegründetes Unternehmen stellt sicher, dass die adaptiven Softsensoren<br />
auch nach dem Ende des Projekts kontinuierlich weiter<br />
entwickelt werden. Davon würden wir als Nutzer natürlich<br />
enorm profitieren“, so Dudda. 777<br />
Reinhard Dudda leitet im<br />
Servicebereich Verfah renstechnik &<br />
Engineering die Gruppe Quality<br />
Engineering und verantwortet INFER<br />
auf Seiten von <strong>Evonik</strong>.<br />
+49 2365 49-6233<br />
reinhard.dudda@evonik.com<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
30 vERfahREnStEChnIk<br />
Professorentreffen Verfahrenstechnik/Chemical Engineering<br />
Geballtes Prozess- und<br />
Technologiewissen<br />
Anfang Herbst trafen sich renommierte Wissenschaftler auf<br />
Einladung des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering<br />
bei <strong>Evonik</strong>. Der Austausch zwischen Hochschule und Industrie<br />
stand dabei im Mittelpunkt.<br />
ZUm vIERtEn mal fand am 27. und 28.<br />
September in Essen das Professorentreffen<br />
Verfahrenstechnik statt. Rund 70 Teilnehmer,<br />
darunter 44 Wissenschaftler aus<br />
ganz Deutschland, nutzten die Veranstaltung<br />
zum fachlichen Austausch auf einem<br />
Gebiet, das einen wichtigen Beitrag zum<br />
Geschäftserfolg von <strong>Evonik</strong> leistet.<br />
Schon immer waren Verfahrenstechniker<br />
damit beschäftigt, bestehende Anlagen<br />
nachhaltig zu verbessern und neue<br />
Verfahren in den Produktionsmaßstab zu<br />
überführen. Aber gerade für <strong>Evonik</strong> als<br />
Hersteller von Spezialchemikalien ist es<br />
heute in zunehmend volatiler werdenden<br />
Märkten lebenswichtig, Projekte von der<br />
Produktidee bis zur laufenden Anlage<br />
schneller und effizienter abzuwickeln. Für<br />
<strong>Evonik</strong> geht es häufig nicht um die Herstellung<br />
großvolumiger Chemikalien, son<br />
Am Lotus Exige<br />
demonstriert <strong>Evonik</strong><br />
unter anderem, wie<br />
sich mit Kunststoffen<br />
Gewicht sparen lässt<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
dern um das punktgenaue Design der Produkte,<br />
die dank ihrer überdurchschnittlichen<br />
Funktionalitäten völlig neue Anwendungen<br />
ermöglichen. „Dafür bedarf es<br />
Mut zu Innovationen in Schlüsseltechnologien“,<br />
betonte Dr. Klaus Engel, Vorsitzender<br />
des Vorstandes der <strong>Evonik</strong> Industries<br />
AG, auf der Konferenz.<br />
Hier ist besonders die Verfahrenstechnik<br />
gefordert, die mit ihrem Prozess und<br />
TechnologieKnowhow entscheidende<br />
Impulse liefern kann. „Wir verstehen uns<br />
als integraler Bestandteil der Geschäftsbereiche“,<br />
sagte Dr. Claas Klasen, Leiter<br />
Verfahrenstechnik & Engineering. Der<br />
Servicebereich mit der engen Verzahnung<br />
von Verfahrenstechnik und Engineering<br />
arbeitet dabei ganzheitlich und begleitet<br />
die Entwicklung neuer und die kontinuierliche<br />
Verbesserung bestehender Pro<br />
dukte und Prozesse von der Idee im Labor<br />
bis zur großtechnischen Anlage.<br />
<strong>Evonik</strong> macht etwa ein Fünftel des Umsatzes<br />
mit Produkten, die jünger als fünf<br />
Jahre sind. Im vergangenen Jahr wurden<br />
300 Millionen Euro für Forschung und<br />
Entwicklung ausgegeben, 85 Prozent davon<br />
dezentral in den Geschäftsbereichen.<br />
Die Zahl der Forschungskooperationen<br />
liegt bei 260 weltweit. „Mut zu Neuem,<br />
verantwortungsvolles Handeln und voller<br />
Einsatz sind die Werte von <strong>Evonik</strong>“, so<br />
Klaus Engel. Bis 2014 soll das Geschäftsfeld<br />
Chemie im Schnitt um neun Prozent<br />
jährlich wachsen, der Großteil davon<br />
durch organisches Wachstum, aber auch<br />
durch Akquisitionen.<br />
Innovation findet an Grenzen<br />
zwischen den Disziplinen statt<br />
Um dieses ambitionierte Ziel zu verwirklichen,<br />
muss <strong>Evonik</strong> Kunden, Geschäftspartner<br />
und Forschungseinrichtungen in<br />
die Innovationsprozesse mit einbeziehen.<br />
Denn, so Dr. Volker Kerscher, Leiter des<br />
Innovationsmanagements im Geschäftsbereich<br />
Performance Polymers, „Innovationen<br />
finden heute an den Grenzen zwischen<br />
den Disziplinen statt“.<br />
Ein Beispiel hierfür gab Dr. Goetz<br />
Baumgarten, ehemaliger Leiter der Fachgruppe<br />
Membrantechnik im Bereich Verfahrenstechnik<br />
und heute verantwortlich<br />
für die Geschäftsentwicklung Membranes<br />
im Geschäftssegment Fibres & Membranes<br />
des Geschäftsgebiets High Performance<br />
Polymers. <strong>Evonik</strong> ist für die Entwicklung<br />
des Membrangeschäfts Partnerschaften<br />
mit mehreren Universitäten und
Forschungseinrichtungen eingegangen.<br />
„Ausgangspunkt war das Knowhow über<br />
die intrinsischen Membraneigenschaften<br />
unserer Hochleistungspolymerfamilie Polyimid<br />
P84 und die erfolgreiche Anwendung<br />
von Membranen in unseren eigenen<br />
Prozessen“, so Baumgarten. „Das Knowhow<br />
für die Membranherstellung und die<br />
Modultechnologie kam von den beteiligten<br />
Partnern.“<br />
<strong>Evonik</strong> vermarktet seine neuentwickelten<br />
Module im Bereich schnell wachsender<br />
Anwendungen, wie zum Beispiel<br />
in der Organic Solvent Nanofiltration, einer<br />
Trenntechnologie, mit deren Hilfe sich<br />
verschiedene Komponenten in organischen<br />
Lösungsmitteln abtrennen lassen,<br />
oder in der Aufbereitung von Biogas zu<br />
Bioerdgas. Die Membrantechnologie von<br />
<strong>Evonik</strong> zeichnet sich durch marktführende<br />
Energieeffizienz aus.<br />
Auch Dr. Robert Franke, Leiter Forschung<br />
& Innovation Hydroformylierung<br />
im Geschäftsbereich Industrial Chemicals,<br />
berichtete beispielhaft von einer erfolgreichen<br />
Kooperation, in diesem Fall mit<br />
der TU Eindhoven. Franke und seine Kollegen<br />
suchen nach einer Membranabtrennung<br />
für Prozesse, die homogen katalysiert<br />
werden. „Die homogene Katalyse hat<br />
viele Vorteile, kommt aber nur in rund 15<br />
Prozent der großchemischen Prozesse<br />
zum Einsatz. Dies liegt im Wesentlichen<br />
auch daran, dass sich der Katalysator nur<br />
schwer vom Reaktionsprodukt abtrennen<br />
lässt“, so Franke. „Wir untersuchen, was<br />
man tun muss, damit dies sehr einfach mit<br />
einer Ultrafiltration machbar ist.“<br />
Prinzipiell ist dies möglich. Der homogene<br />
Katalysator muss dafür so modifi<br />
ziert werden, dass er eine ausreichend<br />
hohe Molmasse hat, dabei dürfen sich allerdings<br />
seine Aktivität und Selektivität<br />
gegenüber den Standardsystemen nicht<br />
ändern. Simulationen und experimentelle<br />
Untersuchungen zeigen, dass Liganden,<br />
die mit Hilfe organisch chemischer, konformativ<br />
flexibler Reste modifiziert wurden,<br />
nicht gut geeignet sind, um in makroskopischen<br />
Poren abgetrennt zu werden.<br />
Die TU Eindhoven stellt Liganden<br />
her, die mit anorganischen Resten, so genannten<br />
polyhedralen OligoSilsesquioxanen<br />
(POSS) modifiziert sind. Die so hergestellten<br />
homogenen Katalysatoren sind<br />
