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freiheit der - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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Prominent besetzt: Podium des Forums II Foto: Joerss<br />

„So fern und doch so nah: Natur- und<br />

Geisteswissenschaften – eine Schicksalsgemeinschaft?“,<br />

lautete die Überschrift<br />

von Forum II des Symposiums.<br />

Auf dem Podium: Professor Dr. Jürgen<br />

Mlynek (Rektor <strong>der</strong> Humboldt-Universität,<br />

Berlin), Professor Dr. Wilhelm<br />

Vossenkuhl (Philosopohie, LMU München),<br />

Professor Dr. Erika Fischer-Lichte<br />

(Theaterwissenschaften, FU Berlin),<br />

Professor Dr. Wolfgang M. Heckl (Generaldirektor<br />

des Deutschen. Museums,<br />

München), Professor Dr. Julian Nida-<br />

Rümelin (Kulturstaatsminister a. D.,<br />

Philosophie/Politologie, LMU München),<br />

Dr. Konrad Adam (Mo<strong>der</strong>ator,<br />

Chefredakteur Die WELT). In seinem<br />

einleitenden Thesenreferat stellte Professor<br />

Dr. Jürgen Mlynek die Frage, ob<br />

„Humboldt neu denken“ auch bedeute,<br />

„die Universität als Ganzes neu zu erfinden“.<br />

Die deutsche Universität sieht er<br />

auch im Zeichen <strong>der</strong> Globalisierung als<br />

„Ort, wo Wissen neu erzeugt wird“. Das<br />

Gelehrtendasein stelle sich in gewisser<br />

Weise auch als „intellektuelles Abenteuer“<br />

dar, bei dem gleichzeitig Studienreformen,<br />

Profilbildung und Nachwuchswerbung<br />

vorangetrieben werden müßten.<br />

Er for<strong>der</strong>te das zeitlose Postulat<br />

Wilhelm von Humboldts ein, demzufolge<br />

Lehre(r) und Forschung „für die <strong>Wissenschaft</strong>“<br />

da zu sein haben, und legte<br />

Wert auf die Feststellung, daß <strong>der</strong> Weg<br />

zum B.A./M.A. konsequent als einzige<br />

Alternative verfolgt werden solle. Ob dabei<br />

die Universität die akademische<br />

<strong>Freiheit</strong> verliere, sei eine Gefahr, <strong>der</strong> dadurch<br />

