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Dezember 2005 - Der Fels

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Bahnhofsplatz von Luzern. Darunter Standaktion der Schweizer Initiative<br />

Wahre Liebe Wartet. Eine Aktion die großes Aufsehen und bei Jugendlichen<br />

Nachdenklichkeit über ihr sexuelles Verhalten hervorgerufen hat.<br />

Quelle: www.jesus.ch<br />

Die zweite Verstehenshilfe, die über<br />

das glaubensmäßige Erkennen hinausgeht,<br />

hat mit der Psychologie des<br />

Menschen zu tun. Man lernt als Seelsorger<br />

recht viele Ehepartner kennen,<br />

die zwar vor der Ehe sexuelle Kontakte<br />

pflegten, aber in ihrer Partnerschaft<br />

nie richtig eins geworden sind. Man<br />

hat den Eindruck, dass die Zahl der<br />

von Ehe und Partnerschaft frustrierten<br />

Menschen parallel zur Anzahl der<br />

freien vorehelichen Beziehungen zunimmt.<br />

Das körperliche Einswerden<br />

ist vom Ein-Herz-und-Eine-Seele-<br />

Werden zu unterscheiden. Ein tiefer<br />

Sinn der Enthaltsamkeit vor der Ehe<br />

liegt unter anderem darin, zwei Seelen<br />

aufeinander abzustimmen. <strong>Der</strong><br />

Verzicht auf die geschlechtliche Vereinigung<br />

kann zu einer objektiveren<br />

Annäherung führen, während die körperliche<br />

Nähe durchaus blind machen<br />

kann für charakterliche Differenzen.<br />

Manchmal ist Sex ein Ausgleichsversuch<br />

für einen fehlenden Gleichklang<br />

des Herzens. Diese Erkenntnis hat<br />

z.B. Walter Trobisch, der verdiente<br />

Eheberater und Buchautor, aus vielen<br />

Praxisfällen zusammengetragen.<br />

Einmal bringt er einen treffenden<br />

Vergleich: Wenn ein Orchester seine<br />

Instrumente stimmt, beginnen die<br />

leisen Instrumente zuerst, die Pauken<br />

kommen zum Schluss. So sei es auch<br />

mit der Freundschaft vor der Ehe: Die<br />

charakterliche und seelische Annäherung<br />

muss vorausgehen. <strong>Der</strong> Paukenschlag<br />

der körperlichen Ganzhingabe<br />

ist die Krönung in der Ehe.<br />

Wie gesagt, vernünftige Gründe,<br />

seien sie soziologischer oder psychologischer<br />

Natur, greifen nur begrenzt,<br />

wenn man Katholiken heute die<br />

Pflege der vorehelichen Keuschheit<br />

nahe legen will. Ich sage bewusst Katholiken,<br />

weil nicht nur Jugendliche<br />

davon betroffen sind, sondern genauso<br />

Erwachsene, wie z.B. Singles oder<br />

Witwer. Vielleicht sind Jugendliche<br />

sogar offener, wenn man ihnen wirklich<br />

vom Glauben her Auskunft gibt.<br />

„Die Keuschheit ist meiner Meinung<br />

nach die Grundlage aller Tugenden;<br />

sie muss in der Tat als Fundament<br />

des ganzen religiösen Lebens<br />

dienen.“ Diese Aussage erreicht möglicherweise<br />

nicht die Qualifikation für<br />

ein Lehrbuch der moraltheologischen<br />

Tugendlehre, dafür trägt sie die<br />

Unterschrift eines der erfahrensten<br />

Jugendseelsorgers aller Zeiten, die<br />

Don Boscos. Theologisch betrachtet<br />

sind Glaube, Hoffnung und Liebe<br />

die Grundpfeiler aller Tugenden, die<br />

Fundamente des religiösen Lebens.<br />

Seelsorglich betrachtet wird Don Bos-<br />

co recht haben; ohne die Keuschheit<br />

magert auch das Glaubensleben ab,<br />

stirbt allmählich die übernatürliche<br />

Liebe. In den vergangenen Jahren<br />

wurden intensive Analysen über das<br />

schwindende Glaubensbewusstsein<br />

in der westlichen Welt ausgearbeitet.<br />

Dieser Zusammenhang scheint im<br />

allgemeinen wenig bedacht worden<br />

zu sein: Je ungebundener Christen<br />

ihr Sexualleben gestalten, desto bindungsloser<br />

werden sie mit der Zeit<br />

auch im Glaubensleben. In meiner<br />

bescheidenen Erfahrung als Seelsorgspriester<br />

kann ich bezeugen: die<br />

einschneidendste Entfremdung junger<br />

Menschen vom kirchlichen Leben<br />

setzt in der Phase ein, wo Jugendliche<br />

sexuell aktiv werden. <strong>Der</strong> Geschmack<br />

an den geistlichen Gütern nimmt<br />

parallel zum Geschmack am ungeordneten<br />

geschlechtlichen Genuss<br />

ab. Die Beifügung „ungeordnet“ im<br />

vorhergehenden Satz ist wichtig, weil<br />

die Aussage nur für außereheliche<br />

Beziehungen gilt. In einer durch den<br />

Ehebund besiegelten Ganzhingabe<br />

von Mann und Frau ist die körperliche<br />

Vereinigung – wenn sie gottgemäß<br />

vollzogen wird – ein Abbild des Bundes,<br />

den Christus mit uns geschlossen<br />

hat, und kann durchaus tiefer zu Gott<br />

hinführen.<br />

Warum trübt die Unkeuschheit,<br />

der ungeordnete Gebrauch der Geschlechtskraft,<br />

so leicht das Gottesverhältnis?<br />

Thomas von Aquin sieht<br />

den Zusammenhang darin, dass „die<br />

Aufmerksamkeit des Menschen durch<br />

diese Sünde sehr stark auf Körperliches<br />

gelenkt und folglich die Aufmerksamkeit<br />

auf die geistigen Wirklichkeiten<br />

geschwächt wird“ (Vgl.<br />

Summa theologiae I-II, quaestio 15).<br />

In einem letzten gedanklichen<br />

Aufschwung wollen wir uns die<br />

Mittel überlegen, die helfen können,<br />

ein keusches Leben vor der Ehe, aber<br />

auch in der Ehe, zu führen. Wenn Gott<br />

wirklich durch die Lehre der Kirche<br />

zu uns spricht und die Beachtung<br />

dieser Lehre der richtige Weg zum<br />

Heil ist, muss es auch entsprechende<br />

Mittel geben, die diese Lehre lebbar<br />

machen.<br />

Wiederum möchte ich ein wenig<br />

aus eigener Erfahrung schreiben. Betrachtet<br />

man Kinder, wie sie täglich<br />

Schleckereien zu sich nehmen, wie<br />

ihnen zu allen Jahreszeiten fast alle<br />

354 DER FELS 12/<strong>2005</strong>

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