ausreichend groß und „steif“, um mit Ultrafiltrationsmembranen<br />
abgetrennt zu<br />
werden. Zusammen mit der TU Eindhoven<br />
ließ sich ein vielversprechendes Molekül<br />
identifizieren, dessen Funktionalität sich<br />
in einer Machbarkeitsstudie belegen ließ.<br />
Die Technologie haben Franke und seine<br />
Kollegen nun in das EUForschungsprojekt<br />
„F3 Factory“ eingebracht.<br />
Mobil mit Open Innovation<br />
Ein Beispiel, was Open Innovation für die<br />
Kunden von <strong>Evonik</strong> in der Automobilindustrie<br />
bedeutet, gab Klaus Hedrich, Leiter<br />
des Automotive Industry Teams. Dabei<br />
handelt es sich um eine geschäftsbereichsübergreifende<br />
Arbeitsgruppe für Innovationsprojekte<br />
und neue Konzepte. „Wir<br />
sind die Schnittstelle zu Tier1Zulieferern<br />
und OEMs der Automobilindustrie“, so<br />
Hedrich.<br />
Das Team identifiziert nicht nur<br />
Trends, sondern entwickelt auch Ideen für<br />
Marktkonzepte bis hin zu Demonstratoren<br />
im Rahmen von so genannten Innovationsclustern.<br />
Als Beispiel führte Hedrich den<br />
Leichtbau an: „Für Elektroautos sind<br />
leichtere Materialien nötig.“ <strong>Evonik</strong> kann<br />
mit den konzerneigenen Kompetenzen im<br />
Bereich Kunststoffe hier einiges bieten<br />
und hat als Demonstrator gemeinsam mit<br />
Lotus und anderen Industriepartnern bereits<br />
einen Leichtbausportwagen konzipiert.<br />
Doch das Potenzial einer Innovation<br />
muss die Industrie auch rechtzeitig erkennen,<br />
um die notwendige Kompetenz in<br />
den Unternehmen beziehungsweise im<br />
Land aufbauen zu können. Dass das in Europa<br />
in der Vergangenheit nicht immer<br />
geklappt hat, legte Prof. Dr. Wilhelm<br />
Schabel am Beispiel von optischen Folien<br />
dar, wie sie heute aus der Fertigung von<br />
LCDisplays nicht mehr wegzudenken<br />
sind. „Vor zehn Jahren wäre diese Technologie<br />
in Europa projektierbar gewesen,<br />
aber man tat es nicht“, so der Inhaber der<br />
Professur „Thin Film Technology“ am<br />
Karlsruher Institut für Technologie (KIT).<br />
Neben einer Reihe von Fehlentscheidungen<br />
in der Industrie zur künftigen Bedeutung<br />
dieser Technologie machte Schabel<br />
auch eine fehlende Zusammenarbeit<br />
über Disziplin und Branchengrenzen hinweg<br />
dafür verantwortlich. „Und es fehlte<br />
ein europäischer Treiber für diese Technologie,<br />
die Südostasien mit Firmen wie<br />
Acer, Asus oder LG hatte. Auch muss in<br />
Europa produziert werden, damit nicht<br />
ganze Wertschöpfungsketten neuer Technologien<br />
sukzessive abwandern, und die<br />
Wertschöpfungskette fängt zugleich in<br />
der Hochschulforschung an“, so der Wissenschaftler<br />
weiter. 333<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
32 vERfahREnStEChnIk<br />
333 Schabel und seine Kollegen am KIT erforschen<br />
die Entstehung und Prozessierung<br />
dünner Schichten und können Stoffströme<br />
sowie Morphologie und Strukturbildung<br />
in situ sichtbar machen und simulieren.<br />
Dadurch lassen sich beispielsweise<br />
Beschichtungswerkzeuge und anlagen<br />
optimieren und Prozessfenster besser eingrenzen.<br />
prof. Dr. Wilhelm Schabel<br />
Inhaber der Professur Thin Film Technology<br />
am Karlsruher Insti tut für Technologie (KIT)<br />
prof. Dr. michael Schlüter<br />
Leiter des Instituts für Mehrphasenströmungen<br />
der TU Hamburg-Harburg<br />
prof. Dr. Gerhard Schembecker<br />
Inhaber des Lehrstuhls für Anlagen- und<br />
Prozesstechnik an der Technischen Universität<br />
Dortmund<br />
(von oben nach unten)<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Mit grundlegenden Fragestellungen der<br />
Auslegung chemischer Reaktoren befasst<br />
sich Prof. Dr. Michael Schlüter, Leiter des<br />
Instituts für Mehrphasenströmungen der<br />
TU HamburgHarburg. Aufgrund der<br />
komplizierten Zusammenhänge beim<br />
Wärme und Stoffaustausch lassen sich<br />
Mehrphasenströmungen in technischen<br />
Reaktoren heute nur unzureichend beschreiben.<br />
Dies führt zu einem hohen<br />
Aufwand bei der Auslegung chemischer<br />
Apparate, in denen Mehrphasenströmungen<br />
vorliegen. Um dies langfristig zu ändern,<br />
führt Schlüters Institut in Zusammenarbeit<br />
mit Kollegen Experimente, Modellierungen<br />
und numerische Simulationen<br />
durch. „Wir versuchen einen<br />
skalenübergreifenden Ansatz vom Nanometer<br />
bis zum Metermaßstab zu entwickeln“,<br />
so Schlüter.<br />
Das Problem: Mit integralen Methoden<br />
lassen sich zwar Größen wie Druckverlust,<br />
Gasgehalt oder Stoffaustauschleistung<br />
berechnen, aber keine Gas und Konzentrationsverteilungen<br />
sowie Stofftransportlimitierungen<br />
– also keine lokalen Informationen.<br />
Schlüter hofft, dass sich<br />
anhand von experimentell ermittelten, lokalen<br />
Informationen entsprechende numerische<br />
Modelle entwickeln lassen, die<br />
dann den Weg zu analytischen Modellen<br />
weisen. „Wenn wir deren Gültigkeitsbereich<br />
bestimmen können und sie wiederum<br />
als Ausgangspunkt für neue numerische<br />
Simulationen nutzen, lassen sich damit<br />
integrale Modelle verifizieren“, erläuterte<br />
Schlüter.<br />
Modularisierung soll<br />
TimetoMarket verkürzen<br />
In der Verfahrenstechnik ist es nicht nur<br />
wichtig, einen funktionierenden Prozess<br />
zu entwickeln, sondern auch die Zeitspanne<br />
für Planung, Bau und Inbetriebnahme<br />
einer Anlage zu verkürzen. „Denn<br />
die Zeit bis zur Markteinführung entscheidet<br />
zunehmend über den wirtschaftlichen<br />
Erfolg eines Produkts“, sagte Prof.<br />
Dr. Gerhard Schembecker, Inhaber des<br />
Lehrstuhls für Anlagen und Prozesstechnik<br />
an der Technischen Universität Dortmund.<br />
Um die Vision einer um 50 Prozent reduzierten<br />
Projektlaufzeit zu verwirklichen,<br />
gibt es verschiedene Ansätze, die<br />
letztlich nur in ihrer Gesamtheit helfen<br />
werden, dieses Ziel zu erreichen. Ein Ansatz,<br />
den Schembecker erforscht, ist die<br />
Modularisierung der Prozesstechnik. „Wir<br />
suchen quasi den Anzug von der Stange<br />
statt den Maßanzug“, so der Wissenschaftler.<br />
Erforderlich wären hierfür Baukästen<br />
mit Modulen von der Laborausstattung<br />
bis zum Anlagenbau mit Planungselementen<br />
für deren Konstruktion. Auch<br />
der Planungsprozess müsste modularisiert<br />
werden. „Ein Verfahrenstechniker würde<br />
die Anlage dann nicht mehr auf den Punkt<br />
planen, sondern innerhalb eines Korridors“,<br />
sagte Schembecker.<br />
Derzeit arbeitet Schembecker mit Kollegen<br />
aus dem ProcessNetFachausschuss<br />
„Prozess und Anlagentechnik“ an der<br />
Vorbereitung einer Ausschreibung eines<br />
Forschungsprogramms des Bundesministeriums<br />
für Forschung und Technologie:<br />
„Wir versuchen, das Bundesministerium<br />
davon zu überzeugen, einen auf 50 Millionen<br />
Euro veranschlagten Förderschwerpunkt<br />
Laufzeitverkürzung in der Prozessindustrie<br />
aufzulegen.“<br />
Verfahrenstechnik als<br />
