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<strong>elements33</strong><br />

Quarterly Science Newsletter Ausgabe 4 | 2010<br />

Gesundheit & Ernährung<br />

Mehr Effizienz am Trog<br />

Professioneller Schutz für die Haut<br />

Coating & Bonding Technologies<br />

Clever kleben wie von selbst


02 Inhalt<br />

08<br />

22<br />

36<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

nEWS<br />

04 Dr. Klaus Engel neuer VCI-Präsident<br />

04 <strong>Evonik</strong> plant neue Methioninanlage in Singapur<br />

05 Kooperieren mit der ehrgeizigsten Uni der Welt<br />

06 Erstmalig im Einsatz: Autofrontscheibe aus PLEXIGLAS®<br />

07 Verkauf der weltweiten Carbon-Black-Aktivitäten beschlossen<br />

07 Starke Effekte mit PLEXIGLAS® Struktur RADIANT<br />

GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />

08 Aminosäurendiät macht Schweinezucht umwelt- und<br />

klimaverträglicher: Mehr Effizienz im Trog<br />

14 Professioneller Schutz für ältere Haut<br />

nEWS<br />

20 Von <strong>Evonik</strong> betreute Bachelorarbeit von<br />

Max-Buchner-Forschungsstiftung ausgezeichnet<br />

21 <strong>Evonik</strong> Meets Science China 2010<br />

21 Ausbau der Produktionskapazitäten für TAA in China<br />

nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />

katEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />

22 Bringt verbrauchte Energie zurück: CreAMINO® für die Tierernährung<br />

23 SAVOSIL TM bringt Licht in neue Märkte<br />

24 Sinkender Kraftstoffverbrauch dank neuer Viskositätsverbesserer<br />

katEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />

25 Siridion® HCDS 500 E: ein neuer Rohstoff für die Halbleiterindustrie<br />

26 Ein neuer Weg zu hochreinem Isobuten<br />

27 Neue Biotechnologieplattform macht LOLA zum Renner<br />

vERfahREnStEChnIk<br />

28 Selbstlernende Programme: Im EU-Projekt INFER werden<br />

adaptive Softsensoren entwickelt<br />

30 Professorentreffen: geballtes Prozess- und Technologiewissen<br />

nEWS<br />

34 Lacke mit VESTOSINT® glänzen in Durbans Flughafen<br />

34 Deutliche Kapazitätssteigerung bei gefällten Kieselsäuren<br />

35 So leuchten LEDs länger strahlend hell<br />

35 PLEXIGLAS® Fassade für Münchner Wetterturm<br />

CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />

36 UV-härtende Silicone als Trennbeschichtung:<br />

Clever kleben wie von selbst<br />

nEWS<br />

43 Noch höhere Effizienz bei Erdwärme<br />

43 Impressum


And the winner is ...<br />

Der zweite Platz führt oft ein stiefmütterliches Dasein, das gerne mit einem „nur“<br />

zum Ausdruck gebracht wird. Dabei wird schnell übersehen, dass auch hinter dem<br />

zweiten oder dritten Platz eine großartige Leistung steckt. Um sie stärker zu würdigen,<br />

haben wir uns für unseren Innovationspreis, den wir traditionell im Dezember<br />

verleihen, nun den Oscar zum Vorbild genommen: Wir haben erstmals vorab<br />

drei Teams in den beiden Kategorien neue Produkte und neue Verfahren nominiert<br />

und werden erst am Tag der Preisverleihung entscheiden, wer in jeder Kategorie<br />

auf den ersten Platz kommt. Eine Entscheidung, die uns auch diesmal wieder erfreulich<br />

schwer fallen wird, weil unsere Forscher viele innovative Projekte eingereicht<br />

haben; einen Eindruck davon können Sie sich ab Seite 22 verschaffen. Mit den<br />

Nominierungen wollen wir die Zweit­ und Drittplatzierten stärker ins Rampenlicht<br />

rücken, denn auch ihre Leistungen sind ein Gewinn für <strong>Evonik</strong>.<br />

Klar auf der Gewinnerseite stehen wir auch mit DL­Methionin, einer Aminosäure,<br />

die insbesondere dem Futter von Geflügel zugesetzt wird. Schon heute sind<br />

wir der weltweit größte Hersteller und um unsere Position noch einmal kräftig auszubauen,<br />

planen wir derzeit eine neue Anlage in Singapur. Wenn die zuständigen<br />

Gremien dem Bau der Anlage zustimmen, werden wir schon 2014 über eine Kapazität<br />

von insgesamt 580.000 Tonnen DL­Methionin verfügen und einen mittleren dreistelligen<br />

Millionenbetrag investiert haben.<br />

Gut angelegtes Geld, denn der Markt für Methionin wächst seit Jahren kontinuierlich.<br />

Zum einen ändert sich das Verbraucherverhalten weltweit, und insbesondere<br />

in den sich entwickelnden Ländern steht immer häufiger Fleisch auf der Speisekarte.<br />

In den wohlhabenden Regionen wächst zudem der Wunsch, sich gesund zu ernähren,<br />

und die Verbraucher greifen hier deshalb immer häufiger zu fettarmem Geflügelfleisch<br />

statt zu Schweine­ oder Rindfleisch.<br />

Zum anderen muss die stetig wachsende Weltbevölkerung mit qualitativ hochwertigen<br />

und sicheren Lebensmitteln ernährt werden – was mit Blick auf die begrenzten<br />

Ressourcen an fruchtbarem Boden und Wasser nur mit hochproduktiven<br />

landwirtschaftlichen Prozessen möglich ist. Einen wichtigen Beitrag leisten hier<br />

innovative Fütterungskonzepte, bei denen dem Futter statt proteinreichem Soja­ oder<br />

Rapsschrot unsere Aminosäuren zugesetzt werden – das haben wir in einer Ökobilanz<br />

wissenschaftlich nachgewiesen. Als Faustregel gilt: Wird der Gehalt an<br />

pflanzlichem Protein im Futter um ein Prozent reduziert, verringert sich der Stickstoffgehalt<br />

in der Gülle um zehn Prozent, die Ammoniakemissionenen in die Luft<br />

sinken ebenfalls um zehn Prozent und der Wasserverbrauch geht um drei Prozent<br />

zurück. Und die 580.000 Tonnen Methionin, die wir dem Markt ab 2014 zur Verfügung<br />

stellen wollen, sparen 11,6 Millionen Hektar Agrarfläche, die beispielsweise<br />

zum Anbau von Lebensmitteln genutzt werden können. Dabei gewinnen alle.<br />

EDItoRIal 03<br />

patrik Wohlhauser<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


04 nEWS<br />

Dr. Klaus Engel neuer VCI-Präsident<br />

Die Mitgliederversammlung des Verbandes<br />

der Chemischen Industrie (VCI) hat<br />

am 24. September 2010 in Dresden Dr.<br />

Klaus Engel, den Vorstandsvorsitzenden<br />

der <strong>Evonik</strong> Industries AG, zum VCI­Präsidenten<br />

gewählt. Engel gehört bereits seit<br />

2008 dem Präsidium des Verbandes an.<br />

Engel erklärte anlässlich seiner Wahl:<br />

„Als VCI­Präsident will ich mich dafür<br />

ein setzen, dass die Chemieunternehmen<br />

und ihre Mitarbeiter am Standort Deutschland<br />

gute Perspektiven haben. Produkte<br />

und Innovationen der chemischen Industrie<br />

werden in den nächsten Jahren mehr<br />

denn je gefragt sein: Herausforderungen<br />

gibt es bei der Energie­ und Res sourceneffizienz<br />

im Gebäude­ und Verkehrs­<br />

<strong>Evonik</strong> Industries beabsichtigt, in Singapur<br />

einen neuen Anlagenkomplex zur<br />

Herstellung der Aminosäure DL­Methionin<br />

für die Tierernährung zu bauen. In<br />

dem rückintegrierten Komplex wird <strong>Evonik</strong><br />

nicht nur Methionin, sondern auch<br />

sämtliche strategisch wichtigen Rohstoffe<br />

dafür produzieren. Die Verbundproduktion<br />

soll bereits 2014 mit einer Kapazität<br />

von 150.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb<br />

gehen. <strong>Evonik</strong>, schon heute Weltmarktführer<br />

bei Methionin, wird damit seine<br />

Kapazität auf dann insgesamt 580.000<br />

Tonnen pro Jahr steigern. Der Vorstand<br />

von <strong>Evonik</strong> hat jetzt der Vor­ und Basisplanung<br />

am Standort Jurong Island zugestimmt.<br />

Sie bedarf noch der Zustimmung<br />

der Gremien.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

bereich, bei der Ernährung einer wachsenden<br />

Weltbevölkerung sowie der Gesundheitsversorgung<br />

einer älter werdenden<br />

Bevölkerung. Uns allen muss daran<br />

gelegen sein, dass Innovationen hierfür in<br />

Deutschland entwickelt und produziert<br />

werden. Hierzu brauchen die Unternehmen<br />

ein international wettbewerbsfähiges<br />

Umfeld. Ich werde den Dialog mit Politik,<br />

Gewerkschaft und Gesellschaft suchen,<br />

wie wir die optimalen Rahmenbedingungen<br />

dafür schaffen können.“<br />

Der VCI steht für mehr als 90 Prozent<br />

der deutschen Chemie. Die Branche<br />

setzte 2009 über 145 Milliarden Euro um<br />

und beschäftigte mehr als 416.000 Mitarbeiter.<br />

<strong>Evonik</strong> plant neue Methioninanlage in Singapur<br />

„Methionin gehört für <strong>Evonik</strong> zum Kerngeschäft.<br />

Der Markt für Methionin wächst<br />

beständig und hat sich auch in der Wirtschaftskrise<br />

als sehr robust erwiesen.<br />

Deshalb wollen wir mit der Planung der<br />

neuen Anlage in Asien, der zukünftig<br />

wichtigsten Marktregion überhaupt, unsere<br />

Marktführerschaft stärken“, begründete<br />

Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender<br />

der <strong>Evonik</strong> Industries AG, die Genehmigung<br />

der Planungsmittel. Der Umfang der<br />

endgültigen Investition liegt im mittleren<br />

dreistelligen Millionenbereich und bedarf<br />

noch der Zustimmung des Aufsichtsrates.<br />

„Die Anlage in Singapur ist für uns der<br />

nächste Baustein in einem weltumspannenden<br />

Produktionsnetz für Methionin“,<br />

sagte Dr. Reiner Beste, Leiter des Geschäftsbereichs<br />

Health & Nutrition. „Damit<br />

sind wir dann in allen wesentlichen<br />

Großregionen – Europa, USA und Lateinamerika<br />

sowie Asien – vertreten und können<br />

unsere Kunden in der Ernährungsindustrie<br />

direkt aus lokaler Produktion versorgen.“<br />

Aktuell produziert <strong>Evonik</strong> die<br />

Aminosäure in vier Anlagen in Wesseling<br />

(Deutschland), Mobile (USA) und Antwerpen<br />

(Belgien). Wegen der robusten Nachfrageentwicklung<br />

werden die bestehenden<br />

Anlagen gerade schrittweise erweitert.<br />

Bis 2013 sollen sie eine Kapazität von<br />

insgesamt 430.000 Jahrestonnen bereitstellen.<br />

Auch die Rückintegration bei den Rohstoffen<br />

ist für Beste ein wesentlicher Pluspunkt:<br />

„Wir bieten unseren Kunden damit<br />

ein Höchstmaß an Liefersicherheit und<br />

Wettbewerbsfähigkeit. Das zeigt die Erfahrung<br />

mit unseren anderen Standorten,<br />

die ebenfalls weitestgehend rückintegriert<br />

sind.“ Zudem wird die Anlage in Singapur<br />

die modernste ihrer Art sein. „Unser<br />

Erfolg als Marktführer beruht nicht<br />

zuletzt darauf, dass wir auch technologisch<br />

führend sind“, erklärte Beste. „Das<br />

werden wir mit der neuen Anlage in Singapur<br />

einmal mehr beweisen.“<br />

Die Vorbereitungen für den neuen Anlagenkomplex<br />

sind bereits weit fortgeschritten.<br />

„Das liegt auch an der starken<br />

Unterstützung der Behörden und Partner<br />

vor Ort“, betonte Beste. Sie war, ebenso<br />

wie die hervorragende Rohstoffversorgung<br />

in Singapur, ausschlaggebend für die<br />

Wahl des Standorts.<br />

DL­Methionin ist eine essenzielle Aminosäure<br />

für die gesunde und umweltschonende<br />

Ernährung von landwirtschaftlichen<br />

Nutztieren, speziell von Geflügel<br />

und Schweinen. Der Bedarf an Methionin<br />

ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich<br />

gestiegen. Zum einen verändert sich


mit steigendem Wohlstand in den sich entwickelnden,<br />

bevölkerungsreichen Ländern<br />

wie China das Konsumentenverhalten<br />

mit wachsender Nachfrage nach<br />

Fleisch. So geht die FAO davon aus, dass<br />

der weltweite Verbrauch an Fleisch von<br />

derzeit 37,4 kg pro Kopf und Jahr auf 52 kg<br />

im Jahr 2050 ansteigen wird. Zum anderen<br />

nimmt in den wohlhabenden Ländern das<br />

Gesundheitsbewusstsein zu und hat den<br />

Verzehr von fettarmem Geflügelfleisch im<br />

Vergleich zu anderen Fleischsorten überproportional<br />

steigen lassen. Ein weiterer<br />

Wachstumstreiber für den Einsatz von<br />

Aminosäuren sind Innovationen aus der<br />

Tierernährungswissenschaft. Neue Füt­<br />

Kooperieren mit der ehrgeizigsten Uni der Welt<br />

36 Quadratkilometer groß, 12 Milliarden<br />

US­Dollar teuer, die technische und finanzielle<br />

Ausstattung auf Weltklasseniveau:<br />

Mit der neuen King Abdullah University<br />

of Science and Technology (KAUST), an<br />

der einmal 2.000 Studenten ausgebildet<br />

werden sollen, verfolgt Saudi Arabien ein<br />

ehrgeiziges Ziel: Die im September 2009<br />

in Betrieb gegangene Hochschule will die<br />

weltbesten Forscher anlocken und bis 2020<br />

bei Wissenschaft und Technologie zu den<br />

international besten Unis gehören. Grund<br />

genug für <strong>Evonik</strong>, Kontakt mit KAUST zu<br />

knüpfen und den Weg für Kooperationen<br />

zu bereiten, zumal das Unternehmen in<br />

Saudi Arabien nun auch mit Produktion<br />

Fuß fassen und sich an einem Joint Venture<br />

zur Herstellung von Superabsorbern<br />

beteiligen will: „Wir haben hier die<br />

Chance, die Entstehung eines der künftig<br />

vielleicht leistungsfähigsten Technologie­<br />

zentren aktiv zu begleiten und davon zu<br />

profitieren“, sagt Dr. Peter Nagler, Leiter<br />

des Bereichs Innovation Management<br />

Chemicals & Creavis (IMC), der die Hochschule<br />

im Oktober gemeinsam mit Dr.<br />

Bernhard Schleich, ebenfalls IMC, und<br />

Kollegen aus der Verfahrenstechnik besuchte.<br />

Erste Anknüpfungspunkte gibt es bereits:<br />

Mit Prof. Dr. Jean Marie Basset beispielsweise<br />

hat KAUST einen renommierten<br />

Katalyseexperten gewonnen, zu<br />

dem <strong>Evonik</strong> bereits gute Kontakte unterhält<br />

und durch das Wissenschaftsforum<br />

„<strong>Evonik</strong> Meets Science“ pflegt. Basset hat<br />

sich nun revanchiert und <strong>Evonik</strong> zur Eröffnung<br />

des Catalysis Research Centers<br />

am KAUST Ende des Jahres eingeladen.<br />

Aktuell arbeiten hier bereits 60 Forscher;<br />

in den kommenden Monaten soll die Zahl<br />

auf 120 aufgestockt werden.<br />

nEWS 05<br />

terungskonzepte für eine ausgewogenere<br />

Ernährung der Tiere, die optimal auf die<br />

Schonung von Ressourcen und Umwelt<br />

ausgerichtet sind, finden zunehmende<br />

Verbreitung. <strong>Evonik</strong> hat in einer jetzt vom<br />

TÜV Rheinland zertifizierten Ökobilanz<br />

diese Nachhaltigkeitsvorteile wissenschaftlich<br />

bewiesen.<br />

Dass Saudi Arabien nicht nur über üppige<br />

Gas­ und Ölquellen verfügt, sondern<br />

auch das Zeug zu einer leistungsfähigen<br />

Hochschule hat, hat es bereits bewiesen:<br />

mit der 1963 gegründeten King Fahd University<br />

of Petroleum and Minerals<br />

(KFUPM) in Dhahran. Die technische Uni<br />

legt ihren Schwerpunkt auf die Ausbildung<br />

der rund 8.200 Studenten. Mit Erfolg:<br />

Die Petroleumindustrie sowie die<br />

nachgelagerten Branchen in der Region<br />

rekrutieren einen Großteil ihres wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses von der KFUPM.<br />

Auch diese Uni stand deshalb auf dem Besuchsprogramm:<br />

„Wenn wir uns in der<br />

Region mit eigener Produktion etablieren<br />

wollen, brauchen wir natürlich auch exzellenten<br />

Nachwuchs vor Ort“, erläutert<br />

Tilmann Ehret, der als Regional President<br />

Middle East/North Africa von <strong>Evonik</strong><br />

seine Kollegen an dieser Uni begleitete.<br />

Blick von der King Abdullah University of<br />

Science and Technology auf das Meer<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


06 nEWS<br />

Erstmalig im Einsatz: Autofrontscheibe aus PLEXIGLAS®<br />

Erstmals wird eine Autofrontscheibe aus<br />

Polymethylmethacrylat (PMMA) von<br />

<strong>Evonik</strong> Industries im Rennsport eingesetzt.<br />

Das Unternehmen vertreibt seine<br />

PMMA­Produkte unter dem Markennamen<br />

PLEXIGLAS®. Zunächst in der Erprobungsphase<br />

in einem Rennboliden, ist<br />

der Einsatz im Serienbau das Ziel. „Die<br />

Anforderungen im Rennsport“, sagt Rudolf<br />

Blass, bei <strong>Evonik</strong> für Automotive and<br />

Surface Design im Geschäftsgebiet Acrylic<br />

Polymers zuständig, „sind so hoch, dass es<br />

sich dabei um das ideale Trainingsfeld für<br />

neue Entwicklungen handelt.“ So muss<br />

eine Frontscheibe, die im Rennen bestehen<br />

soll, optisch einwandfrei sein, um<br />

dem Fahrer eine klare Sicht und damit die<br />

höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Auch eine hohe Steinschlagfestigkeit<br />

ist gefordert.<br />

Diese beiden wichtigsten Herausforderungen<br />

haben die Spezialisten von <strong>Evonik</strong><br />

gemeistert. Und das erfolgreich, so<br />

Blass: „Die Steinschlagfestigkeit beispielsweise<br />

ist deutlich besser als bei einer vergleichbaren<br />

Frontscheibe aus Autoglas.“<br />

Zudem sorge eine solche Frontscheibe aus<br />

PMMA alleine schon in dem von <strong>Evonik</strong><br />

gesponserten Lotus Exige Sportwagen von<br />

RED­Motorsport für eine Gewichtsersparnis<br />

von bemerkenswerten 40 Prozent:<br />

von elf Kilogramm bei der Serienscheibe<br />

auf sechs Kilogramm.<br />

Für den Rennsport ist das Gewicht außerordentlich<br />

wichtig, allerdings verfügt<br />

PLEXIGLAS®, so der Chef des Automotive<br />

Industry Teams (AIT) von <strong>Evonik</strong>, Klaus<br />

Hedrich, „noch über weitere, beeindruckende<br />

Vorteile.“ So zeichne sich eine solche<br />

Scheibe auch durch hohe Steifigkeit<br />

aus, biete sehr gute Trans pa renz, gute<br />

akustische Eigenschaften und eine hohe<br />

UV­ und Witterungsbeständigkeit und damit<br />

Langlebigkeit. Außerdem verfügt das<br />

Material im Vergleich zu Glas über eine<br />

niedrige Infra rot­Trans mission, so dass<br />

sich das Wageninnere weniger aufheizt.<br />

In dem Brit­Racer sind zudem seit längerem<br />

schon Seitenscheiben aus PMMA verbaut.<br />

Dennoch: Front­ und Seitenscheiben<br />

sind nur ein Teil der Verscheibungsstrategie<br />

von <strong>Evonik</strong>. Im Blickpunkt der Entwickler<br />

sind auch Heck­ oder Panoramadachscheiben,<br />

die vielleicht schon bald zur<br />

Serienreife kommen.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

„Eine potenzielle Gewichtersparnis von<br />

40 bis 50 Prozent für ein Bauteil lässt das<br />

Herz jedes Renningenieurs höher schlagen“,<br />

unterstreicht Martin Roos, Besitzer<br />

von RED­Motorsport aus dem nordrheinwestfälischen<br />

Mettmann, die Bedeutung<br />

von Leichtbau im Auto. So auch bei seinem<br />

Lotus Exige Renner – veredelt und<br />

erleichtert mit Teilen von <strong>Evonik</strong> Industries.<br />

Light Weight Design heißt ein Hauptaugenmerk<br />

der Automotive­Spezialisten<br />

des Konzerns. So wurden bei dem Leichtbaurenner<br />

Karosserieteile aus CFK und<br />

dem Strukturschaum ROHACELL® gefertigt.<br />

Erstmals wurden auch am Motor des<br />

Boliden Ladeluftrohre aus Kunststoff verbaut,<br />

die nur halb so schwer sind wie die<br />

bisher üblichen Metallteile. Sie bestehen<br />

aus Polyamid­12, Markenname VEST­<br />

AMID®, und aus Polyphthalamid, Markenname<br />

VESTAMID® HTplus, und halten<br />

Temperaturen bis 180 Grad Celsius aus.<br />

Auch im Motor kommt <strong>Evonik</strong> zum Einsatz:<br />

RohMax® Öladditive sorgen für verbesserte<br />

Fließeigenschaften von Schmierstoffen<br />

und damit für mehr Leistung bei<br />

geringerem Verbrauch. Und den Strom<br />

liefert eine Lithium­Ionen­Batterie, in<br />

Summe nur ein Drittel so schwer wie herkömmliche<br />

Bleibatterien.<br />

Der Motorsport ist für <strong>Evonik</strong> ein Testgelände<br />

für Alltagsanwendungen – die<br />

Der Lotus Exige mit einer<br />

Frontscheibe aus<br />

PLEXIGLAS® von <strong>Evonik</strong><br />

harte Vorstufe zur Serie. Denn nur was<br />

auf der Rennstrecke funktioniert, beweist<br />

die grundsätzliche Tauglichkeit für ein Serienfahrzeug.<br />

Daher ging <strong>Evonik</strong> jetzt<br />

konsequent den nächsten Schritt und entwickelte<br />

zusammen mit der Sportwagenschmiede<br />

von Lotus Engineering im britischen<br />

Hethel einen ganz speziellen und<br />

straßenzugelassenen Lotus Exige – mit<br />

allen Leichtbaulösungen von <strong>Evonik</strong> und<br />

noch einigem mehr. „Die Vorlage war unser<br />

Rennwagen von RED­Motorsport“, so<br />

AIT­Chef Klaus Hedrich, „mit dem wir in<br />

der Vergangenheit zahlreiche Rennsporterfolge<br />

in der Dutch Super Car Challenge<br />

feierten sowie beim 24 h Rennen in<br />

Silverstone 2008 den ersten Platz in der<br />

Klasse erreichten.“<br />

Das Konzept des Straßenrenners: Geringes<br />

Gewicht wirkt immer und bei vielen<br />

wichtigen Eigenschaften des Autos –<br />

beim Benzinverbrauch, in der Beschleunigung,<br />

beim Bremsen, in der Kurve. Die<br />

Aufgabe des Boliden mit dem Nummernschild:<br />

aufzeigen, wie rennerprobte<br />

Leichtbaulösungen ihren Weg in die Serienanwendung<br />

finden. Und ganz nebenbei,<br />

wie attraktiv wirkliches Abspecken aussehen<br />

kann. Das Ergebnis: der <strong>Evonik</strong><br />

Light Weight Design Lotus, der in Summe<br />

satte 75 Kilogramm weniger auf die Waage<br />

bringt als der schon sehr leichte Serien­<br />

Exige S.