entgegengewirkt werden könne,<br />

daß die grundlegenden Begriffe geschärft<br />

würden: Bildung als unverzichtbare<br />

Persönlichkeitsbildung, Ausbildung<br />

als Berufsorientierung. Hier müßten<br />

Natur- und Geisteswissenschaften<br />

notwendigerweise „an einem Strang<br />

ziehen“, um eine Balance zwischen einer<br />

extremen Leistungsanfor<strong>der</strong>ung und<br />

den akademischen Traditionen durch<br />

ein eigenes Profil je<strong>der</strong> Universität zu<br />

erreichen. Es stelle sich dabei heraus,<br />

daß Natur- und Geisteswissenschaften<br />

zwar „thematisch unterschiedliche Disziplinen“<br />

seien, die aber „den gleichen<br />

Zielen dienten, nämlich <strong>der</strong> Wahrheitssuche<br />

im jeweils eigenen Forschungsbereich“.<br />

In <strong>der</strong> These, daß die Geisteswissenschaften<br />

von <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

(Tradition) lebten, die sich täglich rechtfertigen<br />

müssten, den Naturwissenschaften<br />

aber die „Zukunft gehöre“, sehe<br />

er ein fast unausrottbares Vorurteil.<br />

Am Beispiel des „iconic turn“, dem<br />

Wechsel von <strong>der</strong> Text- zur Bild-Orientierung<br />

in den Geisteswissenschaften,<br />

sehe er ein Feld <strong>der</strong> Annäherung. Für<br />

beide Bereiche gelte ein Zitat Georg<br />

Christoph Lichtenbergs (1742–1799),<br />

<strong>der</strong> sowohl die geistige Zuchtlosigkeit<br />

als auch die Pedanterie bekämpft hatte:<br />

„Das Neue liegt am Rande“ – ein Plädoyer<br />

auch für die „kleinen Fächer“, die<br />

„Exoten“?<br />

In seinem „Korreferat“ sprach sich Professor<br />

Dr. Wilhelm Vossenkuhl gegen<br />

die These aus, <strong>der</strong>zufolge die Geisteswissenschaften<br />

eine „an<strong>der</strong>e Wirklichkeit<br />

des Gehirns vor sich“ hätten als die<br />

Neurobiologen und sah im „Auf und Ab<br />

<strong>der</strong> Disziplinen“ einen Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> „Evolution des Marktes <strong>der</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong>en“. Die Autonomie <strong>der</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong>(en) habe gewissermaßen<br />

einen „Antimarkt-Effekt“. Das Gegensatzpaar<br />

Wert und Nutzen illustrierte er<br />

am Beispiel des Standardwerkes <strong>der</strong><br />

deutschen Geschichtswissenschaften<br />

über das 19. Jahrhun<strong>der</strong>t (Professor Dr.<br />

Thomas Nipperdey, LMU München). Er<br />

for<strong>der</strong>te die Disziplinen auf, um ihre<br />

Eigenständigkeit zu kämpfen, um die<br />

akademische <strong>Freiheit</strong> nicht zwischen<br />

staatlichen Vorgaben, Wettbewerbsdruck<br />

und verständlichem, aber vor<strong>der</strong>gründigem<br />

öffentlichem Interesse an „schnellen<br />

Forschungsergebnissen“ (vor allem<br />

in <strong>der</strong> Medizin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Pharmazie)<br />

zunehmend schwinden zu sehen. Er<br />

spreche sich auch stets gegen ein „geheucheltes<br />

wechselseitiges Interesse“<br />

<strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sbereiche untereinan<strong>der</strong><br />

aus und for<strong>der</strong>e die „Solidarität <strong>der</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong>en“.<br />

Professor Dr. Julian Nida-Rümelin<br />

erwähnte, daß bis etwa 1970 die Geisteswissenschaften<br />

das „Feld <strong>der</strong> Gymnasiallehrer“<br />

gewesen seien, weitgehend<br />

abgeschottet vom übrigen <strong>Wissenschaft</strong>sbereich(Lehramt/Diplomstudiengänge).<br />

So erkläre sich zum Teil die<br />

„defensive Situation heute“, denn das<br />

vielfach beklagte „akademische Proletariat“<br />

weise wenige Absolventen <strong>der</strong><br />

Geisteswissenschaften auf. Er erinnerte<br />

daran, daß es die zündende Idee Wilhelm<br />

von Humboldts war, die Universität<br />

von den „drei Ausbildungsgängen<br />

<strong>der</strong> Hohen Schule des Mittelalters“, orientiert<br />

an den „septem artes liberales“,<br />

in die akademische <strong>Freiheit</strong> als Konsequenz<br />

<strong>der</strong> Aufklärung zu führen, die<br />

„eben nicht berufsbild-, son<strong>der</strong>n wissenschaftsorientiert“<br />

sein sollte. Er verwies<br />

ferner auf den Beschluß <strong>der</strong> Kultusministerkonferenz<br />

von Oktober 2003<br />

zur Neuorientierung <strong>der</strong> Studiengänge:<br />

berufsorientierte und wissenschaftsorientierte<br />

Wege sollten sich ergänzen.<br />

Das Spezifikum <strong>der</strong> Geisteswissenschaften<br />

sehe er dabei in <strong>der</strong> Grundfor<strong>der</strong>ung,<br />

„präzise formulieren zu können“<br />

– unverzichtbar auch in <strong>der</strong> Anwendung<br />

in den Naturwissenschaften:<br />

6 fdw 1/2005

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