Karrieresprungbrett<br />
Dass sich für Nachwuchskräfte in der Verfahrenstechnik<br />
bei <strong>Evonik</strong> aber nicht nur<br />
interessante technologische Fragestellungen<br />
auftun können, verdeutlichten zwei<br />
weitere Referenten. So ist Markus Schulz<br />
als Verfahrenstechniker inzwischen in der<br />
Konzernentwicklung tätig. Dort arbeitet<br />
er an der Entwicklung und Umsetzung der<br />
Konzernstrategie für das Geschäftsfeld<br />
Chemie mit. „Wir unterstützen die Strategieentwicklung<br />
in den Geschäftssegmenten<br />
und erarbeiten einen Vorschlag<br />
für eine entsprechende Ressourcenallokation“,<br />
so Schulz.<br />
Auch Dr. Andreas Hoff hat inzwischen<br />
eine Führungsposition im Unternehmen<br />
inne. Er stieg 2002 nach der Promotion als<br />
Projektingenieur in der Verfahrenstechnik<br />
ein. 2005 übernahm er dann die Leitung<br />
des Technikums der Fluidverfahrenstechnik<br />
in Marl, bevor er 2008 als Manager<br />
Business Development und Market Intelligence<br />
für neue PLEXIGLAS® Produkte<br />
zum Geschäftsbereich Performance Polymers<br />
wechselte. Anschließend übernahm<br />
er 2009 die Leitung des globalen Marktsegments<br />
Solar im Geschäftsgebiet Acrylic<br />
Polymers, bevor sich der Kreis in diesem<br />
Oktober wieder schloss: Hoff leitet nun<br />
die Fluidverfahrenstechnik. „In dieser<br />
Funktion habe ich mit allen sechs Chemie<br />
Geschäftsbereichen bei <strong>Evonik</strong> zu tun“,<br />
sagt Hoff, „ein Job an der Schnittstelle<br />
zwischen Markt und Technik.“777
IntERvIEW<br />
„Wandel im Berufsbild des Ingenieurs“<br />
Warum veranstaltet die verfahrenstechnik<br />
ein professo ren treffen?<br />
klasen: Wir wollen bestehende Kontakte<br />
vertiefen und neue knüpfen. Die Veranstaltung<br />
schafft auch einen Rahmen,<br />
um neue Ideen für eine zukünftige Zusammenarbeit<br />
zu entwickeln. Seitens<br />
<strong>Evonik</strong> sind wir außerdem sehr daran<br />
interessiert, von den Wissenschaftlern<br />
die aktuellen Trends in Forschung und<br />
Lehre zu erfahren. Wir wollen aber auch,<br />
basierend auf den aktuellen Markt bedürfnissen,<br />
unsere Erwartungen und<br />
unsere daraus abgeleiteten Entwicklungsschwerpunkte<br />
zurückspiegeln. Besonders<br />
an der Schnittstelle zwischen Verfahrensentwicklung<br />
für den Herstellprozess<br />
der Spezialchemikalien und der Anwendungsentwicklung<br />
kann die Verfah renstechnik<br />
wichtige Beiträge leisten.<br />
vERfahREnStEChnIk vERfahREnStEChnIk 33<br />
Der Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering von <strong>Evonik</strong> lebt das Prinzip<br />
der Open Innovation. Dazu gehört auch das regelmäßig stattfindende Professorentreffen.<br />
Dr. Claas Klasen, Leiter des Servicebereichs, und Dr. Jörg Sauer, Leiter<br />
der Abteilung Reaktionstechnik und Organisator des Treffens, erläutern die Ziele.<br />
Dr. Jörg Sauer<br />
Leiter Reaktionstechnik im Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik & Engineering<br />
Dr. Claas klasen<br />
Leiter des Servicebereichs<br />
Verfahrenstechnik & Engineering<br />
Sauer: Ein wichtiges Ziel ist für uns die<br />
drastische Verkürzung der Projekt laufzeiten<br />
für die Entwicklung und Realisierung<br />
von Anlagen. Hier sind wir auch<br />
auf die Unterstützung unserer Part ner<br />
an Hoch schulen und Forschungs institu ten<br />
angewiesen.<br />
haben Sie weitere botschaften für die<br />
Wissen schaft?<br />
klasen: Natürlich wollen wir bei den<br />
Professoren auch für uns als attraktiver<br />
Arbeitgeber werben, schließlich haben<br />
sie viele talentierte Nachwuchskräfte zu<br />
bieten. Und Ingenieurswissen spielt in der<br />
chemischen Industrie eine immer wichtigere<br />
Rolle. Das Berufsbild des Ingenieurs<br />
verändert sich dadurch – was neue Karrierechancen<br />
eröffnet. Darüber sollten<br />
auch die Hochschulen Bescheid wissen.<br />
Sauer: Das Berufsbild der Verfahrenstechniker<br />
wird zunehmend breiter. Vor<br />
20 Jahren waren Betriebsleiter in der<br />
chemischen Industrie in der Regel Chemiker,<br />
denen ein Betriebsingenieur zugeordnet<br />
war. Die gesamte Organisation<br />
wurde überwiegend von Chemikern<br />
geführt. Heute gilt das nicht mehr so<br />
pauschal. Viele Betriebe werden von Ingenieuren<br />
geführt. Ingenieure arbeiten<br />
bei <strong>Evonik</strong> aber zum Beispiel auch in<br />
der Anwendungstechnik, in Marketing<br />
und Business Develop ment oder gar im<br />
Corporate Controlling.<br />
Warum ist das so?<br />
Sauer: Für die Produktion gilt: Oft ist<br />
die zugrunde liegende Chemie bekannt.<br />
Entscheidend ist daher, dass der Prozess<br />
und die Anlagentechnik als Ganzes<br />
betrachtet werden. Und wenn es um Anwendungen<br />
geht, hat <strong>Evonik</strong> auf Kunden <br />
seite viel mit Ingenieuren zu tun – etwa<br />
in der Automobil oder Elektroindustrie.<br />
Ingenieure sprechen die gleiche Sprache.<br />
lässt sich diese wachsende bedeutung<br />
der Ingenieure mit Zahlen belegen?<br />
klasen: In den vergangenen zehn Jahren<br />
hat der Servicebereich Verfahrenstechnik<br />
& Engineering mehr als 300 Mitarbeiter<br />
fit für Führungspositionen im<br />
Konzern gemacht. Diese Zahl muss man<br />
in Relation zu den rund 650 Beschäftigten<br />
sehen, die bei <strong>Evonik</strong> in diesem Servicebereich<br />
arbeiten.<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
34 nEWS<br />
FOTO: KIERON THWAITES Lacke<br />
mit VESTOSINT® glänzen in Durbans Flughafen<br />
Nicht nur die deutsche Fußballnationalmannschaft hat in Durban<br />
bei der FIFA Weltmeisterschaft 2010 gut gepunktet: Offensichtlich<br />
kam auch die Qualität eines CoilCoatingLackes für den<br />
neuen King Shaka Flughafen gut an. Und die stützt sich nicht zuletzt<br />
auf einen Inhaltsstoff von <strong>Evonik</strong> – das Polyamid12Feinpulver<br />
VESTOSINT®.<br />
Rechtzeitig vor dem großen Fußballfest in Südafrika wurde<br />
der neue internationale Flughafen in Durban, einem der zehn<br />
Spielorte, zum 1. Mai 2010 in Betrieb genommen. Er ist für 7,5<br />
Millionen Passagiere ausgelegt und hat auch eine Fluggastbrücke<br />
für den neuen Airbus A380. Bei seinem Bau kamen für Fassaden<br />
und Dächer aus Stahl 12.000 Liter CoilCoatingLack in<br />
einem modernen, neutralen Grauton zum Einsatz. Dieser Lack<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
enthält als Additiv das Polyamid12Feinpulver VESTOSINT®,<br />
das für eine abriebbeständige, hochelastische Struktur sorgt:<br />
Die Polyamide sind in der Lage, selbst schlagartig auf die Lackierung<br />
einwirkende Kräfte zu absorbieren und den Lack vor Rissbildung<br />
zu schützen. Nach dem gleichen Prinzip wirken in vielen<br />
Kunststoffen Schlagzähigkeitsverbesserer, ohne die mancher<br />
Kunststoff spröde wäre. Darüber hinaus sorgt VESTOSINT®<br />
Feinpulver für eine sehr gute Schmutzabweisung, die besonders<br />
im ArchitekturAußeneinsatz zum Tragen kommt. Die Abriebbeständigkeit<br />
des Lacks wird erhöht, da die Polyamidteilchen<br />