Verkauf der weltweiten Carbon-Black-Aktivitäten beschlossen<br />

<strong>Evonik</strong> Industries hat den Verkauf seines<br />

Carbon­Black­Geschäfts beschlossen. Dr.<br />

Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender der<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG, sagte: „Erklärtes<br />

Ziel ist es, eine für Kunden, Mitarbeiter<br />

und Geschäftspartner gleichermaßen<br />

überzeugende Lösung zu finden. Der nun<br />

beschlossene Verkauf ist die beste Basis<br />

für nachhaltige Investitionen in Carbon<br />

Black, neue Wachstumsperspektiven und<br />

eine langfristige Sicherung zukunftsfähiger<br />

Arbeitsplätze.“<br />

Mit seinem Carbon­Black­Geschäft ist<br />

der Konzern die globale Nummer zwei im<br />

Wettbewerb und verfügt über starke, eingeführte<br />

Produktmarken. Die Aktivitäten<br />

mit insgesamt 1.700 Mitarbeitern in zwölf<br />

Ländern umfassen einen Umsatz von rund<br />

einer Milliarde Euro. Carbon Black ist ein<br />

attraktives Geschäft. Nach dem Einbruch<br />

des Markts im Krisenjahr 2009 wird Carbon<br />

Black bereits 2010 wieder an das gute<br />

Ergebnisniveau von 2008 anknüpfen kön­<br />

Starke Effekte mit PLEXIGLAS®<br />

Struktur RADIANT<br />

Farbenspiel mit PLEXIGLAS®<br />

Struktur RADIANT<br />

nen. „Aus einer Position der Stärke heraus<br />

nutzen wir jetzt aktiv die Gelegenheit,<br />

Carbon Black neue Perspektiven zu eröffnen.<br />

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um<br />

mit einem neuen Eigentümer die weltweite<br />

Präsenz von Carbon Black abzusichern<br />

und auszubauen“, so Engel.<br />

<strong>Evonik</strong> nimmt in rund 80 Prozent seines<br />

gesamten Chemiegeschäfts marktführende<br />

Positionen ein. Seit Ende 2009 setzt<br />

der Konzern auf eine strategische Neuausrichtung<br />

und hat eine weitere Fokussierung<br />

des Portfolios sowie eine stärkere<br />

Konzentration der Investitionen auf wesentliche<br />

Wachstumsmärkte angekündigt.<br />

Die strategische Portfolio­Entwicklung<br />

erfolgt entlang der drei globalen Megatrends<br />

Ressourceneffizienz, Gesundheit<br />

und Ernährung sowie Globalisierung von<br />

Technologien. <strong>Evonik</strong> will damit sein Profil<br />

als eines der weltweit führenden Unternehmen<br />

der Spezialchemie stärken.<br />

Dazu hat sich der Vorstand entschieden,<br />

nEWS 07<br />

Investitionen auf Bereiche mit überdurchschnittlichen<br />

Wachstumspotenzialen zu<br />

konzentrieren.<br />

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts<br />

einer zunehmenden Konsolidierung<br />

der Branche und der steigenden Bedeutung<br />

asiatischer Absatzmärkte sieht <strong>Evonik</strong><br />

für Carbon Black bessere Perspektiven<br />

außerhalb des Konzerns. Carbon Black gehört<br />

daher nicht mehr zum Kerngeschäft<br />

von <strong>Evonik</strong> Industries. Es wurde bereits<br />

rechtlich verselbstständigt.<br />

<strong>Evonik</strong> produziert und vertreibt Carbon<br />

Black für die Reifen­ und Gummiindustrie<br />

und als Pigmentruße für die Verwendung<br />

unter anderem in Lacken, Kunststoffen,<br />

Druckfarben und Tonern. Seit<br />

Jahresanfang hatte <strong>Evonik</strong> die Optionen<br />

für Carbon Black mit Blick auf eine werthaltige<br />

Weiterentwicklung dieses Geschäfts<br />

intensiv geprüft. Zur Vorbereitung<br />

des Verkaufsprozesses hat <strong>Evonik</strong> jetzt<br />

eine Investmentbank beauftragt.<br />

Das neue PLEXIGLAS® Struktur RADIANT, das <strong>Evonik</strong> seit September<br />

anbietet, fällt auf: Zum einen durch die strukturierte<br />

Oberfläche, die das Licht auf interessante Weise streut und zum<br />

anderen durch die wechselnden Farben, die sich je nach Betrachtungswinkel<br />

verändern – bekannt unter dem Namen RA­<br />

DIANT­Effekt. Im Vorbeigehen sieht der Betrachter ein buntes<br />

Farbenspiel, das wegen der Oberflächenstruktur besonders zur<br />

Geltung kommt.<br />

Die spezielle RADIANT­Oberflächenvergütung ist auf drei<br />

verschiedenen Strukturen erhältlich: Wabe, Rippe und Pyramide.<br />

Aufgrund der Kombination aus Struktur und Farbeffekten<br />

zieht PLEXIGLAS® Struktur RADIANT alle Blicke auf sich. Es<br />

eignet sich daher für Anwendungen, die Aufmerksamkeit erzielen<br />

sollen, beispielsweise im Laden­ und Messebau. Auch für<br />

die Raumgestaltung in Bars, Clubs oder Lounges bietet das Material<br />

vielfältige Möglichkeiten. Dabei nutzen Designer und Kreative<br />

die spiegelartigen Farbreflexe und die wechselnde Farbenpracht.<br />

Hingucker aus dem neuen Werkstoff sind auch Lichtelemente<br />

in Decken und Böden oder Leuchten.<br />

Für den Regenbogeneffekt ist das normale Tageslicht ausreichend.<br />

Besonders starke Farbeffekte lassen sich jedoch erzielen,<br />

wenn der Werkstoff be­ oder hinterleuchtet wird. Je<br />

nach Fokus der Lichtquelle erscheinen so eindrucksvolle Farbwechsel.<br />

Ein Effekt, der sehr beliebt ist: Schon das bestehende<br />

PLEXIGLAS® RADIANT ist in einer Vielzahl von Anwendungen<br />

verbaut. Die Weiterentwicklung des Geschäftsgebiets Acrylic<br />

Polymers bei <strong>Evonik</strong> knüpft nun an diesen Erfolg an.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


Aminosäurendiät macht Schweinezucht umwelt- und klimaverträglicher<br />

Mehr Effizienz im Trog<br />

Moderne Tierzucht versorgt Milliarden Menschen mit lebensnotwendigen<br />

Proteinen. Gleichzeitig ist sie eine der Hauptquellen von Treibhausgasen und<br />

Umweltschadstoffen. Eine neue Ökobilanz zeigt, dass hocheffiziente und<br />

damit ressourcenschonende Fütterungskonzepte ein wichtiger Beitrag sind,<br />

um diese negativen Auswirkungen zu mindern.<br />

[ text Dr. Michael Binder, Dr. Mark Redshaw ]<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


IntEnSIvE tIERhaltUnG gehört zu den<br />

Hauptverursachern schädlicher Treibhausgase<br />

– allein in Europa werden der<br />

Produktion von Milch und Fleisch rund 22<br />

Prozent der Klima gasemissionen zugerechnet.<br />

Bei der Aufzucht entstehen zudem<br />

große Mengen an Nitrat und Ammoniak,<br />

die Luft und Wasser belasten. Die<br />

Emissionen fallen nicht nur in den landwirtschaftlichen<br />

Betrieben selbst an – die<br />

Ernährung großer Tierpopu lationen macht<br />

Futterimporte aus Schwellen­ und Entwicklungsländern<br />

notwendig, wo ökologisch<br />

wertvolle Naturflächen dem Anbau<br />

von Soja und anderen Futtermitteln weichen<br />

müssen. Die Probleme werden sich<br />

weiter verschärfen: Die Welternährungsorganisation<br />

(FAO) schätzt, dass der weltweite<br />

Verbrauch an Fleisch von derzeit<br />

etwa 38 kg pro Kopf und Jahr auf 52 kg im<br />

Jahr 2050 ansteigen wird.<br />

Die Umwelt­ und Klimaprobleme der<br />

Intensivtierzucht sind bekannt. Unbestritten<br />

ist aber auch: Eine stetig wachsende<br />

Weltbevölkerung muss mit qualitativ<br />

hochwertigen und sicheren Lebensmitteln<br />

langfristig verlässlich ernährt werden. Zur<br />

optimalen Ernährung von Mensch und<br />

Tier gehören Aminosäuren. Sie sind die<br />

Bausteine für Haar und Haut, Muskeln und<br />

Bindegewebe. Als Bestandteile der Hormone<br />

steuern sie lebensnotwendige Vorgänge<br />

im Körper, als Antikörper wehren<br />

sie Infektionen ab, als Transportproteine<br />

befördern sie wichtige Substanzen durch<br />

den Körper.<br />

Im Analytiklabor in Hanau ermittelt<br />

<strong>Evonik</strong> die Aminosäuren zusam mensetzung<br />

von Futter pflanzen. Dies ist<br />

Voraussetzung, um das Aminosäurenspektrum<br />

optimal an die Bedürfnisse<br />

der Tiere anzupassen<br />

Alle Organismen bauen ihre Proteine aus<br />

21 verschiedenen Aminosäuren auf. Je<br />

nach Lebewesen müssen acht bis zehn dieser<br />

Aminosäuren, die so genannten essenziellen,<br />

über die Nahrung aufgenommen<br />

werden. Wesentlich für die Proteinsynthese<br />

im Körper ist, dass die über das Futter<br />

zugeführten Aminosäuren im richtigen<br />

Verhältnis vorliegen, nur so kann der<br />

Organismus die Vielzahl der benötigten Eiweißstoffe<br />

in ausreichender Menge bilden.<br />

Auf das richtige Aminosäurenspektrum<br />

kommt es an<br />

Herkömmliche Futterrohstoffe weisen in<br />

der Regel eine unausgewogene Proteinversorgung<br />

für die Tierernährung auf.<br />

Das verfügbare Aminosäurenspektrum<br />

entspricht meist nicht dem tatsächlichen<br />

phy sio logischen Bedarf der Tiere. Selbst<br />

in einem Mischfutter aus Mais, Weizen<br />

und Sojaschrot mangelt es je nach Bedarf<br />

und Mastzweck an den essenziellen Aminosäuren<br />

Methionin, Lysin, Threonin oder<br />

Tryptophan.<br />

Weil gängige pflanzliche Futtermittel<br />

immer Defizite an einer oder mehreren<br />

Aminosäuren aufweisen, sind die Folgen<br />

beträchtlich: Die Tiere brauchen mehr<br />

Futter, weil sie es nicht optimal verwerten<br />

können. Entsprechend produzieren sie<br />

auch mehr Gülle, die das Grundwasser mit<br />

Nitrat und die Luft mit Ammoniak belastet.<br />

Der Tierhalter hat nicht zuletzt höhere<br />

Ausgaben für seine Futtermittel.<br />

GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 09<br />

Die Lösung liegt auf der Hand: Tierfutter<br />

muss so komponiert werden, dass es ein<br />

maßgeschneidertes Aminosäuren spektrum<br />

bietet und damit eine optimale Versorgung<br />

der Tiere sicherstellt. Dadurch<br />

können sowohl die stickstoffhaltigen<br />

Emissionen als auch die Treibhausgase der<br />

Mast gemindert werden. Um dieses Ziel<br />

zu erreichen, gibt es im Prinzip zwei<br />

Wege. Defizite an bestimmten Aminosäuren<br />

können entweder durch einen höheren<br />

Anteil an eiweißreichen Futterkomponenten<br />

wie z.B. Schrote aus Ölsaaten<br />

ausgeglichen werden. Oder das Futter<br />

wird mit essenziellen Aminosäuren angereichert,<br />

die <strong>Evonik</strong> speziell für diesen<br />

Zweck produziert.<br />

Maßgeschneiderte<br />

Supplementierung<br />

Der letztere Weg ist unter Effizienzgesichtspunkten<br />

der bessere: Werden dem<br />

Futter von Geflügel und Schweinen gezielt<br />

bestimmte Aminosäuren beigemischt,<br />

sorgt das nicht nur für eine ausgewogenere<br />

Ernährung der Tiere, sondern schont<br />

auch Ressourcen und Umwelt. Zu diesem<br />

Ergebnis kommt <strong>Evonik</strong> in einer vergleichenden<br />

Ökobilanz, bei der die beiden<br />

Möglichkeiten zur Anreicherung von<br />

Tierfutter miteinander verglichen wurden.<br />

Ökobilanzen haben sich international<br />

als anerkannte Methodik für eine Bewertung<br />

der Umweltauswirkungen eines 333<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


10 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />

Abbildung 1<br />

Darstellung der funktionellen Einheit zur ökolo gischen<br />

Bewertung der einzelnen Optionen der Futter mischungen<br />

in der Schweinemast. Alle drei Optionen legen die<br />

gleiche Basismischung aus Weizen und Gerste zugrunde;<br />

bei Option 2 und 3 sind jeweils die Unterschiede zu<br />

Option 1 dar gestellt. Danach entspricht zum Beispiel die<br />

Aminosäurenmischung aus Option 1 einer Mischung aus<br />

29,1 kg Sojaschrot und 1,9 kg Sojaöl in Option 2. Um<br />

Menge und Energiegehalt auszugleichen, müssen Option<br />

1 im Vergleich zu Option 2 aber zusätzlich 4,6 kg Weizen,<br />

17 kg Gerste und 7,5 kg Mais­DDGS zugesetzt werden<br />

Abbildung 2<br />

Darstellung der einzelnen Lebenswege für den Aus ­<br />

gleich defizitärer Futtermischungen für die Geflügeloder<br />

Schweinemast entweder mit Soja oder mit<br />

den von <strong>Evonik</strong> produzierten Aminosäuren<br />

Abbildung 3<br />

Beitrag der einzelnen Optionen zum Treib haus ­<br />

effekt (Global Warming Potential, GWP) in Form<br />

von CO2­Äquivalenten je funktio nelle Einheit<br />

[CO2e/fE] Option 1 Option 2 Option 3<br />

GWP [kg CO 2 e/fE]<br />

28<br />

24<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

Anbau<br />

Raps<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Anbau<br />

Sojabohne<br />

Ölmühle<br />

Anbau<br />

Weizen<br />

Mischfutterwerk<br />

Tiermast/Stall<br />

Ausbringung<br />

Wirtschaftsdünger<br />

Option 2: Sojaschrot<br />

+ 4,6 kg Weizen<br />

+ 17,0 kg Gerste<br />

+ 7,5 kg Mais­DDGS<br />

– 29,1 kg Sojaschrot<br />

– 1,9 kg Sojaöl<br />

Abbildung 4<br />

Beiträge der einzelnen Optionen in der Schweinemast<br />

zum Versauerungspotenzial (Acidifcation<br />

Potential AP) in Form von SO2­Äquivalenten je<br />

funktionelle Einheit [SO2e/fE] AP [kg SO 2 e/fE]<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

Anbau<br />

Gerste<br />

Option 1: Aminosäuren­Premix<br />

1,0kg Premix<br />

Herstellung<br />

Vormischung<br />

Chemische<br />

Produktion<br />

DL­Methionin<br />

Biotechnische<br />

Produktion<br />

L­Threonin<br />

Biotechnische<br />

Produktion<br />

L­Tryptophan<br />

Biotechnische<br />

Produktion<br />

Biolys®<br />

0,10kg DL­Methionin<br />

0,67 kg L­Lysin<br />

0,20 kg L­Threonin<br />

0,02 kg L­Tryptophan<br />

Option 3: Soja­/Rapsschrot<br />

+ 21,6 kg Weizen<br />

+ 2,6 kg Gerste<br />

+ 7,5 kg Mais­DDGS<br />

+ 1,0 kg Sojaöl<br />

– 27,9 kg Sojaschrot<br />

– 2,7 kg Rapsschrot<br />

– 3,9 kg Rapsöl<br />

Abbildung 5<br />

Beiträge der einzelnen Optio nen in der<br />

Schweine mast zum Eutrophierungspotenzial (EP)<br />

in Form von PO4­Äquivalenten je funktionelle<br />

Einheit [PO4e/fE] EP [kg PO 4 e/fE]<br />

0,36<br />

0,32<br />

0,28<br />

0,24<br />

0,20<br />

0,16<br />

0,12<br />

0,08<br />

0,04<br />

0<br />

Anbau<br />

Rüben<br />

Zuckerfabrik<br />

Anbau<br />

Mais<br />

Stärke­/<br />

Zuckerfabrik


333 Produktes oder Prozesses etabliert,<br />

weil sie als einzige ein weites Feld von Anwendungen<br />

schlüssig und länderübergreifend<br />

harmonisiert abdecken können. Das<br />

auch Life Cycle Assessment (LCA) genannte<br />

Instrument beschreibt den gesamten<br />

Lebensweg eines Produktes – von der<br />

Gewinnung der Rohstoffe über den Herstellungsprozess<br />

und die Anwendung bis<br />

zu seiner Entsorgung.<br />

Mit der neuen Ökobilanz ist <strong>Evonik</strong> der<br />

einzige Hersteller von Aminosäuren für<br />

die Tierernährung, der seine Produkte –<br />

DL­Methionin, L­Lysin (Biolys®), L­Threonin<br />

und L­Tryptophan – einer vergleichenden<br />

und umfassenden Bilanzierung<br />

unterzogen und alternativen Rohstoffen<br />

wie Sojamehl oder Rapsschrot gegenübergestellt<br />

hat. Die Ökobilanz wurde zudem<br />

vom TÜV Rheinland als weltweit anerkanntem,<br />

unabhängigem Gutachter zertifiziert.<br />

Das Zertifikat belegt, dass die Wissenschaftler<br />

alle Umweltauswirkungen<br />

sorgfältig und unvoreingenommen bilanziert<br />

haben.<br />

Futtermischungen im<br />

Vergleich<br />

Für die Ökobilanz hat <strong>Evonik</strong> eine repräsentative<br />

Basismischung aus Weizen und<br />

Gerste zugrunde gelegt, die Defizite an<br />

Methionin, Lysin, Threonin und Tryptophan<br />

aufweist. Um diese Defizite auszugleichen,<br />

beschritt <strong>Evonik</strong> drei Wege:<br />

• die Anreicherung mit den vier<br />

Aminosäuren aus eigener Produktion<br />

(Option 1)<br />

• die Zugabe einer Mischung aus<br />

Sojaschrot und Sojaöl (Option 2)<br />

• die Zugabe eine Mischung aus<br />

Sojaschrot und Rapsschrot (Option 3)<br />

Diese drei Optionen wurden in der Ökobilanz<br />

miteinander verglichen. Die Menge<br />

an zugesetzten Aminosäuren bzw. an Sojaschrot/Sojaöl<br />

oder Sojaschrot/Rapsschrot<br />

ergänzt die Basismischung jeweils<br />

um genau die Menge an Methionin, Lysin,<br />

Threonin und Tryptophan, die den durchschnittlichen<br />

Proteinbedarf eines<br />

Schweins optimal deckt. Der Einsatz von<br />

einem Kilogramm einer bedarfsgerechten<br />

Aminosäurenmischung ersetzt etwa 31 kg<br />

einer Futtermischung auf Sojaschrotbasis<br />

oder rund 34,5 kg einer alternativen Futtermischung<br />

auf Soja­Raps­Basis für die<br />

Schweinemast. Um eine Vergleichbarkeit<br />

der Systeme herzustellen und eine „funktionelle<br />

Einheit“ für die Bilanzierung zu<br />

Methioninanlage in<br />

Antwerpen. Für eine<br />

Tonne CO 2 , die<br />

während der Synthese<br />

von Methionin ausgestoßen<br />

wird, können<br />

insgesamt 23 Tonnen<br />

über den gesamten<br />

Produktlebenszyklus<br />

eingespart werden.<br />

Für Ammoniak beträgt<br />

dieser Einsparfaktor<br />

sogar 26, für Nitrat liegt<br />

er bei 7<br />

schaffen, mussten die Futtermischungen<br />

außerdem den Tieren jeweils den gleichen<br />

Nutzen bieten. Der Aminosäurenmischung<br />

(Option 1) wurde daher noch eine<br />

Weizen­Gerste­Mais­Mischung von 29,1<br />

bzw. 31,7 kg zugesetzt, um Energiegehalt<br />

und Gewicht der Mischungen abzugleichen<br />

(Abb. 1).<br />

Analysiert und bewertet wurden die<br />

Umweltauswirkungen des gesamten<br />

Lebensweges, also der Anbau der pflanzlichen<br />

Rohstoffe, die Produktion der Aminosäuren,<br />

die Mischfutterherstellung sowie<br />

die Stallhaltung der konventionellen<br />

Landwirtschaft in Deutschland bzw. Europa<br />

(Abb. 2). Als wesentliche Faktoren<br />

der Auswirkungen auf Umwelt und Klima<br />

wurden folgende Indikatoren ermittelt<br />

und miteinander verglichen: Treibhauseffekt,<br />

Versauerungspotenzial, Eutrophierungspotenzial,<br />

Primärenergiebedarf,<br />

Ressourcenverbrauch und Landnutzungsänderungen.<br />

Ergebnisse der Ökobilanz<br />

Der Treibhauseffekt wird hauptsächlich<br />

durch die Schadgase Kohlendioxid (CO 2 ),<br />

Lachgas (N 2 O) und Methan (CH 4 ) verursacht,<br />

wobei bei den hier betrachteten<br />

Szenarien der Schweinemast CO 2 und N 2 O<br />

von vorrangiger Bedeutung sind. Methan<br />

als Klimagas spielt vor allem in der Rinderzucht<br />

eine wesentliche Rolle.<br />

Der Vergleich der drei Futtermischungen<br />

zeigt: Während die Option 1 mit zugesetzten<br />

Aminosäuren nur rund 5 kg<br />

CO 2 ­Äquivalente je funktionelle Einheit<br />

(kg CO 2 e/fE) zum Treibhauspotenzial beiträgt,<br />

liegen die Emissionen der Optionen<br />

2 und 3 mit 25 bzw. 8 kg CO 2e/fE deutlich<br />

höher (Abb. 3). Für den höheren Treibhauseffekt<br />

der Futtermischungen 2 und 3<br />

sind insbesondere die Lachgasemissionen<br />

der Ölsaatenanteile im Futter und bei der<br />

Ausbringung der Gülle als Wirtschaftsdünger<br />

verantwortlich.<br />

Versauerungs­ und Eutrophierungspotenzial<br />

sind zwei Faktoren, die die Ausbreitung<br />

von großflächigen Waldschäden<br />

– bekannt als „Waldsterben“ – beschleunigen.<br />

Beide Indikatoren werden hauptsächlich<br />

bestimmt durch Stickstoffemissionen<br />

aus dem Anbau der einzelnen Futtermittelkomponenten.<br />

Somit ist es nicht<br />

erstaunlich, dass der erhöhte Anteil an Ölsaaten<br />

in den Optionen 2 und 3 ein deutlich<br />

höheres Versauerungspotenzial zur<br />

Folge hat als bei Option 1: Die Futtermischung<br />

mit den supplementierten Aminosäuren<br />

hat ein Versauerungspotenzial von<br />

nur 0,1 kg SO2e/fE (gemessen als Menge<br />

Schwefeldioxid­Äquivalent pro funktioneller<br />

Einheit) und liegt damit um den<br />

Faktor 12 bzw. 13 niedriger als die beiden<br />

ölsaatenreichen Alternativen (Abb. 4).<br />

Ähnlich deutlich ist das Ergebnis beim<br />

Euthropierungspotenzial (Abb. 5). Düngemittelinhaltsstoffe<br />

wie Nitrat und Phosphat<br />

sind Ursache für die Überdüngung von<br />

Gewässern, die zu Sauerstoffmangel und<br />

im Endstadium zum Absterben von Tieren<br />

und Pflanzen in Oberflächengewässern<br />

führen (Eutrophierung). Option 1 schneidet<br />

mit nur 0,022 kg PO4e/fE (gemessen<br />

in Phosphat­Äquivalent pro funktionelle<br />

Einheit) gegenüber 0,357 kg PO4e/fE für<br />

die Optionen 2 und 3 weit besser ab. Dies<br />

bedeutet ein rund 16­faches Entlastungspotenzial<br />

durch die Supplementierung mit<br />

Aminosäuren.<br />

Ein zentraler Indikator ist der Primärenergiebedarf<br />

der verschiedenen Optionen.<br />

Bei diesem Indikator ist die Diskrepanz<br />

der Ergebnisse nicht so augenfällig.<br />

Der Energiebedarf der Option 1 ist mit 154<br />

MJ/fE (gemessen in Megajoule pro funktioneller<br />

Einheit) annähernd so groß wie<br />

für die Option 2 mit rund 148 MJ/fE. Option<br />

3 enthält einen erhöhten Anteil 333<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


