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Dezember 2005 - Der Fels

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hat nicht „Umwelt“, sondern er hat<br />

„Welt“. Er hat die Kraft, sich mit<br />

der Gesamtheit der seienden Dinge<br />

in Beziehung zu setzen. Darin aber<br />

öffnet er sich Problemen, die das<br />

Konkret-Vordergründige hinterfragen.<br />

Er wird mancher Rätsel inne,<br />

deren Lösung er jenseits seines Gesichtsfeldes<br />

suchen muss. Er horcht<br />

in sich hinein und fragt sich nach<br />

seinem „Woher“ und „Wohin“, kurz:<br />

Er ist nicht wie die Mattscheibe des<br />

Fernsehapparats: zweidimensional,<br />

platt und ohne Tiefe. Er kann die<br />

nahe Umwelt, die ihm ins Auge<br />

fällt, hinter sich lassen.<br />

Seit der Renaissance hatte nun<br />

zunehmendes Interesse an Einzel-<br />

heiten des unmittelbar gegenwärtigen<br />

Lebensraumes zur Folge, dass<br />

der Mensch sich vorwiegend mit<br />

dem Greifbaren und direkt Wahrnehmbaren<br />

beschäftigte; er nahm<br />

sozusagen die Sichtweise der Dohle<br />

an und war – wie sie – fixiert auf die<br />

Umwelt. Nicht mehr das Ganze der<br />

Welt beschäftigte ihn, sondern der<br />

Ausschnitt. Erfahrungswissenschaften<br />

mit ihrer Exaktheit und Systematik<br />

befassten sich mit dem Detail,<br />

dessen Wunderbarkeit oft genug<br />

erstaunen machte. Was messbar<br />

war an der Schöpfung, an Pflanzen<br />

und Tieren wurde sorgfältig erfasst<br />

und aufgelistet. Auch das Bild vom<br />

Menschen bestimmte sich zunehmend<br />

durch die Daten und Zahlen,<br />

die man seinem Erscheinungsbild<br />

ablas – etwa in der Soziologie und<br />

der Psychologie. Immer neue Einzelerkenntnisse<br />

machten Schlagzeilen.<br />

Medien und andere Multiplikatoren<br />

verbreiteten die „Ergebnisse“ der<br />

Wissenschaft. So wurde die Gesamtsicht<br />

der Schöpfung zunehmend<br />

ausgeblendet. Sie verlor ihren Ort im<br />

menschlichen Denken. Sie wurde<br />

nicht mehr artikuliert und vergessen.<br />

Auf die Dauer gewöhnten wir uns<br />

daran, dass allein die Umwelt zählt,<br />

die Ausschnitt-Wirklichkeit des<br />

Tieres. Mehr noch: Sie scheint das<br />

einzige was überhaupt existiert. <strong>Der</strong><br />

portugiesische Dichter Fernando<br />

Pessoa formuliert prägnant und lässt<br />

daran keinen Zweifel.<br />

<strong>Der</strong> Kupferstich aus der Merian Bibel zeigt eine Vision des Propheten Ezechiel. Gott zeigt dem Propheten „Das Tal<br />

von Totengebein“. Es ist ein Bild von Verfall und Neubeginn. Abgestorben sind all jene, die rechthaberisch ihre eigene<br />

Sache betreiben wollten. Ob auch manche der heutigen Gremienfunktionäre dazugehören? Ihre Apparate, Bürostellen<br />

und ihre Papierflut? Bei Ezechiel erkennen die Abgestorbenen schließlich ihre Situation und bekennen reumütig: „Verdorrt<br />

sind unsere Gebeine, dahin ist unsere Hoffnung, es ist aus mit uns.“ (Ez 37,11) Doch der Herr kann in seiner<br />

Schöpfermacht heute wie damals helfen. Allerdings: „Nicht um euretwillen tue ich es, sondern um meines heiligen<br />

Namens willen, den ihr unter den Völkern entweiht habt. Ich will meinen großen Namen heiligen …“ (Ez 36,22-23).<br />

Möge der Herr um seines Namens willen auch uns gnädig sein. Geheiligt werde Dein Name. Dein Wille geschehe!<br />

342 DER FELS 12/<strong>2005</strong>

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