durch chemische Bindungen in der Beschichtung verankert sind<br />
und durch Reibung nicht herausgelöst werden können.<br />
In Einbrennlacken bewirken die Polyamide außerdem gleichmäßig<br />
feine Strukturoberflächen, die durch die Kornverteilung der<br />
Polyamidpulver variiert werden können, sowie einen seidenmatten<br />
Glanz, der durch die unterschiedliche Lichtbrechung von<br />
Lackharz und Polyamid verursacht wird. Die Beschichtungen<br />
enthalten keine Mattierungsmittel, die die Witterungsbeständigkeit<br />
und Verformbarkeit beeinträchtigen könnten. Die angebotenen<br />
VESTOSINT® Feinpulver unterscheiden sich in Korngröße<br />
und Korngrößenverteilung. Sie können einzeln oder in<br />
Mischung eingesetzt werden und bewirken die gewünschte<br />
Struktur.<br />
Die Fassaden und Dächer des neuen<br />
King Shaka Flughafens in Durban sind<br />
durch Coil-Coating-Lack mit VESTOSINT®<br />
hervor ragend gegen Abrieb, Rissbildung<br />
und Schmutz geschützt<br />
Deutliche Kapazitätssteigerung bei gefällten Kieselsäuren<br />
<strong>Evonik</strong> Industries plant, seine Kapazitäten<br />
bei Silica (gefällten Kieselsäuren) in den<br />
kommenden vier Jahren deutlich zu steigern.<br />
„Bis zum Jahr 2014 bauen wir die<br />
weltweiten Kapazitäten in unseren vorhandenen<br />
Werken schrittweise um 25<br />
Prozent aus und stellen damit die Belieferung<br />
unserer globalen Kunden sicher“,<br />
sagte Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender<br />
von <strong>Evonik</strong> Industries.<br />
Die Investitionssumme für diese Erhöhung<br />
wird sich im mittleren zweistelligen<br />
MillionenEuroBereich bewegen. Insgesamt<br />
wird sich die Kapazität um einen<br />
sechsstelligen Tonnenbereich erhöhen<br />
und findet schwerpunktmäßig an den bestehenden<br />
SilicaStandorten von <strong>Evonik</strong> in<br />
Asien und Europa statt. Bereits im Mai<br />
2010 gab <strong>Evonik</strong> eine Kapazitätserweiterung<br />
für gefällte Kieselsäuren seiner<br />
Tochtergesellschaft INSILCO Ltd. im indischen<br />
Gajraula bekannt.<br />
Mit den Ausbauplänen untermauert<br />
der Konzern seinen Anspruch, das Wachstum<br />
seiner Kunden als strategischer Partner<br />
zu begleiten. „<strong>Evonik</strong> ist Marktführer<br />
bei gefällten Kieselsäuren. Der Markt<br />
wächst in den kommenden Jahren nachhaltig,<br />
durch unsere Kapazitätserweiterung<br />
wollen wir die steigende Nachfrage<br />
befriedigen und mit dem Markt weiter<br />
wachsen,“ erläuterte Thomas Hermann,<br />
Leiter des dafür zuständigen Geschäftsbereichs<br />
Inorganic Materials. <strong>Evonik</strong> stellt<br />
so in allen Regionen die Verfügbarkeit seiner<br />
gefällten Kieselsäuren weiterhin sicher.<br />
Produktinnovationen unterstützen den<br />
Ausbau der guten Marktposition: Die Spezialkieselsäuren<br />
SIPERNAT®288 und<br />
SIPERNAT®268 wurden für hochtransparente<br />
Silikonkautschukanwendungen, wie<br />
Tastaturen für Mobiltelefone, Computer<br />
und Fernbedienungen, entwickelt. Weitere<br />
Produkte für die Reifen und Life Science<br />
Industry befinden sich derzeit in der<br />
Markteinführung, vor allem in Asien.<br />
Die Einsatzmöglichkeiten von gefällten<br />
Kieselsäuren sind vielfältig: Silica ist in<br />
Kombination mit Organosilanen ein bedeutender<br />
Bestandteil des rollwiderstandsreduzierten<br />
Leichtlaufreifens. Silica<br />
wird zudem als Träger und Fließhilfsmittel<br />
in der Futter und Nahrungsmittelindustrie<br />
eingesetzt. Außerdem werden sie<br />
als Additive in der Farben und Lackindustrie<br />
sowie als Putzkörper in der Zahnpastenherstellung<br />
verwendet. <strong>Evonik</strong> produziert<br />
Silica an zehn Standorten in acht Ländern<br />
weltweit.
Mit Reflektorsockeln basierend auf VESTAMID®<br />
HTplus lassen sich auch kleinste LEDs herstellen<br />
PLEXIGLAS® Fassade für Münchner Wetterturm<br />
Den neuen HightechWetterturm der<br />
Technischen Universität München (TUM)<br />
am Campus Garching umhüllt eine transparente<br />
Fassade aus PLEXIGLAS® Platten<br />
von <strong>Evonik</strong>. Das neue Wahrzeichen der<br />
TUM wurde nach dreijähriger Planungs<br />
und Bauzeit im Juli eingeweiht. „Als Chemiker<br />
wollte ich eine Hülle aus Hightech<br />
Chemie“, sagte TUMPräsident Prof. Dr.<br />
Wolfgang A. Herrmann in seiner Rede bei<br />
der Eröffnungsfeier. „PLEXIGLAS® ist die<br />
ideale Lösung.“<br />
Der 50Meter hohe OskarvonMiller<br />
Turm sammelt meteorologische Daten wie<br />
Temperatur, Sonnenstrahlung und Windgeschwindigkeit<br />
mit neuester technischer<br />
Ausstattung. Auch die Architektur ist auf<br />
höchstem Niveau. Dazu trägt der Materialmix<br />
aus sanft anmutendem PLEXIGLAS®<br />
sowie hartem Stahl und Beton bei. So<br />
scheint durch die transparente vertikale<br />
Fassade die Stahlbetonkonstruktion durch<br />
und enthüllt das Innere. Um den Blick hinter<br />
die Fassade zu ermöglichen, waren die<br />
Architekten des Münchner Büros Deubzer<br />
König & Rimmel auf hochtransparentes<br />
Fassadenmaterial angewiesen, das zudem<br />
witterungs und UVbeständig ist. Die<br />
Wahl fiel daher auf PLEXIGLAS®, da dieses<br />
allen Wetterlagen standhält.<br />
So leuchten LEDs länger strahlend hell<br />
nEWS 35<br />
Reflektorsockel haben maßgeblichen Ein fluss auf die Qualität von LEDs: Je<br />
weißer die Reflektorsockel sind, desto höher ist auch der Reflexionsgrad und<br />
damit die Lichtausbeute. Sockel aus VESTA MID® HTplus, einem Polyphthalamid<br />
PA10T von <strong>Evonik</strong>, bleiben über einen langen Zeit raum rein weiß, so<br />
dass die LED weiterhin hell leuchtet und eine konstant hohe Lichtausbeute<br />
gewährleistet ist. Dadurch wird die Lebensdauer der Leuchtdioden deutlich<br />
verlängert. VESTAMID® HTplus ist außerdem besonders umweltfreundlich,<br />
da es zu 50 Prozent aus biobasierten Rohstoffen hergestellt wird.<br />
Herkömmliche Reflektorsockel vergilben im Laufe der Zeit durch die<br />
Einwirkung von Licht und Wärme. Damit verringern sich entsprechend<br />
auch der Reflexionsgrad und die Lichtausbeute kontinuierlich, bis die Lichtdiode<br />
schließlich ausgetauscht werden muss. Dies verhindern Sockel aus<br />
VESTAMID® HTplus. Möglich wird dies durch die sehr helle Eigenfarbe des<br />
Materials in Kombination mit seiner herausragenden UVStabilität. Dank<br />
der niedrigen Wasserabsorption besitzt das Polyphthalamid zudem eine<br />
hohe Dimensionsstabilität, so dass es einfacher zu verarbeiten ist und sich<br />
für den Einsatz in besonders kleinen LEDs eignet. Die sehr gute Haftung<br />
auf Metall und Silicon unterstützt ebenfalls den Trend zur Miniaturisierung.<br />
Die Fassade erfüllt außerdem eine<br />
ganz spezielle Funktion: Sie dient als Projektionsfläche,<br />
beispielsweise für Wetterdaten,<br />
aktuelle Informationen zum Campusleben<br />
und für wissenschaftliche Bilder.<br />
Text und Bild, die von innen auf die Fläche<br />
projiziert werden, sind dort deutlich zu<br />
lesen, denn die Elemente aus PLEXIGLAS®<br />