12 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />

Abbildung 6<br />

Beiträge der einzelnen Optionen in der<br />

Schweinemast zum Primärenergiebedarf<br />

(Primary Energy Demand, PED)<br />

Option 1 Option 2 Option 3<br />

PED [MJ/fE]<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

333 an Rapsöl in der Futtermischung– dies<br />

spiegelt sich im höheren Energiebedarf<br />

von 281 MJ/fE wieder, da die Ölgewinnung<br />

aus Raps recht energieaufwändig ist (Abb.<br />

6). Der hohe Bedarf an Primärenergie für<br />

Option 1 ist im Wesentlichen auf den großen<br />

Anteil an biotechnologisch hergestellten<br />

Aminosäuren in der Futtermischung<br />

zurückzuführen. Die in den Fermentationsprozessen<br />

eingesetzten Zuckerquellen<br />

benötigen in der Herstellung relativ hohe<br />

Energiemengen.<br />

Die Zugabe von Aminosäuren zu Futtermischungen<br />

ersetzt pflanzliche Ressourcen<br />

und beansprucht damit weniger<br />

Anbaufläche. Darüber hinaus muss weniger<br />

Energie zur Verarbeitung und Bereitstellung<br />

der erforderlichen Rohstoffe<br />

ver braucht werden. Diese Faktoren werden<br />

in Rohöl­Äquivalenten pro funktionelle<br />

Einheit (Crude Oil equiv/fE) abgebildet.<br />

Die Ökobilanz ergab, dass der Ressourcenverbrauch<br />

der Option 2 gegenüber der Option<br />

1 mit rund 2,2 kg Crude Oil equiv/fE<br />

annähernd doppelt so hoch ist. Noch deutlicher<br />

wird dies im Vergleich zur Option<br />

3 mit 3,05 kg Crude Oil equiv/fE (Abb. 7).<br />

Um dem steigenden Bedarf an Rohstoffen<br />

für Futtermittel decken zu können,<br />

werden häufig ökologisch wertvolle Naturflächen<br />

gerodet. In erster Linie wirken<br />

sich solche Landnutzungsänderungen beispielsweise<br />

durch Abholzung oder Brandrodung<br />

auf die klimarelevanten Emissionen<br />

aus – ein Großteil des in Boden und<br />

Biomasse gespeicherten Kohlenstoffs wird<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Abbildung 7<br />

Beiträge der einzelnen Optionen in der<br />

Schweinemast zum Ressourcenbedarf in Form<br />

von Verbrauch an Rohöl­Äquivalenten<br />

(Crude Oil Equivalents)<br />

Ressourcenbedarf [kg Crude Oil equiv./fE]<br />

3,2<br />

2,8<br />

2,4<br />

2,0<br />

1,6<br />

1,2<br />

0,8<br />

0,4<br />

0<br />

dabei als CO 2 freigesetzt. Um diese Effekte<br />

quantifizieren und bewerten zu können,<br />

wurde in der Ökobilanz von <strong>Evonik</strong> erstmals<br />

auch der Einfluss einer sogenannten<br />

Landnutzungsänderung erfasst.<br />

Am Beispiel des Sojaanbaus können die<br />

Auswirkungen der Landnutzungsänderung<br />

deutlich gemacht werden. Dabei entspricht<br />

das Basisszenario dem Treibhausgaspotenzial<br />

der jeweiligen Futtermischung.<br />

Die Minimalwerte stehen für eine<br />

Halbierung des Sojaanteils mit Landnutzungsänderung,<br />

die Maximalwerte für<br />

eine Verdoppelung. Da Option 1 keinen<br />

Sojaschrot enthält, bleibt der Wert im Vergleich<br />

zum Basisszenario unverändert.<br />

Option 2 hat den größten Anteil an Sojaschrot<br />

in der Mischung und zeigt somit<br />

auch die größten Schwankungsbreiten<br />

von 18 kg CO 2 e/fE bis 33 kg CO 2 e/fE gegenüber<br />

der Referenz im Basisszenario<br />

mit 25 kg CO 2 e/fE. Bei Option 3 werden<br />

Sojaschrot und ­öl teilweise durch Rapsschrot<br />

und ­öl ersetzt – daher sind die<br />

Minimalwerte mit 2 kg CO 2 e/fE noch<br />

günstiger als in der Option 1 (Abb. 8).<br />

Innovatives Fütterungskonzept<br />

als Beitrag zur Nachhaltigkeit<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die<br />

Supplementierung von herkömmlichem<br />

Futter für die Schweinemast durch gezielte<br />

Zugabe von Aminosäuren hat deutlich<br />

geringere negative Auswirkungen auf<br />

Klima und Umwelt als der Zusatz von pro­<br />

Abbildung 8<br />

Einfluss der Landnutzungsänderung auf<br />

die Beiträge zum Treibhauseffekt GWP<br />

Basisszenario<br />

Minimum Maximum<br />

GWP [kg CO 2e/fE]<br />

36<br />

32<br />

28<br />

24<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

Option 1 Option 2 Option 3<br />

teinreichem Soja­ oder Rapsschrot: Die<br />

Emissionen von Stickstoffverbindungen<br />

und Treibhausgasen sinken, Versauerung<br />

und Eutrophierung sind deutlich geringer,<br />

ökologisch wertvolle Naturflächen werden<br />

geschont, nicht zuletzt spart der Tierhalter<br />

Kosten, da die Schweine mit Aminosäuren<br />

supplementiertes Futter weit effizienter<br />

verwerten.<br />

Das führt zur Frage: Kann intensive<br />

Tierhaltung nachhaltig sein? Ja – wenn<br />

die Wechselwirkungen zwischen Nutzvieh<br />

und Umwelt verstanden sind und<br />

wenn die Erkenntnisse in Wachstumsszenarien<br />

und in die Fütterungspraxis Eingang<br />

finden. Moderne Proteinernährung<br />

spielt bei der Tierzucht eine Schlüsselrolle.<br />

Da Futteranbau und Mast in einer globalisierten<br />

Welt oft in weit voneinander<br />

entfernten Regionen stattfinden, genügt<br />

dabei schon lange nicht mehr nur der Blick<br />

auf nationale Gegebenheiten. Vielmehr<br />

müssen soziale, ökologische und wirtschaftliche<br />

Dimensionen über alle Grenzen<br />

hinweg analysiert und bewertet werden.<br />

Die Ökobilanz ist dabei ein wichtiges,<br />

international genormtes Werkzeug. Sie<br />

ermöglicht den Vergleich von weltweiten<br />

Stoff­ und Produktionsketten. Sie öffnet<br />

gleichzeitig den Blick auf Schwachstellen,<br />

an denen Wissenschaft und Industrie ihre<br />

Expertise gezielt einsetzen können, um<br />

effizientere, umweltverträglichere und<br />

damit letzten Endes nachhaltigere Produkte<br />

zu entwickeln. 777


lIfE CyClE aSSESSmEnt von amInoSÄUREn füR hühnERfUttER<br />

Hühner auf Diät<br />

Der Hunger der Welt auf Fleisch wächst rasant – besonders auf<br />

Geflügelfleisch. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass<br />

der Verbrauch an Geflügelfleisch von derzeit 88 Millionen Tonnen<br />

auf über 140 Millionen Tonnen im Jahr 2030 ansteigen wird. Der<br />

Zuwachs wird vor allem in Asien, Osteuropa und Südamerika erfolgen,<br />

hier erwartet die FAO jedes Jahr Wachstumsraten von fünf<br />

bis zehn Prozent.<br />

Um die ökologischen Auswirkungen der Hühner mast zu begrenzen,<br />

ist es von zentraler Bedeutung, dass die Tiere ein auf ihre<br />

physiologischen Bedürfnisse optimal zugeschnittenes Futter erhalten.<br />

Bei herkömmlichem Hühnerfutter ist die Ami no säure<br />

Methio nin oft Mangelware. Ist es verbraucht, kann das Tier andere<br />

Bausteine im Futter nicht verwerten und scheidet sie ungenutzt<br />

wieder aus. Aber auch Lysin und Threonin gehören zu den essenziellen<br />

Amino säuren, die darüber bestimmen, wie effizient Hühner<br />

das Futter physiologisch verwerten können.<br />

In einer Ökobilanz hat <strong>Evonik</strong> daher auch für Hühnerfutter<br />

un ter sucht, auf welchem Weg sich die Mängel im Aminosäurenspek<br />

trum an sinnvollsten ausgleichen lassen: durch Zusatz einer<br />

Mischung aus Methionin, Lysin und Threonin oder durch An -<br />

Dr. michael binder ist im Geschäfts bereich Health &<br />

Nutrition für die Produktzulassung von Aminosäuren<br />

für die Tierernährung zuständig. Nach Studium der<br />

Technischen Biologie und Pro mo tion an der Univer sität<br />

Stuttgart begann er seine berufliche Laufbahn 1997<br />

bei <strong>Evonik</strong> in der biotechnologischen Forschung und<br />

Ent wicklung Futter mittel additive. Nach einer weiteren<br />

Station in der Anwen dungstechnik Futtermitteladditive<br />

wechselte er 2005 in die Abteilung Product Quality<br />

and Regulatory Affairs und übernahm dort 2007 seine<br />

jetzige Aufgabe. Darüber hinaus vertritt er den Geschäfts<br />

bereich Health & Nutrition in der AWT (Arbeitsgemeinschaft<br />

Wirkstoffe in der Tierernährung) und<br />

der FEFANA, dem europäischen Verband der Her steller<br />

von Zusatz stoffen in der Tierernährung, wo er die<br />

Task Forces nachhaltige Landwirtschaft und Fermentation<br />

leitet.<br />

+49 6181 59-3404, michael.binder@evonik.com<br />

GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 13<br />

rei cherung des Futters mit proteinreichem Soja- oder Raps schrot<br />

und Pflanzenöl.Die Ergebnisse sprechen eine ähnlich deutliche<br />

Sprache wie bei der Ökobilanz für Schweinefutter (siehe nebenstehenden<br />

Beitrag): Die mit Aminosäuren angereicherte Futtermischung<br />

(Option 1) hat einen Beitrag zum Treibhauseffekt von<br />

rund 4 kg CO 2 -Äqui va len ten je funktioneller Einheit, während die<br />

mit Soja und Raps ange rei cherten Alternativen mit 48 bzw. 34 kg<br />

CO 2 e/fE wesentlich höher liegen. Das Versauerungspotenzial der<br />

Soja-Raps-Mischungen liegt gar um den Faktor 80 bzw. 60 höher<br />

als bei einer Amino säurendiät. Der Primärenergiebedarf für die<br />

Herstellung der zugesetzten Aminosäuren liegt im Vergleich zur<br />

Gewinnung von Sojaschrot relativ niedrig und der Verbrauch an<br />

natürlichen Ressou rcen ist bei einer Futtermischung mit hohem<br />

Anteil an Soja und Raps fast zehnmal so hoch wie bei Option 1.<br />

Das Fütterungskonzept auf Basis einer reduzierten Proteinversor<br />

gung der Tiere ist damit eine win-win-Situation: Das ausgeglichene<br />

Aminosäurenspektrum garantiert, dass die Hühner optimal<br />

wachsen, die Belastungen für Umwelt und Klima werden deutlich<br />

gemindert und der Tierhalter profitiert von niedrigeren Kosten<br />

für seine Futtermittel.<br />

Dr. mark Redshaw ist im Geschäftsbereich Health &<br />

Nutrition verantwortlich für die Entwicklung und<br />

Bereitstellung neuer Kundenservices. Nach dem Studium<br />

der Agrarwirtschaft an der Universität Reading<br />

(Großbritannien) und der Promotion über Tierernährung<br />

an der Universität Nottingham (Großbritannien)<br />

begann er seine berufliche Laufbahn im Bereich Futter<br />

mit tel additive von <strong>Evonik</strong>, damals Degussa Limited.<br />

Hier arbeitete er zunächst als Technical Service Manager,<br />

wechselte dann nach Deutschland und war für das<br />

Geschäft in Afrika und im mittleren Osten verantwortlich.<br />

Ab 2005 leitete er die Gruppe Animal Nutrition<br />

Services, die den Kunden weltweit analytische Services<br />

sowie Services rund um die Tierernährung bereitstellt.<br />

+49 61 81 59-6788, mark.redshaw@evonik.com<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


14 GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG<br />

Professioneller Schutz für ältere Haut<br />

Cosmedis®: Maßgeschneiderte Rezepturen optimieren Pflege im Gesundheitsbereich<br />

Immer mehr Menschen benötigen im Alter professionelle Pflege. Wenig Beachtung<br />

fand bisher, dass die empfindliche und oft stark belastete Haut älterer Menschen<br />

einen besonderen Schutz braucht. Spezialisten des <strong>Evonik</strong>-Geschäftsbereichs Consumer<br />

Specialties am Standort Krefeld haben eine neue Produktserie entwickelt, die<br />

die Pflege einfacher macht und beanspruchte Haut optimal schützt – zum Wohl der<br />

Betroffenen und zum Nutzen von Pflegepersonal und Angehörigen.<br />

[ text Dr. Petra Allef, Andreas Klotz, Dr. Thomas Mangen ]<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

ImmER mEhR mEnSChEn werden immer älter. Die<br />

Zahl derjenigen, die nur noch eingeschränkt mobil<br />

und zeitweise oder vollständig auf Pflege angewiesen<br />

sind, wächst von Jahr zu Jahr. Bereits heute gibt es<br />

allein in Deutschland nach Angaben des statistischen<br />

Bundesamts rund 2,4 Millionen Pflegebedürftige, in<br />

zehn Jahren könnten es bereits drei Millionen sein.<br />

Rund 700.000 alte Menschen leben derzeit in Senioren­<br />

und Pflegeheimen und werden rund um die Uhr<br />

versorgt. Doch in solchen Einrichtungen ist das Personal<br />

knapp und die Zeit für die Pflege kurz bemessen.<br />

Professionelle Hautpflege hat daher zwei Kriterien<br />

zu erfüllen: Sie muss auf die physiologischen<br />

Bedürfnisse älterer Haut abgestimmt sein und diese<br />

optimal schützen – auch bei Inkontinenz. Und sie<br />

sollte gleichzeitig eine einfache und zeitsparende Anwendung<br />

ermöglichen, um Angehörige und Pflegepersonal<br />

zeitlich zu entlasten.<br />

<strong>Evonik</strong> hat dazu die Produktserie Cosmedis® entwickelt,<br />

mit der sich die ältere Haut schützen, reinigen<br />

und pflegen lässt und die zudem Hauterkrankungen<br />

etwa bei inkontinenten Menschen vorbeugt. Die<br />

Experten des Geschäftsbereichs Consumer Specialties<br />

nutzten dafür ihr besonderes Know­how im professionellen<br />

Hautschutz, das sie sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten als einer der führenden europäischen<br />

Hersteller von Schutz­, Reinigungs­ und Pflegeprodukten<br />

für die beruflich belastete Haut<br />

erworben haben. Ein Team aus Chemikern, Mikrobiologen<br />

und Ingenieuren entwickelt und testet Pro­<br />

dukte nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen,<br />

auch unter Einbeziehung externer Institute. In<br />

einem Code of Practice verpflichtet sich <strong>Evonik</strong>, über<br />

die gesetzlichen Regelungen hinaus höchste Maßstäbe<br />

an die Rohstoffauswahl in Bezug auf dermatologische,<br />

ökologische und kosmetische Aspekte anzulegen.<br />

Dies schließt den freiwilligen Verzicht auf<br />

bestimmte Parfüm­ oder Konservierungsstoffe ein,<br />

die häufig für Unverträglichkeitsreaktionen verantwortlich<br />

gemacht werden.<br />

Wie sich die Haut im Alter verändert<br />

Wenn Haut altert, ändert sich vieles: Die Epidermis<br />

wird dünner, die Kraft des Bindegewebes schwindet,<br />

die Haut verliert an Elastizität und Feuchtigkeit.<br />

Schweiß­ und Talgdrüsen produzieren weniger, die<br />

natürliche Regeneration der Oberhaut verlangsamt<br />

sich. Das muss übrigens nicht erst im hohen Alter<br />

passieren. Wie schnell Haut altert, ist individuell verschieden.<br />

Hautalterung ist zum Teil genetisch bedingt<br />

(intrinsische Faktoren), daneben spielen extrinsische<br />

Faktoren wie UV­Strahlung, Rauchgewohnheiten und<br />

Ernährung eine große Rolle. Alte Haut können also<br />

auch schon Menschen haben, die erst um die 50 sind.<br />

Bei älterer Haut wird die Verzahnung zwischen<br />

Ober­ und Unterhaut flacher. Die Folge: Mechanische<br />

Belastung, Druck und Reibung hinterlassen ihre Spuren.<br />

Das Zusammenspiel von Druck und Belastung<br />

führt dazu, dass betroffene Stellen nicht mehr ausreichend<br />

durchblutet werden, toxische Stoffwechsel­


produkte sammeln sich im Gewebe, Zellen sterben<br />

ab. Durch langes Liegen werden Haut und Gewebe<br />

lokal geschädigt, in Extremfällen bilden sich Druckgeschwüre,<br />

auch als Dekubitus oder Wundliegen bekannt.<br />

Daneben belasten Inkontinenz und Hautquellungen<br />

durch Verbände oder Medizinprodukte die<br />

Haut pflegebedürftiger Personen stark.<br />

Der Markt für Hautpflege bietet heute eine nahezu<br />

unüberschaubare Vielfalt an Produkten, aber<br />

nur wenige davon sind auf die Haut pflegebedürftiger<br />

Patienten abgestimmt. Unter den wenigen spezialisierten<br />

Produkten finden sich viele, die auf alten<br />

Rezepturen basieren, schlecht wirkende Inhaltsstoffe<br />

enthalten und in ihrer Wirkung kaum oder gar nicht<br />

dokumentiert sind.<br />

Professionelle Pflege für ältere Haut folgt einem<br />

anderen Ansatz und orientiert sich an klaren Fragestellungen:<br />

Welche Inhaltsstoffe und Formulierungen<br />

schützen gereizte und beanspruchte Haut am wirksamsten?<br />

Welchen spezifischen Belastungen ist die<br />

Haut von Pflegebedürftigen ausgesetzt und wie können<br />

die Belastungen abgemildert werden? Mit welchen<br />

Tests lässt sich die Wirkung transparent und<br />

eindeutig dokumentieren?<br />

Wichtige Fragen sind aber auch: Durch welche<br />

Rezepturen wird die Hautpflege einfacher? Wie muss<br />

eine Verpackung aussehen, die Verletzungen vermeidet<br />

und ein einhändiges Arbeiten ermöglicht? Nicht<br />

zuletzt ist die Wechselwirkung mit Inkontinenz­Artikeln<br />

wichtig. Der Standort Krefeld von <strong>Evonik</strong> ist<br />

bekannt für seine Superabsorber – pulverförmige<br />

Polymere, die unter Bildung eines Gels Flüssigkeitsmengen<br />

bis zum 500­fachen ihres Eigengewichts aufnehmen<br />

und speichern. Daher hatten die Entwickler<br />

der neuen Produktlinie Cosmedis® bei <strong>Evonik</strong> stets<br />

ein Auge darauf, dass die neuen Sprays, Lotionen oder<br />

Cremes die Aufnahmekapazität von Inkontinenz­Artikeln<br />

nicht beeinträchtigen.<br />

Zinkpaste ist out<br />

Um es klar zu sagen: Herkömmliche Zinkpasten erfüllen<br />

keinen dieser Ansprüche. Die dicken Pasten<br />

verdecken Wunden und gerötete Stellen, lassen sich<br />

schwer auf der Haut verteilen und nur durch starkes<br />

Reiben wieder entfernen. Zudem versiegeln sie die<br />

Windeloberfläche und behindern damit die Flüssigkeitsaufnahme.<br />

Es ist also offensichtlich, dass solche<br />

Pasten für die Haut von Älteren und Pflegebedürftigen<br />

ungeeignet sind. Auch moderne Formulierungen<br />

speziell für die beanspruchte, ältere Haut können<br />

kein Wundliegen verhindern und keinen Alterungsprozess<br />

aufhalten. Sie bieten allerdings einen maximalen<br />

Schutz vor zu viel Reibung, Druck und Belastung<br />

und mildern den Einfluss von aggressiven Inhaltsstoffen<br />

in menschlichen Ausscheidungen.<br />

Zentral bei der Entwicklung der Cosmedis® Produkte<br />

war die Dokumentation der Wirkung. Was einfach<br />

klingt, ist in der Praxis durchaus eine bedeutsame<br />

Frage: Für kosmetische Produkte gibt es, anders<br />

als für Medizinprodukte, keine standardisierten<br />

Tests. Daher stützten sich die Experten bei 333<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


Unterarmtest zur Ermittlung<br />

der allgemeinen<br />

Hautverträglichkeit. Die<br />

Abdeckung mit einer<br />

Alukappe verstärkt die<br />

Wirkung der aufgetragenen<br />

Substanzen<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Abbildung 1<br />

Test auf Hautverträglichkeit,<br />

der Standard ist Vaseline<br />

Cosmedis® Hautschutzcreme<br />

Standard<br />

Hautschädigung<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

333 <strong>Evonik</strong> auf bewährte Methoden, die teilweise im<br />

eigenen Haus entwickelt wurden und mit denen sich<br />

eine Reihe wichtiger Parameter wie etwa Keimhemmung,<br />

Hautverträglichkeit, alkalische Hautreizung<br />

und Waschleistung bestimmen lassen. Dabei kam ihnen<br />

die langjährige Erfahrung aus der Entwicklung<br />

von Hautschutzprodukten für die Arbeitswelt zugute.<br />

Produkte für die Haut dürfen auch nach langer<br />

Einwirkung nicht reizen und müssen auch bei regelmäßiger<br />

und intensiver Anwendung stets gut verträglich<br />

sein. Zur Messung der allgemeinen Hautverträglichkeit<br />

von Cosmedis® wurden Freiwilligen kleine<br />

unverdünnte Testmengen der neuen Produkte auf die<br />

relativ dünne Haut am Unterarm aufgetragen und mit<br />

einer Alukappe abgedeckt. Durch die Okklusion entsteht<br />

ein Feuchtigkeitsstau, der zu einer Quellung der<br />

Hornschicht führt und den Effekt der applizierten<br />

Substanzen verstärkt. Je nach Produkt wird die Applikationsdauer<br />

gewählt, im Extremfall je 24 Stunden<br />

an 3 aufeinander folgenden Tagen. In diesen Tests ergaben<br />

sich für die Cosmedis® Produkte fast durchweg<br />

gute und sehr gute Hautverträglichkeiten (Abb. 1).<br />

Zur Beurteilung der Schutzwirkung wurde die<br />

Haut zunächst mit 0,5­prozentigem Ammoniakwasser<br />

drei Stunden lang gereizt, da Ammoniak einer der<br />

Hauptverursacher der Windeldermatitis ist. Bei einer<br />

visuellen Begutachtung der verschiedenen Testfelder<br />

Maximale Applikationszeit [h]<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Abbildung 2<br />

Hautschutzwirkung gegen<br />

Ammoniaklösung<br />

Cosmedis® Hautschutzcreme<br />

Cosmedis® Hautschutzspray<br />

ohne Hautschutz<br />

Hautschädigung nach 3­stündiger<br />

Reizung mit 0,5% NH 3<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0


zeigte sich, dass die durch den Ammoniak hervorgerufene<br />

Rötung und Austrocknung der Haut durch das<br />

Auftragen der Cosmedis® Schutzprodukte vermindert<br />

werden konnte (Abb.2).<br />

Wirkstoffe gegen schädliche Enzyme<br />

Bei der Entwicklung der neuen Hautpflegeserie beschäftigten<br />

sich die Spezialisten erstmals gezielt mit<br />

den vielfachen Reizwirkungen durch Enzyme, die<br />

der geschwächten älteren Haut besonders zusetzen.<br />

Menschliche Ausscheidungen enthalten eine Vielzahl<br />

von Enzymen: Proteasen, Lipasen, Ureasen. Die Ureasen<br />

bauen den im Urin enthaltenen Harnstoff zu Ammoniak<br />

ab, der pH­Wert auf der Hautoberfläche<br />

steigt, der Säureschutzmantel der Haut geht verloren.<br />

Das alkalische Milieu fördert das Wachstum von Pilzen<br />

wie Candida albicans, die sich im Stuhl vieler<br />

Menschen finden. Bei immungeschwächten Menschen<br />

vermehren sich die Pilze ungehindert, es bildet<br />

sich eine so genannte Candidose aus. Diese ist im Gesundheitswesen<br />

leider ein häufiges Problem.<br />

Weiterhin scheiden Pilze Enzyme, insbesondere<br />

Proteasen, aus. Zusammen mit den Proteasen, die mit<br />

dem Stuhl ausgeschieden werden, bauen sie die Proteine<br />

der Haut ab und greifen sie so an. Lipasen<br />

befinden, spalten Fett in unangenehm riechende,<br />

niedrigkettige Fettsäuren.<br />

Die Aktivität all dieser Keime und Enzyme führt<br />

also zu Abbauprodukten, die die Haut reizen oder gar<br />

schädigen. Das Cosmedis® Hautschutzspray enthält<br />

daher Inhibitoren wie Zinksalizylat, die die Enzymaktivität<br />

blockieren und Pilzwachstum inhibieren. Tests<br />

im Labor für Toxikologie und Ökologie von <strong>Evonik</strong><br />

haben gezeigt, dass das Spray über eine Zeit von<br />

zwölf Stunden Ureasen deaktiviert und die Freisetzung<br />

von Ammoniak aus Harnstoff verhindert (Abb.<br />

3). Auch Proteasen werden inaktiviert. Für diesen<br />

Test wird Fluorescein­markiertes Casein verwendet,<br />

dessen Abbau durch das Schutzspray fast vollständig<br />

unterbunden wird. Das Produkt verhindert zudem<br />

das Wachstum der Keime von Candida albicans: Im<br />

Wachstumshemmtest zeigt sich, dass bereits nach 20<br />

Minuten 99 Prozent der Keime absterben, nach einer<br />

Stunde Einwirkzeit waren keine Keime mehr nachweisbar<br />

(Abb. 4, 5).<br />

Vielen Produkten aus der Cosmedis® Reihe werden<br />

außerdem Ginkgo­Extrakte zugesetzt. Auszüge<br />

von Ginkgo biloba enthalten Flavonoide und Terpenoide,<br />

die eine pharmazeutische Wirkung entfalten<br />

können. Beispielsweise verbessern sie Durchblutung<br />

und Mikrozirkulation und schützen vor oxidativem<br />

schließlich, die sich überall im und auf dem Körper Stress durch freie Radikale.<br />