mit einer leichten lichttechnischen Weißeinfärbung<br />
verfügen über eine hohe<br />
Transmission von 88 Prozent. Die Projektionen<br />
erscheinen damit leuchtstark auf<br />
dem Material.<br />
Jedes der 210 Fassadenelemente ist ein<br />
Unikat, alle haben verschiedene Radien<br />
und Krümmungen aufgrund der Geometrie<br />
des Turmes. Für die Montage der Platten<br />
betraten die Architekten Neuland: Sie<br />
entwickelten Punktlagerungen, um die<br />
optische Anmut des Materials nicht durch<br />
Trägerprofile aus Aluminiumleisten zu<br />
stören. Dabei werden die Platten von<br />
schlanken Punkthaltern fixiert, so sind die<br />
Stoßfugen zwischen den Fassadenringen<br />
auf ein minimales Maß reduziert.<br />
„Der Wetterturm zeigt, dass sich mit<br />
PLEXIGLAS® ganz neue Möglichkeiten für<br />
Architekten ergeben, man muss einfach<br />
danach greifen“, sagt Thomas Ries, Architekt<br />
im Geschäftsgebiet Acrylic Polymers.<br />
Der Wetterturm der<br />
Technischen<br />
Universität München<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
UV-härtende Silicone als Trennbeschichtung<br />
Clever kleben wie von selbst<br />
Nichts ist leichter als kleben. Und nichts ist so komplex wie selbstklebende<br />
Laminate, die allen Anforderungen einer modernen Massenproduktion gerecht<br />
werden sollen. <strong>Evonik</strong> Industries entwickelt seit 25 Jahren UV-härtende<br />
Silicone für innovative Trennbe schichtungen, die ein Plus an Effizienz, Wirt-<br />
schaftlichkeit und Nachhaltigkeit versprechen.<br />
[ text Dr. Winfried Hamann, Annegret Lange, Mikko Meyder ]<br />
Hightech: der Klebeverschluss<br />
von Babywindeln
WaS habEn babyWInDElvERSChlüSSE, Adressaufkleber,<br />
grafische Folien und Teppichklebeband gemeinsam? Sie kleben<br />
von selbst. Jeder hat tagtäglich mit Produkten zu tun, die selbstklebende<br />
Teile tragen. Doch auch hier gilt wie in vielen Bereichen<br />
der technischen Innovationen: Was für den Anwender einfach,<br />
kosten und zeitsparend zu handhaben ist, basiert auf komplexen<br />
Materialverbünden, die umfangreiches Knowhow, Kompetenz<br />
und langjährige Erfahrung verlangen.<br />
Selbstklebende Produkte sind Vielschichtsysteme. Ein Etikettenlaminat<br />
beispielsweise besteht aus vier Schichten: dem<br />
Träger, dem Klebstoff, dem eigentlichen bedruckbaren Etikett<br />
und einer hauchdünnen Trennbeschichtung auf Siliconbasis.<br />
„Unsichtbar, aber ausschlaggebend für die Funktion, sorgt diese<br />
Trennbeschichtung dafür, dass sich das Etikett einfach und rückstandsfrei<br />
vom Träger, dem Release Liner, ablöst“, sagt Dr. Winfried<br />
Hamann, Leiter der Anwendungstechnik für RC Silicone.<br />
(Abb. 1)<br />
Selbstklebende Laminate sind keine neue Erfindung. In Standardprodukten,<br />
wie sie seit ungefähr 50 Jahren genutzt werden,<br />
verwendet man als Träger Glassinepapier – ein unter großem<br />
Druck und hohen Temperaturen geglättetes Spezialpapier. Das<br />
oft blau oder gelb eingefärbte Material wird in der Regel mit<br />
Siliconen beschichtet, die anschließend thermisch gehärtet<br />
werden.<br />
Diese Systeme haben Nachteile. Das Glassinepapier muss vollkommen<br />
holzfrei sein und ist daher relativ teuer. Die thermische<br />
Härtung ist zudem ein energieintensiver Prozess, da die Silicone<br />
bei über 110 Grad Celsius vernetzt werden. Zwar gibt es Formulierungen,<br />
die bei geringeren Temperaturen aushärten, allerdings<br />
läuft dann die chemische Vernetzung deutlich langsamer –<br />
die Beschichtungsanlage hat einen entsprechend geringeren<br />
Durchsatz. Nicht zuletzt: Wegen der hohen Temperaturen kön<br />
Abbildung 1<br />
Aufbau eines Etikettenlaminats<br />
Etikett<br />
Haftklebstoff<br />
Silicon<br />
Träger<br />
CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 37<br />
nen thermisch härtende Silicone nicht für Thermopapiere oder<br />
für besonders leichte und dünne Träger aus thermisch empfindlichen<br />
Kunststoffen einsetzt werden.<br />
Mit UVCStrahlung in<br />
Sekundenbruchteilen härten<br />
Die bessere Alternative sind Release Liner, die mit strahlenhärtenden<br />
Siliconen (Radiationcured Silicones) ausgerüstet werden.<br />
Dabei werden entsprechend modifizierte Siliconmoleküle nicht<br />
thermisch, sondern durch Bestrahlung mit UVCLicht vernetzt.<br />
Mit in der Industrie üblichen Quecksilberdampflampen geht das<br />
in Bruchteilen von Sekunden, ist zudem energiesparender und<br />
kostengünstiger als die thermische Variante.<br />
Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der <strong>Evonik</strong>Geschäftsbereich<br />
Consumer Specialties in Essen, der seit exakt 25 Jahren TEGO®<br />
RC Silicone entwickelt. Schon im Gründungsjahr 1985 war für<br />
die damals Beteiligten klar: „Das Segment der strahlenhärtenden<br />
Systeme eröffnet ein so großes Potenzial, dass wir damit auf<br />
längere Sicht einen fundierten Meilenstein setzen.“<br />
Das Potenzial ist tatsächlich riesig: Der Weltmarkt für selbstklebende<br />
Produkte beläuft sich auf rund 32 Milliarden Quadratmeter<br />
jährlich – das entspricht knapp einem Zehntel der Fläche<br />
Deutschlands. Der weltweite Umsatz liegt bei etwa 4,4 Milliarden<br />
USDollar. Den Löwenanteil mit rund 52 Prozent bilden<br />
selbstklebende Etiketten aller Art, ein gutes Zehntel entfällt auf<br />
Klebebänder etwa für Verpackungen, jeweils acht Prozent auf<br />
Hygieneprodukte wie zum Beispiel Babywindelverschlüsse und<br />
auf Industrieanwendungen wie etwa Fußbodenbeläge und<br />
Schutzfolien. Der Rest verteilt sich auf zahlreiche Produkte des<br />
täglichen Lebens wie Briefumschläge, Briefmarken oder Tapetenbordüren.<br />
333<br />
Anwendungen für selbstklebende Materialien. Die nicht gezeigten zwölf<br />
Prozent verteilen sich auf zahlreiche Produkte des täglichen Lebens wie<br />
Briefmarken oder Tapetenbordüren. Insgesamt hat der Weltmarkt für Papier<br />
und Folien träger ein Volumen von ca. 32 Milliarden Quadratmeter bzw. 4,4<br />
Milliarden USDollar<br />
Etikettenlaminate<br />
Standardetiketten,<br />
Klarsichtetiketten<br />
Marktanteil 52 %<br />
Klebebänder<br />
Automobilteile,<br />
Verpackung, Büro<br />
Marktanteil 12 %<br />
Hygieneprodukte<br />
Höschenwindeln,<br />
Damenhygiene<br />
Marktanteil 8 %<br />
Schutzfolien<br />
Buchschutzhüllen<br />
Schutzfilme, Dekorfolien<br />
Marktanteil 8 %<br />
Bauindustrie & Isolierung<br />
Dämm und Isolierstoffe,<br />
Fußbodenbeläge,<br />
Schaumstoffe, Bitumen<br />
Marktanteil 8 %<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
38 CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />
Bedeutung von<br />
Klebeprozessen nimmt zu<br />
Eine ganze Reihe von Trends in wichtigen Branchen der Industrie<br />
wird den Einsatz von selbstklebenden Produkten weiter<br />
steigern. So wächst die Bedeutung von Klebeprozessen in technisch<br />
anspruchsvollen Applikationen wie beispielsweise der Automobilindustrie<br />
– hier ist Kleben in vielen Anwendungen<br />
gleichwertig mit mechanischer Befestigung. Manche Anwendungen,<br />
z. B. in der Elektroindustrie, werden durch Kleben überhaupt<br />
erst möglich. Auch die steigenden Ansprüche an die Auszeichnung<br />
von Verpackungen wären ohne dauerhafte, sichere<br />
und flexible Etiketten nicht zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem<br />
Sicherheitsetiketten für teure Kosmetika und Medikamente<br />
oder Thermoetiketten, die mit RC Siliconen direkt beschichtet<br />
werden können und dann keinen Träger mehr benötigen.<br />
Was die SiliconExperten des damaligen Unternehmens Goldschmidt<br />
vor 25 Jahren nicht absehen konnten: Alternativen brauchen<br />
ihre Zeit, bis sie sich durchsetzen – die Investition in neue<br />
Technologie bedeutet neben Chancen eben auch immer ein gewisses<br />
Risiko. Zudem ist die Investitionsbereitschaft natürlich<br />
in starkem Maße davon abhängig, inwieweit funktionierende<br />
Anlagen der alten Technologie verfügbar sind. Für die Zukunft<br />
besteht aber Anlass zur Zuversicht, denn unbestritten ist: TEGO®<br />
RC Silicone sind mittlerweile ausgereift genug, um sowohl die<br />
hohen technischen Anforderungen als auch wirtschaftliche und<br />
ökologische Wünsche der Kunden an Trennbeschichtungen für<br />
Etiketten zu erfüllen.<br />
In den vergangenen Jahren entwickelten die Spezialisten bei<br />
<strong>Evonik</strong> eine Vielzahl von Produkten und Formulierungen, die<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
Platz- und energiesparend: Nach dem<br />
Auftragen über ein Mehrwalzensystem<br />
(links) härten die Silicontrenn beschichtungen<br />
in der UV-Kammer (Mitte)<br />
bereits bei Temperaturen nahe der Umgebungstemperatur<br />
in Sekunden bruchteilen<br />
aus. Deshalb sind sie auch für<br />
hitzeempfindliche Substrate ge eignet<br />
auf die Anforderungen der Kunden, in der Regel Hersteller von<br />
Selbstklebelaminaten und Klebebändern, zugeschnitten sind.<br />
Die Trennbeschichtungsmasse besteht meist aus mehreren Komponenten,<br />
deren mengenmäßige Zusammensetzung unter anderem<br />
maßgeblich den Trennwert bestimmt. Er ist ein Maß für die<br />
Kraft, die notwendig ist, um das Etikett beispielsweise in Maschinen<br />
der Lebensmittel oder Verpackungsindustrie verlässlich<br />
und sauber vom Träger (Substrat) zu lösen.<br />
Chemisch wird der Trennwert bestimmt durch die Kettenlänge<br />
der vernetzten Silicone und durch Stellung und Anzahl der<br />
aktiven Gruppen im Molekül. Er hängt allerdings auch vom Klebstoff,<br />
der Oberfläche und dem Material des Substrats ab. Daher<br />
braucht die Entwicklung der optimalen Rezeptur viel Erfahrung<br />
und entsprechendes Knowhow.<br />
Wahlweise radikalisch oder<br />
kationisch vernetzen<br />
Eine wesentliche Voraussetzung zum Einsatz von RC Siliconacrylaten<br />
ist die Inertisierung des Reaktionsraums mit Stickstoff.<br />
Da die Siliconacrylate über Radikale vernetzen, würde Luftsauerstoff<br />
die aktiven Gruppen besetzen und die Reaktion unterbinden.<br />
Die Spezialisten bei <strong>Evonik</strong> entwickelten daher eine spezielle<br />
Stickstoffspülung, die sicherstellt, dass der Restgehalt an<br />
Sauerstoff in der Härtungskammer unter 50 ppm liegt. Die Inertisierung<br />
ist sicher, ungefährlich und erzeugt nur unwesentliche<br />
Mehrkosten.<br />
Eine Alternative ist die kationische Vernetzung von Epoxysiliconen.<br />
Hier benötigt der Reaktionsraum keine Stickstoffspülung,<br />
allerdings sind die Katalysatoren empfindlich gegen<br />
Vergiftung beispielsweise durch Additive im Trägermaterial.<br />
(Abb. 2) 333
CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 39<br />
Abbildung 2<br />
<strong>Evonik</strong> bietet für strahlenhärtende Trennbeschichtungen sowohl radikalisch<br />
härtende Siliconacrylate (oben) als auch kationisch härtende Epoxysilicone<br />
(unten) an. Die radikalisch härtenden Silicone lassen sich auf beliebigen<br />
Substraten verwenden, härten sehr schnell und eignen sich deshalb sehr gut<br />
für InlineProzesse; sie benötigen jedoch eine Inertisierung mit Stickstoff.<br />
Siliconacrylate Epoxysilicone<br />
Relative Intensitäten charakteristischer Banden im Infrarotspektrum<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
Zeit [sec]<br />
Die kationisch härtenden Silicone brauchen keine Inertisierung und sind deshalb<br />
einfacher zu handhaben; sie härten jedoch nach, wie die Grafik zeigt, und<br />
können nicht auf allen Substraten eingesetzt werden, da die Katalysatoren<br />
durch Additive im Substrat vergiftet werden können<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
Die Technikumsanlage in Essen enthält<br />
alle wesentlichen Prozessschritte zur<br />
Herstellung von Selbstklebeprodukten:<br />
Siliconisierung, Klebstoffbeschich tung<br />
und -trocknung, Laminierung und<br />
Schneideeinrichtung. Sie kann sowohl<br />
zur Inline- als auch zur Offline-Produktion<br />
genutzt werden und arbeitet<br />
mit einer Geschwindigkeit von bis<br />
zu 100 Meter pro Minute<br />
Abbildung 3<br />
Preisvergleich zwischen Glassinepapier, das mit einem thermisch härtenden<br />
Silicon beschichtet wurde, und einer BOPPFolie, die mit UVhärtendem<br />
Silicon beschichtet wurde<br />
0<br />
Glassinepapier 55µm mit thermisch härtendem Silicon<br />
BOPPStandardkunststoff 30µm mit UVhärtendem Silicon<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
+ 25 %<br />
20 40 60<br />
80<br />
100<br />
Relative Rohstoffkosten [%]<br />
333TEGO®<br />
RC Silicone haben gegenüber herkömmlichen, thermisch<br />
gehärteten Trennschichten eine Reihe gewichtiger Vorteile:<br />
Sie sind lösemittelfrei. Die Anlagen sind kompakt, da Aggregate<br />
für Aufheizen, Abkühlen und Nachhärtung überflüssig<br />
werden. Der Härtungsprozess verbraucht zudem weniger Energie,<br />
da keine hohen Temperaturen benötigt werden.<br />
Für temperaturempfindliche Substrate geeignet<br />
Ein Beispiel für solche temperaturempfindlichen Substrate ist<br />
zweifach verstreckte Polypropylenfolie (BOPP). Sie ist als Träger<br />
nur 30 Mikrometer stark und damit nur etwa halb so dick<br />
wie Glassine. Durch BOPPFolie wird das Laminat insgesamt um<br />
rund 20 Prozent dünner als Laminate auf Papierbasis, daher passt<br />
ein Fünftel mehr Material auf eine Mutterrolle. Das spart bei<br />
Produktion und Weiterverarbeitung Transportvolumen, Lagerfläche<br />
und Arbeitszeit durch weniger Rollenwechsel. Da die<br />
Oberfläche der Kunststofffolie zudem im Vergleich zu Papier<br />
glatter und geschlossener ist, benötigen BOPPSubstrate rund<br />
ein Viertel weniger Silicon.<br />
Innovationen sind teuer und neu entwickelte Alternativen<br />
erhöhen die Kosten – diese weit verbreitete Einschätzung trifft<br />
auf TEGO® RC Silicone beim genauen Hinsehen nicht zu (Abb. 3).<br />
Zwar sind bei der Herstellung einige Produktionsschritte zusätzlich<br />
notwendig, so dass die Preise in etwa doppelt so hoch<br />
sind wie für thermisch härtende Systeme. Für die Beurteilung<br />
der Kosteneffizienz ist allerdings nicht der Kilogrammpreis ausschlaggebend,<br />