333<br />

Abbildung 3<br />

Ureaseaktivität, Maß für die<br />

Freisetzung von Ammoniak<br />

Cosmedis® Hautschutzspray<br />

Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />

ppm NH 3 x h<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Abbildung 4<br />

Wachstumshemmung von<br />

Candida albicans<br />

Cosmedis® Hautschutzspray<br />

Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />

Konzentration Candida albicans [KBE/ml]<br />

10 6<br />

10 5<br />

10 4<br />

10 3<br />

10 2<br />

10<br />

0 2 4 6 8 10 12 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180<br />

Zeit [h]<br />

Zeit [min]<br />

GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 17<br />

Abbildung 5<br />

Hemmung der<br />

Proteaseaktivität<br />

Cosmedis® Hautschutzspray<br />

Kontrolle (bidestilliertes H 2O)<br />

Hemmung [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

29<br />

10<br />

0<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


Ammoniaktest im Labor für Toxikologie und Ökologie von <strong>Evonik</strong><br />

Abbildung 8<br />

Reinigungseffekt im Lederlappenwaschtest<br />

Cosmedis®<br />

Hautreinigungsschaum<br />

Wettbewerb<br />

Hautreinigungsschaum<br />

Cosmedis® 3­in­1<br />

Hautreinigungslotion<br />

Wettbewerbsprodukt<br />

3­in­1<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Abbildung 6<br />

Schematische Darstellung einer<br />

Wasser­in­Öl­in­Wasser­Emulsion<br />

(W/O/W), der Basis für die<br />

Cosmedis® Hautschutzcreme<br />

Mikroskopische Aufnahme einer<br />

W/O/W­Formulierung<br />

Abbildung 7<br />

Schnitt durch ein 3D­Hautmodell<br />

0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0<br />

Sauber<br />

Kein Reinigungseffekt<br />

Pflege wird einfacher,<br />

schneller, schonender<br />

Professioneller Schutz braucht nicht nur hochwirksame<br />

Inhaltsstoffe. Genauso bedeutend ist, dass die<br />

häufige Anwendung der Haut nicht zusetzt, sich also<br />

ohne Drücken, Reiben und Zerren auftragen und<br />

wieder entfernen lässt. Hier spielt die richtige Wahl<br />

des Emulsionstyps eine entscheidende Rolle.<br />

Wasser­in­Öl­Emulsionen (W/O) sind oft fettig<br />

und schwer, entsprechen also nicht den Anforderungen<br />

an dünnflüssige und schnell einziehende Produkte.<br />

Öl­in­Wasser­Emulsionen (O/W) dagegen<br />

sind leicht und bilden auf der Haut einen dünnen, allerdings<br />

nicht dauerhaften Film. Für die Pflege dünner<br />

und wundgelegener Haut wurde ein kühlender<br />

Schaum entwickelt, der auf einer stabilen Mikroemulsion<br />

basiert und besonders leicht zu verteilen<br />

ist. Die Schutzcreme basiert dagegen auf einer Wasser­in­Öl­in­Wasser­Emulsion<br />

(W/O/W) (Abb. 6).<br />

Sie verleiht ein angenehmes, leichtes Hautgefühl und<br />

schützt zugleich durch einen stabilen Film. Hinzu<br />

kommt, dass die in der innersten Phase gelösten<br />

Wirkstoffe in tiefere Hautschichten transportiert<br />

werden.<br />

Die Cosmedis® Hautschutzcreme ist eine ebensolche<br />

W/O/W­Formel. Ihre Wirksamkeit wurde nicht<br />

nur in vivo, sondern auch ex vivo bestätigt. Dazu<br />

wurde die Creme im Labor für Toxikologie und Öko­


logie in einem 3D­Hautmodell getestet (Abb. 7). Ein<br />

3D­Hautmodell ist eine künstliche Haut, gezüchtet<br />

aus Zellen, die einer Operation entstammen. Aufgebaut<br />

wie eine normale Haut, konnte an dem Modell<br />

die Stärkung der Hautbarriere gezeigt werden. So<br />

wird durch die Cosmedis® Hautschutzcreme die Synthese<br />

hauteigener Barrierelipide, wie Ceramide und<br />

Cholesterol, angeregt.<br />

Keine Hautpflege ohne<br />

gute Reinigung<br />

Bei der Entwicklung der Cosmedis® Reinigungsprodukte<br />

kommen nur sanft wirkende Tenside zur Anwendung,<br />

da die Haut von Pflegebedürftigen mehrmals<br />

täglich gesäubert werden muss. Außerdem<br />

wurde darauf geachtet, dass sich hohe Reinigungswirkung<br />

mit schneller und einfacher Anwendung verbindet:<br />

Die Lotion benötigt weder Wasser noch eine<br />

nachträgliche Pflege.<br />

Der Cosmedis® Antibakterielle Hautreinigungsschaum<br />

unterstützt allgemeine Hygienemaßnahmen<br />

und die Vorbeugung von Infektionen. Er entwickelt<br />

besonders schnell seine keimhemmende Wirkung:<br />

Bereits nach 15 Sekunden sind Influenza­Viren inaktiviert,<br />

Bakterien wie Staphylokokken und Enterokokken<br />

nach 30 Sekunden. Der antibakterielle<br />

Schaum ist dabei insbesondere wirksam gegen Antibiotika­resistente<br />

Staphylococcus­Aureus­Stämme,<br />

so genannte MRSA. Obwohl das Bakterium weit verbreitet<br />

und etwa ein Viertel der Weltbevölkerung<br />

Träger ist, kann es im Falle eines geschwächten Immunsystems<br />

zu Hautinfektionen und Muskelerkrankungen<br />

führen. Aus der Resistenz gegen Antibiotika<br />

resultiert eine schlechte Behandlungsmöglichkeit,<br />

das heißt eine hohe Morbilität (Erkrankungsziffer)<br />

und Mortalität (Todesfallrate). Problematisch ist dieser<br />

Keim daher insbesondere in Krankenhäusern und<br />

Pflegeheimen.<br />

Um die Waschleistung der Reiniger zu belegen,<br />

wurde künstliches Exkrement entwickelt. Es besteht<br />

aus zwei Dritteln Leitungswasser, zehn Prozent Margarine,<br />

15 Prozent Stärke, fünf Prozent Kakao, außerdem<br />

kleinen Mengen Gelatine, Konservierungsstoffen<br />

und Verdickungsmittel. Für den so genannten Lederlappenwaschtest<br />

werden kleine Felder auf glatt<br />

gegerbtem Leder mit 0,5 Gramm künstlichem Kot<br />

bestrichen. Nach einer Stunde Trocknungszeit tragen<br />

die Tester 0,6 Gramm Reinigungsprodukt auf und<br />

waschen die Felder unter fließendem Wasser 35 Sekunden<br />

lang ab. Die Cosmedis® Produkte zeigen eine<br />

gleich gute oder bessere Reinigungswirkung als der<br />

Marktstandard, obwohl sie besonders mild zur Haut<br />

sind (Abb. 8).<br />

Auch im Gesundheitsbereich gilt: Die Vorlieben<br />

bei der Hautpflege sind so vielfältig wie die Produktpalette.<br />

Creme oder Lotion? Lieber fettig oder leicht?<br />

Mit Parfüm oder ohne? Diesen individuellen Vorlieben<br />

haben die Entwickler von Cosmedis® entsprochen,<br />

indem sie so unterschiedliche Formen wie<br />

Spray, Lotion, Creme und Schaum in einem einzigen<br />

Sortiment anbieten. Besonders anwenderfreundlich<br />

wird die Cosmedis® Reihe durch eine eindeutige Unterteilung<br />

des Sortiments in die Bereiche Schutz, Reinigung<br />

und Pflege durch unterschiedliche Farben der<br />

Verpackung. Jedes Produkt basiert auf einer eigenen<br />

Rezeptur, die der gewünschten Wirkung und Anwendungsform<br />

entspricht und die zugleich die unterschiedlichen<br />

Vorlieben der Kunden adressiert.<br />

Der Gesundheitsbereich ist ein wachsender<br />

Markt. <strong>Evonik</strong> hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb<br />

der kommenden fünf bis zehn Jahre einen nennenswerten<br />

Anteil des Geschäftes im Pflege­ und Gesundheitsbereich<br />

zu erwirtschaften. Dabei profitieren die<br />

Chemiker, Mikrobiologen, Ingenieure und Marketingexperten<br />

von langjährigen Erfahrungen mit professioneller<br />

Hautpflege für Industrie und Arbeitswelt,<br />

von engen Kontakten zu Kunden und Lieferanten und<br />

vor allem von einer detaillierten Kenntnis von Kundenwünschen<br />

und ­anforderungen. 777<br />

GESUnDhEIt & ERnÄhRUnG 19<br />

Dr. petra allef ist im Geschäftsbereich Consumer<br />

Specialties als Head of Innovation Management STOKO<br />

Skin Care für die Forschung, Entwicklung und Anwendungstechnik<br />

des Produktbereiches STOKO Skin<br />

Care verantwortlich. Nach Chemiestudium und Promotion<br />

im Bereich Naturstoffsynthesen im Arbeits kreis<br />

von Prof. Kunz an der Universität Mainz und einem<br />

Auslandssemester in Kyoto (Japan) startete sie ihre berufliche<br />

Laufbahn 2000 in der Forschung von Gillette<br />

(P&G). 2002 wechselte sie zu <strong>Evonik</strong> in das Geschäftsgebiet<br />

Care Specialties. Dort leitete sie eine Entwicklungsgruppe,<br />

die sich mit der Synthese von kosmetischen<br />

Rohstoffen beschäftigt, bevor sie 2005 ihre<br />

aktuelle Position übernahm.<br />

+49 2151 38-1399, petra.allef@evonik.com<br />

Dr. thomas mangen arbeitet seit 2009 als Gruppenleiter<br />

Biophysikalische Methoden in der Abteilung<br />

Innovation Management STOKO Skin Care der<br />

Produktlinie STOKO Skin Care, wo er die Entwicklung<br />

und Testung der Cosmedis® Produkte betreut. Nach<br />

Chemiestudium und Promotion an der Universität<br />

Bonn und Auslandsstudien in Ogden (USA), Granada<br />

und Madrid (Spanien) forschte er als Postdoc an der<br />

National Taiwan Normal University in Taipei. 2007<br />

startete er seine berufliche Laufbahn bei <strong>Evonik</strong> im<br />

Geschäftsgebiet Superabsorber als Leiter eines anwendungstechnischen<br />

Labors.<br />

+49 2151 38-3441, thomas.mangen@evonik.com<br />

andreas klotz arbeitet seit 2006 als Senior Markting<br />

Manager STOKO Skin Care, wo er die Konzep tionierung<br />

und Markteinführung der Altenpflegeserie Cosmedis®<br />

betreut. Nach einer Ausbildung zum Chemielabo<br />

ran ten bei der Firma Symrise und einem Studium<br />

an der Fachhochschule Lippe-Lemgo mit dem Schwerpunkt<br />

Kosmetik startete er seine berufliche Laufbahn<br />

bei <strong>Evonik</strong> in der Produktlinie STOKO Skin Care als<br />

Leiter der Qualitätsprüfung. 1998 übernahm er die<br />

Gruppenleitung Biophysikalische Methoden, bevor er<br />

2001 ins Marketing wechselte.<br />

+49 2151 38-1406, andreas.klotz@evonik.com<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


20 nEWS<br />

Von <strong>Evonik</strong> betreute<br />

Bachelorarbeit von<br />

Max-Buchner-<br />

Forschungsstiftung<br />

ausgezeichnet<br />

Die Chemiestudentin Marina Richter<br />

wurde für ihre bei <strong>Evonik</strong> Industries<br />

durchgeführte Bachelorarbeit mit einem<br />

Buchpreis der Max­Buchner­Forschungsstiftung<br />

für Technische Chemie an Fachhochschulen<br />

ausgezeichnet. Die 23­Jährige,<br />

die nach dem Bachelor an der Hochschule<br />

Bonn Rhein Sieg im Arbeitskreis<br />

von Prof. Dr. Wolfgang Fink das Masterstudium<br />

Chemie an der RWTH Aachen<br />

aufgenommen hat, beschäftigte sich in ihrer<br />

Abschlussarbeit mit Operando­spektroskopischen<br />

Untersuchungen zum Mechanismus<br />

der Hydroformylierung von<br />

Olefinen. Die Grundzüge dieses Reaktionszyklus<br />

sind im Jahre 1961 in einer<br />

wegweisenden Arbeit von Richard Fred<br />

Heck veröffentlicht worden, der dieses<br />

Jahr zusammen mit Ei­ichi Negishi und<br />

Akira Suzuki den Nobelpreis für Chemie<br />

für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Palladium­katalysierten<br />

Kreuzkupplungen<br />

erhalten hat.<br />

„Wir freuen uns mit Frau Richter über<br />

ihre verdiente Auszeichnung“, sagte Dr.<br />

Dieter Hess, der als Senior Scientist in der<br />

Oxoforschung des Geschäftsgebiets C4­<br />

Chemistry von <strong>Evonik</strong> die Arbeit sechs<br />

Monate lang betreut hat. „Frau Richter hat<br />

ihre Arbeit sehr engagiert vorangetrieben<br />

und uns wertvolle Hinweise geliefert, wie<br />

Hydroformylierungsprozesse weiter optimiert<br />

werden können“, so Hess. „<strong>Evonik</strong><br />

hat es mir ermöglicht, an einem aktuellen<br />

Forschungsthema aktiv und selbstständig<br />

mitzuarbeiten – unter hervorragender<br />

Betreuung und technischer Ausstattung.<br />

Um weitere Einblicke in die Katalyse zu<br />

erhalten, habe ich in meinem Masterstudium<br />

dieses Thema als Schwerpunkt gewählt“,<br />

ergänzte Richter.<br />

Die Hydroformylierung, auch Oxosynthese<br />

genannt, dient der Herstellung von<br />

Aldehyden aus Olefinen und Synthesegas<br />

(CO und H 2 ) und hat auf der ganzen Welt<br />

überragende Bedeutung. Weltweit produziert<br />

die chemische Industrie jährlich<br />

neun Millionen Tonnen Oxoprodukte; die<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Das Autoklaventechnikum in Marl:<br />

Hier hat Marina Richter experimentiert<br />

tigste Beispiel für die industrielle Anwendung<br />

der homogenen Katalyse. <strong>Evonik</strong><br />

nutzt sie in seinem technisch anspruchsvollen<br />

C4­Produktionsverbund in Marl,<br />

wo Crack­C4 schrittweise zu einer Vielzahl<br />

von Stoffen umgesetzt wird; Beispiele<br />

sind Butadien, 1­Buten, Isononanol oder<br />

Isotridecanol.<br />

Stand der Technik bei der Hydroformylierung<br />

sind hochselektive Prozesse,<br />

die mit Organophosphorliganden modifizierte<br />

Rhodiumkatalysatoren verwenden.<br />

Die Forschung in diesem Bereich konzentriert<br />

sich auf das Tuning der Liganden,<br />

um Aktivität, Selektivtät und Stabilität der<br />

Homogenkatalysatoren weiter zu verbessern.<br />

<strong>Evonik</strong> kombiniert hierfür In­situ­<br />

NMR und ­IR unter Reaktionsbedingungen<br />

mit Molecular Modeling, um den komplexen<br />

Mechanismus der Hydroformylierungsreaktion<br />

zu beleuchten (s. auch<br />

Elements 27, S. 6 ff). Mit Hilfe dieser modernen<br />

Methoden und statistischer Versuchsplanung<br />

konnte Marina Richter die<br />

Kinetik beschreiben, mit der sich der ak­<br />

tive Katalysator aus Rhodium und phosphororganischen<br />

Liganden bildet – und<br />

hat so für <strong>Evonik</strong> eine Grundlage geschaffen,<br />

um Hydroformylierungskatalysatoren<br />

für neue Produkte maßzuschneidern.<br />

Die Max­Buchner­Forschungsstiftung<br />

für Technische Chemie an Fachhochschulen<br />

zeichnet jährlich auf Vorschlag der<br />

Hochschullehrer die besten Diplomarbeiten<br />

der Fachrichtungen Chemietechnik<br />

und Biotechnologie an Fachhochschulen<br />

und der Diplomstudiengänge an Gesamthochschulen<br />

aus. „Der Erfolg von Frau<br />

Richter bestätigt uns darin, uns aktiv an<br />

der Hochschulausbildung zu beteiligen<br />

und angehenden Chemikern die Möglichkeit<br />

zu geben, im Rahmen ihrer Abschlussarbeit<br />

praktische Erfahrungen in der Industrie<br />

zu sammeln“, betonte Hess. Sein<br />

Bereich betreut seit fünf Jahren regelmäßig<br />

FH­Diplom­ oder Bachelorarbeiten,<br />

die üblicherweise zwischen vier und sechs<br />

Monaten dauern. Als Praktikant oder Diplomand<br />

bewerben kann sich jeder, der<br />

mindestens fünf Fachsemester des Bachelorstudiums<br />

absolviert und vor allem<br />

„Freude am Forschen hat“, so Hess. Die<br />

Bewerbung erfolgt online über die Homepage<br />

von <strong>Evonik</strong>, auf der ständig entsprechende<br />

Stellen ausgeschrieben sind. Ein<br />

Angebot, das gerne angenommen wird:<br />

Mitte August hat die neueste Kandidatin<br />

ihre Bachelorarbeit bei <strong>Evonik</strong> in Marl begonnen.<br />

Hydroformylierung ist damit das wich­ Informationen unter: www.evonik.de/karriere


<strong>Evonik</strong> Meets Science China 2010<br />

Bereits zum sechsten Mal in Folge hat <strong>Evonik</strong><br />

im September chinesische Wissenschaftler<br />

nach Schanghai geladen, um mit<br />

ihnen zwei Tage lang über aktuelle Forschungstrends<br />

zu diskutieren, bestehende<br />

Kontakte zu vertiefen und neue zu knüpfen.<br />

Thema des diesjährigen „<strong>Evonik</strong> Meets<br />

Science China“ waren anorganisch­organische<br />

Polymerhybridmaterialien. Professoren<br />

und anerkannte Experten in diesem<br />

Bereich von mehr als zehn Top­Universitäten<br />

und ­Forschungseinrichtungen Chinas<br />

waren der Einladung gefolgt, darunter<br />

Prof. Charles Han vom Institut für Chemie<br />

der Chinesischen Akademie der Wissenschaften<br />

(ICCAS) in Peking als Keynote<br />

Speaker sowie Prof. Xiaosu Yi vom Pekinger<br />

Institut für Luftfahrtmaterialien.<br />

Aktuelle technologische Durchbrüche<br />

und der Wunsch nach neuen Funktionen<br />

haben die Nachfrage nach neuen Materialien<br />

enorm steigen lassen. „Unsere Innovationskraft<br />

ist unsere Stärke“, eröffnete<br />

Dr. Thomas Haeberle, Mitglied der<br />

Geschäftsführung der <strong>Evonik</strong> Degussa<br />

GmbH, die Veranstaltung. „Insbesondere<br />

in der Spezialchemie ist ein konstanter<br />

Strom an neuen, nachfragestarken Produkten<br />

und Anwendungen unverzichtbar,<br />

um sich langfristig erfolgreich gegen den<br />

globalen Wettbewerb zu behaupten. In<br />

unserem weltweiten Innovationsprozess<br />

spielt dabei der nachhaltige Wissensaustausch<br />

mit der Wissenschaft – Stichwort<br />

Open Innovation – eine wichtige Rolle.“<br />

Anorganisch­organische Polymerhybridmaterialien<br />

unterscheiden sich in ihren<br />

Eigenschaften sowohl von den organischen<br />

Polymeren als auch von den anorganischen<br />

Materialien, aus denen sie aufgebaut<br />

sind. Die Möglichkeiten, die solche<br />

Hybridmaterialien eröffnen, scheinen unendlich.<br />

“<strong>Evonik</strong> sieht in diesem technologischen<br />

Megatrend ein enormes Marktpotenzial.<br />

Indem wir das Können herausragender<br />

chinesischer Wissenschaftler<br />

mit der führenden Technologie von <strong>Evonik</strong><br />

kombinieren, wollen wir unsere<br />

Marktposition hier künftig weiter ausbauen“,<br />

sagte Dr. Jing Feng, der bei <strong>Evonik</strong><br />

den Bereich Innovationsmanagement für<br />

die Region Greater China verantwortet.<br />

Da Kooperationen ein Schlüssel zum<br />

Erfolg sind, sucht <strong>Evonik</strong> den Dialog und<br />

Ausbau der Produktionskapazitäten für TAA in China<br />

TAA­Derivate sind Vorprodukte für<br />

Lichtstabilisatoren auf Basis von sterisch<br />

gehinderten Aminen, die unter anderem<br />

in Agrarfolien zum Einsatz kommen<br />

nEWS 21<br />

die Zusammenarbeit mit chinesischen<br />

Wissenschaftlern. „Wir haben in den vergangenen<br />

Jahren ein starkes Netzwerk zu<br />

chinesischen Wissenschaftlern geknüpft,<br />

das uns auch hilft, die Entwicklung von<br />

<strong>Evonik</strong> in China voranzutreiben“, erklärte<br />

Dr. Dahai Yu, Präsident der <strong>Evonik</strong> Degussa<br />

(China) Co., Ltd. „Durch die enge<br />

Zusammenarbeit sowohl mit den Hochschulen<br />

als auch mit den Unternehmen<br />

hier in der Region in allen Entwicklungsstufen<br />

eröffnen wir uns zusätzliche Innovationschancen<br />

und verkürzen die Entwicklungszeiten.“<br />

<strong>Evonik</strong> Meets Science hat in China,<br />

ebenso wie in Europa und den USA, bereits<br />

Tradition. Organisiert vom Bereich<br />

Innovationsmanagement Greater China<br />

und unterstützt von den deutschen Kollegen,<br />

war dies bereits die sechste Veranstaltung<br />

dieser Art, seit <strong>Evonik</strong> 2004 sein<br />

F&E­Center in China etabliert hat. Themen<br />

der fünf vorhergehenden Veranstaltungen<br />

waren nachwachsende Rohstoffe,<br />

funktionelle Polymere, Nanotechnologie,<br />

Biotechnologie sowie katalytische Prozesse.<br />

Die Nachfrage nach Triacetonamin­Derivaten (TAA­Derivate) steigt<br />

seit Jahren kontinuierlich. <strong>Evonik</strong> Industries nutzt die wirtschaftlichen<br />

Chancen, die sich dadurch ergeben, und weitet die Produktionskapazitäten<br />

für diese Derivate in China massiv aus. Noch in diesem<br />

Jahr soll der Grundstein für ein neues Werk gelegt werden.<br />

Derzeit produziert <strong>Evonik</strong> die TAA­Derivate im Joint Venture<br />

<strong>Evonik</strong> Tianda (Liaoyang) Chemical Additive Co., Ltd. am Standort<br />

Liaoyang im Nordosten Chinas. Die bestehende Produktion soll innerhalb<br />

des Gebiets von Liaoyang an die Aromatic Site (LAS), einen<br />

der größten petrochemischen Standorte, verlegt und dabei signifikant<br />

ausgebaut werden. Die volle Produktionsaufnahme ist für das vierte<br />

Quartal 2011 geplant.<br />

Neben der Anlage im chinesischen Liaoyang betreibt <strong>Evonik</strong> eine<br />

weitere Produktion im Chemiepark Marl. Der Konzern ist bereits<br />

jetzt einer der weltweit führenden Anbieter von TAA­Derivaten. Es<br />

handelt sich dabei um essenzielle Vorprodukte für die Herstellung<br />

von Lichtstabilisatoren auf Basis von sterisch gehinderten Aminen<br />

(H.A.L.S.; Hindered Amine Light Stabilizers). Die Stabilisatoren verbessern<br />

die Eigenschaften von Kunststoffen, die intensiver Lichteinstrahlung<br />

ausgesetzt sind. Haupteinsatzgebiete sind die Automobil­<br />

und Baubranche sowie Agrarfolien.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


22 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />

k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />

Bringt verbrauchte<br />

Energie zurück:<br />

CreAMINO® für die<br />

Tierernährung<br />

Dr. Ernst Krämer<br />

Ricardo Gobbi<br />

Dr. Andreas Lemme<br />

Dr. Michael Binder<br />

Dr. Alfred Petri<br />

Dr. Thomas Kaufmann<br />

Geschäftsbereich<br />

Health & Nutrition<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Immer mehr Nutztiere müssen mit immer mehr pflanzlichem Futter versorgt<br />

werden – weil die Weltbevölkerung wächst und mit ihr der Bedarf an Fleisch,<br />

Milch und Eiern. Auch der Verbrauch an Gemüse, Reis und Kartoffeln steigt.<br />

Doch die Anbauflächen sind begrenzt und die Produktion von Lebens- und<br />

Futtermitteln lässt sich nicht beliebig ausweiten. Einen Lösungsbeitrag bieten<br />

innovative Fütterungskonzepte, bei denen die Tiere das Futter optimal verwerten<br />

– so können mit der gleichen Menge Futter mehr Tiere ausgewogen ernährt<br />

werden. Der Geschäftsbereich Health & Nutrition, der dazu bereits einen<br />

wichtigen Beitrag mit Aminosäuren leistet (s. auch S. 8ff), hat nun einen<br />

weiteren Hebel zur nachhaltigen Tierernährung identifiziert: Guanidinoessigsäure<br />

(Guanidino Acetic Acid, GAA), die unter dem Namen CreAMINO® vermarktet<br />

wird.<br />

Aus GAA produziert der Körper Kreatin, das eine wesentliche Rolle im<br />

Energiehaushalt spielt: Es trägt dazu bei, die Muskelzellen von Mensch und<br />

Tier mit der notwendigen Energie zu versorgen. Zwar kann der Körper einen<br />

Teil des Kreatins selbst herstellen, doch bei hohem Bedarf, etwa bei starker<br />

körperlicher Beanspruchung oder in der Wachstumsphase, ist er auf die Zufuhr<br />

von außen angewiesen – auf Fleisch. Hühner, von Natur aus keine Vegetarier,<br />

wurden deshalb bis vor einigen Jahren mit Fleisch- und Knochenmehl gefüttert.<br />

Doch seit BSE ist dies in der EU verboten und in anderen Ländern wird<br />

das Fleischmehl aus hygienischen Gründen seither so hoch erhitzt, dass das<br />

Kreatin zerstört wird. Als Folge kann das Geflügel sein Futter nicht optimal<br />

verwerten.<br />

Diese Lücke haben die Tierernährungsexperten von <strong>Evonik</strong> nicht nur identifiziert,<br />

sondern mit CreAMINO® nun auch erstmals geschlossen. Durch die<br />

Beimischung von rund 600 g CreAMINO® zu einer Tonne rein pflanzlichem<br />

Futtermittel kann das Fehlen von Kreatin kompensiert werden. In der EU ist<br />

das Produkt, das die AlzChem GmbH in Trostberg für <strong>Evonik</strong> produziert, bereits<br />

zugelassen; die Zulassung in anderen Regionen wie Asien, USA und<br />

Lateinamerika läuft, und die ersten Tonnen sind bereits verkauft. Und auch<br />

eine von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) eingesetzte internationale<br />

Expertenkommission ist von CreAMINO® überzeugt: Sie hat das<br />

Produkt jetzt mit der EuroTier 2010 Silbermedaille ausgezeichnet. Damit hat<br />

<strong>Evonik</strong> einmal mehr seine Kompetenz in nachhaltiger Tierernährung unter<br />

Beweis gestellt.


k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />

Aus SAVOSIL TM<br />

gefertige<br />

Linsen für LEDs<br />

SAVOSIL TM bringt<br />

Licht in neue Märkte<br />

Dr. Daniele Fregonese<br />

Dr. Iordanis Savvopoulos<br />

Glen Marston<br />

Fulvio Costa<br />

Junglin Tsai<br />

Geschäftsbereich<br />

Inorganic Materials<br />

nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 23<br />

Leuchtdioden (LED) machen aus wenig Strom viel Licht und erobern deshalb<br />

zunehmend verschiedenste Beleuchtungsanwendungen. Schon jetzt stecken sie<br />

in Blinker und Rücklicht von Autos, in Ampeln, Nachttisch- und Taschen lampen,<br />

in Scannern oder in der Hintergrundbeleuchtung von Flachbildschirmen.<br />

<strong>Evonik</strong> positioniert sich derzeit in diesem Markt: mit SAVOSIL TM , dem Markennamen<br />

für umweltfreundlich erzeugte, hochreine Glaslinsen, die in nahezu<br />

jede Form gebracht werden können, entsprechend dem Markenkonzept der<br />

maßgeschneiderten Lösung. Seit Ende 2009 entwickelt und produziert das<br />

eigens dafür gegründete Joint Venture <strong>Evonik</strong> Cristal Materials Corporation die<br />

Linsen und hat praktisch aus dem Stand den Sprung in einen sich rasant entwickelnden<br />

Markt geschafft: Der LED-Markt verzeichnet ein jährliches Wachstum<br />

von etwa 20 Prozent.<br />

Die Produktion basiert dabei auf der von <strong>Evonik</strong> entwickelten, patentierten<br />

SiVARA TM Sol-Gel-Technologie, die <strong>Evonik</strong> bereits 2005 mit dem Innova tionspreis<br />

würdigte. Dabei wird eine wässrige AEROSIL®-Dispersion in die gewün -<br />

schte Form gegossen, wo sie geliert und nach mehreren Behandlungs stufen im<br />

Ofen zu hochreinem Kieselglas sintert. Ob Maßanfertigung oder komplizierte<br />

Designs – der Kreavitität wird freien Lauf gelassen. Aus dieser im Vergleich zur<br />

konventionellen Glasherstellung sehr energieeffizienten Techno logie hat<br />

<strong>Evonik</strong> die Produktfamilie SAVOSIL TM abgeleitet und sich damit in der Wertschöpfungskette<br />

auf einen der vorderen Plätze nahe am Endkunden gebracht.<br />

Neben den LED haben die Entwickler schon längst eine neue, zukunftsträchtige<br />

Anwendung im Visier: die konzentrierende Fotovoltaik. Diese noch<br />

junge Technologie lockt mit hohen Wirkungsgraden, weil sie das Sonnenlicht<br />

durch Linsen bündelt und auf die Solarzellen fokussiert. Das verstärkt nicht nur<br />

das Sonnenlicht, sondern spart auch Material bei der Herstellung der Solarzellen.<br />

Entsprechende Linsen aus SAVOSIL TM führt <strong>Evonik</strong> derzeit im Markt ein.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


24 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />

k atEGoRIE nEUE pRoDUktE/nEUE SyStEmlöSUnGEn<br />

Sinkender Kraftstoffverbrauch<br />

dank<br />

neuer Viskositätsverbesserer<br />

Dr. Torsten Stöhr<br />

Boris Eisenberg<br />

Dr. Michael Müller<br />

Dieter Janßen<br />

Dr. Thorsten Bartels<br />

Roland Schweder<br />

Miriam Stihulka<br />

Geschäftsbereich<br />

Coatings & Additives<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Schmiermittel spielen in der Fahrzeugindustrie eine wichtige Rolle, unter anderem<br />

auch um den Treibstoffverbrauch zu senken. Je geringer die Reibung der<br />

Fahrzeugkomponenten, desto weniger Energie geht verloren. Damit die interne<br />

Reibung im Schmiermittel sinkt, sollte es eine möglichst geringe Vis kosität<br />

bei tiefen Temperaturen aufweisen. Polyalkylmethacrylate (PAMA) und Polyolefine<br />

dienen seit Jahrzehnten als wichtigste Ausgangsstoffe für die For mulierung<br />

von Viskositätsverbesserern.<br />

Bereits in den frühen 90er Jahren hat das zu Coatings & Additives gehörende<br />

Geschäftsgebiet Lubricant Additives von <strong>Evonik</strong> erste Erfahrungen damit gesammelt,<br />

wie sich aus der PAMA- und Polyolefinchemie Kammpolymere erzeugen<br />

lassen. Kammpolymere bestehen aus einer linearen PAMA-Hauptkette,<br />

von der in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen längere, untereinander<br />

nahezu gleich lange Polyolefin-Seitenketten abzweigen. Doch das Kammpolymerprojekt<br />

wurde aufgrund von fehlenden, kommerziell nicht erhältlichen Rohmaterialien<br />

und den damals noch „unspektakulären“ viskosimetrischen Eigenschaften<br />

eingestellt.<br />

Mit dem Wissen, dass sich die viskosimetrischen Eigenschaften eines Polymers<br />

durch seine Architektur wesentlich verändern lassen, griffen Mitarbeiter<br />

die Idee der Kammpolymere zehn Jahre später wieder auf und entwickelten<br />

hochleistungsfähige Viskositätsverbesserer, deren Viskositätsindizes und Verdickungseigenschaften<br />

die der aktuellen Produkte auf Basis von reinen PAMA<br />

bei gleicher Scherstabilität weit übertreffen.<br />

In einer Reihe von Leistungstests – intern und extern – sowie in einem<br />

Feld versuch mit drei Fahrzeugen konnten die Wissenschaftler des Teams die<br />

überlegenen Eigenschaften der Kammpolymere nachweisen: Mit ihrer Hilfe<br />

lässt sich der Kraftstoffverbrauch um 1,5 Prozent senken. Zu dem Ziel der<br />

Europäischen Union, die Flottenemissionen der Automobilhersteller bis 2015<br />

um weitere 20 Gramm CO 2 pro Kilometer zu reduzieren, können die neuen<br />

Produkte einen Beitrag von mehr als 10 Prozent leisten. Die im VISCOPLEX®-<br />

Produktportfolio vermarkteten neuen Viskositätsverbesserer sind in industriellen<br />

Mengen bereits an einen ersten Kunden geliefert worden; mit einer<br />

Vielzahl weiterer Kunden sind die Projekte in Arbeit.


k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />

Dr. Christian Götz<br />

Dr. Harald Klein<br />

Dr. Ekkehard Müh<br />

Dr. Hartwig Rauleder<br />

Geschäftsbereich<br />

Inorganic Materials<br />

Dr. Jürgen Lang<br />

Servicebereich<br />

Verfahrenstechnik &<br />

Engineering<br />

Siridion® HCDS 500 E<br />

ist ein wichtiger Rohstoff<br />

zur Herstellung<br />

von Flash-Speichern,<br />

wie sie in mobilen elektronischen<br />

Geräten<br />

verwendet werden<br />

nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 25<br />

Siridion® HCDS 500 E:<br />

ein neuer Rohstoff für die<br />

Halbleiterindustrie<br />

Klein, erschütterungsfest und mit einer Speicherkapazität von derzeit<br />

bis zu 64 Gigabyte pro Chip erhältlich: Flash-Speicher sind das<br />

ideale Transportmittel, um Daten mit auf Reisen zu nehmen. Sie<br />

stecken in Smartphones, Digitalkameras und MP3-Playern, in USB-<br />

Sticks und Tablet-PCs und stellen einen attraktiven Wachstumsmarkt<br />

dar, getrieben vom Wunsch der Verbraucher, immer mehr<br />

Informationen auf kleinstem Raum unterzubringen. Dazu müssen<br />

jedoch die Strukturen auf dem Chip weiter schrumpfen, um so die<br />

Transistoren dichter packen zu können. Modernste Fertigungsverfahren<br />

für die Massenproduktion von Flash-Speichern arbeiten<br />

heute bereits mit Strukturgrößen von 25 Nanometern (ca. 3.000-mal<br />

kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares). Neue<br />

Generationen mit noch feineren Strukturbreiten sind aber bereits<br />

in der Pipeline der großen Speicherchiphersteller.<br />

Ein Technologiesprung, für den <strong>Evonik</strong> gut gerüstet ist: mit<br />

Siridion® HCDS 500 E (Hexachlordisilan). Mit dem siliziumhaltigen<br />

Rohstoff lassen sich durch chemische Gasphasenabscheidung die<br />

hauchdünnen, funktionellen Schichten erzeugen, die für diese feinen<br />

Strukturen notwendig sind. Verglichen mit etablierten siliziumhaltigen<br />

Rohstoffen weist HCDS überragende Eigenschaften auf, mit<br />

denen bei niedrigen Temperaturen uniforme und dichte Filme abgeschieden<br />

werden können.<br />

Möglich macht dies ein neues, plasmabasiertes und patentgeschütztes<br />

Herstellungsverfahren, das HCDS in hochreiner Form<br />

liefert. Im September 2010 nahm <strong>Evonik</strong> in Rheinfelden eine erste<br />

Pilotanlage in Betrieb, die pro Jahr 1.000 kg Siridion® HCDS 500 E<br />

liefert. Und da die Pilotanlage bereits voll ausgelastet ist, wird schon<br />

eine Erweiterung der Produktion um weitere 5.000 kg pro Jahr<br />

geplant – ein vergleichsweise leichtes Unterfangen, da das für den<br />

Innovationspreis nominierte Team ein sehr robustes und gut skalierbares<br />

Produktionsverfahren entwickelt hat. Hier konnten die<br />

Vorteile einer flexiblen Verfahrensentwicklung in der modularen<br />

Containeranlage voll genutzt werden. Verhandlungen über den Ver-<br />

kauf dieser Mehrmengen sind in vollem Gange. Es bestehen sehr<br />

gute Wachstumschancen, denn neben den tragbaren mobilen Geräten<br />

sind auch Computer ein wachsender Markt für die schnellen<br />

Flash-Speicher: Sie nutzen zunehmend statt der üblichen Festplatte<br />

so genannte Solid State Drives, die ebenfalls aus Flash-Speicher chips<br />

bestehen. Siridion® HCDS 500 E reiht sich so nahtlos in die über -<br />

aus erfolgreiche Produktfamilie der Marke Siridion® ein, unter der<br />

<strong>Evonik</strong> Schlüsselrohstoffe für die Herstellung von Solarsilizium,<br />

optischen Glasfasern, Halbleitern und Flachbildschirmen anbietet.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


26 nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010<br />

k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />

Dr. Christian Böing<br />

Reiner Bukohl, Helmut Kamps<br />

Dr. Dietrich Maschmeyer<br />

Peter Nothhaft, Dr. Udo Peters<br />

Dr. Dirk Röttger, Arnd Schade<br />

Dr. Markus Winterberg<br />

Geschäftsgebiet C4 Chemistry<br />

Dr. Torsten Balduf, Dr. Wilfried Schmidt<br />

Geschäftsgebiet Methacrylates<br />

Thomas Quandt<br />

Geschäftsgebiet Catalysts<br />

Walter Luh, Dr. Armin Rix<br />

Dr. Horst-Werner Zanthoff<br />

Servicebereich<br />

Verfahrenstechnik &<br />

Engineering<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Die neue Isobutenanlage<br />

in Antwerpen<br />

Ein neuer<br />

Weg zu hochreinem<br />

Isobuten<br />

September 2009, Schanghai (China): Inbetriebnahme Methyl meth -<br />

a crylat(MMA)-Verbund. Oktober 2010, Antwerpen (Belgien):<br />

Inbetriebnahme Isobutenproduktion. Erfolgsmeldungen zweier<br />

unterschiedlicher <strong>Evonik</strong>-Geschäftsbereiche, die scheinbar nur<br />

wenig gemeinsam haben. Doch in beiden Fällen wird Isobuten<br />

nach einem neuen, <strong>Evonik</strong>-eigenen Verfahren durch Spaltung von<br />

MTBE (Methyl-tertiär-butylether) produziert – ein Prozess, der<br />

weniger Energie verbraucht als die etablierten Verfahren und<br />

zudem weniger Abfälle produziert. Während in Antwerpen das<br />

Isobuten direkt in hochreiner Form vermarktet wird, dient das<br />

Isobuten in Schanghai als Rohstoff zur Herstellung von MMA.<br />

Die Inbetriebnahme gleich zweier großtechnischer Anlagen mit<br />

einem Abstand von nur einem Jahr in zwei verschiedenen Geschäftsbe<br />

reichen auf zwei verschiedenen Kontinenten war der Höhepunkt<br />

einer Verfahrensentwicklung, die mit einer Idee aus dem Geschäftsgebiet<br />

C4 Chemistry ihren Anfang nahm.<br />

C4 Chemistry unterhält in Marl und in Antwerpen einen C4-<br />

Produktionsverbund, der alle Komponenten des Crack-C4 – eines<br />

Kohlenwasserstoffschnitts, der bei der Produktion von Ethylen und<br />

Propylen als Nebenprodukt anfällt – in vermarktbare Produkte umsetzt.<br />

Dazu gehört auch MTBE. Doch weil Isobuten, ein Rohstoff<br />

nicht nur für MMA, sondern auch für andere chemische Erzeugnisse<br />

wie z. B. Butylkautschuk oder Polyisobuten, eine höhere<br />

Wertschöpfung besitzt, stellten sich die Chemiker, Ingenieure und<br />

Techniker der Aufgabe, ein wirtschaftlich und ökologisch attraktives<br />

Spaltverfahren zu entwickeln.<br />

Der Weg von der Idee bis zur technischen Produktionsanlage<br />

war lang: Viele verschiedene Katalysatoren mit unterschiedlichen<br />

Trägern, Aktivkomponenten und Dotierungen wurden, ausgehend<br />

von bekannten Materialien mit bestimmten Strukturen, systematisch<br />

optimiert und, unterstützt von Hochdurchsatzmethoden, in<br />

über 1.500 Experimenten getestet. Darüber hinaus mussten die<br />

Katalysator-Präparationsmethode für die technische Realisierung<br />

erarbeitet, das Verfahren entwickelt und ein Pilotreaktor entworfen<br />

werden. Dennoch hat das Team dafür nur zweieinhalb Jahre gebraucht,<br />

weil es neueste Experimentaltechnik mit Computer si mulationen<br />

kombinierte. So konnte es alle Schritte von der Suche des<br />

Katalysators bis hin zum Design des Pilotreaktors nahezu parallel<br />

ausführen. Genauso wichtig war der interdisziplinäre Ansatz: Ob<br />

Katalyse, Reaktordesign oder Trenntechnik, Prozesssimulation oder<br />

Anlagenbau – für jede Fragestellung gab es Experten im Projektteam.


k atEGoRIE nEUE oDER vERbESSERtE vERfahREn<br />

Dr. Andreas Karau<br />

Dr. Hans-Josef Ritzert<br />

Dr. Thomas Hermann<br />

Dr. Robert Gerstmeir<br />

Dr. Wilfried Claes<br />

Dr. Ulrich Becker<br />

Dr. Stefan Eils<br />

Friedhelm Merz<br />

Dr. Ingrid Dechamps<br />

Christian Klus<br />

Erika Kohutovicova<br />

Jaroslav Sochor<br />

Geschäftsbereich<br />

Health & Nutrition<br />

Christian Alt<br />

Servicebereich<br />

Verfahrenstechnik &<br />

Engineering<br />

Produktion bei der<br />

<strong>Evonik</strong> Rexim SAS. Hier<br />

werden in Zusammenarbeit<br />

mit der Fermas<br />

die L-Ornithin-Derivate<br />

produziert. An der Entwicklung,<br />

die im Rahmen<br />

des Science-to-Business<br />

Centers Bio der Creavis<br />

gestartet wurde, waren<br />

neben Rexim auch die<br />

Biotechnologen des Geschäftsbereichs<br />

Health &<br />

Nutrition in Halle-Künsebeck<br />

beteiligt<br />

nomInIERt füR DEn EvonIk-InnovatIonSpREIS 2010 27<br />

Neue Biotechnologieplattform<br />

macht<br />

LOLA zum Renner<br />

Die Aminosäure L-Ornithin und ihre Derivate – allen voran LOLA<br />

(L-Ornithin-L-Aspartat) – sind die Wirkstoffe der Wahl, um Patienten<br />

mit eingeschränkter Leberfunktion zu behandeln. Bislang<br />

wurde die Aminosäure entweder chemisch oder über ein enzymatisches<br />

Verfahren hergestellt, die aber beide einen entscheidenden<br />

Nachteil haben: Die Aufarbeitung des so hergestellten L-Ornithins<br />

ist ebenso wie die Aufarbeitung der daraus gewonnen Derviate<br />

aufwändig und teuer; das enzymatische Verfahren nutzt zudem ein<br />

aus Tierzellen gewonnenes Enzym, das in der Pharmaindustrie<br />

immer weniger Akzeptanz findet. Diese Nachteile gehören nun der<br />

Vergangenheit an: <strong>Evonik</strong> hat ein fermentatives Verfahren entwickelt,<br />

bei dem Bakterien direkt aus Zucker L-Ornithin produzieren.<br />

Die Aminosäure kann zudem aus der Fermentationsbrühe<br />

ohne kom plexe Aufarbeitung zu hochreinen Derivaten umgesetzt<br />

werden.<br />

Den Schlüssel zu dem neuen Verfahren lieferte ein über klassische<br />

Mutagenese gewonnener Ausgangsstamm, den die Forscher<br />

mit molekularbiologischen Methoden analysierten und dann über<br />

gezielte Eingriffe in den Stoffwechselweg optimierten. Damit konnten<br />

sie die Leistung der Bakterien mehr als verdoppeln und kritische<br />

Nebenprodukte eliminieren. Da sie parallel dazu sowohl den Fermentationsprozess<br />

als auch die Aufarbeitung zur technischen Reife<br />

gebracht haben, dauerte die Gesamtentwicklung gerade mal zwei<br />

Jahre. Seit Ende 2009 läuft die großtechnische Produktion von<br />

L-Ornithin und dessen Derivaten bei der <strong>Evonik</strong> Rexim SAS in Ham<br />

in Zusammenarbeit mit der slowakischen <strong>Evonik</strong>-Tochtergesellschaft<br />

Fermas und bedient einen hochattraktiven Markt: Wirkstoffe auf<br />

Basis von L-Ornithin verzeichnen derzeit ein Wachstum von jährlich<br />

zehn Prozent.<br />

Eingesetzt werden diese Wirkstoffe zur Behandlung der hepatischen<br />

Enzephalopathie. Bei dieser Krankheit ist die Entgiftungs leistung<br />

der Leber für den im Körper gebildeten Ammoniak nicht mehr<br />

ausreichend. Als Folge gelangt ammoniakreiches Blut ins Gehirn und<br />

reduziert die Gehirnfunktion, was bis zu einem hepatischen Koma<br />

führen kann. Wirkstoffe auf Basis von L-Ornithin wirken dem entgegen,<br />

indem sie die Entgiftungsleistung der Leber steigern. Mit der<br />

neuen Technologieplattform ergänzt <strong>Evonik</strong> so nicht nur sein Portfolio<br />

an qualitativ hochwertigen Pharmaaminosäuren, sondern trägt<br />

auch dazu bei, die Lebensqualität von Patienten mit eingeschränkter<br />

Leberfunktion zu verbessern<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


28 vERfahREnStEChnIk<br />

Selbstlernende Programme<br />

Im EU-Projekt INFER werden adaptive Softsensoren entwickelt<br />

Arbeitsweise eines adaptiven Softsensors. Basis sind alle<br />

zugänglichen Prozessdaten, die mit Prozess­ Informationsmanagementsystemen<br />

(PIMS) erfasst werden. Der Soft ­<br />

sensor trifft damit Vorhersagen bezüglich Prozessdaten, die<br />

nicht direkt messbar sind. Der adaptive Soft sensor reagiert<br />

auf Ver ände rungen des Prozesses, und der Vergleich mit den<br />

Analy se daten aus dem Labor zeigt, dass er das Ge schehen<br />

im Reaktor mit großer Genauigkeit vorhersagt<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Sensordaten<br />