sondern die Gesamtkostenbilanz: Wie teuer ist<br />
die Trennbeschichtung pro Quadratmeter Haftlaminat? 333
ökobIlanZ<br />
Kunststoff zeigt günstigere Ökobilanz als Papier<br />
Wertstoff statt Abfall<br />
Siliconbeschichtete Polypropylenfolie als<br />
Träger selbstklebender Produkte hat<br />
technische und ökonomische Vorteile gegenüber<br />
herkömmlichen Laminaten auf<br />
Glassinepapier. Doch ist ein Wechsel vom<br />
Papier zum Kunststoff auch ökologisch<br />
sinnvoll? Wird eine günstige Ökobilanz<br />
nicht gegen eine schlechtere getauscht?<br />
Fakt ist: Allein in Europa fallen im Jahr<br />
rund 250.000 Tonnen siliconbeschichtetes<br />
Glassinepapier als Abfall an. Das Silicon<br />
macht ein Recycling ausgesprochen schwierig,<br />
so dass der Großteil des Materials deponiert<br />
oder verbrannt wird; das verursacht<br />
zwangsläufig Kosten. Durch den wesentlich<br />
leichteren und dünneren BOPP-Kunststoff<br />
halbiert sich zum einen die Abfallmenge.<br />
Abbildung a<br />
Vergleich der Abfallmenge von Glassinepapier und BOPPKunststoff<br />
in Kilogramm pro 1.000 Quadratmeter. Weil der Kunststoff<br />
wesentlich leichter und dünner ist, halbiert sich die Abfallmenge nahezu<br />
0<br />
Glassinepapier 55µm BOPPStandardkunststoff 30µm<br />
– 55 %<br />
Abfallmenge [kg/1.000m2 10 20 30 40 50 60 70<br />
]<br />
Zum anderen kann das Polymer stofflich<br />
ohne Probleme verwertet werden – das<br />
sortenreine BOPP ist ein begehrter Sekundärrohstoff,<br />
aus dem Recycler zum Beispiel<br />
Blumentöpfe, Wickelhülsen und Verglasungs<br />
klötze zur Fenstermontage herstellen.<br />
Derzeit steigt die Nachfrage nach gebrauchter<br />
Folie deutlich an, da die Preise<br />
für frisches Polypropylen wieder steigen.<br />
Einen umfassenden ökologischen<br />
Vergleich von Papier und Polypropylen hat<br />
das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,<br />
Energie im Auftrag von <strong>Evonik</strong> erstellt.<br />
Die Wissenschaftler erstellten eine Ökobilanz<br />
sowohl für Glassinepapier, beschichtet<br />
mit thermisch gehärtetem Silicon, als<br />
auch für BOPP-Folie, die mit UV-härten dem<br />
CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 41<br />
Silicon beschichtet wurde. Sie bewerteten<br />
dabei nicht nur die Materialien selbst,<br />
sondern deren gesamten Lebensweg – von<br />
der Rohstoffgewinnung über die Verar -<br />
bei tungsprozesse bis zur Entsorgung bzw.<br />
Ver wertung.<br />
Die Studie kommt zu einem eindeutigen<br />
Ergebnis: Sowohl beim Treibhausgaspo -<br />
ten zial als auch beim Verbrauch von biotischen<br />
und abiotischen Rohstoffen schneidet<br />
BOPP besser ab als Glassine. Auch die<br />
Unterschie de beim kumulierten Energieaufwand<br />
sind auffällig. Die Herstellung von<br />
Glassine braucht viel Energie, da das Spezialpapier<br />
aus reinem, frischem Zellstoff produziert<br />
werden muss, damit es völlig holzfrei<br />
ist. BOPP-Folie wird zwar aus Erdöl<br />
hergestellt, das Recycling gebrauchter Folie<br />
aber senkt unter dem Strich den Energie -<br />
ver brauch deutlich. Der kumulierte Energieaufwand<br />
zur Herstellung eines Quadratmeters<br />
liegt dadurch für den Kunststoff um<br />
80 Prozent niedriger. (Abb. a)<br />
Der Druck auf die Branche, technische<br />
Lösungen für eine stoffliche Verwertung<br />
der Release Liner zu entwickeln, steigt<br />
ständig, in einigen Ländern darf Glassine<br />
bereits heute nicht mehr billig deponiert<br />
werden. Zudem sind die anfallenden Mengen<br />
nennenswert, so dass sie für Recycling-<br />
Unternehmen eine interessante Rohstoffquelle<br />
darstellen. „ In wenigen Jahren werden<br />
BOPP-Liner in der Etikettenindustrie<br />
Stand der Technik sein – beschichtet mit<br />
unseren TEGO® RC Siliconen“, meint<br />
Mikko Meyder, Global Marketing Manager<br />
des Geschäftssegments RC Silicone.<br />
Vergleich des kumulierten Energieaufwands zur Herstellung von<br />
jeweils einem Quadratmeter BOPP und Glassinepapier. Durch<br />
das Recycling gebrauchter BOPPFolie – dies ist beim Glassinepapier<br />
nicht möglich – schneidet BOPP hier deutlich besser ab<br />
Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie<br />
0<br />
Glassinepapier inkl. Müllverbrennung<br />
BOPP BOPP inkl. Recycling<br />
Energieverbrauch [MJ/m2 1 2 3<br />
]<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
42 CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />
Nicht nur technische,<br />
sondern auch ökonomische<br />
und ökologische Vorteile<br />
Hier zeigt sich, dass die UVSilicone gegenüber der thermischen<br />
Alternative Kosten sparen. Der Vergleich der Rohstoffpreise<br />
spricht für den Kunststoff. Zwar hat die Wirtschaftskrise die<br />
Rohstoffpreise auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Dennoch ist<br />
BOPPFolie als Träger preiswerter als Glassinepapier, da das Polypropylen<br />
als Standardkunststoff beispielsweise für Verpackungsfolien<br />
und die Heißversiegelung gehandelt wird. Der niedrige<br />
Preis der Folien gleicht den Mehrpreis für UVSilicone mehr<br />
als aus.<br />
Die ökonomischen und technischen Vorteile beginnen am<br />
Markt zu wirken. Einer der großen Laminathersteller in Europa<br />
hat mit der Umstellung von PapierLiner auf Folien begonnen.<br />
Auch Unternehmen, die Wert auf Nachhaltigkeit ihrer eingesetzten<br />
Materialien legen, finden hier ihre Ansprüche erfüllt:<br />
Mit RC Siliconen beschichtete Kunststoffträger sind leichter und<br />
vor allem ökologischer, weil sie das Abfallaufkommen mindern<br />
und zu hochwertigen Produkten recycelbar sind (s. Infokasten<br />
S. 41).<br />
Insbesondere im Ausland wächst die Nachfrage. Schwellenländer<br />
mit starkem Wirtschaftswachstum wie China und Brasilien<br />
haben einen großen Bedarf an Konsumgütern und damit<br />
auch an modernen Etikettiersystemen. Allein in China wächst<br />
der Markt für Selbstklebeetiketten pro Jahr um rund 15 Prozent.<br />
Zahlreiche Etikettenhersteller und Druckereien sind dort auf<br />
der Suche nach kompakten, langlebigen Anlagen mit relativ niedrigem<br />
Invest. Dabei hat Technologie made in Germany ein besonders<br />
gutes Image. Um auf diese Entwicklung zu reagieren,<br />
hat <strong>Evonik</strong> im Jahr 2009 das Competence Center Shanghai eröffnet.<br />
Hier können asiatische Kunden auf einer Laborbeschichtungsanlage<br />
maßgeschneiderte RCFormulierungen ausprobieren<br />
und sich von den Vorteilen der Strahlenhärtung ein eigenes<br />
Bild machen.<br />
Neben einem vergleichbaren Competence Center in Hopewell<br />
(Virginia, USA) verfügt <strong>Evonik</strong> in Europa, Asien und Südamerika<br />
über vier mobile UVHärtungsstationen – sie stehen<br />
bereit für Marktteilnehmer, die selbst Erfahrungen mit der Strahlenhärtung<br />
machen wollen. Auch das RCTechnikum in Essen<br />
bietet Kunden seit 2005 die Möglichkeit, eine Vielzahl von Klebstoffen,<br />
Trägermaterialien und Oberflächen zu testen und an die<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />
jeweilige Anwendung anzupassen. Die Anlage ist in der Lage, in<br />
einem Durchgang Substrate zu siliconisieren, Klebstoffe aufzutragen<br />
und ein Deckmaterial zu kaschieren.<br />
Die Entwicklungen bei RC Siliconen gehen weiter. Statt herkömmlicher<br />
UVStrahler könnten in wenigen Jahren UVLEDs<br />
einsatzbereit sein. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch<br />
Leuchtdioden würde die Lampe zu einem geometrisch geformten<br />
Flächenstrahler. Außerdem ließe sich durch Zu und Abschalten<br />
einzelner Dioden die Strahlungsenergie präzise steuern.<br />
Nicht zuletzt sind LEDs kompakt, haben eine lange Lebensdauer<br />
und erzeugen weniger Abwärme als herkömmliche UVStrahler.<br />
Allerdings gibt es noch keine LED, die energiereiche UVC<br />
Strahlung generiert. Experten von <strong>Evonik</strong> arbeiten gemeinsam<br />
mit Anlagenbauern, mit Substrat und Klebstoffherstellern daran,<br />
LEDTechnologie und Siliconchemie aufeinander abzustimmen.<br />
Bereits in wenigen Jahren könnte die erste LEDUVLampe<br />
zur Siliconhärtung einsatzbereit sein.<br />
Außerdem denken die Experten von <strong>Evonik</strong> weit über Etiketten<br />
& Co. hinaus. „Silicone sind chemische Multitalente. UVhärtende<br />
Silicone wären dank ihrer Vielseitigkeit und den aufgrund<br />
des erarbeiteten chemischen Knowhows möglichen maßgeschneiderten<br />
Eigenschaften geeignet für ganz neue Anwendungsfelder,<br />
beispielsweise für die Beschichtungen von<br />
hitzeempfindlichen technischen Textilien und Membranen. Mit<br />
diesen zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten schaffen sie die<br />
Voraussetzung für einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen<br />
Wachstum unseres Geschäftsgebiets Industrial Specialties“, sagt<br />
Dr. Georg FeldmannKrane, Leiter des Geschäftsgebiets. 777<br />
Dr. Winfried hamann leitet die Anwendungstechnik<br />
Strahlenhärtende Silicone im <strong>Evonik</strong>-Geschäftsgebiet<br />
Industrial Specialties. Nach Studium der Chemie und<br />
Promotion in anorganischer Chemie an der West fälischen<br />
Wilhelms-Universität Münster startete er 1984<br />
seine Karriere bei der Jackstädt GmbH, Wuppertal,<br />
einem Haftmaterialhersteller. 1987 übernahm er dort<br />
die Leitung F&E Silicone, bis er 1992 zu <strong>Evonik</strong> bzw.<br />
der damaligen Th. Goldschmidt AG wechselte.<br />
+49 201 173-2452, winfried.hamann@evonik.com<br />
annegret lange ist im Geschäftsgebiet Industrial<br />
Specialties verantwortlich für den Verkauf der RC<br />
Silicone im Raum EMEA (Europe, Middle East, Africa).<br />
Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau bei der<br />
ehemaligen Th. Goldschmidt AG in Essen arbeitete<br />
sie ab 1977 in verschiedenen Positionen im Verkauf<br />
Sili cone. Ab 1987 arbeitete sie im Geschäftsgebiet<br />
Industrial Specialties als Market Manager Westeuropa<br />
für RC Silicone, bis sie 2005 in ihre aktuelle Position<br />
wechselte.<br />
+49 201 173-2574, annegret.lange@evonik.com<br />
mikko meyder ist Leiter Marketing RC Silicone im<br />
Geschäftsgebiet Industrial Chemicals. Nach dem<br />
Studium der Chemietechnik an der Universität Dortmund<br />
begann er 1998 seine berufliche Laufbahn bei<br />
der Wacker Chemie in Burghausen und Nünchritz,<br />
zunächst als Projektingenieur Anlagenbau, später als<br />
Betriebsingenieur. 2002 wechselte er als Projektingenieur<br />
Anlagenbau zu <strong>Evonik</strong> in Essen. Nach einer<br />
weiteren Station als Senior Consultant im Bereich Inhouse<br />
Consulting von <strong>Evonik</strong> übernahm er 2007 seine<br />
jetzige Aufgabe.<br />
+49 201 173-2595, mikko.meyder@evonik.com
Noch höhere Effizienz bei Erdwärme<br />
Erdwärme ist das effizienteste Heizsystem. Es erzeugt<br />
45 Prozent weniger CO 2 als eine Ölheizung und 33<br />
Prozent weniger als Gas. Und die neue DirektverdampferTechnologie<br />
mit Propan steigert ihre Effizienz<br />
um weitere 10 Prozent, da keine Sole gepumpt<br />
werden muss. Den Kunststoff für die dafür notwendigen<br />
Rohre (Sonden), die etwa 100 Meter tief in die<br />
Erde getrieben werden, liefert <strong>Evonik</strong> Industries. Mit<br />
VESTAMID®, einem Polyamid 12, steht ein Material<br />
mit einer hohen Barriere gegen Permeation von Propan<br />
zur Verfügung, das im Gegensatz zu Stahl vom<br />
Wickel verarbeitet werden kann und keinen Korrosionsschutz<br />
braucht.<br />
Das etablierte Verfahren zur Gewinnung von Erdwärme<br />
nutzt eine WasserGlykolSole für den Wärmeaustausch,<br />
die durch Polyethylensonden gepumpt<br />
wird. Bei dem neuen DirektverdampferVerfahren<br />
wird stattdessen das Kältemittel R290 (Propan) verwendet,<br />
das in der Sonde in den zwei Phasen gasförmig<br />
und flüssig vorliegt. Aufgrund der Temperaturdifferenz<br />
– in der Tiefe von 100 Meter ist es etwa 4<br />
bis 5 °C wärmer als im oberflächennahen Bereich –<br />
zirkuliert das Propan ausschließlich aufgrund des<br />
physikalischen Effektes der Verdampfung und Kondensation.<br />
Das heißt, eine Pumpe wird überflüssig,<br />
dadurch spart man Energie, so dass die Leistung der<br />
Wärmegewinnung um 10 Prozent steigt. Allerdings<br />
können bei diesem Verfahren keine Polyethylensonden<br />
eingesetzt werden, da sie für Propangas durchlässig<br />
sind.<br />
Die Alternative sind Stahlrohre oder Rohre aus<br />
Polyamid 12. Letztere haben den Vorteil, dass sie nicht<br />
korrodieren und auf Rollen gewickelt werden können,<br />
so dass bei der Verlegung kein Schweißen vor<br />
Ort erforderlich ist. Sonden aus dem für diese<br />
Anwendung besonders modi fizierten VESTAMID®<br />
besitzen darüber hinaus eine raue Innenoberfläche,<br />
die für die Rieselfilmbildung des Wärmetauschers<br />
unabdingbar ist.<br />
Impressum<br />
herausgeber<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
Rellinghauser Straße 1–11<br />
45128 Essen<br />
Wissenschaftlicher beirat<br />
Dr. Norbert Finke<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
norbert.finke@evonik.com<br />
Redaktion<br />
Dr. Karin Aßmann<br />
(verantwortlich)<br />
<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />
Konzernredaktion<br />
karin.assmann@evonik.com<br />
Redaktionelle mitarbeiter<br />
Christa Friedl<br />
Michael Vogel<br />
Gestaltung<br />
Michael Stahl, München<br />
fotos<br />
<strong>Evonik</strong> Industries<br />
Karsten Bootmann<br />
Adrian Schmidt<br />
Stefan Wildhirt<br />
Gina Sanders – Fotolia (S. 15)<br />
Stefan Richter – Fotolia (S. 24)<br />
Carlos Casariego – Getty Images (S. 25)<br />
Bei der Direktverdampfer-<br />
Technologie mit Sonden<br />
aus VESTAMID® Polyamid 12<br />
steigt die Effizienz bei der<br />
Erdwärmegewinnung um<br />
weitere 10 Prozent<br />
Druck<br />
Laupenmühlen Druck<br />
GmbH & Co.KG, Bochum<br />
Nachdruck nur mit<br />
Genehmigung der Redaktion<br />
nEWS 43<br />
<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010
Ungewöhnliche Kunststofflösungen<br />
sind für uns nichts Ungewöhnliches.<br />
www.evonik.de