Laboranalyse der<br />

nicht direkt<br />

messbaren Daten<br />

PIMS<br />

Softsensor<br />

Softsensor passt sich an<br />

Direkt messbare Daten –<br />

Input für den Softsensor<br />

Vorhersage des<br />

Softsensors für nicht<br />

direkt messbare Daten<br />

Softsensor passt sich an<br />

Leistungsmonitoring<br />

Laboranalyse<br />

Vorhersagen des adaptiven Softsensors<br />

Vorhersagen eines nicht adaptiven Softsensors


SElbStlERnEnDE pRoGRammE, die einen Prozess auch dann<br />

zuverlässig steuern, wenn sich die Rahmenbedingungen plötzlich<br />

ändern, sind begehrt: in der chemischen Industrie ebenso<br />

wie etwa bei Fluggesellschaften, die damit den tatsächlichen<br />

Marktwert ihrer Flugtickets zeitnah ermitteln wollen. Noch sind<br />

solche breit einsetzbaren Programme, so genannte adaptive Softsensoren,<br />

Zukunftsmusik, doch soll sich das bald ändern. INFER,<br />

ein von der EU im 7. Forschungsrahmenprogramm gefördertes<br />

Projekt, hat zum Ziel, eine modulare Softwareplattform zu entwickeln,<br />

mit der sich adaptive Softsensoren für ein breites Anwendungsspektrum<br />

erstellen lassen. INFER steht für Computational<br />

Intelligence Platform for Evolving and Robust Predictive<br />

Systems und ist im Marie Curie Industry­Academia Partnerships<br />

& Pathways (IAPP) Programm der EU verankert.<br />

An dem im Juli 2010 gestarteten Projekt sind drei Partner beteiligt:<br />

das Smart Technology Research Centre der Universität<br />

Bournemouth (England), das sich intensiv mit maschinellem Lernen<br />

und automatisierten intelligenten Systemen beschäftigt, die<br />

<strong>Evonik</strong> Industries AG, die über anerkannt breites Wissen in der<br />

Prozesstechnik verfügt, sowie das in Polen ansässige Research<br />

& Engineering Centre (REC), ein hochinnovatives Unternehmen<br />

im Bereich Softwareentwicklung.<br />

Vier Jahre haben die Partner Zeit, um ihr ehrgeiziges Ziel zu<br />

erreichen: Bis Juni 2014 wollen sie die Softwareplattform zur<br />

Marktreife entwickelt haben. Die damit erstellten Softsensoren<br />

sollen dann sowohl in technischen als auch kaufmännischen Geschäftsprozessen<br />

als präzise Prognosewerkzeuge zum Einsatz<br />

kommen, die Änderungen von technischen Parametern, Märkten<br />

oder menschlichem Verhalten sofort erkennen und das zu<br />

Grunde liegende Prozessmodell iterativ an die neuen Gegebenheiten<br />

anpassen. Den Projektpartnern stehen für die Entwicklung<br />

insgesamt 1,55 Millionen Euro zur Verfügung.<br />

Vorhersagen statt nachmessen<br />

Softsensoren, eine Wortschöpfung aus Software und Sensor,<br />

sind heute schon gang und gäbe. „<strong>Evonik</strong> programmiert Softsensoren<br />

beispielsweise, um chemische Verfahren zu optimieren<br />

oder die Mitarbeiter täglich bei der Prozessführung zu unterstützen“,<br />

erklärt Reinhard Dudda. Er verantwortet INFER auf<br />

Seiten von <strong>Evonik</strong>, wo er im Servicebereich Verfahrenstechnik<br />

& Engineering die Gruppe Quality Engineering leitet. Die Softsensoren<br />

messen keine physikalische Größe, sondern berechnen<br />

ihre „Messwerte“ aus allen zugänglichen Prozessdaten. Sie können<br />

so den Verlauf nicht direkt messbarer Merkmale vorhersagen,<br />

etwa die resultierende Qualität der Produkte. „Zudem liefern<br />

die Softsensoren ihre Ergebnisse in Echtzeit und machen so<br />

das stundenlange Warten auf Analysenergebnisse überflüssig“,<br />

beschreibt Dudda den Nutzen.<br />

Allerdings haben diese empirischen Prozessmodelle derzeit<br />

noch einen Nachteil. Sie „merken“ es nicht, wenn sich der zugrunde<br />

liegende Prozess ändert – etwa die Betriebspunkte einer<br />

chemischen Anlage, weil diese umgebaut wurde, oder das Buchungsverhalten<br />

von Fluggästen, weil ein anderer Anbieter<br />

plötzlich Billigangebote auf den Markt bringt. In solchen Fällen<br />

müssen sie mühsam nachtrainiert werden.<br />

Hier setzt INFER mit der Entwicklung adaptiver Softsensoren<br />

an. Zukünftig sollen diese selbstlernenden Systeme auch<br />

geänderte Rahmenbedingungen erkennen und sich selbstständig<br />

an den neuen Zustand anpassen – ein Prognosewerkzeug, das<br />

vERfahREnStEChnIk 29<br />

nicht nur die chemische Industrie oder Fluglinien zu schätzen<br />

wüssten, sondern auch zahlreiche andere Branchen wie etwa<br />

Banken oder Telekommunikationsanbieter. <strong>Evonik</strong> fällt dabei die<br />

Aufgabe zu, die zu entwickelnden Algorithmen an Prozessen zu<br />

überprüfen, die zwar gut bekannt, aber schwer vorhersagbar<br />

sind.<br />

Neuland in der Softwareentwicklung<br />

Die Projektbeteiligten betreten damit Neuland. „Bislang gibt es<br />

keine technischen Anwendungen von adaptiven Softsensoren“,<br />

bestätigt Dudda. „Es existieren zwar viele wissenschaftliche<br />

Arbeiten dazu, aber die dort beschriebenen Methoden sind sehr<br />

speziell. Sie passen immer nur auf das betrachtete System und<br />

lassen sich nicht ohne weiteres auf andere Anwendungen übertragen.<br />

Deshalb arbeiten im Moment viele Unternehmen an<br />

einer eigenen Insellösung.“ Das wollen die drei Projektpartner<br />

mit INFER ändern – durch die Bereitstellung einer modularen<br />

Softwareplattform, mit der sich schnell und flexibel adaptive<br />

Softsensoren für die jeweiligen Anwendungen entwickeln<br />

lassen.<br />

Dazu werden die rund 30 beteiligten Forscher, darunter<br />

sechs Verfahrenstechniker von <strong>Evonik</strong>, in den nächsten vier<br />

Jahren eng zusammen arbeiten, zwischen den drei Standorten<br />

Deutschland, Polen und Großbritannien pendeln und ihr Wis ­<br />

sen bereitwillig austauschen. Die an das Projekt geknüpften<br />

Erwartungen sind groß: „Wir versprechen uns davon eine Standardsoftware,<br />

mit der wir unsere Prozesse effizienter steuern<br />

können, und die wir vor allem auch sofort bei neuen Anlagen<br />

einsetzen können, um schnell den optimalen Betriebspunkt zu<br />

finden“, fasst Dudda zusammen. Das REC und die Universität<br />

Bournemouth planen dagegen, ein Spin­off zu gründen, um<br />

die Softwareplattform zu vermarkten. Eine Entwicklung, die<br />

<strong>Evonik</strong> begrüßen würde. „Die Vermarktung durch ein eigens<br />

gegründetes Unternehmen stellt sicher, dass die adaptiven Softsensoren<br />

auch nach dem Ende des Projekts kontinuierlich weiter<br />

entwickelt werden. Davon würden wir als Nutzer natürlich<br />

enorm profitieren“, so Dudda. 777<br />

Reinhard Dudda leitet im<br />

Servicebereich Verfah renstechnik &<br />

Engineering die Gruppe Quality<br />

Engineering und verantwortet INFER<br />

auf Seiten von <strong>Evonik</strong>.<br />

+49 2365 49-6233<br />

reinhard.dudda@evonik.com<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


30 vERfahREnStEChnIk<br />

Professorentreffen Verfahrenstechnik/Chemical Engineering<br />

Geballtes Prozess- und<br />

Technologiewissen<br />

Anfang Herbst trafen sich renommierte Wissenschaftler auf<br />

Einladung des Servicebereichs Verfahrenstechnik & Engineering<br />

bei <strong>Evonik</strong>. Der Austausch zwischen Hochschule und Industrie<br />

stand dabei im Mittelpunkt.<br />

ZUm vIERtEn mal fand am 27. und 28.<br />

September in Essen das Professorentreffen<br />

Verfahrenstechnik statt. Rund 70 Teilnehmer,<br />

darunter 44 Wissenschaftler aus<br />

ganz Deutschland, nutzten die Veranstaltung<br />

zum fachlichen Austausch auf einem<br />

Gebiet, das einen wichtigen Beitrag zum<br />

Geschäftserfolg von <strong>Evonik</strong> leistet.<br />

Schon immer waren Verfahrenstechniker<br />

damit beschäftigt, bestehende Anlagen<br />

nachhaltig zu verbessern und neue<br />

Verfahren in den Produktionsmaßstab zu<br />

überführen. Aber gerade für <strong>Evonik</strong> als<br />

Hersteller von Spezialchemikalien ist es<br />

heute in zunehmend volatiler werdenden<br />

Märkten lebenswichtig, Projekte von der<br />

Produktidee bis zur laufenden Anlage<br />

schneller und effizienter abzuwickeln. Für<br />

<strong>Evonik</strong> geht es häufig nicht um die Herstellung<br />

großvolumiger Chemikalien, son­<br />

Am Lotus Exige<br />

demonstriert <strong>Evonik</strong><br />

unter anderem, wie<br />

sich mit Kunststoffen<br />

Gewicht sparen lässt<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

dern um das punktgenaue Design der Produkte,<br />

die dank ihrer überdurchschnittlichen<br />

Funktionalitäten völlig neue Anwendungen<br />

ermöglichen. „Dafür bedarf es<br />

Mut zu Innovationen in Schlüsseltechnologien“,<br />

betonte Dr. Klaus Engel, Vorsitzender<br />

des Vorstandes der <strong>Evonik</strong> Industries<br />

AG, auf der Konferenz.<br />

Hier ist besonders die Verfahrenstechnik<br />

gefordert, die mit ihrem Prozess­ und<br />

Technologie­Know­how entscheidende<br />

Impulse liefern kann. „Wir verstehen uns<br />

als integraler Bestandteil der Geschäftsbereiche“,<br />

sagte Dr. Claas Klasen, Leiter<br />

Verfahrenstechnik & Engineering. Der<br />

Servicebereich mit der engen Verzahnung<br />

von Verfahrenstechnik und Engineering<br />

arbeitet dabei ganzheitlich und begleitet<br />

die Entwicklung neuer und die kontinuierliche<br />

Verbesserung bestehender Pro­<br />

dukte und Prozesse von der Idee im Labor<br />

bis zur großtechnischen Anlage.<br />

<strong>Evonik</strong> macht etwa ein Fünftel des Umsatzes<br />

mit Produkten, die jünger als fünf<br />

Jahre sind. Im vergangenen Jahr wurden<br />

300 Millionen Euro für Forschung und<br />

Entwicklung ausgegeben, 85 Prozent davon<br />

dezentral in den Geschäftsbereichen.<br />

Die Zahl der Forschungskooperationen<br />

liegt bei 260 weltweit. „Mut zu Neuem,<br />

verantwortungsvolles Handeln und voller<br />

Einsatz sind die Werte von <strong>Evonik</strong>“, so<br />

Klaus Engel. Bis 2014 soll das Geschäftsfeld<br />

Chemie im Schnitt um neun Prozent<br />

jährlich wachsen, der Großteil davon<br />

durch organisches Wachstum, aber auch<br />

durch Akquisitionen.<br />

Innovation findet an Grenzen<br />

zwischen den Disziplinen statt<br />

Um dieses ambitionierte Ziel zu verwirklichen,<br />

muss <strong>Evonik</strong> Kunden, Geschäftspartner<br />

und Forschungseinrichtungen in<br />

die Innovationsprozesse mit einbeziehen.<br />

Denn, so Dr. Volker Kerscher, Leiter des<br />

Innovationsmanagements im Geschäftsbereich<br />

Performance Polymers, „Innovationen<br />

finden heute an den Grenzen zwischen<br />

den Disziplinen statt“.<br />

Ein Beispiel hierfür gab Dr. Goetz<br />

Baumgarten, ehemaliger Leiter der Fachgruppe<br />

Membrantechnik im Bereich Verfahrenstechnik<br />

und heute verantwortlich<br />

für die Geschäftsentwicklung Membranes<br />

im Geschäftssegment Fibres & Membranes<br />

des Geschäftsgebiets High Performance<br />

Polymers. <strong>Evonik</strong> ist für die Entwicklung<br />

des Membrangeschäfts Partnerschaften<br />

mit mehreren Universitäten und


Forschungseinrichtungen eingegangen.<br />

„Ausgangspunkt war das Know­how über<br />

die intrinsischen Membraneigenschaften<br />

unserer Hochleistungspolymerfamilie Polyimid<br />

P84 und die erfolgreiche Anwendung<br />

von Membranen in unseren eigenen<br />

Prozessen“, so Baumgarten. „Das Knowhow<br />

für die Membranherstellung und die<br />

Modultechnologie kam von den beteiligten<br />

Partnern.“<br />

<strong>Evonik</strong> vermarktet seine neuentwickelten<br />

Module im Bereich schnell wachsender<br />

Anwendungen, wie zum Beispiel<br />

in der Organic Solvent Nanofiltration, einer<br />

Trenntechnologie, mit deren Hilfe sich<br />

verschiedene Komponenten in organischen<br />

Lösungsmitteln abtrennen lassen,<br />

oder in der Aufbereitung von Biogas zu<br />

Bioerdgas. Die Membrantechnologie von<br />

<strong>Evonik</strong> zeichnet sich durch marktführende<br />

Energieeffizienz aus.<br />

Auch Dr. Robert Franke, Leiter Forschung<br />

& Innovation Hydroformylierung<br />

im Geschäftsbereich Industrial Chemicals,<br />

berichtete beispielhaft von einer erfolgreichen<br />

Kooperation, in diesem Fall mit<br />

der TU Eindhoven. Franke und seine Kollegen<br />

suchen nach einer Membranabtrennung<br />

für Prozesse, die homogen katalysiert<br />

werden. „Die homogene Katalyse hat<br />

viele Vorteile, kommt aber nur in rund 15<br />

Prozent der großchemischen Prozesse<br />

zum Einsatz. Dies liegt im Wesentlichen<br />

auch daran, dass sich der Katalysator nur<br />

schwer vom Reaktionsprodukt abtrennen<br />

lässt“, so Franke. „Wir untersuchen, was<br />

man tun muss, damit dies sehr einfach mit<br />

einer Ultrafiltration machbar ist.“<br />

Prinzipiell ist dies möglich. Der homogene<br />

Katalysator muss dafür so modifi­<br />

ziert werden, dass er eine ausreichend<br />

hohe Molmasse hat, dabei dürfen sich allerdings<br />

seine Aktivität und Selektivität<br />

gegenüber den Standardsystemen nicht<br />

ändern. Simulationen und experimentelle<br />

Untersuchungen zeigen, dass Liganden,<br />

die mit Hilfe organisch chemischer, konformativ<br />

flexibler Reste modifiziert wurden,<br />

nicht gut geeignet sind, um in makroskopischen<br />

Poren abgetrennt zu werden.<br />

Die TU Eindhoven stellt Liganden<br />

her, die mit anorganischen Resten, so genannten<br />

polyhedralen Oligo­Silsesquioxanen<br />

(POSS) modifiziert sind. Die so hergestellten<br />

homogenen Katalysatoren sind<br />

ausreichend groß und „steif“, um mit Ultrafiltrationsmembranen<br />

abgetrennt zu<br />

werden. Zusammen mit der TU Eindhoven<br />

ließ sich ein vielversprechendes Molekül<br />

identifizieren, dessen Funktionalität sich<br />

in einer Machbarkeitsstudie belegen ließ.<br />

Die Technologie haben Franke und seine<br />

Kollegen nun in das EU­Forschungsprojekt<br />

„F3 Factory“ eingebracht.<br />

Mobil mit Open Innovation<br />

Ein Beispiel, was Open Innovation für die<br />

Kunden von <strong>Evonik</strong> in der Automobilindustrie<br />

bedeutet, gab Klaus Hedrich, Leiter<br />

des Automotive Industry Teams. Dabei<br />

handelt es sich um eine geschäftsbereichsübergreifende<br />

Arbeitsgruppe für Innovationsprojekte<br />

und neue Konzepte. „Wir<br />

sind die Schnittstelle zu Tier­1­Zulieferern<br />

und OEMs der Automobilindustrie“, so<br />

Hedrich.<br />

Das Team identifiziert nicht nur<br />

Trends, sondern entwickelt auch Ideen für<br />

Marktkonzepte bis hin zu Demonstratoren<br />

im Rahmen von so genannten Innovationsclustern.<br />

Als Beispiel führte Hedrich den<br />

Leichtbau an: „Für Elektroautos sind<br />

leichtere Materialien nötig.“ <strong>Evonik</strong> kann<br />

mit den konzerneigenen Kompetenzen im<br />

Bereich Kunststoffe hier einiges bieten<br />

und hat als Demonstrator gemeinsam mit<br />

Lotus und anderen Industriepartnern bereits<br />

einen Leichtbausportwagen konzipiert.<br />

Doch das Potenzial einer Innovation<br />

muss die Industrie auch rechtzeitig erkennen,<br />

um die notwendige Kompetenz in<br />

den Unternehmen beziehungsweise im<br />

Land aufbauen zu können. Dass das in Europa<br />

in der Vergangenheit nicht immer<br />

geklappt hat, legte Prof. Dr. Wilhelm<br />

Schabel am Beispiel von optischen Folien<br />

dar, wie sie heute aus der Fertigung von<br />

LC­Displays nicht mehr wegzudenken<br />

sind. „Vor zehn Jahren wäre diese Technologie<br />

in Europa projektierbar gewesen,<br />

aber man tat es nicht“, so der Inhaber der<br />

Professur „Thin Film Technology“ am<br />

Karlsruher Institut für Technologie (KIT).<br />

Neben einer Reihe von Fehlentscheidungen<br />

in der Industrie zur künftigen Bedeutung<br />

dieser Technologie machte Schabel<br />

auch eine fehlende Zusammenarbeit<br />

über Disziplin­ und Branchengrenzen hinweg<br />

dafür verantwortlich. „Und es fehlte<br />

ein europäischer Treiber für diese Technologie,<br />

die Südostasien mit Firmen wie<br />

Acer, Asus oder LG hatte. Auch muss in<br />

Europa produziert werden, damit nicht<br />

ganze Wertschöpfungsketten neuer Technologien<br />

sukzessive abwandern, und die<br />

Wertschöpfungskette fängt zugleich in<br />

der Hochschulforschung an“, so der Wissenschaftler<br />

weiter. 333<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


32 vERfahREnStEChnIk<br />

333 Schabel und seine Kollegen am KIT erforschen<br />

die Entstehung und Prozessierung<br />

dünner Schichten und können Stoffströme<br />

sowie Morphologie und Strukturbildung<br />

in situ sichtbar machen und simulieren.<br />

Dadurch lassen sich beispielsweise<br />

Beschichtungswerkzeuge und ­anlagen<br />

optimieren und Prozessfenster besser eingrenzen.<br />

prof. Dr. Wilhelm Schabel<br />

Inhaber der Professur Thin Film Technology<br />

am Karlsruher Insti tut für Technologie (KIT)<br />

prof. Dr. michael Schlüter<br />

Leiter des Instituts für Mehrphasenströmungen<br />

der TU Hamburg-Harburg<br />

prof. Dr. Gerhard Schembecker<br />

Inhaber des Lehrstuhls für Anlagen- und<br />

Prozesstechnik an der Technischen Universität<br />

Dortmund<br />

(von oben nach unten)<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Mit grundlegenden Fragestellungen der<br />

Auslegung chemischer Reaktoren befasst<br />

sich Prof. Dr. Michael Schlüter, Leiter des<br />

Instituts für Mehrphasenströmungen der<br />

TU Hamburg­Harburg. Aufgrund der<br />

komplizierten Zusammenhänge beim<br />

Wärme­ und Stoffaustausch lassen sich<br />

Mehrphasenströmungen in technischen<br />

Reaktoren heute nur unzureichend beschreiben.<br />

Dies führt zu einem hohen<br />

Aufwand bei der Auslegung chemischer<br />

Apparate, in denen Mehrphasenströmungen<br />

vorliegen. Um dies langfristig zu ändern,<br />

führt Schlüters Institut in Zusammenarbeit<br />

mit Kollegen Experimente, Modellierungen<br />

und numerische Simulationen<br />

durch. „Wir versuchen einen<br />

skalenübergreifenden Ansatz vom Nanometer­<br />

bis zum Metermaßstab zu entwickeln“,<br />

so Schlüter.<br />

Das Problem: Mit integralen Methoden<br />

lassen sich zwar Größen wie Druckverlust,<br />

Gasgehalt oder Stoffaustauschleistung<br />

berechnen, aber keine Gas­ und Konzentrationsverteilungen<br />

sowie Stofftransportlimitierungen<br />

– also keine lokalen Informationen.<br />

Schlüter hofft, dass sich<br />

anhand von experimentell ermittelten, lokalen<br />

Informationen entsprechende numerische<br />

Modelle entwickeln lassen, die<br />

dann den Weg zu analytischen Modellen<br />

weisen. „Wenn wir deren Gültigkeitsbereich<br />

bestimmen können und sie wiederum<br />

als Ausgangspunkt für neue numerische<br />

Simulationen nutzen, lassen sich damit<br />

integrale Modelle verifizieren“, erläuterte<br />

Schlüter.<br />

Modularisierung soll<br />

Time­to­Market verkürzen<br />

In der Verfahrenstechnik ist es nicht nur<br />

wichtig, einen funktionierenden Prozess<br />

zu entwickeln, sondern auch die Zeitspanne<br />

für Planung, Bau und Inbetriebnahme<br />

einer Anlage zu verkürzen. „Denn<br />

die Zeit bis zur Markteinführung entscheidet<br />

zunehmend über den wirtschaftlichen<br />

Erfolg eines Produkts“, sagte Prof.<br />

Dr. Gerhard Schembecker, Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Anlagen­ und Prozesstechnik<br />

an der Technischen Universität Dortmund.<br />

Um die Vision einer um 50 Prozent reduzierten<br />

Projektlaufzeit zu verwirklichen,<br />

gibt es verschiedene Ansätze, die<br />

letztlich nur in ihrer Gesamtheit helfen<br />

werden, dieses Ziel zu erreichen. Ein Ansatz,<br />

den Schembecker erforscht, ist die<br />

Modularisierung der Prozesstechnik. „Wir<br />

suchen quasi den Anzug von der Stange<br />

statt den Maßanzug“, so der Wissenschaftler.<br />

Erforderlich wären hierfür Baukästen<br />

mit Modulen von der Laborausstattung<br />

bis zum Anlagenbau mit Planungselementen<br />

für deren Konstruktion. Auch<br />

der Planungsprozess müsste modularisiert<br />

werden. „Ein Verfahrenstechniker würde<br />

die Anlage dann nicht mehr auf den Punkt<br />

planen, sondern innerhalb eines Korridors“,<br />

sagte Schembecker.<br />

Derzeit arbeitet Schembecker mit Kollegen<br />

aus dem ProcessNet­Fachausschuss<br />

„Prozess­ und Anlagentechnik“ an der<br />

Vorbereitung einer Ausschreibung eines<br />

Forschungsprogramms des Bundesministeriums<br />

für Forschung und Technologie:<br />

„Wir versuchen, das Bundesministerium<br />

davon zu überzeugen, einen auf 50 Millionen<br />

Euro veranschlagten Förderschwerpunkt<br />

Laufzeitverkürzung in der Prozessindustrie<br />

aufzulegen.“<br />

Verfahrenstechnik als<br />

Karrieresprungbrett<br />

Dass sich für Nachwuchskräfte in der Verfahrenstechnik<br />

bei <strong>Evonik</strong> aber nicht nur<br />

interessante technologische Fragestellungen<br />

auftun können, verdeutlichten zwei<br />

weitere Referenten. So ist Markus Schulz<br />

als Verfahrenstechniker inzwischen in der<br />

Konzernentwicklung tätig. Dort arbeitet<br />

er an der Entwicklung und Umsetzung der<br />

Konzernstrategie für das Geschäftsfeld<br />

Chemie mit. „Wir unterstützen die Strategieentwicklung<br />

in den Geschäftssegmenten<br />

und erarbeiten einen Vorschlag<br />

für eine entsprechende Ressourcenallokation“,<br />

so Schulz.<br />

Auch Dr. Andreas Hoff hat inzwischen<br />

eine Führungsposition im Unternehmen<br />

inne. Er stieg 2002 nach der Promotion als<br />

Projektingenieur in der Verfahrenstechnik<br />

ein. 2005 übernahm er dann die Leitung<br />

des Technikums der Fluidverfahrenstechnik<br />

in Marl, bevor er 2008 als Manager<br />

Business Development und Market Intelligence<br />

für neue PLEXIGLAS® Produkte<br />

zum Geschäftsbereich Performance Polymers<br />

wechselte. Anschließend übernahm<br />

er 2009 die Leitung des globalen Marktsegments<br />

Solar im Geschäftsgebiet Acrylic<br />

Polymers, bevor sich der Kreis in diesem<br />

Oktober wieder schloss: Hoff leitet nun<br />

die Fluidverfahrenstechnik. „In dieser<br />

Funktion habe ich mit allen sechs Chemie­<br />

Geschäftsbereichen bei <strong>Evonik</strong> zu tun“,<br />

sagt Hoff, „ein Job an der Schnittstelle<br />

zwischen Markt und Technik.“777


IntERvIEW<br />

„Wandel im Berufsbild des Ingenieurs“<br />

Warum veranstaltet die verfahrenstechnik<br />

ein professo ren treffen?<br />

klasen: Wir wollen bestehende Kontakte<br />

vertiefen und neue knüpfen. Die Veranstaltung<br />

schafft auch einen Rahmen,<br />

um neue Ideen für eine zukünftige Zusammenarbeit<br />

zu entwickeln. Seitens<br />

<strong>Evonik</strong> sind wir außerdem sehr daran<br />

interessiert, von den Wissenschaftlern<br />

die aktuellen Trends in Forschung und<br />

Lehre zu erfahren. Wir wollen aber auch,<br />

basierend auf den aktuellen Markt bedürfnissen,<br />

unsere Erwartungen und<br />

unsere daraus abgeleiteten Entwicklungsschwerpunkte<br />

zurückspiegeln. Besonders<br />

an der Schnittstelle zwischen Verfahrensentwicklung<br />

für den Herstellprozess<br />

der Spezialchemikalien und der Anwendungsentwicklung<br />

kann die Verfah renstechnik<br />

wichtige Beiträge leisten.<br />

vERfahREnStEChnIk vERfahREnStEChnIk 33<br />

Der Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering von <strong>Evonik</strong> lebt das Prinzip<br />

der Open Innovation. Dazu gehört auch das regelmäßig stattfindende Professorentreffen.<br />

Dr. Claas Klasen, Leiter des Servicebereichs, und Dr. Jörg Sauer, Leiter<br />

der Abteilung Reaktionstechnik und Organisator des Treffens, erläutern die Ziele.<br />

Dr. Jörg Sauer<br />

Leiter Reaktionstechnik im Servicebereich<br />

Verfahrenstechnik & Engineering<br />

Dr. Claas klasen<br />

Leiter des Servicebereichs<br />

Verfahrenstechnik & Engineering<br />

Sauer: Ein wichtiges Ziel ist für uns die<br />

drastische Verkürzung der Projekt laufzeiten<br />

für die Entwicklung und Realisierung<br />

von Anlagen. Hier sind wir auch<br />

auf die Unterstützung unserer Part ner<br />

an Hoch schulen und Forschungs institu ten<br />

angewiesen.<br />

haben Sie weitere botschaften für die<br />

Wissen schaft?<br />

klasen: Natürlich wollen wir bei den<br />

Professoren auch für uns als attraktiver<br />

Arbeitgeber werben, schließlich haben<br />

sie viele talentierte Nachwuchskräfte zu<br />

bieten. Und Ingenieurswissen spielt in der<br />

chemischen Industrie eine immer wichtigere<br />

Rolle. Das Berufsbild des Ingenieurs<br />

verändert sich dadurch – was neue Karrierechancen<br />

eröffnet. Darüber sollten<br />

auch die Hochschulen Bescheid wissen.<br />

Sauer: Das Berufsbild der Verfahrenstechniker<br />

wird zunehmend breiter. Vor<br />

20 Jahren waren Betriebsleiter in der<br />

chemischen Industrie in der Regel Chemiker,<br />

denen ein Betriebsingenieur zugeordnet<br />

war. Die gesamte Organisation<br />

wurde überwiegend von Chemikern<br />

geführt. Heute gilt das nicht mehr so<br />

pauschal. Viele Betriebe werden von Ingenieuren<br />

geführt. Ingenieure arbeiten<br />

bei <strong>Evonik</strong> aber zum Beispiel auch in<br />

der Anwendungstechnik, in Marketing<br />

und Business Develop ment oder gar im<br />

Corporate Controlling.<br />

Warum ist das so?<br />

Sauer: Für die Produktion gilt: Oft ist<br />

die zugrunde liegende Chemie bekannt.<br />

Entscheidend ist daher, dass der Prozess<br />

und die Anlagentechnik als Ganzes<br />

betrachtet werden. Und wenn es um Anwendungen<br />

geht, hat <strong>Evonik</strong> auf Kunden ­<br />

seite viel mit Ingenieuren zu tun – etwa<br />

in der Automobil­ oder Elektroindustrie.<br />

Ingenieure sprechen die gleiche Sprache.<br />

lässt sich diese wachsende bedeutung<br />

der Ingenieure mit Zahlen belegen?<br />

klasen: In den vergangenen zehn Jahren<br />

hat der Servicebereich Verfahrenstechnik<br />

& Engineering mehr als 300 Mitarbeiter<br />

fit für Führungspositionen im<br />

Konzern gemacht. Diese Zahl muss man<br />

in Relation zu den rund 650 Beschäftigten<br />

sehen, die bei <strong>Evonik</strong> in diesem Servicebereich<br />

arbeiten.<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


34 nEWS<br />

FOTO: KIERON THWAITES Lacke<br />

mit VESTOSINT® glänzen in Durbans Flughafen<br />

Nicht nur die deutsche Fußballnationalmannschaft hat in Durban<br />

bei der FIFA Weltmeisterschaft 2010 gut gepunktet: Offensichtlich<br />

kam auch die Qualität eines Coil­Coating­Lackes für den<br />

neuen King Shaka Flughafen gut an. Und die stützt sich nicht zuletzt<br />

auf einen Inhaltsstoff von <strong>Evonik</strong> – das Polyamid­12­Feinpulver<br />

VESTOSINT®.<br />

Rechtzeitig vor dem großen Fußballfest in Südafrika wurde<br />

der neue internationale Flughafen in Durban, einem der zehn<br />

Spielorte, zum 1. Mai 2010 in Betrieb genommen. Er ist für 7,5<br />

Millionen Passagiere ausgelegt und hat auch eine Fluggastbrücke<br />

für den neuen Airbus A380. Bei seinem Bau kamen für Fassaden<br />

und Dächer aus Stahl 12.000 Liter Coil­Coating­Lack in<br />

einem modernen, neutralen Grauton zum Einsatz. Dieser Lack<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

enthält als Additiv das Polyamid­12­Feinpulver VESTOSINT®,<br />

das für eine abriebbeständige, hochelastische Struktur sorgt:<br />

Die Polyamide sind in der Lage, selbst schlagartig auf die Lackierung<br />

einwirkende Kräfte zu absorbieren und den Lack vor Rissbildung<br />

zu schützen. Nach dem gleichen Prinzip wirken in vielen<br />

Kunststoffen Schlagzähigkeitsverbesserer, ohne die mancher<br />

Kunststoff spröde wäre. Darüber hinaus sorgt VESTOSINT®<br />

Feinpulver für eine sehr gute Schmutzabweisung, die besonders<br />

im Architektur­Außeneinsatz zum Tragen kommt. Die Abriebbeständigkeit<br />

des Lacks wird erhöht, da die Polyamidteilchen<br />

durch chemische Bindungen in der Beschichtung verankert sind<br />

und durch Reibung nicht herausgelöst werden können.<br />

In Einbrennlacken bewirken die Polyamide außerdem gleichmäßig<br />

feine Strukturoberflächen, die durch die Kornverteilung der<br />

Polyamidpulver variiert werden können, sowie einen seidenmatten<br />

Glanz, der durch die unterschiedliche Lichtbrechung von<br />

Lackharz und Polyamid verursacht wird. Die Beschichtungen<br />

enthalten keine Mattierungsmittel, die die Witterungsbeständigkeit<br />

und Verformbarkeit beeinträchtigen könnten. Die angebotenen<br />

VESTOSINT® Feinpulver unterscheiden sich in Korngröße<br />

und Korngrößenverteilung. Sie können einzeln oder in<br />

Mischung eingesetzt werden und bewirken die gewünschte<br />

Struktur.<br />

Die Fassaden und Dächer des neuen<br />

King Shaka Flughafens in Durban sind<br />

durch Coil-Coating-Lack mit VESTOSINT®<br />

hervor ragend gegen Abrieb, Rissbildung<br />

und Schmutz geschützt<br />

Deutliche Kapazitätssteigerung bei gefällten Kieselsäuren<br />

<strong>Evonik</strong> Industries plant, seine Kapazitäten<br />

bei Silica (gefällten Kieselsäuren) in den<br />

kommenden vier Jahren deutlich zu steigern.<br />

„Bis zum Jahr 2014 bauen wir die<br />

weltweiten Kapazitäten in unseren vorhandenen<br />

Werken schrittweise um 25<br />

Prozent aus und stellen damit die Belieferung<br />

unserer globalen Kunden sicher“,<br />

sagte Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender<br />

von <strong>Evonik</strong> Industries.<br />

Die Investitionssumme für diese Erhöhung<br />

wird sich im mittleren zweistelligen<br />

Millionen­Euro­Bereich bewegen. Insgesamt<br />

wird sich die Kapazität um einen<br />

sechsstelligen Tonnenbereich erhöhen<br />

und findet schwerpunktmäßig an den bestehenden<br />

Silica­Standorten von <strong>Evonik</strong> in<br />

Asien und Europa statt. Bereits im Mai<br />

2010 gab <strong>Evonik</strong> eine Kapazitätserweiterung<br />

für gefällte Kieselsäuren seiner<br />

Tochtergesellschaft INSILCO Ltd. im indischen<br />

Gajraula bekannt.<br />

Mit den Ausbauplänen untermauert<br />

der Konzern seinen Anspruch, das Wachstum<br />

seiner Kunden als strategischer Partner<br />

zu begleiten. „<strong>Evonik</strong> ist Marktführer<br />

bei gefällten Kieselsäuren. Der Markt<br />

wächst in den kommenden Jahren nachhaltig,<br />

durch unsere Kapazitätserweiterung<br />

wollen wir die steigende Nachfrage<br />

befriedigen und mit dem Markt weiter<br />

wachsen,“ erläuterte Thomas Hermann,<br />

Leiter des dafür zuständigen Geschäftsbereichs<br />

Inorganic Materials. <strong>Evonik</strong> stellt<br />

so in allen Regionen die Verfügbarkeit seiner<br />

gefällten Kieselsäuren weiterhin sicher.<br />

Produktinnovationen unterstützen den<br />

Ausbau der guten Marktposition: Die Spezialkieselsäuren<br />

SIPERNAT®288 und<br />

SIPERNAT®268 wurden für hochtransparente<br />

Silikonkautschukanwendungen, wie<br />

Tastaturen für Mobiltelefone, Computer<br />

und Fernbedienungen, entwickelt. Weitere<br />

Produkte für die Reifen­ und Life Science<br />

Industry befinden sich derzeit in der<br />

Markteinführung, vor allem in Asien.<br />

Die Einsatzmöglichkeiten von gefällten<br />

Kieselsäuren sind vielfältig: Silica ist in<br />

Kombination mit Organosilanen ein bedeutender<br />

Bestandteil des rollwiderstandsreduzierten<br />

Leichtlaufreifens. Silica<br />

wird zudem als Träger und Fließhilfsmittel<br />

in der Futter­ und Nahrungsmittelindustrie<br />

eingesetzt. Außerdem werden sie<br />

als Additive in der Farben­ und Lackindustrie<br />

sowie als Putzkörper in der Zahnpastenherstellung<br />

verwendet. <strong>Evonik</strong> produziert<br />

Silica an zehn Standorten in acht Ländern<br />

weltweit.


Mit Reflektorsockeln basierend auf VESTAMID®<br />

HTplus lassen sich auch kleinste LEDs herstellen<br />

PLEXIGLAS® Fassade für Münchner Wetterturm<br />

Den neuen Hightech­Wetterturm der<br />

Technischen Universität München (TUM)<br />

am Campus Garching umhüllt eine transparente<br />

Fassade aus PLEXIGLAS® Platten<br />

von <strong>Evonik</strong>. Das neue Wahrzeichen der<br />

TUM wurde nach dreijähriger Planungs­<br />

und Bauzeit im Juli eingeweiht. „Als Chemiker<br />

wollte ich eine Hülle aus Hightech­<br />

Chemie“, sagte TUM­Präsident Prof. Dr.<br />

Wolfgang A. Herrmann in seiner Rede bei<br />

der Eröffnungsfeier. „PLEXIGLAS® ist die<br />

ideale Lösung.“<br />

Der 50­Meter hohe Oskar­von­Miller­<br />

Turm sammelt meteorologische Daten wie<br />

Temperatur, Sonnenstrahlung und Windgeschwindigkeit<br />

mit neuester technischer<br />

Ausstattung. Auch die Architektur ist auf<br />

höchstem Niveau. Dazu trägt der Materialmix<br />

aus sanft anmutendem PLEXIGLAS®<br />

sowie hartem Stahl und Beton bei. So<br />

scheint durch die transparente vertikale<br />

Fassade die Stahlbetonkonstruktion durch<br />

und enthüllt das Innere. Um den Blick hinter<br />

die Fassade zu ermöglichen, waren die<br />

Architekten des Münchner Büros Deubzer<br />

König & Rimmel auf hochtransparentes<br />

Fassadenmaterial angewiesen, das zudem<br />

witterungs­ und UV­beständig ist. Die<br />

Wahl fiel daher auf PLEXIGLAS®, da dieses<br />

allen Wetterlagen standhält.<br />

So leuchten LEDs länger strahlend hell<br />

nEWS 35<br />

Reflektorsockel haben maßgeblichen Ein fluss auf die Qualität von LEDs: Je<br />

weißer die Reflektorsockel sind, desto höher ist auch der Reflexionsgrad und<br />

damit die Lichtausbeute. Sockel aus VESTA MID® HTplus, einem Polyphthalamid<br />

PA10T von <strong>Evonik</strong>, bleiben über einen langen Zeit raum rein weiß, so<br />

dass die LED weiterhin hell leuchtet und eine konstant hohe Lichtausbeute<br />

gewährleistet ist. Dadurch wird die Lebensdauer der Leuchtdioden deutlich<br />

verlängert. VESTAMID® HTplus ist außerdem besonders umweltfreundlich,<br />

da es zu 50 Prozent aus biobasierten Rohstoffen hergestellt wird.<br />

Herkömmliche Reflektorsockel vergilben im Laufe der Zeit durch die<br />

Einwirkung von Licht und Wärme. Damit verringern sich entsprechend<br />

auch der Reflexionsgrad und die Lichtausbeute kontinuierlich, bis die Lichtdiode<br />

schließlich ausgetauscht werden muss. Dies verhindern Sockel aus<br />

VESTAMID® HTplus. Möglich wird dies durch die sehr helle Eigenfarbe des<br />

Materials in Kombination mit seiner herausragenden UV­Stabilität. Dank<br />

der niedrigen Wasserabsorption besitzt das Polyphthalamid zudem eine<br />

hohe Dimensionsstabilität, so dass es einfacher zu verarbeiten ist und sich<br />

für den Einsatz in besonders kleinen LEDs eignet. Die sehr gute Haftung<br />

auf Metall und Silicon unterstützt ebenfalls den Trend zur Miniaturisierung.<br />

Die Fassade erfüllt außerdem eine<br />

ganz spezielle Funktion: Sie dient als Projektionsfläche,<br />

beispielsweise für Wetterdaten,<br />

aktuelle Informationen zum Campusleben<br />

und für wissenschaftliche Bilder.<br />

Text und Bild, die von innen auf die Fläche<br />

projiziert werden, sind dort deutlich zu<br />

lesen, denn die Elemente aus PLEXIGLAS®<br />

mit einer leichten lichttechnischen Weißeinfärbung<br />

verfügen über eine hohe<br />

Transmission von 88 Prozent. Die Projektionen<br />

erscheinen damit leuchtstark auf<br />

dem Material.<br />

Jedes der 210 Fassadenelemente ist ein<br />

Unikat, alle haben verschiedene Radien<br />

und Krümmungen aufgrund der Geometrie<br />

des Turmes. Für die Montage der Platten<br />

betraten die Architekten Neuland: Sie<br />

entwickelten Punktlagerungen, um die<br />

optische Anmut des Materials nicht durch<br />

Trägerprofile aus Aluminiumleisten zu<br />

stören. Dabei werden die Platten von<br />

schlanken Punkthaltern fixiert, so sind die<br />

Stoßfugen zwischen den Fassadenringen<br />

auf ein minimales Maß reduziert.<br />

„Der Wetterturm zeigt, dass sich mit<br />

PLEXIGLAS® ganz neue Möglichkeiten für<br />

Architekten ergeben, man muss einfach<br />

danach greifen“, sagt Thomas Ries, Architekt<br />

im Geschäftsgebiet Acrylic Polymers.<br />

Der Wetterturm der<br />

Technischen<br />

Universität München<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

UV-härtende Silicone als Trennbeschichtung<br />

Clever kleben wie von selbst<br />

Nichts ist leichter als kleben. Und nichts ist so komplex wie selbstklebende<br />

Laminate, die allen Anforderungen einer modernen Massenproduktion gerecht<br />

werden sollen. <strong>Evonik</strong> Industries entwickelt seit 25 Jahren UV-härtende<br />

Silicone für innovative Trennbe schichtungen, die ein Plus an Effizienz, Wirt-<br />

schaftlichkeit und Nachhaltigkeit versprechen.<br />

[ text Dr. Winfried Hamann, Annegret Lange, Mikko Meyder ]<br />

Hightech: der Klebeverschluss<br />

von Babywindeln


WaS habEn babyWInDElvERSChlüSSE, Adressaufkleber,<br />

grafische Folien und Teppichklebeband gemeinsam? Sie kleben<br />

von selbst. Jeder hat tagtäglich mit Produkten zu tun, die selbstklebende<br />

Teile tragen. Doch auch hier gilt wie in vielen Bereichen<br />

der technischen Innovationen: Was für den Anwender einfach,<br />

kosten­ und zeitsparend zu handhaben ist, basiert auf komplexen<br />

Materialverbünden, die umfangreiches Know­how, Kompetenz<br />

und langjährige Erfahrung verlangen.<br />

Selbstklebende Produkte sind Vielschichtsysteme. Ein Etikettenlaminat<br />

beispielsweise besteht aus vier Schichten: dem<br />

Träger, dem Klebstoff, dem eigentlichen bedruckbaren Etikett<br />

und einer hauchdünnen Trennbeschichtung auf Siliconbasis.<br />

„Unsichtbar, aber ausschlaggebend für die Funktion, sorgt diese<br />

Trennbeschichtung dafür, dass sich das Etikett einfach und rückstandsfrei<br />

vom Träger, dem Release Liner, ablöst“, sagt Dr. Winfried<br />

Hamann, Leiter der Anwendungstechnik für RC Silicone.<br />

(Abb. 1)<br />

Selbstklebende Laminate sind keine neue Erfindung. In Standardprodukten,<br />

wie sie seit ungefähr 50 Jahren genutzt werden,<br />

verwendet man als Träger Glassinepapier – ein unter großem<br />

Druck und hohen Temperaturen geglättetes Spezialpapier. Das<br />

oft blau oder gelb eingefärbte Material wird in der Regel mit<br />

Siliconen beschichtet, die anschließend thermisch gehärtet<br />

werden.<br />

Diese Systeme haben Nachteile. Das Glassinepapier muss vollkommen<br />

holzfrei sein und ist daher relativ teuer. Die thermische<br />

Härtung ist zudem ein energieintensiver Prozess, da die Silicone<br />

bei über 110 Grad Celsius vernetzt werden. Zwar gibt es Formulierungen,<br />

die bei geringeren Temperaturen aushärten, allerdings<br />

läuft dann die chemische Vernetzung deutlich langsamer –<br />

die Beschichtungsanlage hat einen entsprechend geringeren<br />

Durchsatz. Nicht zuletzt: Wegen der hohen Temperaturen kön­<br />

Abbildung 1<br />

Aufbau eines Etikettenlaminats<br />

Etikett<br />

Haftklebstoff<br />

Silicon<br />

Träger<br />

CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 37<br />

nen thermisch härtende Silicone nicht für Thermopapiere oder<br />

für besonders leichte und dünne Träger aus thermisch empfindlichen<br />

Kunststoffen einsetzt werden.<br />

Mit UV­C­Strahlung in<br />

Sekundenbruchteilen härten<br />

Die bessere Alternative sind Release Liner, die mit strahlenhärtenden<br />

Siliconen (Radiation­cured Silicones) ausgerüstet werden.<br />

Dabei werden entsprechend modifizierte Siliconmoleküle nicht<br />

thermisch, sondern durch Bestrahlung mit UV­C­Licht vernetzt.<br />

Mit in der Industrie üblichen Quecksilberdampflampen geht das<br />

in Bruchteilen von Sekunden, ist zudem energiesparender und<br />

kostengünstiger als die thermische Variante.<br />

Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der <strong>Evonik</strong>­Geschäftsbereich<br />

Consumer Specialties in Essen, der seit exakt 25 Jahren TEGO®<br />

RC Silicone entwickelt. Schon im Gründungsjahr 1985 war für<br />

die damals Beteiligten klar: „Das Segment der strahlenhärtenden<br />

Systeme eröffnet ein so großes Potenzial, dass wir damit auf<br />

längere Sicht einen fundierten Meilenstein setzen.“<br />

Das Potenzial ist tatsächlich riesig: Der Weltmarkt für selbstklebende<br />

Produkte beläuft sich auf rund 32 Milliarden Quadratmeter<br />

jährlich – das entspricht knapp einem Zehntel der Fläche<br />

Deutschlands. Der weltweite Umsatz liegt bei etwa 4,4 Milliarden<br />

US­Dollar. Den Löwenanteil mit rund 52 Prozent bilden<br />

selbstklebende Etiketten aller Art, ein gutes Zehntel entfällt auf<br />

Klebebänder etwa für Verpackungen, jeweils acht Prozent auf<br />

Hygieneprodukte wie zum Beispiel Babywindelverschlüsse und<br />

auf Industrieanwendungen wie etwa Fußbodenbeläge und<br />

Schutzfolien. Der Rest verteilt sich auf zahlreiche Produkte des<br />

täglichen Lebens wie Briefumschläge, Briefmarken oder Tapetenbordüren.<br />

333<br />

Anwendungen für selbstklebende Materialien. Die nicht gezeigten zwölf<br />

Prozent verteilen sich auf zahlreiche Produkte des täglichen Lebens wie<br />

Briefmarken oder Tapetenbordüren. Insgesamt hat der Weltmarkt für Papier­<br />

und Folien träger ein Volumen von ca. 32 Milliarden Quadratmeter bzw. 4,4<br />

Milliarden US­Dollar<br />

Etikettenlaminate<br />

Standardetiketten,<br />

Klarsichtetiketten<br />

Marktanteil 52 %<br />

Klebebänder<br />

Automobilteile,<br />

Verpackung, Büro<br />

Marktanteil 12 %<br />

Hygieneprodukte<br />

Höschenwindeln,<br />

Damenhygiene<br />

Marktanteil 8 %<br />

Schutzfolien<br />

Buchschutzhüllen<br />

Schutzfilme, Dekorfolien<br />

Marktanteil 8 %<br />

Bauindustrie & Isolierung<br />

Dämm­ und Isolierstoffe,<br />

Fußbodenbeläge,<br />

Schaumstoffe, Bitumen<br />

Marktanteil 8 %<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


38 CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />

Bedeutung von<br />

Klebeprozessen nimmt zu<br />

Eine ganze Reihe von Trends in wichtigen Branchen der Industrie<br />

wird den Einsatz von selbstklebenden Produkten weiter<br />

steigern. So wächst die Bedeutung von Klebeprozessen in technisch<br />

anspruchsvollen Applikationen wie beispielsweise der Automobilindustrie<br />

– hier ist Kleben in vielen Anwendungen<br />

gleichwertig mit mechanischer Befestigung. Manche Anwendungen,<br />

z. B. in der Elektroindustrie, werden durch Kleben überhaupt<br />

erst möglich. Auch die steigenden Ansprüche an die Auszeichnung<br />

von Verpackungen wären ohne dauerhafte, sichere<br />

und flexible Etiketten nicht zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem<br />

Sicherheitsetiketten für teure Kosmetika und Medikamente<br />

oder Thermoetiketten, die mit RC Siliconen direkt beschichtet<br />

werden können und dann keinen Träger mehr benötigen.<br />

Was die Silicon­Experten des damaligen Unternehmens Goldschmidt<br />

vor 25 Jahren nicht absehen konnten: Alternativen brauchen<br />

ihre Zeit, bis sie sich durchsetzen – die Investition in neue<br />

Technologie bedeutet neben Chancen eben auch immer ein gewisses<br />

Risiko. Zudem ist die Investitionsbereitschaft natürlich<br />

in starkem Maße davon abhängig, inwieweit funktionierende<br />

Anlagen der alten Technologie verfügbar sind. Für die Zukunft<br />

besteht aber Anlass zur Zuversicht, denn unbestritten ist: TEGO®<br />

RC Silicone sind mittlerweile ausgereift genug, um sowohl die<br />

hohen technischen Anforderungen als auch wirtschaftliche und<br />

ökologische Wünsche der Kunden an Trennbeschichtungen für<br />

Etiketten zu erfüllen.<br />

In den vergangenen Jahren entwickelten die Spezialisten bei<br />

<strong>Evonik</strong> eine Vielzahl von Produkten und Formulierungen, die<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

Platz- und energiesparend: Nach dem<br />

Auftragen über ein Mehrwalzensystem<br />

(links) härten die Silicontrenn beschichtungen<br />

in der UV-Kammer (Mitte)<br />

bereits bei Temperaturen nahe der Umgebungstemperatur<br />

in Sekunden bruchteilen<br />

aus. Deshalb sind sie auch für<br />

hitzeempfindliche Substrate ge eignet<br />

auf die Anforderungen der Kunden, in der Regel Hersteller von<br />

Selbstklebelaminaten und Klebebändern, zugeschnitten sind.<br />

Die Trennbeschichtungsmasse besteht meist aus mehreren Komponenten,<br />

deren mengenmäßige Zusammensetzung unter anderem<br />

maßgeblich den Trennwert bestimmt. Er ist ein Maß für die<br />

Kraft, die notwendig ist, um das Etikett beispielsweise in Maschinen<br />

der Lebensmittel­ oder Verpackungsindustrie verlässlich<br />

und sauber vom Träger (Substrat) zu lösen.<br />

Chemisch wird der Trennwert bestimmt durch die Kettenlänge<br />

der vernetzten Silicone und durch Stellung und Anzahl der<br />

aktiven Gruppen im Molekül. Er hängt allerdings auch vom Klebstoff,<br />

der Oberfläche und dem Material des Substrats ab. Daher<br />

braucht die Entwicklung der optimalen Rezeptur viel Erfahrung<br />

und entsprechendes Know­how.<br />

Wahlweise radikalisch oder<br />

kationisch vernetzen<br />

Eine wesentliche Voraussetzung zum Einsatz von RC Siliconacrylaten<br />

ist die Inertisierung des Reaktionsraums mit Stickstoff.<br />

Da die Siliconacrylate über Radikale vernetzen, würde Luftsauerstoff<br />

die aktiven Gruppen besetzen und die Reaktion unterbinden.<br />

Die Spezialisten bei <strong>Evonik</strong> entwickelten daher eine spezielle<br />

Stickstoffspülung, die sicherstellt, dass der Restgehalt an<br />

Sauerstoff in der Härtungskammer unter 50 ppm liegt. Die Inertisierung<br />

ist sicher, ungefährlich und erzeugt nur unwesentliche<br />

Mehrkosten.<br />

Eine Alternative ist die kationische Vernetzung von Epoxysiliconen.<br />

Hier benötigt der Reaktionsraum keine Stickstoffspülung,<br />

allerdings sind die Katalysatoren empfindlich gegen<br />

Vergiftung beispielsweise durch Additive im Trägermaterial.<br />

(Abb. 2) 333


CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 39<br />

Abbildung 2<br />

<strong>Evonik</strong> bietet für strahlenhärtende Trennbeschichtungen sowohl radikalisch<br />

härtende Siliconacrylate (oben) als auch kationisch härtende Epoxysilicone<br />

(unten) an. Die radikalisch härtenden Silicone lassen sich auf beliebigen<br />

Substraten verwenden, härten sehr schnell und eignen sich deshalb sehr gut<br />

für Inline­Prozesse; sie benötigen jedoch eine Inertisierung mit Stickstoff.<br />

Siliconacrylate Epoxysilicone<br />

Relative Intensitäten charakteristischer Banden im Infrarotspektrum<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Zeit [sec]<br />

Die kationisch härtenden Silicone brauchen keine Inertisierung und sind deshalb<br />

einfacher zu handhaben; sie härten jedoch nach, wie die Grafik zeigt, und<br />

können nicht auf allen Substraten eingesetzt werden, da die Katalysatoren<br />

durch Additive im Substrat vergiftet werden können<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


Die Technikumsanlage in Essen enthält<br />

alle wesentlichen Prozessschritte zur<br />

Herstellung von Selbstklebeprodukten:<br />

Siliconisierung, Klebstoffbeschich tung<br />

und -trocknung, Laminierung und<br />

Schneideeinrichtung. Sie kann sowohl<br />

zur Inline- als auch zur Offline-Produktion<br />

genutzt werden und arbeitet<br />

mit einer Geschwindigkeit von bis<br />

zu 100 Meter pro Minute<br />

Abbildung 3<br />

Preisvergleich zwischen Glassinepapier, das mit einem thermisch härtenden<br />

Silicon beschichtet wurde, und einer BOPP­Folie, die mit UV­härtendem<br />

Silicon beschichtet wurde<br />

0<br />

Glassinepapier 55µm mit thermisch härtendem Silicon<br />

BOPP­Standardkunststoff 30µm mit UV­härtendem Silicon<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

+ 25 %<br />

20 40 60<br />

80<br />

100<br />

Relative Rohstoffkosten [%]<br />

333TEGO®<br />

RC Silicone haben gegenüber herkömmlichen, thermisch<br />

gehärteten Trennschichten eine Reihe gewichtiger Vorteile:<br />

Sie sind lösemittelfrei. Die Anlagen sind kompakt, da Aggregate<br />

für Aufheizen, Abkühlen und Nachhärtung überflüssig<br />

werden. Der Härtungsprozess verbraucht zudem weniger Energie,<br />

da keine hohen Temperaturen benötigt werden.<br />

Für temperaturempfindliche Substrate geeignet<br />

Ein Beispiel für solche temperaturempfindlichen Substrate ist<br />

zweifach verstreckte Polypropylenfolie (BOPP). Sie ist als Träger<br />

nur 30 Mikrometer stark und damit nur etwa halb so dick<br />

wie Glassine. Durch BOPP­Folie wird das Laminat insgesamt um<br />

rund 20 Prozent dünner als Laminate auf Papierbasis, daher passt<br />

ein Fünftel mehr Material auf eine Mutterrolle. Das spart bei<br />

Produktion und Weiterverarbeitung Transportvolumen, Lagerfläche<br />

und Arbeitszeit durch weniger Rollenwechsel. Da die<br />

Oberfläche der Kunststofffolie zudem im Vergleich zu Papier<br />

glatter und geschlossener ist, benötigen BOPP­Substrate rund<br />

ein Viertel weniger Silicon.<br />

Innovationen sind teuer und neu entwickelte Alternativen<br />

erhöhen die Kosten – diese weit verbreitete Einschätzung trifft<br />

auf TEGO® RC Silicone beim genauen Hinsehen nicht zu (Abb. 3).<br />

Zwar sind bei der Herstellung einige Produktionsschritte zusätzlich<br />

notwendig, so dass die Preise in etwa doppelt so hoch<br />

sind wie für thermisch härtende Systeme. Für die Beurteilung<br />

der Kosteneffizienz ist allerdings nicht der Kilogrammpreis ausschlaggebend,<br />

sondern die Gesamtkostenbilanz: Wie teuer ist<br />

die Trennbeschichtung pro Quadratmeter Haftlaminat? 333


ökobIlanZ<br />

Kunststoff zeigt günstigere Ökobilanz als Papier<br />

Wertstoff statt Abfall<br />

Siliconbeschichtete Polypropylenfolie als<br />

Träger selbstklebender Produkte hat<br />

technische und ökonomische Vorteile gegenüber<br />

herkömmlichen Laminaten auf<br />

Glassinepapier. Doch ist ein Wechsel vom<br />

Papier zum Kunststoff auch ökologisch<br />

sinnvoll? Wird eine günstige Ökobilanz<br />

nicht gegen eine schlechtere getauscht?<br />

Fakt ist: Allein in Europa fallen im Jahr<br />

rund 250.000 Tonnen siliconbeschichtetes<br />

Glassinepapier als Abfall an. Das Silicon<br />

macht ein Recycling ausgesprochen schwierig,<br />

so dass der Großteil des Materials deponiert<br />

oder verbrannt wird; das verursacht<br />

zwangsläufig Kosten. Durch den wesentlich<br />

leichteren und dünneren BOPP-Kunststoff<br />

halbiert sich zum einen die Abfallmenge.<br />

Abbildung a<br />

Vergleich der Abfallmenge von Glassinepapier und BOPP­Kunststoff<br />

in Kilogramm pro 1.000 Quadratmeter. Weil der Kunststoff<br />

wesentlich leichter und dünner ist, halbiert sich die Abfallmenge nahezu<br />

0<br />

Glassinepapier 55µm BOPP­Standardkunststoff 30µm<br />

– 55 %<br />

Abfallmenge [kg/1.000m2 10 20 30 40 50 60 70<br />

]<br />

Zum anderen kann das Polymer stofflich<br />

ohne Probleme verwertet werden – das<br />

sortenreine BOPP ist ein begehrter Sekundärrohstoff,<br />

aus dem Recycler zum Beispiel<br />

Blumentöpfe, Wickelhülsen und Verglasungs<br />

klötze zur Fenstermontage herstellen.<br />

Derzeit steigt die Nachfrage nach gebrauchter<br />

Folie deutlich an, da die Preise<br />

für frisches Polypropylen wieder steigen.<br />

Einen umfassenden ökologischen<br />

Vergleich von Papier und Polypropylen hat<br />

das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,<br />

Energie im Auftrag von <strong>Evonik</strong> erstellt.<br />

Die Wissenschaftler erstellten eine Ökobilanz<br />

sowohl für Glassinepapier, beschichtet<br />

mit thermisch gehärtetem Silicon, als<br />

auch für BOPP-Folie, die mit UV-härten dem<br />

CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES 41<br />

Silicon beschichtet wurde. Sie bewerteten<br />

dabei nicht nur die Materialien selbst,<br />

sondern deren gesamten Lebensweg – von<br />

der Rohstoffgewinnung über die Verar -<br />

bei tungsprozesse bis zur Entsorgung bzw.<br />

Ver wertung.<br />

Die Studie kommt zu einem eindeutigen<br />

Ergebnis: Sowohl beim Treibhausgaspo -<br />

ten zial als auch beim Verbrauch von biotischen<br />

und abiotischen Rohstoffen schneidet<br />

BOPP besser ab als Glassine. Auch die<br />

Unterschie de beim kumulierten Energieaufwand<br />

sind auffällig. Die Herstellung von<br />

Glassine braucht viel Energie, da das Spezialpapier<br />

aus reinem, frischem Zellstoff produziert<br />

werden muss, damit es völlig holzfrei<br />

ist. BOPP-Folie wird zwar aus Erdöl<br />

hergestellt, das Recycling gebrauchter Folie<br />

aber senkt unter dem Strich den Energie -<br />

ver brauch deutlich. Der kumulierte Energieaufwand<br />

zur Herstellung eines Quadratmeters<br />

liegt dadurch für den Kunststoff um<br />

80 Prozent niedriger. (Abb. a)<br />

Der Druck auf die Branche, technische<br />

Lösungen für eine stoffliche Verwertung<br />

der Release Liner zu entwickeln, steigt<br />

ständig, in einigen Ländern darf Glassine<br />

bereits heute nicht mehr billig deponiert<br />

werden. Zudem sind die anfallenden Mengen<br />

nennenswert, so dass sie für Recycling-<br />

Unternehmen eine interessante Rohstoffquelle<br />

darstellen. „ In wenigen Jahren werden<br />

BOPP-Liner in der Etikettenindustrie<br />

Stand der Technik sein – beschichtet mit<br />

unseren TEGO® RC Siliconen“, meint<br />

Mikko Meyder, Global Marketing Manager<br />

des Geschäftssegments RC Silicone.<br />

Vergleich des kumulierten Energieaufwands zur Herstellung von<br />

jeweils einem Quadratmeter BOPP und Glassinepapier. Durch<br />

das Recycling gebrauchter BOPP­Folie – dies ist beim Glassinepapier<br />

nicht möglich – schneidet BOPP hier deutlich besser ab<br />

Quelle: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie<br />

0<br />

Glassinepapier inkl. Müllverbrennung<br />

BOPP BOPP inkl. Recycling<br />

Energieverbrauch [MJ/m2 1 2 3<br />

]<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


42 CoatInG & bonDInG tEChnoloGIES<br />

Nicht nur technische,<br />

sondern auch ökonomische<br />

und ökologische Vorteile<br />

Hier zeigt sich, dass die UV­Silicone gegenüber der thermischen<br />

Alternative Kosten sparen. Der Vergleich der Rohstoffpreise<br />

spricht für den Kunststoff. Zwar hat die Wirtschaftskrise die<br />

Rohstoffpreise auf eine Achterbahnfahrt geschickt. Dennoch ist<br />

BOPP­Folie als Träger preiswerter als Glassinepapier, da das Polypropylen<br />

als Standardkunststoff beispielsweise für Verpackungsfolien<br />

und die Heißversiegelung gehandelt wird. Der niedrige<br />

Preis der Folien gleicht den Mehrpreis für UV­Silicone mehr<br />

als aus.<br />

Die ökonomischen und technischen Vorteile beginnen am<br />

Markt zu wirken. Einer der großen Laminathersteller in Europa<br />

hat mit der Umstellung von Papier­Liner auf Folien begonnen.<br />

Auch Unternehmen, die Wert auf Nachhaltigkeit ihrer eingesetzten<br />

Materialien legen, finden hier ihre Ansprüche erfüllt:<br />

Mit RC Siliconen beschichtete Kunststoffträger sind leichter und<br />

vor allem ökologischer, weil sie das Abfallaufkommen mindern<br />

und zu hochwertigen Produkten recycelbar sind (s. Infokasten<br />

S. 41).<br />

Insbesondere im Ausland wächst die Nachfrage. Schwellenländer<br />

mit starkem Wirtschaftswachstum wie China und Brasilien<br />

haben einen großen Bedarf an Konsumgütern und damit<br />

auch an modernen Etikettiersystemen. Allein in China wächst<br />

der Markt für Selbstklebeetiketten pro Jahr um rund 15 Prozent.<br />

Zahlreiche Etikettenhersteller und Druckereien sind dort auf<br />

der Suche nach kompakten, langlebigen Anlagen mit relativ niedrigem<br />

Invest. Dabei hat Technologie made in Germany ein besonders<br />

gutes Image. Um auf diese Entwicklung zu reagieren,<br />

hat <strong>Evonik</strong> im Jahr 2009 das Competence Center Shanghai eröffnet.<br />

Hier können asiatische Kunden auf einer Laborbeschichtungsanlage<br />

maßgeschneiderte RC­Formulierungen ausprobieren<br />

und sich von den Vorteilen der Strahlenhärtung ein eigenes<br />

Bild machen.<br />

Neben einem vergleichbaren Competence Center in Hopewell<br />

(Virginia, USA) verfügt <strong>Evonik</strong> in Europa, Asien und Südamerika<br />

über vier mobile UV­Härtungsstationen – sie stehen<br />

bereit für Marktteilnehmer, die selbst Erfahrungen mit der Strahlenhärtung<br />

machen wollen. Auch das RC­Technikum in Essen<br />

bietet Kunden seit 2005 die Möglichkeit, eine Vielzahl von Klebstoffen,<br />

Trägermaterialien und Oberflächen zu testen und an die<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010<br />

jeweilige Anwendung anzupassen. Die Anlage ist in der Lage, in<br />

einem Durchgang Substrate zu siliconisieren, Klebstoffe aufzutragen<br />

und ein Deckmaterial zu kaschieren.<br />

Die Entwicklungen bei RC Siliconen gehen weiter. Statt herkömmlicher<br />

UV­Strahler könnten in wenigen Jahren UV­LEDs<br />

einsatzbereit sein. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch<br />

Leuchtdioden würde die Lampe zu einem geometrisch geformten<br />

Flächenstrahler. Außerdem ließe sich durch Zu­ und Abschalten<br />

einzelner Dioden die Strahlungsenergie präzise steuern.<br />

Nicht zuletzt sind LEDs kompakt, haben eine lange Lebensdauer<br />

und erzeugen weniger Abwärme als herkömmliche UV­Strahler.<br />

Allerdings gibt es noch keine LED, die energiereiche UV­C­<br />

Strahlung generiert. Experten von <strong>Evonik</strong> arbeiten gemeinsam<br />

mit Anlagenbauern, mit Substrat­ und Klebstoffherstellern daran,<br />

LED­Technologie und Siliconchemie aufeinander abzustimmen.<br />

Bereits in wenigen Jahren könnte die erste LED­UV­Lampe<br />

zur Siliconhärtung einsatzbereit sein.<br />

Außerdem denken die Experten von <strong>Evonik</strong> weit über Etiketten<br />

& Co. hinaus. „Silicone sind chemische Multitalente. UVhärtende<br />

Silicone wären dank ihrer Vielseitigkeit und den aufgrund<br />

des erarbeiteten chemischen Know­hows möglichen maßgeschneiderten<br />

Eigenschaften geeignet für ganz neue Anwendungsfelder,<br />

beispielsweise für die Beschichtungen von<br />

hitzeempfindlichen technischen Textilien und Membranen. Mit<br />

diesen zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten schaffen sie die<br />

Voraussetzung für einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen<br />

Wachstum unseres Geschäftsgebiets Industrial Specialties“, sagt<br />

Dr. Georg Feldmann­Krane, Leiter des Geschäftsgebiets. 777<br />

Dr. Winfried hamann leitet die Anwendungstechnik<br />

Strahlenhärtende Silicone im <strong>Evonik</strong>-Geschäftsgebiet<br />

Industrial Specialties. Nach Studium der Chemie und<br />

Promotion in anorganischer Chemie an der West fälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster startete er 1984<br />

seine Karriere bei der Jackstädt GmbH, Wuppertal,<br />

einem Haftmaterialhersteller. 1987 übernahm er dort<br />

die Leitung F&E Silicone, bis er 1992 zu <strong>Evonik</strong> bzw.<br />

der damaligen Th. Goldschmidt AG wechselte.<br />

+49 201 173-2452, winfried.hamann@evonik.com<br />

annegret lange ist im Geschäftsgebiet Industrial<br />

Specialties verantwortlich für den Verkauf der RC<br />

Silicone im Raum EMEA (Europe, Middle East, Africa).<br />

Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau bei der<br />

ehemaligen Th. Goldschmidt AG in Essen arbeitete<br />

sie ab 1977 in verschiedenen Positionen im Verkauf<br />

Sili cone. Ab 1987 arbeitete sie im Geschäftsgebiet<br />

Industrial Specialties als Market Manager Westeuropa<br />

für RC Silicone, bis sie 2005 in ihre aktuelle Position<br />

wechselte.<br />

+49 201 173-2574, annegret.lange@evonik.com<br />

mikko meyder ist Leiter Marketing RC Silicone im<br />

Geschäftsgebiet Industrial Chemicals. Nach dem<br />

Studium der Chemietechnik an der Universität Dortmund<br />

begann er 1998 seine berufliche Laufbahn bei<br />

der Wacker Chemie in Burghausen und Nünchritz,<br />

zunächst als Projektingenieur Anlagenbau, später als<br />

Betriebsingenieur. 2002 wechselte er als Projektingenieur<br />

Anlagenbau zu <strong>Evonik</strong> in Essen. Nach einer<br />

weiteren Station als Senior Consultant im Bereich Inhouse<br />

Consulting von <strong>Evonik</strong> übernahm er 2007 seine<br />

jetzige Aufgabe.<br />

+49 201 173-2595, mikko.meyder@evonik.com


Noch höhere Effizienz bei Erdwärme<br />

Erdwärme ist das effizienteste Heizsystem. Es erzeugt<br />

45 Prozent weniger CO 2 als eine Ölheizung und 33<br />

Prozent weniger als Gas. Und die neue Direktverdampfer­Technologie<br />

mit Propan steigert ihre Effizienz<br />

um weitere 10 Prozent, da keine Sole gepumpt<br />

werden muss. Den Kunststoff für die dafür notwendigen<br />

Rohre (Sonden), die etwa 100 Meter tief in die<br />

Erde getrieben werden, liefert <strong>Evonik</strong> Industries. Mit<br />

VESTAMID®, einem Polyamid 12, steht ein Material<br />

mit einer hohen Barriere gegen Permeation von Propan<br />

zur Verfügung, das im Gegensatz zu Stahl vom<br />

Wickel verarbeitet werden kann und keinen Korrosionsschutz<br />

braucht.<br />

Das etablierte Verfahren zur Gewinnung von Erdwärme<br />

nutzt eine Wasser­Glykol­Sole für den Wärmeaustausch,<br />

die durch Polyethylensonden gepumpt<br />

wird. Bei dem neuen Direktverdampfer­Verfahren<br />

wird stattdessen das Kältemittel R290 (Propan) verwendet,<br />

das in der Sonde in den zwei Phasen gasförmig<br />

und flüssig vorliegt. Aufgrund der Temperaturdifferenz<br />

– in der Tiefe von 100 Meter ist es etwa 4<br />

bis 5 °C wärmer als im oberflächennahen Bereich –<br />

zirkuliert das Propan ausschließlich aufgrund des<br />

physikalischen Effektes der Verdampfung und Kondensation.<br />

Das heißt, eine Pumpe wird überflüssig,<br />

dadurch spart man Energie, so dass die Leistung der<br />

Wärmegewinnung um 10 Prozent steigt. Allerdings<br />

können bei diesem Verfahren keine Polyethylensonden<br />

eingesetzt werden, da sie für Propangas durchlässig<br />

sind.<br />

Die Alternative sind Stahlrohre oder Rohre aus<br />

Polyamid 12. Letztere haben den Vorteil, dass sie nicht<br />

korrodieren und auf Rollen gewickelt werden können,<br />

so dass bei der Verlegung kein Schweißen vor<br />

Ort erforderlich ist. Sonden aus dem für diese<br />

Anwendung besonders modi fizierten VESTAMID®<br />

besitzen darüber hinaus eine raue Innenoberfläche,<br />

die für die Rieselfilmbildung des Wärmetauschers<br />

unabdingbar ist.<br />

Impressum<br />

herausgeber<br />

<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />

Innovation Management<br />

Chemicals & Creavis<br />

Rellinghauser Straße 1–11<br />

45128 Essen<br />

Wissenschaftlicher beirat<br />

Dr. Norbert Finke<br />

<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />

Innovation Management<br />

Chemicals & Creavis<br />

norbert.finke@evonik.com<br />

Redaktion<br />

Dr. Karin Aßmann<br />

(verantwortlich)<br />

<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />

Konzernredaktion<br />

karin.assmann@evonik.com<br />

Redaktionelle mitarbeiter<br />

Christa Friedl<br />

Michael Vogel<br />

Gestaltung<br />

Michael Stahl, München<br />

fotos<br />

<strong>Evonik</strong> Industries<br />

Karsten Bootmann<br />

Adrian Schmidt<br />

Stefan Wildhirt<br />

Gina Sanders – Fotolia (S. 15)<br />

Stefan Richter – Fotolia (S. 24)<br />

Carlos Casariego – Getty Images (S. 25)<br />

Bei der Direktverdampfer-<br />

Technologie mit Sonden<br />

aus VESTAMID® Polyamid 12<br />

steigt die Effizienz bei der<br />

Erdwärmegewinnung um<br />

weitere 10 Prozent<br />

Druck<br />

Laupenmühlen Druck<br />

GmbH & Co.KG, Bochum<br />

Nachdruck nur mit<br />

Genehmigung der Redaktion<br />

nEWS 43<br />

<strong>elements33</strong> Ausgabe 4|2010


Ungewöhnliche Kunststofflösungen<br />

sind für uns nichts Ungewöhnliches.<br />

www.evonik.de

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